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ID1819100400

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 18/191 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 191. Sitzung Berlin, Freitag, den 23. September 2016 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag der Abgeord- neten Ulrich Petzold und Wilfried Lorenz . . 19025 A Tagesordnungspunkt 38: Unterrichtung durch die Bundesregierung: Be- richt der Bundesregierung zur weltweiten Lage der Religions- und Weltanschauungs- freiheit Drucksache 18/8740 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19025 B Volker Kauder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 19025 C Dr . Gregor Gysi (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 19027 A Frank Schwabe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19028 C Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19030 A Dr . Maria Böhmer, Staatsministerin AA . . . . . 19031 C Angelika Glöckner (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 19032 C Erika Steinbach (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 19033 D Christine Buchholz (DIE LINKE) . . . . . . . 19034 B Dietmar Nietan (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19035 A Thomas Silberhorn, Parl . Staatssekretär BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19036 C Dr . Heribert Hirte (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 19037 C Tagesordnungspunkt 9: a) Antrag der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Özcan Mutlu, Manuel Sarrazin, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Britische Staatsangehörige rasch und unkompli- ziert einbürgern Drucksache 18/9669 . . . . . . . . . . . . . . . . . 19038 D b) Erste Beratung des von den Abgeordneten Volker Beck (Köln), Özcan Mutlu, Luise Amtsberg, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Erleichterung der Einbürgerung und zur Ermöglichung der mehrfachen Staatsangehörigkeit Drucksache 18/5631 . . . . . . . . . . . . . . . . . 19039 A Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19039 A Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU) . . . . . 19040 C Sevim Dağdelen (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 19043 B Rüdiger Veit (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19044 C Dr . Tim Ostermann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 19045 D Ulla Jelpke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . 19046 D Detlef Müller (Chemnitz) (SPD) . . . . . . . . . . 19047 D Özcan Mutlu (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19049 B Marian Wendt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 19050 B Özcan Mutlu (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19051 B Rüdiger Veit (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19052 C Barbara Woltmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 19052 D Tagesordnungspunkt 40: a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Stärkung der pflegerischen Versorgung und zur Änderung weiterer Vorschriften (Drittes Pflegestärkungsge- setz – PSG III) Drucksache 18/9518 . . . . . . . . . . . . . . . . . 19054 C Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 191 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 23 . September 2016II b) Antrag der Abgeordneten Pia Zimmermann, Sabine Zimmermann (Zwickau), Matthias W . Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Pflege teilhabe- orientiert und wohnortnah gestalten Drucksache 18/8725 . . . . . . . . . . . . . . . . . 19054 C c) Antrag der Abgeordneten Elisabeth Scharfenberg, Kordula Schulz-Asche, Maria Klein-Schmeink, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Pflege vor Ort gestalten – Bessere Bedingungen für eine nutzerori- entierte Versorgung schaffen Drucksache 18/9668 . . . . . . . . . . . . . . . . . 19054 D Ingrid Fischbach, Parl . Staatssekretärin BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19054 D Pia Zimmermann (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 19056 A Mechthild Rawert (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 19057 B Pia Zimmermann (DIE LINKE) . . . . . . . . . 19058 B Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19059 A Erwin Rüddel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 19060 A Heike Baehrens (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19061 B Erich Irlstorfer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 19062 A Tagesordnungspunkt 41: Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Deutsches En- gagement beim Einsatz von Polizistinnen und Polizisten in internationalen Friedens- missionen stärken und ausbauen Drucksache 18/9662 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19063 A Anita Schäfer (Saalstadt) (CDU/CSU) . . . . . . 19063 B Ulla Jelpke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . 19064 B Edelgard Bulmahn (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 19065 B Dr . Franziska Brantner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19067 D Dr . Ole Schröder, Parl . Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19069 A Thorsten Frei (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 19070 A Tagesordnungspunkt 42: Antrag der Abgeordneten Jutta Krellmann, Klaus Ernst, Herbert Behrens, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion DIE LINKE: Wo- chenhöchstarbeitszeit begrenzen und Ar- beitsstress reduzieren Drucksache 18/8724 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19071 B Klaus Ernst (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . 19071 B Uwe Lagosky (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 19072 C Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19074 B Michael Gerdes (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19075 B Gabriele Schmidt (Ühlingen) (CDU/CSU) . . . 19076 C Helga Kühn-Mengel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 19078 B Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19079 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . . 19081 A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19081 D (A) (C) (B) (D) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 191 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 23 . September 2016 19025 191. Sitzung Berlin, Freitag, den 23. September 2016 Beginn: 9 .01 Uhr
  • folderAnlagen
    Helga Kühn-Mengel (A) (C) (B) (D) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 191 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 23 . September 2016 19081 Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Bär, Dorothee CDU/CSU 23 .09 .2016 Beck (Bremen), Marieluise BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 23 .09 .2016 Bluhm, Heidrun DIE LINKE 23 .09 .2016 Dobrindt, Alexander CDU/CSU 23 .09 .2016 Fischer (Karlsruhe- Land), Axel E . CDU/CSU 23 .09 .2016 Gabriel, Sigmar SPD 23 .09 .2016 Gohlke, Nicole DIE LINKE 23 .09 .2016 Heiderich, Helmut CDU/CSU 23 .09 .2016 Held, Marcus SPD 23 .09 .2016 Hellmich, Wolfgang SPD 23 .09 .2016 Hendricks, Dr . Barbara SPD 23 .09 .2016 Hintze, Peter CDU/CSU 23 .09 .2016 Junge, Frank SPD 23 .09 .2016 Karawanskij, Susanna DIE LINKE 23 .09 .2016 Krellmann, Jutta DIE LINKE 23 .09 .2016 Kudla, Bettina CDU/CSU 23 .09 .2016 Lach, Günter CDU/CSU 23 .09 .2016 Launert, Dr . Silke CDU/CSU 23 .09 .2016 Lemke, Steffi BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 23 .09 .2016 Lerchenfeld, Philipp Graf CDU/CSU 23 .09 .2016 Leyen, Dr . Ursula von der CDU/CSU 23 .09 .2016 Lips, Patricia CDU/CSU 23 .09 .2016 Mast, Katja SPD 23 .09 .2016 Obermeier, Julia CDU/CSU 23 .09 .2016 Özoğuz, Aydan SPD 23 .09 .2016 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Rachel, Thomas CDU/CSU 23 .09 .2016 Ramsauer, Dr . Peter CDU/CSU 23 .09 .2016 Rix, Sönke SPD 23 .09 .2016 Rützel, Bernd SPD 23 .09 .2016 Ryglewski, Sarah SPD 23 .09 .2016 Schlecht, Michael DIE LINKE 23 .09 .2016 Schmelzle, Heiko CDU/CSU 23 .09 .2016 Schmidt (Aachen), Ulla SPD 23 .09 .2016 Schmidt (Fürth), Christian CDU/CSU 23 .09 .2016 Steinbrück, Peer SPD 23 .09 .2016 Steinmeier, Dr . Frank- Walter SPD 23 .09 .2016 Tank, Azize DIE LINKE 23 .09 .2016 Walter-Rosenheimer, Beate BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 23 .09 .2016 Wellenreuther, Ingo CDU/CSU 23 .09 .2016 Widmann-Mauz, Annette CDU/CSU 23 .09 .2016 Willsch, Klaus-Peter CDU/CSU 23 .09 .2016 Anlage 2 Amtliche Mitteilungen ohne Verlesung Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat mitge- teilt, dass sie den Antrag Beteiligung des Bundestages im Vorfeld der Genehmigung der vorläufigen Anwen- dung des Handelsabkommens mit Kanada (Compre- hensive Economic and Trade Agreement – CETA) auf Drucksache 18/9038 zurückzieht . Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden Uni- onsdokumente zur Kenntnis genommen oder von einer Beratung abgesehen hat . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 191 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 23 . September 201619082 (A) (C) (B) (D) Haushaltsausschuss Drucksache 18/8936 Nr . A .15 Ratsdokument 9303/16 Drucksache 18/8936 Nr . A .16 Ratsdokument 9307/16 Drucksache 18/8936 Nr . A .17 Ratsdokument 9310/16 Drucksache 18/9141 Nr . A .7 Ratsdokument 10383/16 Ausschuss für Wirtschaft und Energie Drucksache 18/7934 Nr . A .13 EP P8_TA-PROV(2016)0041 Drucksache 18/7934 Nr . A .18 Ratsdokument 6227/16 Drucksache 18/8771 Nr . A .4 EP P8_TA-PROV(2016)0223 Drucksache 18/8936 Nr . A .18 EP P8_TA-PROV(2016)0236 Drucksache 18/9141 Nr . A .10 EP P8_TA-PROV(2016)0250 Drucksache 18/9141 Nr . A .11 Ratsdokument 9911/16 Drucksache 18/9141 Nr . A .13 Ratsdokument 9966/16 Drucksache 18/9141 Nr . A .14 Ratsdokument 9969/16 Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft Drucksache 18/9141 Nr . A .17 EP P8_TA-PROV(2016)0271 Drucksache 18/9141 Nr . A .18 EP P8_TA-PROV(2016)0272 Drucksache 18/9141 Nr . A .20 Ratsdokument 10133/16 Verteidigungsausschuss Drucksache 18/9141 Nr . A .22 EP P8_TA-PROV(2016)0267 Ausschuss für Gesundheit Drucksache 18/419 Nr . C .41 Ratsdokument 14493/12 Drucksache 18/419 Nr . C .42 Ratsdokument 14499/12 Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de 191. Sitzung Inhaltsverzeichnis TOP 38 Lage der Religions- und Weltanschauungsfreiheit TOP 9 Erleichterung der Einbürgerung TOP 40 Drittes Pflegestärkungsgesetz TOP 41 Polizeikräfteeinsatz in Friedensmissionen TOP 42 Wochenhöchstarbeitszeit Anlagen Anlage 1 Anlage 2
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Gregor Gysi


