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    Plenarprotokoll 18/196 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 196. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 20. Oktober 2016 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag der Abgeord- neten Sibylle Pfeiffer und Willi Brase . . . . . 19415 A Begrüßung der neuen Abgeordneten Bettina Bähr-Losse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19415 B Wahl der Abgeordneten Bartholomäus Kalb, Eckhardt Rehberg und Carsten Schneider als Mitglieder des Verwaltungsrates der Kreditanstalt für Wiederaufbau . . . . . . . . . 19415 B Erweiterung und Abwicklung der Tagesord- nung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19415 B Absetzung des Tagesordnungspunktes 18 . . . . 19417 A Nachträgliche Ausschussüberweisungen . . . . 19417 B Begrüßung einer Delegation des österreichi- schen Nationalrates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19419 D Tagesordnungspunkt 3: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Beteiligung des Bundes an den Kosten der Integration und zur weiteren Entlastung von Ländern und Kommunen Drucksache 18/9980 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19417 D Dr . Wolfgang Schäuble, Bundesminister BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19418 A Dr . Gesine Lötzsch (DIE LINKE) . . . . . . . . . 19420 A Ulrike Gottschalck (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 19420 D Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19421 D Ralph Brinkhaus (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 19423 A Sevim Dağdelen (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 19424 D Bernhard Daldrup (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 19426 A Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19427 C Eckhardt Rehberg (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 19428 D Martin Gerster (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19430 C Alois Rainer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . 19431 B Josip Juratovic (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19432 C Tagesordnungspunkt 4: Antrag der Abgeordneten Christian Kühn (Tü- bingen), Kerstin Andreae, Britta Haßelmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Gemeinsam für bezahlbares Wohnen – Lebenswert und klimafreundlich Drucksache 18/10027 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19433 B Katrin Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19433 C Dr . Georg Nüßlein (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 19434 D Caren Lay (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . 19437 B Florian Pronold, Parl . Staatssekretär BMUB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19438 D Lisa Paus (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19439 C Kai Wegner (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . 19440 D Caren Lay (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 19441 B Klaus Ernst (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . 19443 A Kai Wegner (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 19443 C Michael Groß (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19444 C Christian Kühn (Tübingen) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19445 A Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 196 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 20 . Oktober 2016II Sylvia Jörrißen (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 19446 A Detlev Pilger (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19448 C Claudia Tausend (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19449 D Renate Künast (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19450 C Michael Groß (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19451 B Klaus Mindrup (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19451 D Bernhard Daldrup (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 19452 D Tagesordnungspunkt 5: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung des Schutzes gegen Nachstel- lungen Drucksache 18/9946 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19453 C Christian Lange, Parl . Staatssekretär BMJV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19453 D Halina Wawzyniak (DIE LINKE) . . . . . . . . . . 19454 D Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU/ CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19456 B Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19457 D Dirk Wiese (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19458 D Ulle Schauws (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19459 C Dr . Volker Ullrich (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 19460 B Dr . Fritz Felgentreu (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 19461 C Iris Ripsam (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . 19462 B Tagesordnungspunkt 33: a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Einbeziehung der Bundespolizei in den Anwendungsbereich des Bundes- gebührengesetzes Drucksache 18/9759 . . . . . . . . . . . . . . . . . 19463 B b) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Protokoll vom 27. Juni 1997 zur Neufassung des internationalen Übereinkommens vom 13. Dezember 1960 über Zusammenarbeit zur Siche- rung der Luftfahrt „EUROCONTROL“ Drucksache 18/9877 . . . . . . . . . . . . . . . . . 19463 B c) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Protokoll vom 8. Oktober 2002 über den Beitritt der Europäi- schen Gemeinschaft zum Internationa- len Übereinkommen vom 13. Dezember 1960 über Zusammenarbeit zur Siche- rung der Luftfahrt „EUROCONTROL“ entsprechend den verschiedenen vorge- nommenen Änderungen in der Neufas- sung des Protokolls vom 27. Juni 1997 Drucksache 18/9878 . . . . . . . . . . . . . . . . . 19463 C d) Erste Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtli- nie 2014/55/EU über die elektronische Rechnungsstellung im öffentlichen Auf- tragswesen Drucksache 18/9945 . . . . . . . . . . . . . . . . . 19463 C e) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Änderung von Vorschriften zur Bevorratung von Erdöl, zur Erhebung von Mineralöldaten und zur Umstellung auf hochkalorisches Erdgas Drucksache 18/9950 . . . . . . . . . . . . . . . . . 19463 C f) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Telekommu- nikationsgesetzes Drucksache 18/9951 . . . . . . . . . . . . . . . . . 19463 D g) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Änderung des Zollverwaltungs- gesetzes Drucksache 18/9987 . . . . . . . . . . . . . . . . . 19463 D h) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Protokoll vom 7. April 2016 zwischen der Regierung der Bundes- republik Deutschland und der Regie- rung der Französischen Republik über den grenzüberschreitenden Einsatz von Luftfahrzeugen zur Ergänzung des Ab- kommens vom 9. Oktober 1997 über die Zusammenarbeit der Polizei- und Zoll- behörden in den Grenzgebieten Drucksache 18/9988 . . . . . . . . . . . . . . . . . 19464 A i) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Ge- setzes zu dem Protokoll vom 19. Mai 2016 zum Nordatlantikvertrag über den Beitritt Montenegros Drucksache 18/9989 . . . . . . . . . . . . . . . . . 19464 A j) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Ge- setzes zu den Vorschlägen der Europä- ischen Kommission vom 7. März 2016 für Beschlüsse des Rates zur Festlegung von Standpunkten der Union in den Sta- bilitäts- und Assoziierungsräten EU – Republik Albanien sowie EU – Republik Serbien im Hinblick auf die Beteiligung der Republik Albanien sowie der Repu- blik Serbien als Beobachter an den Arbei- ten der Agentur der Europäischen Union Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 196 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 20 . Oktober 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 196 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 20 . Oktober 2016 III für Grundrechte und die entsprechenden Modalitäten im Rahmen der Verordnung (EG) Nr. 168/2007 des Rates Drucksache 18/9990 . . . . . . . . . . . . . . . . . 19464 B k) Antrag der Abgeordneten Katrin Werner, Sigrid Hupach, Matthias W . Birkwald, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Das Teilhaberecht menschen- rechtskonform gestalten Drucksache 18/10014 . . . . . . . . . . . . . . . . 19464 B Zusatztagesordnungspunkt 2: a) Antrag der Abgeordneten Beate Walter- Rosenheimer, Maria Klein-Schmeink, Dr . Franziska Brantner, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Hilfen für Kinder psychisch kranker Eltern Drucksache 18/9856 . . . . . . . . . . . . . . . . . 19464 C b) Antrag der Abgeordneten Matthias Gastel, Tabea Rößner, Oliver Krischer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Fahrverbot für laute Güterwagen Drucksache 18/10033 . . . . . . . . . . . . . . . . 19464 C Tagesordnungspunkt 34: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkom- men des Europarats vom 16. Mai 2005 über Geldwäsche sowie Ermittlung, Beschlagnahme und Einziehung von Erträgen aus Straftaten und über die Finanzierung des Terrorismus Drucksachen 18/9235, 18/9800 . . . . . . . . 19464 D b) Zweite Beratung und Schlussabstim- mung des von der Bundesregierung ein- gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Strafrechtsübereinkommen des Europarats vom 27. Januar 1999 über Korruption und dem Zusatzprotokoll vom 15. Mai 2003 zum Strafrechts- übereinkommen des Europarats über Korruption Drucksachen 18/9234, 18/9850 . . . . . . . . 19465 A c) – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Bundesbesoldungs- und versor- gungsanpassungsgesetzes 2016/2017 (BBVAnpG 2016/2017) Drucksachen 18/9533, 18/9865 . . . . . . . . 19465 B – Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung Drucksache 18/9866 . . . . . . . . . . . . . . . . 19465 B d)–f) Beratung der Beschlussempfehlungen des Petitionsausschusses: Sammelüber- sichten 364, 365 und 366 zu Petitionen Drucksachen 18/9828, 18/9829, 18/9830 19465 C Zusatztagesordnungspunkt 3: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Wirtschaft und Energie zu dem Antrag der Abgeordneten Tabea Rößner, Katharina Dröge, Nicole Maisch, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Mindestqualitätsvorgaben für Internetzugänge einführen Drucksachen 18/8573, 18/10062 . . . . . . . . . . 19466 A Zusatztagesordnungspunkt 4: Wahlvorschläge der Fraktionen CDU/CSU, SPD und DIE LINKE: Wahl der Mitglieder des Stiftungsrates der Bundesstiftung Bau- kultur gemäß § 7 des Gesetzes zur Errich- tung einer „Bundesstiftung Baukultur“ Drucksache 18/10021 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19466 A Zusatztagesordnungspunkt 5: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion DIE LINKE: Umsetzung der Auflagen des Bundesverfassungsgerichts zu CETA durch die Bundesregierung Klaus Ernst (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . 19466 B Andreas G . Lämmel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 19467 C Katharina Dröge (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19468 C Bernd Westphal (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19470 A Dr . Matthias Heider (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 19471 A Dr . Diether Dehm (DIE LINKE) . . . . . . . . . . 19472 A Sigmar Gabriel, Bundesminister BMWi . . . . . 19473 A Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19475 C Barbara Lanzinger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 19476 D Dr . Nina Scheer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19477 D Peter Beyer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . 19479 B Dirk Wiese (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19480 B Mark Hauptmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 19481 C Tagesordnungspunkt 28: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Weiterentwicklung der steuerlichen Ver- lustverrechnung bei Körperschaften Drucksache 18/9986 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19483 A Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 196 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 20 . Oktober 2016IV Dr . Michael Meister, Parl . Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19483 A Susanna Karawanskij (DIE LINKE) . . . . . . . . 19484 A Lothar Binding (Heidelberg) (SPD) . . . . . . . . 19485 A Dr . Thomas Gambke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19486 B Dr . Philipp Murmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . 19487 B Dr . Jens Zimmermann (SPD) . . . . . . . . . . . . . 19488 C Dr . h . c . Hans Michelbach (CDU/CSU) . . . . . 19489 C Tagesordnungspunkt 7: Antrag der Abgeordneten Nicole Gohlke, Sigrid Hupach, Dr . Rosemarie Hein, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: BAföG an die Lebenswirklichkeit anpassen – Keine weiteren Nullrunden für die Studie- renden Drucksache 18/10012 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19490 C Nicole Gohlke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 19490 C Dr . Stefan Kaufmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . 19492 A Kai Gehring (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19494 C Oliver Kaczmarek (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 19495 D Katrin Albsteiger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 19497 B Dr . Daniela De Ridder (SPD) . . . . . . . . . . . . . 19499 A Dr . Rosemarie Hein (DIE LINKE) . . . . . . . . . 19500 A Dr . Daniela De Ridder (SPD) . . . . . . . . . . . . . 19500 B Tagesordnungspunkt 6: Antrag der Bundesregierung: Fortsetzung und Ergänzung des Einsatzes bewaffne- ter deutscher Streitkräfte zur Verhütung und Unterbindung terroristischer Hand- lungen durch die Terrororganisation IS auf Grundlage von Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen in Verbindung mit Artikel 42 Absatz 7 des Vertrages über die Europäische Union und den Resolutionen 2170 (2014), 2199 (2015), 2249 (2015) des Si- cherheitsrates der Vereinten Nationen sowie des Beschlusses der Staats- und Regierungs- chefs vom NATO-Gipfel am 8./9. Juli 2016 Drucksache 18/9960 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19500 D Dr . Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19500 D Sevim Dağdelen (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 19502 C Dr . Ralf Brauksiepe, Parl . Staatssekretär BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19503 C Agnieszka Brugger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19505 A Jürgen Hardt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . 19506 A Stefan Liebich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 19506 C Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19507 B Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . 19507 D Florian Hahn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 19508 A Tagesordnungspunkt 9: a) Antrag der Abgeordneten Harald Ebner, Nicole Maisch, Friedrich Ostendorff, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Gentech- nikfreiheit Deutschlands sichern Drucksache 18/10028 . . . . . . . . . . . . . . . . 19509 A b) Erste Beratung des vom Bundesrat einge- brachten Entwurfs eines … Gesetzes zur Änderung des Gentechnikgesetzes Drucksache 18/6664 . . . . . . . . . . . . . . . . . 19509 B in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 6: Antrag der Abgeordneten Harald Ebner, Nicole Maisch, Friedrich Ostendorff, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: zu den Entwürfen für eine Durchführungsverordnung und zwei Durch- führungsbeschlüsse der Europäischen Kom- mission über das Inverkehrbringen von Saatgut zum Anbau der gentechnisch verän- derten Maislinien MON 810, 1507 und Bt11 (Dokumente SANTE/10702/2016 CIS Rev. 3, SANTE/10704/2016 CIS Rev. 3, SANTE/10703/2016 CIS Rev. 3) hier: Stellungnahme gegenüber der Bun- desregierung gemäß Artikel 23 Ab- satz 3 des Grundgesetzes Keine Zulassung der gentechnisch verän- derten Maislinien MON 810, 1507 und Bt11 für den Anbau in der EU Drucksache 18/10029 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19509 C Harald Ebner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19509 C Kees de Vries (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 19510 D Dr . Kirsten Tackmann (DIE LINKE) . . . . . . . 19511 D Elvira Drobinski-Weiß (SPD) . . . . . . . . . . . . . 19513 A Rita Stockhofe (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 19514 B Carsten Träger (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19516 A Artur Auernhammer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 19516 D Steffi Lemke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Erklärung nach § 29 GO) . . . . . . . . . . . . . . 19517 D Dagmar Ziegler (SPD) (Erklärung nach § 29 GO) . . . . . . . . . . . . . . 19518 C Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 196 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 20 . Oktober 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 196 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 20 . Oktober 2016 V Tagesordnungspunkt 8: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Geset- zes zur Entlastung insbesondere der mit- telständischen Wirtschaft von Bürokratie (Zweites Bürokratieentlastungsgesetz) Drucksache 18/9949 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19519 A Brigitte Zypries, Parl . Staatssekretärin BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19519 B Thomas Lutze (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 19520 A Helmut Nowak (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 19520 D Dr . Thomas Gambke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19522 C Matthias Ilgen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19523 D Margaret Horb (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 19524 D Marcus Held (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19526 A Tagesordnungspunkt 11: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Gesundheit – zu dem Antrag der Abgeordneten Harald Weinberg, Ulla Jelpke, Sabine Zimmermann (Zwickau), weiterer Abge- ordneter und der Fraktion DIE LINKE: Medizinische Versorgung für Geflüchte- te und Asylsuchende diskriminierungs- frei sichern – zu dem Antrag der Abgeordneten Maria Klein-Schmeink, Luise Amtsberg, Kordula Schulz-Asche, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN: Psychotherapeutische und psy- chosoziale Versorgung von Asylsuchen- den und Flüchtlingen verbessern Drucksachen 18/7413, 18/6067, 18/9933 . . . . 19527 A Reiner Meier (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 19527 A Kathrin Vogler (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 19527 D Heike Baehrens (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19529 A Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19530 A Ute Bertram (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . 19531 A Mechthild Rawert (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 19532 A Tagesordnungspunkt 10: a) Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD: Mehr Bildungschancen für be- nachteiligte Kinder und Jugendliche schaffen – Bundesprogramm „Kultur macht stark. Bündnisse für Bildung“ nach 2017 weiterentwickeln und fortset- zen Drucksache 18/10016 . . . . . . . . . . . . . . . . 19533 B b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung zu dem An- trag der Abgeordneten Sigrid Hupach, Dr . Rosemarie Hein, Nicole Gohlke, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Bundesprogramm „Kultur macht stark. Bündnisse für Bildung“ weiterentwickeln und seine Fortführung jetzt vorbereiten Drucksachen 18/8181, 18/10063 . . . . . . . . 19533 C Dr . Claudia Lücking-Michel (CDU/CSU) . . . 19533 C Dr . Rosemarie Hein (DIE LINKE) . . . . . . . . . 19534 C Martin Rabanus (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19535 C Özcan Mutlu (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19537 A Stefan Müller, Parl . Staatssekretär BMBF . . . 19537 D Dr . Karamba Diaby (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 19539 B Dr . Thomas Feist (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 19540 A Tagesordnungspunkt 13: a) Antrag der Abgeordneten Katja Keul, Dr . Franziska Brantner, Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Verbrechen nach dem Völkerstrafrecht nicht ungesühnt lassen Drucksache 18/10031 . . . . . . . . . . . . . . . . 19541 B b) Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Menschenrechte und humani- täre Hilfe zu dem Antrag der Abgeordneten Omid Nouripour, Dr . Franziska Brantner, Agnieszka Brugger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN: Syrien – Luftbrücke einrichten, humanitäre Not lindern Drucksachen 18/9687, 18/9939 . . . . . . . . . 19541 B Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19541 C Erika Steinbach (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 19542 C Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . 19543 B Dr . Ute Finckh-Krämer (SPD) . . . . . . . . . . . . 19544 A Dr . Franziska Brantner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19544 C Tobias Zech (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . 19545 C Dr . Franziska Brantner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19546 D Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . 19547 B Tobias Zech (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . 19547 D Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 196 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 20 . Oktober 2016VI Tagesordnungspunkt 12: Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD: Schutz vor Biowaffen ausbauen – Das Biowaffenübereinkommen stärken Drucksache 18/10017 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19548 B Dr . Karl-Heinz Brunner (SPD) . . . . . . . . . . . . 19548 C Kathrin Vogler (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 19549 B Robert Hochbaum (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 19550 A Agnieszka Brugger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19550 D René Röspel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19551 D Julia Obermeier (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 19552 C Tagesordnungspunkt 15: Antrag der Abgeordneten Roland Claus, Stefan Liebich, Dr . Gesine Lötzsch, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion DIE LINKE: Been- digungsgesetz zum Berlin/Bonn-Gesetz Drucksache 18/8130 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19553 B Susanna Karawanskij (DIE LINKE) . . . . . . . . 19553 C Christian Haase (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 19554 C Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19555 C Matthias Schmidt (Berlin) (SPD) . . . . . . . . . . 19556 C Kai Wegner (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . 19557 B Sebastian Hartmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 19558 B Tagesordnungspunkt 14: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung der nichtfinanziellen Berichter- stattung der Unternehmen in ihren Lage- und Konzernlageberichten (CSR-Richtli- nie-Umsetzungsgesetz) Drucksache 18/9982 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19559 A in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 7: Antrag der Abgeordneten Renate Künast, Katja Keul, Uwe Kekeritz, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Zukunftsfähige Unternehmens- verantwortung – Nachhaltigkeitsberichte wirksam und aussagekräftig ausgestalten – Umsetzung der CSR-Richtlinie Drucksache 18/10030 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19559 B Ulrich Kelber, Parl . Staatssekretär BMJV . . . 19559 C Karin Binder (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 19560 A Dr . Heribert Hirte (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 19561 A Renate Künast (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19562 A Metin Hakverdi (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19563 B Alexander Hoffmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . 19563 D Renate Künast (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19564 C Tagesordnungspunkt 17: Antrag der Abgeordneten Wolfgang Gehrcke, Heike Hänsel, Jan van Aken, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion DIE LINKE: Frie- den, Demokratie und soziale Gerechtigkeit in Lateinamerika unterstützen – Absetzung der Präsidentin Brasiliens missbilligen Drucksache 18/10013 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19565 B Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . 19565 C Dr . Andreas Nick (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 19566 B Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19567 D Klaus Barthel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19568 C Tagesordnungspunkt 16: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/ CSU und SPD: Achtung der Menschenrech- te in Burundi einfordern – Friedensdialog fördern Drucksachen 18/8706, 18/9938 . . . . . . . . . . . 19570 C Zusatztagesordnungspunkt 8: Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD: Schutz von Walen und Delfinen stär- ken Drucksache 18/10019 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19570 C in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 9: Antrag der Abgeordneten Steffi Lemke, Nicole Maisch, Annalena Baerbock, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wirksamen Walschutz weltweit durchsetzen Drucksache 18/10032 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19570 D Tagesordnungspunkt 19: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 196 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 20 . Oktober 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 196 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 20 . Oktober 2016 VII Gesetzes zur Durchführung unionsrechtli- cher Vorschriften über das Schulprogramm für Obst, Gemüse und Milch (Landwirt- schaftserzeugnisse-Schulprogrammgesetz – LwErzgSchulproG) Drucksachen 18/9519, 18/9760, 18/9879 Nr . 3, 18/10058 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19571 A Tagesordnungspunkt 20: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2012/18/EU zur Beherrschung der Gefah- ren schwerer Unfälle mit gefährlichen Stof- fen, zur Änderung und anschließenden Auf- hebung der Richtlinie 96/82/EG des Rates Drucksachen 18/9417, 18/10057 . . . . . . . . . . 19571 B Tagesordnungspunkt 21: – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Beendigung der Son- derzuständigkeit der Familienkassen des öffentlichen Dienstes im Bereich des Bundes Drucksachen 18/9441, 18/10045 . . . . . . . . 19571 C – Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung Drucksache 18/10059 . . . . . . . . . . . . . . . . 19571 D Tagesordnungspunkt 22: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung des Mikrozensus und zur Änderung weiterer Statistikgesetze Drucksachen 18/9418, 18/10067 . . . . . . . . . . 19572 A Tagesordnungspunkt 23: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Vierten Geset- zes zur Änderung des Regionalisierungsge- setzes Drucksache 18/9981 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19572 B Tagesordnungspunkt 24: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung der Bekämpfung der Schwarzar- beit und illegalen Beschäftigung Drucksache 18/9958 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19572 C Tagesordnungspunkt 25: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Geset- zes zur Änderung der Insolvenzordnung Drucksache 18/9983 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19572 D Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19572 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . . 19573 A Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN) zu der Abstimmung über die Beschluss- empfehlung des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung zu dem Antrag der Abgeordneten Sigrid Hupach, Dr . Rosemarie Hein, Nicole Gohlke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Bundesprogramm „Kultur macht stark . Bünd- nisse für Bildung“ weiterentwickeln und seine Fortführung jetzt vorbereiten (Tagesordnungspunkt 10 b) . . . . . . . . . . . . . . . 19573 C Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Menschenrechte und humani- täre Hilfe zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD: Achtung der Menschen- rechte in Burundi einfordern – Friedensdialog fördern (Tagesordnungspunkt 16) . . . . . . . . . . . . . . . . 19573 C Iris Eberl (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19573 D Frank Heinrich (Chemnitz) (CDU/CSU) . . . . 19574 C Gabi Weber (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19575 D Inge Höger (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . 19577 B Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19578 A Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU und SPD: Schutz von Walen und Delfinen stärken – des Antrags der Abgeordneten Steffi Lemke, Nicole Maisch, Annalena Baerbock, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wirksamen Walschutz weltweit durchset- zen (Zusatztagesordnungspunkte 8 und 9) . . . . . . 19578 C Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 196 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 20 . Oktober 2016VIII Gitta Connemann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 19578 D Dr . Klaus-Peter Schulze (CDU/CSU) . . . . . . . 19579 C Christina Jantz-Herrmann (SPD) . . . . . . . . . . 19580 D Birgit Menz (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . 19581 C Steffi Lemke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19582 B Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Durchführung unionsrechtlicher Vorschriften über das Schul- programm für Obst, Gemüse und Milch (Land- wirtschaftserzeugnisse-Schulprogrammgesetz – LwErzgSchulproG) (Tagesordnungspunkt 19) . . . . . . . . . . . . . . . . 19583 B Katharina Landgraf (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 19583 C Carola Stauche (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 19584 A Jeannine Pflugradt (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 19584 D Karin Binder (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . 19585 D Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19586 C Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2012/18/EU zur Beherrschung der Gefahren schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen, zur Änderung und anschließenden Aufhebung der Richtlinie 96/82/EG des Rates (Tagesordnungspunkt 20) . . . . . . . . . . . . . . . . 19587 C Karsten Möring (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 19587 C Ralph Lenkert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 19588 D Peter Meiwald (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19589 C Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl . Staatssekretä- rin BMUB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19590 B Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Beendigung der Sonderzuständigkeit der Familienkassen des öffentlichen Dienstes im Bereich des Bundes (Tagesordnungspunkt 21) . . . . . . . . . . . . . . . . 19591 B Markus Koob (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 19591 B Philipp Graf Lerchenfeld (CDU/CSU) . . . . . . 19592 A Frank Junge (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19592 D Susanna Karawanskij (DIE LINKE) . . . . . . . . 19593 B Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . 19594 A Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung des Mikrozensus und zur Änderung weiterer Sta- tistikgesetze (Tagesordnungspunkt 22) . . . . . . . . . . . . . . . . 19594 D Dr . Tim Ostermann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 19595 A Barbara Woltmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 19595 C Matthias Schmidt (Berlin) (SPD) . . . . . . . . . . 19596 B Jan Korte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . 19597 B Dr . Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19598 B Anlage 9 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Regionalisierungsgesetzes (Tagesordnungspunkt 23) . . . . . . . . . . . . . . . . 19600 A Dirk Fischer (Hamburg) (CDU/CSU) . . . . . . 19600 A Sebastian Hartmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 19600 D Herbert Behrens (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 19601 D Stephan Kühn (Dresden) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19602 D Enak Ferlemann, Parl . Staatssekretär BMVI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19603 C Anlage 10 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung der Be- kämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Be- schäftigung (Tagesordnungspunkt 24) . . . . . . . . . . . . . . . . 19604 B Uwe Feiler (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . 19604 B Ingrid Arndt-Brauer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 19604 D Richard Pitterle (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 19605 D Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . 19606 B Dr . Michael Meister, Parl . Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19607 A Anlage 11 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 196 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 20 . Oktober 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 196 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 20 . Oktober 2016 IX Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung der Insolvenzordnung (Tagesordnungspunkt 25) . . . . . . . . . . . . . . . . 19608 A Dr . Heribert Hirte (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 19608 A Alexander Hoffmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . 19609 A Dr . Karl-Heinz Brunner (SPD) . . . . . . . . . . . . 19609 C Richard Pitterle (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 19609 D Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . 19610 C Christian Lange, Parl . Staatssekretär BMJV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19611 C (A) (C) (B) (D) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 196 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 20 . Oktober 2016 19415 196. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 20. Oktober 2016 Beginn: 9 .00 Uhr
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    3) Anlage 10 4) Anlage 11 Vizepräsidentin Claudia Roth (A) (C) (B) (D) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 196 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 20 . Oktober 2016 19573 Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Blienert, Burkhard SPD 20 .10 .2016 Bluhm, Heidrun DIE LINKE 20 .10 .2016 Brehmer, Heike CDU/CSU 20 .10 .2016 Dörflinger, Thomas CDU/CSU 20 .10 .2016 Fuchs, Dr . Michael CDU/CSU 20 .10 .2016 Hendricks, Dr . Barbara SPD 20 .10 .2016 Henke, Rudolf CDU/CSU 20 .10 .2016 Hintze, Peter CDU/CSU 20 .10 .2016 Kermer, Marina SPD 20 .10 .2016 Launert, Dr . Silke CDU/CSU 20 .10 .2016 Leidig, Sabine DIE LINKE 20 .10 .2016 Mast, Katja SPD 20 .10 .2016 Müller-Gemmeke, Beate BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 20 .10 .2016 Post (Minden), Achim SPD 20 .10 .2016 Radomski, Kerstin CDU/CSU 20 .10 .2016 Rix, Sönke SPD 20 .10 .2016 Rupprecht, Albert CDU/CSU 20 .10 .2016 Schlecht, Michael DIE LINKE 20 .10 .2016 Schröder, Dr . Ole CDU/CSU 20 .10 .2016 Schwartze, Stefan SPD 20 .10 .2016 Spahn, Jens CDU/CSU 20 .10 .2016 Steffel, Dr . Frank CDU/CSU 20 .10 .2016 Strothmann, Lena CDU/CSU 20 .10 .2016 Wagenknecht, Dr . Sahra DIE LINKE 20 .10 .2016 Weinberg, Harald DIE LINKE 20 .10 .2016 Weisgerber, Dr . Anja CDU/CSU 20 .10 .2016 Wicklein, Andrea SPD 20 .10 .2016 Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Britta Haßelmann (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) zu der Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bil- dung, Forschung und Technikfolgenabschätzung zu dem Antrag der Abgeordneten Sigrid Hupach, Dr. Rosemarie Hein, Nicole Gohlke, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion DIE LINKE: Bun- desprogramm „Kultur macht stark. Bündnisse für Bildung“ weiterentwickeln und seine Fortführung jetzt vorbereiten (Tagesordnungspunkt 10 b) Ich erkläre im Namen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, dass unser Votum Ablehnung lautet . Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD: Achtung der Menschen- rechte in Burundi einfordern – Friedensdialog för- dern (Tagesordnungspunkt 16) Iris Eberl (CDU/CSU): Lassen Sie mich mit einer kleinen Geschichte beginnen, auch wenn Sie sie schon kennen sollten . – In einem Land vor nicht allzu langer Zeit verunzieren Schüler ihre Schulbücher, indem sie das Konterfei des Präsidenten bekritzeln . Der Präsident erfährt davon und will, dass die Schüler für diese Herab- setzung seiner Person bestraft werden . – Sofern Sie die Geschichte nicht kennen, vermuten Sie sicher alle den gleichen Mann hinter dieser Aktion . Aber der ist es nicht . In diesem Land ist es gar nicht so leicht, die Missetäter festzustellen, weil sich bis zu 200 Schüler ein Schulbuch teilen müssen, so bitterarm ist dieses Land . Man schaltet also den Geheimdienst ein . Tatsächlich gelingt es, mehr als 300 Kinder dingfest zu machen, und wirft sie ins Ge- fängnis . Dort sitzen sie jetzt, zusammen mit Schwerver- brechern, unter unmenschlichen Bedingungen . Es wird Sie nicht überraschen, dass ich von Burun- di gesprochen habe und dessen Präsidenten Nkurunziza . Der Schuss ging aber nach hinten los: Was mit einer Handvoll Schülern begann, wurde zur nationalen Pro- testbewegung . Der „Kritzelaufstand“ hat inzwischen das ganze Land erfasst und über die sozialen Netzwerke in- ternationale Beachtung gefunden . Doch eigentlich klingt das alles noch wenig dramatisch . Die Lage ist jedoch dramatisch: Die UN spricht von 564 Exekutionen in Burundi seit dem Beginn der Protes- te im April 2015 gegen den Präsidenten Nkurunziza, der sich verfassungswidrig zu einer dritten Amtszeit wählen ließ . