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ID1819301600

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    Plenarprotokoll 18/193 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 193. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 29. September 2016 Inhalt: Würdigung des Präsidenten a. D. des Staates Israel Shimon Peres . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19137 A Erweiterung und Abwicklung der Tagesord- nung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19137 D Absetzung der Tagesordnungspunkte 4 e und 12. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19138 A Nachträgliche Ausschussüberweisungen . . . . 19138 B Begrüßung der Delegation des slowenischen Parlaments . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19140 D Tagesordnungspunkt 3: Unterrichtung durch die Bundesregierung: 19. Bericht der Bundesregierung zur Aus- wärtigen Kultur- und Bildungspolitik Drucksache 18/7888 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19138 D Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19138 D Dr. Diether Dehm (DIE LINKE) . . . . . . . . . . 19140 D Dr. Bernd Fabritius (CDU/CSU). . . . . . . . . . . 19142 C Claudia Roth (Augsburg) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19144 A Elisabeth Motschmann (CDU/CSU) . . . . . . . . 19145 D Peer Steinbrück (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19147 B Präsident Dr. Norbert Lammert . . . . . . . . . . . . 19149 C Dr. Thomas Feist (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 19150 A Dr. Christoph Bergner (CDU/CSU) . . . . . . . . 19151 D Tagesordnungspunkt 4: a) Antrag der Abgeordneten Caren Lay, Halina Wawzyniak, Frank Tempel, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Mietpreisbremse wirkungsvoll ausgestalten Drucksache 18/9123 . . . . . . . . . . . . . . . . . 19153 B b) Antrag der Abgeordneten Caren Lay, Dr. Gesine Lötzsch, Halina Wawzyniak, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Dragoner-Areal dem Land Berlin zum Kauf anbieten Drucksache 18/9790 . . . . . . . . . . . . . . . . . 19153 B c) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucher- schutz zu dem Antrag der Abgeordneten Caren Lay, Herbert Behrens, Karin Binder, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Mieterinnen und Mieter besser schützen – Zweite Mietrechts- novelle vorlegen Drucksachen 18/8863, 18/9696 . . . . . . . . . 19153 B d) Beschlussempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Gesine Lötzsch, Heidrun Bluhm, Caren Lay, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Privatisie- rung von Bundesliegenschaften stoppen – Liegenschaftspolitik des Bundes nach- haltig reformieren Drucksachen 18/4419, 18/6686 . . . . . . . . . 19153 C Caren Lay (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . 19153 C Dr. Jan-Marco Luczak (CDU/CSU) . . . . . . . . 19155 A Christian Kühn (Tübingen) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19157 D Ulrich Kelber, Parl. Staatssekretär BMJV . . . 19159 B Caren Lay (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 19160 B Dr. h. c. Hans Michelbach (CDU/CSU) . . . . . 19160 D Stefan Liebich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 19162 A Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 193. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. September 2016II Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) . . . . . . . . . 19163 B Dr. Jan-Marco Luczak (CDU/CSU) . . . . . . 19164 B Ulli Nissen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19165 A Renate Künast (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19166 A Dr. Volker Ullrich (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 19167 C Christian Kühn (Tübingen) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19168 D Cansel Kiziltepe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19169 D Christian Haase (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 19171 A Caren Lay (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 19171 B Dennis Rohde (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19173 C Michael Groß (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19174 D Namentliche Abstimmungen . . . . . . 19175 D, 19176 A Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19177 D, 19180 C Tagesordnungspunkt 5: Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Flexibilisierung des Übergangs vom Erwerbsleben in den Ruhestand und zur Stärkung von Präven- tion und Rehabilitation im Erwerbsleben (Flexi-Rentengesetz) Drucksache 18/9787 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19176 B Katja Mast (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19176 B Matthias W. Birkwald (DIE LINKE) . . . . . . . 19183 A Karl Schiewerling (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 19185 A Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19186 C Dr. Martin Rosemann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 19188 B Stephan Stracke (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 19189 D Dagmar Schmidt (Wetzlar) (SPD) . . . . . . . . . 19191 A Dr. Carsten Linnemann (CDU/CSU) . . . . . . . 19192 B Tagesordnungspunkt 27: a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Ge- setzes über die Feststellung des Wirt- schaftsplans des ERP-Sondervermögens für das Jahr 2017 (ERP-Wirtschafts- plangesetz 2017) Drucksache 18/9753 . . . . . . . . . . . . . . . . . 19193 C b) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Abkommen vom 22. März 2016 zwischen der Regierung der Bun- desrepublik Deutschland und der Re- gierung der Republik Serbien über die Zusammenarbeit im Sicherheitsbereich Drucksache 18/9754 . . . . . . . . . . . . . . . . . 19193 D c) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Ge- setzes zu dem Abkommen vom 31. Mai 2013 zwischen der Regierung der Bun- desrepublik Deutschland und dem Mi- nisterrat der Republik Albanien über die Zusammenarbeit im Sicherheitsbereich Drucksache 18/9755 . . . . . . . . . . . . . . . . . 19193 D d) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Abkommen vom 9. Juli 2014 zwischen der Regierung der Bundesre- publik Deutschland und der Regierung von Georgien über die Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität, des Terrorismus und an- derer Straftaten von erheblicher Bedeu- tung Drucksache 18/9756 . . . . . . . . . . . . . . . . . 19194 A e) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines … Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die in- ternationale Rechtshilfe in Strafsachen Drucksache 18/9757 . . . . . . . . . . . . . . . . . 19194 A f) Antrag der Abgeordneten Hubertus Zdebel, Eva Bulling-Schröter, Caren Lay, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LIN- KE: Exportverbot für hochradioaktive Abfälle Drucksache 18/9791 . . . . . . . . . . . . . . . . . 19194 A Tagesordnungspunkt 28: a) Antrag der Abgeordneten Inge Höger, Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: In der UN-Vollversammlung für Atomwaffenverbot stimmen Drucksache 18/9792 . . . . . . . . . . . . . . . . . 19194 B b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit zu der Verord- nung der Bundesregierung: Fünfte Ver- ordnung zur Änderung der Elektro- und Elektronikgeräte-Stoff-Verordnung Drucksachen 18/9500, 18/9596 Nr. 2, 18/9775 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19194 B c) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Energie zu der Verordnung der Bundesregierung: Erste Verordnung zur Änderung der Verordnung über Vereinbarungen zu abschaltbaren Lasten Drucksachen 18/9631, 18/9733 Nr. 2, 18/9839 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19194 C Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 193. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. September 2016 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 193. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. September 2016 III d)–j) Beratung der Beschlussempfehlungen des Petitionsausschusses: Sammelübersich- ten 357, 358, 359, 360, 361, 362 und 363 zu Petitionen Drucksachen 18/9679, 18/9680, 18/9681, 18/9682, 18/9683, 18/9684, 18/9685 . . . . 19194 D Tagesordnungspunkt 6: Beratung der Beschlussempfehlung des Ver- mittlungsausschusses zu dem Gesetz zur An- passung des Erbschaftsteuer- und Schen- kungsteuergesetzes an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Drucksachen 18/5923, 18/6279, 18/8911, 18/8912, 18/9155, 18/9690 . . . . . . . . . . . . . . . 19195 B Zusatztagesordnungspunkt 2: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion DIE LINKE: Ergebnisse zur Reform der Erbschaftsteuer Dr. Dietmar Bartsch (DIE LINKE) . . . . . . . . . 19195 C Dr. h. c. Hans Michelbach (CDU/CSU) . . . . . 19197 A Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19198 A Carsten Schneider (Erfurt) (SPD) . . . . . . . . . . 19199 A Christian Freiherr von Stetten (CDU/CSU) . . . 19200 B Richard Pitterle (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 19201 B Cansel Kiziltepe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19202 C Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19203 B Fritz Güntzler (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 19204 C Lothar Binding (Heidelberg) (SPD) . . . . . . . . 19206 A Anja Karliczek (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 19207 C Dr. Philipp Murmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . 19208 D Tagesordnungspunkt 7: a) Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD: Innovativer Staat – Potenziale ei- ner digitalen Verwaltung nutzen und elektronische Verwaltungsdienstleistun- gen ausbauen Drucksache 18/9788 . . . . . . . . . . . . . . . . . 19210 A b) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Digitale Verwaltung 2020 – Regierungs- programm 18. Legislaturperiode Drucksache 18/3074 (neu) . . . . . . . . . . . . 19210 B c) Antrag der Abgeordneten Dieter Janecek, Dr. Konstantin von Notz, Kerstin Andreae, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Stillstand beim E-Government beheben – Für ei- nen innovativen Staat und eine moderne Verwaltung Drucksache 18/9056 . . . . . . . . . . . . . . . . . 19210 B Dr. Tim Ostermann (CDU/CSU). . . . . . . . . . . 19210 C Frank Tempel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 19211 C Mahmut Özdemir (Duisburg) (SPD). . . . . . . . 19212 D Dieter Janecek (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19213 D Dr. Günter Krings, Parl. Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19215 A Saskia Esken (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19216 B Marian Wendt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 19217 B Tagesordnungspunkt 8: Antrag der Abgeordneten Doris Wagner, Elisabeth Scharfenberg, Christian Kühn (Tü- bingen), weiterer Abgeordneter und der Frakti- on BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Partizipati- on und Selbstbestimmung älterer Menschen stärken Drucksache 18/9797 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19218 B Doris Wagner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19218 C Heinz Wiese (Ehingen) (CDU/CSU) . . . . . . . 19219 C Jörn Wunderlich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 19220 C Petra Crone (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19221 D Astrid Timmermann-Fechter (CDU/CSU) . . . 19223 A Ursula Schulte (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19224 A Paul Lehrieder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 19225 B Tagesordnungspunkt 9: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensab- schöpfung Drucksache 18/9525 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19226 D Christian Lange, Parl. Staatssekretär BMJV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19227 A Jörn Wunderlich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 19227 D Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU/ CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19229 A Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19230 A Dr. Johannes Fechner (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 19231 A Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19231 C Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19231 D Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 193. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. September 2016IV Dr. Jan-Marco Luczak (CDU/CSU) . . . . . . . . 19232 C Alexander Hoffmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . 19233 D Tagesordnungspunkt 10: a) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit zu dem An- trag der Abgeordneten Harald Weinberg, Sabine Zimmermann (Zwickau), Matthias W. Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Zusatzbeiträge abschaffen – Parität wiederherstellen Drucksachen 18/7237, 18/9168 . . . . . . . . . 19234 D b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit zu dem Antrag der Abgeordneten Maria Klein-Schmeink, Elisabeth Scharfenberg, Kordula Schulz- Asche, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Lasten und Kosten fair teilen – Paritä- tische Beteiligung der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber an den Beiträgen der gesetzlichen Krankenversicherung wie- derherstellen Drucksachen 18/7241, 18/9169 . . . . . . . . . 19234 D Erich Irlstorfer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 19235 A Harald Weinberg (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 19236 A Dr. Edgar Franke (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 19237 C Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19239 A Thomas Stritzl (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 19240 A Dr. Edgar Franke (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 19240 D Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19241 B Sabine Dittmar (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19242 C Lothar Riebsamen (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 19243 C Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19244 D Tagesordnungspunkt 11: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Geset- zes zur Änderung des Luftsicherheitsgeset- zes Drucksachen 18/9752, 18/9833 . . . . . . . . . . . 19245 D Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19246 A Thomas Lutze (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 19247 A Susanne Mittag (SPD). . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19247 D Irene Mihalic (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19249 A Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU) . . . . . 19249 D Arno Klare (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19251 B Florian Oßner (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 19252 A Tagesordnungspunkt 16: – Zweite und dritte Beratung des von den Ab- geordneten Kerstin Andreae, Kai Gehring, Dr. Thomas Gambke, weiteren Abgeord- neten und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur steuerlichen Förde- rung von Forschung und Entwicklung kleinerer und mittlerer Unternehmen (KMU-Forschungsförderungsgesetz) Drucksachen 18/7872, 18/9840 . . . . . . . . . 19253 A – Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung Drucksache 18/9841 . . . . . . . . . . . . . . . . . 19253 B Dr. Philipp Murmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . 19253 B Dr. Petra Sitte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 19254 D Lothar Binding (Heidelberg) (SPD) . . . . . . . . 19255 D Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19257 A Dr. Philipp Lengsfeld (CDU/CSU) . . . . . . . . . 19258 A René Röspel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19259 B Kai Gehring (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19260 B Tagesordnungspunkt 13: – Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung: Beteiligung be- waffneter deutscher Streitkräfte an der NATO-geführten Maritimen Sicher- heitsoperation SEA GUARDIAN im Mittelmeer Drucksachen 18/9632, 18/9793 . . . . . . . . . 19261 B – Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung Drucksache 18/9844 . . . . . . . . . . . . . . . . . 19261 B Josip Juratovic (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19261 C Dr. Alexander S. Neu (DIE LINKE) . . . . . . . . 19262 D Jürgen Hardt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . 19263 C Dr. Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19264 C Julia Obermeier (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 19265 B Namentliche Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . 19266 A Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19268 D Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 193. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. September 2016 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 193. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. September 2016 V Tagesordnungspunkt 14: Antrag der Abgeordneten Dr. Rosemarie Hein, Sigrid Hupach, Karin Binder, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion DIE LINKE: Kein Lobbyismus im Klassenzimmer Drucksache 18/8887 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19266 C Dr. Rosemarie Hein (DIE LINKE) . . . . . . . . . 19266 C Xaver Jung (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . 19267 C Özcan Mutlu (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19271 B Marianne Schieder (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 19272 C Sven Volmering (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 19273 C Elfi Scho-Antwerpes (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 19274 D Tagesordnungspunkt 15: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Berufs- kraftfahrer-Qualifikations-Gesetzes Drucksachen 18/8183, 18/9851 . . . . . . . . . . . 19275 C Zusatztagesordnungspunkt 3: Antrag der Abgeordneten Sven-Christian Kindler, Tabea Rößner, Kerstin Andreae, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Telekomanteile ver- äußern – In Breitbandausbau investieren Drucksache 18/9799 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19276 A Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19276 A Dr. André Berghegger (CDU/CSU) . . . . . . . . 19277 B Roland Claus (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 19278 C Klaus Barthel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19279 C Karl Holmeier (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 19281 C Tagesordnungspunkt 17: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die elektromagnetische Ver- träglichkeit von Betriebsmitteln (Elektro- magnetische-Verträglichkeit-Gesetz – EMVG) Drucksachen 18/8960, 18/9848 . . . . . . . . . . . 19282 C Klaus Barthel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19282 D Ralph Lenkert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 19283 D Hansjörg Durz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 19284 C Dieter Janecek (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19286 A Tagesordnungspunkt 18: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Arbeit und Soziales zu dem An- trag der Abgeordneten Jutta Krellmann, Klaus Ernst, Susanna Karawanskij, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion DIE LINKE: Befris- tungen im öffentlichen Dienst stoppen Drucksachen 18/7567, 18/8376 . . . . . . . . . . . 19286 D Tagesordnungspunkt 19: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Artikel 8 und 39 des Übereinkommens vom 8. November 1968 über den Straßenverkehr Drucksachen 18/8951, 18/9780 . . . . . . . . . . . 19287 A Tagesordnungspunkt 20: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit zu der Verordnung der Bun- desregierung: Verordnung zur Umsetzung der Richtlinie 2014/99/EU und zur Ände- rung und Anpassung weiterer immissions- schutzrechtlicher Verordnungen Drucksachen 18/8879, 18/9129 Nr. 2.1, 18/9713 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19287 B Tagesordnungspunkt 21: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Kommunalin- vestitionsförderungsgesetzes und zur Ände- rung weiterer Gesetze Drucksachen 18/9231, 18/9849 . . . . . . . . . . . 19287 C Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19287 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . . 19289 A Anlage 2 Erklärungen nach § 31 GO zu den namentli- chen Abstimmungen über – die Beschlussempfehlung des Ausschus- ses für Recht und Verbraucherschutz zu dem Antrag der Abgeordneten Caren Lay, Herbert Behrens, Karin Binder, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LIN- KE: Mieterinnen und Mieter besser schüt- zen – Zweite Mietrechtsnovelle vorlegen und Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 193. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. September 2016VI – die Beschlussempfehlung des Haushalts- ausschusses zu dem Antrag der Abgeord- neten Dr. Gesine Lötzsch, Heidrun Bluhm, Caren Lay, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Privatisierung von Bundesliegenschaften stoppen – Liegen- schaftspolitik des Bundes nachhaltig refor- mieren (Tagesordnungspunkte 4 c und 4 d) . . . . . . . . 19289 C Cansel Kiziltepe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19289 D Klaus Mindrup (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19290 A Mechthild Rawert (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 19290 B Swen Schulz (Spandau) (SPD) . . . . . . . . . . . . 19290 C Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Cansel Kiziltepe (SPD) zu der Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Vermitt- lungsausschusses zu dem Gesetz zur Anpas- sung des Erbschaftsteuer- und Schenkung- steuergesetzes an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Tagesordnungspunkt 6) . . . . . . . . . . . . . . . . . 19290 C Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Ände- rung des Berufskraftfahrer-Qualifikations-Ge- setzes (Tagesordnungspunkt 15) . . . . . . . . . . . . . . . . 19291 B Thomas Viesehon (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 19291 B Oliver Wittke (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . 19292 B Udo Schiefner (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19292 D Thomas Lutze (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 19293 D Stephan Kühn (Dresden) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19294 A Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Soziales zu dem Antrag der Abgeordneten Jutta Krellmann, Klaus Ernst, Susanna Karawanskij, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Befristungen im öffentlichen Dienst stoppen (Tagesordnungspunkt 18) . . . . . . . . . . . . . . . . 19294 D Wilfried Oellers (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 19294 D Matthäus Strebl (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 19296 B Gabriele Hiller-Ohm (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 19296 D Bernd Rützel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19297 C Jutta Krellmann (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 19298 A Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19298 D Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Artikel 8 und 39 des Übereinkommens vom 8. November 1968 über den Straßenverkehr (Tagesordnungspunkt 19) . . . . . . . . . . . . . . . . 19299 C Steffen Bilger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 19299 D Gero Storjohann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 19300 C Birgit Kömpel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19301 B Herbert Behrens (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 19302 A Stephan Kühn (Dresden) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19302 C Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit zu der Verordnung der Bundesregierung: Verordnung zur Umsetzung der Richtlinie 2014/99/EU und zur Änderung und Anpassung weiterer immissionsschutz- rechtlicher Verordnungen (Tagesordnungspunkt 20) . . . . . . . . . . . . . . . . 19303 C Karsten Möring (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 19303 C Ulli Nissen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19304 C Ralph Lenkert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 19304 D Peter Meiwald (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19305 C Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Kommunalinvestitionsförderungsgesetzes und zur Änderung weiterer Gesetze (Tagesordnungspunkt 21) . . . . . . . . . . . . . . . . 19306 A Eckhardt Rehberg (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 19306 B Dr . Volker Ullrich (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 19307 A Bernhard Daldrup (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 19307 C Kerstin Kassner (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 19308 D Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19309 C (A) (C) (B) (D) Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 193. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. September 2016 19137 193. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 29. September 2016 Beginn: 9.01 Uhr
