Rede von
Thomas
Oppermann
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mir ist
aufgefallen, dass sowohl Frau Göring-Eckardt als auch
Herr Bartsch in drastischen Worten über unser Verhältnis
zur Türkei geredet haben und dabei auch immer wieder
Formulierungen wie „Die Große Koalition kniet nieder
vor Herrn Erdogan“
und „Sie handelt ausschließlich opportunistisch“ benutzt
haben. Ich finde, Sie müssen aufpassen, dass Sie mit
solchen Formulierungen – ganz ungewollt, da bin ich si-
cher – nicht antitürkische Ressentiments in diesem Lande
mobilisieren,
die von ganz rechts und manchmal auch von ganz links
vertreten werden . Das halte ich für falsch .
Ich glaube, wir sollten mit der Türkei sehr differenziert
umgehen .
Ich bin Cem Özdemir dankbar, dass er klargestellt
hat – da sind wir alle einer Meinung –: Die Resolution
zu Armenien, die wir hier verfasst haben, gilt ohne Wenn
und Aber . Da gibt es keine Relativierungen, und da gibt
es schon gar nichts zurückzunehmen .
Wenn Präsident Erdogan jetzt einen Weg sucht, gesichts-
wahrend aus dem unmöglichen Verbot für uns Abgeord-
nete herauszukommen, unsere Soldaten zu besuchen,
dann ist das die eine Sicht . Wie man das politisch inter-
pretiert, ist die andere Sicht. Ich finde, wir sollten die
Dinge auseinanderhalten .
Dazu gehört auch das Flüchtlingsabkommen mit der
Türkei . Viele sagen: Das muss wegen des Putsches ge-
kündigt werden. – Ich finde, die Dinge haben erst einmal
nichts miteinander zu tun . Der Putsch in der Türkei war
nicht nur ein Angriff auf Erdogan und die AKP. Das war
ein Angriff auf die Demokratie insgesamt. Ich bin froh
darüber, dass die Türken diesen Putsch mutig abgewehrt
haben .
Aber was jetzt gemacht wird, ist nicht die Verteidigung
der Demokratie; das geht weit darüber hinaus . Wenn
Zehntausende Beamte, Lehrer und Richter festgenom-
men werden, die erkennbar nichts mit dem Putsch zu tun
haben, dann ist das ein Angriff auf den Rechtsstaat. Dazu
dürfen wir nicht schweigen, meine Damen und Herren .
Auch Sie, Frau Wagenknecht, haben gesagt: Wir ver-
kaufen unsere Werte, wenn wir mit der Türkei ein sol-
ches Flüchtlingsabkommen machen . – Dazu kann ich
nur sagen: Was ist das denn für ein Abkommen? Das
Abkommen hilft den Flüchtlingen in der Türkei . Da sind
2,5 Millionen Flüchtlinge, die jahrelang keinen Zugang
zu Gesundheitsleistungen oder zu Bildungseinrichtungen
hatten und die nicht arbeiten durften . All das wird jetzt
geändert . Wir können doch nicht, nur weil Herr Erdogan
eine falsche Politik macht, ein Abkommen kündigen, das
allen nützt: den Flüchtlingen, der Türkei
und Europa . Es nützt am Ende auch Deutschland . Ich bin
dafür, dass dieses Abkommen Bestand haben muss .