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 196 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 20 . Oktober 201619574 (A) (C) (B) (D) Dies ist jedoch nur die Spitze eines Eisbergs . Es lie- gen Beweise vor, für das unerklärliche Verschwinden von Menschen, für Masseninhaftierungen, Vergewalti- gungen, für Folter und Mord . Geschätzt sind es mehrere Tausend Opfer . Satellitenbilder deuten auf Massengrä- ber hin . Die Regierung Burundis bestreitet alles . Unsere Regierung hat innerhalb ihrer Möglichkeiten reagiert . Bereits im Juni 2015 hat das BMZ seine regierungsna- he Entwicklungszusammenarbeit eingestellt . Trotzdem führt es die unmittelbare Hilfe für Menschen fort . Mittlerweile sind 300 000 Menschen in die Nachbar- länder von Burundi geflohen, wohl vor allem Tutsi, da- runter die Hälfte aller Armeeoffiziere. Ruanda, das sich als Schutzmacht der Tutsi fühlt, trifft nun der Vorwurf des Hutu Nkurunziza, sie für einen Guerillakrieg aus- zubilden . Mit ihrem Beschluss zum Austritt aus der Zu- sammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag zeigt die burundische Regierung, dass ihr Recht und Gesetz gleichgültig sind . Nach dem Völker- mord in Ruanda 1994 und dem Bürgerkrieg in Burun- di 2005, die mehr als 1 Million Opfer gekostet haben, könnte ein noch schlimmerer ethnischer Konflikt in die- ser Region bevorstehen, sollte Präsident Nkurunziza die ethnische Karte spielen . Niemand scheint diese Entwicklung verhindern zu wollen: Die UN konnte sich nicht einmal auf eine mit 3 000 Mann hoffnungslos unterdimensionierte Mission einigen . Die knapp 100 unbewaffneten Beobachter der Afrikanischen Union und der UN sind komplett macht- los . Schlimmer noch: Als Vorsitzender der Afrikanischen Union verkündet Präsident Déby aus dem Tschad nach seinem Besuch bei Bundeskanzlerin Merkel, ausländi- scher Einfluss sei die Ursache für die Unruhen in Bu- rundi, und verteidigt sophistisch die dritte Amtszeit des burundischen Präsidenten als rechtmäßig . Letzteres zeigt: Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus . Es beweist, dass afrikanische Probleme – entgegen der An- sicht von Monsieur Déby – nur mit internationaler Hilfe gelöst werden können . Diese internationale Hilfe muss bald kommen . Christlich geprägte Demokraten dürfen niemals hin- nehmen, dass Menschen grausam hingemetzelt werden . Wir leben in Freiheit und Frieden . Wir müssen versu- chen, die Spirale der Gewalt zu durchbrechen . Lernen am despotischen Modell erzeugt Despoten . Jeder kann heute in Syrien das zügellose Vernichten von Menschenleben en gros beobachten und die Reaktion der ohnmächtigen Weltgemeinschaft . Für kleine Despoten ist Syrien eine gute Gelegenheit, im Windschatten der großen Ausein- andersetzungen schnell einmal die eigenen Probleme mit Waffengewalt zu lösen . Denn der Rest der Welt wird sich zurückhalten . Lassen Sie uns beweisen, dass uns die Menschen von Burundi wichtig sind . Will man langfristig die Entwick- lung zum Frieden fördern, muss man bei denen begin- nen, die am wenigstens Einfluss in Burundi haben, die im menschenverachtenden Machtkarussel keinen akti- ven Part spielen, nämlich bei den Frauen . In den ärms- ten Ländern der Welt, dichtbesiedelt und mit den global höchsten Geburtenraten, sind sie der Schlüssel dafür, dass Hilfen, die das Land erhält, effektiv eingesetzt wer- den . Mit Hilfen für die Frauen in Burundi hat das BMZ bereits begonnen . Sorgen wir dafür, dass der gute Anfang nicht wieder zerstört wird . Stimmen Sie bitte für den vor- liegenden Antrag der Koalitionsfraktionen . Frank Heinrich (Chemnitz) (CDU/CSU): Einen besonderen Gast möchte ich auch herzlich begrüßen: Jacques Nshimirimana ist aus Burundi für ein paar Tage in Berlin . Vorgestern wurde er für seinen herausragen- den Einsatz für Kinder in Not mit dem Child Protection Award von ora Kinderhilfe international e .V . ausgezeich- net . Schon seit 17 Jahren setzt er sich als Anwalt und vier- fache Familienvater für die Freiheit, die Sicherheit und die Bildung von Jungen und Mädchen in Burundi ein . Seine Organisation SOJPAE geht gegen Menschenhänd- ler, sexuelle Gewalt gegenüber Mädchen und willkürli- che Verhaftungen von Kindern vor . Er sagte mir diese Woche im Bundestag: Als Kinderrechtverteidiger begrü- ße ich die Freilassung durch die burundische Regierung der circa 500 Kinder, die im Laufe der politischen Krise festgenommen waren worden sowie das Engagement der burundischen Regierung, um die Kinderhändler festzu- nehmen . – Seit mehreren Jahren und verstärkt seit der Verschlechterung der politischen Lage werden in Burun- di Kinder und junge Frauen entführt oder unter falschen Versprechen rekrutiert und dann in andere Ländern wie Saudi-Arabien und Oman verschleppt und verkauft . Die tiefe Krise, in die das ostafrikanische Land ge- stürzt ist, entstand letztes Jahr durch die umstrittene Wiederwahl zu einer verfassungswidrigen dritten Amts- zeit von Präsident Pierre Nkurunziza . Seitdem wird jede Form von Protest unterdrückt . Hier sind die Fakten . Der Hochkommissar für Menschenrechte der Vereinten Na- tionen – Juni 2016 – sowie der Ausschuss gegen Folter der VN – September 2016 – berichteten über: 348 au- ßergerichtliche Hinrichtungen, 9 Massengräber um Bujumbura, die teilweise von den Behörden anerkannt worden sind, Verschwindenlassen von 36 Oppositions- politikern, 3 477 willkürliche Festnahmen, Angriffe und Einschüchterung von Menschenrechtsverteidigern, wie von Pierre Clavier Mbonimpa, dem Vorsitzenden des bu- rundischen Vereins für den Schutz der Menschenrechte und Mitglied der Plattform „Keine dritte Amtszeit“ . Seit einem Mordanschlag gegen ihn ist er in Belgien . Inzwi- schen wurde sein Schwager auf der Straße ermordet . Ei- ner seiner Söhne wurde von einem Polizisten bei einer Identitätskontrolle erschossen . Beide Mordfälle werden nicht untersucht . Diese Verbrechen gegen die burun- dische Zivilgesellschaft müssen aufhören . Die burun- dische Regierung muss dringend ihren internationalen Verpflichtungen nachkommen, zu denen insbesondere die Achtung der Grundfreiheiten und die Freiheit der Meinungsäußerung sowie die Pressefreiheit zählen . Die Rechtsstaatlichkeit, die Menschenrechte und das huma- nitäre Völkerrecht müssen eingehalten und die Sicherheit der burundischen Bevölkerung gewährleistet werden . „Es war niemand mehr in Burundi, um die Menschen- rechte der Burundier zu verteidigen“, erklärte mir Jacques Nshimirimana . Mit der autokratischen Tendenz des Regi- mes ist das Engagement von Menschenrechtsverteidigern im Land mehr als je wichtig – und gefährlich . Die Leben Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 196 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 20 . Oktober 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 196 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 20 . Oktober 2016 19575 (A) (C) (B) (D) von Menschenrechtsverteidigern und Kinderrechtvertei- digern wie Jacques Nshimirimana werden bedroht . Ich rufe die burundische Regierung auf, die Menschenrecht- verteidiger und insbesondere die Kinderrechtverteidiger, die sich für die Vulnerabelsten starkmachen, zu schützen . Ich lade Sie ein, im Rahmen des Programms „Parlamen- tarier schützen Parlamentarier“, PsP, unseres Ausschus- ses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe ebenfalls einen Beitrag zu leisten . Letzte Woche hat das burundische Parlament be- schlossen, die Statuten von Rom aufzukündigen . Bu- rundi ist damit das erste Land, das seine Mitgliedschaft beim Internationalen Strafgerichtshof formell beendet . In der Debatte war es die Frage einer „Verschwörung der internationalen Gemeinschaft“ . Die burundische Regie- rung warf den „großen Mächten“ vor, der Internationalen Strafgerichtshof als Druckmittel gegen die Regierungen von armen Ländern sowie ein Mittel, um sie zu destabi- lisieren, zu nutzen . Ob wir in Europa als Weltmacht die afrikanischen Länder daran zu hindern, sich selbst zu fin- den? Zwar können wir von unserem Nachbarkontinent nicht verlangen, dass er in ein paar Jahrzehnten die glei- chen sozialen Standards erreicht, für die wir als freie und unabhängige Staaten Jahrhunderte brauchten, aber Menschenrechte lassen sich nicht diskutieren . Jedem Menschen, egal woher er kommt und wo er lebt, hat ein Recht auf Freiheit und Würde . Laut Afrobarometer, ei- nem Netzwerk von unabhängigen Umfrageforschungsin- stitutionen, das unter anderem von der Mo Ibrahim Foun- dation, USAID und Transparency International finanziell unterstützt wird, waren 2012: 62 Prozent der Burundier zugunsten einer Beschränkung der präsidialen Amtszeit auf zwei Mandate . 70 Prozent der Burundier sagen, dass die Nachrichtenmedien frei sein sollten, jede Meinung zu veröffentlichen . 81 Prozent der Burundier wollen, dass die Presse die Fehler der Regierung und Korruption un- tersucht und darüber berichtet . Trotz der Diskussion über eine „afrikanische Form der Demokratie“, die etwa eine größere Rolle für traditionel- le Autoritäten vorsieht, unterstützt die Mehrheit der Bür- ger afrikanischer Staaten die universalen Menschenrech- te und die Verfahren der liberalen Demokratie . Daher ist die derzeitige Unterdrückung der Demonstrationen in Äthiopien keine gute Nachricht . Die Verzögerung der Präsidentschaftswahlen in der Demokratischen Repu- blik Kongo und die Diskussion über eine dritte präsidiale Amtszeit in Ruanda sind ebenfalls besorgniserregend . „Gibt es bald einen Ehrendoktor in Sachen Langzeit- herrschaft?“, fragte die Zeitschrift Africa Positive in ihrer letzten Ausgabe . Ich zitiere: „Existiert ein Handbuch mit Kapitelüberschriften wie ,Rücksichtlose Ausmerzung jeglicher Opposition leicht gemacht?‘ . . . ,Wie man sich sein eigenes Volk wählt‘, ,Demokratisierte Despotie‘, ,Die Menschenrechte – ein Auslaufmodell‘ oder Ähnli- ches?“ Es folgt die lange Liste der afrikanischen Anfüh- rer, die sich seit vielen Jahren an der Macht halten, sowie ein Zitat vom ugandischen Präsidenten Museveni: „Das Problem Afrikas sind nicht die Leute, sondern die An- führer, die viel zu lange an der Macht bleiben wollen .“ Macht korrumpiert, und absolute Macht korrumpiert ab- solut . Kaum jemand ist davor gefeit . Nach einigen Jahren absoluter Macht werden oft selbst integerste Menschen zu Tyrannen . Vor ein paar Wochen beim Gespräch im Bundestag il- lustrierte ein Vertreter der Afrikanischen Union das Pro- blem derart: „Wie kann man einen Betrunkenen aus dem chinesischen Porzellanladen bringen, ohne alle Teller zu zerbrechen?“ „Das Wohl Afrikas liegt im deutschen Interesse“, wie- derholt unsere Kanzlerin seit ihren offiziellen Besuchen auf dem afrikanischen Kontinent letzte Woche . Gern un- terstützen wir die Menschen unseres Nachbarkontinents dabei, bessere Lebensstandards zu erreichen . Dafür ist der Dialog aber unabdingbar . Daher können wir nur be- dauern, dass die burundische Regierung die drei einge- setzten Experten des Menschenrechtsrates der Vereinten Nationen vor zehn Tagen für Persona non grata erklärte und die Zusammenarbeit mit dem Büro des Hohen Kom- missars für Menschenrechte der Vereinten Nationen in Bujumbura einstellte . Als Deutscher Bundestagesabgeordneter engagie- re ich mich schon seit Jahren für stärkere Beziehungen mit den afrikanischen Ländern . Dabei bedanke ich mich bei den afrikanischen Botschaftern für die gute Zu- sammenarbeit . Meine Einladung zu runden Tischen zu Wasserthemen sowie nach Chemnitz zu „Business trifft Afrika“ wird gern gefolgt . Für mehr Zusammenarbeit oder einen Austausch stehe ich immer gern zur Verfü- gung . Denn ich bin der Überzeugung, dass wir viel von Afrika zu lernen haben . Ich schwärme oft von Afrika als unserem großen Bruder oder unserer großen Schwester . Übrigens, wie Lutz van Dijk in seiner unbefangenen Ge- schichte eines bunten Kontinents es darstellt: „Genetisch gesehen, sind wir Menschen nach wie vor alle Afrikaner, jedenfalls mehr Afrikaner als alles andere .“ Gabi Weber (SPD): Gestern Abend war Russlands Präsident Wladimir Putin erstmal seit Beginn der Krise in der Ukraine offiziell in Berlin. Die Bundeskanzlerin betonte im Anschluss an das Treffen mit ihm, wie wich- tig es gewesen sei, den direkten Gesprächskanal auf der Ebene der Staats- und Regierungschefs wieder zu eröff- nen . Warum erwähne ich das zu Beginn meiner Rede zu Burundi? Weil ich ebenfalls der festen Überzeugung bin: Ohne Dialog keine Fortschritte, ohne diese Fortschritte kein Frieden . Heute Vormittag traf ich mich mit der neuen Botschafterin Burundis zu einem ersten Gespräch . Im Verlaufe unserer Unterredung wurde klar, wie wichtig es beiden Seiten trotz grundlegender Meinungsunterschiede ist, im Dialog zu bleiben und nach Wegen zu suchen, die Krise in Burundi beizulegen . Die Lage ist alles andere als stabil, und es geht nicht voran . Wir dürfen uns aber gera- de jetzt nicht abwenden und der langen Liste vergessener Konflikte einen weiteren hinzufügen. Zuletzt haben wir uns hier im Plenum am 9 . Juni mit Burundi befasst . Hat sich über den Sommer die Lage irgendwie verbessert? Ich muss das leider verneinen . Burundi macht auf den interessierten Beobachter den Eindruck, in einer politischen Sackgasse zu stecken . Der Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 196 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 20 . Oktober 201619576 (A) (C) (B) (D) Konflikt wirkt festgefahren, und es herrscht eine ange- spannte und instabile Lage, die mit dem Bild einer Ruhe unter vorgehaltener Waffe recht gut beschrieben ist . Ich bedauere sehr, dass Burundi in der hiesigen Be- richterstattung eher als Randnotiz oder nur in Spezial- medien auftaucht. So entstehen vergessene Konflikte, die dann irgendwann in wesentlich dramatischerer Weise wieder auf dem Radar der internationalen Aufmerksam- keit auftauchen . Das dürfen wir nicht zulassen, und dafür beraten wir heute auch abschließend diesen Antrag, da- mit die Bundesregierung alles ihr Mögliche unternimmt, um diesen Konflikt wenigstens zu beruhigen, denn von einer Lösung sind wir im Moment weit entfernt . Welche Entwicklung hat es seit Juni gegeben? Die Mehrzahl der Vertreter von Opposition und zi- vilgesellschaftlichen Organisationen befindet sich im Ausland, im Untergrund oder in Haft . Sowohl Regierung als auch Teile der Opposition setzen gezielt Gewalt als Mittel zur Durchsetzung ihrer Interessen ein . Zudem ist wegen der angespannten wirtschaftlichen Lage das Ni- veau der allgemeinen Kriminalität deutlich angestiegen . Mit circa 315 USD Pro-Kopf-Einkommen liegt Burundi aktuell weltweit an letzter Stelle . Die Flüchtlingssituation: Die Lebens- und insbeson- dere die Ernährungssituation der Menschen in Burundi verschlechtert sich zunehmend, die Flüchtlingszahlen steigen: Aktuell sprechen wir von fast 300 000 Menschen in den Nachbarstaaten Tansania, Ruanda, der DR Kongo, Uganda und Sambia sowie rund 100 000 Binnenflücht- lingen . Das BMZ unterstützt das tansanische Flüchtlings- lager über das Welternährungsprogramm mit 14 Millio- nen Euro, das Auswärtige Amt gibt 3,5 Millionen Euro für humanitäre Hilfe an das UNHCR . Dazu kommen weitere NGO-Projekte in Höhe von 650 000 Euro aus Mitteln für humanitäre Hilfe . Nicht allein die politische Situation ist ein Flucht- grund. Wie aus anderen Zusammenhängen finden wir auch hier den fast schon klassischen Katalog von Flucht- ursachen, zum Beispiel mangelnde persönliche und öf- fentliche Sicherheit sowie wirtschaftliche Perspektivlo- sigkeit . In den Straßen der Hauptstadt Bujumbura ist es zwar ruhiger geworden, aber bewaffnete Jugendmilizen sind in den Wohnvierteln der Regimegegner aktiv . Die Armee, die Polizei und der Geheimdienst wurden nach poli- tisch-ethnischen Gesichtspunkten umgebaut . Unterstützung der Bevölkerung: Es ist erfreulich und sehr hilfreich, dass wir trotz der Teileinstellung der bi- lateralen staatlichen Entwicklungskooperation des BMZ im Bereich der humanitären Hilfe und der Entwicklungs- zusammenarbeit weiterhin auf das Engagement vieler großer und kleiner Nichtregierungsorganisationen zählen können . Die Arbeit privater Träger und das anhaltende private Engagement sind sehr wichtig . Das anhaltende private Engagement ist ein starkes Zeichen internationa- ler Solidarität . Die bereits begonnen BMZ-Projekte auf lokaler und kommunaler Ebene laufen ebenfalls weiter . Allerdings müssen wir uns bereits jetzt Gedanken machen, wie es nach deren Auslaufen 2018 weitergehen soll . Ich bitte die Regierung, diesbezüglich ihren Ansatz der direkten Bevölkerungsunterstützung weiterzuverfolgen und ent- sprechende Anschlussplanungen vorzunehmen . All das zeigt, dass wir die Bevölkerung nicht vergessen und unabhängig von der angespannten politischen Lage ihre dringendsten Bedürfnisse im Blick behalten . Die EU hat ihre gezielten Sanktionen wegen der Kri- se in Burundi um ein Jahr verlängert . Drei Vertraute des umstrittenen Präsidenten Pierre Nkurunziza sowie ein Putschist bleiben bis Ende Oktober 2017 mit Einreise- und Vermögenssperren belegt . Am 27 . September 2016 legte eine Expertenkom- mission dem UN-Menschenrechtsrat ihrem Abschluss- bericht über die Menschrechtslage in Burundi vor . Sie wies darin auf die trügerische „Stabilität“ hin und pran- gerte insbesondere systematische Verfolgung, schwerste Folter, ungesetzliche Hinrichtungen durch burundische Sicherheitskräfte sowie sexuelle und geschlechtsspezi- fische Gewalt an. Dieser Bericht führte zum Beschluss der Entsendung einer Untersuchungskommission nach Burundi . Das wurde von der Regierung allerdings mit einer eindeutigen Ablehnung beantwortet, die beteiligten UNO-Menschenrechtsexperten wurden zu unerwünsch- ten Personen erklärt und die Zusammenarbeit mit dem UN-Hochkommissariat für Menschenrechte ausgesetzt . Die Nationalversammlung in Bujumbura stimmte zu- dem aufgrund des laufenden Verfahrens gegen das ostaf- rikanische Land wegen Verbrechen gegen die Mensch- lichkeit unlängst mit großer Mehrheit für den Austritt aus dem Internationalen Strafgerichtshof . Burundi wäre damit das erste Land, das die Zusammenarbeit mit dem Gericht in Den Haag aufkündigt . Beobachtern zufolge plant die Regierung zudem, die Amtszeitbeschränkungen der Verfassung und die Quoten zwischen Hutu und Tutsi aus dem Arusha-Abkommen in Kürze abzuschaffen . In einer solchen Situation ist die Äußerung des aktu- ellen Vorsitzenden der Afrikanischen Union, Idriss Déby, nicht hilfreich, wenn er feststellt, dass die Probleme Bu- rundis allein ausländischer Einmischung zuzuschreiben seien und Präsident Nkurunziza verfassungsgemäß sein drittes Mandat ausübt . Damit konterkariert Déby auch die eigenen Bemühungen der AU um eine Entspannung der Situation . Was können wir also überhaupt tun? Unser Antrag listet eine Reihe von diplomatischen, humanitären und entwicklungspolitischen Maßnahmen auf, die durch die Bundesregierung umgesetzt, fortge- führt und intensiviert werden müssen . Darüber hinaus sind folgende Punkte wichtig: Zulassung von UN- und AU-Beobachtern im Land, um die im September im Bericht des UNO-Menschen- rechtsrates zur Menschenrechtssituation in Burundi er- hobenen Vorwürfe unabhängig untersuchen zu können . Es ist im Interesse der burundischen Regierung, hier auf größtmögliche Transparenz zu setzen, wenn sie der Mei- nung ist, dass die Vorwürfe nicht zutreffen . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 196 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 20 . Oktober 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 196 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 20 . Oktober 2016 19577 (A) (C) (B) (D) Die burundische Regierung sollte in diesem Zusam- menhang ihren Rückzug vom Internationalen Strafge- richtshof ernsthaft überdenken . Die Zustimmung zu der vom UN-Sicherheitsrat am 29 . Juli 2016 verabschiedeten Resolution 2303 ist im- mens wichtig. Sie sieht die Entsendung eines 228-köpfi- gen Polizeikontingents nach Burundi vor, das zur Verbes- serung der Sicherheitslage einen wesentlichen Beitrag leisten könnte . Die 2015 beschlossene Stationierung von Menschen- rechts- und Militärbeobachtern der Afrikanischen Union (AU) ist zügig zu ermöglichen, denn deren vollständige Entsendung scheitert bis heute an von der burundischen Regierung vorgeschobenen Formalien . Derzeit sind ge- rade mal 45 von 200 AU-Beobachtern vor Ort und ihre Arbeitsbedingungen sind schwierig . Die diplomatischen Bemühungen um einen echten innerburundischen Dialog müssen intensiviert werden . Es gibt noch immer enge Beziehungen zwischen Regie- rungs- und Oppositionskreisen, was aus dem besonderen Verständnis dieser beiden Pole im politischen System Burundis herrührt . Das muss zum Ausgangspunkt des Dialoges werden . Es ist mir noch wichtig, zu unterstreichen, dass wir es in Burundi bisher immer noch mit einer politischen und sozialen Krise zu tun haben, nicht mit einer ethnischen . Alle Versuche von verschiedener Seite, den Konflikt zu ethnisieren und Hutu gegen Tutsi aufzuhetzen, haben bis- her nicht verfangen . Die traumatischen Erfahrungen des langen Bürgerkrieges von 1993 bis 2005 entlang ethni- scher Linien haben die Bevölkerung Burundis nachhaltig geprägt und wachsam für die Gefahr ethnischer Ausein- andersetzungen gemacht . Das macht Hoffnung, dass sich eine Lösung des Konfliktes im Geist des Arusha-Abkom- mens finden lässt. Ich bin sehr froh, dass es in der Ausschussberatung des vorliegenden Antrages gelungen ist, zumindest die Frak- tion der Grünen von einer Zustimmung zu überzeugen . Dafür möchte ich meinen herzlichen Dank aussprechen . Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Linken, schlie- ßen Sie sich uns an! Es wäre ein gutes und wichtiges Zei- chen, dass es dem gesamten Hohen Hause wichtig ist, dass Deutschland sich weiterhin in der Region engagiert und Burundi und seine Menschen nicht vergisst . Inge Höger (DIE LINKE): Oberflächlich betrachtet sieht es so aus, als hätte sich die Lage in Burundi be- ruhigt . Es gibt keine großen Straßenschlachten und in- folgedessen auch weniger Opfer bewaffneter Auseinan- dersetzungen . Doch ein zweiter Blick macht klar, dass keineswegs alles gut ist in Burundi . Deshalb ist es auch verfrüht und wäre ein Fehler, wenn nun die ohnehin schwache internationale Aufmerksamkeit bezüglich der menschenrechtlichen Situation in Burundi nachlässt . Nach wie vor halten sich etwa 300 000 burundische Bürgerinnen und Bürger in den Nachbarländern auf . Zu- sätzlich gibt es ungefähr 100 000 Binnenflüchtlinge. Die Berichte über die Lage der Menschenrechte in Burundi sind besorgniserregend . Es gibt Belege für systematische Folter, für Verschleppung und politische Morde . Ich begrüße deswegen ausdrücklich die Arbeit der UN-Untersuchungskommission und bedaure, dass ein- zelne UN-Vertreter des Landes verwiesen wurden . Es ist zudem eine gefährliche Entwicklung, dass das burundi- sche Parlament mehrheitlich beschloss, die Zusammen- arbeit des Landes mit dem internationalen Strafgerichts- hof in Den Haag aufzukündigen . Diese Entscheidung kommt gleichwohl nicht völlig überraschend . Schon seit mehreren Jahren wird besonders in Afrika kritisiert, dass allein Bürger afrikanischer Staaten vor dem Internatio- nalen Strafgerichtshof angeklagt werden . Einmal mehr wird deutlich, dass die selektive Anwendung internatio- naler Rechtsnormen ein massives Glaubwürdigkeitspro- blem schafft . Es ist an der Zeit, auch die Kriegsverbre- chen westlicher Staaten juristisch aufzuarbeiten . Der einzige Lichtblick in Burundi ist die Tatsache, dass es bis jetzt – trotz staatlicher Hetze – nicht gelungen ist, den Konflikt zu ethnisieren, sondern es im Kern nach wie vor eine politische Auseinandersetzung ist . Wenn wirklich eine dauerhafte politische Lösung ge- funden werden soll, dann führt nichts an einem politi- schen Dialog zwischen Regierung und Opposition vorbei . Ohne kontinuierliche Unterstützung – und Druck – von außen wird dies wohl nicht zu bewerkstelligen sein . Die Linke spricht sich in der Regel nicht für Sanktio- nen aus, auch und gerade weil diese zumeist die Situati- on der Bevölkerung verschlechtern . Es gibt jedoch einen Bereich der Kooperation mit der burundischen Regie- rung, der dringend genauer betrachtet werden muss, und es ist mehr als bedauerlich, dass dazu im vorliegenden Antrag nichts zu finden ist. Die EU gibt jährlich mehr als 200 Millionen Dol- lar für die internationale Militär-Mission in Somalia (AMISOM) aus, mit der in diesem Bürgerkriegsland Frieden militärisch erzwungen werden soll . Burundi ist mit etwa 5 400 Soldaten einer der größten Truppenstel- ler innerhalb von AMISOM . Dies ist für das arme Land Burundi ein wichtiger Wirtschaftsfaktor . Der Staat Bu- rundi verdient daran jährlich etwa 13 Millionen Dollar, und zusätzlich erhalten die beteiligten burundischen Soldaten zusammen 52 Millionen Dollar als Sold . Diese Einnahmen sind eine Art Lebensader für die burundische Regierung . Ohne diese Zusatzeinnahmen für sogenann- tes „Peace-keeping“ hätte die burundische Armee mögli- cherweise Probleme, die Loyalität ihrer Angehörigen zu behalten . Die Soldaten der AMISOM sind immer wieder in Skandale wie Korruption und sexuellen Missbrauch ver- wickelt . Ob ihre Präsenz in Somalia wirklich zu einer sta- bilen Friedenslösung beitragen kann, ist zweifelhaft . Klar ist, dass neben der erwähnten Zahlung von Sold auch die Ausbildung für die AMISOM-Soldaten und deren Aus- rüstung mit Waffen und Munition Faktoren im fragilen Machtgefüge in der Region sind . Die Bundeswehr ist seit mehreren Jahren Teil dieser Ausbildungsmission . Es ist schon mehr als fragwürdig, wenn der Versuch, gewaltsam eine politische Lösung in Somalia durchzu- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 196 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 20 . Oktober 201619578 (A) (C) (B) (D) setzen, gleichzeitig bedeutet, dass die undemokratische und menschenrechtsfeindliche Politik in einem anderen Land gefördert wird . Es muss endlich Schluss sein mit einer Politik, die hofft, mit eigenen Soldaten und Waf- fen oder mit der Finanzierung von Soldaten und Waffen anderer Akteure Frieden zu schaffen . Es ist Zeit, diese Unlogik von Krieg, Intervention und Gewalt zu durch- brechen und die freiwerdenden finanziellen und perso- nellen Ressourcen für friedliche Konfliktbearbeitung und Entwicklungsinitiativen zu verwenden . Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Die Koalition hat wertvolle Zeit verschwendet . Die Grünen haben mit ihrem Antrag „Gewalt in Burundi stoppen – Weitere massive Menschenrechtsverletzun- gen verhindern“, Bundestagsdrucksache 18/6883, schon Ende 2015 die Bundesregierung aufgefordert, sich akti- ver für den Schutz der Menschenrechte in Burundi ein- zusetzen . Der Antrag wurde von der Koalition abgelehnt . Dabei sind die neusten Meldungen aus Burundi der beste Beweis dafür, dass viel früher viel mehr hätte passieren sollen . Inzwischen kündigte Burundi als erster Staat der Welt sogar die Zusammenarbeit mit Internationalem Strafgerichtshof und stellte die Zusammenarbeit mit dem Büro des Hohen Kommissars für Menschenrechte der Vereinten Nationen in Bujumbura ein . Das Land schot- tet sich vor unseren Augen ab und die Zivilbevölkerung lebt in Angst . Das tut sie schon, seitdem sich der burun- dische Präsident Nkurunziza 2015 trotz der Obergrenze von zwei Mandaten ein drittes Mal aufstellen ließ . Im Land führte dies einerseits zu Protesten und andererseits zu massiven Menschenrechtsverletzungen gegen die Re- gierungsgegner . Dennoch lehnte die Koalition unseren Antrag sowie die Erarbeitung einer interfraktionellen Initiative ab und brachte ein halbes Jahr später einen eigenen Antrag ein . Er enthält zwar wichtige Punkte, unsere Forderungen bleiben jedoch nach wie vor aktuell; denn die Weltge- meinschaft und gerade Deutschland müssen die vorhan- denen Instrumente der Früherkennung und der Verhin- derung von schwersten Menschenrechtsverletzungen im Sinne der Schutzverantwortung weiter schärfen . Hier gibt es noch große Defizite und der Antrag der Koalition geht nur sehr vorsichtig auf dieses Thema ein . Dabei hat sich die Weltgemeinschaft Jahrzehnte in Burundi engagiert . Die Nachbarländer, die Afrikanische Union, die Vereinten Nationen und die EU haben alle nach Jahren von Unruhen und Gewalt Burundi auf dem steinigen Weg zu einem Friedensabkommen im Jahr 2000 begleitet . Auch bei der Umsetzung standen diese Akteu- re dem Land zur Seite . Nun sind seit April 2015 laut UNHCR fast 300 000 Menschen aus Burundi geflohen und über 100 000 intern vertrieben worden . Wie kann das sein? Wieso hat man den Einfluss im Land nicht nüt- zen können, um diese Entwicklung zu verhindern? Diese Frage muss sich auch die Bundesregierung stellen . Der UN-Bericht vom 20 . September dieses Jahres weist darauf hin, dass in Anbetracht der Geschichte Bu- rundis die Gefahr eines Völkermords nicht auszuschlie- ßen sei . Manche der begangenen Verbrechen könnten womöglich als Verbrechen gegen die Menschlichkeit klassifiziert werden. Der Bericht empfiehlt die dringende Aufnahme eines unabhängigen gerichtlichen Verfahrens, um die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen . Nach den letzten Entscheidungen Burundis wird so ein Verfahren wohl noch schwieriger sein . Wir, die Welt- gemeinschaft, können es einfach nicht erlauben, dass schwerste Menschenrechtsverletzungen ohne Konse- quenzen bleiben . Deshalb muss auch die Bundesregie- rung endlich aktiver werden – nicht nur wegen der Si- tuation in Burundi, sondern auch wegen der Stabilität in der gesamten Region . In der Hoffnung, dass dieser An- trag zumindest eine kleine Verbesserung bewirken kann, stimmen wir ihm zu . Schade, dass die Koalition bei un- serem Antrag dazu nicht in der Lage war . Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU und SPD: Schutz von Walen und Delfinen stärken – des Antrags der Abgeordneten Steffi Lemke, Nicole Maisch, Annalena Baerbock, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Wirksamen Walschutz weltweit durchsetzen (Zusatztagesordnungspunkte 8 und 9) Gitta Connemann (CDU/CSU): Wer von uns kennt nicht Moby Dick? Die Geschichte des weißen Wals und seines Jägers Kapitän Ahab hat Generationen von Lesern gefesselt . Auf der einen Seite der Pottwal als Sinnbild der Natur, auf der anderen Seite der Mensch auf seinem Rachefeldzug . Kapitän Ahab jagt den Wal Moby Dick, der ihm ein Bein abgerissen hatte; Mensch gegen Wal – auf Augenhöhe . Diese Augenhöhe gibt es schon lange nicht mehr . Wale, auch die kleinen Zahnwale, die Delfine, werden verfolgt, mit modernster Technik gehetzt und gejagt . Im Mittelpunkt steht das Geschäft . Deshalb haben auch An- träge zur Verbesserung ihres Schutzes in diesem Haus traurige Tradition . Von Legislaturperiode zu Legislatur- periode fordern wir über die Parteigrenzen hinweg, dass der kommerzielle Walfang weltweit beendet wird . Diese Forderung ist unverändert nötig, bitter nötig; denn die für den Schutz der Wale notwendigen Fort- schritte konnten bis jetzt nicht erreicht werden – trotz al- len öffentlichen Drucks . Zwar verbietet seit 1986 ein Mo- ratorium der Internationalen Walfangkommission, IWC, die kommerzielle Jagd auf Wale . Dabei ist die IWC noch nicht einmal eine Walschutzorganisation . Ursprünglich sollte sie Fangquoten festlegen, die den Bestand der Großwale nicht gefährden und den Walfang damit lang- fristig sichern . Aber es wurde deutlich, dass ein Walbe- stand nach dem anderen am Rand der Ausrottung stand . Nur Fakt ist: Länder wie Island, Norwegen oder Japan erkennen das Moratorium entweder gar nicht – mehr – an http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/068/1806883.pdf Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 196 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 20 . Oktober 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 196 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 20 . Oktober 2016 19579 (A) (C) (B) (D) oder höhlen es aus . Um ein konkretes Beispiel zu nen- nen: Jedes Jahr aufs Neue wiederholen sich die Szenen vor dem japanischen Walfangort Taiji . Wenn Anfang September die Saison der Treibjagd auf Delfine beginnt, ist das jährliche Schlachten eröffnet . Bis März werden die Tiere gejagt und in einer Bucht zusammengetrieben . Dort werden die besten Tiere aussortiert . Der Rest wird abgeschlachtet, gesprengt oder erstickt . Diese Jagd ist nichts anderes als ein Blutbad, ein Blutbad unter dem Deckmantel der Walforschung . Den Rahmen dafür bildet das Walforschungsprogramm, NEWREP-A . Es erlaubt, über zwölf Jahre hinweg insge- samt knapp 4 000 Wale zu erlegen . 4 000 Wale in zwölf Jahren . Oder umgerechnet: 333 dieser einmaligen Mee- ressäuger dürfen getötet werden, Jahr um Jahr, im Na- men der Forschung . Aber es geht noch schlimmer . In der Fangsaison 2015/2016 waren von diesen 333 Walen sage und schreibe 200 Tiere trächtig . Es ist eine Schande . Dieses Schlupfloch nutzt Japan seit November 2014, um wieder Wale zu fangen . Kommerzieller Walfang wird kurzerhand als Walforschung deklariert . Forschungs- zwecke werden vorgeschoben . Das ist nichts anderes als eine Ausrede . Die Walforschung braucht keine Massaker . Diese hat im 21 . Jahrhundert ganz andere technologische Möglichkeiten . Das Verhalten Japans ist ein schwerer Schlag gegen den Schutz der Wale . Wir in der CDU/ CSU-Fraktion sind der Bundesregierung deshalb dank- bar . Diese hatte sich im Dezember letzten Jahres einem internationalen diplomatischen Einspruch gegenüber der japanischen Regierung angeschlossen und die Wieder- aufnahme des Walfangs deutlich kritisiert . Dieser Druck muss über Japan hinaus aufrechterhal- ten werden . Denn brutale Treibjagden, das Gemetzel von Delfinen und Walen beschränkt sich nicht allein auf Ja- pan . Auch in Norwegen und Island steht der kommerziel- le Walfang auf der Tagesordnung . Das muss endlich ein Ende haben . Die Welt muss handeln . Wir müssen Wale und Delfine noch besser schützen. Deshalb fordern wir die Bundesregierung auf, sich beim Treffen der IWC-Mit- gliedstaaten in Portoroz zum Anwalt der Meeres säuger zu machen . Die Konferenz der Internationalen Walfang- kommission beginnt heute in Slowenien . Dort muss ein starkes Zeichen gegen die Jagd und Tötung von Walen und Delfinen gesetzt werden. Dafür haben wir unseren Antrag vorgelegt . Darin fordern wir: Im Interesse des Walschutzes müssen der Erhalt, die Stärkung und vor al- lem eine bessere Durchsetzung des Moratoriums erreicht werden – ohne Wenn und Aber . Für die Tötung von Wa- len gibt es keinen Grund . Anträge, die auf eine Aushöh- lung des Walfangmoratoriums abzielen, sind abzulehnen . Wir fordern die Bundesregierung aber auch auf, sich gemeinsam mit anderen Vertragsstaaten auf der IWC-Ta- gung dafür einzusetzen, dass Norwegen und Island ihre Walfangaktivitäten einstellen . In Europa muss kommer- zieller Walfang der Geschichte angehören . Niemand braucht im 21 . Jahrhundert Nahrungsergänzungsmittel oder Kosmetik aus Walöl . Das Abschlachten der Tiere ist hiermit nicht zu rechtfertigen – im Gegenteil . Es gibt eine Ausnahme: Für indigene Völker mit Walfangtraditi- on wie Aleuten, Inuit oder Eskimos sind Wale Nahrung . Ihnen muss der Walfang zum Eigenverbrauch weiter er- laubt sein . Es ist unsere Pflicht, Wale und Delfine noch besser zu schützen, damit unsere Kinder und Enkel, wenn sie Moby Dick lesen, nicht fragen: Was ist eigentlich ein Wal? Dr. Klaus-Peter Schulze (CDU/CSU): Zur Ordnung der Wale zählt eine Vielzahl von Arten, die sich auf un- terschiedliche Weise an die Bedingungen in den Meeren dieser Welt angepasst haben . Wale werden in Barten- und Zahnwale unterteilt, die sich wiederum in verschiedene Familien untergliedern . So zählt der Südliche Zwergwal zur Familie der Furchenwale, die wiederum zur Unter- ordnung der Bartenwale gehört . Bereits im Mittelalter wurden in Europa Wale gejagt . Die Fischer hatten es dabei vor allem auf die großen Mengen an Fleisch sowie den als Brennstoff verwend- bare Waltran abgesehen . Die Jagd beschränkte sich zu dieser Zeit auf die Küstengebiete . Erst ab 1630 begannen Holländer mit der Waljagd auf offener See . Ein deutli- ches Wachstum erlebte die Walfangindustrie im 17 . und 18 . Jahrhundert . Vor allem Pottwale rückten in den Fokus der Parfüm- und Kerzenindustrie . Ein solcher Anstieg der Waljagd wiederholte sich in der zweiten Hälfte des 19 . Jahrhunderts . Grund waren dieses Mal technische Erfindungen. Mithilfe von neu entwickelten Sprenghar- punen konnten nun auch die schnellen Furchenwale, wie Blau- und Finnwale, gejagt werden . Zusätzlich ermög- lichte die Dampfschifffahrt eine enorme Ausdehnung der Fanggebiete . Nach der ersten erfolgreichen Ölbohrung im Jahr 1859 wurde Walöl als Lampenbrennstoff von Petroleum abge- löst . Dennoch blieb Waltran ein wichtiger Grundstoff vieler Produkte und wurde für Produktionsprozesse be- nötigt . Hinzu kam, dass die Wale ab Beginn des 20 . Jahr- hunderts zunehmend von Fabrikschiffen direkt auf dem Meer verarbeitet wurden . Mit dieser Industrialisierung der Waljagd steigerte sich in den 1930er-Jahren die Zahl der getöteten Wale auf weltweit jährlich über 30 000 . Aufgrund dieser Entwicklung wurde vor genau 70 Jahren die Internationale Walfangkommission, IWC, eingerichtet . Sie zielte zu dieser Zeit jedoch nicht auf den Schutz der Meeressäuger ab, sondern vielmehr da- rauf, die Bestände in einem für das weitere Bestehen der Walfangindustrie notwendigen Umfang zu erhalten . Die Konsequenz dieses fehlgeleiteten Ansatzes offenbarte sich spätestens in der Fangsaison 1961/1962, in der über 66 000 Wale getötet wurden . Dabei handelte es sich aller- dings nur um die offiziellen Zahlen, die eine systemati- sche Fälschung der Fangzahlen durch einzelne Nationen nicht berücksichtigten . So stellte sich nach dem Zusam- menbruch der Sowjetunion heraus, dass die Sowjets bis Ende der 1970er-Jahre fast 180 000 Pottwale illegal ge- fangen hatten . In den 1980er-Jahren generierten spektakuläre Aktio- nen der Umweltorganisation Greenpeace eine öffentliche Aufmerksamkeit für die prekäre Situation der Wale . Vor allem jedoch der massive Rückgang der Walpopulatio- nen sorgte schließlich für ein grundlegendes Umden- ken . In der Konsequenz trat im Jahr 1986 das durch die Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 196 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 20 . Oktober 201619580 (A) (C) (B) (D) IWC vier Jahre zuvor beschlossene Walfangmoratrium in Kraft . Ab diesem Zeitpunkt war der kommerzielle Walfang verboten . Dennoch hat Japan seit dem Inkraft- treten des Moratoriums rund 18 000 Wale getötet . Als Begründung werden wissenschaftliche Untersuchungen angeführt, die gemäß Artikel 8 der IWC-Konvention den Fang von Walen erlauben . Faktisch handelt es sich aller- dings um kommerziellen Walfang . So hat ein IWC-Ex- pertengremium dem aktuellen japanischen Programm die wissenschaftliche Rechtfertigung abgesprochen, was von Japan ignoriert wird . Allein in den letzten zehn Jahren fielen den japanischen Explosivharpunen im Namen der Wissenschaft 10 712 Zwergwale zum Opfer . Angesichts der Zahlen müsste es sich bei dieser Walart um das am besten untersuchte Lebewesen der Welt handeln – leider weit gefehlt . Die massenhaften Tötungen mündeten in nur zwei Publikationen in Fachzeitschriften . Was japa- nische Wissenschaftlicher anhand von über 10 000 Wal- kadavern auch herausgefunden haben mögen, sie wollen dieses Wissen offensichtlich nicht mit der Menschheit teilen . Es darf an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben, dass es neben Japan noch zwei weitere Staaten gibt, die kom- merziellen Walfang betreiben . Während die Japaner im Zeitraum von 2014 bis 2015 663 Großwale töteten, er- legte Island 345 Wale und Norwegen gar 1 396 . Zwar begründen Island und Norwegen ihre Jagd nach Wa- len nicht mit ominösen wissenschaftlichen Ansätzen, dennoch ist auch hier die Sinnhaftigkeit der Waltötun- gen äußerst fraglich . So wurden im Jahr 2014 mehr als 113 Tonnen Zwergwal auf norwegischen Pelztierfarmen an Zuchtnerze und -füchse verfüttert . Doch nicht nur der kommerzielle Walfang, mit wis- senschaftlichem Deckmantel oder ohne, bedroht die globalen Walpopulationen . Für die Schweinswale in der Nord- und Ostsee stellen darüber hinaus Fischereigeräte und Unterwasserlärm eine erhebliche Gefahr dar . Da sie ihre Nahrung am Meeresgrund suchen, verfangen sich Schweinswale häufig in Stellnetzen und ertrinken. Im Jahr 2014 wurden an der deutschen Ostseeküste 129 Tot- funde von Schweinswahlen gezählt . An der Nordseeküs- te Schleswig-Holsteins waren es im Sommer 2012 sogar 132 tote Tiere . Die exakte Benennung der Beifangquote erweist sich dabei als schwierig . Dennoch haben Unter- suchungen der Totfunde an der Küste Mecklenburg-Vor- pommerns ergeben, dass die Beifangquote zwischen 2003 und 2012 bei 7,9 Prozent und der Verdacht auf Bei- fang bei 3,6 Prozent lagen . Um den Beifang von Schweinswalen zu verhindern, werden von einigen Fischern sogenannte Pinger, akusti- sche Signalgeber, eingesetzt . Diese sind jedoch umstrit- ten, da sie im Verdacht stehen, die Meeressäuger groß- räumig aus ihren Nahrungsgründen zu vertreiben . Aus diesem Grund werden aktuell sogenannte PAL-Geräte getestet, die Schweinswal-Kommunikationslaute imitie- ren und so die Tiere vor unsichtbaren Stellnetzen war- nen . Allerdings dauert die, vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft unterstützte Forschung der PAL-Geräte noch an . Aufgrund ihrer hohen Geräuschempfindlichkeit wer- den Schweinswale von Unterwasserlärm stark beein- trächtigt . So kann bei ihnen ab 164 Dezibel eine temporä- re Schwerhörigkeit eintreten . Aus diesem Grund hat das Umweltbundesamt, UBA, einen Grenzwert für Unter- wasserlärm beim Bau von Offshorewindenergieanlagen eingeführt . Demnach darf außerhalb von 750 Metern um die Rammstelle ein Schallexpositionspegel von 160 De- zibel nicht überschritten werden . Allerdings werden die Fundamente der Windanlagen mittels Impulsrammung in den Meeresboden getrieben, die in der Spitze Lärmwer- te von bis zu 200 Dezibel erzeugt . Hinzu kommt, dass sich der Grenzwert des UBA auf einen einzelnen Ramm- schlag bezieht . Pro Anlage sind jedoch unter Umständen Tausende Schläge notwendig, wodurch kumulative Ef- fekte die schädliche Wirkung auf die Schweinswale noch erhöhen . Die immense Lärmbelästigung führt dazu, dass Schweinswale fliehen, langfristig große Gebiete meiden oder mangels Kommunikationsmöglichkeit die Orientie- rung verlieren, stranden und verenden . Es existieren bereits Methoden, die den Schalleintrag während der Errichtung von Offshorewindernergieanla- gen reduzieren können . Primäre Schallminderungsmaß- nahmen: Verminderung der Schlagenergie, Verlängerung der Kontaktzeit zwischen Hammer und Pfahl – „Impuls- dauerverlängerung“ . Sekundäre Schallminderungsmaß- nahmen: Blasenschleier, Hüllrohr, Hydroschalldämpfer, Kofferdamm . All diese Maßnahmen haben gemein, dass derzeit noch ein erheblicher Forschungsbedarf besteht . Hier