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    3) Anlage 7 4) Anlage 8 Vizepräsidentin Claudia Roth (A) (C) (B) (D) Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 193. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. September 2016 19289 Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Amtsberg, Luise BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 29.09.2016 Bär, Dorothee CDU/CSU 29.09.2016 Ferner, Elke SPD 29.09.2016 Fuchs, Dr. Michael CDU/CSU 29.09.2016 Hellmich, Wolfgang SPD 29.09.2016 Hendricks, Dr. Barbara SPD 29.09.2016 Hintze, Peter CDU/CSU 29.09.2016 Ilgen, Matthias SPD 29.09.2016 Koenigs, Tom BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 29.09.2016 Kunert, Katrin DIE LINKE 29.09.2016 Lach, Günter CDU/CSU 29.09.2016 Lerchenfeld, Philipp Graf CDU/CSU 29.09.2016 Liebing, Ingbert CDU/CSU 29.09.2016 Möhring, Cornelia DIE LINKE 29.09.2016 Movassat, Niema DIE LINKE 29.09.2016 Müller (Chemnitz), Detlef SPD 29.09.2016 Nahles, Andrea SPD 29.09.2016 Nietan, Dietmar SPD 29.09.2016 Özoğuz, Aydan SPD 29.09.2016 Rode-Bosse, Petra SPD 29.09.2016 Schlecht, Michael DIE LINKE 29.09.2016 Schröder (Wiesbaden), Dr. Kristina CDU/CSU 29.09.2016 Schwarzelühr-Sutter, Rita SPD 29.09.2016 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Trittin, Jürgen BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 29.09.2016 Wagenknecht, Dr. Sahra DIE LINKE 29.09.2016 Weber, Gabi SPD 29.09.2016 Wegner, Kai CDU/CSU 29.09.2016 Anlage 2 Erklärungen nach § 31 GO zu den namentlichen Abstimmungen über – die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz zu dem Antrag der Abgeordneten Caren Lay, Herbert Behrens, Karin Binder, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Mieterinnen und Mieter besser schützen – Zweite Mietrechtsnovelle vor- legen und – die Beschlussempfehlung des Haushaltsaus- schusses zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Gesine Lötzsch, Heidrun Bluhm, Caren Lay, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Privatisierung von Bundesliegenschaf- ten stoppen – Liegenschaftspolitik des Bundes nachhaltig reformieren (Tagesordnungspunkte 4 c und 4 d) Cansel Kiziltepe (SPD): Die SPD-Fraktion hat zu- sammen mit der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bun- destag eine Reihe von Regelungen auf den Weg gebracht, die den Preisanstieg von Mietwohnungen dämpfen, Neubau von Wohnungen ankurbeln und Wohnraum be- zahlbar halten sollen. Hierzu gehören unter anderem die Mietpreisbremse, das Bündnis für bezahlbares Wohnen und Bauen sowie die Erhöhung des Wohngelds. Der Bedarf an weiteren Änderungen ist klar erkennbar. Daher befinden wir uns in einem Dialogprozess mit dem Koalitionspartner. Der Gesetzentwurf zur Novellierung des Mietrechts wird jedoch aktuell vonseiten der Union blockiert. Aus diesem Grund hat die SPD-Bundestagsfraktion am 01.09.2016 das Positionspapier „Bezahlbare Wohnungen schaffen und Mietrecht sozial gestalten“ beschlossen. Darin wird auch eine Änderung des BImA-Gesetzes ge- fordert. Wir wollen eine Abkehr vom Höchstpreisverfah- ren und ein kommunales Vorkaufsrecht. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 193. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. September 201619290 (A) (C) (B) (D) Auch hierzu stehen wir in Verhandlungen mit dem Koa- litionspartner. Daher stimme ich den Beschlussempfehlungen der Ausschüsse zu. Klaus Mindrup (SPD): Die SPD-Fraktion hat zusam- men mit der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundes- tag eine Reihe von Regelungen auf den Weg gebracht, die den Preisanstieg von Mietwohnungen dämpfen, Neubau von Wohnungen ankurbeln und Wohnraum be- zahlbar halten sollen. Hierzu gehören unter anderem die Mietpreisbremse, das Bündnis für bezahlbares Wohnen und Bauen sowie die Erhöhung des Wohngelds. Der Bedarf an weiteren Änderungen ist klar erkennbar. Daher befinden wir uns in einem Dialogprozess mit dem Koalitionspartner. Der Gesetzentwurf zur Novellierung des Mietrechts wird jedoch aktuell vonseiten der Union blockiert. Aus diesem Grund hat die SPD-Bundestagsfraktion am 01.09.2016 das Positionspapier „Bezahlbare Wohnungen schaffen und Mietrecht sozial gestalten“ beschlossen. Darin wird auch eine Änderung des BImA-Gesetzes ge- fordert. Wir wollen eine Abkehr vom Höchstpreisverfah- ren und ein kommunales Vorkaufsrecht. Auch hierzu stehen wir in Verhandlungen mit dem Koa- litionspartner. Sollten diese jedoch scheitern, so wird die SPD-Bundestagsfraktion Gesetzentwürfe in den Deut- schen Bundestag einbringen. Daher stimme ich den Beschlussempfehlungen der Aus- schüsse zu. Mechthild Rawert (SPD): Die SPD-Fraktion hat zusammen mit der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag eine Reihe von Regelungen auf den Weg ge- bracht, die den Preisanstieg von Mietwohnungen dämp- fen, Neubau von Wohnungen ankurbeln und Wohnraum bezahlbar halten sollen. Hierzu gehören unter anderem die Mietpreisbremse, das Bündnis für bezahlbares Woh- nen und Bauen sowie die Erhöhung des Wohngelds. Der Bedarf an weiteren Änderungen ist klar erkennbar. Daher befinden wir uns in einem Dialogprozess mit dem Koalitionspartner. Der Gesetzentwurf zur Novellierung des Mietrechts wird jedoch aktuell vonseiten der Union blockiert. Wir teilen die Anliegen der Fraktion Die Linke in den oben genannten Anträgen. Aus diesem Grund hat die SPD-Bundestagsfraktion am 01.09.2016 das Positions- papier „Bezahlbare Wohnungen schaffen und Mietrecht sozial gestalten“ beschlossen. Darin wird auch eine Än- derung des BImA-Gesetzes gefordert. Wir wollen eine Abkehr vom Höchstpreisverfahren und ein kommunales Vorkaufsrecht. Auch hierzu stehen wir in Verhandlungen mit dem Koa- litionspartner. Sollten diese jedoch scheitern, so wird die SPD-Bundestagsfraktion Gesetzentwürfe in den Deut- schen Bundestag einbringen. Daher lehne ich die Anträge der Opposition ab. Swen Schulz (Spandau) (SPD): Die SPD-Fraktion hat zusammen mit der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag eine Reihe von Regelungen auf den Weg ge- bracht, die den Preisanstieg von Mietwohnungen dämp- fen, Neubau von Wohnungen ankurbeln und Wohnraum bezahlbar halten sollen. Hierzu gehören unter anderem die Mietpreisbremse, das Bündnis für bezahlbares Woh- nen und Bauen sowie die Erhöhung des Wohngelds. Der Bedarf an weiteren Änderungen ist klar erkennbar. Daher befinden wir uns in einem Dialogprozess mit dem Koalitionspartner. Der Gesetzentwurf zur Novellierung des Mietrechts wird jedoch aktuell vonseiten der Union blockiert. Wir teilen die Anliegen der Fraktion Die Linke in den oben genannten Anträgen. Aus diesem Grund hat die SPD-Bundestagsfraktion am 01.09.2016 das Positions- papier „Bezahlbare Wohnungen schaffen und Mietrecht sozial gestalten“ beschlossen. Darin wird auch eine Än- derung des BImA-Gesetzes gefordert. Wir wollen eine Abkehr vom Höchstpreisverfahren und ein kommunales Vorkaufsrecht. Auch hierzu stehen wir in Verhandlungen mit dem Koa- litionspartner. Sollten diese jedoch scheitern, so wird die SPD-Bundestagsfraktion Gesetzentwürfe in den Deut- schen Bundestag einbringen. Deswegen stimme ich der Ausschussempfehlung zu. Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Cansel Kiziltepe (SPD) zu der Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses zu dem Gesetz zur An- passung des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteu- ergesetzes an die Rechtsprechung des Bundesver- fassungsgerichts (Tagesordnungspunkt 6) Der im Vermittlungsausschuss gefundene Kompromiss zur Erbschaftsteuer ist eine Verbesserung gegenüber dem Beschluss des Bundestags. Er ist ein tragfähiger, aber kein zufriedenstellender Kompromiss. – Statt 30 Prozent wird der Unternehmenswert im Rahmen des vereinfachten Ertragswertverfahrens nur noch um 23 Prozent pauschal abgesenkt. – Die Voraussetzungen für den Vorababschlag für Familienunternehmen von bis zu 30 Prozent wur- den verschärft. – Unternehmen können nun nur noch dann die 100-Prozent-Verschonung erhalten, wenn ihr Ver- waltungsvermögensanteil unter 20 Prozent liegt. – Die Verschonungen für vermögensverwaltende Gesellschaften wurden eingeschränkt. – Private Luxusgüter wie Yachten oder Oldtimer werden nicht mehr begünstigt. Dieser Erfolg geht maßgeblich auf die sozialdemokra- tisch geführten Länder zurück, die aus staatspolitischer Verantwortung zu diesem Kompromiss bereit waren. Es Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 193. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. September 2016 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 193. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. September 2016 19291 (A) (C) (B) (D) wäre ein verheerendes Signal und eine Missachtung des Bundesverfassungsgerichts gewesen, wenn es trotz deut- licher Fristüberschreitung keine Einigung gegeben hätte. Die Union und insbesondere die CSU haben in unver- antwortlicher Weise mit dem Feuer gespielt. Mit ihrer kompromisslosen Haltung im Interesse der Unterneh- merlobby waren sie bereit, unserer Demokratie Schaden zuzufügen. Gleichwohl ändert der Kompromiss nichts an der vertei- lungspolitischen Schieflage. In den letzten Jahren betru- gen die Steuerausfälle durch die Privilegierung des Be- triebsvermögens jährlich durchschnittlich 12 Milliarden Euro. Das ist doppelt so viel wie die Einnahmen an Erb- schaftsteuer. Das neue Recht wird hieran nichts ändern. Eine große Chance, Millionäre und Milliardäre an der Finanzierung des Gemeinwesens angemessen zu betei- ligen, wurde vertan. Es bestehen zudem Zweifel, ob das neue Recht verfas- sungskonform ist. Auch allergrößte Betriebe können weiterhin steuerfrei übertragen werden, wenn die Kinder noch kein Privatvermögen besitzen. Durch frühe Schen- kungen kann die eigentlich vorgesehene Bedürfnisprü- fung problemlos umgangen werden. Zudem wird es zu Bewertungsabschlägen von bis 45 Prozent kommen. Damit wird das alte, bis 2008 geltende und bereits als verfassungswidrig gerügte Bewertungsniveau wieder- hergestellt. Als Sozialdemokratin ist es mir immer wichtig gewesen, dass Arbeitsplätze nicht durch die Erbschaftsteuer ge- fährdet werden. Dieses Ziel war, ist und bleibt richtig. Diese Zielsetzung ist jedoch problemlos auch mit höhe- ren Steuern für große und sehr große Erbschaften ver- einbar. Der Vorschlag des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), eine Mindestbesteue- rung für Erbschaften ab 26 Millionen Euro in Höhe von 15 Prozent einzuführen, weist in die richtige Richtung. Mit dieser Erklärung mache ich deutlich, dass ich subs- tanzielle Zweifel habe, ob das neue Erbschaftsteuerge- setz verfassungsgemäß ist. Daher setze ich mich für eine zügige Novellierung des Gesetzes in der nächsten Legis- latur ein, um die Überprivilegierung großer und größter Vermögen zu beenden und einen Beitrag für mehr Vertei- lungsgerechtigkeit zu leisten. Dem Vermittlungsergebnis des Vermittlungsausschus- ses stimme ich zu. Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung einge- brachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Än- derung des Berufskraftfahrer-Qualifikations-Ge- setzes (Tagesordnungspunkt 15) Thomas Viesehon (CDU/CSU): Das Zweite Gesetz zur Änderung des Berufskraftfahrer-Qualifikations-Ge- setzes, das wir heute im Bundestag verabschieden wol- len, ist ein notwendiger Schritt zur Sicherung einer guten und verlässlichen Ausbildung der Berufskraftfahrer in unserem Land. Mit diesem Gesetz verhindern wir zum einen den sich häufenden missbräuchlichen Umgang bei der Aus- und Weiterbildung im Güter- und Perso- nenverkehr. Zum anderen beheben wir ein in der Praxis aufgetretenes Nachweisproblem der Fahrerqualifikation bei sogenannten Grenzgängern, die im Grenzverkehr zwischen Deutschland und Frankreich als Kraftfahrer arbeiten, und die wegen der unterschiedlichen Nach- weisdokumente der beiden Länder Probleme haben, ihre erforderliche Qualifikation im Ausland nach den jeweili- gen Bestimmungen nachzuweisen. Lassen Sie mich zunächst auf das Thema Missbrauch eingehen. Das Bundesamt für Güterverkehr hat im Zuge der Bereitstellung von Fördermitteln für die beschleu- nigte Grundqualifikation und Weiterbildung von Berufs- kraftfahrern festgestellt, dass abgerechnete und bestätigte Weiterbildungen bescheinigt worden sind, ohne dass sie nach den gesetzlichen Anforderungen tatsächlich durch- geführt wurden. In der Praxis werden so zum Beispiel von unseriösen, aber zugelassenen Anbietern Qualifikati- onsbescheinigungen gegen reine Geldleistung ausgehän- digt. Dies hat neben den augenscheinlichen kriminellen Aspekten, die es schnellstmöglich einzudämmen gilt, Folgen für die gesamte Ausbildungsbranche der Berufs- kraftfahrer. Letztendlich nehmen die seriösen und redlichen An- bieter, wenn ihnen die Kunden, die sich die Zeit für die Schulungen sparen wollen, wegbleiben, ebenfalls Scha- den. Es handelt sich noch um Einzeltäter, und keinesfalls möchte ich hier eine ganze Branche in Verruf bringen, die vorbildliche Arbeit leistet und dafür Sorge trägt, dass wir in Deutschland Kraftfahrer mit der bestmöglichen Ausbildung auf die Straße bringen. Diese leistet mit ihrer Arbeit einen nicht zu unterschätzenden Beitrag zu unser aller Verkehrssicherheit. Aber die durch die Bundesregie- rung vorgelegte Zahl von 600 Missbrauchsfällen inner- halb von 15 Monaten in einem einzelnen Bundesland und der geschätzte Schaden für den Bundeshaushalt, der sich aus den zu Unrecht in Anspruch genommenen Fördergel- dern in der Höhe von mehreren Millionen Euro ergibt, machen deutlich, dass wir als Gesetzgeber aufgefordert sind, hier tätig zu werden. Wir schaffen mit diesem Gesetz die notwendigen und konkreten Vorgaben für die Anerkennung und Überwa- chung von Aus- und Weiterbildungsstätten, Unterrichts- orten, Teilnehmerzahl und die Mitteilung von Daten und Zeit der geplanten Weiterbildungsveranstaltungen. Wir schaffen neue und erweiterte Bußgeldtatbestände, um die schwarzen Schafe der Branche und diejenigen, die die vorgeschriebenen Schulungen umgehen, angemessen zu bestrafen und vor weiterem Missbrauch abzuschrecken. Neben der Verhängung von Bußgeldern kann zu- künftig der Unterricht nach Verstößen untersagt oder die notwendige Anerkennung als Ausbildungsstätte wi- derrufen werden. Bei wiederholt unrichtig ausgestellten Teilnahmebescheinigungen, zum Beispiel durch Verkauf, ist nach dem Gesetz nun ein zwingender Widerruf der Anerkennung oder eine zwingende Untersagung der Durchführung des Unterrichts vorgesehen. Damit folgen wir dem ausdrücklichen Wunsch der Bundesländer. Denn Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 193. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. September 201619292 (A) (C) (B) (D) nur bei tatsächlicher und vollständiger Teilnahme an den Kursen kann weiterhin zum Wohle aller Verkehrsteilneh- mer ein hohes Maß an Sicherheit auf unseren Straßen realisiert werden. Hier verzeichnen wir in Deutschland erfreuliche Fortschritte. Nach historischer Gesamtbe- trachtung der Verkehrsstatistik hat sich so zum Beispiel die Zahl der bei Lkw-Unfällen ums Leben gekommenen Menschen seit 1992 um circa 60 Prozent verringert. Das ist auch Ergebnis einer hierzulande sehr guten und pro- fessionellen Ausbildung unserer Fahrer, die wir weiter durch Bundesmittel fördern wollen. Das zweite Problem, das ich eingangs meiner Rede erwähnt habe, hat mit der grenzüberschreitenden Aner- kennung und dem Nachweis der Qualifikation als Berufs- kraftfahrer zu tun. Die EU hat ihren Mitgliedstaaten zwei Möglichkeiten des Nachweises vorgegeben, den Ver- merk des entsprechenden Gemeinschaftscode 95 im Füh- rerschein oder die Ausstellung eines separaten Fahrer- qualifikationsdokumentes mit entsprechendem Vermerk. Deutschland weist die Qualifikation im Führerschein aus, während unser Nachbar Frankreich sich eines separaten Dokumentes bedient. Damit stehen wir im Zeitalter of- fener Grenzen in Europa vor dem Problem, dass Grenz- gänger, die in Frankreich ihren ordentlichen Wohnsitz haben und in Deutschland beschäftigt sind und dort ihre Ausbildung absolvieren, keinen Eintrag nach deutschem Recht im französischen Führerschein und in Deutsch- land, weil nicht vorgesehen, keinen in Frankreich übli- chen Fahrerqualifikationsausweis erhalten können. Dies beheben wir nun mit dem vorliegenden Gesetzentwurf. Danach können die betroffenen Bundesländer in Zukunft durch entsprechende Rechtsverordnung das Ausstellen eines solchen Ausweises für betroffene Grenzgänger er- möglichen. Mit der heutigen Verabschiedung dieses Gesetzent- wurfs im Plenum lösen wir damit erst einmal die akuten Probleme der Ausbildungsbranche und der Grenzgänger. Ich bitte Sie deshalb um Ihre Zustimmung. Oliver Wittke (CDU/CSU): Wir beschließen heute das Zweite Gesetz zur Änderung des Berufskraftfah- rer-Qualifikations-Gesetzes und leisten dadurch einen wesentlichen Beitrag, um missbräuchliches Verhalten im Rahmen der Grundqualifikation und der Weiterbildung von Berufskraftfahrern im Güter- und Personenverkehr zu verhindern. Dies ist ein wichtiger Schritt zur weite- ren Verbesserung der Qualifikation des Fahrpersonals und dient nicht zuletzt auch der Sicherheit auf unseren Straßen. Besonders freue ich mich, dass die Bundesregierung auf Betreiben der Koalitionsfraktionen bereits im Gesetz- entwurf den Anwendungsbereich des Gesetzes im Sinne einer Eins-zu-eins-Umsetzung der Richtlinie 2003/59/ EG klarer definiert hat. So sind die beschleunigte Grundqualifikation und die Weiterbildung – wie in an- deren EU-Staaten auch – nicht mehr erforderlich, wenn keine Güter oder Fahrgäste befördert werden. Besondere Probleme in der Anwendung des Gesetzes, wie zum Bei- spiel bei den Autovermietern, werden dadurch gelöst. Nach intensiver Befassung mit dem vorliegenden Ge- setzentwurf im Rahmen des parlamentarischen Verfah- rens bleiben gleichwohl einige noch nicht gelöste Bau- stellen, die im laufenden Gesetzgebungsverfahren nicht berücksichtigt werden konnten. Gespräche mit Ländern, Verbänden und Experten haben aufgezeigt, dass es wei- ter gehender Änderungen bedarf. Auch die Anhörung des Ausschusses für Verkehr und digitale Infrastruktur hat dies bestätigt. Aus diesem Grund haben CDU/CSU und SPD den heute auch zur Abstimmung stehenden Entschließungsantrag eingebracht. Ich bin froh, dass die Bundesregierung diese Punkte auf die Agenda nimmt und dem Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruk- tur bis März nächsten Jahres Vorschläge zur Umsetzung macht. Wir sind davon überzeugt, dass es klarer bundesein- heitlicher Regeln bedarf, um den mit der Umsetzung des Gesetzes befassten Behörden die nötigen Instrumente an die Hand zu geben, mögliche Verstöße und Missbrauch effektiv, aber auch effizient zu kontrollieren. Ein zen- trales Register, das die Daten von Ausbildungsteilneh- mern und -stätten sowie Nachweisen bundesweit vereint, scheint aus unserer Sicht ein geeigneter Weg, um die Kontrollmechanismen des Berufskraftfahrer-Qualifika- tions-Gesetzes weiterzuentwickeln. Einer bundeseinheitlichen Regelung bedarf es unse- rer Meinung auch bei der Frage, ob die Qualifikation mittels Eintragung mit der Schlüsselzahl „95“ in den Führerschein oder einem separaten Fahrerqualifikations- nachweis erfolgt. Ein bundesweit als Karte ausgegebe- ner Fahrerqualifikationsnachweis würde unserer Ansicht nach nicht nur das heute bestehende Problem einiger Tausend Grenzgänger lösen, in deren ausländischen Füh- rerscheinen die deutschen Behörden keine Eintragung vornehmen dürfen, sondern die Branche erhofft sich zu- dem eine Reduktion von bürokratischem Aufwand und entsprechende Kosteneinsparungen. Darüber hinaus freue ich mich, dass das Bundesmi- nisterium für Verkehr und digitale Infrastruktur die Ein- führung von zusätzlichen Ausbildungs- und Prüfungs- sprachen prüft, ähnlich wie dies beim Führerschein heute schon ist. Es besteht nach wie vor großer Personalbedarf in der Branche, und der Beruf des Kraftfahrers ist prä- destiniert für die Integration von Einwanderern in unser Land. Die heute bestehenden Hürden sollten wir in die- sem Sinne abbauen. Auch wenn wir uns im kommenden Jahr erneut mit dem Berufskraftfahrer-Qualifikations-Gesetz befassen werden, so nehmen wir heute bereits eine wichtige Hürde auf dem Weg zu einer deutlichen Verbesserung der Qua- lität und der besseren Kontrollierbarkeit der beschleu- nigten Grundqualifikation und Weiterbildung. Daher stimmen wir dem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf und dem damit verbundenen Entschlie- ßungsantrag zu. Udo Schiefner (SPD): Wir erwarten von Transpor- teuren, dass sie schnell, effizient und zuverlässig liefern. Transport und Logistik bilden das Rückgrat unserer Wirtschaft und unseres täglichen Lebens. Unser Wirt- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 193. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. September 2016 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 193. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. September 2016 19293 (A) (C) (B) (D) schaftsstandort Deutschland hängt in hohem Maße von leistungsfähiger Logistik ab. Die Branche ist dazu auf nachweisbar gut qualifizierte Berufskraftfahrende ange- wiesen. In der Vergangenheit häuften sich jedoch Hinweise auf unberechtigt ausgestellte Nachweise zu Aus- und Weiter- bildungen für Berufskraftfahrende. Die gesetzlich vor- geschriebenen Weiterbildungspflichten werden immer wieder gar nicht oder in nur unzureichender Form erfüllt. Die Überwachung der Ausbildungsstätten gestaltet sich bislang jedoch sehr schwierig. Das liegt auch an der zer- klüfteten unübersichtlichen Struktur in Deutschland. Zu wissen, welche Behörde in welchem Bundesland zustän- dig ist, ist eine Wissenschaft für sich. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wird auf diese Probleme, wenigstens zum Teil, reagiert. Es ist richtig und wichtig, dass wir nun Möglichkeiten zur Kontrolle und zum Verhängen von Bußgeldern verbessern. Nur mit strengeren Sanktionen können wir die schwarzen Schafe der Branche härter treffen und den ehrlichen Fahrerinnen und Fahrern, Unternehmen und Fahrschulen helfen. Wir hätten aber noch weiter gehen können. Weiter gehenden Vorschlägen aus der Transport- und Logis- tikbranche wollen wir in einem nächsten Schritt ent- sprechen. Wir wollen einheitliche Anerkennungs- und Überwachungssysteme, ein zentrales Register der Aus- bildungsstätten mit Teilnehmerdokumentation und einen bundesweiten Fahrer-Qualifikationsnachweis als Ersatz für die Eintragung der Schlüsselzahl „95“ einführen. Un- ser Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen greift damit die Ergebnisse der öffentlichen Anhörung auf. Un- ser Antrag trifft auf breite Zustimmung, auch aus der Op- position. Wir sind uns alle einig, dass es mit dem Gesetz zur Berufskraftfahrerqualifikation weitergehen muss. Es ist ein „work in progress“. Dabei ist es wichtig, dass die zu planenden Systeme von Anfang an modernen Ansprüchen an Digitalisierung gerecht werden. Mit einem dezentral einsehbaren zentra- len Register kann vor allem die geforderte und für ef- fektive Kontrollen notwendige Transparenz geschaffen werden. Die Genehmigungs- und die Prüfungsbehörden würden ihnen vorgelegte Nachweise nachvollziehbar, unbürokratisch und schnell überprüfen können. Erst mit moderner Kommunikations- und Datenbank- technik werden wir den Betrugsmöglichkeiten wirk- lich einen Riegel vorschieben. In einem Zentralregister können die Daten der Ausbildungsteilnehmer und der Ausbildungsstätten mit geringem Aufwand miteinander abgeglichen werden. Wir wollen Manipulationen ver- hindern und Bürokratien abbauen. Dazu gehört auch, dass ein bundesweit als Karte ausgegebener Fahrerqua- lifikationsnachweis den bürokratischen Aufwand für alle Betroffenen reduzieren wird. Werden auch für die Karte digitale Einsatzmöglichkeiten zukunftsoffen ermöglicht, kann sie ein großer Gewinn gegenüber der aktuell gängi- gen Praxis werden. Dieses „work in progress“ sollte jetzt mit Hochdruck vorangetrieben werden. Wir erwarten, dass wir noch in dieser Legislaturperiode Planungsergebnisse mit Umset- zungsperspektive vorgelegt bekommen. Wir wollen noch gesetzgeberisch tätig werden. Deshalb ist es wichtig, dass wir spätestens Ende März nächsten Jahres im Aus- schuss informiert werden. Durchaus zu Recht werden nun einige fragen: Warum wurde der Hochdruck nicht schon früher eingesetzt und das heute zu beschließende Gesetz entsprechend geän- dert? Schnell, effizient und zuverlässig sollte ja nicht nur die Transportbranche sein, sondern auch unsere Gesetz- gebungsprozesse. Von uns hier im Bundestag und von der Regierung erwartet die Bevölkerung eine hohe Leis- tungsfähigkeit und hervorragende Produkte. Wie passt das zu einem Gesetzbeschluss, der direkt die nächste Änderung einfordert? Einerseits passt das durchaus; denn selbstverständ- lich müssen wir Gesetze auf ihre Wirksamkeit überprü- fen und gegebenenfalls weiter verbessern. Andererseits wussten wir seit langem, was wir in diesem Fall noch besser machen sollten. Dies verleitet mich zu einer kleinen Randnotiz: Als ich hier im Bundestag in dieser Legislaturperiode neu anfing, wir dann die große Koalition bildeten und uns fortan auf eine überwältigende Mehrheit im Parlament stützen konnten, kam das Gefühl auf, jetzt können wir etwas bewegen. Wir haben auch sehr viel bewegt und wichtige Beschlüsse gefasst. Aber seien wir ehrlich: Wir haben auch vieles noch nicht hinbekommen. Und dafür werden wir kritisiert. Wir werden selten auch gelobt für die Dinge die vorangehen, häufiger aber kritisiert für das, was liegen blieb. Bereits vor über zwei Jahren besprachen wir in klei- ner Runde mit den Fachleuten des Ministeriums unsere Vorstellungen bezüglich eines Zentralregisters. Als zu- ständige Berichterstatter der Koalitionsfraktionen waren wir uns einig. Wir wollten diese Möglichkeit und Um- setzungsvorschläge dazu geprüft sehen. Bei mehreren Folgegesprächen unter Beteiligung der thematisch ver- antwortlichen politischen Führung des Hauses haben wir unsere Erwartungen wiederholt unterstrichen. Mit dem heute beschlossenen parlamentarischen Auf- trag an die Regierung gehen wir einen Weg, der meines Erachtens nicht nötig gewesen wäre. Wir könnten schon viel weiter sein. Wenn wir schnell, effizient und zuver- lässig sein wollen, wie es uns die Fahrerinnen und Fahrer auf ihren Lkws vormachen, müssen wir auch unsere ei- genen Prozesse noch deutlich verbessern – hier im Haus und in der Zusammenarbeit zwischen Parlament und Mi- nisterien. Thomas Lutze (DIE LINKE): Zum einen besteht für die Gruppe der insbesondere französischen „Grenz- gänger“, also französische Berufskraftfahrer, die bei ei- ner deutschen Firma beschäftigt sind, ein Problem beim Nachweis der in Deutschland erworbenen Grundquali- fikation. In Deutschland wird diese durch Eintrag eines Schlüsselcodes im Führerschein nachgewiesen, in Frank- reich ausschließlich durch einen separaten Fahrerquali- fizierungsnachweis, der wiederum in Deutschland nicht ausgestellt wird. Durch den Gesetzentwurf soll ermög- licht werden, auch in Deutschland Fahrerqualifizierungs- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 193. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. September 201619294 (A) (C) (B) (D) nachweise ausstellen zu können, die in Frankreich aner- kannt werden. Zum anderen führt der Gesetzentwurf neue Kontroll- möglichkeiten ein bzw. verbessert die bestehenden Kon- trollmöglichkeiten bei der tatsächlichen Durchführung der Weiterbildungsmaßnahmen für Berufskraftfahrer, da dem Bundesamt für Güterverkehr Hinweise vorliegen, dass es vermehrt Missbrauch bei der Durchführung von Qualifikationsmaßnahmen gegeben hat. Die Verbesserung der Kontrollmöglichkeiten bei der Durchführung von Qualifikationen für Berufskraftfahrer dürfte zu einer Erhöhung der Qualität der Weiterbildung von Berufskraftfahrern und damit zu einer Verbesserung der Sicherheit im Straßenverkehr beitragen. Die Mög- lichkeit der Ausstellung eines Fahrerqualifikationsnach- weises führt zu einer deutlichen Erleichterung der grenz- übergreifenden Berufstätigkeit. Alles in allem sinnvolle Maßnahmen. Leider gibt es in diesem Bereich noch mehr offene Baustellen, die Sie unsinnigerweise nicht gleich mit angepackt haben. Hier hätte man von Anfang ordentlich arbeiten sollen, statt die Bundesregierung in einer Entschließung dazu aufzufor- dern. Stephan Kühn (Dresden) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Berufskraftfahrerinnen und Berufskraftfahrer müssen eine besondere Qualifikation nachweisen, um im Personen- oder Güterkraftverkehr tätig werden zu kön- nen. Geregelt wird dies mit der EU-Richtlinie 2003/59/ EG, die Deutschland mit dem Berufskraftfahrer-Quali- fikations-Gesetz in nationales Recht umgesetzt hat. Im Gesetz finden sich Regelungen zur Grundqualifikation und regelmäßigen Weiterbildung von Fahrerinnen und Fahrern. Lassen Sie mich schlaglichtartig die wesentlichen Mängel und Lücken des bisherigen Gesetzes benennen: Daten der Teilnehmenden und Ausbildungsstätten sind aufgrund eines fehlenden Zentralregisters nicht abgleich- bar, was Missbrauch Tür und Tor öffnet. Es fehlt eine Meldepflicht der Teilnehmerlisten, sodass nicht anwe- sende Personen einfach nachträglich in Listen eingetra- gen werden können. Einheitliche Kriterien für die Anerkennung von Aus- bildungsstätten und ihrer Überwachung fehlen. Wir wis- sen nicht, wie viele Ausbildungsstätten es eigentlich gibt. Dozenten müssen bisher weder pädagogisch noch fachlich verbindlich an Fortbildungen teilnehmen. Es fehlt ein Kriterienkatalog für Dozenten in der Grundqua- lifikation und Weiterbildung. Statt die Missstände bei den Weiterbildungen für die Berufskraftfahrer zu beseitigen, wird eine Lösung seit Jahren hinausgezögert. Bereits Ende 2013 haben sich selbst Branchenvertreter auf gemeinsame Empfehlungen geeinigt, die im Sommer 2014 dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur überreicht wurden. Wichtigste Forderung war die Einführung eines zentra- len Registers zur Onlineverwaltung der Weiterbildungen. Nur mit der Einführung eines solchen Registers können wir den Missbrauch mit den Teilnahmebescheinigungen wirksam unterbinden. Doch genau diese wichtige Forderung nach einem Zentralregister, die sowohl politisch als auch von Ver- bänden im Bereich der Verkehrssicherheit und Weiter- bildung für Kraftfahrer breit mitgetragen wird, wird in Ihrem Gesetzentwurf nicht aufgegriffen. Dieser zentrale Mangel und weitere Defizite sind jetzt immerhin auch Union und SPD aufgefallen, sodass noch ein Entschließungsantrag mit notwendigen Ergänzungen zusammengezimmert wurde. Sauberer wäre es gewesen, Sie hätten uns einen Änderungsantrag zum Gesetzent- wurf vorgelegt. Denn mit dem Entschließungsantrag im Ausschuss bleibt das Ganze unverbindlich, auch wenn die Stoßrichtung grundsätzlich richtig ist. Indirekt räumen Sie damit ein, dass die drängenden Fragen beim Berufskraftfahrer-Qualifikations-Gesetz nicht gelöst sind. Im Entschließungsantrag wird der Wunsch formuliert, dass das BMVI innerhalb weni- ger Monate den Sachverhalt neu regeln und dann im März 2017 „Planungsergebnisse“ vorlegen solle. Man darf ernsthaft bezweifeln, dass in dieser Legislaturperio- de noch eine akzeptable Lösung erreicht wird. Aus unserer Sicht reichen die in Ihrem Entschlie- ßungsantrag genannten Ergänzungen nicht aus. Wenn wir im Sinne einer verbesserten Verkehrssicherheit die bestmögliche Qualifikation unserer Berufskraftfahrerin- nen und Berufskraftfahrer erreichen wollen, ist mehr als das unzweifelhaft wichtige Zentralregister notwendig. Der Bund muss einheitliche Kriterien für die Anerken- nung und Überwachung der Weiterbildungseinrichtun- gen definieren. Und zusätzlich muss nach unserer Auf- fassung auch die regelmäßige Fortbildung der Dozenten nach einem ebenfalls vereinheitlichten Kriterienkatalog aufgenommen werden. Wir werden das Verfahren im Blick behalten und sind gespannt, welche Ergebnisse uns der Bundesverkehrsmi- nister bis Ende März 2017 tatsächlich vorlegen wird. Angesichts der bestehenden Lücken in Ihrem Gesetz- entwurf wird sich meine Fraktion enthalten. Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Soziales zu dem Antrag der Abgeordneten Jutta Krellmann, Klaus Ernst, Susanna Karawanskij, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion DIE LINKE: Befris- tungen im öffentlichen Dienst stoppen (Tagesord- nungspunkt 18) Wilfried Oellers (CDU/CSU): Erneut diskutieren wir den Antrag der Fraktion Die Linke „Befristungen im öf- fentlichen Dienst stoppen“. Ihre Forderungen sind trotz geänderter Überschrift die gleichen geblieben. Sie wol- len die sachgrundlose Befristung, den Befristungsgrund Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 193. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. September 2016 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 193. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. September 2016 19295 (A) (C) (B) (D) zur Erprobung und die Möglichkeit der sogenannten Haushaltsmittelbefristungen abschaffen. Der Katalog der Sachgründe soll als abschließend angesehen werden und eine Sachgrundbefristung nur einmalig verlängert wer- den können. Darüber hinaus fordern Sie nun die Bundes- regierung auf, darauf einzuwirken, dass im öffentlichen Dienst grundsätzlich unbefristete Stellen vorgehalten werden. Natürlich sehen wir von der Union auch am liebsten nur unbefristete Arbeitsverhältnisse. Aus unter- schiedlichsten Gründen ist dies jedoch, das zeigt uns die Realität, nicht immer möglich. Richtigerweise stellen Sie fest, dass Befristungen von Arbeitsverhältnissen im öffentlichen Dienst häufiger vor- zufinden sind als in der Privatwirtschaft. Um die Befris- tungen dennoch in einer Gesamtschau darzustellen, sei erwähnt, dass nach den Erhebungen des Statistischen Bundesamtes für das Jahr 2014 die Befristungsquote der Kernerwerbstätigen im Alter von 15 bis 64 Jahre bei 6,9 Prozent lag (ab 25 Jahre bei 8,1 Prozent). Dies ist der niedrigste Stand seit 2005. Damit zeigen die Zahlen bei genauer Betrachtung deutlich, dass das unbefristete Arbeitsverhältnis die Regel ist und das befristete Arbeits- verhältnis die Ausnahme ist. Berücksichtigt man, dass vor 2005 die Erhebungen aufgrund einer ungenaueren Methode ermittelt wurden, so kommt man zu dem Ergebnis, dass die derzeitigen Werte sogar die niedrigsten der letzten 25 Jahre sind, und das, obwohl zwischenzeitlich ein Anstieg auf circa 9 Prozent zu verzeichnen war. Stiegen die Befristungen bis 2010 im Rahmen der Wirtschaftskrise an, so ist seit 2010 ein stetiger Rückgang zu verzeichnen. So kommen Menschen auch in schwierigen Zeiten in Arbeit. Diese Entwicklung kann doch nur als positiv bezeich- net werden. Sie zeigt vor allem auch, dass die Befristung ein wichtiges Flexibilisierungsinstrument ist, um in wirt- schaftlich schwierigen Zeiten angemessen reagieren zu können. Wenn dann in wirtschaftlich guten Zeiten die Befristungen rückläufig sind, dann zeigt dies auch, dass die Arbeitgeber verantwortungsvoll mit diesem Flexibili- sierungsinstrument umgehen und es der wirtschaftlichen Situation angemessen anpassen. Mit dieser Feststellung kann ich natürlich nicht aus- schließen, dass in Einzelfällen Missbrauch betrieben wor- den ist bzw. betrieben wird. Diese Fälle sind aber mit der derzeitigen Rechtslage lösbar. Hierzu gilt es jedoch, die Gerichte anzurufen. Einzelne Missbrauchsfälle dürfen in meinen Augen nicht dazu führen, dass gesetzliche Rege- lungen verschärft werden. Damit verhindert man nicht die Missbrauchsfälle. Man verhindert sie nur dadurch, indem sie gerichtlich aufgeklärt und sanktioniert werden. Mit einer Verschärfung trifft man zuallererst diejenigen, die sich redlich verhalten, und schränkt diese weiter ein, da sie die neue Gesetzeslage umsetzen werden. Es kann aber nicht das Ziel sein, den Großteil der redlichen Un- ternehmer durch schärfere Regelungen zu bestrafen, nur weil es einige „schwarze Schafe“ gibt und diese mit dem geltenden Recht sanktioniert werden können. Denn im Rahmen der Gesamtbetrachtung darf auch nicht außer Acht gelassen werden, dass die Befristung neben ihrer Flexibilisierungsfunktion auch eine Brücke für Arbeitslose in den Arbeitsmarkt darstellt. Die Über- nahmequote ist bemerkenswert. Bei 43 Prozent befriste- ten Neueinstellungen im Jahr 2014 wurde eine Übernah- mequote von 58 Prozent erreicht, Tendenz steigend. Das IAB kommt in seinem Forschungsbericht von Dezember 2015 zu der Feststellung, dass gerade die Möglichkeit der sachgrundlosen Befristung häufiger als Brücke in den Arbeitsmarkt fungiert als andere Befris- tungsformen. Das ist darauf zurückzuführen, dass sie eine unbürokratische und rechtssichere befristete Einstel- lungsmöglichkeit darstellt. Berücksichtigt man all dies vor dem Hintergrund von Rekordbeschäftigungszahlen – über 43 Millionen Erwerbstätige und über 31 Millionen sozialversiche- rungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse bei aktuell 2,608 Millionen Arbeitslosen; das ist eine Arbeitslosen- quote von 5,9 Prozent, dem tiefsten Stand seit 25 Jah- ren –, so zeigt dies, dass die derzeitige Rechtslage gepaart mit der guten wirtschaftlichen Situation die Menschen in Arbeit bringt. Und genau das ist doch unser Ziel. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Altersgruppe von 15 bis 24 Jahren eine Befristungsquote von 23 Pro- zent ausweist, da sie in den folgenden Altersgruppen bis hin zur Altersgruppe von 55 bis 64 Jahren auf 3,7 Prozent sinkt. Dies zeigt: Auch wenn der Berufseinstieg zunächst durch eine Befristung erfolgt, so geht er in der Regel in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis über. Im öffentlichen Dienst ist festzustellen, dass bei einem Gesamtbefristungsanteil im Jahre 2014 von 10,3 Prozent der Schwerpunkt der Befristungen im wissenschaftlichen Bereich liegt. So stellt das IAB in seinem Forschungsbe- richt fest, dass die Befristungen dort lediglich 5,6 Prozent ausmachen, wenn man den wissenschaftlichen Bereich einmal ausklammert. Betrachtet man die Entwicklung von 2004 bis 2014, so stellt man zwar einen Anstieg von 4,3 Prozent auf 5,6 Prozent fest. Allerdings ist der Befris- tungsanteil seit 2010 leicht rückläufig (von 5,8 Prozent auf 5,6 Prozent bei einem Anstieg im letzten Jahr um 0,3 Prozent). Eine derartige Quote ist vertretbar und er- fordert keine gesetzlichen Veränderungen und schon gar keine Verschärfung der Rechtslage. Anders muss man dies bewerten, wenn man die Be- fristungsanteile in wissenschaftlichen Einrichtungen an- sieht, die etwa 50 Prozent der Befristungen im öffent- lichen Dienst ausmachen. Die Entwicklung an dieser Stelle ist als sehr kritisch zu betrachten. Lag der Befris- tungsanteil im Jahre 2004 insgesamt bei 26,3 Prozent, stieg er bis 2014 auf insgesamt 43,6 Prozent an. Die Entwicklung im wissenschaftlichen Bereich be- durfte also einer gesonderten Betrachtung. Daher haben wir uns in der Koalition das Wissenschaftszeitvertrags- gesetz von 2007 genauer angeschaut. Es regelt die Bedin- gungen für befristete Arbeitsverträge wissenschaftlicher Mitarbeiter während der Qualifizierungsphase. Die rechtlichen Möglichkeiten im Rahmen des Geset- zes führten dazu, dass junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nur Einjahresverträge erhielten und der erste Vertrag meist eine Laufzeit von unter einem Jahr hatte. Diesen Fehlentwicklungen ist die unionsgeführte Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 193. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. September 201619296 (A) (C) (B) (D) Koalition im letzten Jahr durch ein Änderungsgesetz ent- gegengetreten, mit dem unsachgemäße Kurzbefristungen für junge Wissenschaftler künftig verhindert werden. Damit ist ein wesentlicher Bereich der Befristungen im öffentlichen Dienst durch die unionsgeführte Koali- tion verbessert worden. Dies wird die Zahl der Befris- tungen insgesamt, aber besonders im öffentlichen Dienst reduzieren und den Menschen daher eine bessere Pla- nungssicherheit geben. Das IAB kommt in seinem Forschungsbericht zu dem Ergebnis, dass befristete Beschäftigung im öffentlichen Sektor vielfach eingesetzt wird, um unter anderem tem- poräre Personalausfälle zu kompensieren. Hier freut es mich, ein positives Beispiel aus meinem Wahlkreis nen- nen zu können. Eine Behörde hatte insgesamt vier Mitar- beiter im Wege der Schwangerschaftsvertretung befristet beschäftigt. Rechtlich war dies nicht zu beanstanden. Nach einigen Verlängerungen der Arbeitsverträge erneut im Wege der Schwangerschaftsvertretung entschied sich der Behördenleiter, diese vier Mitarbeiter unbefristet einzustellen, um den Mitarbeitern Planungssicherheit zu geben und weil er der berechtigten Annahme war, dass Schwangerschaftsvertretungen auch zukünftig erforder- lich seien. Und besonders erfreut es mich, dass der Be- hördenleiter Mitglied der Union ist. Sie sehen, meine Damen und Herren der Linken, die Union geht sehr verantwortungsbewusst mit dem Thema „Befristung“ um. Die notwendigen Rechtsänderungen wurden bereits vorgenommen. Natürlich müssen wir als Gesetzgeber die Entwicklung weiter beobachten und gegebenenfalls wei- tere Änderungen veranlassen, aber mit Augenmaß. Ihre Vorschläge haben dieses Augenmaß nicht. Als bewähr- tes Flexibilisierungsinstrument und als Brückenfunktion ist die Befristung in der jetzigen Form zu erhalten und kommt den Menschen damit im Ergebnis zugute. Matthäus Strebl (CDU/CSU): Ein zufriedenstellen- der Arbeitsplatz spielt für die Menschen eine große Rol- le. Für viele ist der ausgeübte Beruf ein wichtiger Teil der persönlichen Selbstentfaltung und Verwirklichung. Es ist einleuchtend, dass unbefristete Arbeitsverhältnisse für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einen hohen Stel- lenwert besitzen. Sie ermöglichen Planungssicherheit so- wohl in privaten als auch in beruflichen Fragen. Voraussetzung ist eine gute wirtschaftliche Lage. In Deutschland ist diese positiv, und die Zahl der Erwerbs- tätigen ist bemerkenswert gut. Gleichwohl gibt es in der Privatwirtschaft als auch im öffentlichen Dienst befristete Arbeitsverträge. Doch wenn die Befristungen im öffentlichen Dienst angepran- gert werden, darf nicht vorschnell geurteilt werden. Denn es gibt dafür auch hier nachvollziehbare Gründe. Die hohe Anzahl der Befristungen finden und fanden sich vor allem im Hochschulwesen. Viele junge Wissen- schaftlerinnen und Wissenschaftler haben in der Vergan- genheit unangemessen kurze Verträge erhalten; manche liefen nur wenige Monate. Diese Entwicklung im Hoch- schulbereich halte ich nur für bedingt vertretbar. Umso mehr begrüße ich die Änderungen des Wissen- schaftszeitvertragsgesetzes durch die Bundesregierung. Damit sind Verbesserungen insbesondere für den Wis- senschaftsnachwuchs verbunden, ohne die erforderliche Flexibilität und Dynamik einer Forschungseinrichtung zu beeinträchtigen. Wenn man sich die Befristungen im öffentlichen Dienst genauer anschaut, so werden hier verschiedenste Gründe aufgeführt: haushalterische Bedingungen, Ver- tretungen aufgrund von Krankheit und Mutterschutz, Projekte und temporärer Mehrbedarf, wie wir ihn beim BAMF aufgrund der hohen Flüchtlingszahlen erleben. Ein weiterer Grund, warum befristete Verträge im öf- fentlichen Dienst zu finden sind, sind die unterschiedli- chen Erwerbsformen. Die Möglichkeiten, wie Minijobs, Leiharbeit oder freie Mitarbeit, werden im Gegensatz zur Privatwirtschaft im öffentlichen Dienst nämlich kaum genutzt. Zwar spielen befristete Arbeitsverhältnisse eine größere Rolle bei Neueinstellungen im öffentlichen Dienst, jedoch kann nicht von einem Massenphänomen gesprochen werden. Eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Be- rufsforschung, IAB, hat ergeben, dass der Anteil befris- teter Beschäftigungsverhältnisse seit 2010 rückläufig ist. Inzwischen liegt der Befristungsanteil im öffentlichen Dienst unter 10 Prozent. Wir sprechen hier also von rückläufigen Zahlen und nicht von einer gravierenden Zunahme, wie es die Frak- tion Die Linke suggerieren will. Auch dürfen wir nicht vergessen, dass eine befristete Tätigkeit auch eine Brü- cke in eine dauerhafte Tätigkeit sein kann, besonders im öffentlichen Dienst. Ich bin der Auffassung, dass die Handlungsfähigkeit des deutschen Staates auch wesentlich durch den öffent- lichen Dienst mit seinen qualifizierten Mitarbeitern und Beamten gesichert ist. Diese Handlungsfähigkeit muss eben auch in besonderen Zeiten, wie jetzt durch die Flüchtlingskrise, durch befristete Arbeitsverträge gesi- chert sein. Ohne Bedenken bleibt daneben die Fachkräf- tesicherung auch ein wesentlicher Punkt auf der öffent- lichen Agenda. Zusammenfassend: Befristete Arbeitsverträge sind sowohl im öffentlichen Dienst als auch in der Privat- wirtschaft unter bestimmten Bedingungen sinnvoll und notwendig. Eine komplette Abschaffung von befristeten Verträgen sowohl im öffentlichen Dienst als auch in der Privatwirtschaft wird keine Unterstützung der CDU/ CSU-Fraktion finden. Gabriele Hiller-Ohm (SPD): Zum fünften Mal de- battieren wir nun in dieser Legislaturperiode im Plenum einen Antrag der Linken zur Problematik befristeter Arbeitsverträge – und mindestens genauso oft natürlich auch im Ausschuss. Das ist gut; denn so können wir heu- te alle Argumente dazu noch einmal austauschen und un- sere Position zum wiederholten Mal klarstellen. Die SPD-Position ist – ich zitiere aus unserem Wahl- programm –: Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 193. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. September 2016 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 193. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. September 2016 19297 (A) (C) (B) (D) Die Möglichkeit der sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverträgen wollen wir abschaffen, den Kata- log möglicher Befristungsgründe überprüfen. Gerade Neueinstellungen erfolgen oft befristet. Jün- gere und Frauen sind besonders häufig davon betroffen. Oft geschieht dies sogar ohne jegliche Begründung. Das ist unwürdig für die Beschäftigten. Durch sachgrundlose Befristungen bleiben Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh- mer ohne Not im Ungewissen über ihre berufliche Zu- kunft. Jede und jeder, der dies schon einmal erlebt hat, weiß, wie es sich anfühlt, zu warten und zu hoffen und nicht zu wissen, wie es weitergehen wird. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, müssen wir ändern! Arbeitgeber sollten doch froh sein, gutes Personal zu bekommen, und das sollten sie dann auch mit vernünfti- gen Verträgen und guter Bezahlung halten. Befristete Ar- beitsverträge ohne Angabe eines Grundes haben weder in der Wirtschaft noch im öffentlichen Dienst etwas zu suchen. Befristungen insgesamt können wir jedoch nicht ab- schaffen. Denn Elternzeit- und Krankheitsvertretungen zum Beispiel wird es weiterhin geben müssen. Und auch wenn man auf den Wissenschaftsbereich schaut, werden wir nicht alle befristeten Arbeitsverhält- nisse abschaffen können. So können sie durchaus sinn- voll sein, damit zum Beispiel junge Nachwuchskräfte weiterhin ihren Doktortitel erwerben können. Allerdings sind wir aber mit unserer Reform des Wis- senschaftszeitvertragsgesetzes, die im März dieses Jah- res in Kraft getreten ist, gegen Befristungsmissbrauch im Wissenschaftsbereich vorgegangen. Unsachgemäße Kurzbefristungen sind nun untersagt. Und nichtwissenschaftliches Personal fällt überhaupt nicht mehr unter das Wissenschaftszeitvertragsgesetz. Denn diese Personengruppe leistet Daueraufgaben, die auch mit Dauerstellen zu besetzen sind. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung. Liebe Kolleginnen und Kollegen der Linken, ich bin mir sicher, unsere Reform wird die Befristungen im öf- fentlichen Dienst verringern. Ja, es ist richtig: Der öffent- liche Dienst sollte mit gutem Beispiel vorangehen und seinen Beschäftigten vernünftige Perspektiven bieten. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen der Linken, es lohnt auch ein differenzierter Blick auf die Zahlen und Fakten des öffentlichen Dienstes und vor allem auf den in Ihrem Antrag genannten Forschungsbericht des Insti- tuts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung IAB. Denn der auf den ersten Blick sehr große Befristungsanteil des öffentlichen Dienstes ist vor allem auf den Wissen- schaftsbereich zurückzuführen. Zudem wird im IAB-For- schungsbericht davon berichtet, dass viele Sachgrundbe- fristungen als sachgrundlose Befristungen durchgeführt werden – weil es schlicht einfacher ist. Der Bericht kommt zu dem Schluss, dass im öffent- lichen Dienst vor allem temporäre Personalausfälle durch befristete Beschäftigung ausgeglichen werden. So kommt es beispielsweise durch den hohen Frauenanteil auch zu mehr Elternzeitvertretungen. Und der Bericht stellt allgemein wie auch für den öf- fentlichen Dienst fest, dass die befristete Beschäftigung in den letzten Jahren wieder zurückgegangen ist. Das ist eine erfreuliche Entwicklung in die richtige Richtung. Trotzdem würden wir Sozialdemokraten und Sozial- demokratinnen die sachgrundlose Befristung gern ab- schaffen und die Auswüchse bei befristeten Verträgen mit Sachgrund angehen. Ich fürchte aber, wir können in dieser Legislaturperiode mit unserem derzeitigen Koa- litionspartner dazu keine Einigung herstellen und auch kein Gesetz mehr dazu auf die Beine stellen. Deshalb, meine Kolleginnen und Kollegen von der Linken, wer- den wir Ihrem Antrag auch diesmal nicht zustimmen. Wir haben in dieser Koalition eine ganze Menge Verbesserungen für die Arbeitnehmerinnen und Arbeit- nehmer in unserem Land erreicht, beispielsweise die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns oder die Ver- besserungen bei der Rente oder beim Elterngeld. Und wir werden auch noch weitere schaffen, zum Beispiel weite- re Rentenverbesserungen, Missbrauchsbekämpfung bei Leiharbeit und Werkverträgen, und wir wollen auch noch das Entgeltgleichheitsgesetz durchsetzen. Dabei freuen wir uns auf Ihre Unterstützung, liebe Kolleginnen und Kollegen. Bernd Rützel (SPD): Es gibt zu viele Befristungen im öffentlichen Dienst! Diesen Satz unterschreibe ich Ihnen sofort. Die vielen Befristungen sind ein Nachteil: sowohl für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer als auch für den Arbeitgeber, den Staat. Den Beschäftigten verbauen die vielen Befristungen Lebenschancen. Ihnen wird damit eine langfristige Per- spektive verweigert. Und der Staat als Arbeitgeber wird unattraktiver. Dabei braucht er dringend qualifizierte Nachwuchskräfte. Es gibt immer weniger junge Menschen im öffentli- chen Dienst, das Durchschnittsalter der Beschäftigten wird immer höher. Der Staatsdienst muss wieder attrak- tiver werden. Ein wichtiger Punkt dabei ist der Verzicht auf sachgrundlose Befristungen. Das hohe Durchschnittsalter der Beschäftigten ist auch ein Grund für die vielen Befristungen. Das IAB hat die Entwicklung und die Motive der befristeten Beschäf- tigung im öffentlichen Dienst betrachtet. Es kommt da- bei zu dem Schluss, dass sich ein Teil der Befristungen durch die Personalstruktur begründen lässt. Häufig sind es Vertretungsbefristungen, weil der Frauenanteil über- durchschnittlich hoch ist und oft Elternzeitvertretungen anfallen. Und wegen des Alters der Belegschaft spielen auch Vertretungen wegen Krankheit eine größere Rolle als in der Privatwirtschaft. Daher sage ich: Man muss genau hinschauen. Und wo es gute Sachgründe gibt, ist eine Befristung von Arbeits- verhältnissen in Ordnung. Es darf aber nicht sein, dass befristete Anstellungen heute der Normalfall bei einer Neueinstellung im öffentlichen Dienst sind. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 193. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. September 201619298 (A) (C) (B) (D) Der öffentliche Dienst war einmal ein Vorbild, was die Sicherheit für die Beschäftigten angeht. Der ausu- fernde Gebrauch sachgrundloser Befristungen hat diese Vorbildfunktion zunichtegemacht. Dabei wusste schon Goethe: „Wer Gutes will, der sei erst gut“. Wenn wir keine prekären Beschäftigungsverhältnisse in der Privatwirtschaft wollen, sollten wir sie auch nicht im Staatsdienst zulassen. Dahin müssen wir zurückkom- men: dass der öffentliche Dienst wieder ein Vorbild ist; dass die Menschen, die dort arbeiten, wieder eine lang- fristige Perspektive haben. Jutta Krellmann (DIE LINKE): Die Auswirkungen der katastrophalen Personalsituation in vielen Bereichen des öffentlichen Dienstes sind für jeden von uns allge- genwärtig: Wir stehen im Bürgeramt Schlange, um den Pass abzuholen, landen, wenn man beim örtlichen Job- center anruft, in einem zentralen Callcenter oder kom- men schwer in Kontakt mit unserem zuständigen Sach- bearbeiter vom Finanzamt. Dabei war der öffentliche Dienst einst Vorreiter in Sachen guter und sicherer Arbeit. Heute ist davon nicht mehr so viel übrig geblieben. Geschafft haben das Bund und kommunale Arbeitgeber durch die Anwendung von neoliberalen Blaupausen wie Einsparungen, Dere- gulierung und Lohneinbußen. Allein seit 1991 wurden 2,5 Millionen Arbeitsplätze ersatzlos gestrichen, und das bei steigendem Arbeitsanfall und zunehmender gesell- schaftlicher Erwartungshaltung wie etwa eine moderne Verwaltung. Es kann aber nicht alles unkompliziert, papierlos und bürgerorientiert laufen, wenn gleichzeitig der Alltag der Beschäftigten von Arbeitsverdichtung, Personalabbau und Überstunden geprägt ist. In der jüngsten Tarifrunde des öffentlichen Dienstes forderten die Gewerkschaft Verdi und der dbb beamtenbund und tarifunion daher nicht nur mehr Lohn und Gehalt, eine verbindliche Über- nahmeregelung von Auszubildenden oder versuchten, geplante Einschnitte in die betriebliche Altersvorsorge der Beschäftigten zu verhindern. Eine weitere Tariffor- derung der Beschäftigten verdient genaueres Hinsehen. Auffallend viele Beschäftigungsverhältnisse im öf- fentlichen Dienst sind nicht nur befristet, sie werden obendrein auch nicht sachlich begründet. Im Jahr 2013 waren drei von zehn Arbeitsverträgen sachgrundlos be- fristet, im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) sogar acht von zehn! Die Folge: Die Betroffenen schleppen sich krank zur Arbeit oder gehen seltener zum Personalrat, immer in der Hoffnung, vielleicht den Vertrag verlängert zu kriegen. Dabei steht längst außer Frage, dass Befristung gute Ar- beit verhindert. Die Beschäftigten haben genau darauf keine Lust mehr und wollten die sachgrundlose Befris- tung per Tarifvertrag im öffentlichen Dienst verbieten. Damit folgten sie einer neuen Entwicklung; denn sie versuchen, Verbesserungen bei bestimmten Arbeitsbe- dingungen zumindest für ihren Bereich durchzusetzen, die eigentlich Aufgabe des Gesetzgebers wären und für alle Beschäftigten geregelt gehören. Wurden früher Tarifforderungen in Gesetze gegos- sen, wie zum Beispiel die Entgeltfortzahlung im Krank- heitsfall, scheint es nun umgekehrt: Beschäftigte müssen heutzutage wichtige gesetzliche Verbesserungen im Ar- beitsrecht auf die Tarifebene verlagern, weil sie mit ihren Sorgen bei der Bundesregierung kein Gehör mehr finden. Das ist ein Skandal und zugleich eine Bankrotterklärung für die Große Koalition. Wo kommen wir denn hin, wenn künftig die Arbeit- geberverbände mit ihrem Gequatsche von Wettbewerb und Flexibilität allein bestimmen, wie die gesetzlichen Grundlagen von Arbeitsrecht und Arbeitsschutz ausse- hen? Dem müssen wir schnellstmöglich einen Riegel vorschieben und gute Arbeit gesetzlich umfassend auch im Sinne der Beschäftigten regeln. Die Linke hat da ganz konkrete Vorschläge. Wie kurzsichtig ist dieser Staat eigentlich, wenn er seinen Nachwuchs kleinhält durch systematische Befris- tungen? So setzt man sich selbst schachmatt. Allein die Personalpolitik im Bundesamt für Migration und Flücht- linge zeigt doch ganz deutlich, dass mit befristetem Per- sonal zentrale staatliche Anforderungen nicht durchge- führt werden können. Davor können wir doch hier im Bundestag nicht un- sere Augen verschließen. Denn genau diese Ignoranz schürt Frust bei den Menschen. Die Beschäftigten in unseren Verwaltungen machen gerade angesichts der desolaten Situation einen ver- dammt guten Job. Die entsprechenden Rahmenbedin- gungen für ihre Arbeit werden aber hier im Bundestag gemacht. Wir fordern in unserem Antrag die ersatzlose Strei- chung der Möglichkeit zur sachgrundlosen Befristung. Darüber hinaus ist von einem unbefristeten Arbeitsbe- darf auszugehen, wenn bei demselben Arbeitgeber zwei- mal aufeinanderfolgend aus sachlichen Gründen befristet wurde. Nachdem die „Befristung zur Erprobung“ zusammen mit der „Haushaltsmittelbefristung“ zusätzlich aus dem Teilzeit- und Befristungsgesetz gestrichen wurden, han- delt es sich bei den restlichen Sachgründen um einen ab- schließenden Katalog. Wir sind der Überzeugung, dass man auch immer zuerst vor der eigenen Tür zu kehren hat. Die Bundes- regierung kann ein positives Beispiel setzen und direkt in ihren Ministerien und Behörden damit beginnen, für staatliche Regelaufgaben grundsätzlich unbefristete Planstellen vorzuhalten. Es ist ureigenes Interesse von Staat und öffentlicher Verwaltung, dass dort gute Arbeit geleistet wird. Das setzt allerdings gute Arbeitsbedingungen voraus. Deswegen bitte ich Sie um Zustimmung zu unserem Antrag. Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Es ist gut, mit welcher Hartnäckigkeit die Linken das wichtige Thema Befristung immer wieder bearbeiten und auf die Tagesordnung setzen. Und gleichzeitig ist Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 193. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. September 2016 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 193. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. September 2016 19299 (A) (C) (B) (D) es ärgerlich, weil Sie – die Regierungsfraktion – nichts, aber auch wirklich nichts seitdem getan haben. Wir kön- nen hier eigentlich immer die gleiche Rede halten. Sie reden das Thema klein. Sie ignorieren die Realität, ver- weisen auf einen hohen Anteil an Beschäftigten mit un- befristeten Arbeitsverträgen, sprechen von angeblichen „Brücken“ irgendwohin. Dabei sind die Probleme offen- sichtlich. Der Antrag der Linken heute befasst sich mit der Vor- bildfunktion des öffentlichen Dienstes und seiner Verant- wortung gegenüber den Beschäftigten. Die Bundesmi- nisterien als Arbeitgeber sind hier spitze – allerdings nur bei Befristungen. 50 Prozent aller Neueinstellungen sind befristet, 2/3 davon auch noch sachgrundlos. Dieser Zustand ist unhaltbar. Die sachgrundlose Be- fristung gehört abgeschafft. Da sind wir der gleichen Meinung wie die Linken. In diesem Punkt unterstützen wir den Antrag. Befristungen haben ganz grundsätzlich negative Fol- gen für die Beschäftigten: Erstens. Eine Befristung bedeutet oft weniger Gehalt. Das gilt nicht nur am Anfang, wenn die Beschäftigten be- fristet in die Arbeitswelt einsteigen. Sie verdienen auch danach weniger. Zweitens. Wer befristet angestellt ist, steht unter grö- ßerem Druck. Befristet Beschäftigte machen mehr Über- stunden, sie nehmen weniger Urlaub, sie übernehmen mehr zusätzliche Aufgaben, und sie fordern, wie gesagt, auch weniger Geld – das alles, damit ein möglicher unbe- fristeter Arbeitsvertrag nicht in Gefahr gerät. So werden Beschäftigte gefügig gemacht. Das geht gar nicht. Drittens. Gerade für Berufseinsteigende ist die Situa- tion besonders schwierig. Alle Jugendstudien berichten von einer Generation, die durchaus optimistisch in die Zukunft schaut. Einzige Ausnahme ist die Jobsituation. Junge Menschen, die immer wieder nur einen Job auf Zeit haben, kommen in der Arbeitswelt nie richtig an. Sie wis- sen nicht, ob sie nach einiger Zeit wieder auf der Suche sind. Sie wissen auch nicht, ob sie in eine andere Stadt ziehen müssen. Es erfordert einigen Mut, sich in dieser Situation beispielsweise für ein Kind zu entscheiden. Der Berufseinstieg gestaltet sich für junge Menschen zuneh- mend schwieriger und brüchiger. Job und Einkommens- sicherheit sind aber schlichtweg ökonomische Vorausset- zungen für eine eigenständige Lebensgestaltung. Genau das fehlt vielen jungen Menschen. Das ist für uns nicht akzeptabel. Viertens. Befristungen verschärfen natürlich auch den Fachkräftemangel. Die Möglichkeit, einen festen Arbeitsvertrag zu bekommen, ist im öffentlichen Dienst geringer als in der Privatwirtschaft. Da werden junge Menschen häufig lange hingehalten. Natürlich wechseln die jungen Menschen dann zwangsläufig in die Wirt- schaft. Wer nur auf Zeit angestellt ist, kann sich nur sel- tener weiterbilden. Es gibt auch kaum Aufstiegschancen. In der Konsequenz wird der öffentliche Dienst für junge Menschen, die besonders motiviert sind, unattraktiv. Sie wenden sich stattdessen lieber der Privatwirtschaft zu. Mit Blick auf den demografischen Wandel und auf die Altersstruktur im öffentlichen Dienst ist das fatal. Sehr geehrte Koalitionsfraktionen, natürlich brauchen wir befristete Verträge: für temporäre Projektarbeit, für Schwangerschaftsvertretungen, für Vertretung bei lan- ger Krankheit usw. Aber für Daueraufgaben – für Pfle- gepersonal, Erzieherinnen, aber auch Verwaltungsper- sonal – brauchen wir keine befristeten Verträge. Wenn die Verantwortlichen des öffentlichen Dienstes das nicht von sich aus begreifen, dann muss eben der Gesetzgeber handeln. Die Lösung der Linken im Hinblick auf die Kettenver- träge überzeugt mich nicht; das habe ich bereits in den letzten Debatten und im Ausschuss gesagt. Dazu wäre eine Anhörung im Ausschuss interessant gewesen. Bei der sachgrundlosen Befristung sind wir uns aber einig: Sie sollte schleunigst abgeschafft werden. Flexibilität darf keine Einbahnstraße sein; denn die Menschen brau- chen soziale Sicherheit! Werden Sie endlich tätig! Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Artikel 8 und 39 des Übereinkommens vom 8. November 1968 über den Straßenverkehr (Ta- gesordnungspunkt 19) Steffen Bilger (CDU/CSU): Es ist spannend, die ak- tuellen Entwicklungen im Bereich der Mobilität zu be- gleiten und mitzugestalten. Die Elektromobilität gehört dazu, aber selbstverständlich auch das automatisierte Fahren. Mittelfristig kann man diese beiden Zukunftsfel- der ohnehin nur zusammen denken. Es mag sein, dass Deutschland bei der Elektromobili- tät erst einmal einiges verschlafen hat. Mittlerweile sind aber alle aufgewacht, und wir haben ordentlich aufgeholt bzw. bereits wieder die Spitze übernommen. Bei der Automatisierung des Fahrens hingegen sind wir von Anfang an vorne mit dabei. Sicherlich wird es ganz neue Marktteilnehmer geben, aber es gibt keinen Grund zur Verzagtheit, sondern wir können selbstbe- wusst in die Zukunft blicken. Dazu braucht es den Bei- trag ganz verschiedener Beteiligter: die Offenheit der Nutzer in Deutschland, die Innovationsfreudigkeit der Industrie, die guten Einfälle der Wissenschaft und nicht zuletzt die Politik, die rechtzeitig die notwendigen Rah- menbedingungen setzt. Dabei kommen wir heute einen großen Schritt weiter. Es ist richtig, dass wesentliche Fragen, die alle entwickel- ten Länder auf der Welt betreffen, möglichst gemeinsam geregelt werden. Das „Wiener Übereinkommen über den Straßenverkehr“ von 1968 hat viele Jahrzehnte lang ei- nen Rahmen gegeben, mit dem wir gut arbeiten konnten. Nun überholt jedoch die technologische Entwicklung die althergebrachten Übereinkünfte. Folglich war es richtig, auf diese Veränderungen zu reagieren. Als Deutscher Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 193. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. September 201619300 (A) (C) (B) (D) Bundestag hatten wir uns ja bereits in unserem Koaliti- onsantrag zur intelligenten Mobilität dazu bekannt. Durch die Änderung des Wiener Übereinkommens, die wir nun für Deutschland umsetzen, wird geklärt, dass Systeme, welche die Führung eines Fahrzeugs beeinflus- sen, als zulässig erachtet werden, wenn diese den ein- schlägigen Regelungen der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa entsprechen oder die Sys- teme so geschaltet sind, dass sie durch den Fahrer über- steuerbar oder abschaltbar sind. Wir schaffen durch die Änderung des Wiener Übereinkommens Rechtssicher- heit für bereits im Verkehr befindliche Assistenz- bzw. automatisierte Systeme und unterstützen die weitere Ent- wicklung automatisierter Fahrsysteme. Dabei sollten wir zukünftige Entwicklungen ganz ge- nau im Blick behalten: Es muss sichergestellt sein, dass auch höhere Entwicklungsstufen des automatisierten Fahrens in Deutschland schon bald in vollem Umfang genutzt werden können. In unserem Koalitionsantrag hatten wir die weiteren rechtlichen Herausforderungen beschrieben: Haftungs- fragen sind zu klären. So haftet bisher der Fahrer im Falle eines Unfalls. Außerdem gilt die verschuldensunabhän- gige Gefährdungshaftung des Halters. Zukünftig könnten Fahrzeughersteller bzw. die Techniklieferanten – je nach Automatisierungsgrad – verstärkt in der Verantwortung stehen. Es ist zu prüfen, wie die bestehenden Haftungsre- geln diesen neuen technologischen Entwicklungen ange- passt werden müssen. Dabei sind auch Produkthaftungs- und Versicherungsrecht zu beleuchten. Verkehrsströme sind heute nicht mehr rein national zu denken – gerade bei uns in Europa. Daher benötigen wir einheitliche Standards und Verfahren europaweit bzw. auf internationaler Ebene. Auch beim automatisierten Fahren kommt es auf den Menschen an. Langfristig wird es ganz neue Chancen für eingeschränkte Menschen geben, die heute keine Fahr- erlaubnis besitzen oder beispielsweise aus Altersgrün- den darauf verzichten. Zum jetzigen Zeitpunkt kann auf Fahr erlaubnis und Fahrtüchtigkeit nicht verzichtet wer- den. Die Ausbildung der Fahranfänger und die Anforde- rungen an den Erwerb der Fahrerlaubnis müssen aber mit dem technologischen Fortschritt der Fahrzeuge einherge- hen. Daher muss die Bundesregierung prüfen, ob sich ein konkreter Änderungsbedarf sowohl im Rahmen der Aus- bildungsanforderungen als auch bei der Klassifizierung der Fahrzeuge ergibt, wobei gegebenenfalls zunächst das Unionsrecht angepasst werden muss. All diese weiteren rechtlichen Fragestellungen hat der Bundestag bereits erkannt und zum Inhalt unseres Be- schlusses zur intelligenten Mobilität gemacht. Der Bun- desverkehrsminister geht die Aufgaben in diesem Be- reich angefangen von der Einrichtung des Runden Tischs „Automatisiertes Fahren“ engagiert an. Ein ähnliches Engagement würde ich mir auch vom Bundesjustizminister wünschen; denn für diese ganzen rechtlichen Rahmenbedingungen brauchen wir ein Jus- tizministerium, das die Zukunft mitgestalten will. Wir können nicht immer abwarten, bis der Regelungsbedarf jedem endgültig klar geworden ist, sondern sollten be- reits jetzt weiterdenken, wie welche Rahmenbedingun- gen geschaffen werden können. Nur so erreichen wir, dass Spitzentechnologie zuerst auf deutschen Straßen Anwendung findet. Wichtig ist mir dabei, dass bei der Bundesförderung alle Regionen eingebunden werden. Alle Automobilregionen müssen von der Unterstützung des Bundes profitieren. Zum Schluss will ich mich einmal mehr auf unseren Koalitionsantrag beziehen: In diesem haben wir 21 For- derungen an die Bundesregierung formuliert. Einige sind schon umgesetzt worden; bei anderen müssen wir noch daran arbeiten. Aber ich bin sicher, dass wir weiter die richtigen Schritte unternehmen werden, damit die Zu- kunft des automatisierten Fahrens in Deutschland ge- prägt wird. Gero Storjohann (CDU/CSU): Die Koalition von CDU, CSU und SPD ist 2013 mit dem großen Ziel ange- treten, die Digitalisierung in Deutschland voranzutreiben und damit unser Land und unsere Wirtschaft zukunfts- fähig zu machen. Heute setzen wir einen weiteren Teil dieser Agenda um: Mit der Verabschiedung des vorlie- genden Gesetzentwurfs der Bundesregierung zur Ände- rung des Wiener Übereinkommens legen wir einen ersten Grundstein für die Mobilität der Zukunft. Das sogenannte Wiener Übereinkommen über den Straßenverkehr verfolgt das Ziel, durch die internationale Standardisierung der Verkehrsregeln den Straßenverkehr sicherer zu machen. Fast auf den Tag genau vor 39 Jah- ren, am 21. September 1977, wurde diese völkerrecht- liche Konvention in der Bundesrepublik Deutschland in nationales Recht überführt. Die Grundzüge des Straßen- verkehrs haben sich in den vergangenen 40 Jahren kaum verändert – unsere Kraftfahrzeuge schon. In der heutigen Zeit haben automatisierte Fahrsyste- me Einzug in die moderne Welt des Fahrens gehalten. Exemplarisch seien hier der Abstandsregeltempomat und die Spurhalteunterstützung erwähnt. Diese beiden Assis- tenzsysteme sorgen vor allem kombiniert als Stauassis- tent für ein hochautomatisiertes Fahren. Damit wird der Fahrzeugführer in alltäglichen und speziellen Situationen unterstützt, und das trägt somit zu einem komfortableren, aber in erster Linie vor allem sichereren Fahren bei. Na- hezu jedes neu zugelassene Fahrzeug auf unseren Stra- ßen verfügt über solche oder ähnliche technische Assis- tenzsysteme. Wir befürworten diese Form der Automatisierung des Fahrens ausdrücklich. Denn von Fahrassistenzsystemen profitieren nicht nur die Fahrer selbst, sondern auch die Verkehrssicherheit und der Verkehrsfluss insgesamt. Doch trotz der weitläufigen Verbreitung von Fahras- sistenzsystemen besaßen diese bislang noch keinen si- cheren Rechtsrahmen. Durch die am 23. März 2016 in Kraft getretene Änderung des Wiener Übereinkommens, die wir heute in nationales Recht umsetzen werden, wird diese Rechtsunsicherheit endlich beseitigt. Konkret werden die Artikel 8 und 39 des Wiener Übereinkommens angepasst. Nach Artikel 8 des Über- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 193. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. September 2016 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 193. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. September 2016 19301 (A) (C) (B) (D) einkommens muss jedes Fahrzeug, das sich in Bewegung befindet, einen Fahrzeugführer haben, der jederzeit die volle Kontrolle über das Fahrzeug ausübt. Mit der nun erfolgten Änderung werden erstmals Sys- teme erlaubt, die die Steuerung des Fahrzeugs beeinflus- sen können, vorausgesetzt, diese Fahrassistenzsysteme entsprechen den einschlägigen technischen Regelungen der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa (UNECE), oder die Systeme sind so ausgestaltet, dass sie jederzeit durch den Fahrzeugführer übersteuer- bar oder abschaltbar sind. Wir schaffen damit einen si- cheren Rechtsrahmen für teilautonomes Fahren. Wenn wir heute über die rechtlichen Rahmenbe- dingungen von Fahrassistenzsystemen sprechen, dann müssen wir morgen über die rechtlichen Rahmenbe- dingungen für vollautomatisiertes Fahren sprechen. Die Themen Digitalisierung des Straßenverkehrs und autono- mes Fahren werden uns in den kommenden Jahren weiter beschäftigen. Vor dieser Zukunft sollten wir uns weder verschließen, noch sollten wir unnötig zaudern. Für die Zukunft unserer heimischen Automobilindustrie ist es entscheidend, dass wir eine Rechtsgrundlage für dieses Zukunftsfeld unserer Mobilität schaffen. Durch die heutige Verabschiedung des Vertragsgeset- zes zur Änderung des Wiener Übereinkommens legen wir einen wichtigen Grundstein für die digitale Zukunft des Straßenverkehrs. Ich freue mich, dass wir dieses Ge- setz heute mit einer breiten Mehrheit verabschieden wer- den, und bitte Sie um Ihre Zustimmung. Birgit Kömpel (SPD): Das Wiener Übereinkommen von 1968 ist ein völkerrechtlicher Vertrag, der den Stra- ßenverkehr durch eine Vereinheitlichung der Verkehrs- regeln sicherer machen soll. Dieser Vertrag beruht noch auf dem Grundgedanken, dass die Autonomie einzig beim Fahrer eines Fahrzeugs liegt. Das bedeutet, dass jedes Fahrzeug, das sich in Bewegung befindet, einen (Fahrzeug-)Führer haben muss. Und dieser Fahrzeugfüh- rer muss das Fahrzeug jederzeit beherrschen und seine Geschwindigkeit an die Straßenverhältnisse so anpassen, dass er die Beherrschbarkeit des Fahrzeuges jederzeit ge- währleisten kann. Diese Grundsätze gelten seit der zunehmenden Ein- führung von sogenannten Fahrassistenzsystemen und au- tomatisierten Fahrfunktionen nicht mehr. Diese sich stän- dig weiterentwickelnden Assistenzsysteme unterstützen zunehmend den Fahrer und beschränken zum Teil sogar seine Autonomie. Daher war es wichtig, dieses Überein- kommen an die technischen Entwicklungen anzupassen. Die Arbeitsgruppe Straßenverkehrssicherheit bei der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen in Euro- pa hat daher eine Änderung des Wiener Übereinkommens zum 26. März 2014 erarbeitet. Diese Änderung sieht vor, dass Systeme, welche die Führung eines Fahrzeuges be- einflussen, als zulässig erachtet werden, wenn diese den einschlägigen technischen Regelungen auf europäischer Ebene entsprechen oder so gestaltet sind, dass sie durch den Fahrer übersteuerbar oder abschaltbar sind. Durch diese Änderung wird Rechtssicherheit hinsicht- lich bereits im Verkehr befindlicher Assistenzsysteme oder automatisierter Fahrsysteme hergestellt. Die Ände- rung trat am 23. März 2016 in Kraft und muss nun inner- staatlich umgesetzt werden. Mit dem hier vorliegenden Gesetzentwurf soll die Umsetzung in Form eines Bundesgesetzes erfolgen. Damit werden die erforderlichen Voraussetzungen für die Einführung von Systemen des automatisierten und vernetzten Fahrens geschaffen. Dieses kann nicht aus- schließlich national geschehen, sondern muss internati- onal betrieben werden. Neben der Rechtssicherheit wird aber auch die weite- re Entwicklung von automatisierten Fahrsystemen unter- stützt. Und diese Weiterentwicklung des automatisierten Fahrens liegt nicht nur im deutschen, sie liegt ganz sicher im europäischen und internationalen Interesse. Denn die Weiterentwicklung lässt ausschließlich positive Wirkun- gen erwarten: Die mobilitätsbedingten Emissionen werden sinken, die Verkehrssicherheit wird sich noch einmal verbessern, und die Zahl der Unfälle wird sinken. Fahrassistenzsysteme werden in der Zukunft dazu beitragen, dass der Verkehrsfluss optimiert wird. Auto- matische Abstandsregler werden ein zu dichtes Auffah- ren verhindern. Geschwindigkeiten werden besser aufei- nander abgestimmt, was Staubildungen entgegenwirkt. Dadurch werden mobilitätsbedingte Emissionen weiter gesenkt, und Mobilität wird deutlich umweltfreundlicher gestaltet. Und auch die Verkehrssicherheit wird sich wei- ter verbessern. Fahrassistenzsysteme unterstützen schon heute Fahrer und Fahrerinnen beim Führen ihrer Fahrzeuge. Beinahe jedem bekannt sind die Systeme ABS (Antiblockiersys- tem) und ESP (Elektronisches Stabilitätsprogramm), die beim Bremsen und im Falle des Schlingerns eines Fahrzeugs unterstützend eingreifen. Allein diesen bei- den Systemen ist es zu verdanken, dass sich die Zahl der Pkw- und zunehmend auch der Motorradunfälle deutlich reduziert hat. Hinzu kommen Systeme, die beim Bremsen, beim Einparken, beim Spurhalten oder im Falle einer Not- bremsung unterstützen. Auch gibt es Systeme zur intel- ligenten Geschwindigkeitsanpassung, Abstandsanpas- sung, Kurvenlicht, Reifendruckkontrollsystem, Schutz vor dem toten Winkel und vieles mehr. Die Liste wird fortlaufend erweitert werden, und die Kurve geht dabei steil nach oben. Auch der durchschnittliche Wert für Fahrassistenz- systeme pro Auto wächst in rasantem Tempo. Fahrassis- tenzsysteme sind im Hinblick auf mehr Verkehrssicher- heit ganz sicher ein entscheidender Zukunftsbaustein. Denn nachdem jahre- und jahrzehntelang die Zahl der Verkehrs toten immer weiter nach unten gegangen war, ist in den letzten Jahren bedauerlicherweise wieder eine Bewegung nach oben erkennbar. Diese darf sich nicht zu einer Trendumkehr verfestigen, sondern wir müssen auch weiterhin alles tun, um die Zahl der Verkehrstoten zu senken. Die Vision Zero, also die Überzeugung, dass Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 193. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. September 201619302 (A) (C) (B) (D) jeder Verkehrstote einer zu viel ist, soll dabei unsere Richtschnur bleiben. Ich begrüße daher die Anpassung des Wiener Abkom- mens und die mit diesem Gesetz stattfindende Anpas- sung an nationales Recht ausdrücklich. Nur so wird der Weg frei für die weitere Einführung und Erprobung von Fahrassistenzsystemen und können weitere Schritte auto- nomes Fahren gegangen werden. Die Umwelt wird entlastet durch weniger Emissionen. Die Zahl der Verkehrstoten wird weiter gesenkt werden können. Und beides zusammen führt letztendlich dazu, dass der Verkehr in Deutschland effizienter wird zum Nutzen aller. Herbert Behrens (DIE LINKE): Mit dem vorliegen- den Gesetzentwurf soll das sogenannte Wiener Abkom- men ratifiziert werden. In dem Abkommen ist festgelegt, dass Fahrzeugführer von Autos und Lkw und allen an- deren Fahrzeugen jederzeit in der Lage sein müssen, das von ihnen gelenkte Fahrzeug im Betrieb jederzeit zu be- herrschen. Das Abkommen gilt global und ist ein völker- rechtlicher Vertrag. Hintergrund der Änderung, die von Deutschland zu- sammen mit anderen Staaten vorgeschlagen worden war, ist, dass bereits heute mögliche und in der Zukunft wahrscheinliche Fahrassistenzsysteme und automatisier- te Fahrfunktionen den Fahrer teilweise und zeitweise er- setzen können, dass also der Fahrer nicht jederzeit das Fahrzeug beherrscht, weil das System Funktionen über- nimmt. Der völkerrechtlichen Zulassung von Fahrassistenz- systemen und automatisierten Fahrfunktionen wollen wir uns nicht in den Weg stellen. Es gibt aber noch eine gan- ze Reihe offener Fragen, die unbedingt geklärt werden müssen, bevor dies auf den Straßen gelebte Praxis wird. Erstens. Der im Sommer 2016 öffentlich gewordene Arbeitsentwurf aus dem Bundesverkehrsministerium lässt einen Blick in die automatisierte Zukunft des Stra- ßenverkehrs zu. Da wird es datenschutzrechtlich brisant. Bekommen wir den „gläsernen“ Autofahrer, wenn dauer- haft protokolliert wird, ob der Fahrer oder „das System“ am Steuer ist? Wie soll geprüft und gespeichert werden, dass der Fahrzeugführer „wahrnehmungsbereit“ ist – so steht es in dem Entwurf – und ob ihm eine angemessene Reaktionszeit zugestanden wird, für die ein „Mindest- maß an Aufmerksamkeit“ erforderlich ist? Ebenfalls aufgezeichnet werden soll, wann das Sys- tem den Fahrer aufforderte, das Lenkrad wieder zu über- nehmen. Was aber genau dieses Mindestmaß ist, was eine angemessene Reaktionszeit ist, klärt der Arbeitsentwurf nicht. Dies sollen die Gerichte tun. Zum einen würde damit eben keine Rechtssicherheit hergestellt, wie es an anderer Stelle in dem Papier heißt. Zum anderen stellt sich die Frage, wie attraktiv ein Fahrzeug ist, bei dem man mit einem Bein im Gefängnis steht, wenn die „Ma- schine“ Mist baut. Und dass das passieren kann, haben wir ja in den USA gesehen, als das Fahrassistenzsystem eines selbstfahrenden Autos einen Lkw nicht erkannte. Der nicht selbst steuernde Fahrer wurde bei diesem Un- fall getötet. Zweitens. Das Abkommen lässt zu, dass die gefor- derte Beherrschbarkeit des Fahrzeuges dann obsolet ist, wenn diese Funktionen den technischen Regelungen der Wirtschaftskommission für Europa UNECE entsprechen, oder sie so gestaltet sind, dass sie durch den Fahrer über- steuerbar oder abschaltbar sind. Der zweite Halbsatz ist eindeutig. Der erste Teil besagt aber, dass in dem Wirt- schaftsabkommen technische Regelungen für Radfahr- zeuge bestimmt werden können. Nach meinem Verständ- nis werden dadurch nicht nur bisherige, sondern auch zukünftige Änderungen dieser technischen Regelungen automatisch im Rahmen des Wiener Übereinkommens gültig, und zwar ohne dass es spezieller Anpassungen bedarf. Ich hatte die Bundesregierung in der Ausschusssit- zung zu diesem Punkt um eine Erläuterung gebeten. Bis heute habe ich dazu allerdings keine Antwort bekommen. So nachvollziehbar es ist, das Abkommen zu ratifizieren; ohne diese Aufklärung über den wirklichen Inhalt des Abkommens können wir uns bei der Abstimmung nur enthalten. Gerade in Bezug auf das von der Bundesregierung vo- rangetriebene Projekt autonomes Fahren haben wir noch viele Fragen zu klären. Der vorliegende Gesetzentwurf leistet für die Aufklärung keinen Beitrag. Einer „Black- box“ können wir aber nicht unsere Zustimmung geben. Stephan Kühn (Dresden) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Das Wiener Übereinkommen über den Straßen- verkehr hat sich zuletzt als Innovationsbremse erwiesen: Automatisiertes Fahren war darin nicht vorgesehen; statt- dessen mussten Autofahrer ihr Fahrzeug jederzeit selbst führen. Die USA, die das Abkommen nicht unterzeichnet hatten, sind auch deshalb schon wesentlich erfahrener beim Einsatz automatisierter Fahrzeuge, während wir in Deutschland gezwungenermaßen auf der Bremse stan- den. Doch es hat auch etwas Gutes, dass wir Automati- sierungssysteme behutsam zulassen: So vermeiden wir, unreife Technik auf den Markt zu lassen. Stattdessen können wir mit Bedacht definieren, welche Systeme zu- lässig sind. Das ist jetzt mit der Änderung des Wiener Übereinkommens geschehen. Und wir hätten auch die Zeit gehabt, die noch vielen offenen Fragen zu klären, vor die uns das automatisierte Fahren stellt. Diese Zeit hat Verkehrsminister Dobrindt allerdings nicht genutzt. Zwar hat er uns ein Gesetz versprochen, um diese Fragen zu beantworten. Aber wie bei so vielen seiner Vorhaben hapert es erneut an der Umsetzung. Der jetzige Rechtsrahmen stellt alle Beteiligten vor große Unsicherheit – und ist vor allem zum Nachteil der Nutzer. So würde bislang wohl der Autofahrer haften, wenn das Automatisierungssystem einen Unfall baut. Wer will da schon die Hände vom Lenker nehmen, wenn er diese Verantwortung nicht ebenfalls abgeben kann? Autofahrer müssen deshalb wissen, was sie während der Fahrt tun dürfen, ohne fahrlässig zu handeln. Schlafen? Sicherlich ausgeschlossen. Aber auf den Terminkalender Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 193. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. September 2016 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 193. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. September 2016 19303 (A) (C) (B) (D) schauen – das ist vorstellbar. Diese „Grundaufmerksam- keit“ muss Verkehrsminister Dobrindt im Interesse der Autofahrer definieren. Doch auch die Hersteller brauchen handfeste Re- geln: Wie misst das Auto eigentlich, ob der Fahrer noch aufmerksam genug ist? Mit Kameras im Cockpit oder Sensoren im Lenkrad? Und wie kann der Hersteller bei einem Unfall beweisen, dass dem Fahrer diese Grund- aufmerksamkeit fehlte? Dafür müssen wohl Fahrdaten gespeichert werden, die ebenfalls ungeklärt sind. Daraus ergeben sich sofort datenschutzrechtliche Fragen. Und was muss das Auto eigentlich tun, wenn der Fah- rer die Kontrolle doch nicht wieder übernimmt? Die viel diskutierten ethischen Fragen stellen sich eben nicht erst bei völlig autonomen Fahrzeugen, sondern bereits jetzt, da das Auto in diesem Fall eigenständig Entscheidungen treffen muss – Entscheidungen, die das Schicksal von Menschenleben betreffen können. Auch hier hat der Ver- kehrsminister bisher keine Antworten. Ohnehin braucht es statt der von ihm eingerichteten Ethik-Kommission eine breite gesellschaftliche Debatte. Mit einer Änderung des Straßenverkehrsgesetzes allein ist es also nicht getan; die Automatisierung des Fahrens hat viel breitere Auswirkungen. So müssen wir uns beispielsweise auch Gedanken darüber machen, wie Möglichkeiten und Grenzen von Automatisierungssys- temen auch Teil der Fahrausbildung werden, um einen souveränen Umgang mit den Systemen sicherzustellen. Für uns ist deshalb klar: Wir müssen diese Fragen über Zulässigkeit, Grundaufmerksamkeit und Haftung sowie Ethik und Datenschutz gemeinsam betrachten. Und des- halb werden wir uns heute enthalten, weil die Änderun- gen des Wiener Übereinkommens zwar richtig sind, der wesentliche Rechtsrahmen zur Nutzung von Automati- sierungssystemen aber fehlt. Es ist jetzt dringend nötig, dass Dobrindt seinen Gesetzentwurf vorlegt, damit Ent- wicklung und vor allem Nutzung automatisierter Fahr- zeuge rechtlich wasserdicht sind, und damit wir die Vor- teile des zunehmend automatisierten Fahrens erschließen können. Es kann aber nicht nur darum gehen, neue Autos auf die Straße zu bringen. Das ist bloße Industriepolitik. Automatisiertes Fahren muss ebenso den öffentlichen Verkehr in den Fokus nehmen. Der Busverkehr kann beispielsweise von Systemen profitieren, die bei der Ab- standskontrolle, beim Spurwechsel oder beim Einfädeln helfen und präventiv auf Gefahrensituationen reagieren. Das erhöht die Verkehrssicherheit erheblich. Gänzlich autonome Fahrzeuge bieten auch neue Per- spektiven für ÖPNV-Betreiber, die damit beispielsweise ihren klassischen Betrieb punktuell ergänzen und so we- sentlich flexibler gestalten können. Das wird die nächs- te Aufgabe sein: mit Automatisierungssystemen nicht dafür zu sorgen, den Anteil des motorisierten Individu- alverkehrs noch weiter zu steigern, sondern Sicherheit, Attraktivität und Wirtschaftlichkeit öffentlicher Verkehre weiter zu verbessern. Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit zu der Verordnung der Bundesregierung: Verordnung zur Umsetzung der Richtlinie 2014/99/EU und zur Änderung und An- passung weiterer immissionsschutzrechtlicher Ver- ordnungen (Tagesordnungspunkt 20) Karsten Möring (CDU/CSU): Lassen Sie mich ei- nes zunächst kurz vorwegschicken: Unser Auftrag in der Umweltpolitik, aber nicht nur dort, ist es, konsequent Po- litik zu machen und auch, sie den Bürgerinnen und Bür- gern viel mehr zu erklären. Daran orientiere ich mich, und die heutige Debatte ist dazu eine gute Gelegenheit. „Verordnung zur Umsetzung der Richtlinie 2014/99/ EU und zur Änderung und Anpassung weiterer immis- sionsschutzrechtlicher Verordnungen“: Hinter diesem zunächst trocken anmutenden Titel der zu behandelnden Vorlage und einem sperrig daherkommenden Sachverhalt mit vielen Paragrafen verbirgt sich ja nichts anderes als ein wichtiger Beitrag zu einem aktiven und praktischen Menschen- und Umweltschutz. Denn schließlich heißt Immissionsschutz nichts ande- res als Schutz der Menschen, der Tiere und Pflanzen, der Böden, des Wassers, der Atmosphäre sowie Kultur und sonstiger Sachgüter vor schädlichen Umwelteinwirkun- gen. Er umfasst Maßnahmen zum Schutz vor schädlichen Einwirkungen in Form von Luftschadstoffen, Lärm, Er- schütterungen, Wärme, Licht oder elektromagnetischen Feldern, die zum Beispiel durch Industrieanlagen oder Verbrennungsprozesse freigesetzt wurden. Und Hauptinstrument des Immissionsschutzes in Deutschland ist das Bundes-Immissionsschutzgesetz mit seinen Verordnungen sowie den Technischen Anlei- tungen Luft und Lärm. Dieses Gesetz hat fast 40 darauf beruhende Verordnungen, von denen nach dem vorlie- genden Regierungsentwurf fünf heute sinnvoll zusam- mengeführt und nach EU-Vorgaben geändert und präzi- siert werden. Warum sind die heute zu beschließenden für den Vollzug notwendigen Klarstellungen, Anpassungen und Präzisierungen in Verordnungsform wichtig und sinn- voll? Die neue Mantelverordnung dient der Umsetzung verschiedener europarechtlicher Vorgaben, die der wich- tigen Vorsorge vor gesundheitsgefährdenden Emissionen in die Umgebungsluft dienen. Zur Umsetzung der Vorgaben der europäischen soge- nannten CLP-Verordnung, mit der ein EU-weit geltendes System für die Einstufung, Kennzeichnung und Verpa- ckung von Chemikalien eingeführt wurde, werden in den verschiedenen Rechtsverordnungen die chemikalien- rechtlichen Begriffe angepasst. In der Lösemittelverordnung werden die Anforderun- gen an den chemischen Stoff Formaldehyd verschärft. Formaldehyd dürfte den meisten Menschen aus Farbstof- fen, Kosmetika, Textilien, Arzneistoffen oder Möbeln Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 193. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. September 201619304 (A) (C) (B) (D) bekannt sein. Es ist einer der wichtigsten organischen Grundstoffe in der chemischen Industrie und wird unter anderem bei unvollständig ablaufenden Verbrennungs- prozessen in Kfz-Verbrennungsmotoren, in Gießereien, bei der Herstellung von Kunststoffartikeln emittiert. Weil die EU-Kommission Formaldehyd inzwischen als „wahrscheinlich beim Menschen karzinogen“, also krebs erregend, einstuft, ist diese Anpassung zwingend. Betroffen sein können Lackieranlagen der Autoindustrie oder Anlagen zur Drahtbeschichtung, wenn sie bestimm- te Stoffe zur Lacktrocknung verwenden. Des Weiteren wird ein EU-einheitliches Prüfverfah- ren für Gasrückführungssysteme für Tankstellen einge- führt. Das sind Vorrichtungen, die jeder an der Tankstel- le schon einmal gesehen hat. Sie sollen beim Betanken den Benzindampf absaugen. Damit werden für die Ty- penzulassung und Kontrolle solcher Systeme die bisher verwendeten Richtlinien des VDI durch europäische DIN-Normen ersetzt. Das Prüfverfahren stellt sicher, dass die Gasrückführungssysteme an den Zapfsäulen der Tankstellen nach gleichen Bedingungen geprüft werden. Weiter: Zur vollständigen Umsetzung der EU-Indus- trieemissions-Richtlinie, kurz IED, in der Titandioxid-In- dustrie wird die bestehende Vorgabe zur kontinuierlichen Überwachung der Schwefeldioxid-Emissionen zusätz- lich als Ordnungswidrigkeit normiert. Nächster Punkt: Die sogenannten besten verfügbaren Techniken, kurz BVT, werden für Anlagen der Lederin- dustrie umgesetzt. Damit wird ein entsprechender Grenz- wert für Anlagen zur Beschichtung von Leder, die unter die Industrieemissions-Richtlinie fallen, eingeführt. Das alles zeigt im Übrigen auch: Europa macht und einigt sich allen Unkenrufen zum Trotz auch auf sehr vernünftige Dinge, die wir heute umsetzen. Übrigens: Die Änderungen in den Verordnungen wer- den von der Industrie bereits heute erfreulicherweise schon überwiegend eingehalten. Das ist insofern rele- vant, und das ist mir wichtig, da wir dafür eintreten, eu- ropäische Vorgaben konsequent eins zu eins umzusetzen und auf nationale Alleingänge möglichst zu verzichten. Gerade unser Mittelstand leidet überproportional unter zusätzlicher Regulierung und damit verbundenen finan- ziellen und bürokratischen Kosten. Da wollen wir, wo es geht, ja abbauen, optimieren und nicht weiter verstärken. Denn gerade unsere mittelständischen Unternehmen be- weisen ja tagtäglich, wie ich auch aus meinem Wahlkreis in Köln weiß, dass industrielle Produktion und Umwelt- verträglichkeit nicht nur zusammenpassen, sondern dass sich umweltfreundliche Produktion für Unternehmen im Wettbewerb auszahlt. Diesen umweltpolitischen Erfolg des industriellen Mittelstands wollen wir nicht gefähr- den; das müssen wir bei allen Maßnahmen immer im Blick haben. Meine Bitte an das Umweltministerium wäre daher, bei allen neuen künftigen Verordnungen nie den Bürokratieabbau zu vernachlässigen. In diesem Sinne appelliere ich an die Kolleginnen und Kollegen der Grünen, die sich im Umweltausschuss lei- der nur enthalten haben, sich jetzt einen Ruck zu geben, über ihren Schatten zu springen und zuzustimmen. Ich sehe keinen Grund, der dagegen spricht. Ich denke, ein einstimmiges Votum wäre im Sinne der Sache und als positives Signal hier im Hause wünschenswert. Ulli Nissen (SPD): Das Bundes-Immissionsschutz- gesetz (BImSchG) – genau: das Gesetz zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreini- gungen, Geräusche, Erschütterungen und ähnliche Vor- gänge – dient dazu, Menschen, Tiere und Pflanzen, den Boden, das Wasser, die Atmosphäre sowie Kultur- und sonstige Sachgüter vor schädlichen Umwelteinwirkun- gen zu schützen und dem Entstehen schädlicher Umwelt- einwirkungen vorzubeugen. Es ist somit eins der wichtigsten Regelwerke im Um- weltbereich. Diverse Bundesimmissionsschutzverord- nungen (BImSchV) führen die gesetzlichen Regelungen weiter aus. So wird Störfallrecht geregelt (durch die 12. BImSchV); Sportlärm wird durch die Sportanlagen- lärmschutzverordnung (18. BImSchV) und Verkehrslärm in der Verkehrslärmschutzverordnung (16. BImSchV) behandelt. Heute befassen wir uns mit der Verordnung der Bun- desregierung, mit der die europäische Richtlinie 2014/99/ EU ins nationale Recht umgesetzt wird. Dafür werden in einer Mantelverordnung insgesamt fünf Verordnungen zum Bundes-Immissionsschutzgesetz gemäß europäi- schen Vorgaben geändert. Bei den Änderungen dreht es sich in erster Linie um Regelungen die Befüllung und Lagerung von Ottokraft- stoffen betreffend. Der Gesundheitsschutz wird durch diese Regelungen verbessert Mit den Änderungen der 2. BImSchV und 31. BImSchV wird auch das europaweit geltende neue System für die Einstufung, Kennzeichnung und Verpa- ckung von Stoffen und Gemischen eingeführt. Die Anforderungen zur ausschließlichen Untenbefül- lung von Straßentankfahrzeugen werden explizit in den Verordnungstext der 20. BImSchV übernommen. Dies ist bereits seit mehr als zehn Jahren eingeführt. Die Einführung eines einheitlichen europäischen Prüf- verfahrens für Gasrückführungssysteme für Tankstellen wird in der 21. BImSchV in nationales Recht umgesetzt. Die 25. BImSchV wird um eine Ordnungswidrigkeit ergänzt, damit ein Verstoß gegen die Pflicht der kontinu- ierlichen Messung geahndet werden kann. In die 31. BImSchV werden als Regelung bei Frei- setzung von Formaldehyd die europaweit geltenden Grenzwerte für karzinogene, keimzellmutagene oder re- produktionstoxische flüchtige organische Verbindungen aufgenommen. Ebenso wird ein zusätzlicher Emissions- grenzwert für Anlagen der Lederbeschichtung übernom- men. Alles in allem, wie Sie sehen, unkritische und vor al- lem unstrittige Änderungen und Ergänzungen. Ralph Lenkert (DIE LINKE): Die von der Bundes- regierung vorgelegte Verordnung ist eine von mehreren umweltpolitischen EU-Anpassungen, die zurzeit durchs Parlament gehen. Insgesamt werden hier fünf Verord- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 193. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. September 2016 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 193. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. September 2016 19305 (A) (C) (B) (D) nungen des Bundesimmissionsschutzes angepasst, und schaut man sich die Regelungen an, wird deutlich, dass einige der Vorgaben in Deutschland in der Praxis bereits umgesetzt sind. Positiv hervorzuheben ist das Umdenken auf EU-Ebene, was die Einordnung von Formaldehyd als krebserregend angeht, das nun auch per Grenzwertrege- lung verwirklicht wird. Leider müssen wir Linken jedoch feststellen, dass trotz aller Verbesserungen im Immissionsschutz die Durchfüh- rung der Verordnungen an manchen Stellen – freundlich ausgedrückt – defizitär ist. Alle guten Vorschriften nüt- zen nichts, wenn es bestimmten Industrien gelingt, sie, wie auch immer, zu umgehen. Die Folgen sind dann oft kritisch, bedrohlich für die Gesundheit der Bevölkerung und für die Umwelt. Hier hat der Bund jede Menge Po- tenzial, seine eigenen Kompetenzen zu erweitern. Die Abgassituation in den Innenstädten ist an be- stimmten Tagen bedrohlich. Für Stickoxide gibt es feste Grenzwerte, und trotzdem kommt es immer wieder zu Überschreitungen. Verantwortlich für die Abgassituati- on in den Innenstädten sind Bundesregierung und Auto- mobilhersteller. Die Hersteller tricksten über Jahre, und die Bundesregierung verweigerte dem Kraftfahrt-Bun- desamt die Mittel, um eigene Tests mit eigener Technik durchführen zu können. Stattdessen bestimmten die Au- tomobilhersteller die Testverfahren selbst, und die Bun- desregierung half bei der Einführung der gewünschten Prüfstandards, was den Betrug erst in diesem Umfang ermöglichte. Das kommt einem Staatsversagen gleich, das dadurch entstanden ist, dass der Bund seine eigenen Kompeten- zen freundlich der Industrie übergeben hat, die er ja aber überwachen soll. Dass hier über Jahre erfolgreich Lob- byarbeit am Werk war, ist augenscheinlich. Wohin das führt, sehen wir jetzt, und weitere Skandale sind zu ver- muten – ich erinnere nur an die Einführung des hochpro- blematischen Kältemittels R1234yf in Pkw. Die Linke fordert ein unabhängiges staatliches Mess- wesen, das personell und finanziell gut aufgestellt ist. So könnten reale Abgastests verpflichtend eingeführt werden. Damit würde zukünftig die Einhaltung der Nor- men gesichert, und das Ausmaß der betrugsverursachten Feinstaub- und Stickoxidbelastungen würde bekannt. Allein Bund-Länder-Arbeitskreise, die Empfehlungen erarbeiten, reichen nicht. Daher regt Die Linke an, bei EU-rechtlichen Anpassungen des Umweltrechts jedes Mal einen Aktionsplan beizulegen, in dem klar geregelt wird, welche Behörde mit welchen Mitteln die Einhal- tung der neuen Vorgaben durchsetzen soll. Das würde den Industrieverbänden klarmachen, dass Gesetzesumgehungen und Tricksereien nicht geduldet werden. Gleichzeitig würde dies das Umweltrecht so- wohl für die Bevölkerung als auch für Behörden nach- vollziehbarer gestalten. Es würde vermutlich auch dazu führen, dass klar wird, dass die Finanz- und Personal- ausstattung notwendiger Behörden für deren eigentliche Aufgaben bei weitem nicht ausreichend ist. Mein Fazit: Die vorgelegte Verordnung ist plausibel; die Neuerungen begrüßen wir. Damit der Bundesim- missionsschutz jedoch kein Papiertiger bleibt, muss er personell und finanziell untermauert werden, und Bun- desregierung und Ministerien müssen begreifen, dass letztendlich sie für die Einhaltung zuständig sind. Peter Meiwald (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Heu- te diskutieren wir die Verordnung zur Umsetzung der Richtlinie 2014/99/EU und zur Änderung und Anpassung weiterer immissionsschutzrechtlicher Verordnungen. An- gesichts des eingedampften Klimaschutzplans 2050 und des ewigen Wartens auf eine Düngegesetzgebung im Sin- ne des Gewässerschutzes können wir ja froh sein, wenn überhaupt noch Immissionsschutz im Regierungshan- deln stattfindet. Nun werden mit der vorliegenden Mantelverordnung insgesamt fünf Verordnungen des Bundes-Immissions- schutzgesetzes geändert. Die Änderungen betreffen die zweite Verordnung zur Durchführung des Bundes-Im- missionsschutzgesetzes (2. BImschV) zur Emissions- begrenzung von leichtflüchtigen halogenierten organi- schen Verbindungen, die 20. BImSchV zur Begrenzung der Emissionen flüchtiger organischer Verbindungen beim Umfüllen oder Lagern von Ottokraftstoffen, Kraft- stoffgemischen oder Rohbenzin, die 21. BImSchV zur Begrenzung der Kohlenwasserstoffemissionen bei der Betankung von Kraftfahrzeugen, die 25. BImSchV zur Begrenzung von Emissionen aus der Titandioxid-Indus- trie und schlussendlich die 31. BImSchV zur Begrenzung der Emissionen flüchtiger organischer Verbindungen bei der Verwendung organischer Lösemittel in bestimmten Anlagen. Wir begrüßen diese europarechtskonformen Anpas- sungen verschiedener Bundesimmissionsschutzverord- nungen hinsichtlich der Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen, der Begrenzung der Emissionen flüchtiger organischer Verbindungen bei der Lagerung und Verteilung von Ottokraftstoff, eines europaeinheitlichen Prüfverfahrens für Gasrückfüh- rungssysteme für Tankstellen, der Pflicht der kontinuier- lichen Messung sowie der Grenzwerte für karzinogene, keimzellmutagene oder reproduktionstoxische flüchtige organische Verbindungen. Herzlichen Glückwunsch Frau Dr. Hendricks! Sie strotzen ja nur so vor Tatendrang. Auch die Ankündigung von Ihnen, den Kommunen ein Instrument in die Hand geben zu wollen, sodass diese die industrielle Tierhaltung mittels Planungsrecht einschränken können, ist zu begrüßen. Ich bin gespannt, ob es bei Ihrem Grünsprech bleibt oder wir eine entspre- chende Passage im Rahmen der Novelle des Baugesetz- buches finden werden. Bezüglich der heute zur Debatte stehenden Vorhaben stellt sich allerdings durchaus die Frage, wenn schon so viele Verordnungen im Bereich Immissionsschutz an- gefasst werden, warum Sie nicht beispielsweise noch die 4. BImschV über genehmigungsbedürftige Anlagen novelliert haben. Denn große Anlagen der industriellen Massentierhaltung, wie etwa große Schweine- und Ge- flügelhaltungsanlagen, haben oftmals nachteilige Aus- wirkungen für Mensch und Umwelt. Die entsprechenden Luftverunreinigungen durch Staub, Gerüche, Ammoniak Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 193. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. September 201619306 (A) (C) (B) (D) und Bioaerosole werden leider mit den heutigen Novel- len nicht adressiert. Mit einer Absenkung der Genehmigungsschwellen- werte für Tierhaltungsanlagen insgesamt würden auch kleinere Tierhaltungsanlagen der immissionsschutz- rechtlichen Genehmigungspflicht unterliegen und müss- ten dann die Vorsorgeanforderungen der TA Luft, gerade auch bezüglich der Minderung von Ammoniak und Ge- rüchen, erfüllen. So würde ein längst überfälliger Bei- trag zur Umsetzung der Stickstoffemissionsminderungs- pflichten der NEC-Richtlinie geleistet. Eine Senkung der Schwellenwerte würde zusätzlich zu einer Erweiterung der Öffentlichkeitsbeteiligung im Genehmigungsverfahren führen und so für mehr Trans- parenz und Akzeptanz der Landwirtschaft in der Bür- gerschaft führen. Was wiederum den Zielen der Aar- hus-Konvention entsprechen würde. Da dies mit der vorliegenden Mantelverordnung aus unerfindlichen Gründen nicht geregelt worden ist, aber dennoch ein Schritt im Sinne einer Verbesserung des Im- missionsschutzes gemacht wurde, werden wir uns enthal- ten. Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Kommunalinvestitionsförderungsgesetzes und zur Änderung weiterer Gesetze (Tagesordnungs- punkt 21) Eckhardt Rehberg (CDU/CSU): Diese Legislatur- periode ist eine gute für die Kommunen in Deutschland. Viele der Maßnahmen der Bundesregierung unter Füh- rung von Angela Merkel haben gerade die Kommunen im großen Maßstab entlastet. Wesentlicher Bestandteil dieses Maßnahmenpakets waren Entlastungen im Sozialbereich wie etwa die voll- ständige Übernahme der Grundsicherung im Alter. Da- mit hat der Bund wesentlich zur positiven Entwicklung der Kommunalfinanzen beigetragen. Auch bei der Bewältigung der mit der Aufnahme von Flüchtlingen und Asylbewerbern verbundenen Heraus- forderungen lässt der Bund die Kommunen nicht alleine. Ein weiterer Schwerpunkt sind der Ausbau und die Ver- stetigung der Investitionen in die öffentliche Infrastruk- tur. Mit dem Gesetz zur Förderung von Investitionen fi- nanzschwacher Kommunen aus dem vergangenen Jahr haben wir das Sondervermögen „Kommunalinvestitions- förderungsfonds“ mit Mitteln in Höhe von 3,5 Milliarden Euro ausgestattet. Aus diesem Sondervermögen werden nach ursprünglicher Planung in den Jahren 2015 bis 2018 Finanzhilfen an die Länder ausgezahlt, die diese für In- vestitionen finanzschwacher Kommunen weitergeben sollen. Die Förderquote beträgt bis zu 90 Prozent. Der Kofinanzierungsanteil der Kommunen von mindestens 10 Prozent kann auch von den Ländern übernommen werden. Da die Mittel bisher ziemlich schleppend abgerufen wurden, hat die Bundesregierung im Mai dieses Jahres die Verlängerung des Förderzeitraums bis zum Jahr 2020 beschlossen. Im Sommer dieses Jahres waren circa 1,8 Milliarden Euro des Sondervermögens verplant. Dies entspricht etwa 52 Prozent der gesamten Finanzmittel des Sondervermögens. Ich denke, es herrscht in diesem Haus ein breiter Konsens darüber, dass die Verlängerung des Förderzeitraums sinnvoll ist. Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang noch auf einen weiteren Aspekt der finanziellen Verflechtungen von Bund, Ländern und Kommunen hinweisen. In den vergangenen Jahren sind nicht nur die Kommunen, son- dern auch die Länder umfassend durch den Bund entlas- tet worden. Die wichtigsten finanziellen Zugeständnisse des Bundes belaufen sich in den Jahren 2010 bis 2020 auf rund 200 Milliarden Euro. Vor dem Hintergrund der massiven Unterstützung der Länder und Kommunen durch den Bund halte ich es für höchst problematisch, dass wir in vielen Bereichen nicht mehr nachvollziehen können, was mit dem Geld wirklich passiert. In dieser Legislaturperiode betrifft das Mittel des Bundes von immerhin rund 35 Milliarden Euro. So gehen in diesem Zeitraum allein über 20 Milliar- den Euro über die Umsatzsteuerverteilung sowie die Er- stattungen für die Kosten der Unterkunft zusätzlich als gezielte Entlastung an Länder und Kommunen. Diese Mittel sind komplett ungebunden. In anderen Bereichen zahlt der Bund Mittel an die Länder, ohne dass er die Möglichkeit hat, den verabredeten Mitteleinsatz auch zu kontrollieren bzw. im Zweifelsfall auch durchzusetzen. Ein Beispiel ist die Übernahme des BAföG durch den Bund. Das sind immerhin 3,5 Milliarden Euro in dieser Legislaturperiode. Politisch verabredet war, dass die Länder die bei ihnen freiwerdenden Mittel für die Hoch- schulen einsetzen. Von dieser Zusage sind einige Länder dann, nachdem das Gesetz beschlossen war, ganz offen wieder abgerückt. Ein weiteres Beispiel sind die Entflechtungsmittel in Höhe von 11,3 Milliarden Euro in dieser Legislaturpe- riode. Diese haben zwar zumindest noch eine investive Zweckbindung im Gesetz. Aber auch hier besteht keine Möglichkeit der direkten Kontrolle durch den Bund. Ich sehe die Tendenz, dass der Bund zunehmend Auf- gaben von Ländern und Kommunen übernimmt und diese (mit-)finanziert, aus ganz grundsätzlichen Erwägungen sehr kritisch. Unabhängig davon brauchen wir in Zukunft wieder mehr gesetzlich definierte Zweckbindungen, de- ren Einhaltung der Bund dann auch kontrollieren kann. Ich hoffe, wir werden auch in diesem Bereich eine vernünftige Lösung finden – genauso wie wir sie mit der Verlängerung des Förderzeitraums des Kommunalin- vestitionsförderungsfonds gefunden haben. Ich bitte um möglichst breite Zustimmung zum Gesetzentwurf. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 193. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. September 2016 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 193. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. September 2016 19307 (A) (C) (B) (D) Dr. Volker Ullrich (CDU/CSU): Wir beraten heute über einen Gesetzentwurf zu Finanzhilfen aus dem Kom- munalinvestitionsförderungsfonds. Der Bund unterstützt finanzschwache Kommunen bei bedeutsamen Investitio- nen. Wir beraten über eine Verlängerung des Förderzeit- raums um zwei Jahre. Der Zeitrahmen des Kommu nalin- vestitionsförderungsgesetzes wird damit bis zum Ende des Jahres 2020 ausgeweitet. Finanzschwache Kommu- nen profitieren zwei weitere Jahre von der Möglichkeit der Förderung von wichtigen Investitionen. Die Verlängerung des Förderzeitraums ist der aktuel- len Lage geschuldet. Die Kommunen stehen derzeit vor einer großen Herausforderung. Die Unterbringung und Betreuung von Flüchtlingen erfordert große Anstrengun- gen. Finanzschwache Kommunen stoßen personell und finanziell an die Belastungsgrenze. Notwendige Investi- tionen müssen verschoben werden. Dem Bund ist es ein großes Anliegen, dass die Finanz- hilfen in Höhe von 3,5 Milliarden Euro aus dem Kom- munalinvestitionsförderungsfonds den finanzschwachen Kommunen zufließen. Mit der sukzessiven Unterbrin- gung der Flüchtlinge und der Verlängerung des Förder- zeitraums bestehen wieder die personellen Kapazitäten vor Ort, sich den notwendigen Investitionsvorhaben zuzuwenden. Es ist unser Ziel, finanzschwachen Kom- munen mit diesem Gesetz die finanzielle Förderung zu ermöglichen und deren Haushalte zu entlasten. Ich möchte die heutige Rede auch zum Anlass neh- men, grundsätzlich über die Finanzen der Kommunen zu sprechen. In der Bundesrepublik gibt es 11 000 Gemein- den und Städte. So vielfältig wie Deutschland ist, so viel- fältig sind auch die Kommunen. Es gibt finanzstarke Gemeinden, die vom Tourismus in den Alpen, an der Küste oder an einem Binnengewässer profitieren. Es gibt Städte mit dichter Ansiedelung von Industrie und Gewerbe. Es gibt Gemeinden im Speck- gürtel, die von der Infrastruktur der Großstadt und den außerhalb angesiedelten Unternehmen profitieren. Es gibt aber auch Kommunen in strukturschwachen Regionen, die trotz größter Anstrengungen die Investitio- nen für notwendige Infrastrukturprojekte nicht stemmen können. Diese diametralen Unterschiede der Finanzstärke von Kommunen sind nicht auf boomende Regionen und strukturschwache Gegenden begrenzt. Sie finden sich innerhalb von Bundesländern und sogar innerhalb von Landkreisen. Die Finanzkraft von Kommunen hängt im Wesent- lichen vom Steueraufkommen ab. Neben dem Vertei- lungsschlüssel nach dem Gemeindefinanzreformgesetz möchten wir jedoch einen direkten Nachteilsausgleich gewähren. Aus diesem Grund wird die Unterstützung nach dem Kommunalinvestitionsförderungsgesetz für besondere Investitionen mit einem Volumen von 3,5 Mil- liarden Euro gewährt. Es sollte uns ein großes Anliegen sein, dass in Deutsch- land überall ein Mindeststandard für Lebensbedingungen herrscht. Auf lokaler Ebene müssen die kommunalen Haushalte entlastet werden, um den Weg für notwendige Investitionsvorhaben zu ebnen. Es ist mehr als nur ein Selbstzweck. Die Stärkung der lokalen Infrastruktur wirkt sich po- sitiv auf die demografische Entwicklung aus. Finanz- schwache Kommunen werden durch den Nachteilsaus- gleich ein Stück lebenswerter. Der Anreiz, in finanzstarke Kommunen wegzuziehen, wird abgemildert. Es kann nicht das Ziel sein, dass reiche Kommunen reicher und arme Kommunen ärmer werden. Ich bitte da- her um Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf. Bernhard Daldrup (SPD): Vor eineinhalb Jahren haben wir ein gutes Gesetz beschlossen, mit dem wir in spürbarem Umfang Investitionen in den Kommunen för- dern. Wir fördern zielgerichtet besonders finanzschwa- che Kommunen. Dafür stellt der Bund 3,5 Milliarden Euro zur Verfügung. Heute ändern wir das Kommunalinvestitionsför- derungsgesetz und verlängern die Fristen für Anträge und Bau um zwei Jahre. Damit entsprechen wir einem Wunsch der Kommunen. Zwei Gründe sind für die Ver- längerung ausschlaggebend: erstens die Ausnahmesitua- tion durch die Aufnahme von Flüchtlingen, die sehr viel Verwaltungskraft gebunden hat, und zweitens die ausge- dünnte Personaldecke in vielen Planungs- und Bauäm- tern aufgrund von Sparzwängen der vergangenen Jahre, die die Planung und Umsetzung von Projekten verzögert haben. Anders als beim Konjunkturpaket II kommt es mit dem aktuellen Programm darauf an, die Investitionskraft der Kommunen zu stärken, weniger darauf, einen kon- junkturellen Impuls zu geben. Deshalb ist die Verlänge- rung des Programms auch aus ökonomischer Sicht un- problematisch. Tatsache ist, dass wir mehr Investitionen in eine leis- tungsfähige Infrastruktur brauchen, um unseren Wirt- schaftsstandort und Wohlstand langfristig zu sichern. Den Städten und Gemeinden kommt eine zentrale Rolle zu; denn sie tätigen etwa 50 Prozent aller Investitionen der öffentlichen Hand. Ihr Anteil war allerdings mal höher: Anfang der 90er-Jahre lag er noch über 60 Pro- zent. Die kommunale Investitionstätigkeit hat unter dem Strich abgenommen. Die Kommunalhaushalte haben sich in den letzten Jahrzehnten immer mehr von Inves- titionshaushalten zu Sozialhaushalten entwickelt. So hat sich ein Investitionsstau aufgebaut, der sich mittlerweile auf über 140 Milliarden Euro beläuft. Aber das betrifft nicht alle Kommunen. Besonders be- troffen sind die strukturschwachen Kommunen. Im De- tail sieht man enorme Unterschiede. Das gilt sowohl im Ländervergleich als auch zwischen Kommunen einzel- ner Länder. In Bayern investieren die Kommunen durch- schnittlich 590 Euro je Einwohner, in Mecklenburg-Vor- pommern sind es nur 206 Euro/Einwohner, also gerade einmal ein Drittel. Noch drastischer ist der Vergleich zwischen einzelnen Kommunen: Der Landkreis München gab im Jahr 2013 mit 724 Euro pro Einwohner fast 700 Euro mehr aus als die kreisfreie Stadt Wilhelmshaven in Niedersachsen mit Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 193. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. September 201619308 (A) (C) (B) (D) 35 Euro pro Einwohner. Eklatante Unterschiede gibt es auch innerhalb eines Bundeslandes wie beispielsweise Bayern, das insgesamt durchaus finanzstark ist. Dieser Unterschied zwischen Strukturstarken und -schwachen wird in Zukunft noch steiler werden, wenn wir nicht ge- gensteuern. Zentrale Ursachen für den Rückgang der Investitions- quote liegen in den steigenden Sozialausgaben, sinken- den Einnahmen und einer steigenden Verschuldung. An allen diesen Punkten müssen wir ansetzen. Ein Hebel ist die Investitionsförderung durch das kommunale Investitionsprogramm. Ursprünglich war die Förderung bis 2018 vorgesehen. Mit der heutigen Ände- rung können Projekte bis 2020 genehmigt werden. Das verschafft Luft zur Planung. Bereits jetzt zeichnet sich ab, dass die Förderung sehr gut in Anspruch genommen wird. Über die Hälfte der Mittel sind bereits verplant. Dabei gehen die Länder sehr unterschiedlich vor. Die Ausgestaltung liegt in ihrer Hand, genauso wie die Entscheidung, welche Kommunen in ihrem Bereich den größten Bedarf haben. Aus einer vorläufigen Liste über Projektanmeldungen auf die politische Qualität von Lan- desregierungen zu schließen, wie es die CDU/CSU in Rundbriefen tut, ist daher völliger Unsinn und schlicht unseriös. Niedersachsen, NRW und Hessen zum Beispiel ver- teilen die Mittel als Kontingente an die Kommunen, die sie als finanzschwach eingestuft haben, und lassen ihnen bei der Verwendung innerhalb des bundesgesetzlichen Rahmens volle Flexibilität. Bayern und Sachsen haben Antragsverfahren eingeführt, bei denen konkrete Einzel- projekte bewilligt werden. Mecklenburg-Vorpommern konzentriert die Förderung auf die Bereiche Breitband- ausbau und Städtebau, Schleswig-Holstein auf die Sanie- rung von Kitas und Schulen. Eines lässt sich an den bisher gemeldeten Projekten bereits ablesen: Mit dem Programm werden tausende Schulen und Kindergärten saniert und ausgebaut. Es wer- den Gemeindeeinrichtungen im ganzen Land energetisch saniert. Und es werden weiße Flecken auf der Landkarte mit Breitbandnetzen versorgt. Das ist gut, und ich nehme gerne in Anspruch, dass wir Sozialdemokraten uns sehr für dieses Programm eingesetzt haben. Der Bund hat die Spielräume weit gefasst. Er trägt 90 Prozent der Investitionskosten, der kommunale Ei- genanteil beträgt lediglich 10 Prozent. Die Länder kön- nen, auch das ermöglicht das Gesetz, den kommunalen Anteil übernehmen, sodass auch Kommunen, die auf- grund ihrer Notlage nicht einmal diesen Anteil leisten können, die Förderung nutzen können. Es muss auch nicht – wie noch im Konjunkturpaket II – das Kriterium der Zusätzlichkeit erfüllt werden, eine weitere Erleichte- rung für die Kommunalpolitik vor Ort. Wir stimmen völlig mit der Expertenkommission „Stärkung von Investitionen in Deutschland“ überein, die Sigmar Gabriel unter der Leitung von Michael Fratzscher eingesetzt hat: Auf Platz eins ihrer Empfehlungen steht: mehr öffentliches Geld für Investitionen. Außerdem schlägt sie einen nationalen Investitionspakt vor, der auf Dauer von Bund und Ländern finanziert wird. Das könn- te im Rahmen des geplanten gesamtdeutschen Fördersys- tems für strukturschwache Regionen umgesetzt werden. In diesem Zusammenhang weise ich darauf hin, dass der SPD-Parteivorstand vorgeschlagen hat, ein Bundes- programm zur Modernisierung der Schulgebäude in Mil- liardenhöhe einzurichten. Diesen Vorschlag unterstützte ich ausdrücklich. Und wenn wir dazu das Grundgesetz ändern müssen, um das Kooperationsverbot im Bil- dungsbereich aufzuheben, sollten wir das tun – möglichst noch in dieser Legislaturperiode. Die Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse in unserem Land ist Verfassungsauftrag. Das ist die räumli- che Seite des Sozialstaatsgebotes und die Voraussetzung für Chancengleichheit. Wir können nicht von Chancengleichheit sprechen, wenn in der einen Kommune Kitas beitragsfrei sind und die Schulen I-Pads für alle ausgeben, während an ande- ren Orten wegen der Haushaltsnotlage die Beiträge für Kinderbetreuung in die Höhe schießen und die Eltern am Wochenende zum Putzdienst in der Schule anrücken müssen, weil die hygienischen Bedingungen so unterir- disch sind. Die Große Koalition hat in dieser Wahlperiode schon eine beachtliche Reihe von Entlastungen für die Kommu- nen beschlossen, die dieser Entwicklung entgegenwirken. Dazu gehören das kommunale Investitionsprogramm, aber auch das 10-Milliarden-Euro-Zukunftsinvestitions- programm, die Erhöhung der Städtebaumittel sowie die Entlastung bei den Sozialausgaben und nicht zuletzt die Unterstützung bei der Flüchtlingsaufnahme. Wir werden in diesem Herbst eine jährliche Entlastung der Kommunen im Volumen von 5 Milliarden Euro ab 2018 beschließen. Das ist eines der wichtigsten Projekte, die wir im Koalitionsvertrag vereinbart haben – ohne Fi- nanzierungsvorbehalt. Der Vorschlag, den die Länder zur Umsetzung gemacht haben, entspricht allerdings nicht unseren Erwartungen. Die Entlastung muss vor allem bei den Kommunen ankommen, die sie am meisten brau- chen. Denn es gibt, um auf unser Thema heute zurück- zukommen, Kommunen, die in die Zukunft investieren können, und andere, die können es nicht. Investitionsprogramme wie das kommunale Investiti- onsprogramm sind ein Schritt in die richtige Richtung. Grundsätzlich aber müssen wir an einer Lösung arbeiten, die dauerhaft eine bessere und ausgeglichene Finanzaus- stattung der Kommunen sicherstellt. Kerstin Kassner (DIE LINKE): Die finanzielle Lage der Kommunen in Deutschland ist insgesamt sehr an- gespannt. Es gibt für viele Kommunen im ganzen Land kaum noch Möglichkeiten, jenseits der Pflichtaufgaben in irgendeiner Weise tätig zu werden. Die Höhe der Kassenkredite ist auf insgesamt fast 50 Milliarden Euro angestiegen. Dabei entfällt etwa die Hälfte des Kredit- volumens auf 25 der fast 400 Kommunen Deutschlands. Ein gewaltiger Investitionsstau ist über die Jahre und Jahrzehnte entstanden, der sich unter diesen Bedingun- gen von den Kommunen nicht auflösen lässt. Das betrifft Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 193. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. September 2016 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 193. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. September 2016 19309 (A) (C) (B) (D) kommunale Infrastruktur und Daseinsvorsorge und da- mit ganz wesentlich den Zustand von Schulen und Kin- dertagesstätten, Straßen und Brücken sowie kommunaler Betriebe in unseren Heimatstädten und Kreisen. Vor diesem Hintergrund hat Die Linke seinerzeit bereits die Einführung des Kommunalinvestitionsför- derungsgesetzes und des damit verbundenen Fonds zur Unterstützung finanzschwacher Kommunen begrüßt. Vor dem Hintergrund der starken finanziellen Herausforde- rungen für die Kommunen – insbesondere seit dem ver- gangenen Jahr – im Zusammenhang mit der Aufnahme, Unterbringung und Integration von Geflüchteten ist es richtig, dass die Bundesregierung mit dem vorliegenden Gesetzentwurf nun den Förderzeitraum und die Umset- zungsfristen des Fonds um jeweils zwei Jahre verlängert. Darum stimmen wir auch dem Entwurf zur Änderung des Kommunalinvestitionsförderungsgesetzes zu. Die nötigen Investitionen werden die Kommunen nie aus eigener Kraft leisten können. Dass dafür von der Bundesregierung 3,5 Milliarden Euro – für die finanziell besonders schwachen Kommunen – zur Verfügung ge- stellt werden, ist zunächst einmal positiv zu bewerten. Es darf allerdings bezweifelt werden, ob dieser Betrag ausreicht, um das aufgestaute Defizit an Investitionen abzubauen. Wesentlich bedenklicher ist allerdings ein anderes Problem: Dass überhaupt ein derartiger Investitionsstau entstehen konnte, ist kein Ergebnis der Flüchtlingskrise. Und es hat sich auch nicht kurzfristig aus einer temporä- ren Schieflage der kommunalen Haushalte ergeben. Die Kommunen sind strukturell unterfinanziert. Über viele Jahre wurden ihnen immer mehr Aufgaben übertragen, ohne sie dafür mit den nötigen Finanzmitteln auszustat- ten. Insbesondere die Ausgaben im sozialen Bereich dro- hen die Kommunen finanziell zu erdrücken. So gut es daher ist, dass der Bund mit dem Kommu- nalinvestitionsförderungsgesetz und seiner neuen Über- arbeitung einen Teil seiner Verantwortung im kom- munalen Bereich wahrnimmt, so notwendig wäre eine generelle Neugestaltung der Kommunalfinanzen. Aus meiner Sicht kann die Lösung nun nicht für alle Zeit da- rin bestehen, dass der Bund Fonds und Förderprogram- me für die Kommunen auflegt, wenn er die Mittel dafür gerade bereithält bzw. wenn der Druck durch die Kom- munen – zuletzt etwa durch die Aktivitäten des Aktions- bündnisses „Für die Würde unserer Städte“ – so groß wird, dass Handlungsdruck auf die Bundesebene erzeugt wird. Die Kommunen dürfen nicht von spontanen Pro- grammen abhängig sein. Sie sind keine Almosenempfän- ger und können sich auf die kommunale Selbstverwal- tung berufen, die durch die Verankerung im Grundgesetz Verfassungsrang hat. Es gibt ganz offensichtlich ein Problem der struk- turellen Unterfinanzierung zahlreicher Kommunen im Land. Das gefährdet massiv die kommunale Selbstver- waltung und die Demokratie auf kommunaler Ebene. Diese Entwicklung hat nichts zu tun mit Bemühungen der Kommunen zur Haushaltskonsolidierung und zum Schuldenabbau. Die strukturellen Gegebenheiten vor Ort lassen in vielen Regionen eine andere Entwicklung unter den derzeitigen Bedingungen nicht zu. Hier müsste der Bund dringend aktiv werden und den Kommunen über eine reformierte Steuergesetzgebung eine stabile, bere- chenbare und dauerhafte Einnahmesituation verschaffen. Ein wichtiger Baustein dazu wäre die Weiterentwicklung der Gewerbesteuer zu einer Gemeindewirtschaftssteuer. Zudem fordern die Kommunen seit langem einen Alt- schuldenfonds. Ohne diesen werden die hoch verschul- deten Kommunen – wie etwa Oberhausen oder Offen- bach – niemals in eine andere Haushaltslage kommen. Da ganz offensichtlich ein direkter Zusammenhang zwi- schen hoher Arbeitslosigkeit und damit verbunden ho- hen Sozialaufgaben und finanziell starker Belastung der Kommunen besteht, könnte auch eine Übernahme der Kosten für die Unterkunft im SGB II und SGB XII einen wirklichen Neuanfang für die Kommunen eröffnen. Ich möchte diesen Gesetzentwurf der Bundesregie- rung und generell die Bemühungen im Zusammenhang mit dem Kommunalinvestitionsförderungsgesetz ver- stehen als Erkenntnis und Einsicht der Koalition in die drängende Notsituation vieler Kommunen im Land und als Beginn einer neuen Ausrichtung der Politik des Bun- des mit Bezug zu den Kommunen und hoffe, dass die Bundesregierung das Problem damit nicht als erledigt ansieht. Die Kommunen als Basis unserer Gesellschaft müssen es uns wert sein. Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Steuereinnahmen, Museen und Theater, sanierte Schu- len und intakte Quartiere sorgen in vielen Orten für eine hohe Lebensqualität. Marode Turnhallen, geschlossene Büchereien, schimmlige Schwimmbäder und Mangel- verwaltung konzentrieren sich in anderen. Dass alle ähn- liche Chancen und Möglichkeiten vor der eigenen Haus- tür vorfinden, ist nicht die Realität. Die Schere zwischen armen und reichen Städten, Gemeinden und Kreisen geht immer weiter auseinander. Eine spürbare Verbesserung der kommunalen Finanz- lage, erhöhte Investitionen und sinkende Neuverschul- dung können in erster Linie finanzstarke Kommunen realisieren. Gleichzeitig stehen strukturschwache Kom- munen vor einem riesigen Berg an Aufgaben. Denn die sozialen Pflichtaufgaben wachsen stetig weiter und mar- ginalisieren die spärlich steigenden Steuereinnahmen. Finanzschwache Kommunen können weiterhin erfor- derliche Investitionen zur Instandhaltung und Sanierung öffentlicher Infrastruktur nicht stemmen. Sie investie- ren bis zu einem Drittel weniger, und es fällt ihnen viel schwerer, die vorhandene Infrastruktur zu erhalten. Eine Zweiklassengesellschaft innerhalb der kommu- nalen Familie verfestigt sich. Das geht so nicht weiter. Wir wollen struktur- und finanzschwachen Kommunen unter die Arme greifen. Wir wollen eine angemessene fi- nanzielle Ausstattung für alle. Ein Ergebnis der Verarmung vieler Städte und Gemein- den ist der gigantische Investitionsstau. Der Rückstand für dringend notwendige Investitionen erreicht aktuell 136 Milliarden Euro – trotz des idealen konjunkturellen Umfelds, trotz niedriger Zinsen und steigender Steuer- einnahmen. Hinzu kommt die äußerst schlechte Perfor- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 193. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. September 201619310 (A) (C) (B) (D) Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de mance in den letzten Jahrzehnten. Die Kommunen muss- ten zwischen 2003 und 2013 deutlich mehr abschreiben, als sie investierten. Insgesamt überstiegen in diesem Zeitraum die Abschreibungen die Bruttoinvestitionen um 42 Milliarden Euro. Seit Jahrzehnten fallen immer wieder Sanierungen und Instandsetzungen dem Rotstift zum Opfer. Deshalb ist es nicht überraschend: Der Zerfall öffentlicher Gebäu- de und Straßen ist vielerorts unübersehbar, und Investi- tionen in Klimaschutz sind nur schwer leistbar. Finanz- schwache Kommunen leben auf Kosten ihrer Substanz. Das zeigt: Wir brauchen dringend mehr Investitionen vor Ort. Einen Investitionsfonds für finanzschwache Kommu- nen aufzulegen war ein Schritt in die richtige Richtung. Auch die nun vorliegende Verlängerung des Fonds ist sinnvoll. So können die Projekte in Ruhe durchgeführt werden. Das tragen wir mit. Angesichts eines kommu- nalen Investitionsstaus in Höhe von 137 Milliarden Euro ist ein Fondsvolumen von 3,5 Milliarden Euro allerdings nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein. Wir brauchen viel mehr Investitionen gerade in finanz- schwachen Kommunen. Denn diese sind die Leidtragen- den des kommunalen Investitionsstaus. Kommunen mit einer vergleichsweise guten Gesamtfinanzsituation kön- nen aktuell besonders viel investieren. Diese Disparitäten sind der Hauptgrund, warum der Investitionsstau nicht zurückgeht. So konnten 2015 Kommunen in westdeut- schen Ländern nur halb so viel investieren wie Kom- munen in Süddeutschland. Der Rückstand betrifft auch wichtige Zukunftsbereiche und ist so eine hohe Hürde für die Entwicklung benachteiligter Kommunen. Die Hälf- te des Rückstandes entfällt zu gleichen Teilen auf Ver- kehrs- und Schulinfrastruktur. Gerade der Rückstand bei der Bildungsinfrastruktur steigt stetig an. Dabei hat sich die Anzahl der Kommunen mit einem Stau im Bildungs- bereich gar nicht verändert. Die gebeutelten Kommunen bleiben also immer weiter zurück und tragen die Haupt- last des Nachholbedarfs von circa 34 Milliarden Euro. Gerade bei Schulen senden die Städte und Gemeinden SOS. Tausende von Schulen ohne Mensen oder Netzar- beitsplätze, mit baufälligen Sporthallen oder zugigen Klassenräumen, ohne Räume für naturwissenschaftli- chen oder handwerklichen Unterricht. Unvorstellbar, gerade im Hinblick auf die umfangreichen Aufgaben bei der Integration in nächster Zeit. Deshalb, so unsere Idee, soll der Bund in einem ersten Schritt ein Sofortprogramm allein für marode Schulen auflegen. 10 Milliarden Euro möchten wir bereitstellen, da hier vielen Orten das Was- ser bis zum Hals steht. Auch der Bund ist in der Verantwortung für die Kom- munen. Die Bundesregierung muss dafür sorgen, dass Städte und Gemeinden wieder in die Zukunft investieren können. Die kommunale Investitionshilfe von 3,5 Milli- arden Euro ist ein Einstieg. Hier muss mehr getan wer- den. Nicht kleckern, sondern klotzen muss es heißen, wenn es um Investitionen geht. 193. Sitzung Inhaltsverzeichnis TOP 3 Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik TOP 4 Mietpreispolitik und Mieterschutz TOP 5 Flexibilisierung des Übergangs in den Ruhestand TOP 27 Überweisungen im vereinfachten Verfahren TOP 28 Abschließende Beratungen ohne Aussprache TOP 6 Vermittlungsausschuss: Erbschaftsteuer ZP 2 Aktuelle Stunde zu den Ergebnissen zur Reform der Erbschaftsteuer TOP 7 Digitale Verwaltung TOP 8 Partizipation und Selbstbestimmung älterer Menschen TOP 9 Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung TOP 10 Paritätische Beteiligung an Krankenkassenbeiträgen TOP 11 Änderung des Luftsicherheitsgesetzes TOP 16 Steuerliche Forschungsförderung für Unternehmen TOP 13 Bundeswehreinsatz SEA GUARDIAN im Mittelmeer TOP 14 Lobbyismus an Schulen TOP 15 Berufskraftfahrer-Qualifikations-Gesetz TOP 17 Elektromagnetische Verträglichkeit Anlagen Anlage 1 Anlage 2 Anlage 3 Anlage 4 Anlage 5 Anlage 6 Anlage 7 Anlage 8
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Thomas Feist