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DIE LINKE.)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE LINKE.)


    Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu-

    nächst einmal möchte ich mich dafür entschuldigen, dass
    ich nach der Rede leider gehen muss, weil ich auf einer
    Europakonferenz meiner Fraktion zu sprechen habe .


    (Volker Kauder [CDU/CSU]: Bleiben Sie lieber hier!)


    Es handelt sich also nicht darum, dass mich das nicht in-
    teressiert, und ich verspreche Ihnen auch: Alle Reden zu
    diesem Debattenpunkt werde ich anschließend lesen .

    Wenn wir über Religions- und Glaubensfreiheit dis-
    kutieren, müssen wir auch die europäische Geschichte
    betrachten . Sie alle wissen: Im Mittelalter, vom 11 . bis
    zum 13 . Jahrhundert, gab es entsetzliche Kreuzzüge .
    Gewaltsam wurde das Christentum durchgesetzt . Wenn
    heute über Flüchtlinge gesprochen wird, sollten wir auch
    an andere Teile der europäischen Geschichte denken: Es
    waren die Europäerinnen und Europäer, die Nord-, Mit-
    tel- und Südamerika besetzten und die indigene Bevölke-
    rung zum Teil grausam umbrachten und unterdrückten .
    Sie brachten ihre Sprachen – Englisch, Spanisch, Portu-
    giesisch – auf den amerikanischen Kontinent und setzten
    ihre Sprachen, ihre Kultur und ihre Religion durch . Es
    waren Europäerinnen und Europäer, die Australien be-
    setzten und ihre Sprache, Kultur und Religion gegenüber
    den Aborigines gewaltsam durchsetzten . Und die Kolo-
    nien?

    Trotz der gegenteiligen Unkenrufe von ganz rechts:
    Eine solche Gefahr besteht für Europa gegenwärtig über-
    haupt nicht .


    (Beifall bei der LINKEN sowie der Abg . Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


    Nach den demokratischen Revolutionen in Europa wur-
    de die Religions- und Glaubensfreiheit zu einem wichti-
    gen Gut – allerdings mit wesentlichen Einschränkungen,
    wenn ich an die zahllosen Pogrome gegen Menschen
    jüdischen Glaubens in vielen europäischen Ländern und
    die millionenfache Ermordung von Jüdinnen und Juden
    durch Nazideutschland denke . In der Allgemeinen Erklä-
    rung der Menschenrechte der Vereinten Nationen wurde
    die Religions- und Glaubensfreiheit nach 1945 als allge-
    meines Menschenrecht weltweit gefordert . Dazu gehört
    auch, dass Religion freiwillig ist – wie Sie es gesagt ha-
    ben, Herr Kauder –, man sich also auch entscheiden darf,
    nicht religiös zu sein .