müssen die Bemühungen intensiviert werden, damit der Einsatz von effektiven Schallminderungsmaßnahmen auch in größeren Wassertiefen realisiert werden kann . Doch nicht nur die Wissenschaft ist gefragt, wenn es um den Erhalt der Wale als Symbol biologischer Viel- falt geht . So können auch Touristen ihren kleinen Bei- trag zum Walschutz leisten . Im Rahmen von sogenannten Walbeobachtungstouren, die unter anderem in der Straße von Gibraltar und auf den Makaronesischen Inseln an- geboten werden, gilt es, darauf zu achten, ausschließlich auf nachhaltige Anbieter zurückzugreifen . Darüber hi- naus sollte darauf verzichtet werden, auf Märkten, wie es sie im norwegischen Bergen gibt, Walprodukte zu er- werben . Der vorliegende Antrag benennt die entscheidenden Maßnahmen, welche die Staatengemeinschaft zukünf- tig ergreifen muss, um den Schutz der Wale im Rahmen des IWC-Moratoriums und darüber hinaus zu gewähr- leisten und um damit den Erhalt dieser beeindruckenden Meeres säuger sicherzustellen . Christina Jantz-Herrmann (SPD): Wale nehmen nicht nur eine wichtige Rolle im marinen Ökosystem und Nahrungsnetz ein, sie sind darüber hinaus auch zu einem Symbol biologischer Vielfalt geworden . So ist es wichtig und richtig, dass sich auch der Deutsche Bundestag in dieser Woche mit dem Thema Walschutz befasst . Wenn heute in Slowenien die 66 . Internationale Walfangkon- ferenz beginnt, haben wir als nationales Parlament die Chance, ein Signal zum Tagungsort Portoroz zu sen- den, ein Signal, welches unmissverständlich deutlich macht, dass die Weltgemeinschaft in ihren Bemühun- gen für den Schutz von Walen, insbesondere auch von Delfinen, keinesfalls nachlassen darf. Auch stärken wir Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 196 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 20 . Oktober 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 196 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 20 . Oktober 2016 19581 (A) (C) (B) (D) damit die Entschließung des Europäischen Parlaments vom 6 . Juli 2016 zum Beschluss Japans, in der Fangsai- son 2015/2016 den Walfang wiederaufzunehmen . Das EU-Parlament hat diese Entschließung übrigens mit gro- ßer Mehrheit beschlossen . Die Bedrohung von Walarten und -beständen durch wirtschaftliche Aktivitäten und andere anthropogene Be- einträchtigungen ist anhaltend hoch . Beifänge in der in- dustriellen Fischerei, der Eintrag von Umweltgiften und Plastikmüll in die Ozeane sowie der ständig zunehmende Unterwasserlärm stellen aktuell eine große Bedrohung für das Überleben der Wale dar . Nicht nur Umweltverän- derungen schränken den Lebensraum vieler Wale immer weiter ein . Eine weitere erhebliche Gefährdung bilden die anhaltenden kommerziellen Interessen einzelner Wal- fangstaaten . So steht es auch in unserem Antrag „Schutz von Wa- len und Delfinen stärken“. Mit diesem unterstützen wir die deutschen Anstrengungen zum Schutz der Wale nachdrücklich . Mit unserem Antrag fordern wir die Bun- desregierung auf, sich auch zukünftig zielstrebig und beständig für den umfassenden Schutz der Walbestän- de einzusetzen und die Einhaltung und Fortführung des Walfangverbotes von den IWC-Mitgliedstaaten einzufor- dern . Auch wird die Bundesregierung aufgerufen, darauf hinzuwirken, dass Island, Japan und Norwegen ihre Wal- fangaktivitäten aufgeben . So appellieren wir an die Bundesregierung, darauf hinzuwirken, dass Japan seinen als wissenschaftlich de- klarierten, aber offensichtlich kommerziellen Walfang beendet . Weiterhin wird die Bundesregierung dazu ange- halten, die Internationale Walfangkommission aufzufor- dern, keine Arbeiten zu finanzieren, die der Wiederauf- nahme des kommerziellen Walfangs dienen . Stattdessen sollen diese Mittel Walschutzprogrammen zur Verfügung gestellt werden . Im Antrag machen wir zudem deutlich, dass sich auch Deutschland weiterhin dafür einsetzen muss und wird, die heimisch vorkommenden Schweins- wale noch besser vor akustischer Beeinträchtigung und Umweltverschmutzung zu schützen sowie Beifänge zu minimieren . Walschutz ist mehr als nur der Kampf gegen Wal- fang . Wenn wir uns ernsthaft mit dem Thema Walschutz auseinandersetzen möchten, reicht es nicht aus, uns aus- schließlich gegen Walfang zu engagieren . Walfang hat ohne Frage eine besondere Qualität, wenn es um Proble- me für Wale geht . Doch wir müssen uns auch mit den Schwierigkeiten von Walen bei uns im Meer befassen . Für uns bedeutet dies, dass wir Schweinswale in unse- ren Gewässern ausreichend schützen müssen . Deshalb fordern wir die Bundesregierung in unserem Antrag auf, die Forschungsarbeiten zum akustischen Monitoring des gefährdeten Ostseeschweinswals, die mit Unterstützung aller an die Ostsee angrenzender EU-Staaten vom Deut- schen Meeresmuseum in Stralsund in Zusammenarbeit mit verschiedenen deutschen und anderen Universitäten begonnen wurden, weiter zu unterstützen . Auch fordern wir die Bundesregierung auf, darauf hinzuwirken, dass die zuständigen Naturschutzbehörden der Länder bei Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen im Rahmen der Intensivierung der Nutzung von Nord- und Ostsee von den jeweiligen Industrien Monitoring-Maß- nahmen und Beiträge zum Schutz der Meeresfauna ein- fordern . Dies sind Maßnahmen, die mir persönlich sehr am Herzen liegen . Es ist kein Geheimnis, dass wir als SPD-Bundestags- fraktion bei den Themen Tier- und Artenschutz oft und intensiv mit unserem Koalitionspartner um die Inhalte ringen müssen . Deshalb bin ich froh, dass es uns bei die- sem wichtigen Thema gelungen ist, einen Antrag zu for- mulieren, der wichtige Aspekte der Thematik abbildet: Wir adressieren sowohl die Durchsetzung des kommer- ziellen Walfangverbots als auch die Bedrohung der Wale durch Umweltbeeinträchtigungen . Auch die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat einen Antrag zum Thema Walschutz eingebracht . Inhaltlich ist dieser in vielem identisch mit unserem . Lassen Sie uns ein gemeinsames, starkes Signal nach Portoroz senden . Deshalb werbe ich um Zustimmung zum Koalitionsan- trag auch durch die Opposition . Birgit Menz (DIE LINKE): Auch 30 Jahre nach In- krafttreten des Moratoriums für kommerziellen Walfang besteht das Kernproblem darin, dass der Internationa- len Walfangkommission keine Sanktionsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, um Verstöße zu ahnden oder den Missbrauch der Möglichkeit des wissenschaftlichen Wal- fangs zu verhindern . So ist es in der Saison 2015/16 wie- der möglich gewesen, dass japanische Walfänger unter dem angeblichen Vorwand wissenschaftlicher Walfang- programme 333 Zwergwale töteten . Mehr als die Hälfte davon waren schwangere Weibchen . Das sind die höchs- ten Fangzahlen in Japan seit der Saison 2010/2011 . Norwegische Fischer töteten 2016 bisher 591 Wale, um aus ihnen Tierfutter zu machen oder das Fleisch auf Fuchs- und Nerzfarmen zu verfüttern . Auch Island be- treibt weiterhin offenen kommerziellen Walfang . Trotz- dem wird dieses Kernproblem auch auf der diesjährigen Konferenz nicht gelöst werden . Mehr noch: Es wird im Rahmen der offiziellen Agenda nicht einmal zur Sprache kommen . 30 Jahre nach Inkrafttreten des Moratoriums für kom- merziellen Walfang wird die Walfangkommission zu diesem Thema schweigen, und das nicht zuletzt, weil die EU-Kommission und Dänemark das Einreichen ei- ner notwendigen deutlichen Resolution gegen kommer- ziellen Walfang verhindern . Umso mehr muss sich die Bundesregierung für die Aufrechterhaltung des kommer- ziellen Walfangmoratoriums starkmachen . Sie muss sich dafür einsetzen, die Internationale Walfangkommission zu modernisieren und Sanktionen zu ermöglichen, um die Durchsetzung des Moratoriums sicherzustellen, und sie muss sich für eine unabhängige Prüfung von „Wis- senschaftsprogrammen“ starkmachen . Die Linke stimmt beiden Anträge zu, weil die ge- machten Vorschläge den Schutz von Walen und Del- finen stärken. Dennoch möchte ich, auch mit Blick auf Punkt 13 des Koalitionsantrags, eines betonen: Wale und Delfine wirksam zu schützen, bedeutet mehr, als die Jagd auf sie zu reduzieren. Wale und Delfine zu schützen, be- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 196 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 20 . Oktober 201619582 (A) (C) (B) (D) deutet auch, die Meere zu schützen: vor dem Eintrag von Schadstoffen, vor Verschmutzungen, vor Lärm, vor zu- nehmenden Belastungen durch Industrie und Schifffahrt und vor Überfischung. Kurz gesagt: Wale und Delfine zu schützen, bedeutet eine konsequente nachhaltige Um- weltpolitik, der sich die gesamte Bundesregierung ver- pflichtet sieht, nicht nur einzelne Ministerien. Vor unserer eigenen Haustür können wir beobachten, wie der Mensch das Leben vieler Meerestiere und de- ren Lebensumwelt negativ beeinflusst. Wale und Delfine sind andauernden Umweltbeeinträchtigungen wie Unter- wasserlärm, der Vermüllung von Meeren durch Plastik oder einer immer intensiver werdenden Bewirtschaftung der Gewässer ausgesetzt . Dies gilt nicht nur für Nord- und Ostsee, sondern für fast alle maritimen Gebiete, in denen sich Wale und Delfine dauerhaft befinden oder zeitweise aufhalten . Durch zunehmenden Schiffsverkehr, intensive maritime Bewirtschaftung und die hohe Anzahl militärischer Manöver ist es unter Wasser so laut gewor- den wie selten zuvor . Der durch Explosionen, Sonar oder Unterwasserbohrungen verursachte Krach führt bei Wa- len, Delfinen und anderen Meerestieren zu gravierenden Schädigungen des Hörsystems . Für Meerestiere, die via Schall kommunizieren und sich orientieren, gleicht dies einem Todesurteil . Eine baldige Reduzierung der Lärm- verschmutzung ist im Sinne des Artenschutzes unbedingt erforderlich . Langfristig ist es zwingend notwendig, Maßnahmen zu ergreifen, die mit einem Verbot des Ein- satzes von Sonar sowohl zu militärischen Zwecken als auch für die Suche von Erdöl im Meeresboden einher- gehen . Ein weiteres menschengemachtes Problem, unter dem auch Wale und Delfine leiden, ist die Überfischung der Meere . Mit der weltweiten massenhaften Entnahme von Fisch entziehen großindustrielle Fangflotten nicht nur wichtige Nahrungsquellen, sondern bedrohen auch das Ökosystem und dessen Leistungen als Ganzes . Laut WWF sterben jährlich etwa 300 000 Wale und Delfine als Beifang in den Netzen der Fischerei. Dies macht mehr als deutlich, dass dringend alternative Fang- methoden gefördert werden müssen, die sogenannten Beifang vermeiden und die Meeresumwelt schonen . Konkret heißt das, zukünftig auf die Fischerei mit Grund- und Schleppnetzen gänzlich zu verzichten . Der Schutz von Walen und Delfinen muss deshalb von der Bundesre- gierung hier in Deutschland genauso konsequent gestärkt werden wie auf dem europäischen und internationalen Parkett . Die Linke fordert neben dem Haltungsverbot von Delfinen in Gefangenschaft auch ein Verbot, wildlebende Delfine zu fangen. Delfine aus kommerziellen oder an- geblich therapeutischen Zwecken in Gefangenschaft zu halten, lehnt Die Linke als Tierquälerei ab . Lassen Sie uns mit gutem Beispiel vorangehen, wenn es darum geht, Tiere vor Profitinteressen zu schützen. Steffi Lemke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Heu- te beginnt in Slowenien die Tagung der Internationalen Walfangkommission . Die Internationale Walfangkom- mission besteht 2016 seit 70 Jahren . Ihre größte Errun- genschaft ist das seit 1986 geltende weltweite Verbot des kommerziellen Walfangs . Eine Errungenschaft, die immer wieder verteidigt werden muss . Jährlich werden Tausende von Walen und Delfinen abgeschlachtet. Vor den Faröer–Inseln, Island und Grönland werden Finn- wale, Zwergwale, Grindwale und Delfine gejagt und das Fleisch – trotz Handelsverbot – vor allem nach Japan verkauft . Japan tötet nach wie vor Wale unter dem Deck- mantel der wissenschaftlichen Forschung und nutzt da- mit ein juristisches Schlupfloch. Trotz Urteils des Inter- nationalen Gerichtshofs, das Japan die Illegalität seines angeblich wissenschaftlichen Walfangs beschieden hat, steht aktuell ein Antrag Japans zur Bewilligung des wei- teren Walfangs auf der IWC-Tagesordnung . Ich setze da- rauf, dass dieser Antrag keine Unterstützung finden wird und die IWC Instrumente findet, die Tötung von Walen für angebliche wissenschaftliche Zwecke zu unterbin- den . Ich hoffe auch darauf, dass der diesjährigen Tagung der IWC ein Durchbruch für die Einrichtung eines Wal- schutzgebietes im Südatlantik gelingt – es hätte über das konkrete Schutzgebiet hinaus eine wegweisende Bedeu- tung für den zukünftigen Umgang mit unseren Ozeanen und der dort lebenden Fauna und Flora . Denn über das Verbot des Walfanges hinaus brauchen wir einen umfas- senden Meeresschutz, wenn unter der sich verschärfen- den Klimakrise im Meer die wichtigen Ökosystemfunk- tionen der Ozeane nicht kollabieren sollen . Der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregie- rung Globale Umweltveränderungen (WBGU) kam im Jahr 2013 in seinem Gutachten „Welt im Wandel – Menschheitserbe Meer“ zu dem Ergebnis, dass ein fun- damentaler Perspektivenwechsel erforderlich ist, um die Meere zu schützen . Die Notwendigkeit einer Trendwen- de beim Umgang mit den Meeren ist längst bekannt . Die dringend benötigten Regelungen existieren nicht oder sind in der Praxis durch die Staaten nicht ausreichend umgesetzt . Zu diesen Staaten zählt auch die Bundes- republik Deutschland . Vor fast 10 Jahren 2007 wurden die von Deutschland gemeldeten Natura2000-Gebiete in der Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) von Nord- und Ostsee durch die Europäische Kommission bereits bestätigt . Die Bundesregierung hatte sechs Jahre Zeit (bis Ende 2013), Maßnahmen im Sinne einer Schutzge- bietsverordnung in nationalem Recht zu verankern . Was ist passiert? Nichts! Stattdessen ist ein EU-Vertragsver- letzungsverfahren anhängig . Und eine Klage von fünf Umweltverbänden gegen die Bundesregierung vor dem Verwaltungsgericht Köln wegen mangelhaften Meeres- schutzes . Die Bundesregierung betont ja gerne, dass ihr der Meeresschutz wichtig ist . Zum G7-Gipfel 2015 in El- mau wurde sogar ein Aktionsplan gegen Meeresver- müllung verabschiedet . Die Ozeane sind aber weltweit in einem gravierenden Ausmaß bedroht: Überfischung, Verschmutzung mit Plastik, Chemikalien, Radioaktivi- tät, Erhitzung, CO2-Eintrag, Versauerung, Raubbau an Bodenschätzen . Das bisherige Handeln der Bundesre- gierung steht in keinem Verhältnis zur Größe des Pro- blems . Ein Aktionsplan nur gegen Meeresmüll greift zu kurz . Unsere Meere sind in einer historischen Krise und zum Teil wohl schon unumkehrbar verändert . Leer- gefischt, vermüllt, übernutzt und als größtes Opfer der Klima krise sind die Meeresökosysteme bis zum Äußers- ten strapaziert . Vielfältige Hebel müssen in Bewegung Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 196 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 20 . Oktober 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 196 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 20 . Oktober 2016 19583 (A) (C) (B) (D) gesetzt werden, um das Artensterben zu verhindern, die Vergiftung, Vermüllung und Überdüngung zu stoppen und um dem Meer wieder Raum zum Leben zu geben . Dazu bedarf es gemeinsamer Anstrengungen auf globaler und europäischer Ebene und auch auf nationaler Ebene . „Um den Verlust der Arten zu bekämpfen, müssen na- tional wie international alle Kräfte gebündelt werden .“ Dieser Satz stammt aus dem gemeinsamen Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen „Konsequenten Walschutz fortsetzen und ver- bessern“ aus der vergangen Wahlperiode . Das war eine gute Initiative und ein guter Antrag, und es ist ein guter parlamentarischer Brauch, gemeinsame Anträge zur Un- terstützung der Regierung bei internationalen Verhand- lungen zu verfassen, wenn die inhaltlichen Unterschiede überbrückbar sind . Und nun frage ich CDU und CSU, was in sie gefahren ist, dieses gemeinsame Bemühen und Ringen um Fort- schritt den Eskapaden eines einzelnen Abgeordneten zu opfern . Ein bereits zwischen den Fraktionen abgestimm- ter Antrag wird einfach mal so vom Tisch gewischt, ohne irgendeine inhaltliche Begründung, weil der Herr Stier mit dem falschen Fuß aufgestanden ist . Das ist zwar sein gutes Recht, aber eine Bundestagsfraktion sollte etwas mehr Überblick und politisches Verständnis haben . Das Parlament sollte doch dazu in der Lage sein, einen inter- fraktionellen Antrag zum Schutz der Wale auf den Weg zu bringen – wie es dies schon mehrfach getan hat –, statt sich in den ideologische Graben eines einzelnen Abge- ordneten zu schmeißen . Herr Stier, Sie verkennen schein- bar die Bedeutung internationaler Verhandlungen . Erst gestern hat ein Antrag der EU für internationale Schlagzeilen gesorgt: Das Weddellmeer in der Antarktis soll zum größten Meeresschutzgebiet der Welt werden . Ein Antrag, den Deutschland erarbeitet hat . Ein Antrag, über den der CSU-Minister Schmidt sagt, dass es eine historische Aufgabe ist, einzigartige Ökosysteme wie die Antarktis zu schützen . Und weiter, dass die kommerziel- le Fischerei eine extreme Gefahr sei für das Gebiet . Zum einen ist das eine großartige Initiative, der ich von gan- zem Herzen Erfolg wünsche und bei deren Durchsetzung ich auch Herrn Schmidt Erfolg wünsche und Unterstüt- zung zusichern kann – obwohl, Herr Stier, der Kolle- ge Schmidt kein Grüner ist . Und zum anderen will ich Herrn Schmidt auffordern, auch beim Meeresschutz vor der eigenen Haustür endlich Ernst zu machen und seine Blockade aufzugeben . Sehr geehrte Damen und Herren der Bundesregierung, sehr geehrter Herr Schmidt, nutzen Sie den nationalen Handlungsspielraum wie den internationalen auch und schützen Sie die Meere und die Meeresumwelt in ihrem direkten Zuständigkeitsbereich genauso wie die in der Antarktis . Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung ein- gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Durch- führung unionsrechtlicher Vorschriften über das Schulprogramm für Obst, Gemüse und Milch (Landwirtschaftserzeugnisse-Schulprogramm- gesetz – LwErzgSchulproG) (Tagesordnungs- punkt 19) Katharina Landgraf (CDU/CSU): Heute schaffen wir die Voraussetzungen für das neue EU-Schulpro- gramm für Obst, Gemüse und Milch, welches ab dem Schuljahr 2017/2018 in den Schulen und vor allem bei den Schulkindern ankommen soll . Ich freue mich, dass durch die aktuellen Entwicklungen bei den Schulpro- grammen für Schulobst und Schulmilch die Ernährungs- bildung nunmehr auch verstärkt in den Schulen verankert wird, und ich möchte im Folgenden die wichtigsten Eck- punkte zusammenfassen . Die erste und wichtigste Botschaft ist, dass der Kofi- nanzierungsanteil der Länder komplett entfällt . Die zwei- te wichtige Botschaft ist, dass die Programme Schulobst und Schulmilch zusammengeführt werden . Dies wird zu einer deutlichen Vereinfachung führen . Die dritte gute Botschaft ist eine Erhöhung der Finanzmittel um 20 Mil- lionen Euro auf nunmehr insgesamt 250 Millionen Euro auf europäischer Ebene . Von dieser Summe werden nach dem neu festgelegten Verteilungsschlüssel auf Deutsch- land 19,7 Millionen Euro für Schulobst und -gemüse so- wie 9,4 Millionen Euro für Schulmilch entfallen . Mit all diesen Punkten bietet sich nun endlich die Chance, dass Kinder in allen Bundesländern von beiden Programmen profitieren. In Zukunft soll es kostenloses Obst, Gemüse und Milch für alle Kinder und Jugendlichen in Bildungs- einrichtungen geben . Positiv hervorzuheben ist zudem, dass sich die Mit- gliedstaaten und nach der Umsetzung der Vorgaben in Deutschland im Einzelnen die Länder auch zu pädago- gischen Begleitmaßnahmen verpflichten. So sollen die Kinder über gesunde Ernährung und einen gesunden Lebensstil aufgeklärt werden, über lokale Nahrungsmit- telketten, ökologischen Landbau, nachhaltige Erzeugung und die Bekämpfung der Lebensmittelverschwendung . Kindern soll auch die Landwirtschaft wieder näherge- bracht werden, beispielsweise durch Besuche von Bau- ernhöfen . Aber die Politik und die Schulen stoßen auch an ihre Grenzen . Die Begeisterung der Kinder für die tägliche Portion Obst und Gemüse muss früh geweckt werden . Dies geschieht am besten und in erster Linie durch An- gebote der Eltern . Das tatsächliche Leben mit Obst und Gemüse findet vor allen in den Familien statt. Dass es da läuft, hängt einzig und allein vom Bewusstsein der Fami- lie ab . Der Idealfall wäre, wenn Vater und Mutter selbst mit dem Thema „gesunde Ernährung“ und vor allem mit viel Obst und Gemüse aufgewachsen sind . Ist das nicht gegeben, so braucht man eine entspre- chende pädagogische Begleitung . An dieser Stelle greift dann das Obst- und Gemüseprogramm in den Kitas und Schulen . Da wünsche ich mir, dass ein solches Angebot nicht als ein von oben verordnetes Übel angesehen wird, das nur mehr Arbeit macht . Das Programm sollte zum Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 196 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 20 . Oktober 201619584 (A) (C) (B) (D) ganz normalen Alltag in den Schulen und Einrichtungen gehören . Eine gute Nachricht zum Schluss: Die Evaluationen des Schulmilch- und des Schulobstprogramms haben eine deutliche Zunahme der Beliebtheit und Akzeptanz von Milch, Obst und Gemüse ergeben . Zudem stieg das Bewusstsein der Kinder um die Wichtigkeit von Milch, Obst und Gemüse als Bestandteil einer gesunden Ernäh- rung . Das zeigt mir, dass wir auf einem guten Weg sind Carola Stauche (CDU/CSU): Wir haben heute den nicht allzu häufigen Fall, dass wir einen Gesetzentwurf verhandeln, dem wohl alle Mitglieder des Hauses beden- kenlos zustimmen können . Das liegt zum einen daran, dass wir hier lediglich EU-Bestimmungen in nationales Recht umsetzen, zum anderen daran, dass es hierbei um die Versorgung mit frischem Obst und Gemüse und auch mit Milch für Schüler geht, die so zu einer gesunden Le- bensweise motiviert werden sollen . Wir werden heute das neue Schulprogramm für Obst, Gemüse und Milch umsetzen; künftig können die Länder kostenlos diese landwirtschaftlichen Erzeugnisse in Bil- dungseinrichtungen abgeben . Die bisherigen Programme für Schulobst und -gemüse einerseits und Schulmilch an- dererseits werden zusammengefasst; gleichzeitig sind die Mittel deutlich erhöht worden . Allein für Deutschland werden fast 30 Millionen Euro zur Verfügung gestellt . EU-weit sind es 250 Millionen Euro . Thüringen nimmt bereits seit 2010 am Schulobstpro- gramm teil . Ich habe mich vor Ort umgehört, um zu er- fahren, wie das Programm bisher angenommen wird . Der Eindruck ist an sich positiv, jedoch mit einem nicht zu unterschätzenden Wermutstropfen . Mir wurde mitgeteilt, das Thema „gesunde Ernährung“ sei in den teilnehmenden Schulen Schwerpunktthema im Heimat- und Sachkun- deunterricht, ebenso wie Nachhaltigkeit und auch Abfall- vermeidung . Obst und Gemüse wird nicht nur konsumiert; die Schülerinnen und Schüler halten Vorträge zur gesun- den Ernährung, und das Thema wird auch in die in den Schulen angebotenen Interessengemeinschaften integriert . Im Kunsterziehungsunterricht werden Obst und Gemüse künstlerisch eingebunden, im Englisch unterricht werden entsprechende Vokabeln vermittelt . Diese Umsetzung vor Ort finde ich sehr beeindru- ckend . Mit viel Einsatz und Kreativität wird das Pro- gramm nicht nur angenommen, sondern auch in ver- schiedene Bereiche des schulischen Alltags einbezogen . Über die reine Verteilung von Lebensmitteln hinaus wer- den gesunde Ernährung und die Wertschätzung von Le- bensmitteln vermittelt und als Querschnittsthema in viele Bereiche eingebunden . Doch wie bereits angemerkt, gibt es bei so viel Licht auch Schatten: Der bürokratische Aufwand ist sehr hoch . So musste in einem der vergangenen Jahre die Ausschrei- bung für die Lieferung von Obst und Gemüse dreimal wiederholt werden, bis sich Lieferanten fanden . Einige Schulen, die am Programm teilnehmen wollten, konnten das nicht, weil schlicht und ergreifend keine Lieferan- ten zu den vorgegebenen Bedingungen aufzutun waren . Nicht nur die Ausschreibung ist bürokratisch aufwendig, sondern auch das Abrechnungssystem . Vor allem die Mitteilungen der Änderungen der Schülerzahlen sind umständlich, gerade in Klassen, in denen zum Beispiel Flüchtlingskinder nur zeitweise unterrichtet werden . Bis die Änderungsmitteilungen dann bearbeitet und die Aus- zahlungsbeträge angepasst sind, vergehen ein bis zwei Monate, in denen sich die Teilnehmerzahlen schon wie- der verändert haben können . Zusammengefasst lautet das Fazit eines befragten Bildungsträgers: „… dass das EU-Schulobst- und Ge- müseprogramm durchaus in den teilnehmenden Schulen vor Ort eine gewisse Wirkung erzielt . Insbesondere die Einbeziehung in den Unterricht stellt neben der eigent- lichen Einnahme gesunder Erzeugnisse einen Mehrwert dar . Jedoch wird dies nur durch einen erheblichen Mehr- aufwand aller am Verfahren beteiligten Akteure erzielt . Der Aufwand für die Verwaltung für Ausschreibung, Ver- tragsgestaltung, Überwachung der Durchführung bis hin zur Abrechnung mit dem Fördermittelgeber ist enorm . Der Anteil der Arbeitszeit … ist schlichtweg inakzepta- bel .“ Was heißt das für uns als Abgeordnete des Deutschen Bundestages? Wir stehen hier wieder einmal vor einem altbekannten Problem: Der Bundestag beschließt etwas, aber die Umsetzung ist etwas anderes . Es ist sehr begrü- ßenswert, dass es von EU-Seite die Zusammenführung der Programme gegeben hat und die Mittel erhöht wer- den . Damit sie aber auch da ankommen, wo sie gebraucht und sinnvoll eingesetzt werden können, brauchen wir dringend Verwaltungsvereinfachungen, vor allem in den Ländern, die die Programme bzw . das Programm durch- führen . Mein Dank gilt allen, die sich bisher an den Schulpro- grammen beteiligt haben und vor Ort mit hohem Einsatz und viel Kreativität die Programme mit Leben gefüllt ha- ben und füllen . Hier wird wieder einmal deutlich: Was immer wir beschließen, ist nicht viel wert, wenn es nicht vor Ort aktiv umgesetzt wird . Engagierte Bürgerinnen und Bürger, in diesem Falle vor allem in den Schulen, zählen zum Wichtigsten und Wertvollsten, was unsere Gesellschaft ausmacht . Das können wir gar nicht stark genug honorieren . Jeannine Pflugradt (SPD): Wir beschließen heu- te die Zusammenführung der EU-Schulprogramme zur Verteilung von Obst, Gemüse und Milch an Kinder so- wie die damit einhergehende Verabschiedung des Land- wirtschaftserzeugnisse-Schulprogrammgesetzes, das die EU-Verordnung in deutsches Recht künftig verankern wird . Ich begrüße die Zusammenlegung der EU-Beihil- fen, und freue mich, dass der lange Abstimmungsprozess endlich zu einem guten Ende kommt . Weiterhin würde ich es begrüßen – hier appelliere ich einmal mehr –, wenn alle Bundesländer an dem Programm teilnehmen würden . In erster Linie meine ich an dieser Stelle mein eigenes Heimatbundesland: Mecklenburg-Vorpommern . Da sich am Inhalt des Gesetzes zwischen der ersten und der jetzigen Lesung nichts verändert hat, da statt- dessen nur protokolliert wurde, möchte ich die heutige Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 196 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 20 . Oktober 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 196 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 20 . Oktober 2016 19585 (A) (C) (B) (D) Debatte nutzen, um kurz grundlegend über Ernährung zu sprechen . Seit Jahren kursieren die alarmierenden Zahlen über Übergewicht und Fettleibigkeit in unserer Gesellschaft, und die daraus möglicherweise entstehenden Krankhei- ten wie zum Beispiel Diabetes II . Wir wissen alle, dass lebensstilbedingte Krankheiten zu hohen Kosten für un- ser Gesundheitssystem führen . Deshalb debattieren wir, leider viel zu selten und schon gar nicht in den Familien, über ungesunde, unausgewogene Ernährung . Deswe- gen rücken wir auch zu Recht Kinder und Jugendliche in den Fokus unserer Betrachtungen . Wir sind uns darü- ber bewusst, dass sich Ernährungsgewohnheiten im frü- hen Kindesalter festsetzen und im Laufe des Lebens nur schwer zu verändern sind . Ich persönlich halte ausgewogene Essgewohnheiten von klein auf für enorm wichtig und als eine Grundla- ge für einen gesunden Lebensstil . Obst, Gemüse sowie Milchprodukte, so wie die Produkte des EU-Schulpro- grammes es vorsehen, sind dabei unentbehrlich für eine vollwertige, ausgewogene Ernährung . Diese Lebensmit- tel enthalten neben Vitaminen, Mineralstoffen, Ballast- stoffen sowie Kohlenhydraten auch einen hohen Was- seranteil . Kinder und Jugendliche können mit diesem Schulprogramm erfahren, dass vermeintlich verpönte gesunde Lebensmittel auch gut schmecken . Ernährungsstile sind heutzutage zu Lebensstilen ge- worden . Wir ernähren uns so wie früher, wie wir es von unseren Eltern vermittelt bekamen, oder vegetarisch, vegan, nach einer Diät, schnell oder langsam, zwischen- durch, oder nachhaltig . Wir kaufen in Supermärkten, Dis- countern, Lebensmittelfachgeschäften, auf Märkten oder lassen uns Mahlzeiten fertig liefern . Natürlich umfasst unser Lebensstil mehr als die Ernährung . Er beinhaltet auch andere Faktoren, wie Bewegung, Stresspotential, soziale Kontakte usw . Dennoch ist unsere Ernährung der Spiegel unserer eigenen Wertevorstellungen und kann deshalb auch als Folie für politische Bewegungen gesehen werden . Mit Ernährungsstilen als Lebensstil ist nämlich eine zuneh- mende Auseinandersetzung mit dem eigenen Ernäh- rungsverhalten verknüpft . Der Konsum spielt eine wich- tige Rolle . Die Frage nach dem richtigen Essverhalten ist deshalb nicht nur eine Frage des eigenen Lebensstils, sondern ist zu einer politischen Frage geworden . Vor al- lem die Moralisierung des Essens führt zur Politisierung der heutigen Ernährung . Sie wird im Falle des Konsums tierischer Produkte, wie Fleisch, sehr offensichtlich . Ich möchte an dieser Stelle deutlich darauf hinweisen, dass es für jedes persönliche Ernährungsverhalten gute Gründe gibt . Warum wir dieses Stück Fleisch lieber ver- zehren als ein pflanzliches Ersatzprodukt oder warum wir heute eher Appetit auf diesen Schokoriegel als auf den Apfel haben, das muss jeder für sich selbst entscheiden; die Verantwortung für das Wohlempfinden liegt bei je- dem selbst. Ich finde es deshalb auch nicht gerecht, wenn wir uns für unsere Entscheidung rechtfertigen müssen . Stigmatisierungen eines Essverhaltens sind meiner Mei- nung nach kein gerechtes moralisches Mittel . Trotzdem ist vielen Menschen die reine Nahrungs- aufnahme als überlebenswichtiger Bestandteil nicht mehr genug . Sie verbinden mit Essen einen komplexen Sachverhalt . Die Sättigung, der Genuss oder Geschmack stehen heute nicht mehr allein . Ihr bewusster Konsum soll dazu beitragen, ihre Gesundheit zu erhalten und die Umwelt nicht zu belasten . Der Verzicht auf ein bestimm- tes Lebensmittel ist deshalb ein Teil ihrer moralischen Werte . Menschen, die Nahrungsmittel erzeugen, sollen gerecht entlohnt werden . Sie fordern einen respektvollen Umgang mit Tieren, die wir zu unserer Ernährung unter- halten . Wie wir also gemeinsam sehen können, ist unser Kon- sum ein komplexes Konstrukt geworden . Ich habe noch nicht einmal damit begonnen, die unterschiedlichen Ver- brauchertypen aufzuzählen, die unterschiedliche Infor- mationsmethoden benötigen . Um aus den individuellen Entscheidungen, die wir alltäglich im Supermarkt tref- fen, die also unseren Lebensstil bestimmen, unser eige- nes Ernährungsverhalten anzupassen, müssen wir gebil- det und recht gut aufgeklärt sein . Wo können Aufklärung und Bildung besser funktionieren als in allgemeinbilden- den Schulen . Genau dort – und spätestens dort – muss sie ansetzen. Die flankierenden pädagogischen Maßnah- men des EU-Schulprogramms sind enorm bedeutend und mindestens gleichwertig mit der Obst- und Gemüsever- teilung . Gerade in der heutigen Zeit von Ganztagsschulen ist die Schule auch ein Lernort für gesellschaftliche Auf- gaben geworden . Eltern möchten ihre Kinder während der Schulzeit gut behütet wissen . Dazu zählt auch eine gute Essensversorgung . Außerdem werden unsere Wer- tevorstellungen nicht nur von den Eltern weitergege- ben, sondern auch von Lehrern und Mitschülern . Wenn in der Familie nicht regelmäßig Obst und Gemüse auf dem Tisch stehen, können spezielle Schulprogramme während der Schulzeit neue Essgewohnheiten schaffen . Durch die Einführung von Schulprogrammen übernimmt die Bundesregierung demnach auch eine kleine Mitver- antwortung für eine ausgewogene Ernährung sowie die dazugehörende Ernährungsbildung von Schulkindern . Aber warum nur für die Kinder? Oft sind Eltern schuld an der ungesunden Ernährung ihrer Kinder . Sie gilt es ebenso, beispielsweise in Elternversammlungen, zu in- formieren und für dieses so lebenswichtige Thema zu sensibilisieren . Die bereitgestellten EU-Mittel sind sicherlich nicht ausreichend, um das Gesamtproblem von Übergewicht und Fettleibigkeit in den Griff zu bekommen . Program- me wie die Verteilung von Obst, Gemüse und Milch an Schulen bieten sicherlich nur einen Anstoß . Wenn sich die Bundesländer sowie die Bundesregierung noch in- tensiver um das Thema Schulverpflegung bemühen wür- den, würde ich mich noch mehr freuen . Wir sollten aber nichts unangestrengt lassen, unseren eigenen Kindern einen vernünftigen gesetzlichen Rahmen zu bieten, der es ihnen allen ermöglicht, einen gesunden Lebensstil zu führen . Karin Binder (DIE LINKE): Mit dem Schulpro- gramm der EU sollen Grundschulkinder kostenfrei in Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 196 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 20 . Oktober 201619586 (A) (C) (B) (D) den Genuss von Obst, Gemüse und Milch kommen . Dies war bisher in getrennten Programmen geregelt, die mit dem vorliegenden Gesetzentwurf nun zusammengeführt werden . Es ist zu begrüßen, dass im Rahmen dieses Programms die kostenfreie Abgabe von Obst, Gemüse und Milch an Schulkinder ermöglicht wird . Die Kinder nehmen dieses frische und kostenfreie Angebot gerne an . Wir unterstüt- zen ausdrücklich, dass viele Kinder dadurch eine gesün- dere Ernährungsweise kennenlernen, und wir fördern damit eine gesunde Entwicklung der Kinder . Entgegen häufigen Behauptungen belegen Untersu- chungen, dass die Kinder gerne zugreifen und sich über die Äpfel, Karotten oder Radieschen freuen . Sie fragen nicht danach, wer das jetzt zahlt . Die beitragsfreie Ab- gabe dieser Lebensmittel an Kinder führt auf keinen Fall zu geringerer Wertschätzung oder gar zu Lebensmittel- verschwendung – im Gegenteil lernen sie gerade durch dieses Angebot diese Lebensmittel zu schätzen . Leider jedoch ist dieses Programm viel zu eng ange- legt, und grundlegende Fragen werden nur unzureichend geklärt . Erstens: Die EU-Mittel reichen nur für einen Teil der Grundschulkinder aus . Kindergärten oder Sekundar- schulen werden gar nicht einbezogen . Und da der Bund nicht bereit ist, die Mittel aufzustocken, wird es viele Schulen geben, die gar nichts abbekommen . Andere am Programm teilnehmende Schulen werden dieses Obst- oder Milchangebot nicht täglich, sondern nur ein- oder zweimal in der Woche machen können . Ein großer Teil der Kinder und die Jugendlichen geht also leer aus . Hier wäre der Bund gefordert, im Hinblick auf die Für- und Vorsorgepflicht des Staates die Mittel aufzustocken, um ein flächendeckendes Angebot an allen Schulen und Kitas zu ermöglichen . Zweitens: Obst, Gemüse und Milch spielen eine wich- tige Rolle für eine ausgewogene Ernährung . Es geht dabei um die ursprünglichen Erzeugnisse, die frischen Rohprodukte wie Äpfel, Frischmilch oder Naturjoghurt . Wir dürfen nicht zulassen, dass mit dem EU-Schulpro- gramm Süßigkeiten verteilt werden . Stark zuckerhaltige Jogurt- oder Milchgetränke, zusätzlich gesüßte Obstzu- bereitungen verfälschen das Geschmacksempfinden und verführen Kinder zu einem hohen Zuckerkonsum . Wenn 100 Gramm Joghurt 20 Gramm Zucker zuge- setzt werden, fördert das weniger die heimische Land- wirtschaft als viel mehr Diabetes und andere ernäh- rungsbedingte Krankheiten . Das hat nichts mit gesunder Ernährung zu tun . Und drittens bleibt auch dieses EU-Schulprogramm für Obst, Gemüse und Milch mit einem hohen bürokra- tischen Aufwand für die Schulen und Länder verbunden . Das wird nach wie vor viele Schulen davon abhalten, sich daran zu beteiligen . Darauf wies auch die Kollegin Katharina Landgraf von der CDU in unserer gestrigen Ausschussberatung hin . Dazu kommt, dass ein Pro- gramm, das dem Lehrer verbietet, ebenfalls in den ange- botenen Apfel zu beißen, den Bildungsauftrag nicht ver- standen hat . Die Vorbildfunktion von Lehrkräften gerade beim Essen in der Schule ist ein wesentlicher Bestandteil des Erziehungsauftrags, der damit verbunden ist . Es reicht also nicht aus, diese EU-Vorlage eins zu eins zu übernehmen . Wenn Bundesernährungsminister Christian Schmidt sich ernsthaft für eine ausgewogene Ernährung von Kindern und Jugendlichen stark machen will, muss er mehr tun: erstens die Mittel aufstocken, da- mit alle Kinder kostenfrei teilnehmen können, zweitens stark verarbeitete Produkte mit hohem Zuckeranteil vom Programm ausschließen, drittens die Bürokratie verein- fachen . Mit diesen drei Zutaten würden Obst, Gemüse und Milch nicht nur den Kindern, sondern auch den Lehre- rinnen und Erziehern, den Eltern und uns Linken schme- cken . Deshalb können wir uns beim Beschluss dieser Vorla- ge nur enthalten . Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Bei allem Streit um Fragen von gesunder Ernährung ist eines unumstritten: Reichlich Obst und Gemüse gehören zu einer ausgewogenen Ernährung in jedem Fall dazu . Wir haben das EU-Schulobstprogramm deshalb immer unter- stützt und freuen uns, dass neben den ganzen Milliarden, die europaweit an Agrarsubventionen ausgeschüttet wer- den, auch Geld für die direkte Förderung gesunder Er- nährung der europäischen Kinder ausgegeben wird . Das Programm trägt dazu bei, dass Kinder einen gesunden Lebensstil erlernen können; denn es verbindet sinnvoll die Ausgabe von leckerem Obst und Gemüse mit päda- gogischen Begleitmaßnahmen . Bei diesem Programm ist auch klar geregelt, dass den Kindern keine Produkte angeboten werden dürfen, die zugesetzten Zucker enthal- ten . Das ist sehr sinnvoll, denn die meisten Kinder essen ohnehin mehr Zucker als ihnen guttut . Leider verhält es sich beim EU-Schulmilchprogramm, an dem aktuell 3 Millionen Kinder in Deutschland teil- nehmen, anders . Aktuell trinken 90 Prozent der Schul- kinder ausschließlich Kakao und Milchmischgetränke und nehmen so mit der Schulmilch unnötigen Zucker zu sich . Einem Becher Schulmilchkakao sind im Schnitt 9 Gramm Zucker zugesetzt . Im Laufe von 40 Schulwo- chen nimmt ein Kind über das Schulmilchprogramm fast 2 Kilogramm Zucker zu sich . Das muss nicht sein . Absurd wird es nach Meinung von Ernährungsexper- ten, wenn man dann noch in der Gesetzesbegründung der Bundesregierung zum nationalen Umsetzungsgesetz lesen muss, dass beide Programme als Maßnahmen im Kampf gegen Adipositas und Fehlernährung gesehen werden . Statt eine ausgewogene Ernährung anzuregen und Übergewicht vorzubeugen, werden weiterhin Pro- dukte gefördert, die das Gegenteil bewirken können . Auch nach den Getränkeempfehlungen für Schulkinder der Deutschen Gesellschaft für Ernährung sind Kakao und Milchmixgetränke in Schulen nicht vorgesehen . Wenn die Bundesländer ab August 2017 die neue EU-Förderung bei der Schulmilch in Höhe von 100 Pro- zent in Anspruch nehmen wollen, ist der Zusatz von Zucker, Frucht und Kakao verboten . Man kann aber Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 196 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 20 . Oktober 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 196 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 20 . Oktober 2016 19587 (A) (C) (B) (D) auch die alte Regelung weiterführen mit der geringeren EU-Förderung und einer dann notwendigen Kofinanzie- rung der Bundesländer . Dann sind Süßungen etc . erlaubt . Man wird beobachten müssen, wofür sich die Bundeslän- der entscheiden . Den Anreiz, pure Milch und pure Milch- produkte anzubieten, hat die EU gesetzt . In der Vergangenheit gab es immer wieder einmal Be- richte darüber, dass das Vorhaben an Schulen, die ver- sucht habe, nur noch die pure Milch anzubieten, geschei- tert ist . Die Milch wurde dort nicht mehr abgenommen, und das Vorhaben, gesündere Produkte zu verteilen, wur- de wieder eingestellt . Allerdings muss man sich bei die- sem Punkt fragen, ob hier wirklich Maßnahmen geprüft und ergriffen wurden, um Schülerinnen und Schüler auch für weniger süße Milchprodukte zu begeistern . Hier hat das Forschungsinstitut für Kinderernährung in Dortmund bereits Untersuchungen durchgeführt, wie gesundheits- fördernde Produkte aussehen und schmecken müssen, damit sie von Kindern und Jugendlichen angenommen werden . Auch das neu zu gründende Institut für Kinder- ernährung beim MRI sollte solche Fragestellungen be- rücksichtigen . Mit der oben bezeichneten Neuregelung der EU-Schul- programme fällt bei der Wahl einer Variante auch die Ko- finanzierung der Bundesländer weg. Auf der einen Seite ist zu hoffen, dass die Abschaffung der Kofinanzierung durch die Bundesländer dazu führen wird, dass nun noch mehr Bundesländer das Programm nutzen werden . Diese wird auf der anderen Seite dazu führen, dass eine höhere Beteiligung zu weniger Geld für die einzelnen Mitglied- staaten führt, weil die EU insgesamt nicht mehr Geld zu Verfügung stellt . Auch die Bundesländer, die bereits in den letzten Jahren an dem Programm teilgenommen ha- ben, werden dann weniger Geld bekommen als in den Jahren zuvor . Das könnte also dazu führen, dass in die- sen Bundesländern dann weniger Kinder von den Pro- grammen profitieren oder dass die Anzahl der Ausgabe- tage von Obst und Milch reduziert wird . Das sollte nicht passieren . Diese möglichen Auswirkungen werden wir in den nächsten Jahren beobachten, und wir werden gege- benenfalls dagegensteuern müssen . Ich werde nicht müde werden, zu betonen, dass das EU-Programm nur ein Baustein von vielen ist im Kampf gegen die Fehlernährung bei Kindern und Jugendlichen und in dem Bemühen, Kinder gesund aufwachsen zu lassen . Ein Apfel und ein Tetrapäckchen Milch reichen da nicht aus . Notwendig ist ein vollwertiges, köstliches Mittagessen . Der Ausbau einer gesunden Gemeinschafts- verpflegung, um Fehlernährung zu stoppen, Esskultur zu lehren und soziale Ungleichheiten aufzufangen, ist eine ganz wesentliche Aufgabe, der wir uns alle in den nächs- ten Jahren stellen müssen . Kinder und Jugendliche, die den ganzen Tag in der Kita und in der Schule verbringen, brauchen qualitativ hochwertiges und attraktives Schul- essen . Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2012/18/EU zur Beherrschung der Gefahren schwerer Unfälle mit gefährlichen Stof- fen, zur Änderung und anschließenden Aufhebung der Richtlinie 96/82/EG des Rates (Tagesordnungs- punkt 20) Karsten Möring (CDU/CSU): Mit der sogenannten Seveso-III-Richtlinie wird das europäische Störfallrecht an ein neues, weltweit harmonisiertes System zur Ein- stufung von Chemikalien angepasst . Zudem wurde die behördliche Überwachung von Störfallbetrieben verbes- sert, die Beteiligung der Öffentlichkeit gestärkt und ein Gerichtszugang geschaffen . Die Seveso-III-Richtlinie der EU regelt Sicherheitsanforderungen für Betriebe, in denen gefährliche Stoffe vorhanden sind . Schwerpunk- te der Novelle bilden die Umsetzung der Vorgaben der EU-Verordnung zur Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Chemikalien und die Beteiligung der Öffentlichkeit in Verfahren zur Genehmigung von Stör- fallbetrieben, einschließlich der Möglichkeit zur gericht- lichen Anfechtung . Bestehende Seveso-Anlagen befinden sich ja häufig nicht auf der grünen Wiese oder in reinen Industriegebie- ten, sondern in gewachsenen Gebieten . In den Vorstel- lungen des Umweltressorts gab es für die Genehmigung von Betriebserweiterungen in Gemengelagen zunächst keine klaren Kriterien . Unklar blieb, ob und unter wel- chen Voraussetzungen eine Genehmigung für Ausbauten und Erweiterungen von Seveso-Betrieben in Gemengela- gen erteilt werden kann, wenn der angemessene Abstand zu Schutzobjekten wie Wohn- oder Gewerbegebieten oder Infrastruktureinrichtungen unterschritten wird . Be- fürchtet wurde ein Erweiterungsstopp, von dem sämt- liche Betriebe betroffen gewesen wären, die unter die Seveso-III-Richtlinie fallen und in deren näherer Um- gebung sich andere schutzwürdige Nutzungen befinden. Das betraf eine sehr hohe Zahl von Betrieben, die sich in historisch gewachsenen Gemengelagen befinden. In das Zentrum der Aufmerksamkeit rückte die The- matik insbesondere durch Entscheidungen des Europäi- schen Gerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts in der Rechtssache „Mücksch“ . Dabei geht es um einen Streit um eine Baugenehmigung für ein Gartencenter in der Nachbarschaft zu einem Störfallbetrieb im Jahr 2011/2012 . In diesen Entscheidungen wurde ausgeführt, dass dem Abstandsgebot in erster Linie auf der Ebene der Planung Rechnung zu tragen ist . Ist die Planung diesem Gebot jedoch nicht nachgekommen, muss das Abstands- gebot auf der nachgelagerten Ebene der Einzelgeneh- migung eines konkreten Bau- oder Industrievorhabens abgearbeitet werden . Zu der Frage, wie das umzusetzen ist, legen die Entscheidungen des EuGH und des Bun- desverwaltungsgerichts Maßstäbe fest . Die konkrete Ausgestaltung des Abstandsgebotes entscheidet letztlich darüber, wem bei Flächennutzungskonflikten ein Nut- zungsvorrang gebührt . Diese Maßstäbe des EuGH und Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 196 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 20 . Oktober 201619588 (A) (C) (B) (D) des Bundesverwaltungsgerichts sollten anlässlich der Se- veso-III-Umsetzung aus Klarstellungsgründen in recht- liche Regelungen im Bundes-Immissionsschutzgesetz überführt werden . Das Thema Bürokratieabbau hat uns in diesem Zu- sammenhang sehr beschäftigt: Die Richtlinie schreibt umfangreiche Beteiligungsrechte der Öffentlichkeit vor, bis hin zu Klagerechten . Um diesen Anforderungen ge- recht zu werden, führt der Gesetzentwurf im § 23a ein Anzeigeverfahren ein . Wir wollten aber auf jeden Fall verhindern, dass der konkrete Zuschnitt dieses Ver- fahrens unnötige bürokratische Zusatzbelastungen mit sich bringt . Wie Ihnen bekannt ist, gab es sowohl in der Wirtschaft als auch bei den Länderwirtschaftsministern deutliche Vorbehalte gegen einige Vorschläge aus dem Umweltministerium . Man befürchtete einen Ausbau- und Erweiterungsstopp für Industriestandorte in Gemengela- gen . Um diesen Anliegen Rechnung zu tragen, hatten wir einige Verbesserungsvorschläge . Das heute nach einem konstruktiven Abstimmungs- prozess vorgelegte Ergebnis kann sich wirklich sehen lassen . Lassen Sie mich die entscheidenden Stichworte in diesem Zusammenhang in der gebotenen Kürze an- sprechen . Zum Bestandsschutz . Wir haben uns darauf verstän- digt, und das ist ein schöner Erfolg, dass § 50 des Bun- des-Immissionsschutzgesetzes, der das Abstandsgebot für die Planung regelt, unverändert gilt . Der baurechtli- che Bereich wird also wie bisher im Bauplanungsrecht geregelt . Die Regelung durch ein neues störfallrecht- liches Genehmigungsverfahren hätte vor allem für die Betriebe in Gemengelagen bedeutet, dass eine Erwei- terung oder Änderung des Betriebsbereiches unter Um- ständen nicht mehr möglich gewesen wäre . In unserem Änderungsantrag schreiben wir jetzt fest, dass ein neu- es störfallrechtliches Genehmigungsverfahren nur dann notwendig ist, wenn der angemessene Sicherheitsabstand erstmalig unterschritten wird, der bereits unterschrittene Sicherheitsabstand räumlich noch weiter unterschritten wird oder eine erhebliche Gefahrenerhöhung ausgelöst wird . Diese Grundlage für die neue Anwendungspraxis ist von großer Bedeutung, um bis zum Erlass der TA Ab- stand Planungs- und Rechtssicherheit für die Gemenge- lagen zu schaffen . Mit der gefundenen Regelung ist de facto Bestandsschutz erreicht . Zum Sicherheitsabstand ist festzuhalten, dass der an- gemessene Abstand mit Rücksicht auf die Besonderheit der einzelnen Sachverhalte in einer eigenen Verwaltungs- verordnung geregelt werden soll . Damit soll eine hand- habbare Grundlage zur Abwägung des Gefährdungspo- tenzials und des Risikos aufseiten des Betriebs einerseits und mögliche Schädigungen im Einwirkungsbereich außerhalb des Betriebsgeländes andererseits miteinander abgewogen werden können . Mit dem neuen § 23a, mit dem wir über die EU-Rege- lungen national hinausgehen, schreiben wir bei bestimm- ten Veränderungen ein Anzeigeverfahren vor . Es leuchtet ein, dass die Betriebe bei der ihnen obliegenden Gefähr- dungsbeurteilung zwar die betriebliche Seite genau ken- nen, aber die Situation außerhalb ihres Betriebsgeländes nicht unbedingt beurteilen können . Um zu verhindern, dass hier eine Art vollständiges Genehmigungsverfah- ren durch die Hintertür eingeführt wird, fordern wir in unserem Entschließungsantrag die Regierung auf, im Rahmen einer Verwaltungsvorschrift „die Bereitstellung von Informationen und der Bürokratieaufwand für den Vorhabenträger auf das unbedingt erforderliche Maß“ zu begrenzen . Eine optimale Lösung wurde auch für die öffentliche Beteiligung gefunden, gewährleistet sie doch die Si- cherheit der Anwohner und die Sicherung des Betriebs- standortes oder seiner Entwicklungsmöglichkeiten . Die Öffentlichkeitsbeteiligung wird durch eine Änderung des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung sicher- gestellt . Bestehende materielle Genehmigungsanforde- rungen werden dadurch aber nicht verändert . Ich komme zum Schluss . Die heutige Einigung ist der Abschluss eines schwierigen Prozesses, da es nicht nur um die Öffentlichkeitsbeteiligung und die Umsetzung von Änderungen im Chemikalienrecht auf europäischer Ebene gegangen ist, sondern auch um die Frage, wie mit Abstandsregeln umgegangen werden soll . Es sind his- torisch entstandene Standorte und deren Entwicklungs- möglichkeiten ebenso zu berücksichtigen gewesen wie das berechtigte Schutzinteresse von Anwohnern . Mit un- serem Änderungsantrag und dem Entschließungsantrag werden diese Klarstellungen erreicht . Ich kann also für die CDU/CSU-Fraktion abschlie- ßend feststellen, dass sowohl dem wichtigen Schutz der Bevölkerung und der Umwelt vor schweren Unfällen als auch den berechtigten Anliegen der Wirtschaft durch das Gesetz in der nun vorliegenden Fassung gut Rechnung getragen werden . In diesem Sinne danke ich allen Be- teiligten, den Mitarbeitern der betroffenen Ressorts so- wie meiner geschätzten SPD-Berichterstatterkollegin im Ausschuss, Ulli Nissen, für die konstruktive und vertrau- ensvolle Zusammenarbeit . Ich lade alle Kolleginnen und Kollegen der Grünen und der Linken herzlich dazu ein, sich einen Ruck zu geben und sich dieser guten Lösung ebenfalls durch ihr Votum anzuschließen . Ralph Lenkert (DIE LINKE): Große Havarien und katastrophale Unfälle wird man trotz aller Achtsamkeit und aller Sicherheitsvorschriften niemals ausschließen können . Die Linke begrüßt daher das Engagement der Europäischen Union, die Vorsorge des Krisenmanage- ments für Unfälle mit gefährlichen Stoffen unionsweit einheitlich und ambitioniert zu gestalten . In Deutschland besteht ein Spannungsfeld zwischen dem Schutz der Bevölkerung und der Standorterhaltung bestimmter Industrieparks . Durch die konsequente Um- setzung der Seveso-III-Richtlinie und die Erwägungen, die ihr vorangehen, kommt es zu Interessenkonflikten zwischen dem Schutzbedürfnis der Bevölkerung und dem Investitions- und Profitinteresse der Industrie. An den heutigen Konflikten tragen jedoch neben der Indus- trie auch Regionalverwaltungen und Länder einen gro- ßen Anteil der Mitschuld . Vielerorts ist zu beobachten, dass einstmals außerhalb von Ortschaften errichtete Industrieparks schleichend, Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 196 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 20 . Oktober 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 196 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 20 . Oktober 2016 19589 (A) (C) (B) (D) über Jahrzehnte erfolgend, heute von Wohnbebauung umgeben sind. Diese Konflikte zwischen Bedürfnissen der Industrie und Schutzbedürfnissen der Anwohner hät- te man sich ersparen können, wenn man von vornherein ein ausreichend straffes Regelwerk im Rahmen des Bun- des-Immissionsschutzgesetzes gehabt hätte und nicht erst auf entsprechende Vorgaben der EU gewartet hätte, man also Städtebauplanung mit etwas mehr Nachhaltig- keit und Weitsicht betrieben hätte . Nun wird die Bundes- regierung per Verordnung festlegen müssen, inwieweit heutige Abstandskonflikte zu neuen Genehmigungsver- fahren führen oder eben auch nicht . Die Linke warnt davor, die Interessen des Investiti- onsschutzes über das Sicherheitsbedürfnis der Bevöl- kerung zu stellen und sei es nur in Einzelfällen . Im Ka- tastrophenfall wäre eine zu lapidare Interpretation des Gesetzes fatal . Die Seveso-III-Richtlinie gibt den Mit- gliedstaaten vor, dass bei Verstößen gegen die Berichts- pflichten durch die Betreiber oder gar bei Betrieb trotz fehlender Genehmigung oder anderweitigen Verstößen gegen das Gesetzeswerk „Sanktionen wirksam, verhält- nismäßig und abschreckend sein müssen“ . Was fordert die Koalition in diesem Gesetzentwurf? Dass die Behörde die „Stilllegung der Anlage anordnen kann“ und die Beseitigung solcher, damit eigentlich ille- gal betriebener Anlagen nur anordnen „soll“, wenn „die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft zum Beispiel vor Chlorgas nicht ausreichend geschützt werden kann“ . Es geht um Gesundheit und Leben . Hier hätte sich die Lin- ke darum Konkretheit gewünscht, die den Behörden die strikte Anwendung des Gesetzes auch rechtssicher er- möglicht . Durch derartige Soll- und Kannphrasen baut die Koalition Hintertürchen in das Gesetz, die zu Miss- brauch führen können . Positiv ist jede Verbesserung der Öffentlichkeitsbetei- ligung und vor allem die Zulassung des Verbandsklage- rechts im Genehmigungsverfahren, wenn Betriebe ihre Anlagen erweitern oder neue bauen wollen . Leider – das ist symptomatisch für das deutsche Öffentlichkeitsbetei- ligungsrecht – werden die Sorgen und Nöte direkt Be- troffener erneut nicht rechtsverbindlich in den Genehmi- gungsverfahren berücksichtigt . Zwar dürfen Betroffene Stellungnahmen an die Behörden übermitteln . Inwieweit die Behörde diese Stellungnahmen aber berücksichtigt, bleibt ihr überlassen . Die Linke fordert deshalb bereits seit Jahren, das Recht der Öffentlichkeitsbeteiligung zu reformieren und der Öffentlichkeit verbindlich mehr Kompetenz zu übertragen . Wohin es führt, wenn man an der Öffentlichkeit vorbei agiert, können wir in Gorleben sehen, wo in einem Salzstock zwar kein Atommüll, dafür aber Milliarden Euro versenkt wurden . Die gesamte Katastrophenvorsorge versagt, wenn das Potenzial einer Katastrophe im Ereignisfall nicht bekannt ist . Die Vorsorge der Seveso-Richtlinien reicht richtiger- weise soweit, dass nicht nur Betriebe, die mit gefährli- chen Stoffen hantieren, reglementiert werden, sondern auch Betriebe mit Stoffen, die erst im Havariefall ge- fährlich werden . Damit geht die Richtlinie dem Risiko- management des europäischen Chemikalienrechts weit voraus, was ich sehr begrüße, und mir für eine Novelle der Chemikalienrichtlinie auch wünsche . Bisher kommt nämlich bei der Risikobewertung nach REACH-Chemi- kalienverordnung nur die Gefährlichkeit des Stoffes an sich zum Tragen . Die Gefährlichkeit seiner Reaktions- produkte wird nicht untersucht . Ein Beispiel, wo dies relevant werden kann, ist der Umgang mit dem neuen Kältemittel R1234yf in Pkw-Klimaanlagen . Im Brandfall entwickelt sich daraus unter anderem Carbonyldifluorid, ein dem Kampfgas Carbonyldichlorid, als Phosgen be- kannt, ähnlicher Stoff . Die Risikobewertung ist – abgesehen davon, dass sie für das Kältemittel noch gar nicht vorliegt – immer un- vollständig . Die Risikobewertung erfolgt nicht auf Ba- sis unabhängiger Forschungsergebnisse . Die Bewertung wird zu großen Teilen ausgerechnet von der Industrie er- bracht, die die Stoffe einsetzen will . Die Wirkung der Se- veso-III-Richtlinie wird also von einem unzureichenden Chemikalienrecht untergraben . Deshalb, zum Schutz vor den Auswirkungen von Katastrophen mit gefährlichen Chemikalien, fordert die Linke daher eine grundlegende Qualifizierung des europäischen Chemikalienrechts. Trotzdem lässt sich zusammenfassend sagen, dass mit der Seveso-III-Richtlinie von der EU ein richtiger Schritt gemacht wird . Aber dieser ist, auch wegen der Bundesre- gierung, leider unvollständig . Peter Meiwald (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der vorliegende Gesetzentwurf versucht, dem Spannungs- feld zwischen dem berechtigten Sicherheitsbedürfnis der Bürgerinnen und Bürger und dem Interesse der Industrie hinsichtlich des Bestandsschutzes Rechnung zu tragen . Die immer wiederkehrenden Unfälle in Industriean- lagen, wie zuletzt eine Verpuffung und eine Explosion an den Chemiestandorten Lampertheim und Ludwigsha- fen, zeigen, wie wichtig der Schutz der dort Arbeitenden und in der unmittelbaren Nachbarschaft zu einer solchen Anlage Wohnenden ist . Unsere Gedanken sind bei den Angehörigen der drei tödlich am Standort Ludwigsha- fen Verunglückten, denen ich mein Beileid ausspreche . Das Chemieunternehmen an diesen Standorten hat dieses Jahr bereits 15 Störfälle mittels Pressemitteilung öffent- lich gemacht, 6 davon waren sogar meldepflichtige Er- eignisse, Hinzu kommt, dass von den Kommunen etwa Wohn- gebiete in der Nähe bestehender Chemie- oder anderer Industriestandorte ausgewiesen werden, dass also die Wohnbebauung zum Teil langjährig bestehende Anla- gen heranrückt . Infolgedessen kann es dann zu Interes- senkonflikten kommen, die Auswirkungen auf den Be- stand oder die Entwicklung der Industrieanlagen haben können . Die Notlage mancher Kommunen hinsichtlich des Neubaus von Wohnungen ist immens und macht dieses Vorgehen nachvollziehbar . Diese müssen selbst komplexe Abwägungsentscheidungen zwischen Lösung des Wohnungsproblems und der Auswirkung auf Indus- triestandorte und den damit verbundenen Arbeitsplätzen treffen, idealerweise im Rahmen einer im Vorfeld initiier- ten Öffentlichkeitsbeteiligung mit allen Betroffenen . Auch neue Nutzungen in der Nachbarschaft oder Nut- zungsänderungen können Folgen für bestehende Indus- trieanlagen haben, wie etwa ein Fall im südhessischen Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 196 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 20 . Oktober 201619590 (A) (C) (B) (D) Darmstadt zeigt . Hier wollte eine Eigentümerin eines Baugrundstückes in einem Gewerbegebiet ein Garten- center für den Einzelhandelsverkauf von Gartenbedarf errichten, direkt neben der Anlage eines großen Chemie- unternehmens . Dies führte zu einer langjährigen juristi- schen Auseinandersetzung und schlussendlich zum soge- nannten Mücksch-Urteil des Europäischen Gerichthofes vom 15 . September 2011, mit der Folge, dass über viele Jahre Planungsunsicherheit herrschte . Hier kann das neue Gesetz endlich einen Beitrag zur Rechtsklarheit leisten . Keine Lösung bietet es dagegen bezüglich potenziel- ler Gefahren infolge von Bohrungen zur Aufsuchung fos- siler Energieträger, wie etwa Gas- oder Erdölbohrungen, oder gar durch Fracking . So explodierte 2014 die Bohr- anlage in Geeste, und 2015 gab es einen unerwarteten Sauergasaustritt an einer Bohrung bei Siedenburg – um nur die Vorfälle in der näheren Vergangenheit zu nennen . Angesichts dieser Gefahren ist es nicht nachvollzieh- bar, dass mit dem vorliegenden Gesetzentwurf bewusst die bestehenden Ausnahmen für Bergbauvorhaben nicht beseitigt werden, wie sie etwa hinsichtlich Immissions- schutz und Umweltverträglichkeitsprüfung bestehen . Denn das Gesetz nimmt störfallrelevante Anlagen, die nach Berggesetz betriebsplanpflichtig sind, von eben die- sen Pflichten aus. Die Bundesregierung hat zuletzt mit der vergangenen Novelle des Wasserhaushaltsgesetzes Fracking in Tight-Gas-Reservoirs ermöglicht und ver- sagt auch hier wieder beim Schutz der Umwelt vor den Gefahren, die von Fracking ausgehen . Diese Ausnahmen sollten aber gerade angesichts der Gefahren des Hydraulic Fracturing – Fracking – ersatzlos entfallen . Im Gegensatz zum Vorschlag der Bundesregie- rung, Anlagen, die nach den Vorschriften des Bundes- berggesetzes betriebsplanpflichtig sind, von den §§ 23a und 23b Bundes-Immissionsschutzgesetzes für störfall- relevante Anlagen auszunehmen, wäre eine Streichung des § 23c des Bundes-Immissionsschutzgesetzes aus un- serer Sicht die notwendige und angemessene Lösung ge- wesen . Stattdessen verheddert sich die Bundesregierung im Bergrecht und führt dort einen neuen § 57d ein . Kon- kret: Die fossile Fracking-Industrie bekommt mal wieder ihre Extrawurst . Aber im Bergrecht existieren keine spezifischen berg- rechtliche Regelungen für die Verhinderung schwerer Unfälle und ihrer Folgen . Auch wäre es an dieser Stelle sinnvoll gewesen, eine Konkretisierung und Klarstel- lung für die Voraussetzungen einer Genehmigung von betriebs planpflichtigen Bergbauvorhaben zu betreiben. Die Seveso-III-Richtlinie sollte unserer Auffassung nach also uneingeschränkt auch auf bergbauliche Vorhaben und in Verbindung stehende Anlagen angewendet wer- den . Dies leistet das heute hier zu beschließende Gesetz leider nicht . Schade! Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl . Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: In diesem Jahr jährt sich zum 40 . Mal der Chemieunfall von Seveso . In der Nähe der norditalienischen Gemeinde traten seinerzeit aus einer Chemiefabrik giftige Dioxingase aus und verbreiteten sich über ein dichtbesiedeltes Gebiet . Obwohl die Werks- leitung schon am ersten Tag nach dem Unfall um das Geschehene wusste, machte sie dies erst acht Tage spä- ter offiziell bekannt. Auch die Behörden reagierten nur zögerlich: Ganze zwei Wochen gingen ins Land, bis das Unglücksgebiet abgeriegelt wurde und rund 700 Famili- en die Region verlassen mussten . Der Unfall verursach- te bei etwa 200 Menschen, darunter bei vielen Kindern, schwere, teils langwierige Gesundheitsschäden . Auch Jahre später war in der Region Langzeitstudien zufolge die Zahl von Tumor- und Diabeteserkrankungen über- durchschnittlich hoch . Aus dem Seveso-Unglück sind viele Lehren zum in- dustriellen Umgang mit gefährlichen Stoffen gezogen worden . Diese haben auf europäischer Ebene Eingang in einen Gesetzgebungsprozess gefunden, der eng mit dem Namen des Unglücksortes verbunden ist . 1982 trat die sogenannte Seveso-Richtlinie über die Gefahren schwe- rer Unfälle bei bestimmten Industrietätigkeiten in Kraft . Heute bildet die Seveso-III-Richtlinie, genauer: der Ge- setzentwurf zu ihrer Umsetzung im Bundesrecht, den Gegenstand der Beratungen des Deutschen Bundestages . Das Ziel der Seveso-Richtlinien hat sich im Laufe der Zeit nicht verändert: Schwere Unfälle in Industriebetrie- ben sollen weitestmöglich vermieden und in ihren Aus- wirkungen begrenzt werden . Die Seveso-III-Richtlinie passt dazu ihren Geltungsbereich an neue EU-Vorgaben zur Einstufung sowie Kennzeichnung von Chemikalien an . Sie gibt eine strengere behördliche Überwachung vor und gebietet eine stärkere Beteiligung der Öffentlichkeit insbesondere an Verfahren zur Genehmigung von Stör- fallbetrieben . Wie der aktuelle Störfall in Ludwigshafen mit dem beklagenswerten Verlust von Menschenleben, den Schwerverletzten und den großen Sachschäden zeigt, muss und wird die Anlagensicherheit auch weiterhin ein Thema von hoher Bedeutung bleiben . Es mag wie eine Binsenweisheit klingen, die aktuellen Geschehnisse ma- chen es uns aber in schmerzlicher Weise erneut bewusst: Auch der hohe Stand der Sicherheitstechnik, den wir in- zwischen erreicht haben, kann schwere Unfälle niemals gänzlich ausschließen . Der Ihnen heute vorliegende Gesetzentwurf setzt als Bestandteil eines Gesamtkonzepts die europarechtlichen Vorgaben der Seveso-III-Richtlinie zur Öffentlichkeits- beteiligung eins zu eins in das deutsche Recht um . Eine Beteiligung der Öffentlichkeit ist danach erforderlich, wenn ein Vorhaben die Gefahr eines schweren Störfalls erheblich erhöht und sich im Umfeld des Vorhabens ge- schützte Objekte wie etwa Wohngebiete, Kindergärten oder Krankenhäuser befinden, die im Störfall zu Scha- den kommen können . Zur Schließung von Umsetzungs- lücken wird neben der Anpassung schon bestehender immissionsschutzrechtlicher Verfahren ein „kleines stör- fallrechtliches Anzeige- und Genehmigungsverfahren“ eingeführt . Es gewährleistet die europarechtlich erfor- derliche Öffentlichkeitsbeteiligung auch bei Vorhaben, die derzeit genehmigungsfrei gestellt sind . An bestehenden materiellen Genehmigungsstandards ändert der Gesetzentwurf nichts . Insbesondere führt er nicht – wie von einigen befürchtet – zu Verschärfungen beim europarechtlichen Abstandsgebot . Das Gebot zur Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 196 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 20 . Oktober 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 196 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 20 . Oktober 2016 19591 (A) (C) (B) (D) Wahrung angemessener Sicherheitsabstände zwischen Störfallbetrieben und geschützten Objekten wird nicht in eine immissionsschutzrechtliche Betreiberpflicht um- gewandelt . Ebenso wenig wird Behörden erlaubt, durch nachträgliche Anordnungen zulasten der Betreiber in historisch gewachsene Gemengelagen einzugreifen . Än- derungen bestehender Störfallanlagen bleiben auch in Gemengelagen nach wie vor möglich . Erhöhen sie indes die Gefahr eines Störfalls erheblich, muss dies wie bisher auch durch risikominimierende Maßnahmen kompen- siert werden . Der vorliegende Entwurf bringt einen tragfähigen Kompromiss zwischen den Interessen der Betreiber von Störfallanlagen und denen der Nachbarschaft so- wie der Allgemeinheit zum Ausdruck . Bei der Kom- promissfindung hat es sich die Bundesregierung nicht leicht gemacht: Die ersten Entwürfe zur Umsetzung der Richtlinie waren Gegenstand intensiver Diskussionen: zwischen den Ressorts, mit den Ländern und auch mit den Verbänden . Angesichts des inzwischen eingeleite- ten Vertragsverletzungsverfahrens gegen Deutschland wegen Spätumsetzung der Seveso-III-Richtlinie ist nun- mehr ein zeitnaher Abschluss des Gesetzgebungsverfah- rens erforderlich . Es ist richtig, dass der Gesetzentwurf nicht alle of- fenen Fragen beantwortet . Auch angesichts der techni- schen Komplexität der Materie lässt sich nicht alles in Gesetzestext gießen . Zur weiteren Konkretisierung der auslegungsbedürftigen Rechtsbegriffe wird die Bundes- regierung einen Weg beschreiten, der sich im Immissi- onsschutzrecht schon vielfach bewährt hat . Sie wird mit einer „Technischen Anleitung Sicherheitsabstand“ ein näheres Regelwerk vorgeben, das die Behörden und Be- treiber bei einer rechtssicheren Anwendung der Geneh- migungsvorgaben unterstützen kann . Die ersten Vorar- beiten für dieses Regelwerk haben bereits begonnen . Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Beendigung der Sonderzuständigkeit der Familienkassen des öffentlichen Dienstes im Bereich des Bundes (Ta- gesordnungspunkt 21) Markus Koob (CDU/CSU): Gerne möchte ich zu Beginn die Fakten und Daten in Erinnerung rufen, deren Kenntnis zur fachlich korrekten Erfassung des Themas notwendig ist: Erstens . Wir haben 16 Millionen Kinder in Deutsch- land, die Kindergeld in Höhe von insgesamt 39 Milliar- den Euro beziehen . Zweitens . Wir haben für Beschäftigte der Privatwirt- schaft die Familienkasse der Bundesagentur für Arbeit, die für deren Kindergeldanträge zuständig ist . In diesem Bereich haben wir 14 Familienkassen, die 87 Prozent aller Kindergeldfälle bearbeiten . Mit dem dritten Punkt kommen wir zugleich zum zentralen Regelungsgegen- stand dieses Gesetzes: zu den Familienkassen des öffent- lichen Dienstes, die die Kindergeldanträge von Staatsbe- diensteten bearbeiten . Drittens . Wir haben für Staatsbedienstete etwa 8 000 zuständige Familienkassen des öffentlichen Dienstes, die allerdings nur 13 Prozent aller Kindergeldfälle bearbei- ten . Die Disproportionalität dieses Umstands wird sofort ersichtlich, wenn Sie alle drei Daten zusammenfüh- ren; dann ergibt sich nämlich das folgende Bild: Etwa 0,2 Prozent aller Familienkassen bearbeiten 87 Prozent aller Kindergeldfälle, wohingegen 99,8 Prozent lediglich mit 13 Prozent konfrontiert sind . Das ruft nach Reform und nach Steigerung der Verwaltungseffizienz. Die Be- endigung der Sonderzuständigkeiten wird nicht nur seit Jahren vom Bundesrechnungshof gefordert, sondern auch in den betroffenen Fachkreisen, damit hier eine gleichmäßige Rechtsanwendung und zugleich ein öko- nomischer Verwaltungsablauf gewährleistet sind . Die Zuständigkeit der Familienkassen des öffentlichen Dienstes im Bereich des Bundes wird auf die Bundes- agentur für Arbeit respektive das Bundesverwaltungsamt übergehen. Ich betone: Eine gesetzlich verpflichtende Zu- ständigkeitsübertragung erfolgt lediglich im Bereich des Bundes . Was also, wird sich der geneigte und informierte Zuhörer fragen, passiert mit den Familienkassen des öf- fentlichen Dienstes im Bereich der Länder und Kommu- nen? Für diese haben wir eine Option der Zuständigkeits- übertragung implementiert . Man könnte auch sagen: Wir haben einen Anreiz gesetzt; denn der Bund wird bei einer freiwilligen Zuständigkeitsübertragung durch die Länder und Kommunen die Sach- und Personalkosten überneh- men, ohne eine Gegenleistung zu verlangen . Dieses Ge- setz ist also auch für sie eine administrative Entlastung, wenn sich deren Familienkassen einer Zuständigkeits- übertragung auf freiwilliger Basis anschließen . Es gibt im Übrigen auch einen gewichtigen inhaltlichen Grund, von dieser freiwilligen Option Gebrauch zu machen: Die Familienkassen bei der Bundesagentur für Arbeit stehen für eine herausragende Arbeit sowie für qualitativen, bür- gerfreundlichen Service . Wir lösen mit dem Gesetz auch ein anderes Problem, das der Bundesrechnungshof seit langem moniert und das in der Bevölkerung zu Recht auf wenig Verständnis stößt: die Doppelzahlungen von Kindergeld . In der Ver- gangenheit hat sich diese Zersplitterung in der Famili- enkassenlandschaft als fehleranfällig erwiesen: Es fehlte bislang ein bundesweites, einheitliches Datennetzwerk, in dem Kindergelddaten zentral gespeichert werden . Doppelzahlungen beim Kindergeld konnten daher nicht vermieden werden . Die jetzt zu beschließende Zustän- digkeitszusammenführung enthält daher auch Maßnah- men der Datenkonvergenz, die in der Konsequenz die Gefahr der Doppelzahlungen von Kindergeld erheblich reduzieren . Die Rechtsgemeinschaft muss schließlich darauf vertrauen können, dass Personen, die berechtigt sind, Staatsleistungen in Anspruch zu nehmen, lediglich den ihnen zustehenden Anspruch erhalten und nicht etwa das Doppelte . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 196 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 20 . Oktober 201619592 (A) (C) (B) (D) So ist diese Reform im Ergebnis eine Win-win-Situa- tion für alle: Die Bürgerinnen und Bürger gewinnen als Steuerzahler, die Behörden gewinnen durch effizientere Verwaltungsabläufe, die Anspruchsberechtigten profitie- ren von der qualitativen Beratung und Bearbeitung ihrer Anliegen, und nach eigenem Ermessen können auch die Familienkassen des öffentlichen Dienstes in den Ländern und Kommunen gewinnen . Kein Wunder also, dass ein Gesetz, bei dem alle gewinnen und keiner verliert, auch großen Zuspruch hier im Hause findet. Ich bitte um Ihre Zustimmung . Philipp Graf Lerchenfeld (CDU/CSU): Mit dem Gesetz zur Beendigung der Sonderzuständigkeit der Fa- milienkassen des öffentlichen Dienstes wird eine vom Bundesrechnungshof seit langem angemahnte grundle- gende strukturelle Reform der Zuständigkeiten der Fa- milienkassen des öffentlichen Dienstes eingeleitet . Nach den Feststellungen des Bundesrechnungshofes kam es in diesen Bereichen zu zahlreichen Doppelzahlungen und zu Bearbeitungsfehlern, die sich bereits im Jahr 2009 auf über 9 Millionen Euro beliefen . Nun ist vorgesehen, dass die Kindergeldbearbeitung der Familienkassen des öffentlichen Dienstes im Be- reich des Bundes auf die Bundesagentur für Arbeit oder alternativ auf das Bundesverwaltungsamt übergeht . Für den Bereich von Ländern und Kommunen erhalten die öffentlichen Arbeitgeber ebenfalls die Möglichkeit, die Zuständigkeit und Fallbearbeitung an die Bundesagentur für Arbeit abzugeben . Sollten diese von der Möglichkeit keinen Gebrauch machen, verbleibt es bei der bestehen- den Zuständigkeit der Familienkassen der Länder und Kommunen . Bei den Kassen des Bundes ist ein Zustän- digkeitsübergang bis zum Jahr 2021 vorgesehen . Dabei ist von erheblichen Effizienzsteigerungen aus- zugehen . Der Normenkontrollrat beziffert die möglichen Effizienzgewinne durch die Konzentration auf mindes- tens 8,5 Millionen Euro jährlich . Allerdings wird der gesamte Umstellungsaufwand auf einmalig rund 25 Mil- lionen Euro geschätzt . Angesichts der möglichen Erspar- nisse in den Folgejahren hält sich dieser Aufwand jedoch in einem durchaus vertretbaren Rahmen . Gleichzeitig erfüllen wir mit diesem Gesetz eine Forderung aus unse- rem Koalitionsvertrag, in dem festgehalten wurde, dass wir die Familienkassen des Bundes bei der Bundesagen- tur für Arbeit konzentrieren wollen . Angesichts der zu erwartenden Einsparungen, die, wie oben bereits erwähnt, nach konservativen Schätzungen allein bei den Familienkassen des Bundes wenigstens bei rund 8,5 Millionen Euro jährlich liegen werden, ist dieses Gesetz sinnvoll und vernünftig . Den Ländern wird mit dem Gesetz die Möglichkeit eröffnet, sich an dieser Kon- zentration mit ihren entsprechenden Familienkassen zu beteiligen . Dies erscheint auch deshalb besonders sinn- voll, da noch ein erhebliches Potenzial an Einsparungen durch die Konzentration der anderen Familienkassen der öffentlichen Hand gegeben wäre . Durch die Reform wird zunächst die Anzahl der Familienkassen auf Bundesebe- ne bis zum Jahr 2021 um 100 reduziert . Auf Landes- und Kommunalebene verbleiben dann noch etwa 7 900 Fa- milienkassen . Wenn sich Länder und Kommunen in großem Umfang der Konzentration anschließen, dann ergibt sich ein wei- terer Einsparungserfolg, der nach Schätzungen des Bun- desrechnungshofes bis zu 170 Millionen Euro betragen könnte . Ziel dieser Strukturreform ist es, die Anzahl der Familienkassen der öffentlichen Hand längerfristig dras- tisch zu reduzieren und damit das vorhandene Einspa- rungspotenzial zu heben . Es ist zu hoffen, dass sich die Länder und Kommunen der Reform anschließen werden, zumal ja die Kosten dafür letztlich vom Bund getragen werden . Wichtig in diesem Zusammenhang erscheint mir aber auch, dass vorgesehen ist, eine Evaluierung des Vorha- bens durchzuführen, um festzustellen, inwieweit sich die Verwaltungskosten für die Bearbeitung einzelner fallgruppenspezifischer Kindergeldfälle in den verschie- denen Familienkassen des Bundes, der Länder und der Kommunen, aber auch die mittelfristigen Kosteneinspa- rungen durch die Konzentration der Familienkassen der öffentlichen Hand entwickelt haben . Gleichzeitig beschließen wir heute darüber, dass das Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögens- fragen und das Bundesausgleichsamt ab dem Beginn des kommenden Jahres in den Geschäftsbereich des Bundes- innenministeriums übergehen . Mit dieser Umgliederung und der geplanten Fusionierung dieser Behörden mit dem Bundesverwaltungsamt wird eine weitere Effizienzstei- gerung erreicht werden können . Mit dem vorliegenden Gesetz wird eine Vereinfachung der Verwaltung ermög- licht, die erhebliche Einsparungen für die öffentliche Hand vorsieht und dabei hilft, Doppelzahlungen und Be- arbeitungsfehler in größerem Umfang zu vermeiden . Ich bitte daher, diesem vernünftigen strukturellen Reform- vorhaben zuzustimmen . Frank Junge (SPD): Das Gesetz zur Beendigung der Sonderzuständigkeit der Familienkassen des öffent- lichen Dienstes, das wir heute in abschließender Lesung behandeln, reiht sich nahtlos ein in das Arbeitsprogramm „Bessere Rechtssetzung“, welches das Bundeskabinett im Juni 2014 beschlossen hat . Ziel dieser Maßgaben ist, den Prozess hin zu einer effizienten, wirtschaftlichen und bürgerfreundlichen Verwaltung aktiv in Angriff zu neh- men und offensiv zu gestalten . Das vorliegende Gesetz, an dem Bund und Länder fast fünf Jahre gearbeitet haben, lässt sich unter diesen Ge- sichtspunkten nahtlos in dieses Programm einordnen und ist vor diesem Hintergrund nach meiner Auffassung ein ausgesprochen gutes Gesetz . Derzeit gibt es in der Bun- desrepublik Deutschland 14 Familienkassen der Bundes- agentur für Arbeit, die für circa 16 Millionen Kinder das Kindergeld ausbezahlen . Darüber hinaus verwalten cir- ca 8 000 weitere Familienkassen insgesamt 2 Millionen Kindergeldfälle von Angestellten des öffentlichen Diens- tes im Bereich des Bundes, der Länder und der Kommu- nen . Zum Teil bearbeiten einzelne dieser Familienkassen nur 20 bis 40 Kindergeldfälle . Diese Situation halte ich mit Blick darauf, dass es sich beim Kindergeld um eine steuerliche Leistung handelt, bei der es überhaupt kei- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 196 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 20 . Oktober 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 196 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 20 . Oktober 2016 19593 (A) (C) (B) (D) nen Gestaltungsspielraum gibt, grundsätzlich für einen untragbaren Missstand . Neben der Tatsache, dass eine solche aufgeblähte Struktur rein gar nichts mit einer ef- fizienten Verwaltung zu tun hat, erfüllen viele dieser Fa- milienkassen noch nicht einmal Mindeststandards in der Qualität der Arbeitsabläufe, weil es dort schlicht an Er- fahrung und Routine in der Fallbearbeitung fehlt . Das hat der Bundesrechnungshof vor Jahren bereits festgestellt . Unterschiedliche IT-Systeme und ein fehlender Daten- abgleich der Familienkassen untereinander sind darüber hinaus nicht nur ineffizient, sie führen auch zu einer er- höhten Fehler- und Betrugsanfälligkeit . So weiß die eine Familienkasse nämlich nicht, was die andere macht . Und das führt unter Umständen zu Missbräuchen oder unzu- lässigen Zahlungen von Kindergeld . Darum werden wir mit dem vorliegenden Gesetz die derzeit circa 100 Familienkassen, welche die Kinderzah- lungen für Angestellte des Bundes vornehmen, bis zum Jahr 2022 an zwei Stellen zusammenführen: bei der Bun- desagentur für Arbeit und beim Bundesverwaltungsamt . Darüber hinaus geben wir Ländern und Kommunen die Möglichkeit, ihre derzeit circa 7 900 Familienkassen für die öffentlich Bediensteten ebenfalls zentral beim Bund zusammenzufassen . Das bietet in meinen Augen nur Vorteile für die Län- der . Zum einen können sich die Landesbediensteten auf andere Aufgaben konzentrieren als auf die Auszahlung von Kindergeld . Andererseits sparen die Länder Geld, da der Bund zukünftig die Verwaltungskosten übernimmt . Hochgerechnet würden sich auf das gesamte Jahr gese- hen pro Kindergeldfall in der Bearbeitung bis zu 20 Euro einsparen lassen . Das sind Ressourcen, welche die Län- der und Kommunen an anderer Stelle sinnvoller einbrin- gen könnten . Meine Gespräche mit Vertretern der Länder haben zum Ausdruck gebracht, dass man dem vorliegenden Ge- setzentwurf dort positiv gegenübersteht und an der Zu- sammenlegung der Familienkassen teilnehmen möchte . Unabhängig davon will ich dennoch an Sie alle appel- lieren, in Ihren Bundesländern für eine möglichst umfas- sende Beteiligung zu werben . Denn je mehr Länder und Kommunen sich für eine Zentralisierung aussprechen und mitmachen, umso höher ist selbstverständlich auch der gesamte Nutzen . Ich habe eingangs bereits zum Aus- druck gebracht, dass ich das heute vorliegende Gesetz für ein ausgesprochen gutes halte . Wir entbürokratisieren da- mit unsere Verwaltung, gestalten sie bürgerfreundlicher und effizienter. In diesem Zusammenhang freue ich mich sehr da- rüber, dass auch Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, das offensichtlich so sehen . Jeden- falls haben Sie das im Rahmen unserer abschließenden Diskussion im Finanzausschuss uns gegenüber so zum Ausdruck gebracht . Konsequenterweise wäre daher eine breite und fraktionsübergreifende Zustimmung zum Ge- setzentwurf aus meiner Sicht nur folgerichtig . Genau da- rum bitte ich Sie . Susanna Karawanskij (DIE LINKE): Es ist ohne Zweifel höchste Eisenbahn, dass sich die Zahl fehler- hafter Kindergeldfestsetzungen verringert . Der Bundes- rechnungshof verwies auf über 1 300 Fälle, in denen das Kindergeld doppelt ausgezahlt wurde . Der Schaden für den Steuerzahler war beträchtlich: 9 Millionen Euro . Die hier angestrebte Struktur- und Verwaltungsreform bei den Familienkassen erscheint auf alle Fälle sinnvoll . Die Verwaltungsstruktur wird transparenter und effektiver durch bessere Vernetzung und Standardisierung, und sie wird hoffentlich weniger betrugsanfällig, wenn fortan ein besserer und schnellerer Datenabgleich möglich ist . Familienkassen der öffentlichen Arbeitgeber in Län- dern und Kommunen können zwar ihre Zuständigkeiten behalten, allerdings steht es den kleineren Familienkas- sen mit geringen Fallzahlen frei, die Zuständigkeit an die Bundesagentur für Arbeit oder das Bundesverwaltungs- amt zu übertragen . 