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)


    Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kol-

    legen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Peer
    Steinbrück hat gerade über die neue Neugier an der Po-
    litik gesprochen. Und dort oben auf den Tribünen sitzen
    junge Menschen – neugierig, gespannt, bereit, sich in ei-
    ner repolitisierten Gesellschaft einzubringen.

    Genau für diese jungen Leute machen wir das, wo-
    rüber wir heute sprechen, nämlich Auswärtige Kul-
    tur- und Bildungspolitik. Und wir als Parlament, Herr
    Minister, haben uns ja fraktionsübergreifend darauf ver-
    ständigt, einen Entschließungsantrag zu dem Bericht der
    Bundesregierung einzubringen, um auch von unserer
    Seite zu zeigen: Dies ist für uns, und zwar nicht nur für
    den Unterausschuss, sondern für das gesamte Haus, ein
    wichtiges Thema.

    Wenn es die eigene Fraktion schon nicht macht, dann
    mache ich es mal: Ich bedanke mich bei den Co-Au-
    torinnen dieses Antrags, bei Frau Schmidt und Frau
    Müntefering. So sind wir Kultur- und Bildungspolitik-
    leute eben: Wir schauen über den Tellerrand hinaus. Vie-
    len Dank!


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Sie könnten sich auch bei uns mal bedanken!)


    – Bei Diether Dehm kann ich mich leider nicht bedan-
    ken, Stichwort „marxistisches Gedankengut“. Mein lie-
    ber Diether, ich kann dir nur sagen: Ich habe 25 Jahre
    meines Lebens in einem Land verbracht, das es zum
    Glück nicht mehr gibt. Und heute sind einige Worte ge-
    fallen, gegen die ich so eine innere Abscheu habe. Also

    an diesen Punkten kann ich nicht mitgehen. Wenn dein
    proletarisches Selbstbewusstsein es erlaubt, über deinen
    eigenen Schatten zu springen und ohne dieses Kampfvo-
    kabular auszukommen, dann können wir vielleicht auch
    mal weitersehen.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Ich will jetzt mal versuchen, über Auswärtige Kultur-
    und Bildungspolitik nicht so zu reden, wie es sonst üblich
    ist – mit wichtigen und gestelzten Worten –, sondern sie
    so zu erklären, wie man es einem Bürger oder einer Bür-
    gerin im Wahlkreis erklärt; denn für sie hat Auswärtige
    Kultur- und Bildungspolitik – ich würde es mal so sa-
    gen – nicht oberste Priorität. Ich will das anhand einiger
    verschiedener Punkte machen, gerade auch im Hinblick
    darauf, dass die jungen Leute auf der Tribüne zu einer
    politischen Bildungsfahrt nach Berlin gekommen sind
    und somit auch etwas mitnehmen sollen. Deswegen will
    ich versuchen, es so zu erklären, dass es jeder verstehen
    kann.

    Wir haben schon mehrere Beispiele aus dem Bereich
    der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik gehört.
    Ein Beispiel ist die Östliche Partnerschaft. In der Östli-
    chen Partnerschaft beschäftigen wir uns mit Staaten, die
    im Bereich der ehemaligen Sowjetunion liegen; Ukrai-
    ne, Moldau, Georgien und andere gehören dazu. Was
    wir dort tun, ist etwas, was sich Stärkung der Zivilge-
    sellschaft nennt. Das ist nun auch ein Begriff, den man
    wahrscheinlich erklären müsste. Aber Stärkung der Zivil-
    gesellschaft meint, dass wir jungen Leuten, die sich für
    ihre Länder engagieren, die ihre Länder aufbauen wol-
    len, die ihre Länder beispielsweise von Vetternwirtschaft
    und Korruption wegführen wollen, aber auch denjenigen,
    die sich darum kümmern, ein gutes Bildungs- und Wis-
    senschaftssystem einzuführen, eine Möglichkeit geben,
    beispielsweise über Stipendien, auch hier in Deutschland
    zu studieren. Genau darum kümmert sich die Auswärtige
    Kultur- und Bildungspolitik. Der Deutsche Akademische
    Austauschdienst ist ganz vorne dabei, aber auch die po-
    litischen Stiftungen will ich nicht unerwähnt lassen. Sie
    leisten einen Beitrag dazu, dass wir es nicht mit den je-
    weils Regierenden zu tun haben. Vielmehr entscheiden
    wir im Parlament: Wir brauchen Programme für die
    Menschen.

    Die Östliche Partnerschaft ist nur ein Beispiel. Wir
    haben andere Beispiele. Das Goethe-Institut ist genannt
    worden. Es hat verschiedene Sachen für das Handy
    entwickelt. Ihr könnt ja nachher mal – ich glaube, ihr
    musstet eure Handys abgeben oder zumindest leise stel-
    len – draußen schauen, welche Apps das Goethe-Insti-
    tut zum Beispiel entwickelt hat. Damit kann man nicht
    nur Deutsch lernen, sondern es so lernen, dass es ganz
    anwendungspraktisch ist. Anwendungspraktisch heißt,
    dass man beispielsweise jungen Leuten, die aus anderen
    Ländern nach Deutschland geflüchtet sind, Angebote
    macht, die es erleichtern, sich im Bereich der beruflichen
    Bildung oder auch in der Alltagspraxis zu verständigen.
    Das Goethe-Institut will unter dem Stichwort „Digitali-
    sierung“ noch mehr; es will entsprechende Beiträge noch

    Präsident Dr. Norbert Lammert






    (A) (C)



    (B) (D)


    ausbauen. Ich denke, das ist das richtige Signal, gerade
    für die jungen Leute.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Wie wird Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik auch
    vor Ort in Deutschland erlebbar? Wir haben beispiels-
    weise eine internationale Sportförderung. Ja, warum nun
    Sport? Das machen doch andere auch. Sport deswegen,
    weil man für Sport erst mal keine Worte braucht, weil
    beim Sport ein Teamgeist dahintersteht. Und natürlich
    darf es auch Spaß machen; das ist ja nicht verboten. In-
    sofern geht es um Außenpolitik, die auch Spaß machen
    darf. Was wir dort tun, ist, dass wir beispielsweise jun-
    gen Trainern aus aller Welt die Möglichkeit geben, sich
    gemeinsam fortzubilden und in den Fortbildungslehrgän-
    gen nicht nur etwas über Sport zu lernen, sondern auch
    über unser Land und unsere Kultur.

    Nun komme ich aus Leipzig; das liegt in Sachsen.
    Wenn man sich mal anschaut, was die internationale
    Presse über Sachsen schreibt, dann stellt man fest: Das ist
    nicht unbedingt nur das, was ich wahrnehme. Insofern ist
    es wichtig, dass wir jungen Leuten in diesem Bereich die
    Möglichkeit geben, zu uns zu kommen und sich mal vor
    Ort anzuschauen, was es da für Menschen gibt. Dass wir
    diese Möglichkeit bieten, ist eine gute Sache. Da sollten
    wir in Zukunft noch etwas stärker investieren.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Ein letzter Punkt, den ich ansprechen möchte, hat nun
    wirklich ganz speziell mit euch zu tun. Es gibt ja viele
    Jugendfreiwilligendienste. Das heißt, man kann nach der
    Schule ein Freiwilliges Soziales Jahr im Bereich der Kul-
    tur oder in der Politik machen; auch ein Freiwilliges Öko-
    logisches Jahr gibt es. Wir haben seit einiger Zeit auch
    beim Auswärtigen Amt so ein Freiwilligenprogramm; es
    heißt „kulturweit“. Dieses Programm „kulturweit“ gibt
    jährlich ungefähr 500 jungen Menschen die Möglich-
    keit, nicht nur ins Ausland zu gehen, sondern auch dort
    zu arbeiten, unterstützend tätig zu sein, wo Auswärtige
    Kultur- und Bildungspolitik geschieht. Sie werden zum
    Beispiel im großen Netzwerk der PASCH-Schulen ein-
    gesetzt; das sind Schulpartnerschaften zwischen Schu-
    len im Inland und solchen im Ausland, in denen es ein
    besonderes Angebot für das Unterrichten der deutschen
    Sprache gibt. Es ist natürlich richtig, dass die Motivation
    von jungen Menschen, die deutsche Sprache zu erlernen,
    dann, wenn sie als Schüler dort auf Gleichaltrige treffen,
    wesentlich größer ist, als wenn wir Berufspolitiker oder
    Lehrer erzählen, wie wichtig das ist. Es ist eine gute Sa-
    che, dass wir in diesem Bereich initiativ geworden sind.

    Man kann zum Beispiel auch beim Goethe-Institut
    arbeiten oder bei der Deutschen UNESCO-Kommissi-
    on, die für das Programm selbst verantwortlich ist. Die
    Deutsche UNESCO-Kommission – es ist angesprochen
    worden – setzt sich für das Weltkulturerbe ein; aber das
    Weltkulturerbe ist nicht nur in Stein gehauen, das sind
    auch wir. Wir selbst sind doch Teil unserer Kultur.

    Mit dem „kulturweit“-Programm sorgen wir nun da-
    für – das ist fast eine Werbeveranstaltung, aber es lohnt
    sich –, dass junge Menschen für ein halbes Jahr oder ein

    Jahr ins Ausland geschickt werden. Und wenn sie zurück-
    kommen, sind sie völlig ausgewechselt. Ich selber habe
    lange Jahre Jugendaustauschprogramme organisiert. Das
    Schönste ist erstens, die jungen Menschen wachsen zu
    sehen, und zweitens, ihre Gesichter zu sehen, wenn sie
    wiederkommen.

    Ich teile mit dem Bundesaußenminister einen Lieb-
    lingssatz. Er stammt von Alexander von Humboldt und
    lautet:

    Die gefährlichste Weltanschauung ist die Weltan-
    schauung derer, die die Welt nie angeschaut haben.

    Uns geht es mit der Auswärtigen Kultur- und Bil-
    dungspolitik also darum, dass wir jungen Menschen
    die Möglichkeit geben, sich selbst vor Ort ein Bild zu
    machen und mit anderen Eindrücken zurückzukommen,
    aber auch darum, im Ausland ein anderes, ein differen-
    zierteres Deutschlandbild vermitteln. Wir zeigen mit
    unserem fraktionsübergreifenden Entschließungsantrag,
    dass wir gewillt sind, hier noch mehr zu tun. Ich denke,
    das sollte, nachdem wir, wie gesagt, schon einen frak-
    tionsübergreifenden Entschließungsantrag vorgelegt ha-
    ben, ein Anliegen aller Parlamentarier hier im Deutschen
    Bundestag sein.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)




Rede von Johannes Singhammer
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

Zum Abschluss dieser Aussprache hat das Wort der

Kollege Dr. Christoph Bergner für die CDU/CSU.


(Beifall bei der CDU/CSU)



  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Christoph Bergner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)


    Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als

    letzter Redner einer breiten, facettenreichen Debatte im
    Schatten der beeindruckenden Abschiedsrede von Peer
    Steinbrück ist es natürlich nicht so ganz leicht, sich the-
    matisch auf etwas zu konzentrieren, was vielleicht einen
    Schlussakzent setzen kann. Ich habe mich entschlossen,
    ein Thema aufzugreifen, das bei der Erarbeitung unseres
    Antrags durchaus kontrovers diskutiert wurde, und das
    ist die Frage des europäischen Zusammenhalts als eine
    kulturpolitische Herausforderung.

    Wir haben uns daran gewöhnt, zu sagen, dass der Bre-
    xit gewissermaßen einen Wendepunkt markiert, dass er
    ein Weckruf für Europa ist und dass die europäische Po-
    litik auf diesen Weckruf reagieren muss. Die inzwischen
    stattgefundenen Treffen und Gipfel – Bratislava, um nur
    ein Beispiel zu nennen – zeigen, wie man – im Bereich
    der Wirtschaftsmarktpolitik, wie man im Bereich der
    Freizügigkeit und wie man im Bereich der Währungs-
    politik sowie der Verteidigungs- und Sicherheitspolitik
    versucht – auf diesen Weckruf reagieren kann.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Meine Fragen in dieser Debatte sind: Ist der Brexit
    auch ein Weckruf für die Auswärtige Kultur- und Bil-
    dungspolitik, und wie sollen wir dann, wenn wir dies be-
    jahen, diesen Weckruf aufnehmen?

    Dr. Thomas Feist






    (A) (C)



    (B) (D)


    Die Antwort auf die erste Frage scheint mir relativ
    naheliegend zu sein. Wir tun gut daran, diesen Weckruf
    auch als einen kulturpolitischen Weckruf zu betrachten;
    denn – das ist deutlich geworden, und Peer Steinbrück
    hat es ja auch gesagt – allein die Bindekräfte des gemein-
    samen Marktes, allein die Bindekräfte der gemeinsamen
    Währung, allein die Bindekräfte der Freizügigkeit rei-
    chen erkennbar nicht aus, um das Gemeinschaftsgefühl
    zu festigen, das wir in Form von europäischer Solidarität,
    geschlossener Außenpolitik und wechselseitigem Ver-
    ständnis bei Herausforderungen wie der Flüchtlingskrise
    brauchen.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Deshalb würde ich die erste Frage uneingeschränkt beja-
    hen und sagen: Ja, wir sind gut beraten, auch in der Aus-
    wärtigen Kultur- und Bildungspolitik Handlungsbedarf
    zu sehen und diesen Handlungsbedarf aufzugreifen. Dies
    ist Gegenstand unseres Entschließungsantrags geworden.

    Damit stellt sich natürlich die zweite Frage: In welcher
    Weise soll der Handlungsbedarf aufgegriffen werden?
    Ich möchte es riskieren, zu sagen: Wir müssen um eine
    gemeinsame europäische Identität ringen, die wir nicht
    in ausreichendem Maße haben. Wenn wir dies als eine
    Aufgabe der Kulturmittler betrachten, dann stellt sich na-
    türlich die Frage: Wie sollen wir zu den angemessenen
    Antworten kommen? Diese Diskussion ist nicht einfach;
    denn sie fällt in eine Zeit, in der identitäre Bewegungen
    und Ideologien sich mal nationalistisch, mal ausschließ-
    lich europäisch-abendländisch, mal islamophob abzu-
    grenzen und so Identitätsmuster aufzubauen versuchen;
    jedenfalls suchen diese Ideologien bewusst den Konflikt
    mit der Grundwertecharta der Europäischen Union.

    Die Antwort ist auch deshalb schwer, weil wir – davon
    bin ich überzeugt – Identität nicht in der Grenzenlosigkeit
    finden, weil wir, wenn wir Identität suchen, die Grenzen
    unserer Identitätsbezüge suchen müssen, Grenzen, die
    Peer Steinbrück das „normative Projekt des Westens“
    genannt hat. Viele wohlmeinende Akteure, auch in der
    Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik, flüchten sich
    geradezu in die Grenzenlosigkeit und weichen der Frage:
    „Was ist typisch europäisch?“ in einer Weise aus, die ich
    nicht nachvollziehen kann.

    Die Debatte über die europäische Identität fällt in eine
    Zeit, in der nationalstaatliche Leitbilder im Sinne einer
    antieuropäischen Zielstellung in den Parteienlandschaf-
    ten Europas revitalisiert werden. Die Lehre, die wir da-
    raus ziehen können, ist, dass europäische Identität immer
    nur als Konglomerat nationaler und regionaler Identifika-
    tionen verstanden werden kann. Es wäre unklug, weil wir
    eine europäische Identität pflegen wollen, die nationalen
    Identitäten zu verteufeln. Wir müssen die Bindekräfte
    dieses Konglomerats suchen. Dies halte ich für eine sehr
    wichtige Herausforderung.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Die Suche nach der europäischen Identifikation fällt
    in eine Zeit, in der die östlichen EU-Mitgliedstaaten in
    der Flüchtlingsfrage Identitätskriterien geltend machen –
    keine muslimischen Zuwanderer –, die im westlichen
    Europa längst zur Disposition gestellt wurden. Auch hier

    empfehle ich uns sehr, gegenüber den Osteuropäern nicht
    die Schulmeister zu spielen, sondern diese Identitätsfra-
    gen, die mit den osteuropäischen Kulturkonzepten ver-
    bunden sind, zum Gegenstand eines ehrlichen Dialogs zu
    machen.

    All diese Probleme und Schwierigkeiten unterstrei-
    chen aus meiner Sicht, dass europäische Identifikation als
    ein Arbeitsgebiet der Auswärtigen Kultur- und Bildungs-
    politik ernst genommen werden muss. Hier sind einige
    Ansätze schon genannt worden: Netzwerke wie EUNIC,
    Kulturhauptstädte Europas. In der letzten Sitzung des
    Unterausschusses wurde das Projekt „Europäisches Kul-
    turerbejahr 2018“ vorgestellt. Ich muss zugeben, dass ich
    von den Darstellungen der brandenburgischen Wissen-
    schaftsministerin und des zuständigen Geschäftsführers
    etwas enttäuscht war. Ich hätte mir gewünscht, dass sie
    konkreter und programmatischer gewesen wären. Der
    Grundsatz des Europäischen Kulturerbejahres „Europas
    kulturelles Erbe“ ist aber ein maßgeblicher und unver-
    zichtbarer Bestandteil unserer gemeinsamen europä-
    ischen wie auch lokalen Identität. Dieser Grundsatz ist
    im Sinne des Anliegens nur zu unterstreichen. Ich appel-
    liere, dass wir aus diesem Europäischen Kulturerbejahr
    etwas machen.

    Es lassen sich weitere Beispiele nennen. Ein beliebtes
    Beispiel von mir sind die deutschen Minderheiten, die
    nicht als Außenstellen nationaler deutscher Selbstdarstel-
    lung, sondern als Zeugen der Vielfalt europäischer Sied-
    lungsgeschichte betrachtet werden können. Ich will nur
    beispielhaft erwähnen, dass die „Stiftung Kirchenbur-
    gen“ in Rumänien – wie ich gerade in diesen Tagen ge-
    hört habe – unter der Schirmherrschaft des rumänischen
    Staatspräsidenten und des deutschen Bundespräsidenten
    steht. Dies begrüße ich sehr und betrachte ich auch als
    eine besondere Verpflichtung.

    Ich will weiterhin, um auf die Polemik von Herrn
    Dehm zu reagieren, die östliche Nachbarschaftspolitik
    erwähnen; für die Aufstockung der entsprechenden Mit-
    tel haben wir uns eingesetzt. Die Frage, wie wir zu un-
    seren östlichen Nachbarn die Hand ausstrecken und wie
    wir gesellschaftspolitische Konzepte mit ihnen disku-
    tieren, ist eine entscheidende Frage für das europäische
    Selbstverständnis und eine große Bewährungsprobe für
    die europäische Identitätssuche.

    Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit. Danke
    schön.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)