    (Beifall bei der LINKEN)


    In vielen Verfassungen wird seit dieser Zeit die Reli-
    gions- und Glaubensfreiheit garantiert . Aber die Praxis
    sah und sieht anders aus . Die staatssozialistischen Länder
    zum Beispiel benachteiligten einen Teil der gläubigen
    Menschen und gewährten ihnen keine Chancengleich-
    heit . Unvergleichlich und viel schlimmer erleben wir die
    Verhältnisse heute: Al-Qaida und der „Islamische Staat“
    verfolgen und jagen Schiiten, also andere Muslime, Je-
    sidinnen und Jesiden sowie Christinnen und Christen .
    Ich hätte wirklich nicht geglaubt, in meinem Leben eine
    solche Verfolgung von Christinnen und Christen noch zu

    erleben; aber sie geschieht auf barbarische und brutale
    Art und Weise .

    Die Welt ist aber gelegentlich verkehrt gestrickt . Wenn
    Sie auch mit Assad nicht reden: Er schützt die Christin-
    nen und Christen, während andere in Syrien sie jagen und
    verfolgen . – Und in Europa? In Europa gibt es eine im-
    mer stärkere Diskreditierung von Menschen islamischen
    Glaubens . Das widerspricht klar dem Stand unserer de-
    mokratischen und kulturellen Zivilisation .


    (Beifall bei der LINKEN)


    Wir müssen die Religions- und Glaubensfreiheit auch für
    Menschen islamischen Glaubens garantieren . Allerdings
    wird der Islam auch von Extremisten missbraucht, um
    Gewalt zu rechtfertigen . Diesen Missbrauch hat es vor
    einigen Jahrhunderten, wie dargestellt, auch im Hinblick
    auf das Christentum gegeben . Schon deshalb müssen wir
    entschieden gegen diesen Missbrauch der Religion auf-
    treten .


    (Beifall bei der LINKEN)


    Ich wünsche mir, dass gerade die Organisationen fried-
    licher Muslime in Deutschland sich so entschieden wie
    möglich in Verlautbarungen, auf Demonstrationen und
    Kundgebungen von diesem Missbrauch ihrer Religion
    distanzieren und ihn verurteilen .


    (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


    Die AfD erklärt, dass der gesamte Islam nicht zu
    Deutschland gehöre . Sie beschränkt sich nicht auf den
    politischen Islam, auf den Missbrauch der Religion, son-
    dern will eine gesamte Religion ausschließen . Sie will
    Minarette, Schleier und Muezzinrufe verbieten . – Zu den
    Schleiern werde ich noch etwas sagen . – Außerdem will
    sie Spenden aus dem Ausland zum Bau von Moscheen
    verbieten . Da nach dem Grundgesetz Menschen, aber
    auch Religionsgemeinschaften gleichzubehandeln sind,
    bedeutete das auch das Verbot von Spenden für den übri-
    gen Kirchenbau . Wenn man allein an das Verhältnis un-
    serer katholischen Kirche zum Vatikan oder an das Ver-
    hältnis der russisch- und griechisch-orthodoxen Kirchen
    zu Russland und Griechenland denkt, wird einem die
    Absurdität und Abenteuerlichkeit dieser Idee sofort klar .


    (Beifall bei der LINKEN)


    Die anderen Forderungen der AfD verletzen eindeutig
    und schwer den Artikel 4 Absatz 1 und 2 unseres Grund-
    gesetzes . Ich zitiere wörtlich Absatz 1:

    Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die
    Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Be-
    kenntnisses sind unverletzlich .

    Absatz 2:

    Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleis-
    tet .

    Stellen Sie sich vor, die AfD käme umfassend an die
    Macht . Sie müsste entweder Artikel 4 Absatz 1 und 2
    des Grundgesetzes streichen, oder, wie die polnische
    Führung das polnische Verfassungsgericht, das Bundes-
    verfassungsgericht entmündigen – dieses Gericht würde
    Gesetze zur Einschränkung oder zum faktischen Verbot






    (A) (C)



    (B) (D)


    der Ausübung einer Religion immer als grundgesetzwid-
    rig aufheben –, oder sie müsste das Bundesverfassungs-
    gericht ganz abschaffen. Als nichtreligiöser Mensch sage
    ich Ihnen heute: Gott sei Dank wird die AfD einen sol-
    chen weitgehenden Einfluss wohl nicht bekommen.