100 Familienkassen des öffentlichen Dienstes Bund sind vom Gesetzentwurf primär betrof- fen und werden allesamt überführt . Das heißt dann aber auch, dass die restlichen 7 900 Familienkassen des öf- fentlichen Dienstes optieren können . In welche Richtung die Entscheidung gehen wird, ist aber unklar und trägt nicht gerade zur Rechts- und Planungssicherheit bei . Un- serer Meinung nach sollten die 8 000 Familienkassen des öffentlichen Dienstes, also die Kassen für Beamte und deren Kinder, überführt werden, und zwar auf absehba- re Zeit . Ob der ganze Übergangsprozess tatsächlich fünf Jahre in Anspruch nehmen muss, wie vorgesehen, er- scheint mir zweifelhaft . Die Umsetzung der geplanten Strukturreform zieht fi- nanziellen Aufwand, aber auch Einsparungen nach sich . So kommt es bei der Bundesagentur für Arbeit zu einem einmaligen Aufwand von circa 22,25 Millionen Euro . Beim Bundesverwaltungsamt werden die zusätzlichen Kosten 1,95 Millionen Euro betragen . Demgegenüber soll es mittelfristig zu Einsparungen von mindestens 8,5 Millionen Euro jährlich kommen . Rechnet man das gegen, spart der Staat bei jeder Überführung der Kinder- geldzuständigkeit 20 Euro . Das klingt erst einmal nicht nach so viel, aber die Masse machtʼs. Dennoch wird man erst hinterher schlauer sein, ob die gesamten Umstruktu- rierungsmaßnahmen wirklich so rasch zu den avisierten Einsparungen führen werden . Wir haben nun schon einiges zu Kostensenkungen und Bürokratieabbau gehört . Kommen wir also zur Kehrseite der Medaille: Im Gesetzentwurf ist zu lesen, dass „nicht in jedem Fall das für diese Aufgabe eingesetzte Perso- nal zeitgleich auf eine freie, für andere Aufgaben ausge- brachte Planstelle/Stelle geführt werden kann“ . Dadurch, dass die – Zitat – „Zahl der zuständigen Stellen reduziert“ werden soll, ist immer mit Arbeitsplatzabbau zu rechnen . Es gibt de facto keine Garantie, dass jeder Mitarbeiter, dessen Stelle wegfällt, wieder auf eine neue Planstelle gesetzt wird . Ob die Aussage des Staatssekretärs Meister aus dem Finanzausschuss, dass sich niemand Sorgen um seinen Job machen müsse, Bestand haben wird, steht leider in den Sternen . Die Linke fordert, dass Verwal- tungs- und Strukturreformen nicht mit Arbeitsplatzabbau einhergehen . „Rationalisierungen“ und „Umstrukturie- rungen“ dürfen kein Vorwand sein, um Jobs und Gehälter wegzurationalisieren . Dies alles bleibt im Gesetzentwurf Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 196 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 20 . Oktober 201619594 (A) (C) (B) (D) nebulös geregelt, weswegen wir uns alles in allem auch enthalten werden . Da es ja in diesem Zusammenhang auch um Kin- dergeld geht, das von Familienkassen ausgezahlt wird, möchte ich noch auf eines hinweisen: Wir als Linke haben einen Aktionsplan gegen Kinderarmut, Bundes- tagsdrucksache 18/9666, frisch in den Bundestag einge- bracht . Lesen Sie sich einfach diesen Aktionsplan durch; es lohnt sich . Wir fordern nicht nur eine eigenständige Kindergrundsicherung, sondern setzen uns für flankie- rende Maßnahmen ein, die Eltern aus der Armut führen: einen höheren Mindestlohn, eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, eine sanktionsfreie Mindestsi- cherung und eine deutliche Erhöhung des Kindergeldes . Die geplante Erhöhung von 2 Euro ist doch ein schlech- ter Witz . Verschließen Sie nicht länger die Augen vor der Kinderarmut in Ost- wie Westdeutschland . Im Osten lebt gut jedes fünfte Kind in einem Hartz-IV-Haushalt . Fin- den Sie das gut? Es ist bitter nötig, neben den Familienkassen noch weitere „Strukturen“ zu reformieren, allen voran bei der Verteilung des Reichtums in dieser Gesellschaft, damit weder Jung noch Alt in Armut leben müssen . Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das heu- te hier zu beschließende Gesetz über die Familienkassen des öffentlichen Dienstes ist in der Zielrichtung eine nachvollziehbare Angelegenheit . Es löst nur leider das Problem der Vielzahl von Familienkassen nicht . Zudem sollen wir heute noch einen kurzfristig eingegangenen – von uns in der Kürze der Zeit nicht ausreichend prüf- baren – Änderungsantrag zur Verlagerung des Bundes- amtes für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen und des Bundesausgleichsamtes weg vom Finanz- hin zum Innenministerium beschlossen werden . Aus diesem Grund werden wir uns enthalten . Bereits vor sieben Jahren machte das Thema Famili- enkassen Schlagzeilen in der Boulevardpresse . Worum ging es? Um Kindergeldbetrug . Ehepaare hatten sich das Kindergeld doppelt ausbezahlen lassen . Wie war das möglich? Weil für einen der Ehepartner als Beamter oder Beamtin eine Familienkasse des öffentlichen Dienstes zuständig war, für den anderen aber die Bundesagentur für Arbeit . Staatsdiener, die doppelt kassieren, das ist et- was, worüber sich Menschen verständlicherweise und zu Recht aufregen . Der Bundesrechnungshof hatte bereits im Jahr 2009 auf diese Betrugsfälle hingewiesen . Auf die Bürgerin- nen und Bürger muss es so wirken, als ob die Regierung Missbrauchsbekämpfung bei den eigenen Beamten nicht besonders wichtig findet. Erst durch ein Gesetz, das Jahre später zum 1 . Januar 2016 in Kraft trat, wurde der Miss- brauch auf dem Papier beendet . Von 2016 an müssen die Familienkassen einen Abgleich der Steueridentifikations- nummer der Kinder vornehmen, um eine Doppelauszah- lung zu vermeiden . Der tatsächliche Abgleich funktio- niert aufgrund der ausstehenden IT-Umstellung selbst bis heute immer noch nicht, und dieses Gesetz wurde damals mit dem angeblichen Betrug durch Ausländer begründet . Ich wiederhole: Es wurde begründet mit dem angebli- chen Betrug durch „Ausländer“ und gerade nicht mit den bekanntgewordenen Fällen bei den eigenen Beamten . Was ist das Grundproblem, das durch die vorliegende Gesetzesänderung behoben werden soll? Es ist der insti- tutionelle Wildwuchs bei den Familienkassen des öffent- lichen Dienstes, das heißt bei den Familienkassen, die vor allem für die Beamten zuständig sind . Während 14 Fami- lienkassen der Bundesagentur für Arbeit den Löwenan- teil aller Kindergeldfälle bearbeiten, sind für die Kinder von öffentlich Bediensteten tatsächlich 8 000 einzelne Familienkassen zuständig . Ich wiederhole: 8 000 Kas- sen . Sie bearbeiten gerade einmal 13 Prozent der Kinder- geldberechtigten im Land . Das steht in einem grotesken Missverhältnis. Auch solch eine von Ineffizienz geprägte Aufteilung bei der Auszahlung des Kindergeldes ist den Bürgerinnen und Bürgern nicht zu erklären . Ich halte das Ziel und die eingeschlagene Richtung des Gesetzentwurfes für richtig und unumgänglich . Die Vielzahl an Kassen ist nicht zu rechtfertigen, da sich die Auszahlung von Kindergeld nicht als besonders komple- xe Dienstleistung darstellt . Das Nebeneinander der Fami- lienkassen ist nicht nur bürokratisch und ineffizient, es ist eben auch missbrauchsanfällig . Aber wird das vorliegen- de Gesetz an diesem Zustand etwas ändern? Ich bin nicht dieser Auffassung . Der Haken an dem vorliegenden Gesetzentwurf ist, dass nur die Zuständigkeiten der Familienkassen im Be- reich des Bundes bis 2022 zur Bundesagentur für Arbeit oder zum Bundesverwaltungsamt übergehen sollen . Ge- nau das führt aber lediglich zu einer Reduzierung von 8 000 auf 7 900 Familienkassen des öffentlichen Diens- tes . Ganze 100 Familienkassen werden entfallen . Das ist selbstverständlich nicht der dringend benötigte System- wechsel, der zu strukturellen Verbesserungen, mehr Ef- fizienz und einer sinnvollen Verschlankung der Verwal- tung führt . Für die Familienkassen im Bereich der Länder und Kommunen gelten die vorliegenden Neureglungen hin- gegen nicht . Der Bund macht den Ländern lediglich das Angebot, gegen Kostenübernahme auf die Zuständigkeit freiwillig zu verzichten . Das Vorgehen halte ich für we- nig ambitioniert angesichts der verbleibenden 7 900 Fa- milienkassen . Die Koalition ist offensichtlich der Auffas- sung, dass den Ländern nicht mehr zuzumuten ist . Diese Haltung, allein auf die Einsicht der Länder zu warten, kann ich vor dem Hintergrund des eigentlichen Problems ganz und gar nicht teilen . Vielmehr sollten wir uns darü- ber Gedanken machen, ob nicht die alternative Lösung – eine Verlagerung der Kindergeldauszahlung auf die Fi- nanzämter – doch die geeignetere ist . Das Kindergeld ist schließlich im Einkommensteuergesetz verankert . Mir fällt kein plausibler Grund ein, warum wir mit den 7 900 Familienkassen wie bisher weitermachen sollten . Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 196 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 20 . Oktober 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 196 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 20 . Oktober 2016 19595 (A) (C) (B) (D) des Mikrozensus und zur Änderung weiterer Sta- tistikgesetze (Tagesordnungspunkt 22) Dr. Tim Ostermann (CDU/CSU): Heute widmen wir uns zum zweiten Mal und damit abschließend dem Mikrozensusgesetz . Ich meine, dass wir im erweiterten Berichterstattergespräch, an dem auch die Grünenfrakti- on teilgenommen hat, die letzten Einwände und Unklar- heiten aus der Welt schaffen konnten und das Gesetz nun inhaltlich unverändert verabschieden können . In meiner letzten Rede hatte ich bereits angesprochen, dass das gegenwärtige Mikrozensusgesetz Ende 2016 ausläuft und dadurch nun der Handlungsbedarf besteht, die Weiterführung des Mikrozensus ab 2017 sicherzu- stellen . Auch wenn sich das parlamentarische Verfahren nun um rund zwei Wochen verlängert hat, meine ich, dass wir noch gut im Zeitplan liegen, um eine lückenlose Fortführung der Haushaltsstichproben zu ermöglichen . Der Mikrozensus wird damit dann zunächst bis 2020 weitestgehend in der gegenwärtigen Form fortgeführt . Ab 2020 wird dann das neue System gelten . Künftig werden damit die Gemeinschaftsstatistiken über Ein- kommen und Lebensbedingungen, EU-SILC, sowie zur Informationsgesellschaft, IKT, in den Mikrozensus inte- griert . Diese wurde bisher zusätzlich zum Mikrozensus erhoben . Wir versprechen uns davon Einsparungen hin- sichtlich der aufzuwendenden finanziellen Mittel, des or- ganisatorischen Aufwands und der Gesamtbelastung für die Bürgerinnen und Bürger . Weil einerseits diese Statistikanforderungen seitens der Europäischen Union auf unbestimmte Zeit gelten und andererseits der Mikrozensus nun seit mittlerweile 1957 existiert, werden wir den Mikrozensus mit diesem Gesetz nun entfristen . Es hat sich über die Jahrzehnte gezeigt, dass die Haushaltsstichproben unverzichtbar für Parlamente, Regierungen sowie die Verwaltungen in Bund und Ländern bei der Erfüllung ihrer verschiedenen Aufgaben sind . Der Mikrozensus ist für eine gute Politik nicht mehr wegzudenken . Anstatt nun den Mikrozensus alle paar Jahre wieder aufs Neue für einige Jahre einzu- setzen, ist es nun zu Recht an der Zeit, ihn als auf Dauer angelegten Bestandteil unserer Rechtsordnung anzuse- hen . Die Integration der EU-Erhebungen in den Mikro- zensus erfordert auch eine Erweiterung der Auskunfts- pflicht. Einerseits spart die Auskunftspflicht einen grö- ßeren Aufwand bei den Befragungen ein . Bei einer freiwilligen Befragung zeigen der Erfahrung nach maxi- mal 30 Prozent der zu befragenden Personen überhaupt die Bereitschaft einer Teilnahme . Tatsächlich nehmen letztlich im Regelfall höchstens 10 Prozent der Perso- nen auch an der Befragung teil . Um nun eine ausrei- chend hohe Datenzahl für aussagekräftige Statistiken zu erhalten, muss die Stichprobe um das Vierfache erhöht werden. Diese Kosten entfallen bei einer Pflicht zur Aus- kunft . Aber auch die Datenqualität verbessert sich; denn alle Bevölkerungsgruppen nehmen nun an der Befragung teil . Typischerweise verweigern bestimmte Bevölkerungs- gruppen eine freiwillige Teilnahme, sodass die Statisti- ken häufig verzerrt sind. Hochqualitative Statistiken sind jedoch sehr wichtig, nicht zuletzt auch, um Förderungen aus EU-Strukturfonds zu erhalten. Die Auskunftspflicht stellt hier die erforderliche Qualität der Daten sicher. Gleichwohl haben die Koalitionsfraktionen einen Ände- rungsantrag eingebracht . Dieser beschränkt sich jedoch auf Klarstellungen, etwa auf Konkretisierungen von Wortbedeutungen oder inhaltliche Präzisierungen von statistischen Merkmalen . Der Änderungsantrag kann so- mit aus inhaltlicher Perspektive nicht sehr strittig sein . Im Übrigen möchte ich erwähnen, dass auch die Bun- desbeauftragte für den Datenschutz und die Informati- onsfreiheit im Rahmen der Ressortabstimmung beteiligt worden ist . Ihre Anregungen sind aufgenommen worden . Sie hat daher keine Einwände geltend gemacht . Ich denke, dass wir mit diesem Gesetz die Durchfüh- rung des Mikrozensus in Zukunft deutlich verbessern werden . Ich möchte allen Beteiligten für die gute Zusam- menarbeit danken . Barbara Woltmann (CDU/CSU): In zweiter und dritter Lesung beschließen wir heute das Gesetz zur Neu- regelung des Mikrozensus und zur Änderung weiterer Statistikgesetze . Die Notwendigkeit einer Neuregelung bleibt weiterhin unbestritten: Das geltende Gesetz läuft zum Jahresende aus und muss erneuert werden . Außer- dem hat die Europäische Union einige Verordnungen beschlossen, die in das neue Gesetz integriert werden müssen . Jedoch wird dies nicht von jetzt auf gleich ge- schehen . Somit haben wir genügend Zeit, um die voll- ständige Neugestaltung der IT mit den notwendigen tiefgreifenden methodischen und organisatorischen Ver- änderungen aufzustellen . Es ist notwendig, den Mikrozensus um die auf euro- päischer Ebene geforderten Daten zu erweitern . Das Sta- tistische Bundesamt, das den Mikrozensus durchführt, besitzt mittlerweile nicht nur einen nationalen Auftrag, sondern ist auch dazu verpflichtet, europäisches Recht anzuwenden und der Europäischen Union entsprechende Daten zu liefern . Die Daten der Arbeitskräftestichprobe der Europäischen Union zum Beispiel sind wichtig für gemeinschaftliche EU-Programme zu mehr Beschäfti- gung, besserer Ausbildung und gegen Arbeitslosigkeit . In der heutigen Zeit wird es immer wichtiger, die rasanten Entwicklungen in Europa zu analysieren und in den oben genannten Bereichen die richtigen politischen Weichen- stellungen vorzunehmen . Dafür bedarf es einer guten Da- tenlage. Die Kohäsionspolitik in der EU profitiert davon. Aber nicht nur die Europäische Union, sondern auch Deutschland entwickelt sich mit hoher Geschwindigkeit . Vor allem im Bereich der Digitalisierung werden die Ver- änderungen in den kommenden Jahren enorm sein . Ich halte die Statistik zur Informationsgesellschaft, die durch Beschluss des Artikels 2 des vorliegenden Gesetzentwur- fes ab dem Jahr 2021 anhand von Merkmalen wie Inter- netzugang und Internetnutzung erhoben wird, für äußerst wichtig . Der Zustand und die Reichweite des Breitband- ausbaus können durch den Mikrozensus festgestellt wer- den . Dies sind auch für die Kommunen wichtige Infor- mationen . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 196 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 20 . Oktober 201619596 (A) (C) (B) (D) Die Kommunen profitieren ebenso von der Einführung einer Auskunftspflicht von Bürgern, die für den Mikro- zensus ausgewählt werden . Die bislang auf Freiwilligkeit angelegte Befragung barg die Gefahr, ein schiefes Bild der deutschen Gesellschaft zu zeichnen . Die statistischen Erhebungen aus dem Mikrozensus sind nämlich maßge- bend für die Ausgestaltung und die Vergabe unter ande- rem von Fördermitteln aus den EU-Strukturfonds und somit von erhöhter Wichtigkeit für unsere Kommunen . Kritisch könnte man allenfalls sehen, dass nur rund 1 Prozent aller Bundesbürger befragt wird . Dies hat beim letzten Mal dazu geführt, dass Kommunen Einwohner „verloren“ haben und damit auch entsprechende Finanz- mittel . Dies gilt es im Blick zu behalten, und es gilt, Lö- sungen dafür zu finden. Die Notwendigkeit des vorgelegten Gesetzentwurfes ergibt sich auch aus der Frage nach den Kosten, welche diese statistischen Erhebungen mit sich bringen . Durch die nun gesetzlich festgelegte Einbeziehung der EU-Sta- tistik über Einkommen und Lebensbedingungen sowie der Statistik zur Informationsgesellschaft vermeiden wir unnötige Mehrkosten, die bei einer separaten Durchfüh- rung der Befragung anfallen würden . Ein weiterer Plus- punkt der Integration der EU-Statistiken in den Mikro- zensus ist die Vermeidung von doppelt durchgeführten Erhebungen. Demografische und sozioökonomische Angaben, die bei separaten Befragungen zum festen Fra- genstamm gehören, werden mit dem neuen Gesetz nur einmal erhoben . Die Notwendigkeit der Neuregelung des Mikrozensus und zur Änderung weiterer Statistikgesetze ließe sich noch an weiteren Beispielen aufzählen . Festzuhalten ist, dass es aus der Sicht vieler Experten aus dem Bereich der Statistik und Datenerhebung keine inhaltlichen Be- anstandungen gibt . Ich bitte um Zustimmung zum vorliegenden Gesetz- entwurf . Matthias Schmidt (Berlin) (SPD): Lassen Sie mich zu Beginn meiner Rede einen Blick auf Europa werfen . Was das Statistische Bundesamt für Deutschland ist, ist für die EU das Statistische Amt der Europäischen Union, kurz Eurostat, mit Sitz in Luxemburg . Hier laufen seit 1953 alle Daten zusammen, die von den Ländern an die EU geliefert werden . Eurostat selber erhebt keine Daten und ist somit auf die Erhebungen in den Mitgliedstaaten angewiesen . Ein Blick auf die Homepage von Eurostat zeigt eindrucksvoll, wie viele Daten hier zusammen- fließen. Jede Bürgerin und jeder Bürger kann sich hier ausgiebig über gesellschaftliche Daten der EU und ihre Mitgliedsländer informieren . Wie hoch ist die Lebens- erwartung in welchem Land, wie die Altersstruktur, die Sozialstruktur? Bis hin zu den Luftemissionswerten in jedem Land kann hier alles nachgelesen werden . Das ist eine exzellente Informationsplattform für Wissenschaft, Politik und Gesellschaft . Die Daten werden von den EU-Mitgliedstaaten gelie- fert, konsolidiert und harmonisiert, mit dem Ziel, sie ver- gleichbar zu machen . Und diese Harmonisierung ist in dieser Legislatur auch ein Aspekt verschiedener Geset- zesverfahren in diesem Hohen Hause gewesen, so zum Beispiel des Umweltstatistikgesetzes oder des Bundes- statistikgesetzes . Heute behandeln wir das Mikrozensus- gesetz, das eine überaus wichtige Funktion bei der Erhe- bung statistischer Daten einnimmt . Wie Sie alle wissen, haben wir dieses Gesetz bereits 2014 geändert . Anpassungen an EU-Vorgaben waren ein Anlass . Wir haben Optimierungen bei der Bevölkerungs- statistik vorgenommen und mithilfe einer Experimen- tierklausel ermöglicht, dass neue Erhebungsverfahren erprobt werden können . Die heute vorliegenden Ände- rungen gehen noch einen Schritt weiter . Mit der Aufhe- bung der Befristung als einer Kernänderung des Gesetzes legen wir die Grundlage für eine dauerhafte und zuver- lässige Datenerhebung . Die Befristungen wurden in der Vergangenheit immer wieder per Gesetz verlängert, so letztmalig 2012 um vier Jahre . Diese Kettenbefristungen sollen nun ein Ende haben, und das ist auch sinnvoll . Das Mikrozensusgesetz wird unbefristet gelten und damit den Vorgaben der EU folgen, denn auch die Pflicht zur Daten- lieferung gilt unbefristet . Nun wurden in der Diskussion Bedenken laut, dass wir mit diesem Schritt der Entfristung unsere Hoheit zur Evaluation und Veränderung des Mikrozensusgesetzes aus den Händen gäben . Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, es ist doch so, dass wir als Gesetzgeber im- mer die Möglichkeit haben, Gesetze zu verändern, und natürlich werden wir auch bei einem entfristeten Mikro- zensusgesetz sehr genau hinschauen, wie die Entwick- lung verläuft und ob sich hier Änderungsbedarfe erge- ben . Im Umkehrschluss hieße so eine Argumentation ja, dass wir alle Gesetze befristen müssten . Das kann doch nicht unser Wunsch sein . Die Entfristung schafft viel- mehr Planungssicherheit für das Statistische Bundesamt und verringert den bürokratischen Aufwand . Diese Ziele sollten uns hier einen . Kommen wir nun zu einem weiteren zentralen Punkt des Gesetzes, der die Perspektive der EU in den Blick nimmt, die ich zu Beginn meiner Rede ansprach . Viele Erhebungen finden bislang parallel statt, so der Mikro- zensus, die Statistik zur Informationsgesellschaft, kurz IKT, und auch die Erhebung über Arbeitskräfte, Ein- kommen und Lebensbedingungen für die EU, die soge- nannte SILC-Statistik . Diesen Einzelstatistiken liegen unterschiedliche Verfahrensregelungen zugrunde . So ist der Mikrozensus verpflichtend, während die IKT und auch SILC-Verfahren auf freiwilliger Basis erfolgen . Wir wollen mit dem vorliegenden Gesetzentwurf beide Statistiken in den Mikrozensus integrieren . Das schafft Synergien und reduziert den Erhebungsaufwand . Dazu gehört auch, dass die Verfahren vereinheitlicht werden, und das heißt für die integrierten Statistiken, dass auch sie im Kern verpflichtend werden. Auch dagegen gibt es Bedenken . Zudem begleitet Kritik die Statistik schon seit Jahrzehnten . Im Kern geht es darum, ob durch die Auskunftspflicht Persönlichkeits- rechte verletzt werden . Was stimmt, ist, dass es für die Personen, die in der Stichprobe zu einer Auskunft ver- pflichtet werden, Aufwand bedeutet. Der Fragebogen ist sehr ausführlich, und die Befragten müssen einen tiefen Blick in ihre persönlichen Lebensverhältnisse Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 196 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 20 . Oktober 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 196 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 20 . Oktober 2016 19597 (A) (C) (B) (D) zulassen . Das kann auch Unmut erzeugen . Dafür habe ich Verständnis . Nun müssen wir uns als Gesetzgeber fragen, ob der Nutzen dieser Statistiken denn diesen tie- fen Blick rechtfertigt . Und hier kommen wir doch nicht umhin, den großen Nutzen zu betonen, den die Auswer- tung dieser Daten bedeutet . Die Statistiken, die aus dem Mikrozensus entwickelt werden, sind grundlegend für Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft . Und ohne sie wären wir in der Politik zwischen den Volkszählungen ohne empirischen Kompass . Zu fordern, diese grundlegenden Statistiken auf eine freiwillige Basis zu stellen, folgt sicher den Wünschen einiger Menschen, muss aber hinsichtlich der Folgen ge- nauer betrachtet werden . Bei einer freiwilligen Erhebung muss davon ausgegangen werden, dass sich ein Teil der Menschen in einer Stichprobe der Auskunft verweigert, sei es aus Überzeugung oder aus persönlicher Arbeits- entlastung . Damit muss die Stichprobe selber deutlich vergrößert werden, was einen deutlichen Mehraufwand bedeutet . Mehr Menschen müssen befragt werden, mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Statistischen Bun- desamt müssen sich mit der Auswertung der Daten be- schäftigen, und mehr Zeitaufwand ist damit ebenso ver- bunden wie deutlich höhere Kosten . Und diese Folgen müssen wir bei der Frage von Freiwilligkeit oder Pflicht auch beleuchten . In der Abwägung der Positionen und der Folgen kommen wir zu der Überzeugung, dass es verantwortbar und sinnvoll ist, die Verpflichtung auf die integrierten Statistiken auszudehnen . Bei anderen Fragen wurden im parlamentarischen Verfahren durchaus noch einige Änderungen vorgenom- men, denen wir zustimmen können . So wurden im Ge- setz neben redaktionellen Änderungen noch Präzisierun- gen vorgenommen, die wir mittragen werden . Es bleibt grundsätzlich unsere Verantwortung, bei je- dem Gesetz sehr sorgfältig zu prüfen, welche zusätzliche Belastung und welche Eingriffe in die Persönlichkeits- rechte für die Bürgerinnen und Bürger damit einherge- hen . Ich bin der festen Überzeugung, dass wir mit diesem Gesetzesvorhaben auch in dieser Hinsicht verantwortlich handeln und deutliche Verbesserungen vornehmen, die letztlich allen Menschen zugutekommen . Es ist eine Weichenstellung hin zu mehr Harmonisierung auf euro- päischer Ebene und hin zu mehr Effizienz bei der Daten- erhebung . Ich wünsche mir eine Zustimmung zu diesem wichtigen Vorhaben . Jan Korte (DIE LINKE): Wir reden heute wieder über den Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Mi- krozensusgesetz, der durch den Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen leider nicht wesentlich besser ge- worden ist; das muss man zunächst einmal feststellen . Es ist schade, dass Sie dabei weder die Kritik aus dem Bun- destag noch die des Bundesrats wirklich berücksichtigt haben . Die Linke hat bereits gesagt, dass grundsätzlich nichts gegen bestimmte Datenerhebungen und Statistiken zur Bevölkerung in der Bundesrepublik einzuwenden ist, nicht zuletzt, weil sie auch ein Indikator für die Not- wendigkeit politischer Maßnahmen bzw . ein Kontrollin- strument für das Funktionieren oder Misslingen selbiger ist . In der Tat können wichtige Schlüsse aus dem Mikro- zensus und anderen Befragungen wie der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe gezogen werden: dass zum Beispiel das Armutsrisiko von Geringqualifizierten ge- stiegen ist, dass die Schere zwischen Arm und Reich im- mer weiter auseinandergeht oder dass immer mehr Leute so vermögend sind, dass sie für ihren Lebensunterhalt nicht mehr arbeiten gehen müssen, während gleichzeitig ein Fünftel der Kinder in unserem Land von Armut und sozialer Ausgrenzung betroffen sind . Das wissen wir alles dank solcher Erhebungen – so weit, so gut . Aber warum führt man diese Statistiken und sammelt dieses ganze Wissen, wenn keine Konsequen- zen daraus erwachsen? Welche konkrete politische Maß- nahme ist denn in den letzten Jahren ergriffen worden, um die ungleiche Vermögensverteilung in der Bundesre- publik anzugehen? Welche Konsequenzen hatten die Er- gebnisse auf die soziale Mischung in den Städten? Was konkret wird denn getan, um Geringqualifizierte weiter- zubilden oder dafür zu sorgen, dass mehr Schülerinnen und Schüler bessere Abschlüsse schaffen, erst recht, wenn sie von Armut betroffen sind? Die Bundesregie- rung hat es nicht einmal bei der vom Verfassungsgericht angemahnten gerechten Erbschaftsteuer gewagt, Reiche zur Finanzierung des Gemeinwohls heranzuziehen, von einer Vermögensteuer, wie es sie in etlichen anderen Län- dern gibt, ganz zu schweigen . Das massive Problem und Misstrauen von denen, die bei der Befragung für den Mi- krozensus Privates preisgeben müssen, liegt auch darin, dass der Sinn und die Verhältnismäßigkeit berechtigter- weise hinterfragt wird . Damit kommen wir zum zweiten Punkt, nämlich dazu, was den Befragten überhaupt zugemutet wird . Man muss sich einmal in die Lage hineinversetzen, wie es wohl ist, wenn man einer fremden Person und allen, die den Erfas- sungsbogen danach lesen, Auskunft darüber geben soll, ob man zwei Paar passende Schuhe hat oder nicht, ob man raucht oder meint, sich auf andere Art und Weise eventuell gesundheitsgefährdend zu verhalten, ob man genug Geld hat, um sich „mindestens einmal im Monat mit Freunden oder Freundinnen oder Familienmitglie- dern zum Essen oder Trinken zu treffen“, ob man in den letzten Tagen beim Arzt war und welche Ursache es viel- leicht dafür gibt, dass man nur einen befristeten Arbeits- vertrag hat . Zum Glück ist es nicht bei allen dieser Fragen ver- pflichtend, darauf zu antworten. Der grundsätzliche Auskunftszwang bleibt bestehen, auch in Bezug auf die EU-rechtlich vorgegebenen Erhebungsmerkma- le, in Bezug auf Einkommen und Lebensbedingungen, die laut EU-Verordnung freiwillig sind . Da Sie in dem Änderungsantrag nicht darauf eingegangen sind, zitiere ich hier noch einmal die Kritik des Bundesrats an Ihrem Gesetzentwurf . Der schreibt in seiner Stellungnahme: „Aufgrund der hohen Sensibilität der EU-rechtlich vor- gegebenen Erhebungsmerkmale in Bezug auf Einkom- men und Lebensbedingungen ist mit einer Zunahme von Auskunftsverweigerungen und erheblicher Verärgerung seitens auskunftspflichtiger Privatpersonen zu rechnen.“ Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 196 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 20 . Oktober 201619598 (A) (C) (B) (D) Im Gegensatz zur schwarz-roten Bundesregierung hat man es im Bundesrat offenbar geschafft, sich in die be- fragten Personen hineinzuversetzen, und macht sich Sor- gen um die Akzeptanz von Erhebungen allgemein: „Im Übrigen stellt eine auskunftspflichtige Erhebung sehr privater, sehr sensibler und vielfach subjektiv geprägter Fragen einen Paradigmenwechsel in der amtlichen Sta- tistik dar, infolgedessen im Ergebnis sogar ein über den in Rede stehenden Bereich hinausgehender Imagescha- den zu befürchten ist, der negative Auswirkungen für die Durchführung und den Zielverwirklichungsgrad auch anderer Statistiken haben und entsprechende Erhebun- gen erschweren könnte .“ Oder kurz gefasst und leichter verständlich: Das kleinliche Bestehen der Bundesregie- rung auf einer Auskunftspflicht gefährdet unnötigerweise nicht nur die Qualität und Akzeptanz des Mikrozensus, sondern auch die aller anderen Erhebungen . Wir meinen zudem, dass die mit Androhung von Zwangsgeldern und Beugehaft durchgesetzte Auskunftspflicht über privates- te Daten gegen das Recht auf informationelle Selbstbe- stimmung verstößt . Es gibt also eine Menge Gründe, von einer Auskunfts- pflicht nach § 13 des Zensustestgesetzes abzusehen und die Erhebung so grundrechtsschonend wie irgend mög- lich durchzuführen . Es gäbe eine Vielzahl von Mög- lichkeiten, Bürgerinnen und Bürger für ihre Beteiligung am Mikrozensus zu gewinnen . Die erste wäre, wenn die Erkenntnisse tatsächlich erfahrbare politische Konse- quenzen hätten, wie bereits gesagt . Möglich wäre etwa auch die Erfassung von Bedürfnissen, wie sie schon im Bereich Arbeitsmarkt abgefragt werden . Wenn neben der Arbeitsstundenzahl abgefragt wird, ob jemand länger ar- beiten will, könnte man ja auch neben der Frage nach der Kinderbetreuung fragen, ob die in der Kommune ange- botenen Betreuungszeiträume und -plätze reichen, oder, welche Probleme jemand mitzuteilen hat, der seinen Grad der Behinderung nennt, wo es Probleme mit dem Angebot öffentlicher Verkehrsmittel gibt, welche Er- leichterungen sich Alleinerziehende wünschen oder wie Menschen mit Migrationshintergrund ihre gesellschaft- lichen Teilhabemöglichkeiten bewerten . Eine Erhebung, die positive Konsequenzen und einen Mehrwert für die Bevölkerung hat, funktioniert auch auf freiwilliger Basis . Die Bundesregierung hat nicht nur zu wenig getan, um einen Mikrozensus auf freiwilliger Basis zu realisieren oder um dies wenigstens zu versuchen, sondern sie bleibt auch den Beweis schuldig, dass alle wichtigen Erkennt- nisse, die wir aus dem Mikrozensus ziehen, ohne eine strafbewehrte Auskunftspflicht nicht zustande kämen. Selbst die EU geht, wie gesagt, von freiwilligen Erhe- bungen aus . Deshalb können wir diesem Gesetzentwurf nicht zustimmen und werden wir uns enthalten . Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Das Thema Datenschutz, das wird heute im Zuge dieser Debatte hoffentlich einmal mehr deutlich, umfasst weitaus mehr als nur die „Reißerthemen“ wie den Um- gang von Facebook und anderer Unternehmen mit unse- ren Daten, die internationale Telekommunikationsüber- wachung der Geheimdienste oder die Kreditbewertungen der Schufa . Diese Themen mit hoher Medienaufmerk- samkeit mögen auf die politische Wahrnehmung einiger so wirken, als seien andere Themen auch in der Sache weniger wichtig . Das ist aber nicht der Fall . Als Querschnittmaterie, bei der es im Kern um den Umgang mit Informationen zu Bürgerinnen und Bür- gern geht, betrifft sie inzwischen alle Lebensbereiche . Und Fragen des Statistikwesens standen von Beginn an sogar im Mittelpunkt der Schaffung der modernen Da- tenschutzgesetze und der Datenschutzbewegung . Sie führten zu den beiden berühmten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, dem Mikrozensus-Urteil von 1964 und dem Volkszählungsurteil von 1983 . Wenn wir heute über die erneute Erweiterung und Entfristung des Mikrozensus sprechen, sollten wir eine Bilanz wagen und fragen, wie wir den Mikrozensus heute einordnen . Das Ergebnis nehme ich gleich vorweg: Er ist wie alle Datenschutzthemen bereichsspezifisch, wie die Datenschützer sagen, einzuordnen und verlangt da- mit eine eigenständige und dem Kontext angemessene Bewertung . Das ist eine verfassungsrechtliche Vorgabe . Und dabei stellen wir fest, dass der Kernkonflikt zwi- schen staatlichem Wissensinteresse und den Persönlich- keitsinteressen der Betroffenen weiterhin bestehen bleibt . Der Mikrozensus ist keine Volkszählung in dem Sin- ne, dass die Bevölkerung, ähnlich etwa der Vorratsdaten- speicherung, in ihrer Gesamtheit erfasst würde . Doch sie betrifft alljährlich eine Million Mitbürgerinnen und Mit- bürger . Und die Betroffenen müssen wiederholte Nach- fragen über den Zeitraum von vier Jahren, bis zu zweimal pro Jahr, hinnehmen; das nervige Verfahren ist also kei- nesfalls mit der einmaligen Beantwortung beendet . Es fällt auf, dass das Wissensinteresse zur Erstellung einer Statistik sicherlich nicht die dieselbe Wertigkeit beanspruchen kann wie Informationserhebungen in Ver- bindung mit dem unmittelbaren Schutz der öffentlichen Sicherheit . Und auf der anderen Seite bleibt es bei einer Maßnahme, die annähernd eine Million Bürgerinnen und Bürger betrifft, Jahr für Jahr . Auf der rechtlichen Ebe- ne fällt zugunsten des Mikrozensus in die Waagschale, dass der Wahrung des Datenschutzes eine große Bedeu- tung kommt, und die Statistikbehörden umfänglichen Vorkehrungen unterliegen . Andererseits bleibt es für die Betroffenen bei der Umsetzung durch Auskunftszwang ein erheblicher staatlicher Eingriff, der keineswegs alle staatlichen Eingriffsinstrumente betrifft . Niemand bestreitet ernsthaft den Zweck des Statis- tikwesens . Gerade auch grüne Politik verlässt sich auf solide Informationen über die Entwicklung unserer Ge- sellschaft, komplexe Sachverhalte werden für die Politik darstellbar und verhandelbar, zum Beispiel die Frage ge- lingender Integration der zu uns gekommenen ausländi- schen Bürgerinnen und Bürger . Doch unsere Verantwor- tung liegt auch darin, in der Umsetzung den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zum Maßstab zu nehmen und die Bürgerinnen und Bürger vor einer übermäßigen und sachlich nicht mehr vertretbaren Inanspruchnahme durch Befragungen zu bewahren . Durch die rein statistisch-wissenschaftliche Brille be- trachtet wird es immer gute Gründe geben, warum die- se oder jene bestehenden Statistiken inhaltlich erweitert Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 196 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 20 . Oktober 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 196 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 20 . Oktober 2016 19599 (A) (C) (B) (D) gehören, eine größere Gruppe betreffen sollten und/oder zwangsweise zu erfolgen haben . Wie weit wir dabei ge- hen sollten, ist unsere gemeinsame politische Entschei- dung . Statistiker können durchaus glaubhaft darlegen, dass der Unterschied zwischen erzwungenen und freiwil- ligen Haushaltsbefragungen deshalb erheblich ist, weil die Rücklaufquoten bei freiwilligen Befragungen oft auf gerade noch ein Viertel der Angeschriebenen fallen kön- nen, sodass im Ergebnis ein größerer Betroffenenkreis ausgewählt und angeschrieben werden muss . Doch wir müssen auch festhalten, dass die EU-Vorgaben für valide Daten zu unterschiedlichen Problemfeldern die Befra- gung per gesetzlichem Zwang gerade nicht vorsehen, auch wenn sich das im vorliegenden Gesetzentwurf an- ders liest . Hier sollte die Bundesregierung ehrlich offen- legen, wenn es letztlich vorrangig Effizienz- und Ratio- nalisierungsüberlegungen sind, die zum Auskunftszwang führen . Dieser Mikrozensus war von Beginn seiner Entste- hung an umstritten, er führte zu einem der ersten und bis heute bedeutsamen Urteil des Bundesverfassungsge- richts zu Umfang und Reichweite des Grundrechts auf Privatsphäre – Mikrozensus-Urteil von 1969 . Er ist bis heute umstritten, auch wenn nicht alle Betroffenen gleich vor das Verwaltungsgericht ziehen . Darüber könnte uns eine Umfrage unter den Datenschutzbehörden des Bun- des und der Länder sicherlich Auskunft geben . Doch die Akzeptanz in der Bevölkerung bleibt nicht der alleinige Prüfungspunkt, wenn wir uns als legislatives Kontroll- organ Gesetze des Bundesinnenministers mit Berührung zum Datenschutz anschauen . Es liegt vielmehr in un- serer Verantwortung, die Gewährleistung wesentlicher Gesichtspunkte der Verfassungsmäßigkeit wie auch der Wahrung der Bürgerrechte insgesamt kritisch zu prüfen . Bislang war der seit Jahrzehnten etablierte Mikro- zensus befristet geregelt . Er soll nun in eine unbefristete gesetzliche Regelung überführt werden . Integriert in den aus Sicht der Betroffenen ohnehin für die Betroffenen viel zu lang wirkenden Fragenkatalog werden die nach EU-Recht erforderlichen Statistiken zu Einkommen und Lebensbedingungen (EU-SILC) sowie zur Informations- gesellschaft (IKT) . Das informatorische Sonderopfer, das die vom Mikro- zensus Betroffenen zu erbringen haben, ist somit ganz erheblich . Wir begrüßen deshalb, dass die Bundesre- gierung sich offenbar darum bemüht hat, Belastungen der Betroffenen zum Teil zu vermeiden . Danach soll der Merkmalskatalog des Kernprogramms nur noch die Hälfte des heutigen Katalogs umfassen . Und thematisch abgrenzbare Erhebungsteile sollen auf die Betroffenen derart verteilt werden, dass nicht alle Ausgewählten alle, nunmehr aus anderen Haushaltsstatistiken integrierten Fragenteile zu beantworten haben . Hier erwarten wir für die Zukunft noch viele weitere innovative Ideen, wie die Belastung der Befragten weiter gesenkt werden kann . Gleichwohl bedeutet natürlich die Integration von vor- mals getrennt ablaufenden und damit andere Bürgerinnen und Bürger betreffenden Fragenkatalogen eine Erhöhung des Gesamtumfangs der Befragung, auch wenn nicht alle Ausgewählten im gleichen Maße davon betroffen sind . Noch gravierender erscheint, dass die nunmehr inte- grierten Teile EU-SILC und EI-IKT zukünftig ebenfalls unter die Auskunftspflicht fallen. Der Wechsel von Frei- willigkeit auf Zwang erfolgt, wenige Jahre nach der letz- ten Debatte zum Mikrozensus, doch überraschend . Das bloße Argument der Vermeidung inhaltlicher Unschärfen wirkt angesichts des damit verbundenen Grundrechtsein- griffes wenig überzeugend . Im Mittelpunkt unseres gemeinsamen Berichterstat- tergesprächs, für dessen Realisierung ich mich auch bei den Kolleginnen und Kollegen bedanken möchte, stand die beabsichtigte Entfristung des Mikrozensus, der ja oft auch die kleine Volkszählung genannt wird . Wir stehen dieser Entfristung weiterhin kritisch gegenüber . Wer die Begründung des Gesetzentwurfs liest, kann schon den Eindruck gewinnen, dass hier der Versuch unternommen wird, das Spannungsfeld zwischen den Persönlichkeits- rechten und dem Ziel der möglichst genauen Statistiker- fassung zu leugnen . Das Gegenteil ist der Fall: Wie die Bundesregierung selbst einräumt, werden die Fragelisten immer länger, die Themenkomplexe laufend ausgebaut, und sie erfolgen nahezu durchgängig unter Zwang . Pa- rallel ist die große Volkszählung zurück, sie wird inzwi- schen zehnjährig durchgeführt, 2021 steht die nächste an . Und einige der freiwillig zu beantwortenden Fragen des Mikrozensus beziehen sich auf so persönliche Bereiche, so etwa die Selbsteinschätzung der eigenen gesundheitli- chen Risiken, dass sie aus unserer Sicht überhaupt nicht Gegenstand einer Statistikerhebung sein dürften . Denn sie betreffen in der Tat den vom BVerfG schon im Mi- krozensus-Urteil angedeuteten höchstpersönlichen Le- bensbereich . Ich zitiere: „Eine statistische Befragung zur Person kann deshalb dort als entwürdigend und als Bedrohung des Selbstbestimmungsrechtes empfunden werden, wo sie den Bereich menschlichen Eigenlebens erfaßt, der von Natur aus Geheimnischarakter hat, und damit auch diesen inneren Bezirk zu statistisch erschließ- barem und erschließungsbedürftigem Material erklärt . Insoweit gibt es auch für den Staat der modernen Indus- triegesellschaft Sperren vor der verwaltungstechnischen ‚Entpersönlichung‘ .“ (BVerfGE 27, 1, Rdnr . 36) Man muss sich die Idee des Bereichs eines Eigenle- bens mit „von Natur aus Geheimnischarakter“ nicht zu eigen machen und gleichwohl im Hinblick auf die im Ge- setz vorgesehenen gesundheitlichen Fragen aufmerken . Allein diese Beispiele zeigen, dass es einer laufenden und gehörigen Aufmerksamkeit bedarf, um weiterhin die Anforderungen des Datenschutzes einzuhalten . Auch der Gesetzgeber muss hier wachsam bleiben . Und für uns sind einige, vor allem datenschutzrechtliche Fragen offengeblieben, die wir in unserem erweiterten Bericht- erstattergespräch aufgrund der fehlenden Teilnahme der BfDI auch nicht abschließend klären konnten . Wir wer- den deshalb diese Fragen in der nächsten Zeit noch vorle- gen und legen dieses Thema keinesfalls ad acta . Nach alledem werden Sie Verständnis haben, dass wir, insbesondere mit Blick auf die geplante vollständige Ent- fristung, dem Gesetzentwurf in dieser Form nicht zustim- men können und uns, mit Blick auf die hohe Bedeutung einer faktenbasierten Politik, enthalten werden . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 196 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 20 . Oktober 201619600 (A) (C) (B) (D) Anlage 9 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung einge- brachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Än- derung des Regionalisierungsgesetzes (Tagesord- nungspunkt 23) Dirk Fischer (Hamburg) (CDU/CSU): Die Planung, Organisation und Finanzierung für den öffentlichen Per- sonennahverkehr, ÖPNV, und damit auch für den öffent- lichen Schienenpersonennahverkehr, SPNV, wurde im Zuge der Bahnreform 1996 per Gesetz auf die Länder übertragen . Gleichzeitig mit der Regelung der Verant- wortung für den ÖPNV wurde 1994 grundgesetzlich in Artikel 106a festgelegt, dass den Ländern unbefristet aus dem Steueraufkommen des Bundes ein Betrag für den öffentlichen Personennahverkehr zusteht . Einzelheiten wurden im „Gesetz zur Regionalisierung des öffentlichen Personennahverkehrs“, dem sogenannten Regionalisie- rungsgesetz, geregelt, welches am 1 . Januar 1996 unter Artikel 4 des Eisenbahnneuordnungsgesetzes in Kraft trat . Danach erhalten die Länder jährlich einen gesetzlich festgelegten Betrag aus dem Aufkommen der Mineralöl- steuer; dies sind die Regionalisierungsmittel . Diese Mit- tel werden den Ländern zweckgebunden für Bestellun- gen von Nahverkehrsleistungen zur Verfügung gestellt, die sie in erster Linie zur Finanzierung der Verkehrsleis- tungen des SPNV, aber auch investiv zur Verbesserung des übrigen ÖPNV, sprich: Bussen und Straßenbahnen, einsetzen können . Die Bundesregierung ist nicht an der Bestellung der Leistungen im ÖPNV beteiligt und hat weder Möglich- keiten, die betrieblichen Abläufe der öffentlichen Ver- kehrsmittel in der Region zu gestalten, noch, in Fragen der Ausschreibung und Vergabe von Verkehrsleistungen einzugreifen . Das Land bzw . die Zweckverbände legen die Verkehrslinien, den Umfang und weitere Kriterien wie Takte und Fahrzeuge selbst fest . Allein von 2008, dem Jahr der letzten Anpassung des Regionalisierungsgesetzes, bis 2012 förderte der Bund den ÖPNV in den Ländern mit insgesamt über 34,5 Mil- liarden Euro . 2014 stellte der Bund jährlich 7,3 Milli- arden Euro zur Verfügung, bevor sich 2015 Bund und Länder nach Verhandlungen im Vermittlungsausschuss auf eine Summe von 8 Milliarden Euro ab 2016 und eine Dynamisierung von 1,8 Prozent jährlich ab 2017 einigen konnten . Dies machte die dritte Änderung des Regionali- sierungsgesetzes notwendig . Am 16 . Juni 2016 haben sich die Bundesregierung und die Länder auf eine nochmalige Erhöhung der Regi- onalisierungsmittel geeinigt . Damit wird eine Benachtei- ligung der ostdeutschen Länder vermieden, da aufgrund eines bereits bestehenden Verteilungsschlüssels diese Länder in den kommenden Jahren sinkende Zuweisun- gen gehabt hätten . Mit der nun vorliegenden vierten Änderung des Ge- setzes werden die 8 Milliarden Euro noch einmal um 200 Millionen Euro aufgestockt. Davon profitieren die ostdeutschen Bundesländer und das Saarland, welches 1 Million Euro aus dem Aufstockungsbetrag zusätzlich erhält . Auch die Aufstockung wird ab 2017 um 1,8 Pro- zent jährlich dynamisiert . Der Bund ist den Ländern damit weit entgegengekommen . Er entlastet die Länderhaus- halte bis ins Jahr 2031 um insgesamt über 153,67 Mil- liarden Euro . Für die bestimmungsgemäße Verwendung der Mittel sind die Länder selbst verantwortlich . Ich begrüße die für günstige Fahrscheine unserer Bürgerinnen und Bürger im ÖPNV nun zur Verfügung stehenden Mittel ausdrücklich, die maßgeblich für den Schienenpersonennahverkehr eingesetzt werden kön- nen . Die von den Ländern benannten Aufgabenträger des Schienenpersonennahverkehrs haben nun Planungssi- cherheit für die kommenden Jahre und können weiterhin in die Schieneninfrastruktur und in moderne Fahrzeuge investieren. Davon profitieren die Bundesländer, die Kommunen, die Verkehrsunternehmen und nicht zuletzt Millionen von Berufspendlerinnen und -pendler . Die Regionalisierung des SPNV ist seit den 90er-Jah- ren ein Erfolgsmodell; die Nutzerzahlen bestätigen die- se Entwicklung . Der Schienenpersonennahverkehr, aber auch der übrige ÖPNV boomen und spielen in den Jah- ren seit der Bahnreform gerade in den Ballungsräumen und im Umland eine immer wichtigere Rolle . So stieg die Anzahl der jährlich beförderten Personen im Perso- nennahverkehr der Eisenbahnen laut Statistischem Bun- desamt von 2005 bis 2015 von 2,01 Milliarden auf über 2,5 Milliarden . Über 11 Milliarden Fahrgäste nutzten 2015 Busse und Bahnen im Liniennahverkehr, das sind rund 30 Millionen Fahrgäste täglich, die damit eine Au- tofahrt vermeiden . Der Verband der Aufgabenträger für den SPNV spricht von deutlich verbesserten und aus- geweiteten Bahn- und Busangeboten, vernetzten Takt- systemen, neuen Strecken und Stationen und modernen Fahrzeugen, die seit der Regionalisierung des SPNV zu verzeichnen seien . Mit der Erhöhung und jährlichen Dynamisierung der Regionalisierungsmittel stellen wir sicher, dass die Nut- zung des SPNV und des ÖPNV für die Kunden attraktiv bleibt und sich die Züge als sichere und umweltfreund- liche Verkehrsträger weiter etablieren können . Denn ein möglichst flächendeckendes Angebot im regionalen Schienenverkehr auf Grundlage eines funktionierenden Wettbewerbs für die Bürgerinnen und Bürger ist aus mei- ner Sicht ein wichtiger Beweis für eine funktionierende staatliche Daseinsvorsorge . Ich werde als zuständiger Berichterstatter für die CDU/CSU-Fraktion im Aus- schuss für Verkehr und digitale Infrastruktur empfehlen, den vorliegenden Gesetzentwurf anzunehmen . Sebastian Hartmann (SPD): Der Nahverkehr in Deutschland ist ein Erfolgsmodell . Jedes Jahr steigt die Anzahl der Nutzer von Verkehrsleistungen im öffentli- chen Personennahverkehr, aktuell sind es 10 Milliarden Passagiere und 93 Milliarden Personenkilometer jähr- lich . Mehr als die Hälfte der letzteren, 48 Milliarden Personenkilometer, fallen allein auf der Schiene an . Der Sektor beschäftigt bundesweit fast eine Viertelmillion Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter . Wer sich vor Augen hält, dass die Benutzung von Bussen und Bahnen jeden einzelnen Tag über 20 Millionen Autokilometer einspart, Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 196 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 20 . Oktober 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 196 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 20 . Oktober 2016 19601 (A) (C) (B) (D) ist sich der wichtigen Rolle für den Klima- und Umwelt- schutz ohnehin bewusst . Die gesamtstaatliche Aufgabe der Finanzierung des Nahverkehrs, der sich Bund und Länder gemeinsam wid- men, wird mit dem jetzt eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Regionalisierungsgesetzes sichergestellt . Mit 8,2 Milliarden Euro steht ein Betrag ab 2016 zur Verfügung, der ab dem nächsten Jahr mit 1,8 Prozent jährlicher Steigerung dynamisiert wird . Er setzt sich zusammen aus 8 Milliarden Euro, die alle Bun- desländer nach dem Kieler Schlüssel aufteilen, und wei- teren 200 Millionen mit eigenem Verteilschlüssel für die ostdeutschen Bundesländer inklusive Berlin . Der Bund kommt damit seinem grundgesetzlichen Auftrag im Rah- men der Daseinsvorsorge vorbildlich nach . Dieser großartige Erfolg ist ein echtes Glanzstück, auf das die SPD-Bundestagsfraktion sehr stolz ist . Die Mittelsicherheit und ihre zweckgerechte Verwendung sichern die benötigten Investitionen in die Infrastruk- tur ebenso wie das hohe Niveau von Bestellungen und Leistungen . Wir haben den Betrag, der den Bundeslän- dern für die Durchführung ihrer Nahverkehre zufließt, um 900 Millionen Euro angehoben . Das sind mehr als 12 Prozent Aufwuchs gegenüber der Summe von 2014, dem letzten regulär aus dem Regionalisierungsgesetz von 1993 hergeleiteten Betrag . Die Dynamisierung liegt ab nächstem Jahr mit 1,8 Prozent ebenfalls über den ehe- dem 1,5 Prozent jährlich, mit denen die Regionalisie- rungsmittel vorher wuchsen . Die Regionalisierungsmittel des Bundes kompensie- ren den größten Anteil der Gesamtkosten des öffentlichen Schienenpersonennahverkehrs . 2014 wurden unter dem Vorgängergesetz aus Regionalisierungsmitteln 7,3 Milli- arden der insgesamt mehr als 10 Milliarden Euro auf- gewandt . Mit der neuen Regelung wird ein wichtiger Schritt zu einer zukunftssicheren Lösung getan . Die Länder haben sich mit dem Kieler Schlüssel eine neue, gegenüber dem alten Verteilschlüssel sachgerechtere Verteilung der Mittel untereinander geschaffen . Sie ba- siert auf den beiden wesentlichen Parametern „Einwoh- nerzahlen“ und „Zugkilometern“ und bietet damit ein besseres Abbild der tatsächlichen Bedarfslage . Der Kie- ler Schlüssel berücksichtigt natürlich, dass der Übergang von der bisherigen Verteilung auf die verabredeten Pro- portionen schrittweise erfolgen muss . Bis 2030 werden die prozentualen Anteile der Bundesländer langsam an den endgültigen Verteilschlüssel entgegengeführt . Den ostdeutschen Bundesländern steht ein zusätzlicher Betrag deshalb zur Verfügung, weil sie aus der Verteilung nach dem Kieler Schlüssel allein Einbußen hinnehmen müssten, die durch die ebenfalls jährlich um 1,8 Prozent wachsenden 200 Millionen Euro ausgeglichen werden . Die SPD-Bundestagsfraktion ist sehr zufrieden, dass da- mit jeder Eindruck einer Benachteiligung, den eine starre Anwendung des Kieler Schlüssels vermittelt hätte, ganz und gar unbegründet ist . Der NRW-Verkehrsminister Michael Groschek hat an dieser Stelle in einer frühe- ren Debatte zum Thema gesagt: „Wer das Problem der Regionalisierungsmittel zu einem Ost-West-Gegensatz konstruiert, will mit dieser Konstruktion nicht Probleme lösen, sondern er will sie für andere politische Zwecke instrumentalisieren .“ Weder den Menschen noch den Verkehren in Ost und West wird ein solcher Gegensatz gerecht . Das tatsächli- che Problem – die 200 Millionen Euro zusätzlich mildern es ab, reichen aber nicht, um es zu lösen – ist strukturell: Während im Westen vorhandene Schienenwege für den Fernverkehr auch regional den Raum gut genug erschlie- ßen, damit der Nahverkehr darauf bewegt werden kann, muss für die Versorgung im Osten diese Erschließung erst erfolgen – mithilfe einer dem eigentlichen Zweck der Regionalisierungsmittel fremden Verwendung . Jetzt herrscht Klarheit für die Bundesländer, für die Verkehrsunternehmen, für die Kommunen und am Ende für die Nutznießer des Nahverkehrs, die vielen Millio- nen Pendler . Wir schließen damit ein weiteres Kapitel aus dem Koalitionsvertrag erfolgreich ab, der 2013 die Revi- sion der Regionalisierungsmittel gefordert hatte . Damit der jetzt erzielte Erfolg nicht kannibalisiert werden kann, müssen die Trassen- und Stationspreise kontrolliert werden . Immerhin 40 Prozent der Regiona- lisierungsmittel werden für die Kosten der Nutzung von Schienenwegen und Bahnhöfen verwendet, das ist der größte Einzelfaktor in der Gesamtrechnung . Wir haben im Eisenbahnregulierungsgesetz Vorkehrungen getrof- fen, um mit einer gedeckelten Teuerungsrate der Trassen- preise kurzfristig wirksam zu verhindern . Nur mit einem wirksamen Regime lässt sich dafür sorgen, dass das Geld aus dem Regionalisierungsgesetz seinem eigentlichen Zweck dienen kann . Das wird auch in den nächsten Jah- ren stets neu zu justieren sein; denn der Regulierungs- druck ist unverändert hoch . Über allem steht das Ziel: mehr Verkehr, mehr Nahverkehr auf der Schiene . Herbert Behrens (DIE LINKE): Natürlich geht das Gesetz, wie man so schön sagt, in die richtige Richtung . Natürlich können wir von der Bundestagsfraktion Die Linke es – wohl gemeinsam mit allen anderen Fraktionen in diesem Parlament – nur begrüßen, wenn die Mittel für den Schienenpersonennahverkehr, SPNV, endlich erhöht werden . Schließlich – bzw . ein letztes Mal: natürlich – ist es richtig, wenn es diese 200 Millionen Euro als Schippe obendrauf gibt und damit diejenigen Bundesländer, die es bitter nötig haben, so im Westen das Saarland, Berlin und alle östlichen Bundesländer, einen gewissen zusätz- lichen Betrag für den SPNV erhalten . Insofern sagen wir Ja zu den neu bestimmten 8,2 Milliarden Euro, die 2016 als Regionalisierungsmittel aus dem Bundeshaushalt den Bundesländern zufließen werden. Jedoch gibt es aus unserer Sicht dreimal ein Aber, und dies mit wachsendem Nachdruck . Das erste Aber betrifft die Dynamisierung um jähr- lich 1,8 Prozent, und dies von 2017 bis zum Jahr 2031 . Nun hatten wir in den vergangenen Monaten ja fast keine Inflation mehr. An dieser kurzen Zeitspanne mögen die 1,8 Prozent jährliche Dynamisierung sich ganz gut an- fühlen . Andererseits hatten wir mehr als 35 Jahre lang erheblich hohe und weiter über den 1,8 Prozent liegende Raten der allgemeinen Preissteigerung . Selbst in den ver- gangenen Wochen gab es europaweit Anzeichen für ein Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 196 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 20 . Oktober 201619602 (A) (C) (B) (D) neues Anziehen der Inflation. Eine wesentliche Ursache für die niedrige Inflation ist der absurd niedrige Rohöl- preis, der zeitweilig bei weniger als 40 US-Dollar je Fass lag . Aktuell liegt er wieder bei über 50 Dollar . Er lag vor fünf bis sechs Jahren noch deutlich über 100 US-Dollar . Da mutet es schlicht grotesk an, wenn sich man für die nächsten 15 Jahre auf eine fixe Dynamisierungsmarge festlegt . Wesentlich einleuchtender wäre es doch, wenn man sagen würde: Die Regionalisierungsmittel werden entsprechend in dem Maß jährlich erhöht, wie sich ers- tens die offizielle, vom Bundesamt für Statistik ermittel- te jährlichen Preissteigerung erhöht, wobei zweitens der Anstieg der Entgelte für die Nutzung der Trassen, der Bahnhöfe und der Energie zu berücksichtigen ist und im korrekten prozentualen Umfang in die Höhe der Regio- nalisierungsmittel einfließen muss. Womit ich beim zweiten Aber bin, bei der Entwicklung der Entgelte für die Nutzung von Bahnhöfen, Trassen und Energie . Im Gesetzestext dazu heißt es diesbezüg- lich: „Die Dynamik des Anstiegs der Infrastrukturent- gelte, insbesondere der Stations- und Trassenentgelte im Schienenpersonennahverkehr …, ist nach Maßgabe des Eisenbahnregulierungsrechts zu begrenzen . Diese Formulierung enthält zwei gefährliche Unge- nauigkeiten . Was, bitte schön, heißt das „nach Maßgabe des Eisenbahnregulierungsrechts“? Das wird nirgendwo, auch nicht in der Begründung, ausgeführt . Es liegt nahe, dass damit die Formulierung, die „Dynamik des Anstiegs der Infrastrukturentgelte“ sei zu begrenzen, bereits rela- tiviert wird . Sodann: Es heißt ja nur, dass dieser Anstieg „zu begrenzen“ sei . Es gibt keinerlei Hinweis darauf, wie genau und wie stark begrenzt werden soll . Das ist doch die Öffnung eines Scheunentors: für massive Erhöhun- gen dieser Entgelte . Ich darf Sie darauf hinweisen, dass sich die Infra- strukturnutzungsentgelte in den letzten eineinhalb Jahr- zehnten mehr als doppelt so stark erhöht haben wie die Inflationsrate. Es waren doch diese massiv angestiege- nen Trassen- und Bahnhofsnutzungsmautgebühren, die in vielen Ländern die Möglichkeiten zur Bestellung von Schienenpersonennahverkehr einengten und gleichzei- tig den Druck auf die weichen Faktoren im SPNV, nicht zuletzt auf die Arbeitseinkommen der Beschäftigten und auf die Sozialstandards im SPNF-Bereich krass erhöh- ten . Obgleich all dies bekannt ist und obgleich wir in der Praxis erlebt haben, wie negativ sich diese massiv an- steigenden Infrastrukturnutzungsentgelte auf den SPNV auswirkten, wird auch in diesem neuen Gesetz zur Än- derung des Regionalisierungsgesetzes dem kein Riegel vorgeschoben . Ja, man sagt sehenden Auges, dass das bis 2031 so weiterlaufen könne . Wenn man als Gesetzgeber so etwas zulässt, dann wird die Deutsche Bahn AG als die Muttergesellschaft von DB Netz, von DB Station und Service und von der DB Energie GmbH dieses großzügi- ge Angebot weidlich nutzen und erneut die Spirale deut- lich gesteigerter Mauten in diesen Bereichen betreiben . Mein drittes Aber bezieht sich auf die pauschale „Se- ligsprechung“, die man im Begründungsteil des Gesetz- entwurfs lesen kann . Dort heißt es: „Das Gesetzesvor- haben trägt zu einer nachhaltigen Entwicklung bei und ist umfassend mit der Nachhaltigkeitsstrategie der Bun- desregierung vereinbar .“ Es bewirke, „dass die Schiene insgesamt gestärkt … wird“ . Dazu sage ich klipp und klar: Herr Dobrindt, werte Kolleginnen und Kollegen von CDU/CSU und SPD: Genau dies wird nicht eintre- ten . Es gibt, wie dargelegt, die Möglichkeit einer deutlich höher als 1,8 Prozent im Jahr liegenden Inflationsrate. Es gibt sodann, wie ebenfalls dargelegt, dieses von den An- tragstellern bewusst in den Gesetzestext hineingebaute Scheunentor, wonach sich insbesondere die Entgelte für die Nutzung der Infrastruktur so schnell und derart stark erhöhen können, dass sie das Wachstum der Regionali- sierungsmittel mehr als wegfressen . Schließlich heißt es im Gesetzentwurf ausdrücklich, dass der Anstieg der genannten Entgelte „insbesondere … im Schienenpersonennahverkehr“ begrenzt werden müsse . Das heißt, dass diese Entgelte im besonderen Maß in den Bereichen Schienenpersonenfernverkehr und möglicherweise auch im Segment des Schienengüterver- kehrs stärker als im Schienenpersonennahverkehr steigen können und wohl steigen werden . Bedenken wir hier, wie kritisch die Situation gerade in diesen beiden Bereichen ist . Gerade hat die Deutsche Bahn AG gegen die heftigen Proteste von sehr vielen beschlossen, den Nachtreisezugverkehr am 11 . Dezem- ber 2016 komplett einzustellen . Dabei spielte bereits eine große Rolle, dass die viel zu hohen Entgelte für die Trassennutzung dieses Schienenverkehrssegment enorm belastete . Der klassische Schienenpersonenfernverkehr befindet sich aufgrund der Erfolge der Fernbusverkehre generell in einer extrem kritischen Lage . Worauf beruht dieser Erfolg der Linienbusverkehre? Doch eben zu ei- nem erheblichen Teil auf der Tatsache, dass diese keiner- lei Maut für die Nutzung der Straßen zu entrichten haben . Im Schienengüterverkehr ist die Lage ebenfalls extrem kritisch; die Deutsche Bahn AG hat beschlossen, einen größeren Teil der Güterbahnhöfe nicht mehr anzufahren, was zu einer weiteren Einschränkung des Schienengüter- verkehrs führen wird . All das zusammen heißt ganz eindeutig: Die Schie- ne wird in Gänze durch dieses Gesetz nicht gestärkt . Die Bundesregierung verstreicht mit dem Gesetz etwas wei- ße Salbe . Insgesamt kann ich nicht erkennen, dass damit eine Politik der Nachhaltigkeit betrieben und damit end- lich eine Verkehrswende eingeleitet werden . Stephan Kühn (Dresden) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Das zähe Ringen um die Finanzierung des Nah- verkehrs auf der Schiene findet mit dem vorliegenden Entwurf zur Änderung des Regionalisierungsgesetzes ein Ende . Endlich, ist man geneigt zu sagen . Vorangegangen ist ein in Teilen unwürdiges Gezerre zwischen Bund und Ländern; man hat gestritten wie die Kesselflicker. Aber immerhin: Der Einsatz für einen besseren Nahverkehr hat sich gelohnt . Es ist vor allem der Hartnäckigkeit der Länder zu verdanken, dass der Nahverkehr auf der Schie- ne jetzt nicht nur im Status quo gesichert ist, sondern vor allem in den Ländern mit wachsenden Ballungsräumen auch weiter ausgebaut werden kann . Bei Bundesver- kehrsminister Dobrindt hatte man lange Zeit den Ein- druck, dass ihn das Thema nicht interessiert und er die Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 196 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 20 . Oktober 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 196 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 20 . Oktober 2016 19603 (A) (C) (B) (D) Bedeutung der Mittel für einen attraktiven Nahverkehr nicht richtig einschätzt . Nur zur Erinnerung: Wir reden über die dem Volumen nach wichtigste Säule der deut- schen Nahverkehrsfinanzierung. Ich will in diesem Zusammenhang auch betonen, dass die Regionalisierung des Nahverkehrs auf der Schiene zu einer verkehrspolitischen Erfolgsgeschichte unseres Landes zählt . Wir Grüne wollen, dass diese Geschichte fortgeführt werden kann . Dazu brauchen wir neben einer auskömmlichen Finanzierung in anderen Bereichen noch die richtigen Weichenstellungen . Wir alle wissen: Das System Eisenbahn wird vom Fahrgast als Gesamtsystem wahrgenommen . Nahverkehr und Fernverkehr müssen ein eng verzahntes und abgestimmtes attraktives Sys- tem bilden . Es interessiert den Fahrgast nicht, welcher Aufgabenträger oder welches Verkehrsunternehmen für einen Zug die Verantwortung trägt . Bahnreisende wollen schnell und bequem von A nach B, und das möglichst zu günstigen Preisen . Im Kontrast zu der Entwicklung des SPNV steht aber leider die Entwicklung des Fernverkehrs abseits der Bal- lungsgebiete und Fernverkehrsmagistralen . Wir erleben seit Ende der 90er-Jahre einen Rückzug des Fernverkehrs aus der Fläche . Ganze Regionen und zahlreiche Groß- städte hat die Deutsche Bahn vollständig abgehängt, oder sie hat das Angebot drastisch reduziert . Die dadurch gerissenen Lücken im Angebot haben die Ländern bzw . Aufgabenträger durch Bestellung von Nahverkehrszügen geschlossen, soweit dies finanziell zu stemmen war. Wir reden hier – vor allem in Ostdeutschland – also von Fern- verkehrsersatzleistungen . Im Sinne der Bahnreform von 1993 war die Verwen- dung von Regionalisierungsmitteln dafür eigentlich nicht vorgesehen . Fernverkehr sollte eigenwirtschaftlich or- ganisiert werden . Mehr als 20 Jahre später lehrt uns die Entwicklung etwas anderes: Wir brauchen einen neuen Rahmen, wie wir ein Zielnetz im Fernverkehr absichern, das die wichtigsten Großstädte und Regionen im Takt anbindet . Die sogenannte Fernverkehrsoffensive der Deutschen Bahn ist ein erster richtiger Schritt; aber bis- her ist zweifelhaft, ob diese Planungen am langen Ende wirklich umgesetzt werden . Der Bund nimmt bisher jedenfalls keinen Einfluss auf die Gestaltung des Fern- verkehrsnetzes . Das muss sich aus unserer Sicht ändern . Wir müssen über neue Lösungen reden . Die bisher nur in Fachkreisen diskutierte Senkung der Trassenpreise kann Teil einer möglichen Lösung sein . Denn dann würde die Wirtschaftlichkeit zahlreicher eingestellter Verbindun- gen und heutiger RE-Verkehre in einem anderen Licht erscheinen . Lassen Sie mich auch noch etwas zur Infrastruk- tur sagen . Gute Angebote auf der Schiene brauchen gut ausgebaute Strecken und Knoten . Der Ausbau der Infra- struktur ist ja derzeit durch die Beratungen zum Bundes- verkehrswegeplan 2030 in aller Munde . Was aus unserer Sicht bisher zu kurz kommt, ist die weitere Elektrifizie- rung des Eisenbahnnetzes . Sicher haben es auch einige Elektrifizierungsvorhaben in den Vordringlichen Bedarf geschafft . Wir müssen aber allein aus klima- und ener- giepolitischen Gründen den Elektrifizierungsgrad des Schienennetzes, der heute bei 60 Prozent liegt, erhöhen . So hat es die Verkehrsministerkonferenz Anfang des Mo- nats auch gefordert . Natürlich sind bei diesen in Rede stehenden Strecken auch die Länder gefordert, ihren Teil zu den Investitionen beizutragen . Die Regionalisierungs- mittel erlauben solche Investitionen in die Infrastruktur . Neben den positiven Umwelteffekten von elektrifizierten Strecken wird infrastrukturseitig so eine Voraussetzung für die Wiederanbindung im Fernverkehr geschaffen . Enak Ferlemann, Parl . Staatssekretär beim Bundes- minister für Verkehr und digitale Infrastruktur: Mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Vierten Änderung des Regio- nalisierungsgesetzes wird nun der noch ausstehende Teil der Einigung zwischen Bund und Ländern vorgelegt . Ich darf an die Situation im Herbst des vergangenen Jahres erinnern: Fast ein Jahr hatten Bund und Länder um eine Einigung beim Thema Regionalisierung gerun- gen, bevor sich die Vertreter von Bundestag und Bundes- rat im Vermittlungsausschuss einigten: Für das Jahr 2015 stiegen die Regionalisierungsmittel um 1,5 Prozent auf dann rund 7,4 Milliarden Euro . Horizontal wurden diese Mittel nach dem bisher gültigen Verteilerschlüssel des alten Regionalisierungsgesetzes verteilt . Ab 2016 stellte der Bund den Ländern dann 8 Milliarden Euro zur Verfü- gung, die dann ab 2017 und bis einschließlich 2031 um jährlich um 1,8 Prozent dynamisiert werden . Keine Einigung gab es jedoch bezüglich der horizon- talen Verteilung der Mittel unter den Ländern ab 2016, da kein gemeinsames Verständnis über den von den Ländern entwickelten „Kieler Schlüssel“ erzielt werden konnte . Um das Vermittlungsverfahren mit seinen übrigen Bau- steinen dennoch abschließen zu können, wurde die Eini- gung über die horizontale Verteilung der Mittel vertagt, wobei der Bund gemeinsam mit den Ländern unverzüg- lich eine Rechtsverordnung erarbeiten sollte . Die Diskussion unter den Ländern wurde dadurch noch einmal befeuert . Es gelang erst am 16 . Juni 2016 in einer Besprechung der Bundeskanzlerin mit den Re- gierungschefinnen und Regierungschefs der Länder, eine Lösung zu finden: Dies geschah, indem der „Kieler Schlüssel“ als Maßstab der Verteilung für die 8,0 Milli- arden Euro akzeptiert und gleichzeitig die Mittel ab 2016 noch einmal um 200 Millionen Euro erhöht wurden, um damit die Nachteile der ostdeutschen Bundesländer und des Saarlandes auszugleichen . Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Sachsen, Thüringen und das Saarland hätten sonst gegenüber der ursprünglichen Verteilung unverhältnismäßig hohe Verluste hinnehmen müssen . Selbstverständlich werden auch die zusätzlichen Regionalisierungsmittel jährlich mit 1,8 Prozent dynamisiert . In Übereinstimmung mit dem Beschluss bei der Be- sprechung der Bundeskanzlerin mit den Regierungs- chefinnen und Regierungschefs der Länder haben die betroffenen Bundesländer dem BMVI dann den Vertei- lungsschlüssel für die zusätzliche Summe von 200 Milli- onen Euro mitgeteilt . Erst dann lagen in unserem Hause alle notwendigen Informationen vor, um einen neuen Ge- setzentwurf zu erarbeiten und im Ressortkreis abzustim- men . Mit dem Gesetzentwurf werden nun rückwirkend Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 196 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 20 . Oktober 201619604 (A) (C) (B) (D) zum 1 . Januar 2016 und bis einschließlich 2031 die Höhe und die horizontale Verteilung der Regionalisierungsmit- tel geregelt . Im Rahmen der Länder- und Verbändeanhörung zum Referentenentwurf haben uns verschiedene Stellung- nahmen der Länder erreicht, die auf eine Überarbeitung und Konkretisierung des Verwendungsnachweises – jetzt Anlage 3 des Gesetzentwurfes – zielten . Auch für mein Haus ist es von Bedeutung, dass der Nachweis über die Verwendung der Mittel transparent, aber gleichzeitig mit so geringem Aufwand wie möglich erfolgen kann . Wir haben daher diese Hinweise aufgenommen und den Ver- wendungsnachweis redaktionell angepasst . Es wurden mit diesem Gesetzentwurf jedoch keine inhaltlichen Anpassungen des Verwendungsnachweises vorgenommen . Im Gegenteil: Es sind nur die Daten und Informationen zu den Verkehrsverträgen angefordert, auf die sich der Vermittlungsausschuss geeinigt hatte und die bereits in der vorangegangenen Gesetzesnovelle von Bundestag und Bundesrat beschlossen wurden . Zum weiteren Verfahren möchte ich ergänzen: Wir haben diesen Gesetzentwurf als besonders eilbedürftig im Sinne von Artikel 76 Absatz 2 Satz 4 GG deklariert, um die Fristen im Gesetzgebungsverfahren verkürzen zu können . Dies ist entscheidend, damit wir noch in diesem Jahr das neue Regionalisierungsgesetz verkünden kön- nen . Erst dann ist die gesetzliche Grundlage vorhanden, um die entsprechenden Auszahlungen an die Länder vor- nehmen können, was bisher nur unter Vorbehalt gesche- hen ist . Auch diese Auszahlungen sollten noch im laufen- den Jahr 2016 zugunsten der Länder erfolgen . Ich hoffe daher auf Ihre Unterstützung und zähle auch auf die Unterstützung der Länderkollegen, damit wir die- ses Vorhaben nun zügig abschließen können . Es ist gutes Gesetz für den Nahverkehr in Deutschland . Anlage 10 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung der Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung (Tagesordnungspunkt 24) Uwe Feiler (CDU/CSU): Die Schwarzarbeit ist so alt wie die Steuer oder die Sozialversicherung selbst . Schon immer gab es neben den vielen ehrlichen Steuerzahlen vermeintlich Findige, die sich auf Kosten der Gemein- schaft bereichern wollten. Sei es aus finanzieller Not oder reinem Profitstreben – Schwarzarbeit ist keine Bagatelle, sondern schädigt uns alle, oft aber auch diejenigen, die in diesen illegalen Beschäftigungsverhältnissen arbeiten . Sie sind nicht renten-, kranken- und unfallversichert und entziehen den öffentlichen Haushalten und Sozialversi- cherungsträgern wichtige Einnahmen . Weiterhin verzerrt Schwarzarbeit den Wettbewerb, indem durch den Betrug Vorteile gegenüber den rechtschaffenden Unternehmen erschlichen werden . Die Finanzkontrolle Schwarzarbeit der Zollverwal- tung des Bundes hat in den vergangenen Jahren große Fortschritte bei der Bekämpfung der illegalen Beschäfti- gung erzielt . Dennoch sind weitere gesetzliche Regelun- gen notwendig, um der kriminellen Energie noch wirk- samer entgegentreten zu können, Schnittstellenprobleme zu minimieren und durch eine leistungsfähige IT-Infra- struktur die Ermittlungs- und Strafverfolgungsbehörden bei ihrer wichtigen Arbeit zu unterstützen . Der vorliegen- de Gesetzentwurf knüpft dabei an drei Punkten an . Erstens . Durch die Novellierung des Schwarzarbeits- bekämpfungsgesetzes wollen wir ein neues IT-Verfahren einführen, das erstmals mit einer einheitlichen Datenbank ein zentrales Informationssystem darstellt . Außerdem wollen wir den Landesbehörden eigene Prüfungsbefug- nisse einräumen, damit sie ihre Aufgaben nach den hand- werks- und gewerberechtlichen Bestimmungen besser wahrnehmen können . Das beinhaltet auch, gemäß § 21 Absatz 1 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes, Be- triebe nicht mehr nur von der Vergabe öffentlicher Bau- aufträge auszuschließen, sondern auch von Liefer- und Dienstleistungsaufträgen, da Schwarzarbeit zwar häufig im Baugewerbe anzutreffen ist, aber auch die Dienstleis- tungsbranche nicht frei davon ist . Zweitens . Wir stärken die Zollverwaltung, indem wir ihr über die Ahndung von Meldeverstößen hinaus auch die Verfolgung von Tatbeständen zuweisen, die bisher von der Einzugsstelle gemäß § 112 Absatz 1 Nummer 4 des SGB IV wahrgenommen wurden . Damit führen wir beim Zoll sowohl das Prüfungs- als auch das Ermitt- lungsverfahren zusammen . Drittens . Mit einer Änderung des Straßenverkehrs- gesetzes erhält auch die Finanzkontrolle Schwarzarbeit Zugriff auf den automatisierten Zugriff von Fahrzeug- und Halterdaten von Kraftfahrzeugen . Schon jetzt fragt der Zoll zum Abgleich von melde- und sozialversiche- rungsrechtlichen Angaben beim Kraftfahrt-Bundesamt Informationen ab . Bisher musste jede Anfrage manuell bearbeitet werden, was sich in der Praxis als langsam und fehleranfällig erwies . Der automatische Austausch wird die Arbeit für beide Seiten stark vereinfachen . Offen gezeigt hat sich die Bundesregierung unter an- derem auch für Anregungen des Bundesrats, auch das Personenbeförderungsgewerbe mit zu erfassen und die nach Landesrecht zuständigen Behörden in den Kreis der Kooperationsbehörden mit aufzunehmen . Diesen Vor- schlag unterstütze ich ausdrücklich . Mit diesem Gesetz stärken wir den Zoll in seinem Bemühen, Schwarzarbeit zu bekämpfen, Steuer- und Sozialversicherungsbetrug zu bekämpfen und den Infor- mationsaustausch zwischen den beteiligten Bundes- und Landesbehörden auszubauen . Ingrid Arndt-Brauer (SPD): Schwarzarbeit ist un- sozial: Dem Staat werden Steuern und Sozialabgaben vorenthalten, und gesetzestreue Unternehmen können im Wettbewerb gegen die illegal handelnden Anbieter, die oft erheblich günstigere Angebote abgeben, nicht beste- hen und werden so in ihrer Existenz bedroht . Dies führt Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 196 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 20 . Oktober 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 196 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 20 . Oktober 2016 19605 (A) (C) (B) (D) zum Verlust von legalen Arbeitsplätzen und verhindert die Schaffung neuer legaler Arbeitsplätze . Zusätzlich schädigen illegale Beschäftigungsverhält- nisse rechtstreue Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die mit ihren Sozialversicherungsbeiträgen die entstehen- den Ausfälle ausgleichen müssen . Die Bekämpfung der Schwarzarbeit ist daher ein zentrales Anliegen der Bun- desregierung, das wir im Koalitionsvertrag festgelegt haben . Das jetzt vorgelegte Gesetz zur Stärkung der Bekämp- fung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung verbessert die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Prüfungs- und Ermittlungstätigkeiten der Finanzkontrol- le Schwarzarbeit und der zuständigen Landesbehörden und schafft die Voraussetzungen für die Optimierung der informationstechnologischen Ausstattung der Fi- nanzkontrolle . Es stellt somit einen weiteren Baustein des wichtigen Zieles dar, die Rahmenbedingungen zur Schwarzarbeitsbekämpfung zu verbessern . Eine wesentliche Neuregelung ist die Schaffung eines neuen zentralen Informationssystems, das die bislang verwendete Zentrale Datenbank ersetzen soll . Vorgangs- bearbeitung und -verwaltung durch die Zollverwaltung sollen sich dadurch effizienter gestalten, und Informati- onen sollen sich besser verknüpfen lassen können . Dem Zoll soll es künftig möglich sein, mithilfe der neuen Da- tenbank vor Ort rascher Abfragen und Analysen durch- zuführen . Die neue Datenbank ermöglicht zum Beispiel auch einen Zugriff auf Berichte und Statistiken zu Ver- stößen gegen das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz . Der Zoll kann so effektiver reagieren . Die bessere Da- tenstruktur dient dem Ziel, die Erfolgsaussichten der Er- mittlungstätigkeiten der Finanzkontrolle Schwarzarbeit zu erhöhen . Der Gesetzentwurf weitet zudem die Verfolgungszu- ständigkeit der Zollverwaltungsbehörden aus, und zwar auf die Fälle, in denen die Zollbehörden bei einem Prü- fungs- und Ermittlungsverfahrens Ordnungswidrigkeiten festgestellt haben . Verstöße gegen das Schwarzarbeitsge- setz mit Bußgeldern können künftig durch die Behörden der Zollverwaltung im Ordnungswidrigkeitsverfahren selbst verfolgt werden . Das trägt wesentlich zur Verfah- rensvereinfachung bei, da auf diese Weise die von den Kontrolleuren der Finanzkontrolle Schwarzarbeit festge- stellten Meldeverstöße bei der Zollverwaltung gebündelt und der Verwaltungsaufwand damit reduziert werden kann . Der Bundesrat hat in seiner Stellungahme Ergänzun- gen vorgeschlagen . Die nach Landesrecht zuständigen Behörden sollen beim Personenbeförderungsgewerbe stärker in die Zusammenarbeit mit den Zollverwaltungen eingebunden werden . Das halte ich für absolut richtig, denn Taxi-, Miet- und Ausflugsverkehrsgewerbe sind be- sonders von Schwarzarbeit betroffen . Künftig soll es den zuständigen Landesbehörden zudem möglich sein, Ord- nungswidrigkeiten, die in ihren Geschäftsbereich fallen, also die Bekämpfung der Handwerks- und der gewerb- lichen Schwarzarbeit, zu ahnden . Die Bundesregierung stimmte den Anregungen der Länder zu . Ein weiteres Anliegen der Länderkammer, nämlich die Möglichkeit einer automatisierten Abrufmöglichkeit für Daten aus dem Zentralen Fahrzeugregister, wird derzeit noch ge- prüft . Der Zentralverband des Deutschen Handwerks, ZDH, der Zentralverband Deutsches Baugewerbe, ZDB, der Deutsche Gewerkschaftsbund, DGB, der Deutsche Be- amtenbund, dbb, der Bund der Deutschen Zollbeamten, BDZ, sowie der Deutsche Städtetag und der Deutsche Landkreistag haben die Regelungen des Gesetzesent- wurfs überwiegend begrüßt . Auf Wunsch des BMF soll zudem eine Befreiung bei der Kraftfahrzeugsteuer klarstellend in das Gesetz mit aufgenommen werden . Die Befreiung beruht auf einer EU-Richtlinie aus dem Jahr 1983 – 1983! –, die der Ver- meidung der Doppelbesteuerung in mehreren EU-Mit- gliedstaaten dient . Diese wurde bei uns bisher nur durch Verwaltungsvorschriften, etwa durch Erlasse, berück- sichtigt . Die Befreiung betrifft die vorübergehende Nutzung von Personenfahrzeugen im Inland durch Privatpersonen aus anderen EU-Mitgliedstaaten . Diese sind in bestimm- ten Fällen steuerbefreit, zum Beispiel bei befristeter be- ruflicher Nutzung oder durch Studenten und dauerhaft bei Berufspendlern . Die EU-Kommission hat deswegen ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland an- gekündigt . Mit der rein technischen klarstellenden An- passung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes wird das Ver- tragsverletzungsverfahren verhindert werden . Insgesamt besteht in nahezu allen Regelungsbereichen des Gesetzentwurfes bereits Konsens zwischen Bund und Ländern . Daher bin ich optimistisch, dass wir die Beratungen des Gesetzentwurfes in den Parlamentsgre- mien in den nächsten Wochen ohne Verzögerung rasch abschließen können . Richard Pitterle (DIE LINKE): Für das Jahr 2016 gehen Schätzungen davon aus, dass Schwarzarbeit im Wert von 336 Milliarden Euro in Deutschland erbracht wird . Das entspricht ungefähr 70 Milliarden Euro Ein- nahmeausfällen des Staates bei Steuern und Sozialversi- cherung . Mit Fug und Recht muss man sagen: Schwarz- arbeit ist kein Kavaliersdelikt, sondern Kriminalität, die allen schadet . Nun ist das aber kein neues Phänomen . So beraten wir heute einen Gesetzentwurf mit dem ambi- tionierten Ziel, die Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung zu stärken . Zweifellos ist das dringend nötig . Vor 14 Jahren betrug das Volumen der Schwarzarbeit 350 Milliarden Euro . Das ist nur scheinbar mehr als heute . Aber Schwarzarbei- ter führen keine Bücher, sodass nur der Befund bleibt: Es hat sich nichts geändert . Schlimmer noch: Das derzeitige Vorgehen gegen Schwarzarbeit entpuppt sich als voll- kommen ineffektiv . Nach der amtlichen Statistik für das Jahr 2015 der Zollverwaltung, die für die Bekämpfung zuständig ist, wurden 130 000 Ermittlungsverfahren ein- geleitet, 43 000 Arbeitgeber geprüft, 360 000 Befragun- gen durchgeführt und eine Schadenssumme von knapp 1 Milliarden Euro aufgedeckt . Das klingt nach viel, ent- spricht aber nur einer Aufklärungsquote im unteren ein- stelligen Prozentbereich . Dieser Befund ist erschütternd . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 196 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 20 . Oktober 201619606 (A) (C) (B) (D) Das von SPD und Grünen 2004 vollmundig auf den Weg gebrachte reformierte Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung kann nur als gescheitert betrachtet werden . Der vorliegende Entwurf wird daran nichts ändern . Natürlich begrüßen wir, dass Sie das Gesetz um in der Praxis irrelevante Ordnungswidrigkeiten und Strafnor- men bereinigen . Aber das machen Sie nicht konsequent . Ob Gewerbeordnung, Handwerksordnung oder Mindest- lohngesetz, all diese Gesetze enthalten bereits Ordnungs- widrigkeiten und Strafnormen, die nicht wiederholt wer- den müssen . Natürlich beglückwünschen wir Sie auch zu der Er- kenntnis eines Jurastudenten im zweiten Semester, dass im Verwaltungsrecht Aufgabennorm nicht gleichbedeu- tend mit Befugnisnorm ist, wenn Sie mit dem vorliegen- den Entwurf nun nach zwölf Jahren endlich den adres- sierten Ordnungsbehörden auch Rechte zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben einräumen . Natürlich sind wir beeindruckt, dass Sie es nach mehr als einem halben Jahr schon schaffen, eine Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen auch in diesem Gesetz nachzuvollziehen . Den Rechtsanwender freut es; denn nun verweist § 21 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgeset- zes bald nicht mehr ins rechtliche Nirvana . Wie so oft in der Regierungszeit der großen Koalition aus SPD und CDU/CSU ist auch hier bereits der Titel nur eine Mogelpackung . Er soll darüber hinwegtäuschen, dass es sich nur um einen Minimalkonsens ohne ernst- haften Regelungsgehalt für einen weiteren Haken im Koalitionsvertrag handelt . Der weitaus größte Teil der Schwarzarbeit wird in Form organisierter Kriminalität und rund um das Baugewerbe geleistet . Vor diesem Hin- tergrund war schon der Ansatz des Gesetzgebers 2004 vollkommen falsch, mit „Öffentlichkeitsarbeit“ und der Schaffung eines „Unrechtsbewusstseins in der Bevölke- rung“ Schwarzarbeit bekämpfen zu wollen . Der organisierten Kriminalität sind Ihre Öffentlich- keitsarbeit und das Unrechtsbewusstsein der allgemeinen Bevölkerung völlig schnuppe, wie nicht zuletzt die Zah- len belegen. Solange Sie aber die hochqualifizierten Be- amten des Zolls vergessene Gewerbeanmeldungen und verpennte Reisegewerbekarten prüfen lassen, solange der Häuslebauer mit seinem Handwerker ohne Meisterbrief im Fokus der Ermittlungen steht und als „Schwarzarbei- ter“ genauso behandelt und kriminalisiert wird wie Men- schenhändler und Sklavenhalter auf Großbaustellen, ist der Kampf gegen Schwarzarbeit verloren . Nur wenn die begrenzten personellen und sachlichen Ressourcen mit Blick auf das organisierte Verbrechen gebündelt werden, wird sich auch ein Erfolg im Kampf gegen die Schwarz- arbeit einstellen . Dafür ist aber Ihr Gesetzentwurf völlig ungeeignet . Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Be- kämpfung der Schwarzarbeit ist ein besonders wichtiges Anliegen; denn Schwarzarbeit stellt in unserer Gesell- schaft ein großes Problem dar . Sie schadet der Volks- wirtschaft und der Allgemeinheit: unter anderem durch Steuerhinterziehung und Beitragsausfälle bei den So- zialversicherungen . Der Gesetzentwurf weist zu Recht auf die Wettbewerbsverzerrungen hin, die durch unred- liche Arbeitgeber ausgelöst werden, also durch Arbeit- geber, die keine Steuern und Sozialversicherungen auf den Lohn ihrer Mitarbeiter abführen . Mit den so entste- henden Dumping-Löhnen können ehrliche Arbeitgeber kaum mithalten . Schwarzarbeit vernichtet ehrliche Jobs bzw . lässt sie gar nicht erst entstehen . Das Ziel des vorlie- genden Gesetzentwurfs unterstützen wir daher uneinge- schränkt . Die wichtige Arbeit des Zolls, neben dem, dass er im Übrigen im Jahr 2015 mit fast 133 Milliarden Euro rund die Hälfte der Steuern des Bundes eingenommen hat, wird hoffentlich dadurch weiter verbessert . Bei meinem Besuch bei der Finanzkontrolle Schwarz- arbeit in Berlin im vergangenen Jahr konnte ich mir per- sönlich ein Bild von der Arbeit der Beamten machen . Ich konnte sie direkt vor Ort bei einem Einsatz auf einer Großbaustelle begleiten . Beeindruckt war ich von dem effektiven und organisierten Vorgehen . Was ich aber auch mitgenommen habe, ist, dass ein Abgleich von Daten in Verdachtsfällen derzeit noch Schwierigkeiten bereitet . Das Anliegen des Gesetzentwurfs, die IT-Ausstattung zu verbessern, um einen reibungslosen und vor allem zeitsparenden Einsatz zu ermöglichen, halte ich eben- falls für notwendig . Nach meinem Kenntnisstand erfolgt derzeit zum Beispiel eine Abfrage beim Kraftfahrt-Bun- desamt zu Autohaltern noch per Faxgerät . Zeitnahe Er- gebnisse sind so selbstverständlich nicht zu erwarten . Ein automatisiertes Abrufverfahren beim Kraftfahrt-Bundes- amt ist richtig . Es kann zu einer Zeitersparnis führen, die die Arbeit der Beamten entscheidend effektiviert . Im Zusammenhang mit dem angekündigten Aufbau eines einheitlichen Datenbanksystems und der Imple- mentierung eines neuen IT-Systems werden wir Grüne selbstverständlich besonderen Wert auf den Datenschutz legen . Auch bei der Finanzkontrolle Schwarzarbeit ist es wichtiger, die richtigen Daten zu sammeln und sinnvoll auszuwerten, als möglichst viele Daten zu erheben . Die Arbeit der Finanzkontrolle Schwarzarbeit würde aber außer von diesem Gesetz auch entscheidend davon profitieren, wenn Bundesfinanzministerium und CDU/ CSU endlich ihren Widerstand gegen die technikneutrale Zulassung von manipulationssicheren Registrierkassen aufgeben würden . Das laufende Gesetzesverfahren dazu droht aus unserer Sicht zur Farce zu verkommen . Dabei ist klar: Viel Arbeit bliebe der Finanzkontrolle erspart, viel Unterstützung würden die neuen Belege bei der Ver- folgung von Schwarzarbeit bedeuten . Außerdem werden die vorhergesagten positiven Wir- kungen des vorliegenden Gesetzentwurfs sicher verpuf- fen, wenn die Personalausstattung der Finanzkontrolle Schwarzarbeit nicht angepasst wird . Wie wir wissen, ist zur Überwachung der branchenspezifischen Mindestlöh- ne ab 2015 die Überprüfung der flächendeckenden ge- setzlichen Mindestlöhne dazugekommen – eine giganti- sche Aufgabe . Aber die Personalbesetzung und -planung passt nicht dazu . Von 6 865 Planstellen sind 545 derzeit nicht be- setzt . Zählt man die Mitarbeiter hinzu, die an andere Be- hörden ausgeliehen waren, so fehlen heute schon über Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 196 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 20 . Oktober 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 196 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 20 . Oktober 2016 19607 (A) (C) (B) (D) 700 Beamte . Von den 1 600 neuen Stellen zur Überwa- chung der Mindestlöhne ist nach unserer Kenntnis bis heute keine einzige besetzt . Diese neuen Stellen sollen erst ab 2017 zur Verfügung gestellt werden . Realistisch geschätzt kann mit etwa 160 Neueinstellungen pro Jahr gerechnet werden . Das ist zu wenig, um die Überlastung der FKS abzumildern . Wenn der Gesetzentwurf jetzt noch behauptet, dass etwaiger Mehrbedarf an Perso- nalmitteln innerhalb der vorhandenen Kapazitäten auf- gefangen werden kann, dann sage ich Ihnen: Das kann und wird nicht funktionieren . Hier müssen Sie dringend nachbessern, und zwar sowohl bei den Stellen als auch bei den Ausbildungskapazitäten . Dr. Michael Meister, Parl . Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Die Bekämpfung der Schwarzarbeit und der illegalen Beschäftigung war und ist eine wichtige gesamtgesellschaftliche Aufgabe . Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung vernichten dauerhaft legale Arbeitsplätze, erhöhen damit die Ar- beitslosigkeit und bringen den Staat um Steuern und die Sozialversicherungen um Beiträge . Für die Bekämpfung von Schwarzarbeit und illegaler Beschäftigung ist in Deutschland im Wesentlichen – aber nicht nur – die Fi- nanzkontrolle Schwarzarbeit der Bundeszollverwaltung zuständig . Grundlage für ihre Tätigkeit ist das Schwarz- arbeitsbekämpfungsgesetz . Im Koalitionsvertrag für diese Legislaturperiode wurde vereinbart, zur Verbesserung der Bekämpfung des Sozialversicherungsbetrugs, der Schwarzarbeit und der illegalen Beschäftigung die rechtlichen Rahmenbe- dingungen im Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz und in der Gewerbeordnung sowie die personelle und in- formationstechnologische Ausstattung der Finanzkon- trolle Schwarzarbeit zu verbessern und wirkungsvoller auszugestalten . Als ein erster Baustein zur Umsetzung dieses Auftrages wurden im Jahr 2014 zum Beispiel die Gewerbeämter als Zusammenarbeitsbehörden der Fi- nanzkontrolle Schwarzarbeit in das Schwarzarbeitsbe- kämpfungsgesetz aufgenommen . Zeitgleich wurde in der Gewerbeanzeigeverordnung eine Regelung eingeführt, die eine effektivere Bekämpfung der Scheinselbststän- digkeit ermöglicht . Die Gewerbebehörden sind nun be- fugt, etwaige Anhaltspunkte auf Scheinselbstständigkeit oder sonstige Erkenntnisse auf Schwarzarbeit an den Zoll zu übermitteln . Seit dem 1 . Januar 2015 gilt der allgemeine gesetzli- che Mindestlohn . Die Überprüfung der Einhaltung dieser Pflicht ist der Finanzkontrolle Schwarzarbeit übertragen worden . Vor dem Hintergrund dieses Aufgabenzuwach- ses sind der Zollverwaltung in einem zweiten Baustein im Bundeshaushalt 2015 insgesamt 1 600 zusätzliche Planstellen zuerkannt worden, die in den Haushaltsjahren 2017 bis 2022 zur Verfügung gestellt werden . Die per- sonelle Ausstattung der Finanzkontrolle Schwarzarbeit wird damit an den Aufgabenzuwachs angepasst . Im Zusammenhang mit der Einführung des gesetzli- chen Mindestlohns hat die Finanzkontrolle Schwarzar- beit auch die Schwerpunkte ihrer Tätigkeit neu definiert. Im Fokus der Aufgabenwahrnehmung steht neben der Prüfung aller Mindestlohnpflichten die Verfolgung or- ganisierter Formen der Schwarzarbeit . Die oftmals kom- plexen Prüf- und Ermittlungsverfahren erfordern ebenso wie umfangreiche Mindestlohnprüfungen einen hohen zeitlichen Aufwand . Um diesen Weg jetzt konsequent weiterzuverfolgen, hat der Ihnen vorliegende Gesetzentwurf – nunmehr als dritter Baustein – mit Änderungen im Schwarzarbeitsbe- kämpfungsgesetz, aber auch im Vierten Buch Sozialge- setzbuch und im Straßenverkehrsgesetz die rechtlichen Rahmenbedingungen zur Bekämpfung von Schwarzar- beit und illegaler Beschäftigung weiter zu verbessern . Im Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz müssen vor allem die rechtlichen Grundlagen für eine zukunftsfähige informa- tionstechnologische Ausstattung der Zollverwaltung im Bereich Finanzkontrolle Schwarzarbeit geschaffen wer- den . Ein modernes IT-Verfahren, das bei der täglichen Aufgabenerfüllung den fachlichen und technischen An- sprüchen und Anforderungen gerecht wird, ist selbstver- ständlich auch für die Zöllnerinnen und Zöllner der FKS unerlässlich . Daneben ist es wichtig, auch anderen mit der Bekämpfung von Schwarzarbeit beauftragten Stellen wirkungsvollere Instrumente an die Hand zu geben . Ich sagte es eingangs: Nicht nur die Zollverwaltung ist bei der Bekämpfung der Schwarzarbeit aktiv . Durch eine verstärkte Zusammenarbeit mit den in die Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäfti- gung involvierten anderen Bundes- und vor allem Lan- des- und Kommunalbehörden erhöht die Finanzkontrolle Schwarzarbeit bereits seit Jahren den Verfolgungsdruck . Zudem haben die nach Landesrecht zuständigen Kom- munalbehörden eigene Aufgaben nach dem Schwarz- arbeitsbekämpfungsgesetz . Die Bekämpfung der hand- werks- und gewerberechtlichen Schwarzarbeit fällt in ihren Zuständigkeitsbereich . Wer Dienst- oder Werkleis- tungen erbringt und seiner Pflicht zur Anzeige seines Ge- werbes nicht nachkommt, verrichtet Schwarzarbeit . Wer ein Handwerk selbstständig betreibt, ohne in die Hand- werksrolle eingetragen zu sein, verrichtet Schwarzarbeit . Um auf diesem Gebiet wirkungsvoller agieren zu kön- nen, erhalten die nach Landesrecht zuständigen Behörden nunmehr passend zu ihren Aufgaben im Schwarzarbeits- bekämpfungsgesetz an dieser Stelle eigene Befugnisse . Zur Überprüfung Gewerbetreibender sind auch sie künf- tig befugt, Grundstücke zu betreten und dort tätige Perso- nen zu ihrer Tätigkeit zu befragen . Flankierend erfolgt eine Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch . Hier wurde ein Wunsch aus der Er- mittlungspraxis der Finanzkontrolle Schwarzarbeit auf- gegriffen . So sind die Zöllnerinnen und Zöllner künftig auch für die Ahndung von sozialversicherungspflichtigen Meldeverstößen zuständig, wenn die Verstöße erst in ei- nem bereits laufenden Ermittlungsverfahren aufgedeckt werden. Dies erhöht die Effizienz des Verwaltungshan- delns . Bislang mussten diese Verfahren an die Einzugs- stellen der Krankenkassen zur weiteren Bearbeitung ab- gegeben werden . Durch die Änderung des Straßenverkehrsgesetzes erhält die Finanzkontrolle Schwarzarbeit zudem einen automatisierten Zugriff auf das Zentrale Fahrzeugregis- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 196 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 20 . Oktober 201619608 (A) (C) (B) (D) ter des Kraftfahrt-Bundesamtes . Den Bediensteten der Finanzkontrolle Schwarzarbeit stehen wichtige Informa- tionen künftig unmittelbar zur Verfügung . Damit werden Prüfungen und Ermittlungen besonders in für Schwarz- arbeit und illegale Beschäftigung anfälligen Branchen schneller und vor allem zielgerichteter und wirkungsvol- ler . Sie sehen, wir haben die Bekämpfung von Schwarz- arbeit und illegaler Beschäftigung in Deutschland in den letzten Jahren erfolgreich intensiviert . Ich bin zuversicht- lich, dass uns dies mit dem vorliegenden Gesetzentwurf weiter gelingen wird . Ich freue mich daher auf die Beratungen in den Fach- ausschüssen . Anlage 11 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung ein- gebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung der Insolvenzordnung (Tagesordnungs- punkt 25) Dr. Heribert Hirte (CDU/CSU): Mit seinem Urteil vom 9 . Juni 2016, Aktenzeichen IX ZR 314/14, mag der Bundesgerichtshof ein rechtlich nicht zu beanstandendes Urteil gesprochen haben; ob die Lösung volkswirtschaft- lich und politisch richtig war, gilt es in diesem Haus zu entscheiden, und es gilt, diese dann gegebenenfalls zu korrigieren . Ich darf in Erinnerung rufen: Der BGH hat in sei- nem Urteil die Verwendung bestimmter sogenannter Close-out-Netting-Clauses, also insolvenzrechtlicher Lösungsklauseln mit Saldoausgleich, für unwirksam er- klärt . Damit hat der IX . Zivilsenat des BGH deutlich ei- nes der Grundprinzipien des deutschen Insolvenzrechts, nämlich die Entscheidung über die Betriebsfortführung in die Hände des Insolvenzverwalters zu legen, unter- strichen . § 103 der Insolvenzordnung, der dieses Prinzip postuliert, ist auch völlig richtig und wichtig: Es muss in der Hand des Insolvenzverwalters liegen, welche Verträ- ge eines insolventen Unternehmens fortgeführt werden und welche nicht . Würde man diese Entscheidung in die Hände der Gläubiger legen oder grundsätzlich eine auto- matische Vertragsbeendigung mit Eintritt der Insolvenz zulassen, dann hätte das insolvente Unternehmen weder Kunden noch Lieferanten und müsste mangels mögli- chen Geschäftsbetriebs in jedem Fall gleich abgewickelt, sprich: zerschlagen, werden . Die von § 1 Insolvenzord- nung deutlich intendierte Betriebsfortführung verbunden mit dem Erhalt von Arbeitsplätzen wäre unmöglich . So richtig diese beiden Prinzipien wirken und auch sind, so wichtig sind an dieser Stelle jedoch die Ausnah- me des § 104 Insolvenzordnung und die Möglichkeit, in bestimmten Fällen gegenseitige Forderungen über die Möglichkeit der echten Aufrechnung hinaus, § 94 Insol- venzordnung, zu verrechnen und auch Verträge mit Ein- tritt der Insolvenz enden zu lassen . Lassen Sie mich mit dem letzten Punkt beginnen: Deutsches, europäisches und internationales Banken- aufsichtsrecht sehen vor, dass bei Verwendung von Ver- trägen, welche sogenannte Close-out-Netting-Clauses enthalten, nur eine geringere Höhe von Eigenkapital vor- gehalten werden muss . Das ist auch richtig: Weil im Fal- le einer Insolvenz nur ein negativer Saldo und nicht die Summe einzelner Forderungen abfließen kann, hält die Aufsicht solche Verträge für die entsprechenden Banken für weniger risikoreich als solche ohne diese Klauseln . Eine Fortführung der Geschäfte ohne Netting-Klauseln würde entsprechend als risikoreicher bewertet, ohne dass sich durch die Klausel am tatsächlichen Risiko des Ge- schäfts etwas ändert . Nachdem wir gerade erreicht haben, dass die Kapital- ausstattung deutscher Banken wieder ausreichend ist und weitere gesamtwirtschaftliche Krisen aktuell nicht zu er- warten sind, wäre es sicher unangemessen, nur im Hin- blick auf eine andere Beurteilung von Vertragsklauseln einen Zwang für Banken zu begründen, ihr Eigenkapital nun zu erhöhen, nur um ihre bisherigen Geschäfte fort- führen zu können; man rechnet mit 1 bis 2 Prozentpunk- ten . Die dadurch unnötig steigenden Finanzierungskos- ten für Kreditinstitute lassen sich auch mit Blick auf die mittelbaren Folgen für Bankkunden kaum rechtfertigen . Nun könnte man sagen: Dann passen Sie doch das Aufsichtsrecht der Realität der Verträge an . Allerdings: Eine solche deutsche Lösung wäre eine Insellösung und würde hier nicht helfen: Denn nach Artikel 9 der Euro- päischen Insolvenzverordnung bzw . § 340 Absatz 1 In- solvenzordnung könnten dann Banken über die Nutzung eines ausländischen Marktes ausländisches Recht wählen und somit dem Finanzplatz Deutschland faktisch den Rü- cken kehren . Dies wäre vor allem zum Nachteil der deut- schen Realwirtschaft mit schlechteren Finanzierungs- möglichkeiten, ganz zu schweigen davon, dass dann auch die entsprechenden Verträge nicht mehr in Deutschland gemacht würden . Ob sich jedoch auch Gründe finden, auch außerhalb des regulierten Finanzbereichs insolvenzrechtliche Lö- sungsklauseln mit Saldoausgleich zuzulassen, wird im Laufe dieses Gesetzgebungsverfahrens noch zu erörtern sein . Völlig nachvollziehbar ist dabei die Forderung der Energie-, aber auch der Realwirtschaft, die infolge des Urteils des BGH vom 15 . November 2012, Aktenzeichen IX ZR 169/11, entstandene Unsicherheit zu beheben . Hier stehen nicht aufsichtsrechtliche Fragen im Mittel- punkt, sondern die Frage, inwieweit Handelsgeschäfte in volatilen Märken sinnvoll abgesichert werden können . Hier ist es in Bezug auf ein mögliches Insolvenzver- fahren von großer Bedeutung, ob Einzelforderungen oder nur der Saldo aus diesen Forderungen besichert werden muss . Dabei stellt es auch nach meiner Ansicht keinen Eingriff in die Gläubigergleichbehandlung dar, wenn in Falle der Insolvenz als Folge einer Netting-Vereinba- rung lediglich die Salden Berücksichtigung finden und damit natürlich auch nur diese im Vorfeld abgesichert werden müssen . Ganz ähnlich geht die Rechtsprechung übrigens – zu Recht – auch jetzt schon im Bereich der Gesellschafterdarlehen vor . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 196 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 20 . Oktober 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 196 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 20 . Oktober 2016 19609 (A) (C) (B) (D) Über dieses nachvollziehbare Netting-Interesse hi- naus gilt es deshalb zu erörtern, ob mit dem Insolvenz- verfahren auch ein Vertrag automatisch enden muss und damit möglicherweise auch für das insolvente Unter- nehmen vorteilhafte Lieferkonditionen, die für eine Re- strukturierung sehr hilfreich wären, jedenfalls deutlich hilfreicher, als zum Beispiel im Falle von Stromliefer- verträgen einen Neuvertrag zum teuren Grundtarif ab- schließen zu müssen . Auch wenn es verständlich ist, wie es ein Vertreter eines Dax-Unternehmens formuliert hat, dass „man“ nur mit solventen Partnern handeln möchte, so bedarf dies doch stets der Betrachtung beider Seiten . Denn das Ziel einer Unternehmenssanierung, das bei uns mehr noch als früher vorrangig ist vor dessen Zer- schlagung, lässt sich nicht mehr erreichen, wenn allein mit Eröffnung eines Insolvenzverfahrens sämtliche Ver- tragsbeziehungen automatisch wegbrechen . Allerdings kann es dann auch geboten sein, die Entscheidung über die Ausübung des Wahlrechts schneller als bislang üblich zu treffen . Dies näher zu erörtern, ist Aufgabe des nun folgenden parlamentarischen Verfahrens . Alexander Hoffmann (CDU/CSU): Heute debat- tieren wir eine weitere Reform der Insolvenzordnung . Diese mutet zwar auf den ersten Blick sehr rechtstech- nisch an, aber jedenfalls auf den zweiten Blick offenbart sich, dass die hier zu treffenden Neuregelungen massive Auswirkungen auf die deutsche Unternehmenslandschaft haben könnten . Thematisch geht es um das sogenannte Liquidations- netting, das heißt um die vertragliche Vereinbarung ei- ner Aufrechnung . Nun sieht das BGB auch das Institut der Aufrechnung vor . Eine solche zu vereinbaren, bie- tet aber durchaus mehr Flexibilität und differenziertere Lösungen . Allerdings darf diese Flexibilität nicht der Zielsetzung und den Grundsätzen des Insolvenzrechts zuwiderlaufen . Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, genau abzubilden, wie eine solche Vereinbarung einzuordnen ist, im Bereich des Insolvenzrechts im Allgemeinen, ge- rade aber im Bereich der Anfechtung im Besonderen . In der Konsequenz ergibt sich deshalb im Insolvenzrecht die Anforderung, dass die Zulässigkeit einer solchen Aufrechnungsvereinbarung ebenso wie Trag- und Reich- weite mit der Zielsetzung des § 104 Insolvenzordnung in Einklang stehen . Damit reagieren wir als Gesetzgeber zudem unmittelbar auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 9. Juni 2016. Diese Entscheidung definiert eine Un- wirksamkeit von Finanzmarktkontrakten, soweit sie für den Fall der Insolvenz eine von § 104 Insolvenzordnung abweichende Rechtsfolge vorsehen . Grundsätzlich ergeben sich für die Frage der Reich- weite des Liquidationsnettings zwei Lösungsansätze: Man könnte zum einen nur den Saldo der Aufrech- nung der Anfechtung aussetzen . Alternativ wäre denkbar, jede einzelne aufgerechnete Leistung der Anfechtung zu unterwerfen . Was zunächst noch recht einfach klingt, er- weist sich bei genauerer Betrachtung als die Gegenüber- stellung zweier Möglichkeiten, die in ihren tatsächlichen Auswirkungen nicht unterschiedlicher sein könnten . Ge- rade die erste Variante, welche auch der BGH in seinem Urteil zugrunde legt, würde zu einer deutlichen Eigenka- pitalanforderung führen – deutlicher als heute zum Bei- spiel im Bankenbereich üblich und praktikabel ist . Daher ist es notwendig, die insolvenzrechtliche Zielsetzung insoweit zu präzisieren . Hierzu dient der vorliegende Gesetzentwurf . In diesem Sinne freue ich mich auf die weiteren Beratungen . Dr. Karl-Heinz Brunner (SPD): Der Regierungsent- wurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung der Insolvenz- ordnung sieht eine Klarstellung des sogenannten Liqui- dationsnettings bei Finanztermingeschäften vor . Diese Änderung ist notwendig geworden durch ein Urteil des Bundesgerichtshofes vom 9 . Juni 2016, das die bisheri- gen Liquidationsnettingsklauseln für unwirksam erklärt hat . Es blieb nicht ohne Kritik seitens der deutsche Kre- ditwirtschaft, da diese befürchtet, dass das Urteil wegen der mit ihm verbundenen aufsichtsrechtlichen Folgen nicht nur auf einzelne Kreditinstitute, sondern auf die ge- samte Finanz- und Realwirtschaft dramatische Auswir- kungen haben kann . Ziel des Regierungsentwurfs ist es deshalb, die recht- lichen Grundlagen für das vertragliche Liquidations- netting präziser zu fassen und die durch das Urteil des Bundesgerichtshofes entstandenen Rechtsunsicherheiten zu beseitigen . Hierdurch soll sichergestellt werden, dass die auf den deutschen, europäischen und internationalen Finanzmärkten üblichen Rahmenverträge weiterhin im Einklang mit den an sie gestellten aufsichtsrechtlichen Anforderungen in insolvenzfester Weise vereinbart wer- den können, jedoch nicht – das möchte ich ausdrücklich betonen – sollen hier die Grundzüge des Insolvenzver- fahrens und der Schutz der Maße beeinträchtigt werden . Ob dies mit dem Regierungsentwurf gelungen ist, wird uns die öffentliche Anhörung sicherlich zeigen . Die vorgeschlagene Änderung des Liquidationsnet- tings begrüße ich ausdrücklich . Voraussichtlich müssen die Banken nach Abschluss der Beratungen des Basler Ausschusses in den kommenden Jahren ohnehin wei- tere Anstrengungen bezüglich der Eigenkapitalunterle- gung leisten . Diese Rechtsunsicherheit durch das Urteil des Bundesgerichtshofes zum Liquidationsnetting sollte nicht zusätzlich dazu führen, dass allein deutsche Kredit- institute noch weiter in dieser Hinsicht belastet werden . Von daher kann der Auffassung von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, Bundesministerium der Justiz und Bundesfinanzministerium zugestimmt werden, dass diese Rechtsunsicherheit zügig beseitigt werden sollte . Der Vorschlag des Bundesministeriums der Justiz, der Grund, Trag- und Reichweite der Zulässig- keit des vertraglichen Liquidationsnettings im Einklang mit dem Zweck klarstellt, den bereits der Gesetzgeber der Insolvenzordnung bei der Schaffung von § 104 der Insolvenzordnung verfolgt hat, ist hierzu meines Erach- tens sehr gut geeignet . Richard Pitterle (DIE LINKE): Den heute zur ers- ten Beratung vorliegenden Entwurf einer Änderung der Insolvenzordnung wollten Sie, meine sehr verehrten Da- men und Herren der Regierungskoalition, kürzlich noch überhastet über den Rechtsausschuss in einem anderen Gesetzgebungsvorhaben unterbringen . Es hat uns als Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 196 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 20 . Oktober 201619610 (A) (C) (B) (D) Opposition viel Kraft gekostet, dieses Omnibusverfah- ren abzuwehren, aber anscheinend haben Sie inzwischen verstanden, wie der Ablauf des Gesetzgebungsverfahrens im Grundgesetz geregelt ist . Nur zur Wiederholung für die Zukunft: Ausschüsse des Bundestages sind nach un- serer Verfassung nicht berechtigt, Gesetzgebungsvorha- ben einzubringen . Zur Sache . Vor wenigen Monaten gab es wieder mal ein kleines Beben in der Finanzwelt . Es braucht nicht viel Fantasie, um den Ursprung des Bebens zu lokalisieren: Termin- und Optionsgeschäfte, komplizierte Verträge, um Chancen sich verändernder Kurse wahrzunehmen oder Risiken sinkender Kurse zu minimieren . Mit ande- ren Worten: das übliche Finanzkasino, das die Welt schon häufiger an den Abgrund geführt hat. Auch diesmal war das Beben von einiger Stärke . Der Bundesgerichtshof urteilte, dass bestimmte, aber international übliche Ver- einbarungen zwischen Spielern im Finanzkasino, die im Falle der Pleite eines Spielers gelten sollen – es geht um das sogenannte Liquidationsnetting –, gegen deutsches Insolvenzrecht verstoßen . Was undramatisch klingt, hatte weitreichende Konsequenzen . Aus Sicht der Bundesan- stalt für Finanzdienstleistungen war mit dem Urteil nicht weniger als gleich die Stabilität der Finanzmärkte und das Vertrauen in die Funktionsfähigkeit der Finanzmärk- te erschüttert, sodass sie per Dekret das Urteil befristet für unbeachtlich erklärte . Der Grund für diese Panik ist, dass die üblichen Verträge zwischen den Spielern im Fi- nanzkasino für beteiligte Banken recht vorteilhaft sind, falls ein Spieler pleite ist . Geringeres Risiko für Banken heißt auch, geringere Vorsorge für den Ausfall . Mit der Entscheidung des Bundesgerichtshofes war diese heile Welt erneut in Gefahr . Dafür wurde der BGH massiv angegriffen . Fachleute unterstellten dem für Insolvenzrecht zuständigen Senat sogar mangelnde Expertise . Es gehe schließlich um – Zi- tat – „knallhartes Bankrecht, eine Domäne, die dem 9 . Zi- vilsenat des BGH üblicherweise verschlossen bleibt“ . Der BGH habe die Praxis ignoriert und die Entscheidung hätte die Neuberechnung zahlloser Geschäftsvorfälle zur Folge, auch sei der Finanzstandort Deutschland in Ge- fahr . Diese Angriffe verkennen, dass die Rechtsprechung an geltende Gesetze gebunden ist und nicht an eine ge- wünschte Praxis . Die Vorschriften des Insolvenzordnung, namentlich §§ 104, 119 Insolvenzordnung, ließen keinen Raum für eine andere Entscheidung . Richtig an der Kritik ist allerdings, dass die europä- ische Finanzsicherheitenrichtlinie, die der BGH nicht einmal im Urteil erwähnt, geschweige denn geprüft hat, explizit den Schutz von derartigen Vereinbarungen im Insolvenzrecht fordert . Nur hat es der Gesetzgeber 2004 versäumt, das in der Insolvenzordnung richtig umzuset- zen . Der vorliegende Entwurf will das nachholen . Den An- spruch, die Rechtslage zu vereinfachen, erfüllt der Ge- setzentwurf aber nicht . Leersätze, die „den Grundgedan- ken einer gesetzlichen Regelung“ zum Maßstab machen, erzeugen genauso Rechtsunsicherheit wie die vielen Re- gelbeispiele . Systematisch sauberer wären Öffnungsklau- seln in § 19 Insolvenzordnung und ein breiterer Ansatz, mit dem die seit Jahren umstrittenen insolvenzbedingten Lösungsklauseln auf eine solide Grundlage gestellt wer- den können . Auch wenn das Unionsrecht eine solche Regelung fordert, möchte ich abschließend festhalten: Wir halten diese Regelung für eine ungerechtfertigte Privilegierung des Finanzsektors zulasten anderer Gläubiger und für ein abzuschaffendes Relikt aus Hoch-Zeiten der Finanz- marktderegulation . Wir sind erst recht dagegen, derartige Ausnahmen für weitere Branchen zu schaffen . Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Bei den vorgeschlagenen Änderungen des § 104 Insolvenzord- nung geht es um die Privilegierung der Finanzindustrie bei der Abrechnung eines durch Insolvenz beendeten Rahmenvertrages durch sogenanntes Liquidationsnet- ting . Das hört sich kompliziert an, wie immer, wenn es um viel Geld geht . Gerade deshalb lohnt es sich genau hinzusehen . Worum geht es? Bei dem Handel mit Finanzprodukten, die als Termin- geschäfte gehandelt werden, werden einzelne Transakti- onen in einen Rahmenvertrag eingebunden . Darin liegt eine Vereinfachung und Standardisierung des Vertrags- schlusses . Im Insolvenzfall stellt sich die Frage, wie sich viele, gegeneinander bestehende Erfüllungsansprüche zueinander verhalten . Zu diesem Zweck werden Auf- rechnungsvereinbarungen geschlossen . Beim Liquida- tionsnetting werden verschiedene Transaktionen, wie Kauf und Verkauf von Derivaten, zwischen zwei Partei- en in einem Rahmenvertrag zusammengefasst . Kommt es zur Insolvenz, werden die Transaktionen beendet, die Nichterfüllungsansprüche ermittelt und die positiven und negativen Werte gegeneinander aufgerechnet . Nur noch dieser Nettobetrag geht dann in die Insolvenzmasse ein . Bislang war es so, dass es für Finanzdienstleister durch diese Liquidationsnettingvereinbarungen möglich war, nur das Kreditrisiko des Nettobetrags der Forderun- gen mit Eigenkapital zu unterlegen . Dies führt zu erheb- lichen Einsparungen beim regulatorischen Eigenkapital . In einem Urteil vom Juni 2016 hat der Bundesgerichtshof nun entschieden, dass Vereinbarungen zur Abwicklung von Finanzmarktkontrakten unwirksam sind, soweit sie für den Fall der Insolvenz einer Vertragspartei Rechtsfol- gen vorsehen, die von § 104 der Insolvenzordnung ab- weichen . Konkret ging es in dem Fall um einen Rahmen- vertrag nach dem Muster des Bundesverbands deutscher Banken . Nach geltender Rechtslage ist nach § 104 der Insol- venzordnung für Fixgeschäfte und Finanzdienstleistun- gen, die bestimmte Voraussetzungen erfüllen, das Wahl- recht des Insolvenzverwalters eingeschränkt; siehe § 103 der Insolvenzordnung . Er kann nicht Erfüllung verlan- gen . Dies soll die Insolvenzmasse vor einer Spekulation durch den Insolvenzverwalter schützen und eine schnelle Klärung der Rechtslage herbeiführen . Die Regeln für eine Aufrechnung im Insolvenzfall sind in § 104 Absatz 2 und 3 der Insolvenzordnung fest- gelegt . In der Praxis wurde von diesen Regeln in Rah- menverträgen regelmäßig abgewichen . Nachdem der Bundesgerichtshof diese Abweichung für rechtswidrig und damit für unwirksam erklärt hat, hat die Bundes- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 196 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 20 . Oktober 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 196 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 20 . Oktober 2016 19611 (A) (C) (B) (D) anstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht durch eine bis Ende 2016 geltende Allgemeinverfügung entschieden, diese rechtswidrige Praxis nicht zu sanktionieren . Mit der jetzt vorliegenden Gesetzesänderung will die Bun- desregierung die Abweichungen sogar explizit erlauben . Nun soll § 104 Absatz 4 des Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungs- gesetz, InsO-E, den Parteien ermöglichen, durch ver- tragliche Vereinbarungen von den Regelungen des § 104 Absatz 1 und Absatz 2 InsO-E abzuweichen, damit unter anderem Großbanken wie die Deutsche Bank weiterhin in den Genuss geringerer Eigenkapitalanforderungen und geringerer Anrechnungsbeträge auf Großkreditgrenzen kommen . Grundsätzlich stellt sich die Frage, warum Finanzak- teure im Insolvenzverfahren gegenüber anderen Gläubi- gern überhaupt privilegiert werden . Bereits jetzt ist die Finanzindustrie durch die Regelung des § 104 InsO pri- vilegiert . Mit den nun vorgeschlagenen Änderungen soll diese Privilegierung noch ausgeweitet werden . Der Fi- nanzinstrumentenbegriff wird ausgeweitet und zur Wert- berechnung werden Risikomodelle zugelassen . Die Privilegierung einzelner Gläubigergruppen wurde mit der Konkursordnung abgeschafft, und das aus gutem Grund . Die Insolvenzmasse sollte nicht mehr durch ein- zelne, bevorzugte Gläubigergruppen aufgezehrt werden, sondern es sollte ausreichend Masse erhalten bleiben, mit dem Ziel, ein insolventes Unternehmen im besten Falle sanieren zu können . Daher gilt in der Insolvenzordnung als zentrales Prinzip der Grundsatz der Gläubigergleich- behandlung . Soll hier nun also ein weiteres Mal durch die Hintertür der Gläubigergleichbehandlungsgrundsatz ausgehebelt werden? Das erinnert doch alles sehr an die Debatten, die wir auch bei der Reform des Anfechtungs- rechts führen, die übrigens immer noch auf Eis liegt . Allerdings haben sich hier scheinbar die Vorzeichen verkehrt . Während beim Anfechtungsrecht die einhellige rechtpolitische Auffassung herrscht, dass der Gläubiger- gleichbehandlungsgrundsatz auf keinen Fall zugunsten einzelner Gläubiger wie dem Fiskus oder der Sozialver- sicherung aufgeweicht werden soll, scheint die Koalition bei der Privilegierung der Finanzindustrie weniger Skru- pel zu haben . Das Argument, Finanzstabilität sei höher zu bewerten als insolvenzrechtliche Grundsätze, verfängt nur auf den ersten Blick . Denn es ist zu bedenken, dass im Fall von Marktstörungen oder in anderen Fällen, in denen der Markt- oder Börsenpreis nicht bestimmt wer- den kann, für die Wertermittlung der Geschäfte auch Risikomodelle herangezogen werden können . Das sind hypothetische Modelle und finanzmathematische Gut- achten, die die Werte von bestimmten Geschäftstypen dann aus dem Markt- oder Börsenwert anderer Geschäfte ableiten . In der Krise hat sich jedoch gezeigt, dass Risi- komodelle fehleranfällig und leicht zu manipulieren sind . Wollen wir uns darauf wirklich verlassen? Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass in den Fällen, in denen die Berechnung durch den Gläubiger erfolgt, ein Interessenkonflikt besteht; denn er wird natürlich mög- lichst vorteilhaft für sich rechnen . Auch muss man sich fragen, wie groß die Bereitschaft ist, die Solvenz und Kreditwürdigkeit der Gläubiger zu prüfen, wenn nur die geringe Nettoforderung gefährdet ist . Wie ist es um die Finanzmarktstabilität bestellt, wenn der Zweck von Rah- menverträgen letztlich darin liegt, das regulatorische Ei- genkapital kleinzurechnen? Das ist weder aus insolvenz- rechtlicher Sicht noch mit Blick auf die Finanzstabilität vernünftig . Das Thema ist sicherlich komplex und für die Allge- meinheit schwer verständlich . Umso mehr werden wir darauf zu achten haben, dass sich hier nicht unbemerkt Sonderinteressen zulasten der Allgemeinheit im Gesetz- gebungsverfahren durchsetzen . Christian Lange, Parl . Staatssekretär beim Bundes- minister der Justiz und für Verbraucherschutz: Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf soll Rechtssicherheit im Hinblick auf die Zulässigkeit und Insolvenzfestigkeit von vertraglichen Liquidationsnettingklauseln wiederherge- stellt werden . Hierbei handelt es sich um Klauseln, die im Finanzmarkt üblicherweise in Rahmenverträgen für die Zusammenfassung und Abwicklung von Finanzter- mingeschäften verwendet werden . Sie sehen vor, dass die in einen Rahmenvertrag einbezogenen Einzelgeschäfte im Insolvenzfall beendet, in Nichterfüllungsforderungen umgewandelt und zu einer einheitlichen Gesamtforde- rung verrechnet werden . Für die Bestimmung der Nicht- erfüllungsforderung legen die üblichen Vertragsmuster Verfahren und Methoden fest, die von § 104 Insolvenz- ordnung abweichen . Die Insolvenzfestigkeit dieser Klauseln ist durch ein Urteil des Bundesgerichtshofs infrage gestellt worden . Denn dieser hat am 9 . Juni 2016 entschieden, dass Liqui- dationsnettingklauseln für den Fall der Insolvenz einer Vertragspartei unwirksam sind, soweit sie von § 104 In- solvenzordnung abweichen . Die Entscheidung hat erhebliche Rechtsunsicherheit hervorgerufen . Denn die Vertragsklauseln sind auf die bankenaufsichtsrechtlichen Anforderungen zugeschnit- ten, denen zur Abrechnung von Finanztermingeschäften genügt werden muss, damit die Banken in den Genuss geringerer Eigenkapitalanforderungen kommen . Erfüllen die Klauseln nicht die bankaufsichtsrechtlichen Anfor- derungen, können sich die Eigenkapitalanforderungen der Banken erhöhen . Dies kann für die Banken erheb- liche nachteilige Auswirkungen haben . Zudem bedeutet die Unwirksamkeit der Klauseln, dass der Zugang von Unternehmen zu Finanzdienstleistungen möglicherweise erschwert und verteuert wird, auf welche diese zur Absi- cherung von finanzwirtschaftlichen Risiken wie Zinsän- derungs- oder Wechselkursrisiken angewiesen sind . Der Gesetzentwurf der Bundesregierung stellt daher klar, unter welchen Voraussetzungen die Vertragspartei- en bei ihren Rahmenvereinbarungen von den Vorgaben in § 104 Insolvenzordnung abweichen können . Er be- stimmt, dass Abweichungen zulässig sind, solange sie mit dem Grundgedanken der gesetzlichen Regelung ver- einbar sind . Dieser Grundgedanke besagt, dass das In- teresse des Vertragsgegners des Schuldners an einer un- verzüglichen Klärung der Rechtslage schützenswert ist Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 196 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 20 . Oktober 201619612 (A) (C) (B) (D) Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de und dass deshalb die zwischen den Parteien bestehenden Geschäfte beendet, bewertet und miteinander verrechnet werden sollen . Mit diesem Grundgedanken sind auch vertragliche Regelungen vereinbar, welche den Beendi- gungszeitpunkt sowie die Modalitäten der Berechnung der Nichterfüllungsforderung betreffen . Der Entwurf ent- hält einen Beispielkatalog mit praxisrelevanten Klausel- gegenständen, die mit dem Grundgedanken des Gesetzes vereinbar sind . Um künftigen Rechtsunsicherheiten vorzubeugen, klärt der Gesetzentwurf der Bundesregierung darüber hi- naus weitere Zweifelsfragen zur Auslegung des § 104 In- solvenzordnung . Diese betreffen die Reichweite des An- wendungsbereichs der Vorschrift und die Anforderungen, die an Rahmenvereinbarungen zur Zusammenfassung einzelner Geschäfte zu stellen sind . Schließlich bezieht der Gesetzentwurf der Bundesregierung bislang nicht er- fasste Warentermingeschäfte in den Anwendungsbereich des § 104 Insolvenzordnung ein . Um die Gefahren für die internationale Wettbewerbsfähigkeit deutscher Institute und Marktteilnehmer und für die Stabilität des deutschen Finanzsystems abzuwehren, sollten die vorgeschlagenen Regelungen möglichst schnell verabschiedet werden . 196. Sitzung Inhaltsverzeichnis TOP 3 Bundesbeteiligung an den Kosten der Integration TOP 4 Bezahlbares Wohnen TOP 5 Verbesserung des Schutzes gegen Nachstellungen TOP 33, ZP 2 Überweisungen im vereinfachten Verfahren TOP 34, ZP 3 Abschließende Beratungen ohne Aussprache ZP 4 Wahl Bundesstiftung Baukultur ZP 5 Aktuelle Stunde zur Umsetzung der Auflagen zu CETA TOP 28 Steuerliche Verlustrechnung bei Körperschaften TOP 7 Berufsausbildungsförderung TOP 6 Bundeswehreinsatz in Syrien TOP 9, ZP 6 Novelle des Gentechnikgesetzes TOP 8 Entlastung der Wirtschaft von Bürokratie TOP 11 Medizinische Versorgung für Geflüchtete TOP 10 Bildungschancen für benachteiligte Kinder TOP 13 Völkerstrafrechtliche Sühnung von Verbrechen TOP 12 Biowaffenübereinkommen TOP 15 Berlin/Bonn-Gesetz TOP 14, ZP 7 Nichtfinanzielle Berichterstattung der Unternehmen TOP 17 Absetzung der Präsidentin in Brasilien Anlagen Anlage 1 Anlage 2 Anlage 3 Anlage 4 Anlage 5 Anlage 6 Anlage 7 Anlage 8 Anlage 9 Anlage 10 Anlage 11
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Susanna Karawanskij