    (Beifall bei der LINKEN sowie der Abg . Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


    Eine Bitte an die Medien: Wenn man in den Medien
    Muslime sieht und hört, dann rufen sie entweder so laut
    nach Allah, dass manche Menschen bei uns Angst be-
    kommen, oder sie sprengen sich als Selbstmordattentä-
    ter in die Luft . Wie wäre es damit, einmal die Millionen
    friedlich betender, arbeitender und gastfreundlicher Mus-
    lime zu zeigen, die sich um ihre Kinder, ihre Angehöri-
    gen, ihre Freundinnen und Freunde kümmern?


    (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Das ist keine Nachricht? Ich glaube, es wäre zurzeit eine
    besonders wichtige Nachricht .

    Noch etwas zur Kleidung . Ich denke an das Kopftuch
    und die Burka . Also, wenn es nicht unbedingt nötig ist,
    sollte sich der Staat nicht in Kleiderfragen seiner Bürge-
    rinnen und Bürger einmischen .


    (Beifall bei der LINKEN)


    Wenn Mädchen und Frauen ihre Kopftücher tragen wol-
    len, dann ist das ihre Angelegenheit . Wenn sie dazu aber
    gezwungen werden, dann müssen wir sie schützen .


    (Beifall bei der LINKEN)


    Dasselbe gilt für die Burka, auch wenn ich Menschen
    lieber ins Gesicht sehe . Allerdings muss es hier – auch
    wenn die Burka freiwillig getragen wird – Einschränkun-
    gen geben: Erzieherinnen, Lehrerinnen, Beschäftigte im
    öffentlichen Dienst mit Publikumsverkehr, Richterinnen,
    Staatsanwältinnen, Notarinnen, Rechtsanwältinnen und
    andere müssen bei ihrer Arbeit ihr Gesicht zeigen: für die
    Kinder, für andere Bürgerinnen und Bürger, für die Öf-
    fentlichkeit . Außerdem gibt es Kontrollen, bei denen das
    Gesicht gezeigt werden muss .

    Mit anderen Worten: Das Notwendige müssen wir
    regeln und ansonsten die Freiheit der Menschen, ein-
    schließlich der Religions- und Glaubensfreiheit sowie
    des Rechts auf Freiheit von der Religion, achten .


    (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Es gilt, diese Freiheit in Deutschland durchzusetzen
    und dafür weltweit zu streiten . Für Menschenrechte kann
    man sich nicht je nach politischen Gegebenheiten einset-
    zen, wie es die Bundesregierung macht . Sie schweigt zu
    vielen Menschenrechtsverletzungen von Erdogan, und
    in anderen Fällen nutzt sie Menschenrechtsverletzungen
    sogar als Begründung für militärische Aktionen . Das ist
    höchst unglaubwürdig .


    (Beifall bei der LINKEN)


    Für Menschenrechte muss man sich immer und gegen-
    über jedermann einsetzen, sonst wird man diesbezüglich
    unglaubwürdig .


    (Beifall bei der LINKEN)




Rede von Dr. Norbert Lammert
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

Frank Schwabe für die SPD-Fraktion ist der nächste

Redner .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Frank Schwabe


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)


    Herr Präsident! Verehrte Damen und Herren! Ich will

    mich beim Auswärtigen Amt ausdrücklich dafür bedan-
    ken, dass wir diesen Bericht vorliegen haben und ihn
    heute debattieren können . Ich will mich gerade deshalb
    bedanken, weil er eben nicht im Detail einzelne Vor-
    kommnisse in einzelnen Ländern beschreibt – es gibt
    nämlich ganz viele solcher Berichte –, sondern weil er
    uns – ich glaube, das gibt uns viel mehr Gelegenheit, in
    der Tiefe zu diskutieren – die Systematik von Verletzun-
    gen des Menschenrechts auf Religionsfreiheit oder auf
    Freiheit von Religion deutlich macht .

    Diese Systematik fällt nicht vom Himmel, vielmehr
    basiert sie maßgeblich auf der Arbeit von Herrn Profes-
    sor Heiner Bielefeldt, die er seit sechs Jahren als Son-
    derberichterstatter der Vereinten Nationen für Religions-
    und Weltanschauungsfreiheit geleistet hat, im Übrigen
    unterstützt und mitfinanziert durch die Bundesrepublik
    Deutschland . Er hat, wie gesagt, maßgeblich an diesem
    Bericht mitgewirkt . Ich glaube, dieser Bericht gibt eine
    neue Tiefe, eine neue Schärfe und uns eine neue Mög-
    lichkeit, uns mit der Frage der Religionsfreiheit ausei-
    nanderzusetzen . Ich will an dieser Stelle, vielleicht im
    Namen des ganzen Hauses, Herrn Professor Bielefeldt
    für diese Arbeit ganz herzlich danken .


    (Beifall im ganzen Hause)


    Ich will mich aber auch bei den Fraktionen bedanken,
    die sich in unterschiedlicher Art und Weise eingebracht
    haben . Dass es diesen Bericht der Bundesregierung gibt,
    basiert auf einem Antrag und einem Beschluss des Bun-
    destags . Ich will mich auch bei denjenigen bedanken, die
    in den einzelnen Fraktionen für Kirchenfragen zuständig
    sind: bei Herrn Dr . Jung von der Union, bei Volker Beck,
    der gleich noch sprechen wird, aber auch bei Kerstin
    Griese, die heute leider nicht hier sein kann, weil sie in
    Kirchenfragen unterwegs ist . Es gab einen konstruktiven
    Dialog über die Frage, wie der Bericht von denjenigen,
    die in den Fraktionen für Kirchenpolitik zuständig sind,
    und denjenigen, die sich hier im Bundestag auf umfas-
    sende Weise für Menschenrechtsfragen zuständig fühlen,
    erstellt werden soll .

    Es handelt sich um einen hochinteressanten Bericht,
    weil er, wie gesagt, nicht enumerativ die Situation in den
    einzelnen Ländern aufzeigt . Vielmehr gibt er Einblick
    darin, dass Religionsfreiheit immer etwas mit der allge-
    meinen Lage in den einzelnen Ländern zu tun hat . In den
    betreffenden Ländern ist nämlich nicht nur die Religions-
    freiheit gefährdet . Vielmehr hat das auch etwas mit den

    Dr. Gregor Gysi






    (A) (C)



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    Grundstrukturen der Einschränkung von Menschenrech-
    ten zu tun; das macht dieser Bericht deutlich . Der Be-
    richt macht im Übrigen auch deutlich – es ist spannend,
    sich mit dieser Frage zu befassen; das ist die Aufgabe
    von Heiner Bielefeldt in den letzten sechs Jahren gewe-
    sen –, wie unterschiedliche Grund- und Menschenrechte
    sich überschneiden und miteinander kollidieren können .
    So werden gelegentlich im Namen der Religionsfreiheit
    andere Rechte, zum Beispiel die Rechte von Frauen in
    den Bereichen Gleichberechtigung und Meinungsfrei-
    heit, infrage gestellt . Hier einen Ausgleich herzustellen,
    darüber zumindest zu reden und das zu problematisieren,
    das leistet der vorliegende Bericht eben auch .

    Noch einmal: Religionsfreiheit kann nicht isoliert be-
    trachtet werden . Vielmehr hängt sie mit Menschenrechts-
    fragen und dem Menschenrechtsklima in den Ländern
    zusammen . Deswegen wünsche ich mir für die Zukunft,
    dass Menschenrechtsberichte der Bundesregierung oder
    von Institutionen genau diese Abwägung vornehmen und
    eine Frage, beispielsweise die Religionsfreiheit, nicht
    isoliert betrachten, sondern im Zusammenhang darstel-
    len .


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Christen stellen zweifellos die größte Gruppe dar und
    sind am meisten von Verfolgung betroffen. Aber in der
    Tat sind alle Religionen von Verfolgung betroffen, wenn
    auch auf unterschiedliche Art und Weise . Das hängt von
    der spezifischen Situation in den jeweiligen Ländern ab.
    Ich will ausdrücklich sagen: Es ist falsch, nur auf das
    Christentum zu fokussieren, wie es gerade in Ungarn
    geschieht. Dort soll eine Behörde geschaffen werden,
    die sich um den Schutz verfolgter Christen in der Welt
    kümmert . Das ist richtig, ganz zweifellos richtig . Aber
    es hilft auch verfolgten Christen nicht so sehr, wenn man
    nur darauf fokussiert . Es hilft auch Christen, wenn wir
    Verfolgung aus religiösen Gründen weltweit in den Blick
    nehmen .