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DIE LINKE.)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE LINKE.)


    Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen

    und Kollegen! Wenn eine Sache ihren Sinn erfüllt hat,
    muss man es dabei belassen . Wenn es am schönsten ist,
    soll man aufhören . – Das trifft aus meiner Sicht und aus
    Sicht meiner Fraktion auch auf das Berlin/Bonn-Gesetz
    zu . Es ist schlicht und ergreifend nicht zu erklären, dass
    wir 25 Jahre nach der deutschen Einheit immer noch eine
    geteilte Bundesregierung haben .


    (Beifall bei der LINKEN)


    6 von 14 Ministerien haben ihren Sitz noch komplett
    in Bonn . Über 35 Prozent der Mitarbeiter in Ministerien
    sind in Bonn beschäftigt . 2015 gab es fast 21 000 tei-
    lungsbedingte Dienstreisen zwischen Bonn und Berlin .


    (Dr . Philipp Lengsfeld [CDU/CSU]: Was das an CO2 kostet!)


    Mehr als 1 000 Beschäftigte reisten in demselben Jahr
    mehr als 20-mal hin und her . Es ist natürlich ein leichter
    Abwanderungstrend in Richtung Berlin zu vermerken;
    aber allein die schlichte Existenz von zwei Regierungs-
    sitzen bringt mindestens drei Nachteile mit sich: Es ist
    ineffektiv, umweltschädlich und zu teuer .


    (Beifall bei der LINKEN)


    Ineffektiv ist die bestehende Regelung, weil die Bun-
    desregierung durch die permanente Teilung der Regie-
    rung in zwei Regierungssitze mit Ministerialbeamten al-
    ler Bundesministerien an beiden Standorten einfach nicht
    schlagkräftig sein kann . Es wird ein enormer Mehrauf-
    wand für die Koordination und Abstimmung aufgebracht
    und in Kauf genommen . Dadurch entstehen zu viele Rei-
    bungsverluste . Und die persönliche Kommunikation –
    das kennen wir alle – ist auch durch aufwendige techni-
    sche Unterstützung kaum zu ersetzen . Das verlangsamt
    die Entscheidungsfindung, und auch der persönliche und
    fachliche Austausch zwischen den Ressorts und ressort-
    intern bleibt auf der Strecke .

    Umweltschädlich ist der Zustand, weil zum Beispiel
    die Flugbereitschaft zwischen den beiden Städten regel-
    mäßig Leerflüge einfährt. Generell hübschen die zahl-
    reichen Flüge die Ökobilanz nicht gerade auf . Ganz ne-
    benbei hat das auch Auswirkungen auf die Arbeitszeiten
    der Beschäftigten; denn das Arbeiten am Telefon bzw .
    auf dem Laptop ist im Flieger schlicht und ergreifend
    schwierig .

    Teuer ist es obendrein . Jährlich entstehen Kosten von
    über 7 Millionen Euro . Diese Zeche wird von Steuerzah-
    lerinnen und Steuerzahlern bezahlt .


    (Sybille Benning [CDU/CSU]: Wer bezahlt den Umzug?)


    Julia Obermeier






    (A) (C)



    (B) (D)


    Wir Linke wollen dieser Verschwendung von Steuergel-
    dern ein Ende setzen,


    (Beifall bei der LINKEN)


    insbesondere vor dem Hintergrund, dass die schwar-
    ze Null Staatsdogma geworden ist und die komplette
    Angleichung der Ostrenten weiterhin auf sich warten
    lässt . Man muss dabei betrachten, dass Bonn und die Re-
    gion Bonn danach keine Einöde sein werden . Die Region
    ist wirtschaftlich gut aufgestellt, UN-Behörden sind dort
    verortet . Mit diesem Plan wollen wir Bonn also nicht de-
    vastieren .

    Die Bundesbauministerin, Frau Hendricks, als Ber-
    lin/Bonn-Beauftragte laviert ziemlich herum, ist unent-
    schlossen, kann sich zu keiner Handlungsempfehlung
    durchringen . Das mag vielleicht auch daran liegen, dass
    die Frau Ministerin vom Niederrhein stammt . Vor nicht
    allzu langer Zeit war aus dem Regierungslager zu verneh-
    men, dass man sich klar für einen Regierungssitz – Ber-
    lin – ausgesprochen hat . Das ist schade und enttäuscht
    auch ein bisschen . Ich dachte, da wären wir schon ein
    bisschen weiter . Bedauerlich ist in diesem Zusammen-
    hang, dass sich Frau Hendricks nicht dafür starkgemacht
    hat, wie ursprünglich angedacht, dass sich vor allen
    Dingen mehr Außenstellen der Ministerien und der Be-
    hörden in Ostdeutschland ansiedeln . Das Biomassefor-
    schungszentrum in Leipzig und das Umweltbundesamt
    in Dessau bleiben da die Ausnahme .

    83 Prozent der Bevölkerung sprachen sich gemäß ei-
    ner repräsentativen Umfrage für einen Komplettumzug
    der Ministerien nach Berlin aus . Wir Linke sprechen uns
    ebenfalls ganz klar für einen Komplettumzug nach Berlin
    aus .


    (Beifall bei der LINKEN)


    Er ist gut, er ist begründet, er ist längst überfällig .

    Wir brauchen ein Beendigungsgesetz mit einem kon-
    kreten Umzugsplan für alle Ministerien, natürlich unter
    Wahrung der Mitbestimmungsrechte der Belegschaften .
    Ganz ehrlich: Es wächst eine Generation heran, jünger
    als ich, die die Bonner Republik und die deutsche Zwei-
    teilung nur noch aus den Geschichtsbüchern kennt .


    (Dr . Philipp Lengsfeld [CDU/CSU]: Die DDR auch! Das ist gut so!)


    Es ist peinlich und auch nicht mehr vermittelbar, dass das
    Gesetz, das 1994 in Kraft getreten ist, weiter fortgeführt
    wird . Es wird Zeit, die Bonner Republik in den Ruhe-
    stand, in die wohlverdiente Rente zu schicken . Stimmen
    Sie einfach unserem Antrag zu . Damit hätten wir die
    deutsche Zweiteilung auch in dieser Hinsicht überwun-
    den .

    Vielen Dank .


    (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)




Rede von Ulla Schmidt
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

Als nächster Redner hat Christian Haase für die CDU/

CSU-Fraktion das Wort .


(Beifall bei der CDU/CSU)



  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Christian Haase


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)


    Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

    Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Und
    täglich grüßt das Murmeltier – so könnte man Ihre stän-
    digen Anträge zur Beendigung des Berlin/Bonn-Gesetzes
    zusammenfassen:


    (Susanna Karawanskij [DIE LINKE]: Bei Ihnen auch!)


    immer der gleiche Antrag, immer der gleiche Inhalt, im-
    mer die gleiche Begründung . Ihr Problem ist nur – an-
    ders als im Film –: Der Erkenntnisprozess setzt bei Ihnen
    nicht ein . Also will ich es heute noch einmal versuchen .

    Am 20 . Juni 1991 fasste der Deutsche Bundestag
    den Hauptstadtbeschluss zur Vollendung der deutschen
    Einheit . Geschäftsgrundlage für den Beschluss war der
    inhaltlich doppelte Charakter der Antwort auf die Haupt-
    stadtfrage – eben kein Komplettumzug von Bonn nach
    Berlin . Viele Abgeordnete konnten nur so dem Beschluss
    zustimmen, er hätte sonst damals überhaupt keine Mehr-
    heit gefunden .


    (Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Damals!)


    Ich wiederhole das, liebe Kolleginnen und Kollegen,
    weil natürlich nicht mehr alle dabei sind, die damals die-
    se Beschlüsse mitgefasst haben .


    (Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Die Wenigsten!)


    So sagte auch Johann Wolfgang von Goethe einmal wei-
    se:

    Man muss das Wahre immer wiederholen, weil
    auch der Irrtum um uns her immer wieder gepredigt
    wird, . . .


    (Susanna Karawanskij [DIE LINKE]: Deshalb stellen wir immer wieder diesen Antrag!)


    Deshalb bekennen wir uns auch im Koalitionsvertrag
    zur Existenz zweier bundespolitischer Zentren und las-
    sen keinen Raum für Interpretation . Darin heißt es un-
    missverständlich:

    Wir stehen zum Bonn-Berlin-Gesetz . Bonn bleibt
    das zweite bundespolitische Zentrum .


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


    – Ja, Sie dürfen ruhig klatschen .


    (Frank Tempel [DIE LINKE]: Im Protokoll steht: Einsamer Beifall!)


    Sie führen in Ihrem Antrag an, dass sich Bonn als UN-
    Stadt doch bereits wunderbar etabliert habe . Ja, natürlich,
    und ich glaube, zum Glück ist das auch so .

    Aber warum entwickelt sich das eigentlich so? Wa-
    rum siedeln sich immer mehr internationale Institutionen

    Susanna Karawanskij






    (A) (C)



    (B) (D)


    in Bonn an? Weil in Bonn noch relevantes Regierungs-
    geschehen stattfindet und weil wir die Nähe zu Brüssel
    haben . Fangen wir jetzt an, dort unsere Zelte abzubre-
    chen – was glauben Sie, wie schnell sich dieser Bedeu-
    tungsverlust weiter herumspricht, die anderen Institutio-
    nen den gleichen Weg Richtung Berlin nehmen werden
    und dann in Bonn nichts mehr bleibt? Deshalb gibt es
    ein Positionspapier aus der Region Bonn, „Bundesstadt
    Bonn – Kompetenzzentrum für Deutschland“, das wir
    bei der weiteren Diskussion durchaus beachten sollten .

    Meine Damen und Herren, unser ehemaliger Bun-
    despräsident Johannes Rau sprach in seiner Amtszeit
    von den zwei Säulen, den zwei politischen Zentren in
    Deutschland, und auch heute ist die Arbeitsteilung zwi-
    schen Bonn und Berlin ein klares Bekenntnis zur le-
    bendigen, föderalen Tradition unseres Landes . Wir ver-
    zichten bewusst auf die Konzentration in einer einzigen
    Machtmetropole . Das ist unsere Positionierung in der
    Staatsformfrage . Das ist Ihnen von den Linken sicherlich
    ein wenig fremd .


    (Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Wir sind auch nicht von gestern!)


    Gern möchte ich noch einen Blick auf die Fakten wer-
    fen . Ja, der Ausgleich für die Region Bonn ist bislang
    gelungen; das können wir feststellen . Die Regierungs-
    aufgaben werden in Bonn und Berlin erfolgreich und
    verantwortlich wahrgenommen, und nie waren die tei-
    lungsbedingten Kosten so niedrig wie beim letzten Tei-
    lungsbericht 2015 . Knapp 7,5 Millionen Euro werden als
    neuester Tiefstand angegeben, und selbst wenn das na-
    türlich viel Geld ist: Es ist im Gegensatz zu den Gesamt-
    kosten eines Umzuges wahrlich ein Schnäppchen . Diese
    werden mit 2 bis 5 Milliarden Euro angegeben, und – Sie
    können sicher genauso gut rechnen wie ich –


    (Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Besser!)


    rein betriebswirtschaftlich ist das eine Amortisationszeit
    von 250 bis 625 Jahren . Deshalb ist es gut, dass auch der
    Sachstandsbericht zur Umsetzung des Berlin/Bonn-Ge-
    setzes feststellt, dass die Arbeit effektiv ist, auch wenn es
    natürlich noch Effizienzpotenziale gibt, und dort sollten
    wir draufschauen .

    Meine Damen und Herren, Verabredungen, die gelten,
    müssen auch Bestand haben, und ich bin schon enttäuscht,
    wie leichtfertig Sie von den Linken mit den Schicksalen
    und den Arbeitsplätzen Tausender von Menschen in der
    Region Bonn umgehen . Noch vor ungefähr zehn Stunden
    wurde hier von Mietpreisbremsen und Wohnungsbau ge-
    sprochen, und Sie wollen jetzt, wenn Sie immer sagen,
    in Berlin sei der Wohnungsmarkt so knapp und die Mie-
    ten so teuer, die Menschen aus Bonn alle hierher auf den
    Wohnungsmarkt schicken, der jetzt schon überfüllt ist .
    Ich glaube, das war wieder einmal ein Schnellschuss und
    kein verantwortliches Handeln .


    (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


    Zu verantwortlichem politischem Handeln gehört
    meiner Meinung nach, zunächst einmal zu analysieren –
    der Bericht ist ja noch warm vom Kopieren – und dann
    in Ruhe seine Schlüsse zu ziehen . Alles andere klingt für

    mich eher populistisch, aber das hören wir von den Ex-
    tremparteien in Deutschland ja öfter .

    Wir sprechen hier nicht über die Einzelinteressen ei-
    ner Stadt, so wie Sie es eben gemacht haben, sondern
    von der nationalen Bedeutung einer gesamten Region .
    Deshalb haben alle Fraktionen im Düsseldorfer Landtag
    einstimmig einen Antrag zu diesem Thema eingebracht .
    Auch hier im Hohen Hause sollten wir ein Zeichen für
    die Glaubwürdigkeit politischen Handelns setzen .


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Für uns gilt: Erstens . Wir halten uns an Verträge . Zwei-
    tens . Wir sind gegen politisch motivierten Zentralismus .
    Drittens . Wir denken an die Menschen und die Kosten .

    Schönen Dank .


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)