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


    Man muss zudem deutlich machen, dass es im Kern häu-
    fig gar nicht um religiöse Auseinandersetzungen geht.
    Vielmehr geht es oft um machtpolitische Auseinander-
    setzungen. Ländern werden religiöse Konflikte geradezu
    aufgedrückt . Auch das zu erwähnen, gehört zur Debatte .


    (Beifall bei der SPD)


    Worum es überhaupt nicht geht – das behauptet hier
    auch niemand, aber das wird ja gelegentlich draußen im
    Land behauptet –, das ist die Frage, ob es einen Kampf
    zwischen dem Christentum und dem Islam gibt . Wenn
    man sich die Lage realistisch anschaut, dann stellt man
    fest, dass es sich bei vielen Konflikten eher um inner­
    islamische Konflikte handelt oder es um Fragen der
    Glaubensauslegung geht . Zweifellos werden Christen
    in Nordkorea verfolgt . Aber ich selber habe im letzten
    Jahr gesehen, dass buddhistische Mönche in Myanmar
    gegen die muslimische Minderheit der Rohingya hetzen;
    das hätte ich mir zuvor nicht vorstellen können . Es gibt

    hinduistische Eiferer in Indien, die gegen Muslime und
    Christen hetzen . Alles das gibt es leider .

    Es ist wichtig, das zu betrachten, aber es fällt auch re-
    lativ leicht, nach außen zu schauen, zu gucken, was in
    der Welt los ist und welche Probleme die einzelnen Län-
    der mit der Religionsfreiheit haben . Viel schwieriger ist
    jedoch, sich mit der Situation im eigenen Land – zum
    Glück in anderer Ausprägung – auseinanderzusetzen . In
    Deutschland gibt es Debatten darüber, die Religionsfrei-
    heit möglicherweise einzuschränken . Es ist schwierig,
    sich damit auseinanderzusetzen, weil es Mechanismen,
    bei denen die Frage der Religionsausübung für machtpo-
    litische Konflikte benutzt wird, in jedem Land der Welt,
    also auch in Deutschland, gibt . Die größte Minderheit in
    Deutschland sind – darauf hat Herr Gysi gerade hinge-
    wiesen – die Muslime . Man muss nicht besonders da-
    rauf hinweisen, dass in Zeiten von Terrorgefahren eine
    hochkritische Debatte über das Recht von Muslimen auf
    Religionsausübung geführt wird . In Deutschland gibt es
    zum Glück das Grund- und Menschenrecht auf Religi-
    onsfreiheit . Das heißt – das müssen wir dann aber auch
    deutlich sagen –, dass alle Menschen in diesem Land das
    Recht haben, zum Beispiel Gotteshäuser zu bauen . Dazu
    gehören auch Moscheen, und das sind dann Moscheen
    mit Minaretten .


    (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Damit überhaupt nicht vereinbar – da wundere ich mich
    über manche aktuelle Debatte – ist die Überlegung, Quo-
    ten für Flüchtlinge nach religiöser Zugehörigkeit einzu-
    führen . Das sind Vorstellungen, die mit der Religionsfrei-
    heit in diesem Land überhaupt nicht vereinbar sind .


    (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr . Karamba Diaby [SPD]: Verfassungsfeindlich!)


    Ich wünsche mir, dass dieser wirklich hervorragende
    Bericht, der, glaube ich, auch für andere Länder dieser
    Welt wegweisend ist, Anlass gibt, über Religionsfreiheit
    in der Welt nachzudenken, und uns ermuntert, aufzuste-
    hen und sich, wenn man in anderen Ländern der Welt
    unterwegs ist, zu Wort zu melden und laut dafür einzutre-
    ten, wie zum Beispiel Herr Kauder das tut . Ich wünsche
    mir auch, dass er Anlass ist, einmal innezuhalten und
    darüber nachzudenken, was Religionsfreiheit gerade im
    Zusammenhang mit den aktuellen Fragen auch für dieses
    Land bedeutet . Es geht eben nicht nur um Kämpfe gegen-
    einander, sondern es geht darum, zu erkennen, dass es in
    manchen Ländern bestimmte Strukturen gibt, die die Re-
    ligionsfreiheit, aber auch die Menschenrechte insgesamt
    gefährden . Das zusammen zu sehen, ist, glaube ich, die
    große Stärke dieses Berichts .

    Vielen Dank .


    (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN)