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    Plenarprotokoll 18/183 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 183. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2016 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag der Ab- geordneten Michael Schlecht und Gabriele Schmidt (Ühlingen) . . . . . . . . . . . . 17977 A Begrüßung des neuen Abgeordneten Karl-Heinz Wange . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17977 B Wahl des Abgeordneten Sören Bartol als stellvertretendes Mitglied des Vermittlungs- ausschusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17977 B Erweiterung und Abwicklung der Tagesord- nung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17977 B Absetzung der Tagesordnungspunkte 23 und 35 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17979 A Begrüßung des Präsidenten der Nationalver- sammlung der Islamischen Republik Pakistan, Herrn Sardar Ayaz Sadiq . . . . . . . . . . . . . . . 17979 B Tagesordnungspunkt 4: Abgabe einer Regierungserklärung durch die Bundeskanzlerin: NATO-Gipfel am 8./9. Juli 2016 in Warschau Dr . Angela Merkel, Bundeskanzlerin . . . . . . . 17979 C Dr . Sahra Wagenknecht (DIE LINKE) . . . . . . 17983 C Thomas Oppermann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 17985 D Dr . Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17988 D Volker Kauder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 17991 A Niels Annen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17993 C Florian Hahn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 17994 C Wolfgang Hellmich (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 17996 A Henning Otte (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 17996 C Jürgen Hardt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . 17997 D Tagesordnungspunkt 5: – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines … Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches – Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestim- mung Drucksachen 18/8210, 18/8626, 18/8767 Nr . 3, 18/9097 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17998 D – Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Halina Wawzyniak, Cornelia Möhring, Frank Tempel, weiteren Abgeordneten und der Fraktion DIE LIN- KE eingebrachten Entwurfs eines ... Straf- rechtsänderungsgesetzes zur Änderung des Sexualstrafrechts (… StrÄndG) Drucksachen 18/7719, 18/9097 . . . . . . . . . 17998 D – Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Katja Keul, Ulle Schauws, Renate Künast, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines … Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches zur Verbesserung des Schutzes vor sexueller Misshandlung und Vergewaltigung Drucksachen 18/5384, 18/9097 . . . . . . . . . 17999 A Dr . Eva Högl (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17999 A Cornelia Möhring (DIE LINKE) . . . . . . . . . . 18000 C Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18001 C Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18003 A Dr . Carola Reimann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 18004 C Halina Wawzyniak (DIE LINKE) . . . . . . . . . . 18005 B Annette Widmann-Mauz (CDU/CSU) . . . . . . 18006 B Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 2016II Ulle Schauws (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18007 C Elke Ferner (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18008 C Renate Künast (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18009 C Alexander Hoffmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . 18010 B Dr . Johannes Fechner (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 18011 D Karin Maag (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . 18012 D Thomas Heilmann, Senator (Berlin) . . . . . . . . 18014 A Namentliche Abstimmungen . . . . . . . . 18015 B, 18015 C, 18015 C Ergebnisse . . . . . . . . . . . . 18015 D, 18018 D, 18021 D Tagesordnungspunkt 6: Antrag der Abgeordneten Katja Dörner, Dr . Franziska Brantner, Elisabeth Scharfenberg, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Zeit für mehr – Damit Arbeit gut ins Leben passt Drucksache 18/9007 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18025 B Katja Dörner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18025 C Bettina Hornhues (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 18026 C Cornelia Möhring (DIE LINKE) . . . . . . . . . . 18028 A Dr . Fritz Felgentreu (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 18028 D Maik Beermann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 18030 B Jörn Wunderlich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 18032 B Ulrike Bahr (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18033 B Dr . Franziska Brantner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18034 B Eckhard Pols (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 18035 A Dr . Volker Ullrich (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 18035 C Sönke Rix (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18037 A Tagesordnungspunkt 38: a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Änderung der Artikel 8 und 39 des Übereinkommens vom 8. November 1968 über den Straßenverkehr Drucksache 18/8951 . . . . . . . . . . . . . . . . . 18038 B b) Erste Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die elektromagnetische Verträglichkeit von Betriebsmitteln (Elektromagnetische-Verträglich- keit-Gesetz – EMVG) Drucksache 18/8960 . . . . . . . . . . . . . . . . . 18038 B c) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Änderung abfallverbringungs- rechtlicher Vorschriften Drucksache 18/8961 . . . . . . . . . . . . . . . . . 18038 B d) Erste Beratung des von den Abgeordne- ten Katrin Kunert, Dr . Kirsten Tackmann, Caren Lay, weiteren Abgeordneten und der Fraktion DIE LINKE eingebrachten Ent- wurfs eines … Gesetzes zur Änderung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes Drucksache 18/9034 . . . . . . . . . . . . . . . . . 18038 C e) Antrag der Abgeordneten Harald Petzold (Havelland), Sigrid Hupach, Nicole Gohlke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Nachhaltige Be- wahrung, Sicherung und Zugänglichkeit des deutschen Filmerbes gewährleisten Drucksache 18/8888 . . . . . . . . . . . . . . . . . 18038 C f) Antrag der Abgeordneten Dr . Thomas Gambke, Kerstin Andreae, Britta Haßelmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN: Steuerschlupflöcher schließen – Gewinnverlagerung durch Lizenzzah- lungen einschränken Drucksache 18/9043 . . . . . . . . . . . . . . . . . 18038 D g) Antrag der Abgeordneten Nicole Maisch, Annalena Baerbock, Matthias Gastel, weiterer Abgeordneter und der Frakti- on BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Neues Düngerecht endlich beschließen Drucksache 18/9044 . . . . . . . . . . . . . . . . . 18038 D Zusatztagesordnungspunkt 2: a) Antrag der Abgeordneten Renate Künast, Luise Amtsberg, Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Beteili- gung des Bundestages im Vorfeld der Genehmigung der vorläufigen Anwen- dung des Handelsabkommens mit Ka- nada (Comprehensive Economic and Trade Agreement – CETA) Drucksache 18/9038 . . . . . . . . . . . . . . . . . 18039 A b) Antrag der Abgeordneten Klaus Ernst, Susanna Karawanskij, Jutta Krellmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Abstimmung über CETA erfordert Beteiligung von Bundestag und Bundesrat Drucksache 18/9030 . . . . . . . . . . . . . . . . . 18039 A Tagesordnungspunkt 39: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 2016 III 12. November 2015 zwischen der Bun- desrepublik Deutschland und Australien zur Beseitigung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Ein- kommen und vom Vermögen sowie zur Verhinderung der Steuerverkürzung und -umgehung Drucksachen 18/8830, 18/9068 . . . . . . . . . 18039 C b) – Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Errichtung einer Bundeskanz- ler-Helmut-Schmidt-Stiftung . . . . . . Drucksachen 18/8858, 18/9079 . . . . . . 18039 D – Bericht des Haushaltsausschusses ge- mäß § 96 der Geschäftsordnung Drucksache 18/9082 . . . . . . . . . . . . . . 18039 D c) Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD: Herstellung des Einvernehmens des Deutschen Bundestages mit der Be- stellung des Instituts für Gesetzesfolgen- abschätzung und Evaluation beim Deut- schen Forschungsinstitut für Öffentliche Verwaltung, Speyer, als wissenschaftli- chen Sachverständigen im Rahmen der Evaluierung der Terrorismusbekämp- fungsgesetze nach Artikel 5 des Gesetzes zur Verlängerung der Befristung von Vorschriften nach den Terrorismusbe- kämpfungsgesetzen Drucksache 18/9031 . . . . . . . . . . . . . . . . . 18040 B d) Beschlussempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Anja Hajduk, Britta Haßelmann, Kerstin Andreae, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Die Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen jetzt angehen Drucksachen 18/8079, 18/8903 . . . . . . . . . 18040 B e) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung zu dem Antrag der Abgeordneten Oliver Krischer, Herbert Behrens, Dr . Anton Hofreiter, Dr . Sahra Wagenknecht, Dr . Dietmar Bartsch, Stephan Kühn (Dresden) und weiterer Abgeordneter: Einsetzung eines Unter- suchungsausschusses Drucksachen 18/8273, 18/8932 . . . . . . . . . 18040 C f) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit zu dem Antrag der Abgeordneten Steffi Lemke, Nicole Maisch, Harald Ebner, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wilderei und illegalen Arten- handel stoppen Drucksachen 18/5046, 18/8942 . . . . . . . . . 18040 D g) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung und Landwirt- schaft zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD: Wildtierschutz wei- ter verbessern – Illegalen Wildtierhan- del bekämpfen Drucksachen 18/8707, 18/8940 . . . . . . . . . 18040 D h) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Energie zu der Verordnung der Bundesregierung: Verordnung über Vereinbarungen zu abschaltbaren Lasten (Verordnung zu abschaltbaren Lasten – AbLaV) Drucksachen 18/8561, 18/8660 Nr . 2 .2, 18/9081 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18041 A i) Beratung der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Recht und Verbraucher- schutz: Übersicht 8 – über die dem Deut- schen Bundestag zugeleiteten Streitsa- chen vor dem Bundesverfassungsgericht Drucksache 18/9072 . . . . . . . . . . . . . . . . . 18041 B j)–t) Beratung der Beschlussempfehlungen des Petitionsausschusses: Sammelübersich- ten 333, 334, 335, 336, 337, 338, 339, 340, 341, 342 und 343 zu Petitionen Drucksachen 18/8891, 18/8892, 18/8893, 18/8894, 18/8895, 18/8896, 18/8897, 18/8898, 18/8899, 18/8900, 18/8901 . . . . 18041 B Zusatztagesordnungspunkt 3: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Direktzahlungen-Durchführungsgesetzes Drucksachen 18/8514, 18/9067 . . . . . . . . . 18042 B b) Antrag der Abgeordneten Friedrich Ostendorff, Nicole Maisch, Harald Ebner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Durch die Gemeinsame Agrarpolitik mehr Tier- schutz ermöglichen Drucksache 18/9053 . . . . . . . . . . . . . . . . . 18042 C c) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung zu dem An- trag der Abgeordneten Kai Gehring, Ekin Deligöz, Luise Amtsberg, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Deutschlandstipendium abschaffen – Stipendienförderung und Studienfinanzierung stärken Drucksachen 18/4692, 18/9037 . . . . . . . . . 18042 D d)–j) Beratung der Beschlussempfehlungen des Petitionsausschusses: Sammelübersich- ten 344, 345, 346, 347, 348, 349 und 350 zu Petitionen Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 2016IV Drucksachen 18/9060, 18/9061, 18/9062, 18/9063, 18/9064, 18/9065, 18/9066 . . . . 18043 A Corinna Rüffer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18043 B Tagesordnungspunkt 18: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Regulierung des Pros- titutionsgewerbes sowie zum Schutz von in der Prostitution tätigen Personen Drucksachen 18/8556, 18/9036 (neu), 18/9080 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18044 B b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend – zu dem Antrag der Abgeordneten Cornelia Möhring, Ulla Jelpke, Sigrid Hupach, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Selbstbestim- mungsrechte von Sexarbeiterinnen und Sexarbeitern stärken – zu dem Antrag der Abgeordneten Ulle Schauws, Katja Dörner, Dr . Franziska Brantner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN: Gesetz zur Regulierung von Prostitutionsstätten vorlegen Drucksachen 18/7236, 18/7243, 18/9036 (neu), 18/9080 . . . . . . . . . . . . . . . 18044 C Manuela Schwesig, Bundesministerin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . 18044 C Cornelia Möhring (DIE LINKE) . . . . . . . . . . 18046 A Nadine Schön (St . Wendel) (CDU/CSU) . . . . 18047 A Ulle Schauws (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18048 B Marcus Weinberg (Hamburg) (CDU/CSU) . . . 18049 D Ulrike Bahr (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18051 A Paul Lehrieder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 18052 C Tagesordnungspunkt 8: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs ei- nes Vierten Gesetzes zur Änderung des GAK-Gesetzes Drucksachen 18/8578, 18/8958, 18/9074 . . . . 18054 A Christian Schmidt, Bundesminister BMEL . . . . . . . . . . . . . . . . 18054 B Heidrun Bluhm (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 18055 C Willi Brase (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18056 D Markus Tressel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18058 A Hans-Georg von der Marwitz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18059 B Petra Crone (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18060 A Marlene Mortler (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 18060 D Tagesordnungspunkt 9: a) Antrag der Abgeordneten Wolfgang Gehrcke, Dr . Alexander S . Neu, Jan van Aken, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Die NATO durch ein kollektives System für Frieden und Sicherheit in Europa unter Einschluss Russlands ersetzen Drucksache 18/8656 . . . . . . . . . . . . . . . . . 18062 B b) Beschlussempfehlung und Bericht des Verteidigungsausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Dr . Alexander S . Neu, Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Keine Verlegung von Bundes- wehr-Einheiten nach Litauen Drucksachen 18/8608, 18/8733 . . . . . . . . . 18062 B in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 4: Antrag der Abgeordneten Christine Buchholz, Dr . Alexander S . Neu, Wolfgang Gehrcke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Rückholung der Bundeswehrein- heiten aus der Türkei Drucksache 18/9028 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18062 C Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . 18062 C Henning Otte (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 18063 D Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18065 B Niels Annen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18066 C Ingo Gädechens (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 18068 A Dr . Fritz Felgentreu (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 18069 A Wilfried Lorenz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 18070 B Tagesordnungspunkt 20: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der Richt- linie 2011/36/EU des Europäischen Par- laments und des Rates vom 5. April 2011 zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz sei- ner Opfer sowie zur Ersetzung des Rah- menbeschlusses 2002/629/JI des Rates Drucksachen 18/4613, 18/9095 . . . . . . . . . 18072 A Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 2016 V b) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Volker Beck (Köln), Kordu- la Schulz-Asche, Renate Künast, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der Situation von Opfern von Men- schenhandel in Deutschland Drucksachen 18/3256, 18/9077 . . . . . . . . . 18072 A Dr . Matthias Bartke (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 18072 B Ulla Jelpke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . 18073 B Dr . Silke Launert (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 18074 B Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18076 A Dr . Johannes Fechner (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 18077 A Kathrin Rösel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 18078 B Tagesordnungspunkt 11: Antrag der Abgeordneten Renate Künast, Kai Gehring, Dr . Konstantin von Notz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Jetzt Zugang zu Wissen er- leichtern – Urheberrecht bildungs- und wis- senschaftsfreundlich gestalten Drucksache 18/8245 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18080 A Kai Gehring (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18080 A Dr . Stefan Heck (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 18081 C Dr . Petra Sitte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 18082 D Christian Flisek (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18083 D Tankred Schipanski (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 18085 B Marianne Schieder (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 18086 B Tagesordnungspunkt 12: a) – Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines Integra- tionsgesetzes Drucksache 18/8615 . . . . . . . . . . . . . . 18087 C – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Integrationsgesetzes Drucksachen 18/8829, 18/8883, 18/9090 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18087 C – Bericht des Haushaltsausschusses ge- mäß § 96 der Geschäftsordnung Drucksache 18/9091 . . . . . . . . . . . . . . 18087 C b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales – zu dem Antrag der Abgeordneten Sabine Zimmermann (Zwickau), Ulla Jelpke, Jutta Krellmann, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion DIE LINKE: Flüchtlinge auf dem Weg in Arbeit unterstützen, Integration befördern und Lohndumping bekämpfen – zu dem Antrag der Abgeordneten Brigitte Pothmer, Luise Amtsberg, Beate Müller-Gemmeke, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Arbeitsmarkt- politik für Flüchtlinge – Praxisnahe Förderung von Anfang an – zu dem Antrag der Abgeordneten Luise Amtsberg, Volker Beck (Köln), Kerstin Andreae, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN: Integration ist gelebte Demo- kratie und stärkt den sozialen Zu- sammenhalt Drucksachen 18/6644, 18/7653, 18/7651, 18/9090 . . . . . . . . . . . . . . . . . 18087 D c) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung – zu dem Antrag der Abgeordneten Beate Walter-Rosenheimer, Luise Amtsberg, Özcan Mutlu, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Zugang zu Bildung und Ausbildung für junge Flüchtlinge si- cherstellen – zu dem Antrag der Abgeordneten Kai Gehring, Luise Amtsberg, Özcan Mutlu, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Vielfalt stärkt Wissenschaft – Studienchan- cen für Flüchtlinge schaffen Drucksachen 18/6198, 18/6345, 18/9101 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18088 A d) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung – zu dem Antrag der Abgeordneten Nicole Gohlke, Sigrid Hupach, Dr . Rosemarie Hein, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Gleicher Zugang zur Bildung auch für Geflüchtete – zu dem Antrag der Abgeordneten Özcan Mutlu, Kai Gehring, Beate Walter- Rosenheimer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Mehr Bildungsgerechtig- keit für die Einwanderungsgesell- schaft – Damit Herkunft nicht über Zukunft bestimmt Drucksachen 18/6192, 18/7049, 18/9022 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18088 A Aydan Özoğuz, Staatsministerin BK . . . . . . . 18088 B Sabine Zimmermann (Zwickau) (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18089 B Sabine Weiss (Wesel I) (CDU/CSU) . . . . . . . . 18090 A Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 2016VI Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18091 C Josip Juratovic (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18092 C Sevim Dağdelen (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 18093 B Cemile Giousouf (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 18093 D Katja Mast (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18095 A Andrea Lindholz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 18096 A Tagesordnungspunkt 13: a) Antrag der Abgeordneten Dr . Rosemarie Hein, Sigrid Hupach, Matthias W . Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Inklusive Bildung für alle – Ausbau inklusiver Schulen fördern Drucksache 18/8420 . . . . . . . . . . . . . . . . . 18098 A b) Antrag der Abgeordneten Dr . Rosemarie Hein, Sigrid Hupach, Matthias W . Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Inklusive Bildung für alle – Ausbau inklusiver Bildung in der Kindertagesbetreuung umsetzen Drucksache 18/8889 . . . . . . . . . . . . . . . . . 18098 A Dr . Rosemarie Hein (DIE LINKE) . . . . . . . . . 18098 B Xaver Jung (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . 18099 B Özcan Mutlu (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 18100 C Oliver Kaczmarek (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 18101 D Marcus Weinberg (Hamburg) (CDU/CSU) . . . 18102 D Stefan Schwartze (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 18104 A Tagesordnungspunkt 14: – Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- wärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung: Fortsetzung und Er- weiterung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an EUNAVFOR MED Operation SOPHIA Drucksachen 18/8878, 18/9035 . . . . . . . . . 18104 D – Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung Drucksache 18/9073 . . . . . . . . . . . . . . . . . 18104 D Rainer Arnold (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18105 A Sevim Dağdelen (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 18106 A Roderich Kiesewetter (CDU/CSU) . . . . . . . . . 18107 A Dr . Franziska Brantner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18108 A Dr . Reinhard Brandl (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 18108 D Namentliche Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . 18110 A Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18115 D Tagesordnungspunkt 15: Antrag der Abgeordneten Ekin Deligöz, Kerstin Andreae, Sven-Christian Kindler, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Für eine transparente und geschlechtergerechte Haushaltspolitik – Gender Budgeting als Instrument von Good Governance Drucksache 18/9042 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18110 A Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18110 B Kerstin Radomski (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 18111 A Dr . Gesine Lötzsch (DIE LINKE) . . . . . . . . . 18112 B Ewald Schurer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18113 B Alois Rainer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . 18114 C Tagesordnungspunkt 22: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs im Eisenbahnbereich Drucksachen 18/8334, 18/9099 . . . . . . . . . . . 18118 B Enak Ferlemann, Parl . Staatssekretär BMVI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18118 B Herbert Behrens (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 18119 C Kirsten Lühmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 18120 B Matthias Gastel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18121 C Tagesordnungspunkt 17: a) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr und digitale In- frastruktur zu dem Antrag der Abgeord- neten Sabine Leidig, Herbert Behrens, Caren Lay, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Ausstieg aus Stutt- gart 21 – Die Deutsche Bahn AG vor ei- nem finanziellen Desaster bewahren Drucksachen 18/7566, 18/9085 . . . . . . . . . 18122 D b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr und digitale In- frastruktur zu dem Antrag der Abgeord- neten Sabine Leidig, Herbert Behrens, Caren Lay, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Änderung der Ei- senbahnbau- und Betriebsordnung zur Erhöhung der Sicherheit im Eisenbahn- verkehr Drucksachen 18/5406, 18/9098 . . . . . . . . . 18122 D c) Antrag der Abgeordneten Matthias Gastel, Cem Özdemir, Stephan Kühn (Dresden), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Kostenent- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 2016 VII wicklung beim Bahnhofsprojekt Stutt- gart 21 kritisch prüfen Drucksache 18/9039 . . . . . . . . . . . . . . . . . 18123 A Heike Hänsel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 18123 A Annette Sawade (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18124 A Matthias Gastel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18125 A Tagesordnungspunkt 7: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu der Mehrseitigen Vereinbarung vom 27. Januar 2016 zwischen den zuständigen Behörden über den Austausch länderbezogener Be- richte Drucksache 18/8841 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18125 D Tagesordnungspunkt 19: Antrag der Abgeordneten Sabine Leidig, Herbert Behrens, Caren Lay, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion DIE LINKE: Die Nachtzüge retten – Klimaverträglichen Fernreiseverkehr auch in Zukunft ermög- lichen Drucksache 18/7904 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18126 A Tagesordnungspunkt 10: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines ... Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches – Straf- barkeit von Sportwettbetrug und der Mani- pulation von berufssportlichen Wettbewer- ben Drucksache 18/8831 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18126 B Tagesordnungspunkt 21: Erste Beratung des von den Abgeordneten Ulla Jelpke, Azize Tank, Matthias W . Birkwald, Dr . Petra Sitte und der Fraktion DIE LINKE eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Geset- zes zur Änderung des Gesetzes zur Zahlbar- machung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto Drucksache 18/9029 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18126 C Tagesordnungspunkt 16: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs ei- nes Gesetzes zur Erleichterung des Aus- baus digitaler Hochgeschwindigkeitsnetze (DigiNetzG) Drucksachen 18/8332, 18/9023 . . . . . . . . . . . 18126 C Zusatztagesordnungspunkt 5: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Bundes- meldegesetzes und weiterer Vorschriften Drucksachen 18/8620, 18/9087 . . . . . . . . . . . 18127 A Tagesordnungspunkt 24: a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Ge- setzes zur Änderung betäubungsmittel- rechtlicher und anderer Vorschriften Drucksache 18/8965 . . . . . . . . . . . . . . . . . 18127 B b) Antrag der Abgeordneten Frank Tempel, Kathrin Vogler, Jan Korte, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion DIE LINKE: Zugang zu Cannabis als Medizin umfas- send gewährleisten Drucksache 18/6361 . . . . . . . . . . . . . . . . . 18127 B Tagesordnungspunkt 25: a) Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ent- schädigung für die Radargeschädigten der Bundeswehr und der ehemaligen NVA noch weiter verbessern Drucksache 18/9032 . . . . . . . . . . . . . . . . . 18127 C b) Antrag der Abgeordneten Katrin Kunert, Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LIN- KE: Radarstrahlengeschädigte der Bun- deswehr und der ehemaligen NVA besser entschädigen Drucksache 18/9027 . . . . . . . . . . . . . . . . . 18127 C Tagesordnungspunkt 26: a) Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Un- terstützung für den Friedensprozess in Kolumbien Drucksache 18/9033 . . . . . . . . . . . . . . . . . 18127 D b) Antrag der Abgeordneten Heike Hänsel, Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LIN- KE: Für den Frieden in Kolumbien – Pa- ramilitarismus konsequent bekämpfen Drucksache 18/9026 . . . . . . . . . . . . . . . . . 18128 A Tagesordnungspunkt 27: – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Sechsten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 2016VIII und anderer Gesetze (6. SGB IV-Ände- rungsgesetz – 6. SGB IV-ÄndG) Drucksachen 18/8487, 18/9088 . . . . . . . . . 18128 B – Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung Drucksache 18/9089 . . . . . . . . . . . . . . . . . 18128 B Tagesordnungspunkt 28: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Errichtung eines Transplanta- tionsregisters Drucksachen 18/8209, 18/8557, 18/8660 Nr . 1 .2, 18/9083 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18128 C Tagesordnungspunkt 29: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Sechsten Gesetzes zur Änderung des Stra- ßenverkehrsgesetzes und anderer Gesetze Drucksachen 18/8559, 18/9084 . . . . . . . . . . . 18128 D Tagesordnungspunkt 30: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf für Beamtinnen und Beamte des Bundes und Soldatinnen und Soldaten sowie zur Änderung weiterer dienstrechtlicher Vorschriften Drucksachen 18/8517, 18/9078 . . . . . . . . . . . 18129 B Tagesordnungspunkt 31: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit – zu der Unterrichtung durch die Bundes- regierung: Programm zur nachhaltigen Nutzung und zum Schutz der natürli- chen Ressourcen (Deutsches Ressource- neffizienzprogramm II) – zu der Unterrichtung durch die Bundes- regierung: Programm zur nachhaltigen Nutzung und zum Schutz der natürli- chen Ressourcen (Deutsches Ressourcen- effizienzprogramm) – zu dem Antrag der Abgeordneten Peter Meiwald, Dr . Valerie Wilms, Lisa Paus, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ressour- cenverschwendung stoppen – Nationa- les Ressourceneffizienzprogramm zu- kunftsfähig ausgestalten Drucksachen 18/7777, 18/7918 Nr . 1 .2, 17/8965, 18/770 Nr . 27, 18/7047, 18/9094 . . . 18129 C Tagesordnungspunkt 32: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Sachverständi- genrechts und zur weiteren Änderung des Gesetzes über das Verfahren in Familiensa- chen und in den Angelegenheiten der frei- willigen Gerichtsbarkeit Drucksachen 18/6985, 18/9092 . . . . . . . . . . . 18130 B Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18130 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . . 18131 A Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion Die Lin- ke zu der Abgabe einer Regierungserklärung durch die Bundeskanzlerin zum NATO-Gip- fel am 8 ./9 . Juli 2016 in Warschau (Drucksa- che 18/9086) (Tagesordnungspunkt 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . 18131 B Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordne- ten Dr . Petra Sitte, Matthias W . Birkwald, Ulla Jelpke, Susanna Karawanskij, Niema Movassat und Harald Petzold (Havelland) (alle DIE LINKE) zu der Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches – Verbesserung des Schut- zes der sexuellen Selbstbestimmung (Tagesordnungspunkt 5) . . . . . . . . . . . . . . . . . 18131 D Anlage 4 Erklärungen nach § 31 GO zu der Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrach- ten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches – Verbesserung des Schut- zes der sexuellen Selbstbestimmung (Tagesordnungspunkt 5) . . . . . . . . . . . . . . . . . 18132 C Katja Dörner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18132 C Mechthild Rawert (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 18133 A Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18133 D Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 2016 IX Anlage 5 Erklärung des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Abstimmung über Artikel 1 Nummer 9 des Entwurfs eines … Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches – Verbesserung des Schut- zes der sexuellen Selbstbestimmung – in der Ausschussfassung, hier: die Einfügung des Pa- ragrafen 184i Strafgesetzbuch (Tagesordnungspunkt 5) . . . . . . . . . . . . . . . . . 18134 C Anlage 6 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Jan Korte, Kerstin Kassner, Kersten Steinke und Birgit Wöllert (alle DIE LINKE) zu der Ab- stimmung über die Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses: Sammelübersicht 343 zu Petitionen (Strafprozessordnung) (Tagesordnungspunkt 39 t) . . . . . . . . . . . . . . . 18134 D Anlage 7 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Jan Korte, Kerstin Kassner, Kersten Steinke und Birgit Wöllert (alle DIE LINKE) zu der Ab- stimmung über die Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses: Sammelübersicht 350 zu Petitionen (Strafprozessordnung) (Zusatztagesordnungspunkt 3 j) . . . . . . . . . . . 18135 D Anlage 8 Erklärungen nach § 31 GO zu der Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrach- ten Entwurf eines Gesetzes zur Regulierung des Prostitutionsgewerbes sowie zum Schutz von in der Prostitution tätigen Personen (Tagesordnungspunkt 18 a) . . . . . . . . . . . . . . . 18137 A Rudolf Henke (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 18137 A Mechthild Rawert (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 18137 D Anlage 9 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Wolfgang Gehrcke und Heike Hänsel (beide DIE LINKE) zu den Abstimmungen – über den von der Bundesregierung einge- brachten Entwurf eines Gesetzes zur Re- gulierung des Prostitutionsgewerbes sowie zum Schutz von in der Prostitution tätigen Personen – über die Beschlussempfehlung des Aus- schusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zu dem Antrag der Abgeordne- ten Cornelia Möhring, Ulla Jelpke, Sigrid Hupach, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Selbstbestimmungs- rechte von Sexarbeiterinnen und Sexarbei- tern stärken – zu dem Antrag der Abgeordneten Ulle Schauws, Katja Dörner, Dr . Franziska Brantner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Gesetz zur Regulierung von Prostitutions- stätten vorlegen (Tagesordnungspunkt 18 a und b) . . . . . . . . . . 18139 B Anlage 10 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Martin Burkert (SPD) zu der Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrach- ten Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs im Eisenbahnbereich (Tagesordnungspunkt 22) . . . . . . . . . . . . . . . . 18140 A Anlage 11 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Stärkung des Wettbe- werbs im Eisenbahnbereich (Tagesordnungspunkt 22) . . . . . . . . . . . . . . . . 18140 C Ulrich Lange (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 18140 C Anlage 12 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr und digita- le Infrastruktur zu dem Antrag der Abge- ordneten Sabine Leidig, Herbert Behrens, Caren Lay, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Ausstieg aus Stutt- gart 21 – Die Deutsche Bahn AG vor einem finanziellen Desaster bewahren – der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr und digita- le Infrastruktur zu dem Antrag der Abge- ordneten Sabine Leidig, Herbert Behrens, Caren Lay, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Änderung der Eisenbahnbau- und Betriebsordnung zur Erhöhung der Sicherheit im Eisenbahnver- kehr – des Antrags der Abgeordneten Matthias Gastel, Cem Özdemir, Stephan Kühn (Dresden), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Kostenentwicklung beim Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 kritisch prüfen (Tagesordnungspunkt 17 a bis c) . . . . . . . . . . 18141 C Steffen Bilger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 18141 D Alexander Funk (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 18142 D Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 2016X Anlage 13 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu der Mehrseitigen Vereinbarung vom 27 . Januar 2016 zwischen den zuständigen Behörden über den Austausch länderbezogener Berichte (Tagesordnungspunkt 7) . . . . . . . . . . . . . . . . . 18143 B Dr . Mathias Middelberg (CDU/CSU) . . . . . . . 18143 B Lothar Binding (Heidelberg) (SPD) . . . . . . . . 18144 C Susanna Karawanskij (DIE LINKE) . . . . . . . . 18146 B Dr . Thomas Gambke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18147 B Dr . Michael Meister, Parl . Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . 18148 C Anlage 14 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags der Abgeordneten Sabine Leidig, Herbert Behrens, Caren Lay, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion DIE LINKE: Die Nachtzüge retten – Klimaverträglichen Fern- reiseverkehr auch in Zukunft ermöglichen (Tagesordnungspunkt 19) . . . . . . . . . . . . . . . . 18150 A Michael Donth (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 18150 A Daniela Ludwig (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 18150 D Martin Burkert (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18151 C Sabine Leidig (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 18152 A Matthias Gastel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18153 B Anlage 15 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines . . . Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches – Strafbarkeit von Sport- wettbetrug und der Manipulation von berufs- sportlichen Wettbewerben (Tagesordnungspunkt 10) . . . . . . . . . . . . . . . . 18154 C Dr . Volker Ullrich (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 18154 C Ingo Wellenreuther (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 18155 A Detlev Pilger (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18156 B Dr . André Hahn (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 18156 D Özcan Mutlu (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18158 A Heiko Maas, Bundesminister BMJV . . . . . . . . 18159 A Anlage 16 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von den Abgeordneten Ulla Jelpke, Azize Tank, Matthias W . Birkwald, Dr . Petra Sitte und der Fraktion DIE LINKE eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Ände- rung des Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (Tagesordnungspunkt 21) . . . . . . . . . . . . . . . . 18159 D Matthäus Strebl (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 18159 D Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU) . . . . 18160 C Kerstin Griese (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18162 B Azize Tank (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . 18164 A Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18165 C Anlage 17 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Erleichterung des Ausbaus digitaler Hochgeschwindigkeitsnetze (DigiNetzG) (Tagesordnungspunkt 16) . . . . . . . . . . . . . . . . 18166 A Ulrich Lange (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 18166 B Thomas Jarzombek (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 18167 A Martin Dörmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 18168 B Herbert Behrens (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 18169 A Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18170 A Anlage 18 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Bundesmeldegesetzes und weiterer Vor- schriften (Zusatztagesordnungspunkt 5) . . . . . . . . . . . . 18170 C Thorsten Hoffmann (Dortmund) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18170 C Gabriele Fograscher (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 18172 B Jan Korte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . 18173 B Dr . Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18174 A Anlage 19 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – des von der Bundesregierung eingebrach- ten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 2016 XI – des Antrags der Abgeordneten Frank Tempel, Kathrin Vogler, Jan Korte, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Zugang zu Cannabis als Medizin umfassend gewährleisten (Tagesordnungspunkt 24 a und b) . . . . . . . . . . 18175 C Michael Hennrich (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 18175 C Marlene Mortler (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 18176 C Burkhard Blienert (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 18177 B Hilde Mattheis (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18178 B Frank Tempel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 18179 A Dr . Harald Terpe (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18179 D Anlage 20 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – des Antrags der Fraktionen CDU/CSU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Entschädigung für die Radargeschädigten der Bundeswehr und der ehemaligen NVA noch weiter verbessern – des Antrags der Abgeordneten Katrin Kunert, Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Radarstrahlengeschädigte der Bundeswehr und der ehemaligen NVA bes- ser entschädigen (Tagesordnungspunkt 25 a und b) . . . . . . . . . . 18181 C Ingo Gädechens (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 18181 D Karin Strenz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . 18182 C Dr . Karl-Heinz Brunner (SPD) . . . . . . . . . . . . 18183 C Katrin Kunert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 18184 B Doris Wagner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18185 A Anlage 21 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – des Antrags der Fraktionen CDU/CSU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Unterstützung für den Friedensprozess in Kolumbien – des Antrags der Abgeordneten Heike Hänsel, Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Für den Frieden in Kolumbi- en – Paramilitarismus konsequent bekämp- fen (Tagesordnungspunkt 26 a und b) . . . . . . . . . . 18186 A Dr . Bernd Fabritius (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 18186 B Dr . Andreas Nick (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 18187 A Klaus Barthel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18188 A Edelgard Bulmahn (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 18188 D Heike Hänsel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 18189 C Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18190 C Anlage 22 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Sechsten Gesetzes zur Ände- rung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (6 . SGB IV-Änderungsge- setz – 6 . SGB IV-ÄndG) (Tagesordnungspunkt 27) . . . . . . . . . . . . . . . . 18191 B Dr . Astrid Freudenstein (CDU/CSU) . . . . . . . 18191 C Gabriele Schmidt (Ühlingen) (CDU/CSU) . . . 18192 A Gabriele Hiller-Ohm (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 18192 C Matthias W . Birkwald (DIE LINKE) . . . . . . . . 18193 D Dr . Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . 18194 D Anlage 23 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Errichtung eines Transplantationsregisters (Tagesordnungspunkt 28) . . . . . . . . . . . . . . . . 18195 C Dr . Georg Kippels (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 18195 C Dr . Katja Leikert (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 18196 C Sabine Dittmar (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18197 D Hilde Mattheis (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18198 B Kathrin Vogler (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 18199 C Dr . Harald Terpe (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18200 A Anlage 24 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Sechsten Gesetzes zur Ände- rung des Straßenverkehrsgesetzes und anderer Gesetze (Tagesordnungspunkt 29) . . . . . . . . . . . . . . . . 18201 A Gero Storjohann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 18201 A Stefan Zierke (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18201 D Thomas Lutze (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 18202 B Stephan Kühn (Dresden) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18202 D Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 2016XII Anlage 25 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur besseren Ver- einbarkeit von Familie, Pflege und Beruf für Beamtinnen und Beamte des Bundes und Sol- datinnen und Soldaten sowie zur Änderung weiterer dienstrechtlicher Vorschriften (Tagesordnungspunkt 30) . . . . . . . . . . . . . . . . 18203 B Oswin Veith (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . 18203 B Matthias Schmidt (Berlin) (SPD) . . . . . . . . . . 18204 C Frank Tempel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 18205 C Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18206 C Anlage 26 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: – zu der Unterrichtung durch die Bundes- regierung: Programm zur nachhaltigen Nutzung und zum Schutz der natürlichen Ressourcen (Deutsches Ressourceneffizi- enzprogramm II) – zu der Unterrichtung durch die Bundes- regierung: Programm zur nachhaltigen Nutzung und zum Schutz der natürlichen Ressourcen (Deutsches Ressourceneffizi- enzprogramm) – zu dem Antrag der Abgeordneten Peter Meiwald, Dr . Valerie Wilms, Lisa Paus, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ressour- cenverschwendung stoppen – Nationales Ressourceneffizienzprogramm zukunftsfä- hig ausgestalten (Tagesordnungspunkt 31) . . . . . . . . . . . . . . . . 18207 A Dr . Thomas Gebhart (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 18207 B Michael Thews (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18208 B Ralph Lenkert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 18209 A Peter Meiwald (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18209 D Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl . Staatssekretärin BMUB . . . . . . . . . . . 18210 C Anlage 27 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Sachverständigenrechts und zur weiteren Än- derung des Gesetzes über das Verfahren in Fa- miliensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (Tagesordnungspunkt 32) . . . . . . . . . . . . . . . . 18211 B Sebastian Steineke (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 18211 B Dr . Sabine Sütterlin-Waack (CDU/CSU) . . . . 18212 A Sonja Steffen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18213 A Jörn Wunderlich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 18213 D Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18214 B (A) (C) (B) (D) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 2016 17977 183. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 7. Juli 2016 Beginn: 9 .01 Uhr
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    Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn (A) (C) (B) (D) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 2016 18131 Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Bär, Dorothee CDU/CSU 07 .07 .2016 Barley, Dr . Katarina SPD 07 .07 .2016 Böhmer, Dr . Maria CDU/CSU 07 .07 .2016 Dehm, Dr . Diether DIE LINKE 07 .07 .2016 Gunkel, Wolfgang SPD 07 .07 .2016 Hintze, Peter CDU/CSU 07 .07 .2016 Höger, Inge DIE LINKE 07 .07 .2016 Irlstorfer, Erich CDU/CSU 07 .07 .2016 Kudla, Bettina CDU/CSU 07 .07 .2016 Leidig, Sabine DIE LINKE 07 .07 .2016 Lerchenfeld, Philipp Graf CDU/CSU 07 .07 .2016 Maisch, Nicole BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 07 .07 .2016 Maizière, Dr . Thomas de CDU/CSU 07 .07 .2016 Petzold, Ulrich CDU/CSU 07 .07 .2016 Pflugradt, Jeannine SPD 07 .07 .2016 Poschmann, Sabine SPD 07 .07 .2016 Schäfer (Bochum), Axel SPD 07 .07 .2016 Schlecht, Michael DIE LINKE 07 .07 .2016 Tank, Azize DIE LINKE 07 .07 .2016 Wicklein, Andrea SPD 07 .07 .2016 Zimmermann, Pia DIE LINKE 07 .07 .2016 Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke zu der Abgabe einer Regierungserklärung durch die Bundeskanzlerin zum NATO-Gipfel am 8./9. Juli 2016 in Warschau (Drucksache 18/9086) (Tagesordnungspunkt 4) Ich nehme an der Abstimmung nicht teil . Wer das Agieren der NATO bewerten will, muss einen Blick auf den Charakter des Regimes Putin werfen . Das System Putin ist eine Mischung aus KGB/FSB-Struktu- ren mit Oligarchen und kriminellen Methoden . Der Staat ist auf dieses Herrschaftsmodell vollkommen ausgerich- tet . Nichts muss dieses Regime mehr fürchten als Demo- kratie, Pressefreiheit und Rechtsstaatlichkeit . Um jegli- chen demokratischen Widerstand im Lande zu ersticken, braucht das Regime „Feinde“ im Ausland und erklärt jeg- liche demokratische Bewegung im Inneren als feindlich . Deswegen kann das Regime am Frieden draußen kein Interesse haben. Es braucht Konflikte, um durch Propag- anda nach innen sein Regime aufrechtzuerhalten . In die- sem Zusammenhang müssen auch die Vorgänge in der Ukraine bewertet werden . Der Kreml wünscht weder den demokratischen und ökonomischen Erfolg der Ukraine noch echten Frieden an seinen Grenzen . Eine erfolgreiche Ukraine könnte der Anstoß für eine ähnliche demokratische Entwicklung in der Russischen Föderation werden . Die Ausrichtung der Fähigkeiten der NATO muss die- se Analyse mit einbeziehen . Das schließt den geduldigen und zähen Dialog mit dem Regime im Kreml nicht aus, sondern er bleibt un- verzichtbar . Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Petra Sitte, Matthias W. Birkwald, Ulla Jelpke, Susanna Karawanskij, Niema Movassat und Harald Petzold (Havelland) (alle DIE LINKE) zu der Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbu- ches – Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung (Tagesordnungspunkt 5) Der Bundestag stimmt heute über eine Reform des Se- xualstrafrechts ab, durch die drei Änderungen im Straf- gesetzbuch (StGB) und eine Änderung im Aufenthalts- gesetz (AufenthG) vorgenommen werden . Die einzelnen Regelungen sind sehr unterschiedlich zu bewerten . Da- her haben wir getrennte Abstimmungen beantragt und unterschiedlich abgestimmt . Kurz zusammengefasst: Wir haben heute den Regelungen für sexuelle Selbstbestim- mung zugestimmt (Artikel 1, Nummer 6: § 177 StGB-E und Artikel 1, Nummer 9: § 184i StGB-E) und die Sip- penhaft (Artikel 1, Nummer 9: § 184j StGB-E) und eine weitere Erleichterung von Abschiebungen (Artikel 2, Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 201618132 (A) (C) (B) (D) Nummer 3: AufenthG) abgelehnt . In der Abstimmung des gesamten Gesetzes führt dies zu einer Enthaltung . Zugestimmt haben wir mit großer Freude der gesetzli- chen Verankerung des Grundsatzes „Nein heißt nein“, die seit vielen Jahren von zahlreichen Frauen, ihren Verbän- den und Organisationen und inzwischen auch Abgeord- neten aller Fraktionen gefordert worden war . Er bedeutet, dass nun nicht mehr mit Zwang ein entgegenstehender Wille gebrochen werden muss, sondern die Äußerung des entgegenstehenden Willens – in welcher Form auch immer – ausreicht . Diese Formulierung hatten wir des- halb auch in einem eigenen Gesetzentwurf aus dem Fe- bruar vorgeschlagen (BT-Drucksache 18/7719) . Das ist ein Paradigmenwechsel und ein wichtiger Fortschritt, da der Grundsatz das sexuelle Selbstbestimmungsrecht als solches als Wert anerkennt und nicht mehr an der Inten- sität der Gewalt misst . Zugestimmt haben wir auch der häufig als Grapsch-Pa- ragraf bezeichneten Regelung, die künftig Belästigungen durch sexuell bestimmte Berührungen unter Strafe stellt und damit Taten erfassen soll, die bisher durch die soge- nannte Erheblichkeitsgrenze nicht durch das Strafgesetz- buch erfasst werden . Dort steht nämlich (§ 184h Num- mer 1), dass überhaupt nur solche sexuellen Handlungen Beachtung finden, die „von einiger Erheblichkeit“ sind. Da das Strafrecht unbedingt weiter als Ultima Ratio gel- ten sollte, wäre eine Streichung dieser Erheblichkeits- grenze ausreichend gewesen, um sexuelle Belästigungen zu erfassen, ohne jedoch dabei Tür und Tor für die Straf- barkeit sozial angemessenen Verhaltens zu öffnen . Diese Lösung hätten wir daher bevorzugt . Die Regelung der Großen Koalition ist fachpolitisch problematisch, stößt jedoch letztlich in dieselbe Richtung, sodass wir auch dieser Regelung zugestimmt haben . Abgelehnt haben wir die pauschale Verurteilung der Beteiligung an einer Gruppe, aus der heraus sexuelle Übergriffe stattfinden. Im besten Fall ändert sich durch diese Neuregelung zwar nichts, da sie nicht über die be- reits erfassten Strafverschärfungen wegen gemeinschaft- lichen Handelns hinaus angewendet wird . Im schlimms- ten Fall wird jedoch eine beliebige Anzahl an Personen in Sippenhaft genommen . Denn es entfällt bei dieser Rege- lung ein konstitutives Moment einer Straftat: der Vorsatz des Täters . Im Effekt kann dann ein sexueller Übergriff durch eine Person allen anderen aus dieser Gruppe zu- gerechnet werden, auch wenn sie nicht einmal davon wussten . Der Boden des seriösen Strafrechts wird verlas- sen . Noch gefährlicher wird es sogar, wenn die Koalition festhält, dass die Beteiligung an einer Gruppe nur „um- gangssprachlich“ zu verstehen sei . Rechtsunsicherheit ist vorprogrammiert . Abgelehnt haben wir außerdem die weitere Verschär- fung des Ausweisungsrechts . Bereits im März wurde im Zuge der Köln-Debatte das Aufenthaltsgesetz geändert und so Abschiebungen von straffällig gewordenen Aus- ländern erleichtert . Durch die Aufnahme des neuen § 177 wird dies fortgeschrieben . Wir lehnen die Doppelbestra- fung durch Strafrecht und Ausländerrecht grundsätzlich und entschieden ab . Darüber hinaus lehnen wir den damit vermittelten Gedanken ab, dass insbesondere Menschen, die unter das Ausländerrecht fallen, solche Straftaten ver- üben . Diese letzte Regelung hat uns trotz der bedeutsamen Verankerung des Prinzips „Nein heißt nein“ – für das wir selbst engagiert gekämpft haben – zu einer Enthaltung zum Gesamtgesetz bewogen . Anlage 4 Erklärungen nach § 31 GO zu der Abstimmung über den von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches – Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung (Ta- gesordnungspunkt 5) Katja Dörner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Mit der heute zur Abstimmung gestellten Reform des Se- xualstrafrechts und damit der Umsetzung der Istan- bul-Konvention – alle nicht einvernehmlichen sexuellen Handlungen müssen unter Strafe gestellt werden – fin- det endlich ein Paradigmenwechsel im Sexualstrafrecht statt . Das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung wird konsequent im Strafgesetzbuch umgesetzt: Nein heißt zukünftig endlich nein . Jede Form der sexualisierten Ge- walt ist abzulehnen, und jeder Vorfall ist einer zu viel . Umso schlimmer, wenn sexualisierte Gewalt, wenn eine Vergewaltigung nicht als solche geahndet werden kann; damit wird nun endlich Schluss sein . Dass das deutsche Sexualstrafrecht Lücken aufweist und eine Reform des § 177 StGB – Sexuelle Nötigung, Vergewaltigung sowie Sexueller Missbrauch widerstandsunfähiger Personen – notwendig ist, war lange klar; nichtsdestotrotz brauchte die nun zur Abstimmung stehende Reform immensen öf- fentlichen und politischen Druck . Hinter dem heutigen Erfolg steht ein langer Kampf der Frauenverbände, Politik und Öffentlichkeit von den Schutzlücken im Gesetz zu überzeugen . Die grüne Bun- destagsfraktion hat diesen Prozess von Anfang an unter- stützt und bereits 2014 mit parlamentarischen Initiativen und Fachgesprächen und 2015 mit einem Gesetzentwurf Druck auf die Bundesregierung ausgeübt . Noch im Sommer 2015 wurde vonseiten des Justiz- ministers kein Handlungsbedarf gesehen . Erst eine Fall- sammlung der Frauenverbände brachte Bewegung in die Positionierung des Justizministeriums . Leider gab es weiterhin innerhalb der Bundesregierung großen Wider- stand gegen eine umfangreiche Reform des Sexualstraf- rechts . Ende 2015 war fast ein Scheitern der Reform zu befürchten . Erst die schrecklichen Vorfälle der Silvester- nacht rund um den Kölner Hauptbahnhof brachten Be- wegung in die vorher festgefahrene Debatte zur Sexual- strafrechtsreform . Der von der Bundesregierung im März vorgelegte Gesetzentwurf setzte jedoch zunächst die For- derung „Nein ist Nein“ weiterhin nicht konsequent um . Auf Druck der Frauenverbände, der Opposition und einer mittlerweile in dieser Frage politisierten Öffent- lichkeit haben Union und SPD den ursprünglichen Ge- setzentwurf von Justizminister Maas faktisch komplett Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 2016 18133 (A) (C) (B) (D) über den Haufen geworfen und durch einen Änderungs- antrag ersetzt, mit dem der § 177 umfassend reformiert und „Nein heißt nein“ konsequent in Gesetzesform ge- gossen wird . Dabei bediente sich die Koalition konkret den Vorarbeiten der grünen Bundestagsfraktion . Dass im Zuge der Reform des § 177 nun ein neuer Tatbestand, der Straftaten aus Gruppen speziell unter Strafe stellt, hinzugefügt werden soll, lehne ich ab . Für Handlungen im Zusammenwirken mit anderen gibt es ausreichende gesetzliche Regelungen mit Blick auf Mittäterschaft und die Teilnahme an einer Straftat – ein scharfes Schwert, das ein hohes Strafmaß erlaubt . Es widerspricht allen rechtsstaatlichen Grundsätzen, die Beteiligung aus einer Gruppe heraus unabhängig vom Tatvorsatz unter Strafe zu stellen . Es ist mehr als ärgerlich, dass Union und SPD die richtige und überfällige Reform des § 177, für die viele Frauen und auch wir Grüne über Jahre gekämpft haben, nun in einem Gesetzentwurf mit einer verfas- sungswidrigen, populistischen Einfügung eines neuen Straftatbestandes und zudem mit einer Verschärfung im Bereich des Aufenthaltsrechts zusammenfügt . Ange- sichts dieser Verquickung ist mir eine Zustimmung zum Gesetzentwurf in Gänze nicht möglich . Mechthild Rawert (SPD): Als Mitglied für Deutsch- land im parlamentarischen Netzwerk „Gewaltfreies Le- ben für Frauen“ und als Mitglied im Ausschuss Gleich- stellung und Nichtdiskriminierung der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ist mir die Ratifizierung des „Übereinkommens des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häusli- cher Gewalt“, kurz Istanbul-Konvention, ein gewichtiges Anliegen . Die Istanbul-Konvention schafft als völker- rechtlicher Vertrag in Europa verbindliche Rechtsnormen gegen Gewalt an Frauen und häusliche Gewalt . Gewalt gegen Frauen soll umfassend verhütet, bekämpft und be- straft werden . Dieses Übereinkommen stellt somit einen Meilenstein in der Bekämpfung aller Arten von Gewalt gegen Frauen dar . Ratifizierung der Istanbul-Konvention: Deutschland hat das Übereinkommen am Tag der Verabschiedung ge- zeichnet und somit anerkannt . Es wurde die Absicht er- klärt, mit Ratifizierung beizutreten. Das Übereinkommen ist mittlerweile mehr als „nur“ ein politisches Dokument . Die Istanbul-Konvention ist seit dem 1 . August 2014 in Kraft – noch nicht aber in Deutschland. Die Ratifizierung Deutschlands steht noch aus, da die gesetzgeberische An- passung des nationalen Rechtes noch nicht abgeschlos- sen ist . Das wollen wir ändern: Mit der Novellierung des Sexualstrafrechts gemäß der Devise „Nein heißt nein“ beseitigen wir einen Hinderungsgrund für die Ratifizie- rungsmöglichkeit . Notwendiger Paradigmenwechsel: Mit der Novellie- rung des Sexualstrafrechts schließen wir die erkannten Schutzlücken und schaffen zugleich auch den erforderli- chen Paradigmenwechsel: Durch die Einführung der so- genannten Nichteinverständnislösung – Nein-heißt-nein- Lösung – kommt es in zukünftigen Strafverfahren nicht mehr auf das Verhalten des Opfers an . Bislang musste ein Opfer sich – körperlich – vertei- digen oder dies zumindest aktiv versucht haben . In der Folge blieben viele – eigentlich strafwürdige – Taten oftmals straflos. Eine weitere gravierende Folge: Nur ein sehr geringer Teil der zumeist weiblichen Opfer hat die Taten überhaupt angezeigt . Aus der Praxis der Frauenbe- ratungsstellen und Frauennotrufe wissen wir, dass Opfer nach einer sexuellen Nötigung oder Vergewaltigung oft- mals die Schuld bei sich selbst suchen . Mit der Nein-heißt-nein-Lösung wird die Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung ins Zentrum gerückt . Für die künftig anerkannte Strafbarkeit reicht es aus, dass der Wille des Opfers erkennbar ist und sich der Tä- ter über den erkennbaren Willen hinwegsetzt . Das Op- fer kann den Willen durch verbale Äußerung oder auch durch konkludentes Handeln wie Weinen zum Ausdruck bringen . Damit ist der subjektive Tatbestand erfüllt, wenn der Täter trotz erkennbar entgegenstehendem Wil- len die sexuellen Handlungen vornimmt . Ambivalentes Verhalten des Opfers wird jedoch nicht von der neuen Strafnorm erfasst . Menschen mit Behinderung erfahren Gleichstellung: Menschen, die wegen „einer geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung einschließlich einer Sucht- krankheit oder wegen einer tiefgreifenden Bewusstseins- störung oder körperlich zum Widerstand unfähig“ sind, fielen bislang als Opfer nicht unter den § 177 StGB, sondern unter die Strafnorm des § 179 – Sexueller Missbrauch widerstandsunfähiger Personen . Auch diese „Sonderbehandlung“, die von vielen als Diskriminierung empfunden wurde, entfällt mit der Novellierung des Se- xualstrafrechts . Ich begrüße auch diese Neuregelung aus- drücklich . Der neue § 177 StGB umfasst zukünftig alle Menschen mit und ohne Behinderung gleichermaßen . Sexuelle Belästigung wird Straftatbestand: Neu ge- schaffen wird mit der Novellierung des Sexualstrafrechts auch der Straftatbestand der sexuellen Belästigung . Bis- lang konnten nur Strafanträge wegen Beleidigung auf sexueller Grundlage gestellt werden . Dabei mussten die Übergriffe die sogenannte Erheblichkeitsschwelle über- wunden haben, damit die Strafanträge Aussicht auf Er- folg haben konnten . Der Griff an die Genitalien oberhalb der Kleidung – Grapschen – wurden ebenso wie Küsse in den Nacken oder auf die Haare etc . nicht erfasst . Mit dem neu geschaffenen § 184i, Absatz 1 macht sich zukünftig strafbar, wer eine andere Person in sexuell bestimmter Weise körperlich berührt und dadurch belästigt . Mit dieser Sexualstrafrechtsreform wird im deutschen Recht mehr Gleichstellung zwischen den Geschlechtern geschaffen . Dies begrüße ich sehr . Ich stimme der No- vellierung zu . Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Ja zum „Nein ist ein Nein“ . Deshalb habe ich heu- te für die Änderung der Strafbarkeit der Vergewaltigung gestimmt . Wer gegen den erkennbaren Willen einer Per- son sexuelle Handlungen an ihr vornimmt oder von ihr vornehmen lässt, wird wegen Vergewaltigung bestraft . Es soll nicht mehr darauf ankommen, dass Gewalt ange- wandt oder aktiv Gegenwehr nachgewiesen wird . Diese Änderung des § 177 StGB hätte es schon vor einem Jahr geben können . Die Grünen hatten den Ge- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 201618134 (A) (C) (B) (D) setzentwurf dafür vorgelegt . Aber die Union wollte nicht . Jetzt hat die Bundesregierung endlich ein weitgehend mit diesem Entwurf übereinstimmendes Gesetz eingebracht . Da war das Ja in der namentlichen Abstimmung klar . Die weiteren Neuerungen in dem Gesetz habe ich ab- gelehnt . Neu eingeführt werden soll der Straftatbestand „se- xuelle Belästigung“ . Die Regelung ist zu unbestimmt . Es fehlt die Bedingung, dass der „erkennbare Wille des Opfers“ entgegenstehen muss . Strafbar werden soll die körperliche Berührung einer Person „in sexuell bestimm- ter Weise“, wenn sie sie belästigt . Nach dem Gesetzes- wortlaut könnte das auf jede noch so leichte Berührung mit Hand oder Finger am Arm oder der Hand der anderen Person zutreffen . In der Begründung zum Gesetz wird dann zwar ausgeführt, welche Arten von Berührungen unter anderem umfasst sein sollen: „Küssen des Mundes, des Halses, ‚Begrapschen‘ des Gesäßes“ . Diese Präzisie- rung gehört aber direkt in den Gesetzestext . Nicht unter diesen Tatbestand fallen sollen „bloße Ärgernisse, Un- gehörigkeiten oder Distanzlosigkeiten wie zum Beispiel das einfache In-den-Arm-Nehmen oder der schlichte Kuss auf die Wange“ . All diese Begrenzungen gehören aber in den Wortlaut des Gesetzestextes, für die Rechts- anwender ist allein dieser Text maßgeblich . Es kann keine sexuellen Berührungen geben, die nicht auch gleichzeitig sexuelle Handlungen sind . Stimmiger und bestimmter wäre daher, die Worte „von einiger Er- heblichkeit“ bei der gesetzlichen Definition von sexuel- len Handlungen in § 184h StGB zu streichen, um auch weniger schwerwiegende sexuelle Handlungen unter Strafe zu stellen . Die Schwere der Rechtsgutsverletzung müsste dann bei den Strafrahmen berücksichtigt werden . Eine solche Regelung würde auch den Bestimmtheits- grundsatz nicht verletzen . Ebenso abgelehnt habe ich die neue Strafbarkeit der Förderung einer Straftat durch die bloße Beteiligung an einer Gruppe, aus der heraus ein Sexualdelikt begangen wird . Schon die Formulierung ist so verquast, dass man kaum versteht, was strafbar sein soll . Jedenfalls nicht eine konkrete Beteiligung an einer Straftat, sondern al- lein die Beteiligung an einer Gruppe, aus der heraus ein anderer eine Sexualtat begeht . Dabei kommt es nicht auf seine individuelle Kenntnis und Schuld an – es muss für ihn noch nicht einmal vorhersehbar gewesen sein, dass ein Sexualdelikt durch eine andere Person aus der Grup- pe begangen würde . Er muss von einer Sexualtat nicht mal etwas wissen . Er muss lediglich billigend in Kauf genommen haben, dass aus der Gruppe heraus irgendje- mand irgendeine Straftat begeht . So wird dann jedem Gruppenbeteiligten die Begehung eines Sexualdelikts zugerechnet, auch wenn die Gruppe sich ursprünglich zu anderen Zwecken – zum Beispiel zur Begehung von Diebstählen oder Beleidigungen – zusammengefunden hatte . Der Täterkreis einer Gruppe ist auch zahlenmäßig unbegrenzt . Auch der Gruppenbe- teiligte kann bestraft werden, der sich in zweiter, dritter Reihe aufhält oder noch weiter hinten und von einem Sexualdelikt nichts mitbekommt, weil es auf eine kon- krete Unterstützungshandlung etwa durch Beihilfe oder Anstiftung gar nicht ankommt . In der Gesetzesbegründung steht: „Die Beteiligung ist nicht im Sinne der §§ 25 bis 27 StGB zu verstehen, sondern im umgangssprachlichen Sinn . Es wird kein be- wusstes und gewolltes Zusammenwirken verlangt .“ Hier wird eine völlig neue Form der Tatbeteiligung geschaf- fen, die in Widerspruch zum Schuldprinzip steht und ver- fassungsrechtlich nicht haltbar ist . Diese neue Vorschrift ist auch überflüssig. Handlun- gen im Zusammenwirken mit anderen werden schon jetzt über die Regelungen zu Täterschaft und Teilnahme erfasst, die gemeinschaftliche Begehung einer sexuellen Nötigung oder Vergewaltigung ist zusätzlich über den § 177 Absatz 6 Nummer 2 abgedeckt und mit hoher Stra- fe bedroht . Ad-hoc-Gesetzgebung als Reaktion auf die Kölner Silvesternacht, um Beweisschwierigkeiten zu beheben, die auch auf ein Versagen der Sicherheitskräfte zurück- zuführen sind, und um die Öffentlichkeit zu beruhigen, ist eben der falsche Ansatz . Tauglich und rechtsstaatlich ist die Vorschrift nicht . Daher habe ich zu diesem Teil des Gesetzentwurfes mit Nein gestimmt und mich insgesamt enthalten . Anlage 5 Erklärung des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Abstimmung über Artikel 1 Nummer 9 des Entwurfs eines … Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches – Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbst- bestimmung – in der Ausschussfassung, hier: die Einfügung des Paragrafen 184i Strafgesetzbuch (Tagesordnungspunkt 5) Ich habe heute bei der Abstimmung über die Einfü- gung eines Paragrafen 184i StGB mit Nein gestimmt . Anlage 6 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Jan Korte, Kerstin Kassner, Kersten Steinke und Birgit Wöllert (alle DIE LINKE) zu der Abstimmung über die Beschluss- empfehlung des Petitionsausschusses: Sammel- übersicht 343 zu Petitionen (Strafprozessordnung) (Tagesordnungspunkt 39 t) Dem ablehnenden Abschluss der Petitionen können wir nicht zustimmen, da die darin geäußerten Kritik- punkte aus unserer Sicht auch nach Inkrafttreten des neuen Gesetzes zur Vorratsdatenspeicherung (VDS) am 18 . Dezember 2015 Bestand haben . Jede Speicherung und Verarbeitung von personenbe- zogenen und personenbeziehbaren Daten stellt einen Ein- griff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestim- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 2016 18135 (A) (C) (B) (D) mung dar . Es ist dabei unerheblich, ob die Speicherung bei staatlichen Stellen oder durch gesetzliche Verpflich- tung bei privaten Stellen stattfindet. Um das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung zu schützen, wur- den im Datenschutzrecht wesentliche Grundsätze entwi- ckelt: der Erlaubnisvorbehalt für die Erhebung, Speiche- rung und Verarbeitung von Daten; Datensparsamkeit und Datenvermeidbarkeit, Zweckbindung erhobener Daten; Erforderlichkeit für den zu erreichenden Zweck; Trans- parenz darüber, wo welche Daten gespeichert sind . Durch eine Vorratsdatenspeicherung werden diese Grundsätze und damit das Recht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt . Daten werden ohne jeden konkreten Anlass und in großen Massen gespeichert . Nur ein Bruchteil der gespeicherten Daten wird für den Zweck der angestrebten Aufklärung schwerer und schwerster Straftaten abgerufen werden . Die Vorratsdatenspeicherung kann nicht allein aus der Perspektive des Bedarfs der Sicherheitsbehörden an Da- ten zur Verbrechensaufklärung oder der Gefahrenabwehr betrachtet werden . Der Gesetzgeber steht auch in der Pflicht, die grundrechtlichen und gesellschaftspolitischen Folgen einer solchen Speicherpflicht in den Blick zu neh- men . Verspüren die Bürgerinnen und Bürger angesichts immer neuer Speicherpflichten, erweiterter Zugriffsmög- lichkeiten von Behörden auf vorhandene Daten, das mas- senhafte Ausspähen von Daten durch eigene und fremde Nachrichtendienste, Daten- und Identitätsdiebstahl im Internet eine zunehmende Verunsicherung, so liegt darin auch eine Gefahr für die Demokratie . Die Befürchtung, wonach die VDS gegen Verfas- sungs- und EU-Recht verstoße, konnte nicht ausgeräumt werden . Außerdem ist bis zum heutigen Tag nicht er- kennbar, geschweige denn in irgendeiner Form empirisch belegt, dass alternative Ermittlungsmethoden signifikan- te Nachteile für die Strafverfolgung nach sich zögen . In der am 21 . September 2015 zu der Thematik im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz des Deut- schen Bundestages durchgeführten öffentlichen An- hörung mussten auch die von der Koalition benannten Sachverständigen einräumen, aussagekräftige Statistiken nicht liefern zu können . Heide Sandkuhl vom Deutschen Anwaltverein (DAV) wies zu Recht darauf hin, dass der Gesetzgeber aber genau dies vor einer Verabschiedung des Gesetzes leisten müsse und es eben nicht ausreiche, einfach zu behaupten, dass die Strafverfolgung einer VDS für alle 80 Millionen Bundesbürger bedürfe . Laut einer Studie wirke sie sich nämlich auf die Verbrechens- bekämpfung praktisch gar nicht aus, und auch seit dem Wegfall der VDS im Jahr 2010 seien keine Sicherheits- lücken nachweisbar . Sie wies außerdem darauf hin, dass der Gesetzentwurf – anders als das Bundesjustizministe- rium behaupte – Auskunftsrechte für Geheimdienste ent- hält . Staatliche Stellen dürften selbst „Früchte illegaler Datensammlung“ verwerten . Der Anwalt Meinhard Starostik kritisierte in seinem Statement ebenfalls, dass noch immer nicht zweifelsfrei erwiesen wäre, dass die VDS erforderlich sei . Er verwies außerdem auf den Begriff der Überwachungsgesamt- rechnung . Diese sei vor dem Hintergrund neuer Über- wachungsmaßnahmen wie den sieben Millionen jährlich automatisiert beauskunfteten Bestandsdaten und den Enthüllungen von Snowden neu zu bewerten . Starostik wies ferner darauf hin, dass es außerdem im privaten Be- reich noch viele andere Datensammlungen von erhebli- chem Umfang gebe, auf die der Staat prinzipiell ebenfalls zugreifen könne . Entsprechend seien die Risiken einer Profilbildung enorm gewachsen. Als problematisch erweist sich auch, dass sich die Bundesregierung im Gesetzgebungsprozess im Detail keinerlei Gedanken zur konkreten Umsetzung des Geset- zes in puncto Datensicherheit gemacht hatte und lediglich darauf verwies, dass die Bundesnetzagentur für Elektri- zität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen (Bundesnetzagentur) entsprechende Verfahren „nach dem Stand der Technik“ im Benehmen mit dem BSI und der Bundesdatenschutzbeauftragten festlegen werde . Der kürzlich von der Bundesnetzagentur vorgelegte Entwurf zum „Katalog von technischen Vorkehrungen und sons- tigen Maßnahmen“, der die Anforderungen an die im vergangenen Jahr beschlossene Vorratsdatenspeicherung nun konkretisiert und dessen Vorschriften spätestens am 1 . Juli 2017 von den Providern umgesetzt sein müssen, könnte für viele betroffene Unternehmen den finanziellen Ruin bedeuten . Denn für eine entsprechende technische Umsetzung müssten zunächst vollkommen neue Systeme entwickelt werden . Zudem haben sich Hersteller bereits dahingehend geäußert, dass sie vorerst keine entspre- chenden neuen Systeme entwickeln werden – weil noch nicht sicher ist, ob die Vorratsdatenspeicherung dieses Mal vor Gerichten Bestand hat . Die Linke hat mit ihrem Antrag „Auf Vorratsdaten- speicherung verzichten“ ihre prinzipielle Ablehnung ei- ner VDS deutlich gemacht . Sie ist ein unverhältnismä- ßiger Eingriff in die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger und grundsätzlich nicht mit der Europäischen Grundrechtecharta vereinbar . Das „Gesetz zur Einfüh- rung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten“ verstößt aus unserer Sicht in den zen- tralen Fragen der Erforderlichkeit und Verhältnismäßig- keit gegen die Grundrechte . Die Petitionen wären ein guter Anlass gewesen, das hinter der VDS stehende Sicherheitskonzept der Massen- überwachung zu überdenken, im Bundestag breit über eine bürgerrechtliche Kehrtwende in der Innenpolitik zu debattieren und das von weiten Teilen der Bevölkerung als nicht verfassungskonform eingeschätzte Gesetz vor entsprechenden Urteilen in Karlsruhe und Luxemburg zurückzunehmen . Der negative Abschluss aller Petitio- nen stellt somit eine vertane Chance dar . Anlage 7 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Jan Korte, Kerstin Kassner, Kersten Steinke und Birgit Wöllert (alle DIE LINKE) zu der Abstimmung über die Beschluss- empfehlung des Petitionsausschusses: Sammel- übersicht 350 zu Petitionen (Strafprozessordnung) (Zusatztagesordnungspunkt 3 j) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 201618136 (A) (C) (B) (D) Zwar besteht hinsichtlich der Aufforderung an die Bundesregierung, sich für eine Aufhebung der EU-Richt- linie zur Vorratsdatenspeicherung (VDS) einzusetzen, in- zwischen kein Handlungsbedarf mehr, dennoch können wir dem ablehnenden Abschluss der Petitionen nicht zustimmen, da die darin geäußerten Kritikpunkte aus unserer Sicht auch nach Aufhebung der EU-Richtlinie aufgrund des Inkrafttretens des neuen Gesetzes zur VDS in Deutschland am 18 . Dezember 2015 Bestand haben . Jede Speicherung und Verarbeitung von personenbe- zogenen und personenbeziehbaren Daten stellt einen Ein- griff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestim- mung dar . Es ist dabei unerheblich, ob die Speicherung bei staatlichen Stellen oder durch gesetzliche Verpflich- tung bei privaten Stellen stattfindet. Um das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung zu schützen, wur- den im Datenschutzrecht wesentliche Grundsätze entwi- ckelt: der Erlaubnisvorbehalt für die Erhebung, Speiche- rung und Verarbeitung von Daten; Datensparsamkeit und Datenvermeidbarkeit, Zweckbindung erhobener Daten; Erforderlichkeit für den zu erreichenden Zweck; Trans- parenz darüber, wo welche Daten gespeichert sind . Durch eine VDS werden diese Grundsätze und damit das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ver- letzt . Daten werden ohne jeden konkreten Anlass und in großen Massen gespeichert . Nur ein Bruchteil der ge- speicherten Daten wird für den Zweck der angestrebten Aufklärung schwerer und schwerster Straftaten abgeru- fen werden . Die VDS kann nicht allein aus der Perspektive des Bedarfs der Sicherheitsbehörden an Daten zur Verbre- chensaufklärung oder der Gefahrenabwehr betrachtet werden. Der Gesetzgeber steht auch in der Pflicht, die grundrechtlichen und gesellschaftspolitischen Folgen einer solchen Speicherpflicht in den Blick zu nehmen. Verspüren die Bürgerinnen und Bürger angesichts immer neuer Speicherpflichten, erweiterter Zugriffsmöglichkei- ten von Behörden auf vorhandene Daten, das massenhaf- te Ausspähen von Daten durch eigene und fremde Nach- richtendienste, Daten- und Identitätsdiebstahl im Internet eine zunehmende Verunsicherung, so liegt darin auch eine Gefahr für die Demokratie . Die Befürchtung, wonach die VDS, mit ihrer derart weitreichenden Registrierung sensibler Informationen, Datenmissbrauch und -pannen begünstige, konnte nicht ausgeräumt werden . Gleiches gilt für die prognostizier- te Gefahr, dass sich aufgrund der VDS die Bürger be- obachtet und kontrolliert fühlen und unter einer Art Generalverdacht stünden . Insbesondere jedoch die Ge- fahr, dass aufgrund des erheblichen Interesses an den gesammelten Daten die ursprünglich gesetzten Grenzen für die Verwendung der Daten zunehmend aufgeweicht werden, hat sich mittlerweile bestätigt: Bereits wenige Tage vor Inkrafttreten der VDS unternahm die CSU be- reits einen ersten Vorstoß zur Ausweitung des Gesetzes . Am 15 . Dezember 2015 beschloss die Landesregierung in Bayern ein neues Verfassungsschutzgesetz, das dem Geheimdienst ermöglicht, die bei der VDS gespeicher- ten Informationen anzuzapfen . Diese Möglichkeit hatte Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) im Gesetzge- bungsprozess stets öffentlich verneint . Außerdem ist bis zum heutigen Tag nicht erkennbar, geschweige denn in irgendeiner Form empirisch belegt, dass alternative Er- mittlungsmethoden signifikante Nachteile für die Straf- verfolgung nach sich zögen . In der am 21 . September 2015 zu der Thematik im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz des Deut- schen Bundestags durchgeführten öffentlichen Anhörung mussten auch die von der Koalition benannten Sachver- ständigen einräumen, aussagekräftige Statistiken nicht liefern zu können . Heide Sandkuhl vom Deutschen An- waltverein (DAV) wies zu Recht darauf hin, dass der Gesetzgeber aber genau dies vor einer Verabschiedung des Gesetzes leisten müsse und es eben nicht ausreiche, einfach zu behaupten, dass die Strafverfolgung einer VDS für alle 80 Millionen Bundesbürger bedürfe . Laut einer Studie wirke sie sich nämlich auf die Verbrechens- bekämpfung praktisch gar nicht aus, und auch seit dem Wegfall der VDS im Jahr 2010 seien keine Sicherheits- lücken nachweisbar . Sie wies außerdem darauf hin, dass der Gesetzentwurf – anders als das Bundesjustizministe- rium behaupte – Auskunftsrechte für Geheimdienste ent- hält . Staatliche Stellen dürften selbst „Früchte illegaler Datensammlung“ verwerten . Der Anwalt Meinhard Starostik kritisierte in seinem Statement ebenfalls, dass noch immer nicht zweifelsfrei erwiesen wäre, dass die VDS erforderlich sei . Er verwies außerdem auf den Begriff der Überwachungsgesamt- rechnung . Diese sei vor dem Hintergrund neuer Über- wachungsmaßnahmen wie den sieben Millionen jährlich automatisiert beauskunfteten Bestandsdaten und den Enthüllungen von Snowden neu zu bewerten . Starostik wies ferner darauf hin, dass es außerdem im privaten Be- reich noch viele andere Datensammlungen von erhebli- chem Umfang gebe, auf die der Staat prinzipiell ebenfalls zugreifen könne . Entsprechend seien die Risiken einer Profilbildung enorm gewachsen. Als problematisch erweist sich auch, dass sich die Bundesregierung im Gesetzgebungsprozess im Detail keinerlei Gedanken zur konkreten Umsetzung des Geset- zes in puncto Datensicherheit gemacht hatte und lediglich darauf verwies, dass die Bundesnetzagentur für Elektri- zität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen (Bundesnetzagentur) entsprechende Verfahren „nach dem Stand der Technik“ im Benehmen mit dem BSI und der Bundesdatenschutzbeauftragten festlegen werde . Der kürzlich von der Bundesagentur vorgelegte Entwurf zum „Katalog von technischen Vorkehrungen und sonstigen Maßnahmen“, der die Anforderungen an die im vergan- genen Jahr beschlossene Vorratsdatenspeicherung nun konkretisiert und dessen Vorschriften spätestens am 1 . Juli 2017 von den Providern umgesetzt sein müssen, könnte für viele betroffene Unternehmen den finanziellen Ruin bedeuten . Denn für eine entsprechende technische Umsetzung müssten zunächst vollkommen neue Systeme entwickelt werden . Zudem haben sich Hersteller bereits dahin gehend geäußert, dass sie vorerst keine entspre- chenden neuen Systeme entwickeln werden – weil noch nicht sicher ist, ob die Vorratsdatenspeicherung dieses Mal vor Gerichten Bestand hat . Die Linke hat mit ihrem Antrag „Auf Vorratsdaten- speicherung verzichten“ ihre prinzipielle Ablehnung ei- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 2016 18137 (A) (C) (B) (D) ner VDS deutlich gemacht . Sie ist ein unverhältnismä- ßiger Eingriff in die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger und grundsätzlich nicht mit der Europäischen Grundrechtecharta vereinbar . Das „Gesetz zur Einfüh- rung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten“ verstößt aus unserer Sicht in den zen- tralen Fragen der Erforderlichkeit und Verhältnismäßig- keit gegen die Grundrechte . Die Petitionen, von denen die größte von 64 704 Mit- zeichnern unterstützt wurde, wären ein guter Anlass ge- wesen, das hinter der VDS stehende Sicherheitskonzept der Massenüberwachung zu überdenken, im Bundestag breit über eine bürgerrechtliche Kehrtwende in der In- nenpolitik zu debattieren und das von weiten Teilen der Bevölkerung als nicht verfassungskonform eingeschätzte Gesetz vor entsprechenden Urteilen in Karlsruhe und Lu- xemburg zurückzunehmen . Der negative Abschluss aller Petitionen stellt somit eine vertane Chance dar . Anlage 8 Erklärungen nach § 31 GO zu der Abstimmung über den von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Regulierung des Prostitutionsgewerbes sowie zum Schutz von in der Prostitution tätigen Personen (Tagesordnungspunkt 18 a) Rudolf Henke (CDU/CSU): Der Deutsche Bundes- tag stimmt heute über das von der Bundesregierung ein- gebrachte Gesetz zur Regulierung des Prostitutionsge- werbes sowie zum Schutz von in der Prostitution tätigen Personen ab . Grundsätzlich begrüße ich diesen Schritt, da die Evaluation des im Jahre 2001 durch den Deut- schen Bundestag beschlossenen Prostitutionsgesetzes und der damit verbundene Bericht der Bundesregierung aus dem Jahr 2007 dessen Defizite deutlich gemacht ha- ben . Im Einklang mit den Koalitionsfraktionen stimme ich dem Gesetz zu . Gleichwohl sehe ich einen Aspekt des Gesetzes sehr skeptisch, da er nach meiner Auffassung im Gegensatz zu dem sonst von der Bundesregierung verfolgten Ansatz steht, Aufklärungsangebote über sexuell übertragbare In- fektionen (STI) etc . anonym und niederschwellig anzu- bieten: die verpflichtende gesundheitliche Beratung nach dem neuen § 10 . Das Gesetz besagt in diesem Paragra- fen, dass „eine gesundheitliche Beratung durch eine für den Öffentlichen Gesundheitsdienst zuständige Behörde angeboten“ werden soll, lässt den Bundesländern jedoch das Recht offen, auch eine andere Behörde für die Durch- führung dieser Beratung zu bestimmen . In der Strategie der Bundesregierung zur Eindäm- mung von HIV, Hepatitis B und C und anderen sexuell übertragbaren Krankheiten, die das Vorgehen in diesem Bereich bis zum Jahre 2030 skizziert und auch Bezug auf die gängige Praxis nimmt, ist festgehalten, dass „spezi- fische niedrigschwellige und anonyme Beratungs- und Testangebote insbesondere durch den Öffentlichen Ge- sundheitsdienst und freie Träger angeboten werden“ . Auch das Infektionsschutzgesetz definiert in § 19 die Aufgaben des Gesundheitsamtes folgendermaßen: „Das Gesundheitsamt bietet bezüglich sexuell übertragbarer Krankheiten und Tuberkulose Beratung und Untersu- chung an … Die Angebote können bezüglich sexuell übertragbarer Krankheiten anonym in Anspruch genom- men werden, soweit hierdurch die Geltendmachung von Kostenerstattungsansprüchen … nicht gefährdet wird .“ Es ist nicht zu erwarten, dass die verpflichtende ge- sundheitliche Beratung, die das Gesetz nun für Prostitu- ierte verbindlich vorsieht, von einer anderen Institution als dem Öffentlichen Gesundheitsdienst durchgeführt wird . Falls sich diese Annahme bestätigt, wäre ein und dieselbe Institution gleichzeitig sowohl für ein nieder- schwelliges und anonymes Angebot zuständig als auch für eine verpflichtende Beratung mit Erfassung perso- nenbezogener Daten . Im Falle des Verstoßes gegen die Beratungspflicht können Bußgelder verhängt werden. Nach vielen Gesprächen mit Vertretern der unter- schiedlichsten Gesundheitsämter und Personen, die in der Aufklärungsarbeit tätig sind, komme ich zu der Ein- schätzung, dass diese Regelung das bestehende anonym wahrnehmbare Hilfsangebot des Öffentlichen Gesund- heitsdienstes in Frage stellt . Deshalb plädiere ich dafür, die jetzt beschlossene Regelung und den Zusammenhang zur anonymen Beratung durch den Öffentlichen Gesund- heitsdienst frühzeitig zu evaluieren und falls notwendig Änderungen vorzunehmen, um die erfolgreichen Initia- tiven des Öffentlichen Gesundheitsdienstes nicht zu ge- fährden . Im Übrigen müssen die Länder eine ausreichende per- sonelle Ausstattung der mit der Pflichtberatung beauf- tragten Behörden sicherstellen . Mechthild Rawert (SPD): Ich stimme dem obigen Gesetzentwurf aus unten aufgeführten Gründen nicht zu . Die SPD-Bundestagsfraktion will den Schutz der in der legalen Prostitution arbeitenden Frauen, Männer, Transmenschen in Deutschland verbessern . Dabei ist die Einschätzung über ihre Lage schwierig, da statistische Daten über eine Anzahl ebenso fehlen wie Erhebungen über die Art ihrer Beschäftigung (unter anderem in einem Prostitutionsbetrieb, mit welcher Rechtstellung innerhalb des Betriebs, auf der Straße etc .; nebenbei, gelegentlich oder für einen kurzen Lebensabschnitt tätig etc .) . Fach- beratungsstellen schätzen, dass insgesamt mehr als die Hälfte aller Sexarbeitenden ausländischer Herkunft, zu- meist aus Osteuropa, sind . Diese Ausgangslage erschwert ein Gesetz zum Schutz der in der Prostitution Tätigen, welches ihren unterschiedlichen – auch aufenthaltsrecht- lichen – Lebenslagen gerecht wird . Lange wurde in der Koalition um die Ausgestaltung des Gesetzes gestritten . Unbestritten war relativ schnell, die Mindeststandards für die Arbeitsbedingungen in den Prostitutionsbetrieben festzulegen und eine Erlaubnis- pflicht zum Betreiben von Prostitutionsstätten zu formu- lieren sowie Kontrollrechte mit Sanktionsmöglichkeiten zu schaffen . Dies stärkt das Selbstbestimmungsrecht der Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 201618138 (A) (C) (B) (D) Sexarbeitenden und beendet menschenunwürdige Ge- schäftsmodelle . Aus der CDU/CSU-Fraktion kamen aber auch For- derungen wie Erhöhung des Mindestalters oberhalb der Volljährigkeitsgrenze und verpflichtende gesundheitliche Untersuchungen . Ich begrüße, dass sich diese Forderun- gen nicht durchgesetzt haben . Gesundheitspolitische Erwägungen: Gesundheitspolitische Maßnahmen und gesetzliche Regelungen müssen sowohl praxistauglich sein als auch in den gesundheitspolitischen Kanon passen . Gerade in der Gesundheitspolitik gilt es, die Selbstbestimmung des Menschen zu achten und zu stärken . Deshalb hat der Deutsche Bundestag 2001 beim Übergang vom Seu- chenschutzgesetz zum Infektionsschutzgesetz auch einen Paradigmenwechsel vollzogen: Der Öffentliche Gesund- heitsdienst (ÖGD) wurde „beauftragt“ die Bevölkerung in die Lage zu versetzen, selbst- und eigenverantwortlich mit der eigenen Gesundheit umzugehen . Der ÖGD hat nun die Aufgabe zu informieren und zu beraten . Im sen- siblen Themenfeld sexuell übertragbarer Krankheiten ist mit § 19 Infektionsschutzgesetz ausdrücklich die anony- me Beratung zugelassen . Im vorliegenden Gesetzentwurf ist im § 10 „Gesund- heitliche Beratung“ festgeschrieben, dass Personen, die als Sexarbeitende tätig sind oder eine solche Tätigkeit aufnehmen wollen, eine gesundheitliche Beratung durch eine für den ÖGD zuständige Behörde angeboten wird . Gesundheitliche Beratungsangebote für Menschen in der Prostitution sind grundsätzlich begrüßenswert . Aus meinem Wahlkreis Berlin-Tempelhof-Schöne- berg, in dem ein europaweit bekannter Straßenstrich seit mehr als hundert Jahren besteht, weiß ich, dass dort täti- ge Sexarbeitende sehr gern die freiwilligen und teilweise auch anonymen gesundheitlichen Beratungen und Hilfen annehmen – das Angebot deckt nicht die Nachfrage, so- dass sogar Wartezeiten entstehen . Es wäre wünschens- wert, diese freiwilligen Angebote durch das Gesetz aus- zubauen . Stattdessen ist das bereitzustellende Beratungsange- bot des ÖGD für die Sexarbeitenden verpflichtend. Zur Ausübung der Tätigkeit Prostitution muss künftig eine Registrierung erfolgen . Diese Anmeldung kann nur mit- tels Nachweis einer Bescheinigung über eine gesundheit- liche Beratung erfolgen . Die gesundheitliche Beratung ist somit eine „Zwangsberatung“ . Ich stimme mit den Fachberatungsstellen und Verbänden wie zum Beispiel der Deutschen Aidshilfe überein, dass eine Zwangsbera- tung kontraproduktiv ist . Gesundheitliche Beratungen sind nur „erfolgreich“, wenn die zu Beratenden offen für eine Beratung sind . Als Sozialpädagogin und Diplom-Pädagogin kenne ich die Grundsätze erfolgreicher Beratung: Der Beratungsbedarf hat von der zu beratenden Person auszugehen . Mit den erzwungenen Beratungen für die Anmeldung und die Beratungswiederholungen nach zwölf Monaten bzw . sechs Monaten für die unter 21-Jährigen, die wei- terhin in der Prostitution arbeiten wollen, werden Res- sourcen von Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern und Ärztinnen und Ärzten des Öffentlichen Gesundheits- dienstes gebunden – geschweige denn, dass sie alleine für die „Zwangsberatung“ in ausreichendem Umfang zur Verfügung stehen . Das Fachpersonal steht für den „ech- ten“ Beratungsbedarf dann nicht mehr zur Verfügung . Es ist zu befürchten, dass das jahrelang durch den ÖGD auf- gebaute Vertrauen verloren geht und Sexarbeitende mit gesundheitlichen Problemen oder Beratungsbedarf nicht mehr zum ÖGD gehen . Laut Erläuterungen zum § 10 des Gesetzentwurfes sollen Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter und Ärz- tinnen und Ärzte neben der gesundheitlichen Beratung dazu beitragen, Menschenhandel und Zwangsprostituti- on einzudämmen . Sie sollen eine vertrauensvolle Atmo- sphäre schaffen, die es den Sexarbeitenden ermöglicht, sich zu öffnen, wenn sie Opfer von Menschenhandel oder Zwangsprostitution sind . Doch Menschenhandelsopfer und Zwangsprostituierte werden von den Zuhältern und Menschenhändlern unter Druck gesetzt, damit sie sich nicht als Opfer zu erkennen geben . Zudem werden Fol- gen des Erkennens einer Zwangslage von Sexarbeitenden für die Bediensteten des ÖGD nicht definiert. Sie können lediglich den Beratungsschein verweigern . Dadurch wird eine Anmeldung unmöglich . Was geschieht dann aber den Opfern von Zwangsprostitution und Menschenhan- del? Wie sollen sie erreichbar bleiben für Hilfseinrich- tungen bzw . Polizei und Staatsanwaltschaft? Die Zuhäl- terinnen und Zuhälter und Menschenhändlerinnen und Menschenhändler werden nicht zusehen, bis der ÖGD eine Lösung gefunden hat . Aus der fachlichen Sicht der Großstadtgesundheitsämter und des Bundesverbandes der Ärztinnen und Ärzte im öffentlichen Gesundheits- dienst (BVÖGD) – vergleiche ihre Stellungnahme zum Referentenentwurf – entspricht eine Anmelde- und Be- ratungspflicht nicht der Zielsetzung des Schutzes von in der Prostitution tätigen Personen . Sie stellen in ihrer Stel- lungnahme als Fazit fest: „Die vorgesehene Anmelde- und Beratungspflicht für Sexarbeitende stellt einen erheblichen Eingriff in Persön- lichkeitsrechte dar . Sie ist in hohem Maße stigmatisie- rend und ungeeignet, mögliche Opfer von Menschenhan- del und Gewalt zu identifizieren und zu schützen. Eine Mitwirkung von Gesundheitsämtern bei der Umsetzung des Entwurfs stimmt nicht mit den gelten- den Rechtsnormen überein, da sie im Widerspruch zum bewährten IfSG steht . Sie gefährdet zudem die Erfolge der auf Vertrauen beruhenden Präventionsarbeit der Ge- sundheitsämter .“ Finanzierung: Die Kosten zur Umsetzung des vorliegenden Gesetz- entwurfes werden bis auf einen kleinen Bruchteil von 33 000 Euro für die Evaluation des Gesetzes den Bun- desländern auferlegt . Die Bundesregierung schätzt die Kosten für den einmaligen Umstellungsaufwand für die Verwaltung auf etwa 11 Millionen Euro und den jähr- lichen Aufwand auf etwa 13 Millionen Euro – davon sollen allein einmalig 6 Millionen und jährlich 7 Mil- lionen Euro auf den ÖGD entfallen . Die realen Kosten sind lediglich geschätzt, da es keine belastbaren Zahlen/ Statistiken über die Anzahl der Sexarbeitenden gibt . Die Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 2016 18139 (A) (C) (B) (D) Bundesregierung hat aus den unterschiedlichen vorlie- genden Schätzungen, die von 150 000 bis 700 000 Sexar- beitenden reichen, die Schätzung des Runden Tisches Prostitution NRW genommen und hochgerechnet, so- dass zur Berechnungsgrundlage 200 000 Sexarbeitende und eine jährliche Fluktuation von 50 000 zustande kam . Daher kommt der Bundesrat – zu Recht – zu folgender Einschätzung . Dieser stellte fest, „dass die Kosten, die mit dem Gesetzentwurf für die Haushalte der Länder und Kommunen verbunden sein werden, im Gesetzentwurf nur unzureichend spezifiziert und ausgewiesen sind. In der Berechnung des Erfüllungsaufwandes der Verwal- tung sind beispielsweise die Mehrkosten für Wider- spruchsverfahren oder für Übersetzungen und Sprach- mittlung nicht enthalten . Soweit in der Berechnung zu einzelnen Vorgaben des Gesetzentwurfs Kostenangaben zum einmaligen Umstellungsaufwand und zum dauer- haften jährlichen Aufwand gemacht werden, ist teilweise nicht erkennbar, auf welchen Berechnungsparametern (zum Beispiel Aufwand je Fall) diese beruhen . Daher ist die Berechnung nicht nachvollziehbar und prüfbar .“ Nachfragen in Berlin haben ergeben: Die Zahl der notwendigen Zwangsberatungen wird bundesweit auf 450 000 geschätzt, was einem zusätzlichen Personalauf- wand von „mehreren Dutzend“ entspräche . Hinzu kom- men begleitende Kosten wie Dolmetscherinnen und Dol- metscher mit medizinischer Fachkenntnis . Diese kosten 45 Euro die Stunde . Der Finanzierungsaufwand für die Länder wird also sehr viel höher liegen als im Gesetzent- wurf angegeben . Die Länder haben für ihre Haushalte keine valide Da- tenlage . In meinem Bundesland Berlin ist zudem der Be- schluss von Doppelhaushalten üblich . Der Haushalt für 2016/2017 wurde pünktlich beschlossen . Das Prostituti- onsschutzgesetz soll zum 1 . Juli 2017 in Kraft treten . Das Land Berlin hat keine Chance – nach einer eigenen va- liden Berechnung und damit auch Personalgestaltung –, die entstehenden Kosten im Haushalt einzuplanen . Datenschutz: Prostitution in Deutschland ist nach wie vor mit ei- nem Stigma belegt . Die Ministerialbeamtin Claudia Zimmermann-Schwartz aus dem Ministerium für Ge- sundheit, Emanzipation, Pflege und Alter des Landes Nordrhein-Westfalen geht zu Recht davon aus: „Die gesetzliche Vorgabe, sowohl die Anmeldebescheinigung als auch die Bescheinigung über die erfolgte Gesund- heitsberatung mit sich zu führen, erhöht die Gefahr eines unfreiwilligen Outings sowie die Erpressbarkeit durch Kunden, die sich die Bescheinigungen vorlegen lassen können und damit persönliche Daten in Erfahrung brin- gen .“ Die Regelung stellt damit ein datenschutzrechtli- ches Problem dar . Anlage 9 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Wolfgang Gehrcke und Heike Hänsel (beide DIE LINKE) zu den Abstimmungen – über den von der Bundesregierung eingebrach- ten Entwurf eines Gesetzes zur Regulierung des Prostitutionsgewerbes sowie zum Schutz von in der Prostitution tätigen Personen, – über die Beschlussempfehlung des Ausschus- ses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zu dem Antrag der Abgeordneten Cornelia Möhring, Ulla Jelpke, Sigrid Hupach, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Selbstbestimmungsrechte von Sexarbeiterinnen und Sexarbeitern stärken und – zu dem Antrag der Abgeordneten Ulle Schauws, Katja Dörner, Dr. Franziska Brantner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Gesetz zur Regulierung von Prostitutionsstätten vorlegen (Tagesordnungspunkt 18 a und b) Wir haben zu allen Gesetzentwürfen, Anträgen und Entschließungen betreffend Prostitution mit Nein ge- stimmt, auch zu dem von unserer eigenen Fraktion vor- gelegten Dokument . Wir sind für eine freie, lustvolle Sexualität . Gekaufter Sex hat damit nichts zu tun . Er unterwirft vielmehr den Körper der sich Prostituierenden der willfährigen Verfü- gung durch den Käufer . Prostitution ist das Gegenteil von sexueller Selbst- bestimmung . Prostitution ist organisierte Gewalt gegen Frauen und auch Männer . Die erdrückende Mehrheit der Prostituierten wird regelmäßig sexuell und psychisch missbraucht, sie wird von Freiern und Zuhältern verge- waltigt, körperlich angegriffen, geschlagen, sie lebt unter ständiger Androhung von Gewalt . Prostitution und Menschenhandel gehen Hand in Hand . In der Europäischen Union sind über 60 Prozent des Menschenhandels auf sexuelle Ausbeutung gerich- tet – und hier werden Milliarden Euro verdient: vom or- ganisierten Verbrechen, nicht von den Prostituierten . Die kommen vielmehr aus und bleiben letztlich in Armut . Prostitution in Deutschland ist ein rassistisches Aus- beutungsverhältnis . Etwa zwei Drittel der sich Prostituie- renden hierzulande kommen aus Osteuropa, namentlich aus Bulgarien und Rumänien . Auch unter den legalen Bedingungen wird Prostituti- on ständig und fortschreitend entwertet in einem Preis- und Leistungswettbewerb nach unten . Prostitution wird zum Akkord und Akkord ist bekanntlich Mord . Prostitution ist ein zutiefst hierarchisches Verhältnis, in dem nicht die Arbeitskraft der sich Prostituierenden benutzt – und verbraucht – wird, sondern ihr Körper und ihre Seele als Ganzes . Prostitution als solche wider- spricht allen Kriterien, die an „normale Arbeit“ angelegt werden, wie: der körperlichen Unversehrtheit, Würde, Selbstbestimmung . Der Gesetzentwurf der Koalition bedeutet eine wei- tere Stigmatisierung und Entrechtung der Prostituierten . Das ist der falsche Weg . Wir brauchen keine schärferen Gesetze, sondern eine breite Diskussion in der Gesell- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 201618140 (A) (C) (B) (D) schaft, wie wir uns einem Leben ohne Prostitution annä- hern können . Anlage 10 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Martin Burkert (SPD) zu der Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Stär- kung des Wettbewerbs im Eisenbahnbereich (Ta- gesordnungspunkt 22) Ich stimme gegen den Gesetzentwurf der Bundesregie- rung in der Ausschussfassung – Drucksachen 18/9099, 18/8334 . Aus § 37 (2) in Verbindung mit den Sätzen 4 und 5 von § 36 (2) des vorliegenden Gesetzentwurfs resultie- ren meiner Einschätzung nach untragbare Mehrbelas- tungen für den Schienenpersonenfernverkehr (SPFV) in Deutschland . Demnach sollen Kostensteigerungen bei der Eisenbahninfrastruktur für den Schienenpersonen- nahverkehr, welche die Rate von jährlich 1,8 Prozent übersteigen, dem SPFV zusätzlich zu den von ihm selbst zu tragenden Kosten und Kostensteigerungen aufgebür- det werden . Die Arbeitnehmer/innen des Sektors müssen deshalb fürchten, hiervon in der Konsequenz negativ be- troffen zu sein . In der gegenwärtig und noch bis Ende 2019 gültigen Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung (LuFV II) zwischen dem Bund und der DB AG wurden jährliche Steigerungsraten der Trassenpreise von 2,4 Prozent zu- grunde gelegt . Wenn diese Einnahmen nicht erreicht werden, bleibt nur die Möglichkeit, Unterhalt und Erneu- erung der Eisenbahninfrastruktur erneut zu vernachläs- sigen oder die zwischen Bund und DB AG vereinbarten Dividendenzahlungen durch Verschuldung zu finanzie- ren . Damit würde das Gesetz zulasten Dritter gehen – in diesem Fall der DB AG . Die im vorliegenden Gesetzentwurf verankerte Be- grenzung der Trassen- und Stationspreise des Schienen- personennahverkehrs kann auf eine Mehrbelastung des Fernverkehrs in Höhe von rund 25 Millionen Euro im Fahrplanjahr 2018 hinauslaufen . 2019 wären es bereits rund 50 Millionen Euro . Bis zum Jahr 2030 entstünde kumuliert eine Zusatzbelastung von bis zu 2,3 Milliarden Euro . Die zugehörige Befristung der Regelung auf drei Jahre bedeutet keine Entschärfung des Problems . Wie der 19 . Deutsche Bundestag damit umgehen wird, bleibt völlig offen . Für die im SPFV notwendigen Investitionen bedarf es aber langfristig sicherer Rahmenbedingungen, welche für die nächsten Jahre nicht gegeben wären . Es ist mir wichtig, zu erklären, dass im vorliegenden Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs im Eisenbahnbereich an vielen Stellen sinnvolle Rege- lungen erreicht werden konnten, die grundsätzlich zu be- grüßen sind . Das beschriebene Risiko für den Schienen- sektor, welches aus den gesetzlichen Regelungen in § 36 und § 37 resultiert, ist meiner Meinung nach allerdings nicht hinnehmbar . Anlage 11 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung des von der Bundesregierung einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs im Eisenbahnbereich (Tagesord- nungspunkt 22) Ulrich Lange (CDU/CSU): Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf hat es sich lange verhalten wie mit der Bahn selbst: Man wusste nicht, ob es pünktlich ankom- men wird . Aber wir haben gründlich und zuverlässig ge- liefert . Mit diesem Gesetzentwurf verbessern wir Wettbewerb und Effizienz. Wir stärken damit den Verkehrsträger Schiene . Das ist nicht nur für uns in Deutschland wichtig, sondern für ganz Europa, denn wir alle wissen, dass der Schienenverkehr inzwischen ein wichtiges europäisches Transportmittel ist . Für einen funktionierenden und fairen Wettbewerb sind wir daher umso mehr auf klare und transparente Regelungen angewiesen . Hierfür wird das Eisenbahn- regulierungsgesetz – das im Zentrum des vorliegenden Entwurfs steht – den richtigen Rahmen bilden . Es war wahrlich kein einfaches Gesetzesvorhaben . Der Bundesrat hatte weit über 50 Änderungswünsche . Viele davon wurden aufgegriffen, es wurden zahlreiche Gespräche geführt, hitzige Diskussionen ausgetragen und dann in den allermeisten Fällen auch Lösungen ge- funden . Der umfangreiche Änderungsantrag der Koaliti- onsfraktionen sorgt hier noch einmal für weitere Verbes- serungen . Lassen Sie mich vorab aber eines zu der schrägen medialen Debatte sagen, die gerade in den letzten Tagen hochkochte und sich um die theoretische Gefahr dreh- te, der Fernverkehr könne durch steigende Trassenpreise ausgedünnt werden . Ich möchte da nur an eines erinnern, das in der Diskussion zu kurz kommt: Noch nie gab es so viel Geld für die Schiene . Mit der LuFV II stehen für die Jahre 2015 bis 2019 insgesamt mindestens 28 Milliarden Euro für die Schieneninfrastruktur zur Verfügung . Das ist Rekord . Die Investitionen aus dem Verkehrshaushalt steigen bis 2018 auf 5,6 Milliarden Euro an und liegen damit um 1 Milliarde Euro höher als 2015 . Die Regiona- lisierungsmittel werden auf 8,2 Milliarden Euro erhöht . Die Bundesmittel, die für die Bahn bereitgestellt werden, die Gelder, die in die Schieneninfrastruktur fließen, sind in allen Bereichen gestiegen. Davon profitiert natürlich auch der Fernverkehr . Damit stehen die Bahn und auch der Fernverkehr so gut da wie lange nicht . Darüber soll- ten sich doch alle, die hier lautstark protestieren, einmal Gedanken machen! Aber kommen wir doch einmal auf den Inhalt des Ge- setzes zur Eisenbahnregulierung . Da geht es nämlich um viel mehr . Da geht es um: diskriminierungsfreien Zugang zur Ei- senbahninfrastruktur, Regulierung der Nutzungsentgelte, die Stärkung der Bundesnetzagentur . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 2016 18141 (A) (C) (B) (D) Dabei setzen wir EU-Recht um, das vorsieht, dem Be- treiber der Schienenwege, Anreize zur Senkung der ln- frastrukturkosten und der Trassenentgelte zu geben . Es wird daher künftig eine Entgeltgenehmigung für die Trassenentgelte durch die Bundesnetzagentur (BNetzA) geben . Das heißt, die BNetzA wird die Trassenpreise ge- nehmigen, bevor sie erhoben werden . Zudem können Anreize auch über vertragliche Verein- barungen zur lnfrastrukturfinanzierung geschaffen wer- den . Ich nenne nur das Stichwort „LuFV“ . Besonders freue ich mich, dass jetzt durch unser Ge- setz die Rechte der Bundesnetzagentur erheblich gestärkt werden, unter anderem durch die eben angesprochene Genehmigung der Nutzungsentgelte, aber auch durch die Einrichtung von Beschlusskammern . Hier wird die Regulierung der Eisenbahnen endlich an die Regulierung in den Bereichen Telekommunikation, Post und Energie angeglichen . Das war überfällig . Auch durch die Übertragung der Überwachung der Vorschriften über Struktur der Unternehmen und Unab- hängigkeit der Infrastruktur vom Eisenbahn-Bundesamt auf die Bundesnetzagentur wird diese deutlich gestärkt . Kernthema für die Länder war natürlich der§ 37, das heißt die Sonderregelung für SPNV-Entgelte, der eben auch für die anfangs erwähnte Diskussion in den Medien gesorgt hat . Die Sorge der Länder war, dass die Trassen- preise über die Dynamisierungsrate bei den Regionalisie- rungsmitteln hinaus steigen könnten . Das haben wir aufgegriffen und diese Sorge durch eine Kopplung von Entgeltsteigerung an Regionalisie- rungsmittelsteigerung entkräftet . Ein nachträglich aufge- nommener Evaluationsmechanismus gibt dem Bundes- tag zudem jetzt die Möglichkeit, bei Fehlentwicklungen, gegenzusteuern . Damit wird noch deutlicher, dass keine Gefahr einer Ausdünnung des Fernverkehrs aus diesem Grunde besteht . Das Konzept der Bahn jedenfalls sieht vielmehr eine Ausweitung des Fernverkehrs vor . Steigender Bahnver- kehr führt zudem zu steigenden Trasseneinnahmen . Und die Bahn konnte zuletzt einen Zuwachs im Fernverkehr von rund 10 Prozent verzeichnen . Für 2016 rechnet die Bahn mit 132 Millionen Reisenden im Fernverkehr . Daher freue ich mich, dass wir auch beim § 37 letzt- lich zu einer für alle Seiten zufriedenstellenden Lösung gekommen sind . Die Beteiligten wissen selbst am besten, dass das in der Tat nicht so einfach war . Insgesamt haben wir ein gutes und schlüssiges Gesetz vorliegen . Es ist wichtig, dass wir mit der Eisenbahnre- gulierung heute zu einer Gesamtlösung kommen . Nicht nur, weil Brüssel das von uns zu Recht erwartet, um unser integriertes Modell weiter betreiben zu können, sondern auch, weil wir diese Regulierung brauchen, um Wettbewerb und Effizienz auf der Schiene zu verbessern. Ich danke den Verkehrspolitikern der Koalition für die gute und sachliche Zusammenarbeit bei diesem umfang- reichen Projekt . Ich bin der Meinung, es hat sich gelohnt . Der Verkehrsträger Schiene wird weiter gestärkt . Das ist für die Mobilität in Deutschland und Europa das richtige Signal . Anlage 12 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr und digitale In- frastruktur zu dem Antrag der Abgeordneten Sabine Leidig, Herbert Behrens, Caren Lay, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Ausstieg aus Stuttgart 21 – Die Deut- sche Bahn AG vor einem finanziellen Desaster bewahren – der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr und digitale In- frastruktur zu dem Antrag der Abgeordneten Sabine Leidig, Herbert Behrens, Caren Lay, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Änderung der Eisenbahnbau- und Be- triebsordnung zur Erhöhung der Sicherheit im Eisenbahnverkehr – des Antrags der Abgeordneten Matthias Gastel, Cem Özdemir, Stephan Kühn (Dresden), wei- terer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Kostenentwicklung beim Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 kritisch prüfen (Tagesordnungspunkt 17 a bis c) Steffen Bilger (CDU/CSU): Es ist nun vier Monate her, seitdem wir uns das letzte Mal im Plenum mit dem Antrag der Fraktion Die Linke zu Stuttgart 21 befasst haben . Vier Monate, in denen die Baustelle große Fort- schritte gemacht hat . Aber offensichtlich nicht genug Zeit für die Gegner des Projekts, um neben Gerüchten neue Fakten zu präsentieren . Nun liegt uns auch noch ein Antrag von Bündnis 90/ Die Grünen vor . Meine Damen und Herren von den Grü- nen, Sie sollten sich endlich klar werden, was Sie wollen . Hinter uns liegen konstruktive Koalitionsverhandlungen in Baden-Württemberg, bei denen wir viele Stunden um den Umgang mit Stuttgart 21 gerungen haben . Mit Ver- laub: Ihr Antrag passt nicht zu unserer Vereinbarung, in der wir uns gemeinsam zur Unterstützung der planmäßi- gen und zügigen Umsetzung des Projekts verpflichten. Sie beschreiben Probleme, als würden Sie sich über je- des einzelne davon freuen . Zudem konnten Sie sich im Ausschuss noch nicht einmal zur Ablehnung des Lin- ken-Antrags, der den Ausstieg aus Stuttgart 21 fordert, durchringen . Dabei hat der baden-württembergische Verkehrsminister erst kürzlich einen Ausstieg aus dem Projekt kategorisch abgelehnt mit den Worten „seitdem (also seit dem Volksentscheid von 2011) ist das für jeden in der Regierung Pflicht, das Projekt zu begleiten und zu befördern“ . So sehen wir das auch, und ich würde mich Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 201618142 (A) (C) (B) (D) freuen, wenn Sie im Bundestag ebenfalls dementspre- chend handeln würden . So langsam frage ich mich ja auch, warum wir eigent- lich die Anhörungen im Verkehrsausschuss durchführen, wenn dort, zumindest von der Opposition, anscheinend keiner zuhört . Es ist doch jetzt gerade einmal zwei Wo- chen her, dass Dr . Grube und seine Vorstandskollegen im Ausschuss sehr ausgiebig Auskunft zum Stand und zur weiteren Entwicklung von Stuttgart 21 gegeben haben, einschließlich zu den Kosten des Projekts . Halten wir uns doch mal an die Fakten . Ja, es gibt mögliche Kostensteigerungen bei dem Projekt, das hat die Bahn auch zugestanden . Aber erstens gibt es genau für diese Fälle den Risikopuffer von über 500 Millionen Euro, zweitens – wenn man sich die Gründe für die be- kannten Kostensteigerungen ansieht, dann sind lediglich die Hälfte dieser Mehrkosten baubedingt – Mittel für ei- nen verbesserten Brandschutz und die nötigen baulichen Änderungen durch die Besonderheiten des Untergrunds . Es ist richtig, dass die Bahn diese Änderungen jetzt vornimmt, denn ich möchte später niemandem erklären müssen, dass wir beim Brandschutz nicht die neuesten Erkenntnisse berücksichtigt haben, nur um ein paar Mil- lionen zu sparen . Die andere Hälfte entstammt in Teilen aus Mehrkos- ten für den Artenschutz . Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass Sie, liebe Oppositionsvertreter, et- was gegen diese Ausgaben haben können . Auch ich bin Verfechter eines weitreichenden Na- turschutzes . Aber wenn ich mir die Situation bei Stutt- gart 21 anschaue, dann stellt sich mir schon die Frage, ob das alles noch verhältnismäßig ist: 10 000 Eidechsen, die allesamt umgesiedelt und anschließend 30 Jahre lang beaufsichtigt werden müssen . Kostenpunkt: 8 600 Euro pro Eidechse . Ganz zu schweigen von den Kosten für den Schutz von Bäumen und Juchtenkäfern, um deren Wohl- ergehen sich an anderer Stelle in Stuttgart keiner so viele Gedanken macht . Natürlich geht es beim Risiko weiterer Mehrkosten nicht nur um Brandschutz und Eidechsen, sondern auch um ganz andere Themen . Das nehmen wir sehr ernst, und deshalb finde ich es auch gut, dass erst vor weni- gen Tagen im Lenkungskreis ja Maßnahmen besprochen wurden, wie die Kostenrisiken reduziert werden können . Wir alle sollten die Projektpartner dabei bestmöglich un- terstützen und unseren Beitrag leisten, dass das Projekt zügig weiter vorangeht . Der Antrag der Fraktion Die Linke stützt sich auf zwei Gutachten von „unabhängigen Experten“, die Ausbau- kosten von mindestens 10 Milliarden bis hin zu 15,5 Mil- liarden Euro prognostiziert haben . Nun gibt es Gerüchte um einen Bericht des Bundesrechnungshofs, der angeb- lich auch von weiteren Kostensteigerungen ausgeht . Ist Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, eigentlich auch etwas aufgefallen? Es gibt Gesetzmäßigkeiten bei Stuttgart-21-Debatten im Bundestag . Eine ist, dass jedes Mal am Tag vor unserer Debatte hier im Hohen Hause in irgendeiner Zeitung, zumeist in der Stuttgarter Zeitung, ein Bericht mit neuen Horrormeldungen zu Stuttgart 21 erscheint. Ich finde diese Art der Pressearbeit so langsam ermüdend . Keine Frage: Jeder Euro Kostensteigerung ist äußerst ärgerlich . Dabei sollten aber auch die anderen Aspekte rund um Stuttgart 21 nicht zu kurz kommen . Ich möchte Ihnen daher noch ein paar andere Zahlen präsentieren: 7,7 Prozent! Um so viel legten die Mieten in Stuttgart 2015, 2016 zu . Ein neuer Rekordwert, was aber nur insoweit bedeutsam ist, als dass jährliche Miet- preissteigerungen von 7 Prozent in Stuttgart normal ge- worden sind . 13,84 Euro pro Quadratmeter! Das ist die durchschnitt- liche Kaltmiete, die für Wohnen in Stuttgart zu entrichten ist . Das stellt viele Familien, gerade mit geringeren Ein- kommen, vor ganz erhebliche Probleme, Probleme, die mit Stuttgart 21 zumindest abgemildert werden . 109 Hektar, das ist der Raum, der durch Stuttgart 21 frei wird. 11 000 Menschen können dort Wohnraum fin- den, mitten in der Innenstadt . Eine dringend benötigte Entlastung der angespannten Wohnraumsituation . Und es ist ja nicht nur der Wohnraum, der entsteht . 20 Prozent dieser Fläche sind für Grünflächen reserviert, ein riesiger Gewinn an Lebensqualität . 24 000 Arbeitsplätze werden auf dem Areal entstehen . Und das beinhaltet nicht einmal die Arbeitsplätze, die durch das Bauvorhaben geschaffen und gesichert wurden und werden. Ich finde es schon ei- nigermaßen seltsam, dass ausgerechnet eine Partei, die sich soziale Gerechtigkeit auf die Fahnen geschrieben hat, gegen ein solches Projekt ist . Ich möchte abschließend auch noch mal zurückkom- men auf die Volksabstimmung über Stuttgart 21 . Die Grünen möchte ich daran erinnern, was wir im Koali- tionsvertrag in Baden-Württemberg festgehalten haben: „Das Ergebnis der Volksabstimmung aus dem Jahr 2011 ist für uns bindend .“ Auch angesichts dieser Formulie- rung fand ich es sehr irritierend, dass ausgerechnet Sie am Mittwoch davon sprachen, 2013 hätte der Ausstieg aus Stuttgart 21 erfolgen müssen . Bitte klären Sie endlich Ihre Position zu dem Projekt . 58,8 Prozent sind jedenfalls nach wie vor ein eindeutiges Votum für Stuttgart 21 . Die Wähler haben anscheinend sehr viel besser verstanden, was ein Hochtechnologieland wie Deutschland braucht . Und dabei sollten wir es auch belassen . Alexander Funk (CDU/CSU): Der Antrag der Frak- tion Die Linke ist absurd, unseriös und unverschämt . Da- her werden wir ihn ablehnen . Eigentlich ist damit alles Wesentliche gesagt . Ich werde dennoch ein paar wenige Ausführungen dazu machen: Warum ist der Antrag absurd? Sie fordern die Bundesregierung auf, sie solle das Gutachten des Rechnungshofes dem Bundestag zugäng- lich machen . Ich darf Sie daran erinnern, dass der Rechnungshof aufgrund von Artikel 114 GG als eine unabhängige, selbstständige und weisungsfreie externe Finanzkontrol- le des Bundes errichtet wurde . Er ist nicht der Bundesre- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 2016 18143 (A) (C) (B) (D) gierung unterstellt und entscheidet selbst, welche Prüfer- gebnisse er veröffentlicht . Nach meinem Kenntnisstand ist die Prüfung des Rechnungshofes noch nicht abgeschlossen, und daher ist uns das Gutachten noch nicht zugestellt worden . Nun die Bundesregierung aufzufordern, dieses nicht fertige Gut- achten zu veröffentlichen, ist absurd . Warum ist ihr Antrag unseriös? Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bahn, Herr Dr . Grube, hat dem Verkehrsausschuss zwei Stunden lang Rede und Antwort gestanden . Er informierte, dass die Bahn weiterhin das Ziel verfolge, den Bahnhof für unter 6 Milliarden Euro zu bauen . Allerdings wies er auf neue, von außen verursachte Kostenrisiken hin . Dies könne dazu führen, dass sich die Fertigstellung um zwei Jahre verzögert und mögliche Mehrkosten in Höhe von 600 Millionen Euro entstehen könnten . Deutlich längere Planungsverfahren, ein ver- besserter Lärmschutz und zusätzlicher Aufwand für Ar- tenschutz sind hier die Hauptgründe . Der Konzern werde aber gegensteuern und versuchen, dieses „Worst- Case- Szenario“ abzuwenden . Aber selbst wenn alle Kostenrisiken eintreten würden, würde der Bahnhof unterhalb des bewilligten Finanzie- rungsrahmens in Höhe von 6,526 Milliarden Euro fer- tiggestellt . Wenn Sie von der Linkspartei dann hier im Deutschen Bundestag einen Antrag stellen und Kosten in Höhe von 9,8 Milliarden Euro unterstellen, ist das schlicht unseri- ös . Ja, ich sage sogar: unverschämt . Denn letztlich unter- stellen Sie damit Herrn Dr . Grube, dass er entweder keine Ahnung hat oder das Parlament falsch informiert . Beides weise ich entschieden zurück, wie wir auch ihren Antrag entschieden ablehnen werden . Anlage 13 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zu der Mehrsei- tigen Vereinbarung vom 27. Januar 2016 zwischen den zuständigen Behörden über den Austausch länderbezogener Berichte (Tagesordnungspunkt 7) Dr. Mathias Middelberg (CDU/CSU): Mit der Ver- einbarung eines internationalen Informationsaustausches von Steuer- und Unternehmensdaten reagiert die Staa- tengemeinschaft auf die Beobachtung der vergangenen Jahre, wonach Großkonzerne wie Facebook, Google und Starbucks durch Ausnutzung unterschiedlicher Steuer- systeme ihre Steuerlast auf ein Minimum senken konn- ten . Verantwortlich für diesen Missstand waren vor allem unzureichende Informationen der Steuerbehörden über Auslandssachverhalte . Der Informationsaustausch ist deshalb zentraler Teil des Programmes gegen „Die Aushöhlung von Steuer- bemessungsgrundlagen und Gewinnverlagerung“ (Base Erosion and Profit Shifting – kurz BEPS), das Bundes- finanzminister Wolfgang Schäuble bereits im Jahr 2012 auf Ebene der G 20 und der OECD mitinitiiert hatte . An- fang Oktober 2015 wurden in Lima die Abschlussberich- te zu BEPS vorgestellt mit 15 konkreten Aktionspunkten gegen internationale Steuervermeidung . Das Paket wur- de am 15 ./16 . November 2015 von den Regierungschefs der G 20 gebilligt . Mittlerweile haben sich 62 Staaten angeschlossen, auf die 90 Prozent der Weltwirtschaft entfallen . Aktionspunkt 13 des BEPS-Programmes sieht die Einführung eines verpflichtenden automatischen Infor- mationsaustauschs der Steuerbehörden über länderbezo- gene Berichte von Unternehmen, das sogenannte Coun- try-by-Country Reporting, vor . Die Steuerverwaltungen sollen damit Informationen über die globale Aufteilung der Erträge und die entrichteten Steuern sowie über wei- tere Indikatoren der Wirtschaftstätigkeit von internatio- nal tätigen Unternehmen erhalten . Für den internationalen Austausch wurde auf OECD-Ebene eine „Mehrseitige Vereinbarung zwischen den zuständigen Behörden über den Austausch länder- bezogener Berichte“ erarbeitet, die am 27 . Januar 2016 von insgesamt 32 Staaten unterzeichnet wurde . Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wird der Bundestag dieser völkerrechtlichen Vereinbarung zustimmen . Ich möchte hier auf einen zentralen Bestandteil die- ser Vereinbarung eingehen . Gemäß § 5 der Mehrseitigen Vereinbarung soll der Datenaustausch zwischen den zu- ständigen Behörden nur unter Berücksichtigung umfang- reicher datenschutzrechtlicher Vorgaben automatisch erfolgen . Die Daten werden nur den Steuerbehörden übermittelt und nicht veröffentlicht . Die G 20 und OECD haben dabei aus wohlerwogenen Gründen auf ein öffent- liches Country-by-Country Reporting verzichtet . Auf europäischer Ebene liegen nun aber – parallel – zwei Regelungsvorschläge der Kommission für die Umsetzung des Country-by-Country Reportings vor: erstens für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 2011/16/EU bezüglich der Verpflichtung zum automatischen Austausch von Informationen im Bereich der Besteuerung KOM(2016) 25 und zweitens für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Rechnungslegungsrichtlinie im Hin- blick auf die Offenlegung von Ertragsteuerinformationen durch bestimmte Unternehmen und Zweigniederlassun- gen KOM(2016) 198/2 . Der erste Vorschlag sieht wie Punkt 13 des BEPS-Ak- tionsplans vor, dass die relevanten Daten nur unter den Finanzbehörden ausgetauscht werden . Der zweite Vor- schlag zur Änderung der Rechnungslegungsrichtlinie soll darüber hinausgehend eine Publizität des Coun- try-by-Country Reportings gegenüber der allgemeinen Öffentlichkeit erreichen . Der gewählte Regelungsweg über die Änderung der Rechnungslegungsrichtlinie lässt dabei den Eindruck zu, dass das für Ertragsteuerfragen notwendige Einstimmigkeitserfordernis im Rat umgan- gen werden soll. Die Einflussmöglichkeiten von Deutsch- land sind damit bei den Beratungen erheblich gemindert . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 201618144 (A) (C) (B) (D) Hier appelliere ich ausdrücklich an das Rechtsver- ständnis des Bundesjustizministers: Das Rügen der Rechtsgrundlage im Rat sollte nicht davon abhängig ge- macht werden, wie man politisch zu dem Vorhaben steht . Das Recht und daraus folgende Zuständigkeiten, aber auch Kompetenzgrenzen müssen unabhängig davon gel- ten . Europa braucht gerade jetzt das Vertrauen der Bevöl- kerung und der nationalen Parlamente . Solches schafft die Kommission nicht, wenn sie versucht, die Kompeten- zen in ihrem Sinne auszulegen bzw . – um es klar zu sa- gen – zu überdehnen . Der europäischen Integration droht auch dadurch weiterer Akzeptanzverlust . Gegen das Vorhaben der EU-Kommission spricht rechtlich aber noch mehr: Mit dem vorliegenden Ge- setzentwurf soll der Bundestag einem völkerrechtlichen Vertrag zustimmen, mit dem wir einen vertraulichen In- formationsaustausch mit anderen Staaten vereinbart ha- ben . Diesen völkerrechtlichen Vertrag müssten wir mit der Umsetzung des folgenden widersinnigen Vorschlages der Kommission aber brechen . Dem muss unser Justiz- minister entschieden entgegentreten! Gegen den Vorschlag KOM(2016) 198/2 sprechen aber nicht nur rechtliche Bedenken . Auch politisch ist der Vorschlag KOM(2016) 198/2 ungeeignet zur Er- reichung des erklärten Ziels „Herstellung von Steuer- gerechtigkeit“ . Ein öffentliches Country-by-Country Reporting in Europa könnte sogar den Erfolg des gesam- ten BEPS-Projektes gefährden . Bei einem öffentlichen Country-by-Country Reporting gäbe es für Drittstaaten keinen Grund mehr, den europäischen Staaten ihrerseits entsprechende Daten zu übermitteln . Das Pfand, mit dem man die Kooperation anderer Staaten erreichen könnte, würde leichtfertig ohne Gegenleistung aus der Hand ge- geben . Ziel des Handelns auf europäischer Ebene muss deshalb die inhaltlich gleiche Umsetzung der OECD/G- 20-BEPS-Empfehlungen sein . Für die deutschen Unternehmen wäre die Umsetzung des Vorschlags KOM(2016) 198/2 mit erheblichen Risi- ken verbunden . Die öffentliche Berichterstattung dürfte schützenswerte Interessen der betroffenen Unternehmen verletzen . Im Besonderen ist der Schutz von Geschäfts- geheimnissen nicht hinreichend gewährt, da durch die Veröffentlichungen Rückschlüsse auf Unternehmens- strukturen und Margen möglich wären . Das kann Wett- bewerbsnachteile herbeiführen . Das unbedingte öffentliche Country-by-Country Reporting würde weiter dazu führen, dass mit dem BEPS-Aktionsplan verbundene Verwendungsbeschrän- kungen nicht greifen würden . So dürfen gemäß § 5 der Mehrseitigen Vereinbarung zwischen den zuständigen Behörden Verrechnungspreisanpassungen auf Basis der ausgetauschten Informationen nicht vorgenommen wer- den . Werden die Country-by-Country Reporting-Daten nun ohne diese Maßgabe an Drittstaaten geliefert, droht den Unternehmen vielfältig Doppelbesteuerung und da- mit verbunden Wettbewerbsverzerrung . Hinzu kommt – absehbar – ein massiver Verlust an Steuersubstrat für Bund und Länder . Insgesamt würde ein öffentliches Country-by-Country Reporting deshalb mehr schaden als nutzen . Zur Durch- setzung des maßgeblichen Ziels, Eindämmung von Steu- ervermeidungspraktiken, ist es ausreichend und letztlich zielgerichteter, nicht wahllos die Öffentlichkeit, sondern die Steuerverwaltungen derjenigen Staaten, die sich am Austausch beteiligen, zu informieren . Ich bitte daher die Bundesregierung, sich geschlos- sen für ein kompetenzrechtlich einwandfreies, den völ- kerrechtlichen Vereinbarungen entsprechendes und in der Sache zielführendes Country-by-Country Reporting auf europäischer Ebene einzusetzen und dem Vorschlag KOM(2016) 198/2 entgegenzutreten . Lothar Binding (Heidelberg) (SPD): Mit dem Gesetz zu der Mehrseitigen Vereinbarung über den Austausch länderbezogener Berichte – das fängt schon recht sperrig an – beraten wir die Umsetzung des sogenannten Coun- try-by-Country Reporting . Heute geht es in einem ersten Schritt um das Vertragsgesetz, mit dem der Bundestag dem völkerrechtlichen Vertrag über den Austausch län- derbezogener Berichte seine Zustimmung gibt . Im Kern geht es beim Country-by-Country Reporting um multi- nationale Unternehmen . Sie sollen künftig Land für Land offenlegen müssen, in welcher Höhe Erträge erwirtschaf- tet werden und welche Steuern sie in welcher Höhe in den einzelnen Ländern bezahlen . Dies ist ein Teil des An- ti-BEPS-Projektes, mit dem wir auf OECD-Ebene Base Erosion und Profit Shifting – zu Deutsch: Gewinnverkür- zung und -verlagerung – bekämpfen wollen . Das Coun- try-by-Country Reporting ist also ein weiterer Schritt bei der Bekämpfung von Steuervermeidung und Steuerhin- terziehung . Veröffentlichungen von LuxLeaks bis Panama Papers haben uns gezeigt, mit welcher Kreativität und teilweise mit welcher kriminellen Energie Privatpersonen, Kon- zerne und nicht selten auch Unternehmen, von denen wir das überhaupt nicht erwartet hätten, vorgehen, um sich ihren Anteil an der Finanzierung des Gemeinwesens zu sparen . Die öffentliche Infrastruktur wird gleichwohl gern in Anspruch genommen . Das nenne ich „Sparen“ auf dem Rücken der anderen . Insbesondere multinatio- nale Konzerne verschieben Gewinne in Staaten mit sehr niedrigen oder Null-Steuersätzen . Die Fälle von Amazon, Starbucks, Ikea oder Google sind uns allen noch sehr prä- sent . Ist es nicht auffällig, dass viele Unternehmen, die uns im Kontext von Steuern spontan einfallen, ihren Sitz nicht in Deutschland haben? Steuervermeidung durch Verlagerung von Unterneh- mensgewinnen der Konzerne schadet nicht nur den Staa- ten, also allen Bürgern; sie schadet insbesondere kleinen und mittelständischen Unternehmen, die ihre Gewinne fair versteuern, nicht künstlich auf die Bahamas ver- schieben können, stattdessen in ihrem Ansässigkeitsstaat Steuern zahlen . Das Wichtigste aber ist: Eine Situation, in der jeder Bäckermeister mehr Steuern bezahlt als ein multinationaler Konzern, ist schlicht ungerecht, und sie gefährdet das Vertrauen der ehrlichen Steuerzahler in die Ausgewogenheit und Gerechtigkeit unseres Steuer- systems . Nur zur Erinnerung: Wann immer jemand eine Steuer umgeht oder hinterzieht, erwartet er, dass seine Nachbarn mehr bezahlen, um das Gemeinwesen zu fi- nanzieren . Der Kampf gegen Steuerhinterziehung und Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 2016 18145 (A) (C) (B) (D) Steuervermeidung ist deshalb ein Kernanliegen sozialde- mokratischer Finanzpolitik . Das Anti-BEPS-Projekt ist dabei von großer Bedeu- tung; denn damit sollen eine Reihe von Instrumenten zum Einsatz kommen, die Steuervermeidung erschwe- ren . Dazu gehören die Besteuerung der digitalen Wirt- schaft, die Eindämmung hybrider Gestaltungen – da- mit meinen wir das Ausnutzen von unterschiedlichen Regelungen für die steuerliche Einordnung bestimmter Gesellschaftsformen – oder die Verhinderung von Ab- kommensmissbrauch . Besonders wichtig sind auch die Arbeiten gegen schädlichen Steuerwettbewerb . Dabei stehen natürlich Patentboxen besonders im Fokus, aber auch wechselseitige Informationen über Tax Rulings spielen eine Rolle . Insgesamt wollen wir mit der Umset- zung des Anti-BEPS-Projektes drei Ziele erreichen: Um- fang und Ort der Besteuerung sollen stärker an den Ort der Wertschöpfung gebunden werden, Informationsdefi- zite der Finanzverwaltungen wollen wir reduzieren und das Zusammenwirken der unterschiedlichen Steuersyste- me verbessern . In diesem Zusammenhang soll das Country-by-Coun- try Reporting die Dokumentationspflichten multinatio- naler Konzerne vereinheitlichen und den Finanzverwal- tungen zusätzliche Informationen an die Hand geben . Das Zauberwort heißt also Transparenz . Dabei geht es sowohl um die Dokumentation von Verrechnungsprei- sen als auch um den Austausch länderbezogener Berich- te zwischen den teilnehmenden Staaten . Damit soll den Steuerbehörden die Prüfung erleichtert werden, ob der zu besteuernde Gewinn im Verhältnis zu den ökonomischen Aktivitäten der betreffenden Unternehmenseinheit steht . Für all jene, deren Kennzahlen und Steuererklärung plau- sibel sind, dürfte das kein Problem darstellen . Alle ande- ren haben sich überflüssigerweise ein Problem geschaf- fen . So weit, so sinnvoll . Allerdings werden wir uns in den Beratungen mit fol- genden Fragen besonders genau befassen müssen: Wel- che Daten müssen ausgetauscht werden? Wer hat Zugriff auf diese Daten? Mit welchen ökonomischen und fiskali- schen Wirkungen, auch Ausweichreaktionen, müssen wir rechnen? Im Hinblick auf die erste Frage werden wir uns an- schauen, welche Informationen auf Basis des völker- rechtlichen Vertrages zu Umsatz, Gewinn, Steuerzahlun- gen und wirtschaftlicher Aktivität in einem Dokument zusammengefasst werden und inwieweit sie die gesamte Konzernstruktur erfassen . Diese Daten müssen dann län- derweise zusammengestellt werden . Wichtig wird dabei, dass wir auch Berichte von jenen ausländischen Unter- nehmen bekommen, die in Deutschland Tochtergesell- schaften oder Betriebsstätten haben . Im Zentrum der weiteren Debatten wird die zweite Frage stehen: Wer soll Zugriff auf die bereitgestellten Daten haben? Lediglich die Steuerbehörden, verwal- tungsintern? Oder sollen die Daten auch interessierten NGOs und Fachjournalisten und damit der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen? Die Mehrseitige Vereinbarung vom 27 . Januar 2016 sieht einen Austausch der länderbezogenen Berichte nur zwischen den zuständigen Behörden vor . Einfach ein öffentliches Country-by-Country Reporting zu fordern, klingt gut, ist aber gemäß den vertraglichen Vereinba- rungen nicht ohne Weiteres möglich . Im Rahmen der Rechnungslegungsvorschriften wäre aber eine Veröffent- lichung der Informationen in noch aggregierterer Form durchaus denkbar . Oxfam hat mir dazu gestern die Ergebnisse einer Umfrage geschickt, der zufolge über 80 Prozent der Befragten eine transparente Unternehmensbesteuerung fordern . Ob die Befragten deswegen auch für eine Ver- öffentlichung der Daten sind, bleibt offen . Dennoch ist die allgemeine Forderung nach mehr Transparenz bei der Unternehmensbesteuerung natürlich richtig . Aller- dings müssen wir uns schon etwas genauer anschauen, welche Wirkungen eine Veröffentlichung von Daten aus dem Country-by-Country Reporting gegenwärtig hat . Insbesondere aufseiten unseres Koalitionspartners wird diese Debatte gelegentlich etwas alarmistisch geführt . Da wird zum Beispiel geschrieben, die Veröffentlichung dieser Daten würde Rückschlüsse auf Geschäftsgeheim- nisse erlauben und damit unseren Unternehmen schaden . Das ist die Sprache der Lobbyisten . Da wäre es schon interessant, zu erfahren, welche Sorgen da konkret beste- hen . Schließlich reden wir über stark aggregierte Daten zu Umsatz, wirtschaftlicher Aktivität usw . Diese müssen zum überwiegenden Teil bereits heute veröffentlicht wer- den . Inwiefern dies neue Rückschlüsse auf Geschäftsge- heimnisse erlauben soll, ist daher nicht plausibel . Ein anderes Argument betrifft die Sorge, dass deut- sches Steuersubstrat durch Veränderung der Besteue- rungsrechte gefährdet sein könnte, wenn Daten aus dem Country-by-Country Reporting veröffentlicht werden . Dem lassen sich gleich mehrere Punkte entgegenhal- ten . Einerseits besteht auch bei einem ausschließlichen Austausch zwischen Steuerbehörden die Möglichkeit von Abwehrmaßnahmen und der Verschiebung der Steu- erzahlungen, wenn sich aufgrund der länderbezogenen Berichterstattung Hinweise auf unerwünschte Steuer- gestaltungen ergeben sollten . Andererseits haben die OECD-Empfehlungen generell das Ziel, Steueraufkom- men durch die Bekämpfung von Gewinnverlagerung und Gewinnkürzung für die Staatengemeinschaft insgesamt zu erhöhen und nicht lediglich umzuverteilen . Vielleicht ergibt sich eine länderspezifische steuerliche Umvertei- lung – aber dann von einem größeren Steuerkuchen . Oft wird immer wieder angeführt, dass es bei einem öffentlichen Country-by-Country Reporting für Dritt- staaten keinen Anreiz mehr gäbe, den europäischen Staa- ten ihrerseits entsprechende Daten zu übermitteln; denn sie hätten alle Informationen schon ohne Gegenleistung . Diesen Punkt gilt es genau zu prüfen . Allerdings ist nicht zu erwarten, dass die 31 Staaten, die die Mehrseitige Vereinbarung über das Country-by-Country Reporting unterzeichnet haben, bei einer Veröffentlichung der Da- ten im Rahmen der Rechnungslegung ihren vertraglichen Pflichten nicht nachkommen werden. Die USA sind der Vereinbarung noch nicht beigetreten . Die US-Regierung hat aber ihre Absicht erklärt, die Vereinbarung im Laufe des Jahres zu unterzeichnen; ich bin gespannt . Wie schon angedeutet, werden wir uns außerdem darum kümmern Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 201618146 (A) (C) (B) (D) müssen, dass wir in jedem Fall Berichte von Konzernen bekommen, die zwar ihren Stammsitz außerhalb Europas haben, die aber hier über eine Tochtergesellschaft oder eine Betriebsstätte verfügen . Ein letzter Punkt betrifft die Befürchtung, dass die mit dem BEPS-Aktionsplan verbundenen Beschränkun- gen hinsichtlich der Verwendung der Daten nicht mehr greifen könnten . So dürfen nach der Mehrseitigen Ver- einbarung zwischen den zuständigen Behörden Verrech- nungspreisanpassungen auf Basis der ausgetauschten Informationen nicht vorgenommen werden . Wegen der hohen Aggregation der Daten ist es aber ohnehin kaum möglich, dass diese Daten der Anlass für unmittelbare Anpassungen der Verrechnungspreise sein könnten . Die im Rahmen des Country-by-Country Reporting ausge- tauschten Informationen können und sollen allerdings Anlass für konkrete Betriebsprüfungen sein, in deren Folge es dann zu Verrechnungspreisanpassungen kom- men kann . Insgesamt zeigt sich, dass die Argumente gegen eine Veröffentlichung der Daten aus dem Country-by-Coun- try Reporting auf lange Sicht nicht stichhaltig sind, aber gleichwohl sorgfältig abgewogen werden müssen . Auf der anderen Seite würde eine Veröffentlichung Bürgerinnen und Bürger in die Lage versetzen, zu be- urteilen, welche Unternehmen wo Steuern zahlen, und damit einen Beitrag zur Allgemeinheit leisten . Darüber hinaus würde sie Entwicklungsländern helfen, für deren Staatshaushalte die Einnahmen aus der Körperschaft- steuer häufig von sehr großer Bedeutung sind. Deren Fi- nanzbehörden würden öffentliche Daten erheblich wei- terhelfen . In diesem Spannungsfeld werden wir überlegen, den Datenaustausch im Rahmen der Mehrseitigen Ver- einbarung auf die Steuerbehörden zu beschränken und gleichzeitig ein Dokument zu entwickeln, das gege- benenfalls noch stärker aggregierte Daten enthält, die der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden können . Denn grundsätzlich können wir uns langfristig eine Ver- öffentlichung der Daten vorstellen, sofern zwischen den teilnehmenden Staaten ein gewisses Maß an Standards gewahrt ist . Dabei geht es um die Qualität der Daten, Datenschutz und Datensicherheit und die Administration in der Steuerverwaltung . In dieser Richtung müssen wir weiterarbeiten, gerade auch im Austausch mit den euro- päischen Institutionen, die in dieser Hinsicht schon eini- ge Vorschläge entwickelt haben . Denn klar ist: Wir wol- len weder Geschäftsgeheimnisse veröffentlichen noch deutsches Steuersubstrat gefährden . Aber wir wollen Steuervermeidung multinationaler Konzerne bekämpfen, und dafür ist das Country-by-Country Reporting mit dem richtigen Maß an Transparenz ein wichtiges Instrument . Nun wünsche ich Ihnen allen eine gute sitzungsfreie Zeit, erfolgreiche Arbeit in den Wahlkreisen und einige schöne Urlaubstage . Susanna Karawanskij (DIE LINKE): Grundsätzlich finden wir als Linke es dringend geboten, der grenzüber- schreitenden Steuervermeidung durch multinationale Konzerne entgegenzuwirken . Gerade multinationale Un- ternehmen haben im Vergleich zu hauptsächlich national tätigen Unternehmen ihre Steuerlast dadurch teils erheb- lich senken können . Dies können sie, indem sie durch ge- schickte Gestaltungen Gewinne in Staaten verschieben, die besonders günstige Besteuerungskonditionen bieten . Mit dem BEPS-Projekt wurden von der OECD im Auftrag der G-20-Staaten Lösungen entwickelt, um De- fizite der internationalen Besteuerungsregeln zu verrin- gern . Ein sogenannter Aktionspunkt, auf den man sich im Rahmen von BEPS geeinigt hat, ist der Austausch länderbezogener Berichte zwischen den teilnehmenden Staaten, Country-by-Country Reporting . Jeder Vertrags- staat fordert diese zunächst von den auf seinem Gebiet ansässigen Konzernobergesellschaften ein . Anschlie- ßend werden diese den anderen Vertragsstaaten, in denen Tochtergesellschaften oder Betriebsstätten des jeweili- gen Konzerns vorliegen, übermittelt . Durch den Austausch von länderbezogenen Berichten zwischen den Staaten erhalten die betroffenen Steuerver- waltungen Informationen über die globale Aufteilung der Erträge und die entrichteten Steuern sowie über weitere Indikatoren der Wirtschaftstätigkeiten der größten inter- national tätigen Unternehmen . Die Finanzverwaltungen sollen also die erforderlichen Informationen erhalten, und multinationale Unterneh- men sollen ihren Dokumentationspflichten nach einem einheitlichen Standard nachkommen . Dies klingt alles schon mal sehr gut . Denn Transparenz ist Grundvoraus- setzung, um Steuervermeidung zu erkennen . Die Steuer- behörden eines Landes stehen oft auf verlorenem Posten, wenn es darum geht, zu erkennen, welche Transaktionen ein dort ansässiger Konzern mit Konzernablegern in an- deren Staaten tätigt und wie die dortigen Steuerbehör- den diese Aktivitäten behandeln . Das ganze Projekt wird umso besser gelingen, desto mehr Länder daran teilneh- men und teilnehmen können . Und in der Tat stellt der vorliegende Gesetzentwurf, der die völkerrechtliche Verpflichtung Deutschlands zum Austausch länderbezogener Berichte zwischen den Ver- tragsstaaten beinhaltet, einen Fortschritt dar . Dennoch gibt es aus linker Sicht drei Dinge zu kritisieren: Erstens ist in der mehrseitigen Vereinbarung nur vor- gesehen, dass die entsprechenden Daten zwischen den Steuerverwaltungen ausgetauscht werden . Die Daten sollen in keiner Weise öffentlich zugänglich gemacht werden, nicht einmal in anonymisierter und aggregier- ter Form, nicht einmal Daten, die handelsrechtlich oder nach den Bilanzierungsvorschriften bereits öffentlich sind . Dies ist uns ganz klar zu wenig Transparenz . Die Bundesregierung flüchtet vor dieser Kritik, indem sie mantraartig etwas von Steuergeheimnis murmelt . Doch in Wirklichkeit fürchtet sie Wettbewerbsnachteile für die deutsche Wirtschaft und möchte daher die Exportwirt- schaft schützen . Es ist schade, dass bei der internationa- len Bekämpfung von Steuervermeidung die Bundesre- gierung hier schon an ihre national motivierten Grenzen stößt! Sie sollten auch im Hinterkopf haben, dass die Erfolge bei LuxLeaks oder PanamaLeaks nur dadurch zustande kamen, weil durch die Veröffentlichung ein öffentlicher Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 2016 18147 (A) (C) (B) (D) Druck entstand, weil Whistleblower Alarm geschlagen haben . Gerade der kritische Blick der Öffentlichkeit, das wachsame Auge zivilgesellschaftlicher Organisationen würde es Unternehmen enorm erschweren, weiterhin Steuern zu hinterziehen . Zweitens ist die Verpflichtung zur Gegenseitigkeit zu kritisieren: Die Vertragspartner müssen also qualitativ gleiche Daten wie Deutschland liefern, sie müssen die gleichen Maßstäbe bei der Vertraulichkeit der Daten er- füllen usw . Konkret heißt das: Die anderen Staaten, die gerne mitmachen möchten, müssen unsere Bedingungen erfüllen, um dann zum Beispiel länderbezogene Berichte von großen ausländischen Konzernen zu erhalten, die in ihrem Land durch Tochtergesellschaften oder Betriebs- stätten tätig sind . Viele Länder, gerade des globalen Südens, haben aber noch keine gut ausgebauten Steuer- verwaltungen . Deswegen fällt es ihnen auch schwer, alle Daten in der gewünschten aufbereiteten Form zu liefern . Die Folge ist, dass viele Staaten einfach ausgeschlossen werden . Ihnen geht dadurch viel Geld durch die Lappen, weil sie weiterhin stark von Steuervermeidung und dem trickreichen Spiel der multinationalen Unternehmen be- troffen sind . Hier sollten Sie sich lieber wieder an den Grundsatz erinnern: Je mehr Länder mitmachen, desto besser wird es sein . Drittens und abschließend muss man sich vor Augen halten, dass die harten Bedingungen für Datenzusammen- stellung und Vertraulichkeit bzw . Datenschutz, die andere Staaten erfüllen müssen, den gleichen Hintergrund haben wie das krampfhafte Verharren auf Nichtveröffentlichung der Daten . Auch hier sieht die Bundesregierung das Da- moklesschwert des Wettbewerbsnachteils für die deut- sche Wirtschaft . Wieder zeigt sich: Deutsche Exportwirt- schaft geht vor Bekämpfung von Steuerhinterziehung . Es herrscht die Angst vor, dass es zu viel Transparenz gibt, dass andere Staaten sehen, wie viel mehr an Steuern ih- nen von einem deutschen Unternehmen zustünden und sie diese womöglich noch einfordern könnten . Abschließend kann ich Sie von der Regierungsbank nur ermuntern, mehr Transparenz zu wagen . Scheuen Sie nicht den wachsamen Blick der Öffentlichkeit, und schwächen Sie nicht die Schlagkraft dieses Projektes zur internationalen Bekämpfung von Steuervermeidung, in- dem Sie die Interessen der deutschen Exportwirtschaft über alles stellen . Dr. Thomas Gambke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf setzt die Bundes- regierung den Aktionspunkt 13 der OECD/G-20-Emp- fehlungen im Kampf gegen Gewinnverkürzungen und Gewinnverlagerungen um . Konkret geht es um den Aus- tausch von Daten zwischen den zuständigen Steuerbe- hörden des jeweiligen Landes mit dem Ziel, das Informa- tionsdefizit der Finanzverwaltungen zu reduzieren und Steuervermeidungsstrategien aufzudecken . Der Austausch länderbezogener Berichte – das so- genannte Country-by-Country Reporting – hat zu einer sehr kontroversen Debatte geführt . Im Kern geht es um die Frage, ob multinationale Konzerne gegenüber der Öffentlichkeit Informationen über ihre wirtschaftlichen Aktivitäten und ihren Beitrag für das Gemeinwohl offen- legen sollten . Dahinter steht der Vorwurf, dass sich multinational agierende Unternehmen unter Ausnutzung nationaler Be- steuerungsregeln in einzelnen Ländern einer Besteuerung weitestgehend entziehen . Viele Unternehmen bestreiten das – sicher teilweise auch zu Recht . Deshalb sind allzu platte Äußerungen zu diesem Thema – und die reichen leider bis zum Bundesminister für Wirtschaft – fehl am Platze . Gerade in einer Zeit, in der mit dem Brexit das Klagen über Populismus groß ist, muss das Thema diffe- renziert angegangen werden . Zum einen geht es darum, dass die nationalen Steuer- behörden mehr Transparenz über die relevanten Steuer- daten multinationaler Unternehmen bekommen . In die- sem Zusammenhang ist es richtig, dass die OECD sich darauf verständigt hat, dass die Daten nicht unmittelbar zur Steuererhebung verwendet werden sollen . Denn dies würde mittelbar zu Doppelbesteuerungsfällen führen . Aber die Transparenz ist eben wichtig, um sogenannte weiße Einkünfte aufzudecken, das heißt Fälle zu iden- tifizieren, die zur doppelten Nichtbesteuerung führen. Es ist in diesem Zusammenhang übrigens sehr kritisch, dass kein verbindlicher Streitbeilegungsmechanismus vereinbart werden konnte . Es wird sehr genau zu beob- achten sein, ob dies nicht zu gravierenden Nachteilen für die Unternehmen führen wird . Eine Stärkung internati- onaler, zum Beispiel bei der WTO angesiedelter Streit- beilegungsmechanismen wäre ein wichtiger Schritt ge- wesen, gerade auch vor dem Hintergrund, dass es nicht nur einige kleine Staaten gibt, deren Geschäftsmodell schlicht Steuerdumping heißt, sondern auch einzelne OECD-Staaten – allen voran die USA mit dem Bundes- staat Delaware, aber auch England mit der bereits ein- geführten Lizenzbox und einem aktuell angekündigten Niedrigsteuerregime – Steuerhinterziehungs- und Steu- ervermeidungsstrategien befördern . Zum anderen, und das ist ein genauso wichtiges Ziel, geht es darum, verloren gegangenes Vertrauen wieder aufzubauen: Vertrauen, das verloren gegangen ist mit den Berichten über US-Konzerne, die mehr als 1,6 Billionen Dollar unversteuerter Gewinne in Steueroasen horten und damit keinen oder nur einen geringen Beitrag zur öffentlichen Daseinsvorsorge leisten in den Ländern, in denen sie mit dem Verkauf ihrer Produkte hohe Gewinne realisieren; Vertrauen, das verloren gegangen ist durch Berichte über die PanamaPapers und LuxLeaks, durch Berichte über Steuerbetrug in Milliardenhöhe durch Umsatzsteuerkartelle und Cum/Ex- und Cum/cum-Ge- schäfte; Vertrauen, das verloren gegangen ist durch die Berichte über die sogenannte Code-of-Conduct-Gruppe des Europäischen Rats, die ja als Gegenmaßnahme zur Steuergestaltung internationaler Unternehmen schon Ende des letzten Jahrhunderts ins Leben gerufen wurde, aber bis heute keinerlei Gegenmaßnahmen zu den Steu- ergestaltungsstrategien dieser Unternehmen bewirkt hat . Es waren mutige Whistleblower, es waren einzelne Wissenschaftler, und es waren investigative Journalis- ten, welche die immensen Steuerhinterziehungs- und Steuervermeidungsstrategien einzelner Unternehmen für die Öffentlichkeit sichtbar gemacht haben . Und deshalb Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 201618148 (A) (C) (B) (D) muss die Strategie gegen diese schädlichen Steuerprak- tiken unbedingt eine Transparenz für die Öffentlichkeit einschließen, denn andernfalls wird eine faire Besteue- rung von multinationalen Unternehmen nicht zu errei- chen sein . Wenn wir also über länderbezogene Berichterstattung multinationaler Konzerne reden, müssen wir beide Ebe- nen im Blick haben: zum einen die notwendige Trans- parenz für die Steuerbehörden mit dem Ziel, sowohl Doppelbesteuerung der Unternehmen zu vermeiden als auch die doppelte Nichtbesteuerung zu unterbinden, und zum anderen die Transparenz für die Öffentlichkeit, um Druck auf die Parlamente und Regierungen auszuüben, gegen Steuerhinterziehung und Steuergestaltung mul- tinationaler Konzerne vorzugehen und damit Wettbe- werbsnachteile für vorwiegend national agierende Un- ternehmen – das sind in der Regel Handwerksbetriebe sowie kleine und mittlere Unternehmen – endlich wirk- sam zu bekämpfen . Und da haben sowohl multinationale Unternehmen als auch der Gesetzgeber die Verantwor- tung, durch proaktives Vorgehen einen Beitrag zu leisten und nicht, wie aktuell leider festzustellen ist, als Blockie- rer und Bremser aufzutreten . Die Einlassungen des Parla- mentarischen Staatssekretärs Dr . Michael Meister, BMF, zu diesem Thema im Finanzausschuss in dieser Woche ließen deutlich erkennen, dass die Bundesregierung in keiner Weise die Verantwortung auch nur begriffen hat, die sie in diesem Zusammenhang hat . Ein Rückzug auf die Umsetzung des OECD-Prozesses ist keinesfalls aus- reichend, um das geschilderte Problem anzugehen . Es geht eben nicht nur um die Frage der fairen Besteuerung, sondern auch um die gesellschaftliche Akzeptanz der Globalisierung . Angesichts des Brexit muss sich jeder in seiner Verantwortung fragen, wie er mit der Situation umgeht . Die Haltung, dass die Öffentlichkeit nicht fähig ist, mit Transparenz umzugehen, kann zu dramatischen Fehlentwicklungen führen, wie wir jetzt mit dem Refe- rendum der Briten erfahren haben . Wir brauchen Transparenz über die wirtschaftlichen Aktivitäten von großen, multinationalen Konzernen für die Öffentlichkeit . Die Polemik gegen länderbezogene Offenlegungspflichten muss endlich aufhören. Denn die gegen länderbezogene Offenlegungspflichten vorgetra- genen Argumente sind haltlos und können nur vorge- bracht werden, weil mit Unkenntnis der Öffentlichkeit gerechnet werden kann . Beklagt wird zum Beispiel der zu hohe Bürokratieaufwand . Doch jedes international tätige Unternehmen erstellt bereits jetzt eine länderbezo- gene Berichterstattung, die im Einzelnen viel detaillierter ist als die jetzt geforderte – und das sage ich mit meiner jahrelangen Erfahrung im Management eines internatio- nal tätigen Unternehmens . Haltlos ist auch die Kritik an der Offenlegung wertschöpfungsbasierter Daten, denn die von der EU-Kommission vorgeschlagenen Daten ent- sprechen ja gerade nicht den kritischen, steuerrelevanten Informationen, die zwischen den Finanzbehörden ausge- tauscht werden sollen . Im Gegenteil, diese Daten sind so allgemein, dass daraus keinesfalls wettbewerbsrelevante Informationen öffentlich werden . Ferner sind diese Da- ten bereits jetzt teilweise in den Jahresabschlüssen nach IFRS oder US-GAAP verfügbar, aber eben nicht in einer für die Öffentlichkeit transparenten, verständlichen und übersichtlichen Darstellung . Es ist an der Zeit, die Debatte endlich ehrlich und mit einem klaren Ziel zu führen: mehr Vertrauen durch mehr Transparenz schaffen . Daran müssen international tätige Unternehmen genauso ein Interesse haben wie die sie vertretenden Verbände und natürlich die einzelnen Na- tionalstaaten . Die Bundesregierung muss endlich begrei- fen: Es geht darum, die Situation als Chance zu begreifen und sich konstruktiv in den Prozess für mehr Transparenz einzubringen . Die Europäische Kommission hat das ver- standen, das signalisieren ihre Vorschläge . Es ist höchs- te Zeit, dass die Bundesregierung ihre Blockadehaltung zum öffentlichen Country-by-Country Reporting endlich aufgibt . Dr. Michael Meister, Parl . Staatssekretär beim Bun- desminister der Finanzen: In den vergangenen Jahren hat sich gezeigt, dass multinationale Unternehmen im Vergleich zu vorwiegend national tätigen Unternehmen die unterschiedlichen Steuersysteme der Staaten ausnut- zen, um Einkünfte in den Staaten entstehen zu lassen, die besonders günstige Besteuerungskonditionen bieten . Die entstandenen Steuervermeidungsmöglichkeiten für bestimmte, vor allem multinationale Unternehmen, sind beträchtlich . Steuergerechtigkeit und die Gewährleis- tung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung sind jedoch unabdingbare Voraussetzungen für ein funktionierendes Gemeinwesen und einen handlungsfähigen Staat . Die Steuervermeidungsmöglichkeiten internationaler Unter- nehmen beeinträchtigen überdies die Wettbewerbsfähig- keit von nur lokal tätigen Unternehmen, die solche Steu- ergestaltungen nicht nutzen können . Es ist daher ein großer Erfolg unserer Politik, dass sich 44 Staaten – darunter am 27 . Januar 2016 die Bun- desrepublik Deutschland – völkerrechtlich zur Mehrsei- tigen Vereinbarung über einen gemeinsam mit der OECD und den G-20-Staaten entwickelten Standard zur Über- mittlung länderbezogener Berichte, den sogenannten Country-by-Country Reports, verpflichtet haben, dass also 44 Staaten diesen Standard umsetzen und die Coun- try-by-Country Reports austauschen werden . Durch den jährlichen Austausch länderbezogener Be- richte erhalten die Steuerverwaltungen Informationen über die globale Aufteilung der Erträge und die entrich- teten Steuern sowie über weitere Indikatoren der Wirt- schaftstätigkeit der größten international tätigen Unter- nehmen . Dadurch können steuerrelevante Risiken besser abge- schätzt werden . Der grenzüberschreitende Steuerbetrug und die grenz- überschreitende Steuerhinterziehung haben die einzelnen Staaten in den zurückliegenden Jahren vor erhebliche und von den einzelnen Ländern nicht mehr allein zu be- wältigende Herausforderungen gestellt . Eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen den nationalen Steuerbehör- den ist daher unerlässlich, um die ordnungsgemäße Er- mittlung der Steuerpflicht zu gewährleisten und damit internationale Steuerhinterziehung zu bekämpfen . Dabei kommt insbesondere der Schaffung von Transparenz in Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 2016 18149 (A) (C) (B) (D) Steuerangelegenheiten und dem automatischen Infor- mationsaustausch zwischen den Steuerbehörden eine entscheidende Rolle zu . Das ist ein neues wichtiges In- strument im Bereich der internationalen Amtshilfe . Wir schaffen hierdurch mehr Transparenz und mehr Fairness für unsere globalisierte Welt im 21 . Jahrhundert . Die Bundesregierung wird sich im Rahmen des vorge- sehenen Informationsaustauschs weiter dafür einsetzen, dass eine möglichst große Anzahl von Staaten an diesem Informationsaustausch teilnimmt . Nur so ist es möglich, weltweit einen einheitlichen internationalen Standard für einen fairen internationalen Steuerwettbewerb zu schaf- fen . Steuerhinterziehung und Steuervermeidung können letztlich nur auf globaler Ebene wirkungsvoll bekämpft werden . Durch das Vertragsgesetz soll dieses Abkommen die Zustimmung der gesetzgebenden Körperschaften erhal- ten . Nicht zuletzt unsere Bemühungen im Rahmen des G-20-Prozesses haben dazu geführt, dass es zu einer be- schleunigten Umsetzung des bei der OECD entwickelten einheitlichen Standards für Besteuerungszwecke gekom- men ist . Die Bundesregierung wird sich für eine rasche Ent- wicklung von wirksamen Einzelregelungen auf der Grundlage der Mehrseitigen Vereinbarung einsetzen . Hierzu zählen auch das noch von der Bundesregierung einzubringende Gesetz zur Umsetzung der Änderung der EU-Amtshilfe-Richtlinie und weitere Maßnahmen gegen Gewinnverkürzung und -verlagerung . Ich möchte nicht verhehlen, dass der vorgegebene Zeitplan – wonach Daten für das Jahr 2016 schon ab Mit- te 2018 ausgetauscht werden sollen – sowohl in rechtli- cher als auch in technischer Hinsicht sehr ambitioniert ist . Das Bundesministerium der Finanzen arbeitet daher in enger Zusammenarbeit mit dem Bundeszentralamt für Steuern mit Hochdruck an der rechtzeitigen technischen Implementierung des automatischen Austauschs länder- bezogener Berichte . Wir sind jedoch davon überzeugt, die vorgegebenen Anforderungen zeitgerecht umzuset- zen . Dies gilt auch für die Umsetzung durch die von dem vorliegenden Gesetz verpflichteten Unternehmen. An dieser Stelle möchte ich zwei wichtige inhaltliche Aspekte des Abkommens hervorheben: den Datenschutz und das Prinzip der Gegenseitigkeit des Informationsaus- tauschs . Der Schutz der im Rahmen des automatischen Austauschs von länderbezogenen Berichten zu übermit- telnden Daten war von Beginn an ein wesentliches An- liegen der Bundesregierung . Sowohl bei den Beratungen auf OECD-Ebene als auch im Rahmen der Arbeiten zur Erstellung des vorliegenden Gesetzentwurfs wurde dafür Sorge getragen, dass die Sicherheit und der Schutz die- ser personenbezogenen Daten gewährleistet werden . Die Bundesrepublik Deutschland hat durch die zusätzlich am 27 . Januar 2016 abgegebenen umfangreichen Erklärun- gen zu Verwendungsbeschränkungen und Datenschutz- bestimmungen gewährleistet, dass Informationen, die ein anderer Staat von der Bundesrepublik Deutschland erhält, dem gleichen datensicherheitsrechtlichen Schutz unterliegen wie die von anderen Staaten erhaltenen In- formationen in der Bundesrepublik Deutschland . Zudem stellt die Erklärung klar, dass die von der Bundesrepu- blik Deutschland übersandten Daten nicht für Zwecke verwandt werden dürfen, die gegen den „Ordre public“ der Bundesrepublik Deutschland verstoßen . Die Verwendungsbeschränkungen und Datenschutz- bestimmungen der Mehrseitigen Vereinbarung garan- tieren aus Sicht des Bundesministeriums der Finanzen darüber hinaus die Effizienz des Datenaustauschs als In- strument für mehr internationale Steuergerechtigkeit . Sie stellen die aus unserer Sicht notwendige Gegenseitigkeit beim Informationsaustausch sicher . Dieses Verständnis bedingt auch die bekannte kritische Haltung des Bundes- ministeriums der Finanzen gegenüber dem KOM-Vor- schlag zur Änderung der Bilanzrichtlinie, die ich hier gern näher erläutern möchte: Durch eine Veröffentli- chungspflicht von steuerlichen Informationen im Rah- men der Bilanzrichtlinie können aus Sicht der beteiligten Unternehmen Geschäftsgeheimnisse offenbart werden . Dies kann auch aus Sicht der Steuerverwaltung – jeden- falls in einzelnen Fällen – nicht ausgeschlossen werden . Für die betroffenen deutschen Unternehmen könnten im Verhältnis sowohl zu Unternehmen aus Drittstaaten als auch zu EU-Unternehmen erhebliche Wettbewerbsnach- teile entstehen . Der Anreiz für Drittstaaten, im Verhält- nis zu EU-Staaten an dem System des Informationsaus- tauschs nach dem Modell der G 20/OECD teilzunehmen, wäre extrem gering, wenn die gewünschten Informatio- nen aus öffentlich zugänglichen Quellen zu beschaffen sind (einseitige „Transparenz“ nur für Unternehmen in der EU) . Die Verwendungsbeschränkungen und Datenschutz- bestimmungen der Mehrseitigen Vereinbarung gelten nicht für die Veröffentlichung im Rahmen der EU-Bi- lanzrichtlinie, das heißt, die öffentlich zugänglichen Informationen können unbeschränkt für alle erdenkli- chen Zwecke genutzt werden, zum Beispiel für Ergeb- niskorrekturen oder für die Anwendung von pauschalen Gewinnaufteilungsmethoden zulasten der Unternehmen und zulasten des deutschen Steueraufkommens . Die EU hat mit der Änderung der Amtshilferichtlinie vom 25 . Mai 2016 den G 20/OECD-Ansatz übernommen und damit auch die zwischen den Staaten vereinbarte völker- vertragsrechtliche Mehrseitige Vereinbarung in europäi- sches Recht übertragen . Sie hat sich damit faktisch und rechtlich zu dem G 20/OECD-Ansatz bekannt, der die Vertraulichkeit und die Verwendungsbeschränkungen enthält . Die EU-Staaten haben einstimmig mit der Ände- rung der Amtshilferichtlinie vom 25 . Mai 2016 das G 20/ OECD-Modell in europäisches Recht übertragen . Aus der Sicht eines Mitgliedstaats wie Deutschland, einem Unterzeichnerstaat der Mehrseitigen Vereinba- rung, ist deshalb nach Auffassung des Bundesministe- riums der Finanzen die Zustimmung zu dem Vorschlag der EU zur Rechnungslegung, der keine Vertraulichkeit und keine Verwendungsbeschränkungen enthält, kaum mit der völkervertragsrechtlich eingegangenen Verpflich- tung, das G 20/OECD-Modell umzusetzen, zu vereinba- ren . Die geplante EU-Bilanzrichtlinie hätte nicht nur Aus- wirkungen innerhalb der EU, sondern würde auch den Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 201618150 (A) (C) (B) (D) weltweiten Erfolg des mit der Mehrseitigen Vereinbarung verfolgten Zwecks hochgradig gefährden und kann zu einer erheblichen Schädigung des Wirtschaftsstandorts Deutschland mit gravierenden Steuermindereinnahmen von Bund, Ländern und Gemeinden und zu dem Verlust von Arbeitsplätzen führen . Ich bitte um Ihre Zustimmung zu diesem Vertragsge- setz, mit dem wir einen großen Schritt in der Bekämpfung von grenzüberschreitendem Steuerbetrug und grenz- überschreitender Steuerhinterziehung möglich machen . Anlage 14 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags der Abgeordneten Sabine Leidig, Herbert Behrens, Caren Lay, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Die Nachtzüge retten – Klimaverträglichen Fern- reiseverkehr auch in Zukunft ermöglichen (Tages- ordnungspunkt 19) Michael Donth (CDU/CSU): Als ich meinem 15-jäh- rigen Sohn Matthias sagte, dass ich heute zu einem Nachtzug-Antrag der Linken reden darf, sagte er: Schon wieder, das hast du doch schon mal! Warum denn das? – Er hatte recht – und ich konnte seine Frage eigentlich auch nicht beantworten . Und als ich ihm dann noch sag- te, dass die Debatte um 21 Uhr stattfinden wird, wäh- rend Deutschland gegen Frankreich im Halbfinale der Fußball-Europameisterschaft spielt, war er entsetzt und meinte: Die spinnen wohl . – Da habe ich ihm natürlich heftigst widersprochen . Aber, wie gesagt, warum wir heute erneut eine nächt- liche Debatte zu den Nachtzügen führen müssen, ist für mich eigentlich nicht verständlich . Denn es hat sich seit der letzten Debatte zu diesem Thema vor knapp zwei Jahren nichts geändert, was Anlass zu einer erneuten Dis- kussion geben könnte . Nach Artikel 87e des Grundgesetzes hat der Bund insbesondere den Verkehrsbedürfnissen Rechnung zu tragen . Das ist mit dem angepassten Verkehrsangebot der Bahn gewährleistet . Bei 30 Millionen Euro Verlust der Bahn im Nachtzugsegment im vergangenen Jahr ist es eine logische Konsequenz, das Angebot anzupassen . Es gibt keinen Grund, in die Streckenentscheidungen der DB AG einzugreifen . Überdies ist es dem Bund als Eigentümer nach dem Aktiengesetz ja auch gar nicht er- laubt, in unternehmerische Entscheidungen unmittelbar und im Detail Einfluss zu nehmen. Von daher ist es auch nicht rechtens, wenn Sie, liebe Kolleginnen und Kolle- gen von der Linken, in Ihrem Antrag die Bundesregie- rung auffordern, der Bahn ein neues Nachtzugkonzept aufzuzwingen . Und Sie gehen ja noch weiter . Sie wollen durch die Hintertür, über das Vehikel Nachtzug, die alte, staatlich subventionierte Deutsche Reichsbahn wieder einführen . Das steht so in Ihrem Antrag . Sie wollen ei- genwirtschaftliche, also auf eigene Rechnung durch- geführte, Verkehre durch subventionierte Verkehre im Fernverkehr ersetzen . Und wenn wir schon dabei sind: Sie loben, dass es andere Unternehmen wohl schaffen, das Produkt Nachtzug erfolgreich zu verkaufen, wie die ÖBB mit der Linie Hamburg–Wien und Düsseldorf– Wien . Und eine halbe Seite später schreiben Sie selbst, dass Österreich alle Fernverkehrszüge staatlich subven- tioniert . Das zeigt das Dilemma: Nachtzüge fahren nur dann erfolgreich, wenn der Steuerzahler die Reisevorlie- ben der nostalgischen Nachtzugfans bezuschusst . Selbst die SNCF stellt ihre Nachtzüge ein, weil der Staat sie nicht mehr subventionieren will . Die Deutsche Bahn ist in dem Bereich durchaus offen und hat eine Weiterentwicklung des Angebots geprüft und verschiedene Nachtzugwagenkonzepte pilotiert . Zusätzlich wurden Kundenbefragungen durchgeführt . Dabei kam heraus, dass diese Konzepte bei den Kunden zwar gut ankommen, sie aber überhaupt nicht bereit wä- ren, dafür den Preis zu bezahlen, den die Bahn verlangen müsste, um diese Investition zu bezahlen . Auch Nacht- zugkunden sind preissensibel . Sie kennen ja die Preise für Hotels, Hochgeschwindigkeitszüge, Fernbusse, Mit- fahrzentralen oder auch Billigflüge. Es ist verständlich, dass die Mehrzahl der Reisen- den lieber auf diese Angebote zurückgreift als auf lange Nachtzugreisen . (Die ehemalige Nachtzugstrecke Frank- furt–Paris beispielsweise dauert heute mit dem ICE nur noch 3 ¾ Stunden .) Im Verkehrsausschuss hat die Bahn letzten Monat erklärt, dass sie in Zukunft statt der Nacht- züge mehr ICEs nachts einsetzen will, weil dieses schnel- le Angebot gut angenommen wird . Sollte man Ihrer Argumentation folgen, liebe Kol- leginnen und Kollegen von der Linken, indem man die Verbindungen mit Zuschüssen am Leben erhält, kann man vielleicht ihren Tod hinauszögern oder verhindern . Man kann auf diese Weise aber keine Gesundung von Ei- senbahnunternehmen einleiten . Um gesund zu sein, muss ein Unternehmen seine Kräfte sammeln, nicht zerstreu- en . Und es muss vor allem Geld verdienen können, und darf es nicht zum Fenster hinauswerfen – auch nicht zum Nachtzugfenster . Daher ist es richtig, dass die Deutsche Bahn AG als Wirtschaftsunternehmen mit neuen Produk- ten auf den Markt reagiert, und unrentable Produkte aufs Abstellgleis setzt . Denn nur ein gesundes Unternehmen kann langfristig gute Arbeitsplätze bieten und gute Ange- bote machen . Daher lehnen wir Ihren Antrag ab! Daniela Ludwig (CDU/CSU): Das Reiseverhalten der Deutschen hat sich über die letzten Jahre hinweg ver- ändert . Immer mehr Reisende nutzen die günstigen Mög- lichkeiten, die von Billigfliegern und Mietwagen geboten werden, und legen die Reise zum Urlaubsziel nicht mehr im Auto oder im Zug zurück . Das einst durchaus reizvol- le Angebot, sich gemütlich abends in den Zug zu setzen und am nächsten Morgen am Ziel zu sein, hat nach und nach an Attraktivität eingebüßt . In ihrem Antrag kritisiert nun die Fraktion Die Linke den Rückzug der Deutschen Bahn AG aus dem Nacht- zugverkehr . Ähnliches haben Sie bereits in vorangegan- gen Anträgen getan, und der Verkehrsausschuss hat sich auch in einer Anhörung im vergangenen Jahr dem Thema Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 2016 18151 (A) (C) (B) (D) eingehend gewidmet . Letztendlich wurden Ihre Anträge jedoch abgelehnt . Ich denke, wir sollten hier einmal grundsätzlich das Verhältnis von Bund und Bahn klären . Denn der Bund ist zwar Eigentümer der Deutschen Bahn, aber die Bahn ist als Wirtschaftsunternehmen in Form einer Aktiengesell- schaft dem Aktiengesetz unterworfen . Das bedeutet, dass der Bund keinen Einfluss auf die Entscheidungen der Deutschen Bahn im operativen Ge- schäft hat . Wir können als Bundestag nicht einfach gegen die geltenden gesetzlichen Vorgaben handeln, nur weil Ihnen eine unternehmerische Entscheidung der Deut- schen Bahn nicht passt . Da können Sie noch so viele Anträge im Bundestag stellen, die Gesetze gelten auch weiterhin . Und das ist auch gut so . Denn auch das Angebot oder eben das Einstellen der Nachtzüge ist eine solche unternehmerische Entschei- dung. Der Nachtzugverkehr ist seit Jahren defizitär, die Züge nicht gut genug gebucht . Die Kosten dagegen sind hoch . Sicherlich, eine Reise im Nachtzug kann reizvoll sein, und ich möchte gar nicht abstreiten, dass viele mit dem Nachtzug noch schöne Erinnerungen an vergangene Urlaube verbinden . Doch schöne Erinnerungen sind eben nicht alles – die Deutsche Bahn muss sich den veränder- ten Verkehrsbedürfnissen der Menschen stellen . Wie vie- le von Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linken, haben denn in den letzten Jahre noch Nachtzüge genutzt, um aus dem Wahlkreis zur Sitzungswoche in Berlin zu kommen oder um einen gemeinsamen Urlaub mit der Familie zu verbringen? Wie jedes andere Wirtschaftsunternehmen auch, muss die Deutsche Bahn sich in ihrer Ausrichtung und ihrem Angebot am Kundenverhalten und der Nachfrage orien- tieren . Wenn diese sich ändert, muss die Bahn reagieren . Sie schreiben in Ihrem Antrag, dass das Grundgesetz die Forderung enthält, dass der Bund auch im Bahnfern- verkehr gemeinwirtschaftliche Angebote zu gewährleis- ten hat und sich nicht auf die Vorhaltung der Infrastruktur beschränken darf . Das heißt aber nicht, dass die Deutsche Bahn Nachtzüge einzusetzen hat, vor allem wenn diese nicht ausreichend nachgefragt werden . Darüber hinaus arbeitet die Deutsche Bahn an einem Konzept, um den bisherigen Nachtzugverkehr zu erset- zen . Bereits jetzt verkehren auf den deutschen Schie- nen zahlreiche Nacht-ICE, die ein Angebot auch in den Nachtstunden sicherstellen . Nach Informationen der DB soll dieses Grundangebot in den Sommermonaten außer- dem durch zusätzliche ICE-Züge ergänzt werden . Die Deutsche Bahn wird insofern auch weiterhin Angebote schaffen, wo sie gefragt sind . Im Übrigen steht der Markt des Nachtzuggeschäftes ja auch für Mitbewerber offen . Wenn es denn so lukrativ ist, wie Sie hier darstellen, wird sich sicherlich ein Unternehmen finden, das in das Ge- schäft einsteigen wird . Insofern bin ich mir sicher, dass wir auch weiterhin genug Möglichkeiten haben, auf der Schiene von A nach B zu kommen, sei es am Tag oder in der Nacht . Diese Möglichkeiten bestehen aber auch ohne Ihren Antrag . Martin Burkert (SPD): Grundsätzlich möchte ich voranstellen, dass eine Befassung mit der Thematik der Nachtreisezüge im Bundestag sehr sinnvoll ist . Das ge- schieht aber bereits ausführlich . Als SPD-Bundestags- fraktion begleiten wir genau dieses Thema schon sehr lange und kontinuierlich, und auch im Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur hatten wir das Thema mehrfach auf der Tagesordnung . Wir haben in der Gro- ßen Koalition bereits wichtige Schritte zur Stärkung des Schienensektors erreicht und werden uns auch weiterhin dafür einsetzen, die Schiene als nachhaltigen Verkehr- sträger zu fördern . Das Thema „Nachtreisezug“ ist uns in diesem Zusammenhang ebenfalls ein wichtiges Anlie- gen . Die grundlegenden Rahmenbedingungen für den Nachtreiseverkehr als „rollendes Hotel auf Schienen“ ha- ben sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert . Wäh- rend zum Beispiel Flug- und Hotelkosten vergleichbar stark gesunken sind, konnte der Nachtzug mit hohen Be- triebskosten, seinen Strukturen und der harten Fernreise- buskonkurrenz einfach nicht mitziehen . Im europäischen Vergleich haben sich entsprechend viele Bahnunterneh- men vom klassischen Nachtzug verabschieden müssen . Zuletzt zu sehen auch in Frankreich . Das Nachtzuggeschäft macht in der Bilanz der Deut- schen Bahn AG einen Umsatz von knapp 90 Millionen Euro pro Jahr aus – allerdings beträgt der Anteil der Nachtverkehre in der DB lediglich 1 Prozent des gesam- ten Fernverkehrs . Unterm Strich steht bei der Sparte ein jährliches Defizit von ungefähr 30 Millionen Euro – eine Summe, die den derzeit angeschlagenen Konzern lei- der weiter belastet . Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass dieses Ergebnis einem wirtschaftlichen Betrieb der Nachtzugsparte derzeit und in der jetzigen Form entge- gensteht . Wir erleben derzeit, dass sich viele Menschen mit großem Engagement für die Nachtzüge einsetzen . Ich selbst habe eine Petition mit fast 30 000 Unterschriften entgegengenommen . Die Deutsche Bahn arbeitet auch aus diesem Grund an einem tragfähigen Betriebskon- zept, um Nachtreiseverkehre in Deutschland in verschie- densten Formen weiterhin zu ermöglichen, den eigenen Geschäftsbereich aber gleichzeitig wieder wirtschaftlich ausgestalten zu können . Wie bereits vielfach in der Presse zu lesen war, wird hierzu auch mit anderen Unternehmen verhandelt, um eigene Betriebsstärken mit Angeboten anderer Anbieter zu kombinieren, Kompetenzen zu bündeln und so einen guten Angebotsumfang zu realisieren . So steht im Raum, gegebenenfalls in Zusammenarbeit mit der Österreichi- schen Bundesbahn (ÖBB) ein gemeinsames Konzept zu entwickeln, das die bisherigen Nachtzugverbindungen inklusive der gefahrenen Zugkilometer in Deutschland auch zukünftig abdecken wird . Anders als die DB AG kann die ÖBB, die bereits heute in Deutschland Nachtzüge fährt, 20 Prozent ihres gesam- ten Fernreisesegments mit Nachtzügen wirtschaftlich be- treiben und deshalb die nötigen Kapazitäten vorhalten . Das hat mit der besonderen Unternehmensstruktur und den örtlichen Begebenheiten in Österreich zu tun . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 201618152 (A) (C) (B) (D) Die DB AG fährt bereits heute auch nachts mit norma- len ICEs in Deutschland . Diese Nacht-ICEs sind sehr gut nachgefragt und können, unter Einbindung von Nachtrei- seangeboten anderer Unternehmen, möglicherweise eine sinnvolle Angebotsergänzung darstellen . Den besonde- ren Qualitätsansprüchen der Kunden gilt es im Segment allerdings Rechnung zu tragen . Eines sage ich aber ganz deutlich: Ein Betriebskonzept auf dem Rücken der Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh- mer darf es natürlich nicht geben . Die Attraktivität und Angebotsbreite des Schienensektors an sich sind zudem weitere wichtige Säulen, die es grundsätzlich zu stärken gilt . Ich sage deshalb ganz klar, dass Kundenansprüche, Wirtschaftlichkeit und die Interessen von Arbeitneh- merinnen und Arbeitnehmern in Einklang gebracht wer- den müssen . Ich bin aber zuversichtlich, dass man hier sinnvolle Lösungen finden kann. Es bleibt deshalb abzuwarten, wie sich die Planungen und Verhandlungen der Deutschen Bahn AG hierzu gestalten . Mit diesem Antrag der Fraktion Die Linke allerdings schon jetzt voreilige Schlüsse zu ziehen, halten wir für falsch . Deshalb kann vonseiten meiner Fraktion diesem Antrag nicht zugestimmt werden . Sabine Leidig (DIE LINKE): Das Thema Nachtzüge ist wie üblich zu einer Zeit aufgesetzt, an dem in früheren Zeiten schon alle Nachtzüge im Land unterwegs waren – als es sie noch gab . Inzwischen ist das Netz auf ein paar wenige Züge zusammengeschrumpft, die die Deutsche Bahn AG lieber heute als morgen auch noch stilllegen würde . Spätestens im Dezember soll endgültig Schluss für die letzten Nacht- und Autozüge sein, so die Ankün- digung der DB AG . Die Debattenzeit illustriert leider die Bedeutung, die das Thema für den Bundestag hat; wir als Opposition müssen es immer wieder hier einbringen, damit über- haupt eine Debatte stattfindet. Dabei sind die Nachtzü- ge die einzige Option für ein klimafreundliches Reisen auf weiten Strecken, auf denen sonst in der Regel ge- flogen wird. Normalerweise sagt man, dass die längere Reisezeit mit dem Zug ein Nachteil der Bahn sei . Mit dem Nachtzug wird genau dies aber zur Stärke der Bahn: Denn nur mit ihm kann man bequem schlafend reisen und am nächsten Morgen pünktlich zum Frühstück in ei- ner anderen Stadt ankommen . Hunderttausende von Kundinnen und Kunden wissen dies weiterhin zu schätzen . Obwohl die DB AG in den letzten Jahren so gut wie nichts mehr in die Sparte inves- tiert hat, sind die Züge noch immer gut gebucht . Trotz- dem will die DB AG sie nicht mehr weiter betreiben, und mir ist immer noch nicht klar, warum eigentlich . Warum wirft man mit Gewalt Kundinnen und Kunden heraus, die doch offensichtlich Bahn fahren wollen, die nun aber gar kein brauchbares Angebot mehr vorfinden? Denn auf solchen Strecken am Tag zu reisen und mehrmals umstei- gen zu müssen, das ist für den weit überwiegenden Teil der Fahrgäste keine Alternative, sondern sie setzen sich dann auch ins Flugzeug . Bis zum Januar 2015 sagte die DB AG immer: Die Nachtzüge werden nicht mehr nachgefragt, die Kund- schaft läuft davon . – Bei der immer weiteren Verschlech- terung des Angebots – man denke nur an die Streichung der Bordrestaurants, in denen man früher noch essen und ein Glas Wein trinken konnte, bevor man es sich im Schlafwagenabteil gemütlich gemacht hat – wäre das gar nicht einmal verwunderlich; es war aber schlichtweg falsch . In der Anhörung im Verkehrsausschuss am 14 . Ja- nuar 2015 musste der damalige DB-Vorstand Homburg zugeben, dass die Züge nach wie vor gut gebucht sind . Im Klartext: Die DB AG hatte vorher gelogen, das muss man einmal ganz klar so benennen . Seitdem bleibt die zweite Argumentationslinie der DB AG: Die Züge seien unwirtschaftlich . Gestern titel- te die Stuttgarter Zeitung: „Österreichische Bahn rettet deutsche Nachtzüge“ . Tatsächlich wird schon länger ge- munkelt, dass die ÖBB einige Nachtzugstrecken über- nehmen wolle . Da drängt sich aber doch die Frage auf: Was können die Österreicher, was die Deutschen nicht können? Wie kann es sein, dass in Österreich der Nacht- zuganteil ausgebaut wird und inzwischen bei knapp 20 Prozent liegt – während der DB AG nicht anderes ein- fällt als der Ausstieg? Und das, obwohl es in der Anhö- rung am 14 . Januar 2015 sogar noch die Zusage gegeben hatte, dass ein neues tragfähiges Konzept für diese Sparte entwickelt würde . Und es war der jetzige österreichische Bundeskanzler, der noch bei der ÖBB-Bilanzpressekon- ferenz im März sagte: Diese Züge rechnen sich . – Warum schaffen es die ÖBB offensichtlich, Nachtzüge erfolg- reich und wirtschaftlich zu betreiben? Wir sagen: Wenn die ÖBB einige Nachtzüge weiter betreiben, ist das natürlich besser als nichts . Vermutlich werden die ÖBB auch einiges mehr an Energie und Ide- en in diese Sparte stecken als die DB AG in den letzten Jahren – die Ausschreibung neuer Wagen deutet schon in eine sehr gute Richtung . Aber die ÖBB werden wohl nicht das gesamte Netz übernehmen, und somit fehlen immer noch viele Verbindungen im Netz von Deutsch- land in die Nachbarländer . Und wir sollten die DB AG als Bundesunternehmen hier nicht aus der Verantwortung lassen: In einem zusammenwachsenden Europa brauchen wir aber diese Verbindungen . Europa wächst doch nicht nur in der Luft zusammen, sondern es sollte vor allem auch auf der Schiene zusammenwachsen! Für ein gesamteuropäisches Netz gibt es seit etwa ei- nem Monat ein Konzept: Den „LunaLiner“ . Da haben sich Bahnexperten unabhängig von der DB AG zusam- mengesetzt und überlegt, wie ein gesamteuropäisches Netz von Nachtzügen eigentlich aussehen müsste . Die- ses System ist vertaktet geplant, sodass sich die Züge in bestimmten Bahnhöfen treffen und Wagen austauschen können . Damit könnte man sehr viele Direktverbindun- gen quer durch Europa im Schlaf anbieten . Das Konzept ist eine Grundlage für eine überfällige Debatte über die Zukunft der Nachtzüge . Das kann sicherlich nicht die DB AG alleine schaffen, aber dann benötigen wir einen europäischen Zusammenschluss der Bahnen, der ein sol- ches Netz gemeinschaftlich betreibt . Das ist alles andere als Traumtänzerei: So etwas gab es schon . Die „Compagnie Internationale des Wa- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 2016 18153 (A) (C) (B) (D) gons-Lits“ hat früher ein großes Nachtzugnetz in ganz Europa betrieben – vor dem Zweiten Weltkrieg mit über 2 000 Wagen und Verbindungen durch ganz Europa bis nach Istanbul . Und wir wissen doch alle, dass es mit dem klimaschädlichen Flugverkehr so nicht weitergehen kann, wir brauchen so etwas also wieder, wenn wir auch in Zukunft in Europa mobil bleiben wollen! Vor einigen Wochen sagte DB-Chef Grube der FAZ auf die Nachfrage nach den Nachtzügen, wir sollten uns überraschen lassen, das Aus des Nachtzugs sei noch nicht besiegelt . Wir warten bis heute auf diese Überraschung . Aber die Zeit drängt extrem: Denn innerhalb der DB AG werden die Beschäftigen der Nachtzugsparte schon jetzt in andere Bereiche abgeworben . Schon jetzt gibt es einen massiven Personalmangel . Züge, die eigentlich mit vier Mitarbeitern besetzt sein müssten, fahren teilweise nur noch mit zwei Mitarbeitern . Die verbliebenen Kollegin- nen und Kollegen befinden sich im Dauerstress. Weil sie sich für ihre Züge einsetzen und noch an eine Zukunft glauben, versuchen sie, den Betrieb aufrechtzuerhalten, obwohl es eigentlich kaum noch geht . In der Nacht von letztem Samstag auf Sonntag gab es dann schon den ersten Ausfall: Für den vollbesetzten Autozug von Lör- rach nach Hamburg war kein Zugführer greifbar . Der Lokführer weigerte sich zu Recht, den Zug regelwidrig ohne Zugführer zu fahren; die Folge: Der Zug stand drei Stunden in Karlsruhe, bis endlich ein Ersatzzugführer ge- funden war . Da muss man sich schon fragen: Fährt die DB AG die Züge bewusst vor die Wand, um neuen Anbietern das Le- ben möglichst schwer zu machen? Legt sie alles darauf an, dass die Züge schon vor dem Sommer endgültig ka- putt gemacht werden? Die Reden von neuen Konzepten sind doch dann nur Lippenbekenntnisse, wenn es bald schon keine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mehr gibt, mit denen man so etwas überhaupt umsetzen könnte, und wenn die Kundschaft vergrault wird . Wir brauchen die Nachtzüge weiter; sie sind sinnvoll, und sie werden nachgefragt . Und wenn man es richtig macht, dann lassen sie sich auch wirtschaftlich betreiben, da habe ich keinen Zweifel . Daher fordere ich Sie alle auf: Stimmen Sie unserem Antrag zu, damit wir endlich eine Grundlage dafür haben, die DB AG in diesem Be- reich zu ihrem grundgesetzlichen Auftrag zu zwingen: nämlich ein vernünftiges Verkehrsangebot auch auf Fernreisen in die Nachbarländer zu machen . Gerade findet parallel bekanntlich das EM-Spiel Frankreich – Deutschland statt . Die nächste EM in vier Jahren wird in 13 Städten Europas stattfinden. Bis dahin brauchen wir wieder ein funktionierendes europäisches Nachtzugnetz – nicht nur für Fußballfans, sondern auch für Familien, Geschäftsreisende und alle, die bequem rei- sen wollen . Matthias Gastel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir befinden uns in bahnpolitisch bewegten Zeiten. Heute stand schon das Eisenbahnregulierungsgesetz auf der Tagesordnung, das Thema Stuttgart 21 schlägt in diesen Tagen wieder Wellen, und auch die Nachtzüge als wichti- ger Bestandteil einer klimafreundlichen Mobilität stehen bei der Deutschen Bahn aktuell zur Debatte . Nun haben wir einen Antrag der Linksfraktion zu den Nachtzügen auf dem Tisch – und ja, auch uns beschäftigt die Zukunft des Nachtzugverkehrs . Wenn man die aktuelle Berichter- stattung über die Nachtzüge verfolgt, gibt es hier aktuell wenig Licht und viel Schatten . Die Entwicklung des Nachtzugsgeschäfts der Deut- schen Bahn bereitet auch uns Grünen seit einigen Jahren einige Sorgenfalten . Schon im Dezember 2014 wurde das Nachtzugnetz der Deutschen Bahn deutlich geschrumpft . Man denke nur an die Abbestellung der CityNight- Line-Züge zwischen Berlin und Paris, zwischen Ham- burg und Amsterdam oder auch zwischen Prag, Dresden, Berlin und Kopenhagen . Doch jenseits der Entwicklung einzelner Nachtzugli- nien sehen wir Grüne ein viel grundsätzlicheres Problem beim Schienenverkehr . Während sich die Bahnreform von 1994 im Schienenpersonennahverkehr in vielen Be- reichen durchaus bewährt hat, sieht es im Fernverkehr und eben auch im Nachtreiseverkehr überhaupt nicht gut aus . Der Artikel 87 Absatz 4 Grundgesetz sagt hierzu klar und eindeutig: „Der Bund gewährleistet, dass dem Wohl der Allgemeinheit, insbesondere den Verkehrsbe- dürfnissen, beim Ausbau und Erhalt des Schienennetzes der Eisenbahnen des Bundes sowie bei deren Verkehrs- angeboten auf diesem Schienennetz, soweit diese nicht den Schienenpersonennahverkehr betreffen, Rechnung getragen wird . Das Nähere wird durch Bundesgesetz ge- regelt .“ Der verfassungsmäßige Auftrag des Bundes ist klar: Nicht nur beim Aus- und Neubau der Schienenwege hat der Bund eine Gemeinwohlverpflichtung, sondern eben auch bei den Mobilitätsangeboten im Fernverkehr . Nur fehlt seit mehr als 20 Jahren dieses in Artikel 87e er- wähnte Bundesgesetz . Dieses fehlende Bundesgesetz ist auch die Ursache dafür, dass die Bahnreform beim Schie- nenfernverkehr noch immer kaum Früchte trägt . So stagniert die Nachfrage im Schienenpersonen- fernverkehr in Deutschland seit über 20 Jahren bei etwa 400 Personenkilometern pro Kopf, während in der glei- chen Zeit erfolgreiche Länder wie Schweden oder die Schweiz die Nachfrage im Fernverkehr bis zu 65 Pro- zent steigern konnten . In der Schweiz reden wir über 1 600 Personenkilometer pro Kopf im Jahr, also über die vierfache Verkehrsleistung . Auch in Schweden liegt die Verkehrsleistung mit 600 Personenkilometern pro Kopf und Jahr noch immer noch 50 Prozent über dem deutschen Wert im Fernverkehr . In Schweden wurde die Verkehrsleistung seit 1994 immerhin um 35 Prozent ge- steigert, während Deutschland auf gleichbleibendem Ni- veau arbeitet . Das alles wirkt sich natürlich auch auf das Nachtzuggeschäft aus . Dort, wo schon das Fernzugge- schäft kaum Performance entwickelt, wird auch ein gutes Nachtzuggeschäft nur noch wenig ausrichten . Daher sind die im Antrag angesprochenen Punkte zwar durchaus wichtig, aber es ist nicht Aufgabe des Bundes, einzelne Nachtzuglinien zwischen bestimmten Städten einzurichten oder die Trassenentgelte im Nachtzugver- kehr festzulegen . An dieser Stelle muss ich die Deutsche Bahn sogar einmal in Schutz nehmen: Die DB Netz AG Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 201618154 (A) (C) (B) (D) sieht ja mit dem neuen marktsegmentorientierten Tras- senpreissystem ganz klar ein eigenes Marktsegment für die Nachtzüge vor, bei dem diese zwischen 23 Uhr und 6 Uhr morgens ein spürbar niedrigeres Trassenentgelt zahlen sollen als der Schienenfernverkehr tagsüber . Primär muss es Aufgabe der Politik sein, gute Rah- menbedingungen für den Schienenfernverkehr insgesamt und für den Nachtzugverkehr im Besonderen zu schaf- fen . Dafür muss man bei der Bahnreform von 1994 nach- steuern, gute Ansätze weiter vorantreiben und auch den Fernverkehr als Wettbewerbsmarkt entwickeln wollen . Wir brauchen praktisch eine Bahnreform 2 .0 . Für eine solche Bahnreform 2 .0 spricht, dass wir die erfolgreichen Elemente der ersten Bahnreform nun auch konsequent für den vom Grundgesetz geforderten zweiten Schritt übernehmen und dort, wo jetzt schon Nachbesserungsbedarf da ist, gezielt nachsteuern . Wir erfinden nicht das Rad völlig neu, sondern schaffen für den Fern- und Nachtzugverkehr die Instrumente, die wir schon aus dem Nahverkehr kennen . Dazu gehört, dass wir endlich die unsinnige Marktab- grenzung zwischen Personennahverkehr und -fernver- kehr in Deutschland aufheben und den sich gut bewährten Ansatz der Aufgabenträgerschaft auch für den Fernver- kehr anwenden . Zugleich würden wir mit einem Fernver- kehrssicherstellungsgesetz auch den Nachtzugverkehr in die Offensive bringen . Seien wir doch ehrlich, die derzei- tigen Debatten um den Nachtzug sind viel zu defensiv, viel zu sehr von Rückzugsgefechten geprägt . Mit einem Fernverkehrssicherstellungsgesetz, wie es einige Länder vorantreiben, würde dagegen der Fernverkehr insgesamt und auch der Nachtzugverkehr im Besonderen wieder in die Offensive kommen . Uns Grünen ist wichtig, dass wir auch das Nachtzugan- gebot jenseits der Deutschen Bahn AG in den Blick neh- men . Da gibt es durchaus erfreuliche Entwicklungen zu verzeichnen . So wollen die Österreichischen Bundesbah- nen große Teile des Nachtzugangebotes der Deutschen Bahn übernehmen und auch im Autoreisezugbereich aufsatteln . Unser Ziel sollte sein, im Fernverkehrsmarkt richtigen Open Access und damit wirklichen Wettbewerb auf der Schiene zu ermöglichen . Damit käme die Deut- sche Bahn schneller in die Gänge, ein breiteres Angebot und besseren Service zu liefern . So kämen wir als Bund weg von der bis heute fehlenden Fernverkehrsstrategie in Deutschland hin zu einem Wettlauf um das beste An- gebot und um die beste Servicequalität . Dann würde die Deutsche Bahn wieder mehr Nachtzugangebote auf die Schiene setzen . Lassen Sie uns daher die Debatte richtig führen, nicht im Klein-Klein um einzelne Nachtzuglinien, sondern um den im Grundgesetz verbrieften Gemeinwohlauftrag des Bundes im Fern- und Nachtzugverkehr und um die richti- gen Rahmenbedingungen für wirklichen Wettbewerb auf der langen Strecke . Dafür ist uns der vorliegende Antrag zu kurz gesprungen, da er noch viele Fragen offen lässt . Lassen Sie uns den Fern- und Nachtzugverkehr strate- gisch neu aufstellen, mit Trassenpreisen auf Grenzkos- tenniveau über einen Deutschlandtakt bis hin zum Open Access für richtigen Wettbewerb auch bei Fern- und Nachtzugangeboten . Die heutige Debatte kann dazu ein guter Auftakt sein . Anlage 15 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung einge- brachten Entwurfs eines ... Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches – Strafbarkeit von Sport- wettbetrug und der Manipulation von berufssport- lichen Wettbewerben (Tagesordnungspunkt 10) Dr. Volker Ullrich (CDU/CSU): Der heutige Tag steht im Zeichen des zweiten Halbfinalspiels der Euro- pameisterschaft in Frankreich . Um 21 .00 Uhr werden die Nationalmannschaften von Deutschland und Frankreich gegeneinander antreten . Tausende von Fans werden im Stadion ihr Team anfeuern . Ein Millionenpublikum wird vor dem heimischen Fernseher oder beim Public Viewing das Spiel verfolgen . Wir erwarten einen schönen Fußbal- labend mit einem positiven Ausgang für die favorisierte Mannschaft . Was hat das nun mit der heutigen Plenarde- batte zu tun? Wir gehen mit größter Selbstverständlichkeit davon aus, dass jeder Spieler den größtmöglichen Einsatz für seine Mannschaft gibt . Der Sport vermittelt positive Wer- te wie Leistungsbereitschaft, Toleranz und Teamgeist . Der Sportwettbewerb lebt aber auch von klaren Regeln . Die Einhaltung dieser Regeln fassen wir allgemein als Fairness auf . Wir gehen heute Abend mit guten Gründen von einem fairen Spiel aus . Es gibt Regelverstöße, die schnell geahndet werden können . Ich denke an ein Foulspiel im Fußball, welches einen Freistoß zur Konsequenz hat . Es gibt aber Regel- verstöße, die eine größere Tragweite haben und auf den ersten Blick nicht erkennbar sind . Ich spreche hier von der Manipulation von Sportwettbewerben durch Spieler und Trainer . Leider handelt es sich nicht um ein abstraktes Bedro- hungsszenario . Der Wettskandal im Jahre 2005 mit ma- nipulierten Spielen rund um den Schiedsrichter Robert Hoyzer erschütterte nicht nur die Fußballwelt . Das Ver- trauen in die Leistung der Schiedsrichter und die Integ- rität des professionellen Fußballs wurde infrage gestellt . Es ist unzweifelhaft, dass Manipulationen von Sport- wettbewerben und der Sportwettbetrug die Integrität des Sports erheblich beeinflussen. Die Integrität des Sports beruht in der Unverfälschtheit und Authentizität sport- licher Wettbewerbe . Der Imageschaden spiegelt sich schließlich in einer Verletzung von fremden Vermögen und Gewinnausfällen wider . Ehrliche Sportvereine und Veranstalter erleiden einen Rückgang von Eintritts- und Sponsorengeldern . Redliche Sponsoren werden zu Un- recht in den Zusammenhang von Spielmanipulationen gebracht . Anbietern von Sportwetten und Wettteilneh- mern werden die Gewinne vorenthalten . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 2016 18155 (A) (C) (B) (D) Bei einem erheblichen sozialschädigenden Verhalten ist stets das Strafrecht auf den Plan gerufen . Als Ultima Ratio hat das Strafrecht schwere Verfehlungen zu ahn- den . Die Manipulation von Sportwettbewerben und der Sportwettbetrug stellt eindeutig ein erhebliches straf- rechtliches Unrecht dar . Bisher war eine Vielzahl von Fällen durch den Straf- tatbestand des Betruges bereits erfasst . In der richterli- chen Praxis bestehen aber Nachweisprobleme für die konkreten Vermögenseinbußen . Die Spielmanipulation erfüllt derzeit keinen spezifischen Straftatbestand. Den- noch ergibt sich die Strafbarkeit aus einer Beihilfehand- lung zum Betrug durch Sportwetten . In den Ausschusssitzungen wird über die derzeitigen Lücken in der Strafbarkeit, aber auch über die Lücken der Nachweisbarkeit von strafbarem Verhalten zu spre- chen sein . Ein besonderes Augenmerk sollte auf die ge- schützten Rechtsgüter gelegt werden . Ist tatsächlich die Integrität des Sports das schützenswerte Rechtsgut, oder lässt sich der strafrechtliche Schutz letztendlich doch auf das Vermögen zurückführen? Wir sollten auch über die konkrete Definition der Manipulation sprechen. Wo sind die Grenzen zu ziehen? Es stellt sich ebenfalls die Frage, ob die Manipulation auf den Berufssport begrenzt sein soll . Gehen wir mit diesen Fragen in die Ausschussbera- tung! Ingo Wellenreuther (CDU/CSU): Fast genau zwölf Jahre ist es her – am 21 . August 2004 –, als ein Aufei- nandertreffen zwischen dem damaligen Drittligisten SC Paderborn und dem Bundesligisten Hamburger SV im DFB-Pokal unrühmliche Geschichte schrieb: Es war der markanteste Fall des Wettskandals um den ehemali- gen deutschen Fußballschiedsrichter Robert Hoyzer . Der HSV verlor nach einer 2:0-Führung noch mit 2:4, und Hoyzer hatte großen Anteil daran . Im Zuge des Bekanntwerdens des Skandals im Jahr 2005 gab Hoyzer zu, Spiele der 2 . Fußball-Bun- desliga, des DFB-Pokals und der Fußball-Regionalliga verschoben zu haben, dass die erwünschten Ergebnisse – auf die zuvor gewettet wurde – herauskamen . Berichten zufolge hatte Hoyzer zudem regelmäßig Kontakt zur kroatischen Mafia. Der Fußball-Wettskandal 2005 gilt bis heute als die größte Affäre im deutschen Fußball seit dem Bundesliga-Skandal in der Saison 1970/71 . Wir diskutieren heute den vorliegenden Gesetzent- wurf, der zwei neue Straftatbestände schafft, die beide Manipulationsabreden im Sport betreffen . Diese gesetz- lichen Regelungen finden ihren Niederschlag im § 265c StGB als Sportwettbetrug, wenn sie einen Bezug zu Sportwetten haben, und in § 265d StGB, wenn sie keinen Bezug zu Sportwetten haben, aber dennoch berufssport- liche Wettbewerbe betreffen . Damit setzt der Deutsche Bundestag als Gesetzge- ber das um, wozu im Mai 2013 die Sportminister der 5 . UNESCO-Weltkonferenz in Berlin die Mitgliedstaa- ten aufgerufen haben: nämlich etwas gegen die Mani- pulation von Sportwetten zu tun . Zum anderen wird das umgesetzt, was der Europarat am 9 . Juli 2014 den Ver- tragsstaaten vorgegeben hat, nämlich die Manipulation von Sportwetten unter Strafe zu stellen . Dieses Überein- kommen des Europarats hat Deutschland am 18 . Septem- ber 2014 unterschrieben . Drittens setzen wir um, was wir in unserer Koalitionsvereinbarung beschlossen haben, nämlich nicht nur gegen Doping, sondern auch gegen die Manipulation von sportlichen Wettbewerben und Sport- wettbetrug vorzugehen . An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass es vor allem der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zu verdanken ist, dass nicht nur der Sportwettbetrug, sondern auch die Manipulation von berufssportlichen Wettbewerben, die keinen Bezug zu Sportwetten haben, unter Strafe gestellt wird . Nachdem das Justizministerium anfänglich irriger- weise dafür keine Notwendigkeit gesehen hat, bin ich froh, dass ein solcher Straftatbestand jetzt doch Eingang in das Strafgesetzbuch finden wird. Ein Verweis auf die Möglichkeit verbandsinterner Sanktionsmöglichkeiten in solchen Fällen wäre nicht ausreichend gewesen, weil das Unwerturteil geringer als bei einer strafrechtlichen Verurteilung gewesen wäre . Zudem hätte es sich nicht an Dritte, sondern nur an Verbandsmitglieder gerichtet, und es wäre nicht ausreichend tauglich gewesen, weil es den Sportverbänden an ausreichenden Eingriffsbefugnissen und Aufklärungsmöglichkeiten gemangelt hätte . Die rechtspolitische Rechtfertigung solcher neuen Straftatbestände ergibt sich zunächst aus der unstrittig vorliegenden herausragenden gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bedeutung des Sports in Deutschland und der Welt . Der Sport vermittelt positive Werte wie Leistungsbereitschaft, Fairness, Toleranz und Teamgeist, schafft Vorbilder für junge Menschen und lehrt, mit Sieg und Niederlage umzugehen . Ebenso ist er ein enormer Faktor im Wirtschaftsleben, weil hohe Umsätze und hohe Gewinne erzielt sowie Arbeitsplätze und steuerliche Ein- nahmen des Staates dadurch generiert werden . Dies ist allerdings nur deshalb möglich, weil der Sport einen besonderen Reiz auf Menschen ausübt und weil das Ergebnis und der Verlauf von sportlichen Wettbe- werben nicht voraussehbar sind . Dies macht gerade die besondere Attraktivität des Sports aus . Dies alles ist durch Sportwettbetrug und Manipulation von sportlichen Wettbewerben gefährdet . Dadurch wird die Integrität des Sports und das Vermögen anderer ge- schädigt . Die Glaubwürdigkeit und die Authentizität des sportlichen Wettbewerbs werden untergraben, und der Sport wird in seiner gesellschaftlichen und wirtschaftli- chen Relevanz gefährdet . Deshalb muss der Sport gerade mit den Mitteln des Strafrechts geschützt werden, weil zudem noch bedeu- tende Vermögensinteressen vieler gefährdet sind . Anbie- ter von Sportwetten, Wettteilnehmer, ehrliche Sportler, Sportvereine, Veranstalter und Sponsoren sind betroffen . Die bisher bestehenden Strafrechtsnormen greifen zu kurz: Das hat sich dadurch bewahrheitet, weil bisher eine strafrechtliche Verfolgung von Manipulationsabreden im Sport nur unzureichend möglich war . Insbesondere be- standen im Einzelfällen Anwendungs- oder Nachweis- schwierigkeiten: beispielsweise die konkrete Feststellung Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 201618156 (A) (C) (B) (D) der Wettsetzung oder der konkrete Vermögensschaden beim Wettbetrug . Außerdem wurde in diesen Fällen das kriminelle Verhalten der Sportler und der Unrechtsgehalt ihrer Tat nicht ausreichend strafrechtlich geahndet, weil sie nur als Beihelfer zum Betrug zu bestrafen waren . Bei der Fallvariante von Spielmanipulationen ohne Wettbe- zug war § 263 StGB bisher nicht anwendbar, und § 299 StGB war deshalb nicht einschlägig, weil ein Bezug von Waren oder Dienstleistungen nicht vorlag . Daher besteht gesetzgeberischer Regelungsbedarf . Dieser ergibt sich auch daraus, dass es sich bei diesen Manipulationsabreden im Sport nicht mehr um Einzel- fälle handelt, sondern um ein immer stärker auftretendes Phänomen, wie sich aus Presseberichten, wissenschaftli- chen Veröffentlichungen und empirischen Untersuchun- gen ergibt . Deshalb ist in Zukunft in diesen Fällen der Staatsan- walt berufen und die staatlichen Gerichte gefordert . Ebenso wichtig ist, dass gesetzliche Regelungen ge- schaffen werden, um bei dieser Kriminalitätsform den Strafverfolgungsbehörden die Befugnis zur Überwa- chung der Telekommunikation zu geben und verdeckte Ermittlungsmaßnahmen zu ermöglichen . Abschließend bin ich sehr zufrieden, dass wir in die- ser Wahlperiode nach der Verabschiedung des Anti-Do- ping-Gesetzes im November 2015 nunmehr mit diesem Gesetzentwurf unsere Forderung aus der Koalitionsver- einbarung vom 27 . November 2013 umgesetzt haben, nämlich weitergehende strafrechtliche Regelungen auch im Kampf gegen Spielmanipulationen zu schaffen . Damit setzen wir ein deutliches Signal für einen sau- beren und fairen Sport und machen deutlich, dass Mani- pulation und Betrug im Sport keinen Platz haben . Detlev Pilger (SPD): Wir haben mit diesem Gesetz einen großen Schritt geschafft . Es ist ein sehr, sehr gutes Gesetz geworden, das Strafbarkeitslücken schließt und einem tatsächlichen Bedürfnis in der Strafverfolgung gerecht wird . Natürlich waren auch vor diesem Gesetz Verurteilungen im Bereich der Spielmanipulation mög- lich, aber es war schwer, diese nachzuweisen und sie unter die vorhandenen Gesetze des Strafgesetzbuches zu subsumieren . Das Phänomen des Sportwettbetruges ist vielleicht nicht neu im Sport, aber mit der zunehmenden Globalisierung und Digitalisierung hat es eine beunruhi- gende Zunahme erfahren . Nun haben wir ein Gesetz, das genau auf das zu missbilligende Verhalten abzielt und den speziellen Schwierigkeiten im Rahmen der Spiel- manipulation angepasst ist . Sportwettbetrug und Mani- pulationen von Sportwettbewerben werden in Zukunft einfacher strafrechtlich zu verfolgen sein, weil konkrete Täterkreise und konkrete Verhaltensweisen unter dieses Gesetz gefasst werden . Mit dem vorliegenden Gesetzent- wurf zur Spielmanipulation kommen wir somit unserem erklärten Ziel für einen sauberen, fairen und ehrlichen Sport immer näher . Diese Erleichterung für die Strafverfolgungsbehör- den ist natürlich ein wichtiger Schritt gewesen, aber wichtiger ist das Signal, das mit diesem Gesetz gesendet wird: Sportwettbetrug und Manipulationen von Sport- wettbewerben widersprechen der Integrität des Sportes und führen zu einem Bild in der Öffentlichkeit, das dem organisierten Sport unwürdig ist . Dieses Gesetz ist eine logische Weiterführung unseres erklärten Zieles, einen sauberen Sport zu schaffen, der für Kinder und Jugendli- che eine Vorbildfunktion einnehmen kann . Wir haben mit dem Anti-Doping-Gesetz bereits ein deutliches Zeichen gegen unfaire Praktiken im Sport gesetzt . Dieses Gesetz zur Spielmanipulation vervollständigt unsere Absichten . Wir haben in den vergangenen Jahren viel damit zu kämpfen gehabt, dass der Sport an Glaubwürdigkeit ein- gebüßt hat . Wir haben mit Dopingskandalen weltweit zu kämpfen, mit undurchsichtigen Methoden bei der Verga- be von Großsportveranstaltungen, bei der Bekämpfung von Sportwettbetrügereien weltweit . Wir haben beobach- ten müssen, wie die Umwelt belastet und zerstört wur- de, um den Bau von überdimensionierten Sportstätten zu gewährleisten . Wie Löhne von den Ärmsten der Ar- men nicht ausgezahlt wurden . Wir haben einen Skandal in unserem Land zur WM 2006 gehabt, der gerade erst aufgeklärt wird und erschreckende Praktiken aufgezeigt hat . Skrupellosigkeit und Gier scheinen bei Sportfunktio- nären nicht selten zu sein . Natürlich betrifft das nicht alle Beteiligten, aber genau deshalb müssen wir diejenigen, die für Fairness eintreten, besser schützen! Wir müssen dem Sport seine Glaubwürdigkeit zu- rückgeben . Das muss in erster Linie natürlich auch der organisierte Sport selbst machen, aber wir als Gesetzge- ber sind in der Pflicht, einen Rahmen zu setzen, in dem sich engagierte und faire Sportlerinnen und Sportler und Sportbegeisterte derart bewegen können, dass sie sich si- cher und geschützt fühlen . Aber wir haben nicht nur die Pflicht zur Sicherung eines fairen und sauberen Sportes, wir haben auch die Pflicht, das Potenzial von Sport in der Integrationsdebat- te ernst zu nehmen und dieses für uns zu nutzen . Was Sport bei der Integration von Kindern ausmachen kann, habe ich lange selber am eigenen Leib erlebt . Ich war schon mein Leben lang im Fußballbereich aktiv . Ich habe mit Kindern und Jugendlichen aus der ganzen Welt gekickt und gelernt, dass es auf dem Platz keine Unterschiede gibt . Ich habe gesehen, wie der Fußball für Kinder aus sozial schwachen Familien meist als einzige Vorbildfunktion agiert hat und die Kinder dazu bekom- men hat, Verantwortung zu übernehmen und Teamgeist zu entwickeln . Wenn diese Kinder und Jugendlichen sich anschauen, wie der Sport heute immer wieder den Stempel der Korruption und Manipulation aufgedrückt bekommt und diese Menschen nicht dafür zur Verant- wortung gezogen werden, dann muss es uns nicht wun- dern, wenn auch unsere Kinder und Jugendlichen ihr Vertrauen in den Sport verlieren . Wir dürfen dieses Risi- ko nicht eingehen, weil mit der Integrationsdebatte eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe vor uns liegt, die ohne den Sport nicht zu schaffen ist . Dr. André Hahn (DIE LINKE): Nach dem Anti-Do- ping-Gesetz soll nun auch ein Gesetz gegen Wettbetrug und Manipulation im Sport vom Bundestag verabschie- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 2016 18157 (A) (C) (B) (D) det werden . Das ist auf den ersten Blick gut und sinnvoll, denn wer sollte etwas dagegen haben, dass Betrug bei Sportwetten sowie die Bestechung von Sportlern oder Schieds- und Kampfrichtern bestraft wird . Schaut man sich nun aber die im Gesetzentwurf ent- haltenen Regelungen genauer an, so stellen sich gleich mehrere Fragen . Ich kann hier nur einige nennen: Rei- chen die derzeit geltenden strafrechtlichen Regelungen wirklich nicht aus, um Schuldige zu belangen? Warum soll nur die Manipulation in berufssportlichen Wettbe- werben strafbar sein? Was geschieht zum Beispiel, wenn beim Fußball Spiele im Amateurbereich gekauft werden, die am Ende aber über den Aufstieg in den professio- nellen Bereich entscheiden? In wie vielen und welchen Sportarten gibt es überhaupt echte Profis? Ist es nicht so, dass selbst die Spitzenathleten in vielen Sportarten nicht davon leben können und zusätzliche Unterstützung be- nötigen? Soll dort dann straffrei manipuliert werden dür- fen? Will die Koalition also ein Gesetz, das nur für eine Minderheit der Sportdisziplinen überhaupt Anwendung findet, also für die Profibereiche beim Fußball, Handball, Volleyball, Eishockey, Tennis, Boxen und dem Radsport? Die Zielsetzung des Gesetzentwurfes, die Integrität des Sportes mit allen verfügbaren Mitteln zu schützen, klingt natürlich gut, und dass die Politik hier hinsichtlich der Zukunft des Sports in der Verantwortung steht, ist auch für die Linke unstrittig . Der Deutsche Olympische Sportbund nahm auf Vor- schlag seines Präsidiums in der Mitgliederversammlung am 7 . Dezember 2013 eine Erklärung mit dem Titel „Die Integrität des sportlichen Wettbewerbs sichern – Doping und Wettbetrug konsequent bekämpfen“ an . Darin wird auf zunehmende Probleme der organisierten Kriminalität auf dem globalen Sportwetten-Markt verwiesen, denen der Sport national wie auch international konsequent ent- gegentreten muss . Und der DOSB kündigte an, was er diesbezüglich tun wolle . Inzwischen sind wir fast drei Jahre weiter, und die Situation in diesem Bereich hat sich nicht wirklich ver- bessert . In der Debatte um das Anti-Doping-Gesetz im vergan- genen Jahr schlug ich vor, im Rahmen dieses Gesetzes auch Fragen des Wettbetrugs und der Manipulation von Sportwettbewerben mit zu regeln . Ich habe dabei die Schaffung eines neuen Straftatbestandes „Sportbetrug“ angeregt, der für ganz unterschiedliche Bereiche, aber eben auch für Sportwetten und Spielmanipulationen zur Anwendung kommen könnte, und eben nicht nur im Pro- fibereich. Dies wurde von der Koalition leider abgelehnt. Jetzt präsentiert uns die Bundesregierung nun also einen eigenständigen Gesetzentwurf . Schon nach Veröffentlichung des Referentenentwurfs gab es sehr kritische Stellungnahmen, zum Beispiel vom Deutschen Richterbund und vom Deutschen Anwalts- verein . Ich denke, man muss sich mit diesen Einwänden ernsthaft auseinandersetzen, zumal sich der nun vorlie- gende Gesetzentwurf wirklich nur marginal von seinen Vorläufern unterscheidet . In der Stellungnahme des Deutschen Richterbundes vom Januar 2016 heißt es klipp und klar (Zitat): Der Deutsche Richterbund lehnt die Einführung ei- nes Straftatbestandes des Sportwettbetruges und der Manipulation berufssportlicher Wettbewerbe ab . Er fordert den Gesetzgeber auf, das Gesetzesvorhaben nicht weiter zu verfolgen … Die neuen Tatbestände der §§ 265c ff . StGB-E sol- len die „Integrität des Sports“ und das Vermögen von Wettteilnehmern und Anbietern von Sportwet- ten schützen . Bei der „Integrität des Sports“ handelt es sich um kein Rechtsgut, welches strafrechtlichen Schutz beanspruchen könnte . Der Versuch des Ge- setzgebers, die „Integrität des Sports“ über das Ge- setz zur Bekämpfung von Doping im Sport und über die hier neu zu schaffenden Straftatbestände erst als Rechtsgut zu erschaffen, um Verletzungen dieses Rechtsguts dann strafrechtlich schützen zu können, ist abzulehnen . Die Integrität des Sports, dessen Werte und gesellschaftliche Funktion muss sich der Sport selbst erarbeiten . Sie kann nicht durch den Gesetzgeber als existent postuliert und durch Straf- verfolgung gesichert werden . Und weiter heiß es beim Richterbund: Mit der geplanten Strafbarkeit von Wettbetrug und Manipulation von Veranstaltungen des „organisier- ten Sports“ bzw . von „hochklassigen Veranstaltun- gen“ sollen Tatbestände für sportliche Ereignisse geschaffen werden, welche‚ infolge der Professio- nalisierung, Medialisierung und Kommerzialisie- rung … zu einem herausragenden wirtschaftlichen Faktor“ geworden sind . Dieser Wertung sportlicher Großereignisse als Wirt- schaftsfaktor ist zuzustimmen . Daher sind auf diese Veranstaltungen uneingeschränkt die Regeln wirt- schaftlichen Handelns, einschließlich des Verbotes von Bestechlichkeit und Bestechung im geschäft- lichen Verkehr, § 299 StGB, anzuwenden . Darüber hinausgehende Sonderstraftatbestände sind nicht erforderlich .“ – So das Fazit des Richterbundes . Ähnlich lautet die Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins, der den Referentenentwurf ebenso deutlich ablehnt . Diskussionsbedarf sehe ich auch bei der mit diesem Gesetz verbundenen Ausweitung verdeckter Ermitt- lungsmaßnahmen wie der Telefonüberwachung . Ein weiteres Problem sind fehlende Definitionen zentraler Begriffe . Sport wird, wie bereits im Anti-Doping-Gesetz, nicht definiert. Was ein berufssportlicher Wettbewerb ist, bleibt weitgehend offen, ebenso, was strafrechtlich als wettkampfwidrig anzusehen ist . Dr . Peter Schneiderhan, Oberstaatsanwalt in Stuttgart und Mitglied im Präsidium des Deutschen Richterbun- des, betont in seinem Beitrag: „Die ‚Integrität des Sports‘ als ein Schutzgut ist eine Forderung an den Sport, wel- che dieser selbst einlösen muss . Sie kann nicht vom Ge- setzgeber mit der Feststellung, der Sport sei Träger von positiven Werten, wie Leistungsbereitschaft, Fairness, Toleranz und Teamgeist postuliert werden . So sehr die Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 201618158 (A) (C) (B) (D) Einhaltung dieser Werte zu fordern ist, sind sie in dieser Unverbindlichkeit keine Rechtsgüter, die strafrechtlich geschützt werden könnten . Es ist offen, welchen Sport der Gesetzgeber schützen will . Daher ist das Gesetz überflüssig.“ Für Transparency International Deutsch- land e . V . war bei der Beurteilung entscheidend, ob die geplanten Regelungen geeignet erscheinen, Sportwett- betrug und Manipulationen von Sportwettbewerben ef- fektiv einzudämmen . Die Organisation kommt zu fol- genden Schluss: „Das in der Überschrift formulierte Ziel der ‚Strafbarkeit von Sportwettbetrug‘ wird so jedenfalls nicht oder zumindest nicht vollständig erreicht . Hierfür ist der Referentenentwurf zu eng gefasst und nur auf den Vermögensschutz konzentriert .“ Viel wichtiger wäre es aus der Sicht von Transparancy, endlich die überfällige angemessene und rechtssichere Regulierung des Sport- wettmarktes anzugehen, die bekanntlich jedoch nicht in der Zuständigkeit des Bundes liegt . Berechtigt sind aus Sicht der Linken auch die Einwendungen des Nationalen Normenkontrollrates, der eine Evaluierungsfrist im Ge- setz einfordert . Mein Resümee: Nicht alles, was in bester Absicht vorgelegt wird und auf dem ersten Blick gut aussieht, ist letztlich wirklich geeignet . Der Diskussionsbedarf zu diesem Gesetzentwurf, auch mit den Vertretern des Sports und den Juristen, ist offensichtlich . Die Linke wird sich hierbei gern einbringen . Özcan Mutlu (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Heute Abend spielen Frankreich und Deutschland gegeneinan- der im Halbfinale der Fußballeuropameisterschaft. Und wenn ich mir das Spiel ansehe, dann könnte ich da ganz unterschiedliche Dinge sehen: Ich könnte zweiundzwan- zig Sportler auf einem Feld sehen, die in zwei Teams gegeneinander antreten, um auszuspielen, welches das bessere ist . Ich könnte 67 000 Zuschauerinnen und Zu- schauer im Marseiller Stadion sehen, die die Teams be- geistert anfeuern, und einen Schiedsrichter mit seinen Assistenten, die das Spiel leiten und darauf achten, dass alle Regeln eingehalten werden . Ich könnte da auch eine Hochglanz-Veranstaltung der UEFA sehen, eines Verbands, dessen Funktionäre in frag- würdige Deals verwickelt sind und die mit der EM Milli- arden verdienen . Ich könnte auch ein Land sehen, in dem wegen der EM höchste Sicherheitsvorkehrungen gelten, die die Bürgerrechte der Einwohnerinnen und Einwohner massiv einschränken . Ich könnte mich fragen, wie viele der Spieler mit verbotenen Mitteln oder Methoden nach- helfen, um ihre Leistung zu verbessern . Und schließlich: Ist das Spiel überhaupt fair? Manipuliert ein Spieler, ein Trainer, ein Schiedsrichter, um sich selbst und andere da- ran zu bereichern? Bereicherung – Das ist es, worum es im Sport immer mehr geht, egal ob durch Korruption, Doping oder eben Wettbetrug . Geld und Gier machen den sauberen Sport kaputt . Verbände sind oft ratlos . Manche Verbandsspit- zen mischen teilweise und möglicherweise – man weiß es nicht – in verschiedenen dunklen Machenschaften mit, und der Gesetzgeber soll und will es nun offenbar nun regeln . Und so legen Sie, liebe Bundesregierung, uns diesen Gesetzentwurf zur Änderung des Strafgesetzbuches, zur Strafbarkeit von Sportwettbetrug und der Manipulation von berufssportlichen Wettbewerben vor . Bei genauer Betrachtung muss ich aber eines konstatieren: Sie haben nicht ganz verstanden, wo das Problem liegt, wie es be- kämpft werden kann, und hoffen, dass niemand merkt, dass Sie mit dieser Aktion nur Scheinlösungen präsentie- ren und am Ziel völlig vorbei schießen . Zum einen – das wissen Sie selbst – ist Sportwettbe- trug bereits heute schon strafbar . Unter anderem § 263 zu Betrug und § 299 zur Bestechlichkeit und Bestechung im Strafgesetzbuch erlauben heute schon die Strafver- folgung bei Sportwettbetrug und Spielmanipulation . Die Gesetzeslücke, von der Sie sprechen, gibt es in der Weise gar nicht . Ihr Entwurf führt zu nichts anderem als unnöti- ger Beschäftigungstherapie für Ermittlerinnen, Ermittler und Justiz . Aber nicht nur das: Der Gesetzentwurf strotzt nur so von Unklarheiten und unscharfen oder gar nicht definier- ten Begriffen, Normen und Tatbeständen, die vermutlich auch kaum zu beweisen sind . Muss nun beim nächsten Foul der Staatsanwalt ermitteln? Aus Ihrem Gesetz geht es nicht hervor . Und was sind für Sie denn „Einnahmen von erheblichem Umfang“? Einerseits wollen Sie mit diesem Gesetz angeblich alle möglichen Verstöße und Personengruppen umfassen, andererseits gibt es doch wieder seltsame Ausnahmen und riesige Lücken . Ich könnte hier auf zahlreiche Details eingehen, aber dafür reicht leider meine Redezeit nicht . Deshalb will ich nur ein Beispiel nennen: Eine Verabredung zum Un- entschieden bei einem Wettkampf bliebe gemäß diesem Entwurf straffrei, weil das ja nicht zugunsten des Wettbe- werbsgegners wäre . Das ist schlicht absurd . Weiterhin fußt das Gesetz teilweise auf falschen An- nahmen . So setzen Sie zum Beispiel voraus, dass Sport- lerinnen und Sportler bei jedem Wettbewerb stets alle Kräfte dafür aufbringen wollen, um zu gewinnen . Dabei kann es durchaus sein, dass eine Sportlerin in einem Vor- rundenspiel ihre Kräfte für die nächste Runde schont, wenn sie bereits qualifiziert ist. So tat es auch unser Jogi Löw strategisch bei der WM 2014 in Brasilien oder der laufenden EM in Frankreich . Wir sagen: Dieser Entwurf ist nicht praxistauglich! Und ob all das daran liegt, dass Sie all die Mängel übersehen haben, oder daran, dass Sie das Gesetz – so wirkt es zumindest – mal eben so „dahingerotzt“ haben, sei dahingestellt . In jedem Fall macht es Ihr Anliegen, die Integrität des Sports zu schützen, fragwürdig . Mit unserer Kritik sind wir im Übrigen in guter Ge- sellschaft, denn sämtliche Rechtsexpertinnen und -ex- perten teilen unsere Auffassung . Der Richterbund, die Anwaltskammer und viele andere kritisieren und lehnen Ihren Gesetzesentwurf zu Recht ab . Daher appelliere ich erneut an Ihre Vernunft . Wenn Sie das Gesetz einfach nicht verabschieden, richten Sie den geringsten Schaden an . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 2016 18159 (A) (C) (B) (D) Heiko Maas, Bundesminister der Justiz und für Ver- braucherschutz: In Frankreich findet die Fußball-EM statt, und wir spüren in diesen Tagen wieder, welch enorme Bedeutung der Sport in unserer Gesellschaft hat: Am Samstagabend saßen allein in Deutschland mehr als 30 Millionen Menschen vor dem Fernseher und haben den Sieg der deutschen Mannschaft gesehen . Auch wirtschaftlich ist der Sport ein bedeutender Fak- tor, dies zeigen aktuelle Zahlen aus der Welt des Fuß- balls . Für die Übertragungsrechte ihrer Spiele kassiert die Bundesliga im kommenden Jahr eine neue Rekord- summe: 4,6 Milliarden Euro . Aber das Leben lehrt uns: Wo Ruhm und Reichtum winken, sind Betrug und Beste- chung niemals weit . Das gilt auch für den Sport . Im vergangenen Jahr haben wir deshalb das Anti-Do- ping-Gesetz beschlossen . Wir haben damit vor allem die Leistungssteigerung mit pharmazeutischen Mitteln un- ter Strafe gestellt . Wenn wir jetzt gegen Wettbetrug und die Spielmanipulation vorgehen, dann bekämpfen wir das negative Doping mit Geld, die Leistungsminderung durch Bestechung . Doping und Bestechung haben den gleichen Unrechts- gehalt: Sie manipulieren den Wettkampf, sie betrügen Zuschauer und Mitspieler, sie richten wirtschaftlichen Schaden an, aber vor allem untergraben sie die Werte, für die der Sport trotz der Kommerzialisierung nach wie vor steht: die Leistungsbereitschaft, den Teamgeist und die Fairness . Das Anti-Doping-Gesetz war der erste Schritt; mit der Strafbarkeit von Sportwettbetrug und Spielmanipulation gehen wir jetzt den zweiten . Unser Ziel bleibt unverän- dert: Wir wollen einen sauberen Sport, und zwar ohne Betrug und ohne Bestechung! In den 70er-Jahren wurde die Fußball-Bundesliga von einem großen Bestechungsskandal erschüttert: Über 50 Spieler, Trainer und Funktionäre bestachen oder wur- den damals bestochen, 8 Spiele wurden verschoben . Der Klassenerhalt und der Abstieg in die 2 . Liga wa- ren manipuliert . Trotzdem konnte damals keiner der Betrüger von der Justiz zur Verantwortung gezogen werden . Ihr Verhalten war weder als „Betrug“ noch als „Bestechung im ge- schäftlichen Verkehr“ strafbar – und so ist das heute . Ich meine: Diese Straflosigkeit wird der Bedeutung des Sports und den finanziellen Schäden, die angerichtet werden, nicht gerecht . Wir dürfen nicht zulassen, dass un- sere Justiz zwar Ladendiebe und Schwarzfahrer verfolgt, aber machtlos ist, wenn es um Millionenbetrug geht . Das ist nicht gerecht, das muss das Rechtsbewusstsein der ehrlichen Menschen schwer erschüttern, und deshalb ist es an der Zeit, diesen Zustand endlich zu ändern! Änderungen brauchen wir auch, wenn es um Sport- wetten geht . Auch hier ist der Fußball leidgeprüft . Vor einigen Jahren wurde ein Berliner Schiedsrichter besto- chen; wir haben damals gesehen, wie das Wettgeschäft zu einem Berührungspunkt von Sport und organisierter Kriminalität wurde . Seither ist der Wettmarkt weiter gewachsen . Im letz- ten Jahr lagen die Umsätze der Sportwetten allein in Deutschland bei 4,8 Milliarden Euro . Die Anreize zur Manipulation sind dadurch noch größer geworden . In Zukunft steht die Korruption im Profisport unter Strafe . Sportler und Trainer, Manager und Sportdirek- toren, Schieds-, Kampf- und Wertungsrichter – sie alle machen sich künftig strafbar, wenn sie sich bestechen lassen, um die Ergebnisse eines Wettkampfes zu mani- pulieren . Bei der Wettkampf-Manipulation beschränken wir uns auf den Profisport, beim Wettbetrug reicht das aber nicht aus – man kann auch auf die Spiele der Amateure in den unteren Ligen viel Geld setzen . Wir schützen deshalb künftig alle Wettbewerbe des organisierten Sports vor Betrügereien im Zusammenhang mit Sportwetten . Gerade beim Wettbetrug haben wir es oft mit organi- sierter Kriminalität zu tun . Wir formulieren deshalb nicht nur einen neuen Straftatbestand . Wir geben Justiz und Polizei auch die nötigen Ermittlungsinstrumente, damit sie an die Hintermänner herankommen: Wenn Wettbe- trug erwerbs- oder bandenmäßig begangen wird, wenn also ein besonders schwerer Fall vorliegt, dann – und nur dann – dürfen die Ermittler künftig auch die Telekommu- nikation überwachen . Wir senden mit den neuen Straftatbeständen eine ganz klare Botschaft aus: Wer bei Sportwetten betrügt, wer bei Wettkämpfen manipuliert, wer besticht oder sich beste- chen lässt, der handelt kriminell! Wir wollen einen sau- beren Sport! Und wir lassen nicht zu, dass Betrüger den Sport kaputt machen! Anlage 16 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von den Abgeordneten Ulla Jelpke, Azize Tank, Matthias W. Birkwald, Dr. Petra Sitte und der Fraktion DIE LINKE ein- gebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (Ta- gesordnungspunkt 21) Matthäus Strebl (CDU/CSU): „Wir sind uns der his- torischen Verantwortung für die Überlebenden des Ho- locaust, die in der NS-Zeit unsägliches Leid erlebt haben, bewusst .“ Diesen Satz haben wir im Koalitionsvertrag manifestiert, und das halte ich für richtig . Die Bundes- republik Deutschland steht zu der Verantwortung für die Opfer der Gewaltherrschaft der Nationalsozialisten . Bereits 2002 wurde das Gesetz zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto, kurz gesagt das Ghettorentengesetz, vom Deutschen Bundes- tag verabschiedet . Es war ein wichtiges Zeichen an die Menschen, die unter menschenunwürdigen Bedingungen gearbeitet haben . Sie haben gearbeitet, um der Deporta- tion und dem Tod zu entgehen . Dabei geht es in erster Linie nicht um finanzielle Leistungen, vielmehr um ein Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 201618160 (A) (C) (B) (D) Zeichen der Anerkennung für die geleistete Arbeit in le- bensunwürdigen und grausamen Zeiten . Ich halte es für richtig, zu sagen, dass es sich um ein Gesetz mit erhebli- cher Symbolkraft handelt . Im letzten Jahr hat die Bundesrepublik Deutschland mit Polen ein Abkommen zu Beschäftigten in polnischen Ghettos geschlossen . Das Abkommen ermöglicht die Zahlung einer deutschen Rente aufgrund von Beschäf- tigungen in einem Ghetto auch an Personen, die in der Republik Polen leben . Hier war eine Einigung zwingend eilbedürftig, denn die Rentenempfänger sind inzwischen hochbetagt . Lassen Sie mich noch einige Sätze zum deutschen Rentenrecht sagen: Deutsche Rentenansprüche für ehe- malige Beschäftigte in einem Ghetto sind an Bedingun- gen geknüpft: Die Betroffenen müssen Verfolgte des Nationalsozialismus im Sinne des deutschen Bundesent- schädigungsgesetzes sein, sich zwangsweise in einem Ghetto aufgehalten haben, das sich in einem Gebiet des nationalsozialistischen Einflussbereiches befand, und eine Beschäftigung, die aus eigenem Willensentschluss zustande gekommen ist, gegen Entgelt ausgeübt haben . Eine weitere Voraussetzung für einen deutschen Ren- tenanspruch ist außerdem, dass die Wartezeit (Mindest- versicherungszeit) erfüllt ist . Diese Zeit beträgt fünf Jah- re . Diese fünf Jahre können entweder aus Beitragszeiten oder Ersatzzeiten bestehen . Beitragszeiten sind die Mo- nate, für die Pflichtbeiträge oder freiwillige Beiträge zur Rentenversicherung gezahlt sind bzw . als gezahlt gelten . Wurde also eine Beschäftigung in einem Ghetto während der NS-Zeit ausgeübt, gelten die Beiträge für diese Zeit als gezahlt und werden als Beitragszeit nach dem Gesetz zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto anerkannt . Ersatzzeiten sind Zeiten ohne Beitragsleistung, weil der Versicherte daran gehindert war, Beiträge zu zahlen . Dies gilt besonders für Menschen, die politische Haft in der DDR, in Kriegsgefangenschaft oder NS-Verfolgung erleiden mussten . Auch müssen die Bezieher der Renten, unabhängig ob sie durch Beitragszeiten oder Ersatzzei- ten einen Anspruch haben, zum damaligen Zeitpunkt mindestens 14 Jahre alt gewesen sein . Dies ist nachvoll- ziehbar, da Kinder vor dem 14 . Lebensjahr grundsätzlich keiner rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgehen . Würde man hier für die arbeitenden Kinder in den Ghettos eine Ausnahmeregelung im Ghettoren- tengesetz schaffen, würde dies zu einer Ungleichbehand- lung gegenüber anderen Verfolgten führen . Dies halte ich unter dem Gesichtspunkt der Verfassungsmäßigkeit auch für schwierig . Für die jeweiligen Betroffenen besteht je- doch die Möglichkeit der Anerkennungsleistung und die Zahlung von freiwilligen Beiträgen . Auf diese Optionen hat die Bundesregierung die Op- ferverbände verwiesen . Dies ergibt sich auch aus der Antwort einer Kleinen Anfrage der Fraktion Die Linke zu diesem Thema vom Anfang dieses Jahres . Zwar sind die Rentenansprüche nach dem Ghettorentengesetz be- sonderen Umständen geschuldet, aber es sollte keine be- sondere Rentenform mit dem Gesetz geschaffen werden . Dies entsprach nicht der Intention des Gesetzgebers . Wir werden Ihren Antrag deshalb ablehnen . Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU): Mit dem Gesetz zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäf- tigungen in einem Ghetto (ZRBG) aus dem Jahre 2002 hat der Deutsche Bundestag fraktionsübergreifend die gesetzliche Grundlage dafür geschaffen, dass die in ei- nem Ghetto ausgeübte Tätigkeit rentenrechtlich als Bei- tragszeit berücksichtigt werden kann . Dieses Gesetz war und ist ein wichtiger Beitrag, um den Menschen, die die Nazi-Machthaber in Ghettos zwangen und ihrem Kampf ums Überleben gerecht werden zu können . Durch eine Gesetzesänderung im Juli 2014 hat der Deutsche Bundestag dann nach langen Verhandlungen auch eine rückwirkende Auszahlung von Ghettorenten ab 1997 ermöglicht und hat diese Gesetzesänderung ohne Gegenstimmen beschlossen . Darin ist vorgesehen, dass für die bisherigen Ghettorenten keine vierjährige Rückwirkungsfrist gilt und sie bereits mit dem Stichtag 1997 neu berechnet werden . Die Betroffenen erhalten ein Wahlrecht zwischen einem früheren Rentenbeginn, verbunden mit einer Rentennachzahlung und einer abge- senkten Monatsrente, und einer höheren bisherigen Ren- te ohne weitere Nachzahlung . Dieses Wahlrecht wurde eingeführt, da viele derzei- tige Renten durch Zuschläge für die spätere Auszahlung erhöht werden, sodass die Bezieher gegebenenfalls ohne Neuberechnung bessergestellt sind . Mit der Neufeststel- lung kann nun jeder prüfen, ob für ihn die niedrigere Rente ohne Zuschläge ab 1997 und entsprechende Nach- zahlungen für die verlorenen Zeiten günstiger sind oder eine monatlich höhere Rente ab dem späteren Zeitpunkt . Nach derzeitigem Stand ist die Umsetzung des ZRBG-Änderungsgesetzes bei den Rentenversiche- rungsträgern nahezu abgeschlossen . Insgesamt wurden 32 600 Fälle überprüft . In 23 300 Fällen wurde im Ergebnis dieser Prüfung die Rente rückwirkend zu einem früheren Rentenbeginn be- rechnet und eine Nachzahlung ausbezahlt . In 4 800 Fäl- len wurde eine Neufeststellung nicht gewünscht oder beantragt . In 3 600 Fällen besteht kein Anspruch nach dem ZRBG-Änderungsgesetz, bzw . es gibt keine Nach- zahlung, weil zum Beispiel das 65 . Lebensjahr erst nach 1997 vollendet wurde . Und etwa 900 Fälle sind noch of- fen . Des Weiteren haben wir mit dem am 1 . Juni 2015 in Kraft getretenen Abkommen zwischen Deutschland und Polen ermöglicht, dass Ghettorenten auch an Personen ausbezahlt werden, die in der Republik Polen leben . Bis- her war dies in den Abkommen zwischen Deutschland und Polen nicht vorgesehen . Ab 2015 können also auch in Polen lebende ehemali- ge Ghettobeschäftigte deutsche Rentenleistungen für die Arbeit erhalten, die sie in einem Ghetto geleistet haben . Die Erweiterung der Auszahlung der Ghettorenten auch nach Polen wurde im Eilverfahren im Deutschen Bun- destag beschlossen . Nun fordert Die Linke noch weitere Änderungen an dem Gesetz zur Zahlbarmachung von Renten aus Be- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 2016 18161 (A) (C) (B) (D) schäftigungen in einem Ghetto . So soll die 60-monatige Wartezeit, die Voraussetzung für eine Rentenleistung der gesetzlichen Rentenversicherung ist, bei allen Personen, die in einem Ghetto beschäftigt waren, fingiert werden, sofern sie nicht bereits durch andere Zeiten erreicht wer- den konnte . Insbesondere davon betroffen seien Kinder – vor allem Sinti und Roma –, die zwar in einem Ghetto Arbeit geleistet hätten, aber dann mangels weiterer an- rechenbarer Zeiten nicht auf die Mindestwartezeit in der gesetzlichen Rentenversicherung kommen . Bereits im Januar dieses Jahres hat sich das Bundes- ministerium für Arbeit und Soziales mit dieser Frage- stellung auseinandergesetzt . Es kommt zu dem Schluss, dass das Ziel des ZRBG, nämlich die während einer Be- schäftigung in einem Ghetto entstandene Beitragszeit für einen Rentenanspruch wirksam werden zu lassen, ins- besondere auch in Bezug auf die Zahlung der Rente ins Ausland, erreicht worden sei . Zu keiner Zeit sei es vom Gesetzgeber beabsichtigt gewesen, mit dem ZRBG eine Rente „eigener Art“ zu schaffen, für die eine Mindestan- zahl an Beiträgen nicht erforderlich ist . Das ZRBG ist zu verstehen als eine Ergänzung der allgemeinen Regelungen der gesetzlichen Rentenver- sicherung, die auf den gezahlten Beiträgen basiert und daher grundsätzlich an eine versicherungspflichtige Be- schäftigung anknüpft . Das gelte auch für die in diesem System enthaltenen Elemente der Wiedergutmachung, wie die Anerkennung von Beitragszeiten unter erleich- terten Bedingungen (Ghettobeitragszeiten) oder den Er- satz von Beitragsverlusten aufgrund bestimmter außerge- wöhnlicher Ereignisse wie NS-Verfolgung, Vertreibung oder politische Haft in der DDR durch Ersatzzeiten . Diese Funktion des ZRBG wurde auch mehrfach von der Rechtsprechung, unter anderem vom Bundessozialge- richt im Jahre 2009, so bestätigt . Für die meisten Berechtigten nach dem ZRBG sind zudem neben den in Deutschland anerkannten Bei- trags- und Ersatzzeiten auch die nach über- und zwi- schenstaatlichen Abkommen im Ausland zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten auf die allgemeine Wartezeit anzurechnen, sodass es in der Regel zu einer Auszahlung der Renten kommt . Zudem besteht die Möglichkeit, durch individuelle Nachzahlungen die 60-monatige Wartefrist zu erreichen . Aufgrund der Nachzahlungsansprüche muss der Betrof- fene hierzu in der Regel keinerlei eigene Zahlungen leis- ten . Denn im Zuge der Zahlbarmachung erfolgt in der Praxis direkt eine Verrechnung durch die Rentenversi- cherung zwischen den zusätzlich aufzustockenden Bei- trägen und den rückwirkenden Rentenzahlungen für die 60 Monate . Um die Renten zahlbar zu machen, ist eine Wartezeitfiktion also überhaupt nicht notwendig, Auch das Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages, das Die Linke in ihrem An- trag heranzieht, kommt zu dem Schluss, dass – und da muss man die Ausarbeitung bis zum Ende gelesen ha- ben – „die weitere Privilegierung von Berechtigten nach dem ZRBG durch die Einführung einer Regelung zur Wartezeitfiktion wohl eher nicht gegen den all- gemeinen Gleichheitssatz aus Art . 3 Abs . 1 GG ver- stößt . Allerdings ist mit der weit über einen Nach- teilsausgleich hinausgehenden Zahlung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto bereits an die Grenze dessen gegangen worden, was aus systema- tischen Gründen im Rahmen der gesetzlichen Ren- tenversicherung noch vertretbar ist .“ Ein weiterer Handlungsbedarf wird hier also gerade nicht gesehen . Und er kann auch nicht damit begründet werden – so tut es aber Die Linke –, dass beim ZRBG be- reits bei der Vierjahresfrist nach dem SGB eine Ausnah- me gemacht worden ist . Denn eine Ausnahme kann nie- mals die Rechtfertigung einer weiteren Ausnahme sein, umso mehr, wenn der Ansatzpunkt ein ganz anderer ist . Der Wissenschaftliche Dienst erklärt weiter, dass „der Umstand, dass nicht in jedem Fall aus einer nach dem ZRBG anzuerkennenden Beschäftigung eine Rentenzah- lung erfolgt, eine zwangsläufige Folge der generellen Einbeziehung der Beschäftigung in einem Ghetto in die gesetzliche Rentenversicherung ist, die zur pauschalen Risikovermeidung eine Mindestversicherungszeit vor- sieht .“ Auch liegt kein Bedarf für eine Sonderreglung als Ausnahme zu § 250 SGB VI vor . Denn es besteht kein rentenrechtlicher Widerspruch zwischen der Anerken- nung einer Ghettobeitragszeit nach dem ZRBG vor dem 14 . Lebensjahr und der Nichtanerkennung einer Ersatz- zeit vor dem 14 . Lebensjahr . Während der Beschäftigung in einem Ghetto nach dem ZRBG bestand dem Grunde nach Versicherungs- pflicht aufgrund dieser Beschäftigung und es wurden Beiträge zur Rentenversicherung gezahlt bzw . diese gel- ten als gezahlt . Für die Zeit dieser Beschäftigung wird daher eine Beitragszeit in der gesetzlichen Rentenversi- cherung anerkannt . Ersatzzeiten, wie sie in § 250 SGB IV geregelt sind, kommen hingegen für Zeiten der NS-Verfolgung in Be- tracht, in denen gerade keine versicherungspflichtige Be- schäftigung ausgeübt wurde . Sie dienen dazu, Beiträge aufgrund einer Beschäftigung für Zeiten zu ersetzen, in denen Versicherte aus nicht in ihrer Person liegenden Gründen an der Beitragszahlung gehindert waren, weil durch die mit diesen Zeiten verbundenen außergewöhn- lichen Umstände eine Beitragsleistung nicht zu erwarten war . Solche außergewöhnlichen Umstände (Ersatzzeiten- tatbestände gemäß § 250 des Sechsten Buches Sozialge- setzbuch) sind zum Beispiel Freiheitsentzug bei NS-Ver- folgten, Vertreibung oder politische Haft in der DDR . Ersatzzeiten werden nur für Zeiträume nach dem 14 . Lebensjahr anerkannt, weil der Gesetzgeber davon ausgeht, dass vor dem 14 . Lebensjahr Beitragsverluste durch Ersatzzeitentatbestände nicht eintreten . Die Alters- grenze von 14 Jahren gilt also für sämtliche Ersatzzeiten- tatbestände gleichermaßen . Eine Regelung, wonach Ersatzzeiten für ehemalige Ghettobeschäftigte bereits vor dem 14 . Lebensjahr an- erkannt würden, für andere Personen mit Ersatzzeittat- beständen, unter ihnen ebenfalls NS-Verfolgte, jedoch Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 201618162 (A) (C) (B) (D) nicht, würde zu Gerechtigkeitslücken führen und erheb- lichen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnen . Im Übrigen würde eine solche Regelung Sinn und Zweck von Ersatzzeiten entgegenstehen, die einen durch außer- gewöhnliche Umstände hervorgerufenen Beitragsverlust ausgleichen sollen . Zudem ist die Anerkennung von Arbeitszeiten im Ghetto vor dem 14 . Lebensjahr als Ersatzzeiten auch nicht notwendig . Denn die Rentenversicherung geht bei ihrer Prüfung sowieso davon aus, dass es für die Anerken- nung von Ghettobeitragszeiten keine starre Altersgrenze gibt. Ob eine versicherungspflichtige Zeit vorliegt, wird generell und unabhängig vom Alter nach den Maßstäben, die für Erwachsene gelten, individuell geprüft . Bei positivem Nachweis werden auch Zeiten vor dem 14 . Lebensjahr anerkannt und können, wenn die Min- destwartezeit in der gesetzlichen Rentenversicherung von 60 Monaten dadurch noch nicht erreicht ist und auch nicht durch weitere Beitragszahlungen im Ausland er- reicht worden ist, durch zusätzliche Beitragszahlungen zahlbar gemacht werden . Wichtig ist hier aufgrund des geringen Alters allerdings die Abgrenzung zwischen Zwangsarbeit und Beschäftigung, für die dann aber wie- derum Entschädigungsleistungen gelten . Unabhängig von den bereits aufgeführten Leistungen bestehen außerhalb des Systems der gesetzlichen Ren- tenversicherung zudem Entschädigungsleistungen, die die Bundesrepublik Deutschland abhängig vom indivi- duellen Verfolgungsschicksal an NS-Verfolgte in aller Welt erbringt . So wurde im Jahr 2007 die Richtlinie der Bundesre- gierung über eine Anerkennungsleistung an Verfolgte für Arbeit im Ghetto erlassen . Nach der sogenannten Aner- kennungsrichtlinie sollten explizit Lebenssachverhalte erfasst werden, die durch das ZRBG nicht berücksichtigt sind . Die Voraussetzungen für den Erhalt der einmali- gen Wiedergutmachungsleistung von 2 000 Euro nach der Anerkennungsrichtlinie wurden im Vergleich zum ZRBG erleichtert . Die Anerkennungsleistung nach der Richtlinie dürfte bei den in Rede stehenden Fällen unter Vorliegen aller anderen Voraussetzungen zur Auszahlung kommen können . Im Ergebnis ist eine Neuregelung des ZRBG durch eine Wartezeitenfiktion in mehrfacher Hinsicht weder notwendig noch sinnvoll . Mit der letzten Neuregelung, die ich dargestellt habe, haben wir eine insgesamt befrie- digende Regelung zum Thema Ghettorenten geschaffen . Es gibt keinen sachlichen Grund, etwas zu ändern . Kerstin Griese (SPD): Nachdem wir zu Beginn die- ser Legislatur im Jahr 2014 mit dem Ghettorentenände- rungsgesetz eine überfällige Verbesserung für Ghettoren- tenberechtigte geschaffen haben und im Dezember 2014 mit einer Ergänzung des deutsch-polnischen Sozialab- kommens auch für die bislang nicht berechtigten in Polen lebenden Ghettoarbeiterinnen und -arbeiter den Zugang zu Ghettorenten ermöglicht haben, legt die Fraktion Die Linke nun einen Antrag auf eine weitere Änderung des Ghettorentengesetzes vor, um eine weitere Personen- gruppe, die bisher nicht oder nur teilweise am Ghettoren- tenrecht partizipieren kann, in den Kreis der Anspruchs- berechtigten aufzunehmen . Im Koalitionsvertrag der SPD mit der CDU/CSU ha- ben wir festgehalten: Wir sind uns der historischen Verantwortung für die Überlebenden des Holocaust, die in der NS-Zeit un- sägliches Leid erlebt haben, bewusst . Wir wollen daher, dass den berechtigten Interessen der Holocaust-Überlebenden nach einer angemesse- nen Entschädigung für die in einem Ghetto geleiste- te Arbeit Rechnung getragen wird . Die Umsetzung dieses Vorsatzes haben wir als eines der ersten Gesetzesvorhaben im Bereich Arbeit und So- ziales im Frühjahr 2014 in Angriff genommen, und darü- ber bin ich sehr froh, denn es geht um hochbetagte Men- schen, die in der NS-Zeit gelitten haben . Mit dem Ghettorentengesetz von 2002 wollten wir als Gesetzgeber den Menschen, die in der NS-Zeit unter schlimmen Bedingungen und zu Hungerlöhnen in den von den Nazis errichteten Ghettos gearbeitet haben bzw . arbeiten mussten, ein wenig Gerechtigkeit widerfahren lassen . Viele Menschen haben in den Ghettos geschuf- tet, ihre Arbeitskraft wurde ausgenutzt, ihr Leben sollte keine Zukunft haben, aber perfiderweise wurden trotz- dem für sie Rentenbeiträge abgeführt . Die Betroffenen selbst haben jahrzehntelang gefordert, für ihre Arbeit in den Ghettos eine reguläre Rente und eben nicht eine Ent- schädigung zu bekommen . Denn sie haben das, was sie dort unter Zwangsbedingungen, eingesperrt im Ghetto, erlitten haben, dennoch als Arbeit empfunden . Als der Bundestag das Ghettorentengesetz 2002 be- schlossen hatte, war für niemanden von uns abzusehen, dass die Anträge in den folgenden Jahren zu 90 Prozent abgelehnt werden würden . Diese hohe Ablehnungsra- te wurde erst mit dem Urteil des Bundessozialgerichtes 2009 geändert; danach wurde immerhin die Hälfte aller bislang abgelehnten Anträge rückwirkend bewilligt . Aber die Renten wurden auch nach dem Urteil des Bundessozialgerichtes von 2009 nur vier Jahre rückwir- kend ausgezahlt . Das liegt an unserem Sozialrecht, das eine Rückwirkungsfrist von vier Jahren festschreibt . Die vielen hochaltrigen Betroffenen, die vor Jahren schon in Vertrauen auf unsere Gesetzgebung ihre Anträge ein- gereicht hatten, waren verständlicherweise empört über diese als Unrecht empfundene Frist, die ihnen verdiente Ansprüche vorenthielt . Auch die dafür speziell geschaffene Möglichkeit, ei- nen Ausgleich durch Zuschläge zu erhalten, hat das Ge- rechtigkeitsbedürfnis der Opfer nicht befriedigt . Sie wol- len ihr gutes Recht, nämlich die Ghettorenten ab 1997, wie sie ihnen mit dem Gesetz versprochen worden wa- ren . Es ging und geht den Opfern um Anerkennung ihrer geleisteten Arbeit, für die sie eine Rente erhalten wollten . Diese Möglichkeit haben wir 2014 mit dem Ghetto- rentenänderungsgesetz geschaffen, indem wir die zu- rückwirkende Vierjahresfrist aufgegeben haben . Wir haben außerdem die Optionsmöglichkeit eingeführt, die es jedem ermöglicht, zwischen einer rückwirkenden Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 2016 18163 (A) (C) (B) (D) Zahlung ab 1997 ohne Zuschläge oder einer Zahlung mit Zuschlägen ab 2005 zu wählen . Mit der generellen Strei- chung der Antragsfrist, die am 30 . Juni 2003 lag, ist es außerdem weiter möglich, Rentenanträge zu stellen und eine Rente ab 1997 zu bekommen . Und wir wissen, dass es immer noch Überlebende gibt, die erst jetzt einen An- trag stellen . Diese Änderungen sind von den Opfern des NS-Ter- rors sehr begrüßt worden . Der damalige Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dr . Dieter Graumann, sagte: „Das Leid, das diese Menschen er- fahren haben, lässt sich mit nachträglich gezahlter Rente nicht wiedergutmachen .“ Bisher aber seien die früheren Ghettoarbeiter mit bürokratischen Vorschriften abgekan- zelt worden . Jetzt würden sie endlich ernst genommen und würdig behandelt . Die neue Rentenregelung sei eine Geste der Menschlichkeit . Ähnliche Stimmen hörten wir auch aus Israel, wo die Änderung mit großem Wohlwol- len aufgenommen wurde . Heute, im Juli 2016, ist die Abarbeitung der Anträ- ge bei den Rentenversicherungsträgern nahezu abge- schlossen, insgesamt wurden 32 600 Fälle überprüft . In 23 000 Fällen wurde im Ergebnis der Prüfung die Rente rückwirkend zu einem früheren Rentenbeginn – frühes- tens ab dem 01 . Juli 1997 – neu berechnet und Nachzah- lungen wurden ausgezahlt . In 17 600 dieser Fälle erfolgte diese Neuberechnung auf Antrag der Berechtigten . Die verbleibenden 9 300 Fälle verteilen sich wie folgt: bei 3 600 gibt es keinen Anspruch nach dem ZRBG-Än- derungsgesetz oder keine Nachzahlung, weil das 65 . Le- bensjahr erst nach Juli 1997 erreicht wurde, bei 4 800 Fäl- len gab es keine Neufeststellung, weil diese ausdrücklich nicht gewünscht worden war oder es keinen Rücklauf zu den Informationsschreiben der Deutschen Rentenversi- cherung gegeben hat . Nur noch 900 Fälle sind offen . Ich bedanke mich bei den Mitarbeiterinnen und Mitar- beitern der Deutschen Rentenversicherung und des Bun- desministeriums für Arbeit und Soziales sehr herzlich für diese wichtige Arbeit und das große Engagement . Alle Betroffenen wurden in ihrer Landessprache angeschrie- ben, jeder Fall wurde individuell geprüft und behandelt . Herzlichen Dank, dass Sie so schnell schon fast allen Be- rechtigten helfen konnten! Für die in Polen lebenden Holocaust-Überlebenden, die in den Ghettos der Nationalsozialisten gearbeitet haben – viele von ihnen aufgrund der deutschen Besat- zung Polens im Zweiten Weltkrieg – galt aufgrund des deutsch-polnischen Sozialabkommens von 1975 das Ghettorentenrecht nicht . Das lag daran, dass bis zur Änderung in diesem Abkommen geregelt war, dass der Wohnsitzstaat eine Rente auch aus den Zeiten zahlen muss, die im anderen Staat zurückgelegt wurden . Zeiten der Beschäftigung in einem Ghetto, die durch das Ghet- torentengesetz abgedeckt sind, gelten als in Deutschland zurückgelegt . Deshalb durfte bisher für in Polen lebende Ghettobeschäftigte auch keine Ghettorente aus Deutsch- land geleistet werden . Eine Änderung dieses Abkommens ist 2014 vom Bun- desministerium für Arbeit und Soziales und dem polni- schen Arbeitsministerium gemeinsam erarbeitet worden . Damit sind seitdem auch in Polen lebende Ghettobe- schäftigte berechtigt, Leistungen der Ghettorenten aus Deutschland zu erhalten . Seit Mitte Dezember 2014 gibt es das „Gesetz zu dem Abkommen zwischen der Bun- desrepublik Deutschland und der Republik Polen zum Export besonderer Leistungen für berechtigte Personen, die im Hoheitsgebiet der Republik Polen wohnhaft sind“ in deutscher und polnischer Sprache . Nun legt die Fraktion Die Linke einen weiteren An- trag vor, in dem sie die besondere Benachteiligung der osteuropäischen Sinti und Roma auch nach Kriegsende bis heute thematisiert . Diese zahlenmäßig recht kleine Gruppe von einigen 100 Personen kann aufgrund ihrer speziellen, durch zum Teil lebenslange Ausgrenzung aus der regulären Arbeitswelt bestimmte Lebenssituation nicht die für den Bezug von Ghettorenten notwendige Beitragszeit von fünf Jahren nachweisen . Um eine Rente aus der deutschen gesetzlichen Ren- tenversicherung erhalten zu können, müssen aber min- destens fünf Jahre an deutschen Beitragszeiten oder Er- satzzeiten vorliegen . Wurde eine Beschäftigung in einem Ghetto ausgeübt, wurden Beiträge zur Rentenversiche- rung gezahlt bzw . gelten als gezahlt . Für die Zeit dieser Beschäftigung wird daher eine Beitragszeit in der gesetz- lichen Rentenversicherung nach dem ZRBG (Ghettoren- tenbeitragszeit) anerkannt, und die meisten kommen zu- sammen mit anderen Arbeitszeiten auf mindestens fünf Jahre . Die Fraktion die Linke führt in ihrem Antrag aus, dass vor allem Sinti und Roma, die in Ghettos arbeiteten, nach Kriegsende große Probleme beim Nachweis von Zeiten der Erwerbsarbeit haben; häufig hätten sie Nachweise nicht angefordert oder nicht aufgehoben, und weil sie oftmals nicht lesen könnten, könnten sie die notwendi- gen Nachweise nicht nachträglich anfordern . Das ist na- türlich in der Tat eine sehr schwierige Situation . Aber sie kann nicht durch eine Änderung am Ghettorentengesetz gelöst werden . Die Fraktion Die Linke schlägt vor, dass im Ghettorentengesetz eine Fiktion einer subsidiären, lü- ckenfüllenden, mindestens fünfjährigen Wartezeit einge- führt wird . Dadurch soll sich für alle ehemaligen Ghetto- beschäftigten unabhängig von späteren, in der deutschen Rentenversicherung anrechenbaren Beitragszeiten ein gesetzlicher Rentenanspruch begründen . Das ist ein sicher gutgemeinter, aber keineswegs gut gemachter Vorschlag; denn das Ghettorentengesetz hat die gesetzliche Ausdehnungsmöglichkeiten schon sehr strapaziert, aber mit den Beitragszeiten, die für den Er- halt einer Ghettorente notwendig sind, doch eine Lösung geboten, wie der Bezug von Ghettorenten im deutschen Rentensystem möglich gemacht werden kann . Eine Ein- führung einer Wartezeitfiktion, so stellt ein aktuelles Gut- achten des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages fest, „wäre aber mit den Prinzipien der ge- setzlichen Rentenversicherung unvereinbar .“ Ich verstehe den Wunsch der Fraktion Die Linke, den vielfach marginalisierten Sinti und Roma, die zeit ihres Lebens unter Verfolgung und Ausgrenzung gelitten ha- ben, eine Wiedergutmachung für erlittenes Unrecht zu Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 201618164 (A) (C) (B) (D) bieten . Der Weg über das Ghettorentenrecht ist dabei aber nicht zielführend . Ich schlage vor, dass wir genauer prüfen, wie über an- dere Wege, etwa über die bestehenden Härtefallfonds für NS-Verfolgte der Länder oder nach der Anerkennungs- richtlinie von 2007 Entschädigungen für diejenigen, die nicht ghettorentenberechtigt sind, Entschädigungen möglich sind . Azize Tank (DIE LINKE): Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wollen wir eine Schutzlücke des ZRGB schließen . Es war der ausdrückliche Wille des Gesetzge- bers, mit dem 2002 verabschiedeten ZRBG alle NS-Ver- folgten, die in einem von Deutschen eingerichteten Ghetto, auf Grund eines eigenen Willensentschlusses entgeltlich beschäftigt waren, in die deutsche Rentenver- sicherung einzubeziehen . Es war auch der ausdrücklich erklärte politische Wille aller Mitglieder des Deutschen Bundestages, mit dem ZRBG zugunsten von Verfolgten, die alle bereits das für die Regelaltersrente geltende Alter von 65 Jahren – teils erheblich – überschritten haben, im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung Neuland zu betreten, wobei von bestimmten Grundsätzen im Bereich der Anerkennung von rentenrechtlichen Zeiten abgewi- chen werden sollte . Dies schlug sich in dem damaligen Gesetzentwurf der Fraktionen von SPD, CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen und FDP und dem Entwurf der PDS nieder . In den ersten Jahren nach Verabschiedung des ZRBG ist es aufgrund einer restriktiven Auslegung wesentlicher Begriffe dieses Gesetzes, wie „Ghetto“, „Beschäftigung“, „eigener Willensentschluss“ und „Entgelt“ – durch die Verwaltung und die Sozialgerichte – zu zahlreichen Ver- werfungen gekommen, weshalb zunächst fast 90 Prozent aller Anträge auf Ghettorente der Überlebenden abge- lehnt wurden . Bei der Verabschiedung des ZRBG sind offensichtlich eine Reihe möglicher Problemlagen nicht sichtbar geworden . Der Deutsche Bundestag war jedoch bislang stets bemüht, sie zu lösen, nachdem diese durch Überlebende, engagierte Historiker und mutige Sozial- richter erkannt und aufgezeigt wurden . So geschehen, bei der rückwirkenden Zahlbarmachung von Ghettoren- ten durch Nichtanwendung von § 44 SGB X auf Zeiten nach dem ZRBG oder beim Abschluss des deutsch-polni- schen Abkommens vom 5 . Dezember 2014, welches die bisherige Diskriminierung von Ghettobeschäftigten mit Wohnsitz in Polen beseitigte . Dabei haben alle Fraktio- nen des Bundestages immer gemeinsam an einer einver- nehmlichen Lösung der Probleme zusammengearbeitet . Dafür möchte ich mich bei den Kolleginnen und Kolle- gen aller Fraktionen, namentlich auch Frau Staatsekretä- rin Gabrielle Lösekrug-Möller von der SPD bedanken . Lassen Sie uns deshalb auch im vorliegenden Fall ein- vernehmlich eine gravierende Gerechtigkeitslücke bei den Ghettorenten schließen . Zahlreiche Kinder, die nachweislich und unstrittig Beschäftigungszeiten in deutschen Ghettos zurückgelegt haben, erhalten noch immer keine Ghettorente . Es ist da- bei kein Geheimnis, dass allein aus ZRBG-Beitragszei- ten nie eine Rente in der deutschen Rentenversicherung erworben werden kann . Bei der Verkündung des ZRBG war dies aber offenbar nicht allen bewusst, obwohl be- kannt ist, dass kaum ein Ghetto länger als vier Jahre existierte . Ein Gutachten der Wissenschaftlichen Diens- te – WD 1 – 3000 – 025/16 – bestätigte kürzlich, dass unumstritten „die meisten Ghettos zwischen Herbst 1939 und Sommer/Herbst 1943 existierten“, also höchstens 48 Monate . Doch ein Anspruch auf eine Ghettorente wird erst bei einer 60-monatigen Wartezeit begründet . Diese kann nur mit Beitragszeiten und gegebenenfalls mit Er- satzzeiten – unter anderem wegen NS-Verfolgung – er- füllt werden . Selbst der Höchstumfang an ZRBG-Bei- tragszeiten reicht dafür nicht aus . Erwachsene Personen können zwar, um die Wartezeit zu erreichen, etwaige Lü- cken in ihren Beitragszeiten dadurch auffüllen, dass sie ihre verfolgungsbedingte Zeit als Ersatzzeiten anrechnen lassen . Doch diese Verfolgungszeit kann erst dann ange- rechnet werden, wenn die betroffene Person bereits das 14 . Lebensjahr vollendet hat . Überlebenden der Shoah, die im Ghetto beschäftigt waren, weisen darauf seit Jah- ren hin . Der Verband der Jüdischen Glaubensgemeinden der Republik Polen und die Vereinigung der Roma haben sich zuletzt am 27 . Januar 2016 vom Gelände des ehema- ligen deutschen Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau mit einem bewegenden Appell diesbezüglich an die deut- sche Bundesregierung gewandt . Der Bevollmächtigte der Jüdischen Gemeinde, Herr Marian Kalwary, unterstrich, dass die bestehende Situation eine fehlende Konsequenz an den Tag lege, der Logik und dem Sinn und Zweck des ZRBG widerspreche . Sie führt in der Praxis, insbesonde- re bei Kindern, zu ungerechten und sachfremden Ergeb- nissen: Ein Geschwisterpaar, das im gleichen Betrieb im Ghetto beschäftigt war und sich später gemeinsam vor der Verfolgung durch die deutschen Nazis verstecken musste, wird je nach Alter unterschiedlich behandelt . Ein Junge der das 14 . Lebensjahr vollendet hat, erhält eine Ghettorente, aber seine 10-jährige Schwester, die mit ihm im Ghetto beschäftigt war und das gleiche Verfolgungs- schicksal teilte, nicht . Dieses Ergebnis war dem Gesetz- geber des 2002 verabschiedeten ZRBG vermutlich nicht erkennbar, aber auf jeden Fall nicht gewollt . In Wirklichkeit können ZRBG-Beschäftigungszeiten Rechte auf eine Rente aus der deutschen Rentenversiche- rung nie allein begründen, sondern sie allenfalls in Ver- bindung mit anderweitig erlangten Beitragszeiten mit- begründen oder durch andere Beitragszeiten begründete Rechte erhöhen . Was aber, wenn diese anderweitigen Beitragszeiten gar nicht erworben werden konnten? Dann ist die Wartezeit nicht erfüllt und eine Ghettorente bleibt verwehrt . Das ist der Fall bei ehemaligen Ghettobeschäf- tigten, die zu Mehrfachdiskriminierten in Osteuropa ge- hören, wie Sinti und Roma, die selbst nach der Befreiung kaum Zugang zu einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung erhielten . Auch jüdische Überlebende wurden nach der Befreiung antisemitischen Übergriffen und Ausgrenzung ausgesetzt, was die Aufnahme sozial- versicherungspflichtiger Arbeitsbeziehungen verhinderte oder verzögerte . Vor ähnlichen Problemen sehen sich Jüdinnen und Juden gestellt, die in einem Land leben, mit dem die Bundesrepublik kein Sozialversicherungs- abkommen abgeschlossen hat, und somit ausländische Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 2016 18165 (A) (C) (B) (D) Versicherungszeiten in Deutschland nicht angerechnet werden können, um eine Ghettorente zu begründen . Kinder, die im Ghetto beschäftigt waren, dürfen heute beim Zugang zur Ghettorente nicht deshalb ausgeschlos- sen werden, weil sie erst aufgrund von NS-Verfolgungs- maßnahmen überhaupt eine Beschäftigung aufnehmen mussten, um zu überleben, obwohl Kinderarbeit grund- sätzlich verboten war . Die Anerkennung einer subsidiä- ren, lückenfüllenden, mindestens fünfjährigen Wartezeit im ZRBG ist notwendig und machbar, um diese eklatan- te Leerstelle des ZRBG zu schließen . Auch die Wissen- schaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages kom- men in einem Gutachten – WD 6 – 3000 – 049/16 – unter Würdigung aller denkbaren Gegengründe zu Recht zu dem Fazit, dass eine Wartezeitenfiktion im Einklang mit dem Grundgesetz stehen würde . Dadurch könnte für alle ehemaligen Ghettobeschäftigten unabhängig von späte- ren, in der deutschen Rentenversicherung anrechenbaren Beitragszeiten und von der Anrechnung von Ersatzzeiten, ein gesetzlicher Rentenanspruch begründet werden . Der vorliegende Gesetzesentwurf lässt somit den Vorrang an- derer Zeiten unangetastet . Die subsidiäre Anerkennung der Wartezeiten greift erst dann und nur dann, wenn die ZRBG-Zeiten nicht mit anderen Beitrags- und Ersatz- zeiten belegt sind. Die Wartezeitenfiktion würde ledig- lich zur Anwendung gelangen, um bestehende Lücken zu füllen, wenn zuvor bereits zweifelsfrei Ghettozeiten nachgewiesen wurden, diese Beitragszeiten jedoch auch zusammen mit anderen Beitrags- oder Ersatzzeiten nicht ausreichen, um einen Anspruch auf Ghettorente zu be- gründen . Eine solche Regelung ist auch gerecht, denn sie hat keinen Einfluss auf die Höhe der Ghettorente, son- dern begründet lediglich einen möglichen Anspruch auf Ghettorente, deren Höhe von den tatsächlich im Ghetto individuell erlangten Entgelten abhängt . Seit 1999 hat die bestehende BSG-Rechtsprechung geklärt, dass im Zuge der Wiedergutmachung von NS-Unrecht bei Beschäftigungszeiten keine Lebensal- ters-Untergrenze von 14 Jahren zugrunde zu legen ist . Deshalb steht Kinderarbeit der Annahme eines sozial- versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses grundsätzlich nicht entgegen . Es ist bekannt, dass der persönliche Anwendungsbe- reich des ZRBG sich auf jene Personen beschränkt, die zum Zeitpunkt der Verkündung des ZRBG im Jahre 2002 noch lebten und zuvor, zumeist zwischen dem 1 . Sep- tember 1939 und 1 . September 1943, Ghettoarbeit ver- richtet haben . Wer sollte also in den Genuss dieser Leis- tungen kommen? Nehmen wir endlich zur Kenntnis, was bislang nicht ausgesprochen wurde: Das ZRBG betrifft Menschen, die zur Zeit der Ghettoarbeit typischerweise Kinder und Jugendliche, allenfalls Heranwachsende sein konnten . Wenn das ZRBG Ghettorenten für Verfolgte vorsieht, die während der Ghettobeschäftigung vor al- lem Minderjährige sein mussten, dann müssen wir die bestehende Schutzlücke für genau diese Personen auch schließen, um den historischen Realitäten der Ghettobe- schäftigung gerecht zu werden . Wir können diese Tatsache nicht unberücksichtigt las- sen . Der bestehende Widerspruch kann durch die Aner- kennung einer subsidiären, lückenfüllenden, mindestens fünfjährigen Wartezeit im ZRBG behoben werden . Da- mit wäre eine wichtige Gerechtigkeitslücke bei der Wie- dergutmachung von NS-Verfolgung behoben . Ich bitte im Namen der überlebenden Kinder, die in deutschen Ghettos unter unmenschlichen Bedingungen arbeiten mussten, um Ihre Zustimmung zu dem Gesetzentwurf über die Fraktionsgrenzen hinweg . Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Las- sen Sie mich aus einem Auszug einer Analyse des His- torikers Michael Alberti beginnen, der sehr eindeutig die Situation der Ghettobeschäftigten in Osteuropa während des Zweiten Weltkriegs beschreibt: „In Łódź konnte der Judenrat also nur versuchen, die Produktion in das Ghetto hereinzuholen . Damit ver- folgte er wie alle Judenräte Osteuropas während des Zweiten Weltkrieges eine Doppelstrategie . Zum einen wollte er die wirtschaftliche Lebensfähigkeit der Ghet- tobewohner wiederherstellen und zum anderen kam für ihn Ende 1941 mit dem Beginn der Massenvergasungen im Vernichtungslager Kulmhof der Kampf um das phy- sische Überleben der Ghettoinsassen hinzu . Das einzige Mittel für eine mögliche Rettung war ‚die den deutschen Kriegsanstrengungen zur Verfügung gestellte Arbeits- leistung‘ . Bevor dies jedoch das alles beherrschende Mo- tiv der Judenräte wurde, wollten sie den deutschen Be- satzern in erster Linie demonstrieren, dass die Juden zu produktiver Arbeit bereit waren .“ (Michael Alberti 2006: Die Verfolgung und Vernichtung der Juden im Reichsgau Wartheland 1939-1945, Seite 228 f .) Die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten in den Ghettos unter nationalsozialistischer Gewaltherrschaft entziehen sich heute nahezu der Vorstellungskraft . Es war in vielen Fällen nichts anderes als die Angst vor dem Tod, die die Ghettobewohnerinnen und -bewohner in Osteuropa, dem Balkan und dem Baltikum dazu zwang, eine Arbeit aufzunehmen . Mit dem „Gesetz zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto“ (ZRBG) hat die damalige rot-grüne Koalition im Jahr 2002 der histori- schen Verantwortung Deutschlands Rechnung getragen und den Versuch unternommen, eine Lücke im Entschä- digungsrecht zu schließen . Einstimmig wurde das Gesetz damals beschlossen . Seitdem gelten nach § 2 ZRBG für die Beschäftigten in einem Ghetto Rentenbeiträge als ge- zahlt . Anfangs blieben die Resultate hinter den Erwartun- gen allerdings deutlich zurück . Nur einem Bruchteil der vonseiten der Betroffenen gestellten Anträge wurde ent- sprochen, rund 90 Prozent wurden abgelehnt . Es brauchte Jahre und die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen und wei- tere gesetzgeberische Maßnahmen, auch noch in dieser Legislatur, um die Verwaltungspraxis weniger restriktiv auszugestalten . Es war ein langer Weg, und – das müssen wir nach eineinhalb Jahrzehnten leider nach wie vor fest- stellen – wir sind noch nicht am Ende angelangt . Das ZRBG folgt einer Entschädigungslogik, bleibt aber in einem entscheidenden Punkt den systematisch fast konträren Grundsätzen der Rentenversicherung ver- haftet . Wer trotz faktischer Zwangsarbeit in einem Ghet- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 201618166 (A) (C) (B) (D) to die im Rentenrecht übliche Wartezeit von fünf Jahren nicht erfüllt, hat nach §§ 50 Absatz 1 Nummer 1, 51 Ab- satz 1 und 4 SGB VI keinerlei Ansprüche auf eine Rente auf Basis der Arbeit in einem der sogenannten jüdischen Wohnbezirke . Dies entspricht zwar dem rentenrechtli- chen Prinzip, zur pauschalen Risikovermeidung für einen Rentenanspruch bestimmte Mindestversicherungszeiten vorzusehen, läuft aber gleichzeitig dem in diesem Fall als höherwertig zu wertenden Ziel entgegen, die Betroffenen zumindest symbolisch zu entschädigen . Der Antrag der Linken geht daher durchaus in die richtige Richtung. Die vorgeschlagene Wartezeitfikti- on – jeder und jede ehemals in einem Ghetto Beschäf- tigte erhält einen Rentenanspruch – kann einen gangba- ren Weg darstellen . Jedenfalls bleibt uns angesichts des Alters der noch etwa 2 000 Betroffenen nicht viel Zeit . Gemeinsam ist doch allen Fraktionen das Verständnis für die Situation der Betroffenen . Wir alle sollten uns ge- meinsam in den Beratungen im Ausschuss ernsthaft um eine schnellstmögliche Lösung bemühen – schließlich war und ist die Zahlbarmachung der Renten für ehemali- ge Ghettobeschäftigte letztlich doch allen Fraktionen des Deutschen Bundestags ein Anliegen . Anlage 17 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Erleichte- rung des Ausbaus digitaler Hochgeschwindigkeits- netze (DigiNetzG) (Tagesordnungspunkt 16) Ulrich Lange (CDU/CSU): Diese Koalition bringt den Breitbandausbau ein deutliches Stück voran . Vieles von dem, was Experten hierzu fordern, ist angeschoben oder wird schon umgesetzt . Mit dem hier heute abschließend zur Beratung vorlie- genden DigiNetz-Gesetz werden auch auf Gesetzesebe- ne – im wahrsten Sinne des Wortes – noch einmal alle Hebel in Bewegung gesetzt, um den Breitbandausbau effektiver auszugestalten . Was ist der Hebel? Gerade das Aufgraben des Bodens, der Straßen kostet beim Breitbandausbau einen Hauptteil des Geldes – rund 80 Prozent der Kosten . Wenn die Tele- kommunikationsanbieter für den Ausbau andere Netzin- frastrukturen mitnutzen können, reduzieren sich die Aus- baukosten . Das heißt, man kann mit der gleichen Summe ein größeres Gebiet ausbauen . Clevere Telekommuni- kationsanbieter können deutlich Ausbaukosten sparen und zukünftig mehr Bürger per Glasfaser an das Internet anschließen . Dazu erhalten die Telekommunikationsan- bieter einen Rechtsanspruch, beispielsweise bestehende Strom- oder Abwassernetze zum Breitbandausbau mit zu nutzen . Wir haben in den parlamentarischen Beratungen dem Gesetz noch weitere Instrumente hinzugefügt, die eine gute Basis gerade für den Glasfaserausbau in den Häu- sern bieten werden . Wie auch vom Bundesrat gefordert, sollen beim Neubau von Mehrfamilienhäusern und grö- ßeren Wohneinheiten verpflichtend Leerrohre mitverlegt werden . Damit können beim späteren Anschluss des Hauses gleich Glasfaserleitungen bis in die Wohnung verlegt werden . Insgesamt handelt es sich dabei um eine Regelung mit Augenmaß. Denn diese Ausbauverpflichtung gilt im Wesentlichen für größere Wohnanlagen und Mehrfami- lienhäuser . In Einfamilienhäusern ist die Verlegung von Leerrohren empfehlenswert und eine Investition in die Zukunft – aber das bleibt weiterhin freiwillig . Außerdem haben wir für die Telekommunikationsun- ternehmen, die erstmals in den Ausbau der Infrastruktur in Häusern investieren, gute Rahmenbedingungen ge- schaffen . Dazu gehört, dass der Gebäudeeigentümer vom investierenden Telekommunikationsanbieter später keine zusätzlichen Entgelte für die Nutzung der in den Häusern verlegten Leitungen verlangen kann . Schließlich werden wir mit dem DigiNetz-Gesetz die oberirdische Verlegung von Glasfaserleitungen in einem eng begrenzten Umfang erleichtern . Es bleibt bei dem bisherigen Grundsatz, dass die Kommune bei der Frage „ober- oder unterirdische Verlegung“ von Telekommu- nikationsleitungen entscheidet und dabei die städtebau- lichen Belange relevant sind . Damit wird es auch wei- terhin in der Regel zu einer unterirdischen Verlegung kommen . Es soll aber auch möglich sein, dass vereinzelt stehende Gebäude und Gebäudeansammlungen zukünf- tig in Ausnahmefällen oberirdisch erschlossen werden können . Ganz wichtig ist dabei aber: Die Entscheidungs- kompetenz dazu bleibt vor Ort . Außerdem sorgt das DigiNetzG für mehr Transparenz . Denn die Telekommunikationsanbieter müssen wissen, wo welche Leitungen von anderen Netzbetreibern liegen . Nur dann können sie ihre Netzausbauplanung effizienter gestalten und somit mit dem gleichen Mitteleinsatz mehr Fläche erschließen . Bei Streit zwischen den Anbietern wird die Bundes- netzagentur in die Lage versetzt, für eine schnelle und verbindliche Klärung zu sorgen . Bei Straßenbauarbeiten werden zukünftig Glasfaser- leitungen mitverlegt, so wie es die Koalition im Rahmen unseres Entschließungsantrags zum Breitbandausbau zu Beginn der Legislaturperiode bereits angeregt hatte . Das ist bisweilen alles sehr kleinteilig . Aber das sind genau die Stellschrauben, die jetzt angezogen werden müssen, damit wir weiterhin ein hohes Ausbautempo halten . Außerdem können dadurch die Weichen für den Glasfaserausbau der nächsten Jahre gestellt werden . Neben diesen konkreten Regelungen zur Ausbauer- leichterung können darüber hinaus die Auswirkung des erfolgreich angelaufenen Bundesförderprogramms zum Breitbandausbau nicht hoch genug eingeschätzt werden . Das Bundesministerium für Verkehr und digitale In- frastruktur hat in Abstimmung mit den Ländern dafür gesorgt, dass Deutschland europaweit als Erster die bis- herigen Rundfunkfrequenzen, die sogenannte Digitale Dividende II, versteigern konnte . Die damit eingenom- menen 1,3 Milliarden Euro sind nicht im allgemeinen Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 2016 18167 (A) (C) (B) (D) Haushalt verschwunden, sondern werden konsequent für den Breitbandausbau eingesetzt . Außerdem kamen über das Zukunftsinvestitionsprogramm noch 1,4 Milliarden Euro aus dem allgemeinen Haushalt hinzu . Und nun wer- den mit dem Haushalt 2017 aller Voraussicht nach noch- mals 1,3 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt . Damit stellt die Koalition – erstmalig – rund 4 Milliarden Euro für den Breitbandausbau zur Verfügung . Hieran sieht man sehr gut, dass diese Koalition zukunftsgerichtet in die Infrastruktur unseres Landes investiert . Wie genau wir damit den Bedarf des Landes treffen, sieht man daran, dass bereits über 600 Bescheide auf Be- ratungsleistungen und 55 Bescheide für den tatsächlichen Netzausbau vergeben werden konnten . Fachleute werden mit ihrer Beratungsleistung den Kommunen bei der Pla- nung von neuen Ausbauprojekten helfen . Wir können da- her schon jetzt sehr gut prognostizieren, dass auch in den nächsten Jahren eine ganze Reihe an Förderanträgen zum Infrastrukturausbau zu erwarten ist, die dann in konkrete weitere Ausbauprojekte münden . Das macht die Netze fit für die Gigabit-Gesellschaft, das ist zukunftsgerichtete Infrastrukturpolitik; das ist ak- tive Wohlstandspolitik für unser Land und unsere Bürger . Thomas Jarzombek (CDU/CSU): Eine umfassen- de, aktive und mutige politische Begleitung der Digi- talisierung unseres Landes ist maßgeblich dafür, dass wir im globalen Standortwettbewerb um wirtschaftli- ches Wachstum, Innovationen, aber auch um die besten Köpfe aus Wissenschaft und Wirtschaft bestehen kön- nen . Das Gesetz zur Erleichterung des Ausbaus digita- ler Hochgeschwindigkeitsnetze – DigiNetzG –, das wir heute beschließen, ist dazu ein wichtiger Baustein: Mit dem Gesetz legen wir die Grundlage dafür, dass immer dann, wenn in Deutschland gebaut wird, wenn Neubau- ten entstehen oder bestehende Bauten umfassend saniert werden, wenn Straßen aufgerissen oder erneuert wer- den, gleichzeitig die Grundlage dafür gelegt wird, dass unser Land zügig beim Ausbau von leistungsfähigem Breitband internet vorankommt . Das ist ein großer Erfolg für diese Koalition und für die von ihr getragene Bun- desregierung . Und das ist zudem ein wichtiges Signal für alle Telekommunikationsanbieter in Deutschland, jetzt mutig weiter in den Breitbandausbau für die Zukunftsfä- higkeit unseres Landes zu investieren . Denn das sei an dieser Stelle auch einmal deutlich ge- sagt: Der Breitbandausbau ist die Aufgabe der Unterneh- men . Das ist in Artikel 87 des Grundgesetzes festgelegt, und zwar aus gutem Grund . Denn in den Zeiten, als wir mit der Bundespost die Telekommunikation staatlich or- ganisiert haben, war nichts besser . Ich erinnere nur an den Mondscheintarif . Aber es ist unsere Aufgabe als Staat, für die Unternehmen die richtigen Rahmenbedin- gungen zu setzen, und genau das machen wir heute mit diesem Gesetz . Diese Koalition hat in dieser Legislaturperiode auch zahlreiche weitere Erfolge erreicht, um die Digitalisie- rung voranzubringen . Dafür gilt auch der Bundesregie- rung unser Dank; denn die Bundesregierung hat sich das Thema Digitalisierung in den vergangenen Monaten als Schwerpunktthema über alle Ressortgrenzen hinweg ge- setzt . Das begrüße ich ausdrücklich, und ich hoffe zu- dem, dass sich diese Schwerpunktsetzung auch bis zum Ende der Legislaturperiode, aber insbesondere auch da- rüber hinaus, fortsetzt . Einige Erfolge für die Digitalisierung unseres Landes möchte ich hier noch einmal nennen; denn der richtige und wichtige Netzausbau ist ein Baustein einer ganzen Reihe von Weichenstellungen, mit der wir die Digitali- sierung vorantreiben und die Wettbewerbsfähigkeit stei- gern . Beginnen wir in Europa: Mit der Netzneutralitäts- verordnung haben wir auf europäischer Ebene endlich eine Regelung erreicht, die einerseits den freien Daten- verkehr sicherstellt, zudem aber auch Investitionen in Innovationen ermöglicht . So werden einheitliche Rah- menbedingungen für den europäischen digitalen Markt sichergestellt, die in ganz Europa Wachstum für die Digitalwirtschaft ermöglicht . Aus dem gleichen Grund ist es übrigens zu begrüßen, dass die europäische Da- tenschutz-Grundverordnung nun einheitliche Daten- schutzregeln in Europa vorsieht . Insbesondere junge, innovative Start-ups finden so die gleichen rechtlichen Rahmenbedingungen in ganz Europa vor . In Deutschland sind nun im Rahmen der Digitalen Dividende II die Frequenzen im Bereich von 700 Me- gahertz für das schnelle mobile Breitband bereitgestellt worden . Hiermit sind wir in Europa an der Spitze . Es bleibt zu hoffen, dass dieser Standard sich auch europa- weit durchsetzen kann . Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infra- struktur hat zum wohl ersten Mal in der Geschichte unse- res Landes ein Breitbandförderprogramm in Deutschland initiiert . Aufgelegt mit einem ursprünglichen Volumen von 2,7 Milliarden Euro wird der Ausbau von schnellem Internet in der Breite gefördert . Auch hier verdient die Bundesregierung eindeutiges Lob für ihre zügige Arbeit bei der Erteilung der Förderbescheide . In der letzten Wo- che wurde nun bekannt, dass das Bundesförderprogramm für den Breitbandausbau um weitere 1,3 Milliarden Euro auf nun 4 Milliarden Euro aufgestockt wird . Dies zeigt einmal mehr, dass die Digitalisierung auf der Pri- oritätenliste der Bundesregierung ganz oben steht . Denn dadurch wird der Anspruch, flächendeckend schnelles Internet in Deutschland zur Verfügung zu stellen, auch finanziell weiter unterlegt. Das ist, wie ich finde, ein wei- teres starkes Zeichen für den Innovations- und Zukunfts- standort Deutschland . Ein weiterer wichtiger Schritt im Rahmen der Digi- talisierung war die Novellierung des Telemediengeset- zes . Mit der Ausweitung der Haftungsprivilegierung auf WLAN-Anbieter und der Abschaffung der Störerhaftung haben wir Rechtssicherheit für WLAN-Anbieter herge- stellt . Damit haben wir die Grundlage für den weiteren Ausbau freier WLAN-Netze geschaffen – gleich ob ge- werblich, nebengewerblich oder privat . Damit werden zum Beispiel auch für viele Unternehmen, wie Restau- rants, Cafés und Hotels, Chancen für die Gewinnung neuer und Bindung bisheriger Kunden erhöht . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 201618168 (A) (C) (B) (D) Mit dem DigiNetz-Gesetz stellen wir nun sicher, dass überall dort, wo Bauvorhaben durchgeführt, Häuser re- noviert, Straßen geöffnet oder Neubaugebiete erschlos- sen werden, die Grundlagen für ein leistungsfähiges Breitbandinternet geschaffen werden . Im Ergebnis wird das den Breitbandausbau in Deutschland nicht nur kos- tengünstiger machen, sondern auch erheblich beschleu- nigen . Daneben stellen wir auch sicher, dass der Ausbau der Infrastruktur nicht einfach an der Bordsteinkante en- det: Für den zügigeren Glasfaserausbau in großen Woh- nungseinheiten können mit den neuen Regelungen die Telekommunikationsanbieter gegenüber den Gebäude- eigentümern zudem einfacher den Ausbau bis zur Woh- nung des Endkunden durchsetzen . Mit dem Gesetz fördern wir aber auch die neue Mobil- funktechnik der fünften Generation: den Mobilfunkstan- dard 5G . Voraussetzung dafür wird unter anderem eine Vielzahl von Sendemöglichkeiten in sehr kurzen Abstän- den sein, um die für Anwendungen wie das automatisier- te Fahren oder die Telemedizin erforderliche Taktilität zu gewährleisten . Mit dem DigiNetz-Gesetz vereinfachen wir nun diesen Ausbau, indem zukünftig Laternen oder Ampeln als Standorte für Mobilfunksender mitgenutzt werden können . Das senkt einerseits die Ausbaukosten für hochmoderne, engmaschige 5G-Netze und schafft andererseits eine gute Basis für den Ausbau dieser neuen Technologie in der Fläche . Der weitere Ausbau der digitalen Netzinfrastruktur in Deutschland ist die Grundlage für die wirtschafts-, aber auch gesellschaftspolitisch dringend notwendige weitere Digitalisierung unseres Landes . Er bleibt eine Herausfor- derung für Wirtschaft und Politik . Mit dem DigiNetz-Ge- setz kommen wir hierbei einen bedeutenden Schritt vo- ran . Martin Dörmann (SPD): Das heute zu verabschie- dende DigiNetz-Gesetz ist ein wichtiger Schritt für den flächendeckenden Ausbau von Hochgeschwindigkeits- netzen in Deutschland . Vorgesehen sind beispielsweise eine verbesserte Mitnutzung bestehender Infrastrukturen durch TK-Netzbetreiber und die verpflichtende Mitver- legung von Leerrohren und Glasfaser bei öffentlichen Baumaßnahmen. Das alles wird signifikant die Kosten senken und einen wesentlichen Beitrag für einen schnel- leren Breitbandausbau leisten, insbesondere auch von Glasfaserleitungen . Die Koalition hat hiermit erneut bewiesen, dass sie nicht nur Konzepte vorlegt, sondern diese Schritt für Schritt umsetzt . Ich will an weitere Bausteine erinnern: Mit unserem Breitbandkonzept „Schnelles Internet für alle“ haben wir zu Beginn der Legislatur den Weg vor- gezeichnet . Vergangenes Jahr haben wir nach einem „na- tionalen Konsens“ mit der Versteigerung der Frequenzen im Bereich der „Digitalen Dividende II“ nicht nur erheb- liche Einnahmen für Bund und Länder generiert . Bei der Neuvergabe der Frequenzen für mobiles Breitband wur- de eine fast flächendeckende LTE-Versorgungsauflage für die Mobilfunkbetreiber verankert . Erstmals konnte mit diesen Einnahmen sowie weiteren Mitteln aus dem Bundeshaushalt ein milliardenschweres Breitbandförderprogramm auf den Weg gebracht werden . Dieses ist so erfolgreich angelaufen, dass bis Ende des Jahres alle Mittel vergeben sein werden und man sich be- reits jetzt Gedanken über eine Fortsetzung machen soll- te . Übrigens gehen über 70 Prozent der Fördermittel in FTTB-Glasfaserprojekte und in sehr ländliche Gebiete . Für jeden Euro öffentlicher Förderung werden zusätz- lich private Investitionen in Höhe von 2 Euro ausgelöst . Bei 2,7 Milliarden Euro Fördermitteln in Bund und Län- dern sind Gesamtinvestitionen von rund 8 Milliarden Euro für den Breitbandausbau zu erwarten . Mit dem DigiNetz-Gesetz wird nun ein weiterer Bau- stein unserer Strategie für einen beschleunigten Breit- bandausbau gesetzt: Kostensenkung und verbesserte Synergien . Dieser Bereich ist extrem wichtig, da grob geschätzt bis zu 80 Prozent der Ausbaukosten auf Hoch- und Tief- bauarbeiten entfallen, die insbesondere in dünn besiedel- ten Regionen überproportional hoch sind . Sie sind dort der Grund für Wirtschaftlichkeitslücken, die Investitio- nen verhindern können . Das DigiNetz-Gesetz wird diese Kosten nun spürbar senken . Bezogen auf die Gesamtinvestitionen für den Breitbandausbau rechnet die Bundesregierung mit einem Einsparpotenzial von über 20 Prozent . Damit wird nicht nur der Netzausbau für Investoren attraktiver, sondern es werden auch die Kosten für Verbraucherinnen und Ver- braucher sinken . Wie wird dies erreicht? Der Kern des Gesetzentwurfs sind umfassende entgeltliche Mitnutzungsansprüche der TK-Netzbetreiber an bestehenden Infrastrukturen aller Art . Nun werden im Grunde alle Hohlräume und Träge- rinfrastrukturen für eine Mitnutzung durch Telekommu- nikationsanbieter zulässig . Diese Mitnutzung kann auch verweigert werden, etwa bei Anhaltspunkten für Gefähr- dungen für Gesundheit oder Sicherheit . Auch bei schon bestehender Glasfaserinfrastruktur kann Mitnutzung ab- gelehnt werden, um Überbau und Entwertung von hoch- wertigen Investitionen zu verhindern . Außerdem sollen bei allen öffentlich finanzierten Bau- maßnahmen bedarfsgerecht Leerrohre und unbeschaltete Glasfaser mitverlegt werden . Bei Neubaugebieten soll dies immer der Fall sein . Dies macht eine spätere Anbin- dung an die Hochleistungsnetze sehr viel einfacher und kostengünstiger . Gegenstand des Gesetzes ist auch ein transparenteres Informationssystem . Die Bundesnetzagentur wird mit 29 neuen Planstellen als nationale Informations- und Streit- beilegungsstelle fungieren und regulatorisch die neuen Maßnahmen begleiten . Das schafft zügige Rechtssicher- heit für alle Beteiligten . Im parlamentarischen Verfahren haben wir den Ge- setzentwurf der Bundesregierung noch einmal qualita- tiv deutlich verbessert . Hierbei wurden Anregungen des Bundesrats und aus der Branche aufgegriffen und um- gesetzt . Entgegen dem ersten Ansatz werden Bauordnungs- vorschriften und Genehmigungsfristen nun bundesseitig Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 2016 18169 (A) (C) (B) (D) einheitlich geregelt . Außerdem werden Ampelanlagen und Laternenmasten als Trägerstrukturen mitnutzbar, zum Beispiel für zukünftige 5G-Mobilfunksender und automatisiertes Fahren . Zudem haben wir erhebliche Präzisierungen zur Versorgung am und im Gebäude ein- gebracht . Das DigiNetz-Gesetz ist ein komplexes Maßnahmen- paket . An mehreren Stellen sind wir über die Vorgaben der EU-Transparenzverordnung hinausgegangen, die es umzusetzen galt . Wir sind sicher, dass die kostendämp- fende Wirkung schnell spürbar sein wird . Hochleistungs- fähige Technologien wie Glasfaser werden besonders gestärkt . Das ist nicht nur eine Einzahlung auf unser ehr- geiziges Zwischenziel von flächendeckend mindestens 50 Mbit/s bis 2018 . Es ist auch die Voraussetzung für den weiteren Weg in die Gigabit-Gesellschaft . Zusammengefasst: Nachdem wir bereits erfolgreich die „Digitale Dividende II“ gehoben und ein umfassen- des Breitbandförderprogramm auf den Weg gebracht ha- ben, setzen wir mit dem DigiNetz-Gesetz einen weiteren Meilenstein unserer Breitbandstrategie um . Es wird deut- lich: Wir erarbeiten nicht nur gute Konzepte, wir setzen sie auch konsequent um! Herbert Behrens (DIE LINKE): Der angekündigte Weg in die Gigabit-Gesellschaft bleibt holprig . Mit dem hier vorliegenden Gesetzentwurf werden zwar wichtige Dinge geregelt, die den Ausbau von Glasfasernetzen er- leichtern können . Doch er bleibt weit hinter dem zurück, was wirklich einen flächendeckenden Glasfaserausbau voranbringen würde . Schnelles Internet für alle und überall muss das Ziel sein . Doch hier haben wir es nur mit einem Schrittchen auf diesem Weg zu tun . Und es war mühsam, dieses Schrittchen überhaupt zu machen . Der ursprüngliche Gesetzentwurf musste mas- siv nachgebessert werden, um dem Ziel näher zu kom- men, mehr Glasfaser mit weniger Kosten auf den Weg zu bringen . Das ist gut, und Die Linke erkennt an, dass es eine Reihe von Verbesserungen gegeben hat, die vom Bundesrat und von den Fachverbänden eingebracht wor- den sind . So soll zum Beispiel in Ausnahmefällen auch eine oberirdische Verlegung von Glasfaserkabeln möglich werden . Die Genehmigungsfristen für die Mitverlegung von Kabeln bei Baumaßnahmen an den Straßen werden verkürzt . Genehmigungsverfahren werden gestrafft, da- mit der Ausbau des schnellen Glasfasernetzes nicht be- hindert wird . Außerdem wird es Betreibern öffentlicher Versorgungsnetze erlaubt, Einnahmen, die sie für die Mitnutzung ihrer Infrastruktur erhalten, einzubehalten . Auch wenn die Einnahmen über die Kosten hinausgehen, sind sie nicht dem Netzbetrieb zuzurechnen . So können sie das Netz ohne Nachteile vermarkten . All das bringt uns ein Stück in Sachen Glasfaserausbau voran . Es reicht aber nicht für unsere Zustimmung zum Ge- setz, die Linksfraktion wird sich enthalten . Denn es bleiben neu geschaffene Unwägbarkeiten, die einem Ausbau und Aufbau digitaler Hochgeschwindig- keitsnetze entgegenstehen . Das DigiNetz-Gesetz macht keinerlei Vorgaben bezüglich der Entgelte für die Mitnut- zung von Infrastrukturen wie zum Beispiel Versorgungs- leitungen oder Leerrohren . Das soll der Markt regeln, wie so oft, wenn wir hier im Deutschen Bundestag Ge- setze beschließen . Die Netzbetreiber brauchen aber ver- lässliche Angaben über Aufwand und Kosten beim Netz- ausbau, wenn auch die Infrastrukturbesitzer verpflichtet werden, ihre Struktur zur Verfügung zu stellen . Da kann schon mal um den besten Preis gepokert werden . Das aber führt nicht zur Beschleunigung, sondern eher zu Zeitverzug und Planungsunsicherheit . Wir sind auch nicht überzeugt davon, dass die Bun- desnetzagentur zusätzlich zu ihren vielfältigen Aufgaben für die Streitbeilegung zuständig gemacht werden soll . Es werden zwar 29 neue Stellen eingerichtet, die die neu- en Aufgaben bewältigen sollen . Die Bundesnetzagentur verfügt auch über das Fachwissen im Bereich der Tele- kommunikation, aber in Hinblick auf Straßen, Abwasser- kanäle und Gasleitungen ist das nicht sicher . Und dann zügig und kompetent Entscheidungen bei Konflikten zu finden, ist ausgesprochen schwierig. Nun ist das DigiNetz-Gesetz ja eine notwendige Um- setzung einer EU-Richtlinie . Übrigens aus dem Jahr 2014 mit der Maßgabe, dass sie zum 1 . Januar 2016 in natio- nales Recht umgesetzt sein sollte . So weit zum Thema schnelle Entscheidung für ein schnelles Netz . Aber es ist eben auch eine Kostensenkungsrichtlinie . Und an dieser Stelle bleibt das größte Fragezeichen bei dem ganzen Projekt . Das Einsparpotenzial soll 25 Prozent der Gesamtkos- ten eines bundesweiten Ausbaus digitaler Hochgeschwin- digkeitsnetze betragen, erwartet die Bundesregierung . 20 Milliarden Euro sollen es in den nächsten drei Jahren sein . 25 Prozent entsprechen 20 Milliarden . Das bedeutet, dass Investitionen in Höhe von 80 Milliarden Euro in den nächsten drei Jahren in den Glasfaserausbau gesteckt werden sollen . Woher soll das Geld kommen, wer sind die Investo- ren? Dazu gibt es keine Aussagen des Ministers für Ver- kehr und digitale Infrastruktur . Nicht nur die Linksfrak- tion zweifelt dieses großmündige Versprechen an . Der Bundesverband Glasfaseranschluss (BUGLAS) bezeich- nete diese hohen Erwartungen in einer Pressemitteilung als „deutlich zu hoch gegriffen“ . Zwar begrüßt der Ver- band viele der geplanten Maßnahmen, stellt aber infrage, ob der Breitbandausbau dadurch tatsächlich „erheblich vergünstigt und vor allem beschleunigt“ werden könne . In der Anhörung zum Gesetz im Ausschuss wiederholte der Verbandsvertreter diese Position mit etwas anderen Worten . Es bleibt dabei, Kosten können nur eingespart werden, wenn Kosten entstehen . Darum fordert die Linksfrakti- on im Bundestag mehr Investitionen für ein schnelles zukunftsfähiges Internet . Die Bundesregierung ist dazu aber nicht bereit oder in der Lage . Damit muss Schluss sein . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 201618170 (A) (C) (B) (D) Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vor drei Tagen wurde eine neue Studie des WIK-Instituts mit dem Namen „Treiber für den Ausbau hochbitratiger Infrastrukturen“ herausgegeben . Sie kommt zu dem Er- gebnis, dass die Breitbandnachfrage bereits heute in Tei- len ein Niveau erreicht hat, das über Netze, aufgepimpte Kupfernetze, nicht mehr befriedigt werden kann . Und: Dieser Trend werde sich in Zukunft weiter beschleuni- gen . Das WIK prognostiziert, dass in neun Jahren über 75 Prozent der Haushalte Bandbreiten von mindestens 500 Mbit/s im Down- und 300 Mbit/s im Upload nach- fragen werden . Diese Geschwindigkeiten erreichen Sie nicht über Kupfer und Vectoring, und deshalb müssen wir jetzt alle Schalter umlegen auf den Ausbau zukunfts- fähiger Glasfasernetze . Das DigiNetz-Gesetz ist dafür ein nötiger Zwischen- schritt . Das hat die EU-Kommission richtig erkannt, als sie die Richtlinie festlegte, die Sie heute umsetzen wol- len . Eine bessere Koordinierung von Bauarbeiten ist nötig, die Zeiten, dass eine Straße zweimal aufgerissen wird – einmal für eine Wasserleitung und später noch mal für das Glasfaserkabel –, sollten passé sein . Aus unserer Sicht ist aber die Umsetzung suboptimal . Die Interessen der Versorgungsunternehmen, die ja den Zugang zu ih- ren Leerrohren gewähren müssen, bleiben zu sehr außen vor . Wenn in Zukunft zum Beispiel Reparaturarbeiten teurer werden, weil man auf mitverlegte Telekommuni- kationsleitungen Rücksicht nehmen muss, darf das nicht zulasten der Kommunen gehen . Mehrkosten müssen von denen übernommen werden, die sie verursachen . Wir sehen es als Mangel an, dass Sie nicht klar die Kosten für Länder, Kommunen und Versorgungsun- ternehmen spezifizieren. Die Mitverlegung darf nicht einseitig zu deren Lasten gehen, die Telekommunikati- onsunternehmen müssen ausdrücklich zum Ersatz sämt- licher Erschwerniskosten verpflichtet werden, die im Zu- sammenhang mit Mitnutzungen entstehen . Die voraussichtlich ohnehin geringe Wirkung des Ge- setzesvorhabens wird noch dadurch geschmälert, dass die Bundesregierung eine lange Liste von Gründen auf- genommen hat, aus denen der Anspruch auf Mitnutzung bereits vorhandener Infrastruktur versagt werden kann . Und noch ein Manko: Die Bundesregierung übertreibt bei den zu erwartenden Einsparungen enorm, auch wenn wir sie schon mehrfach darauf hingewiesen haben . Denn man kann natürlich nicht überall, wo gebaut wird, ein- fach Glasfaser mitverlegen . Die Netzbetreiber machen eine eigene Netzplanung und können sich nicht immer danach richten, wo zufällig schon Rohre liegen . Das Sparpotenzial ist also von vornherein begrenzt . Insofern ist dieses Gesetz zwar ein Schritt in die richtige Rich- tung, es ersetzt aber keineswegs eine vernünftige Förder- strategie für den Breitbandausbau . Und an der fehlt es in Deutschland . Bei der Vorstellung der WIK-Studie am Montag for- derte der VATM-Präsident Martin Kind, es müssten sich „alle zusammensetzen und einen Masterplan entwi- ckeln“ . Denn trotz Netzallianz und Bundesminister für Digitale Infrastruktur haben wir einen solchen Master- plan nicht . Wir haben ein Breitbandziel, das schon heute überholt ist . Wir haben ein Förderprogramm, das genau dieses kurzsichtige Ziel zu erreichen sucht . Aber wir ha- ben keinen Masterplan zum Gigabitausbau . Ich frage mich, ob wir eigentlich noch von bestimm- ten Geschwindigkeiten als Zielmarken reden sollten . 50 Mbit, 100 Mbit, 200 Mbit … Wir sind doch hier nicht bei Ebay . Stattdessen sollte der Staat eine Leitmission vorgeben und die dann konsequent verfolgen . Die Mis- sion Possible muss aus unserer Sicht sein: Wir wollen Hochgeschwindigkeitsnetze, und wir brauchen sie . Und alles andere sortieren wir unter diesem Ziel ein, auch das Breitbandförderprogramm . Damit kommen wir im End- effekt deutlich weiter als mit dem bisherigen Stückwerk . Anlage 18 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung ein- gebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Bundesmeldegesetzes und weiterer Vorschriften (Zusatztagesordnungspunkt 5) Thorsten Hoffmann (Dortmund) (CDU/CSU): Heu- te sprechen wir in der 2 ./3 . Lesung über die erste Än- derung des Bundesmeldegesetzes . Mit dieser Änderung reagieren wir zügig und zeitnah auf die praktischen Er- fahrungen, die wir in den vergangenen Monaten seit der Einführung sammeln konnten . Wir sind also nah dran an der Lebenswirklichkeit der Bürgerinnen und Bürger . Schon jetzt möchte ich mich herzlich für die konstruk- tive Zusammenarbeit aller Beteiligten in diesem Prozess bedanken . Während unserer Zusammenarbeit wurde noch einmal deutlich, dass es durch die Bank kaum Ein- wände an der Verbesserung des bestehenden Bundes- meldegesetzes gibt . So konnten wir viele Punkte weiter ausführen und abstimmen . Im Großen und Ganzen hat sich gezeigt, dass wir die anstehenden Änderungen ge- meinsam gut vorbereitet haben . Wir bewegen uns in einer sich stetig wandelnden In- formationsgesellschaft . Viele wichtige Entscheidungen unserer Behörden basieren auf dem zuverlässigen Aus- tausch und Abruf von Informationen . Im Laufe der Zeit haben wir deshalb die Übermittlungsmöglichkeiten die- ser Meldedaten erheblich ausgeweitet . Ich möchte das noch einmal betonen: Es geht um die Übermittlungsmög- lichkeiten, nicht um die Ausweitung oder um die Anhäu- fung von Daten . Mittlerweile stellen unsere Meldebehörden ihre Da- ten für viele Fachverfahren zur Verfügung . Die Arbeit von Behörden wie beispielweise den Statistik-, Auslän- der- und Ausweisbehörden sowie Schul- und Gesund- heitsämtern wäre ohne die bereitgestellten Daten kaum vorstellbar . Besonders im Hinblick auf unsere Sicher- heitsbehörden wird deutlich, wie wichtig der schnelle und zuverlässige Austausch von Informationen ist . Ich werde nicht müde, dies immer wieder zu betonen . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 2016 18171 (A) (C) (B) (D) Wir müssen in unserer Gesellschaft, die so abhängig von sensiblen Daten ist, aber auch unheimlich vorsichtig sein, wenn es um unsere persönlichsten Daten geht . Den Wandel mit dem Umgang unserer Daten kann man schon an einem einfachen Beispiel erkennen: Frü- her musste man im dörflichen, aber auch im städtischen Bereich viele Kilometer fahren, um dringend benötigte Dokumente zu beantragen . Heute ist das nicht mehr not- wendig . Wir haben heute die Möglichkeit, an fast jeder Verwaltungsstelle unsere Dokumente zu beantragen und abzuholen . Die Voraussetzung für ein solch modernes Meldewe- sen ist, dass wir mit einem einheitlichen System arbeiten und die Daten untereinander verständlich ausgetauscht werden können . Auch beim Datenaustausch war es bis- her oft problematisch . Nicht selten hat eine Behörde ein anderes System und ein anderes Datenformat benutzt als eine andere Behörde . Das hat zu unheimlichen Schwie- rigkeiten geführt . Verschiedene Systeme passen eben nicht aufeinander: Die Leidtragenden sind dann vor al- lem die Bürgerinnen und Bürger . Am Ende des vergangenen Jahres ist dann das Bun- desmeldegesetz in Kraft getreten . Das passierte ohne das große Buhei, das so oft bei anderen Themen gemacht wird, obwohl wir alle davon betroffen sind . Und das Thema geht jeden von uns an . Wir haben es uns trotzdem nicht leicht gemacht und haben bei diesem wichtigen Ge- setz lange um einen Kompromiss gerungen, weil wir die Interessen aller Bürgerinnen und Bürger berücksichtigen wollten . Gleichwohl müssen wir aber auch die Interessen der Unternehmen im Auge haben . Hier geht es selbstver- ständlich eher um die Wirtschaftlichkeit der verschiede- nen Arbeitsprozesse . Und natürlich haben auch die Ver- waltungen Interessen, an denen wir nicht vorbeigehen dürfen, wenn es darum geht, ein gutes Gesetz auf den Weg zu bringen . Wir haben also alle Betroffenen mit ins Boot genommen und alle Interessen berücksichtigt . Aber was wollen wir? Wir wollen viele der bestehen- den Abläufe vereinheitlichen, vereinfachen und digita- lisieren . Wir wollen einen hohen Standard, kurze Wege und ein modernes Meldegesetz schaffen . Dazu gehörte auch die Zusammenführung des Melderechtsrahmenge- setzes mit den Landesmeldegesetzen . Daten und Datenspeicherung, Schutzrechte, Melde- pflichten, Datenübermittlungen zwischen öffentlichen Stellen, Melderegisterauskünfte, Zeugenschutz und Ord- nungswidrigkeiten laufen nun unter einem bundesein- heitlichen Melderecht für alle Bürger . Dank der Einführung des Bundesmeldegesetzes sind wir unseren Zielen einen großen Schritt näher gekom- men . Wir haben sie noch nicht ganz erreicht, das sage ich ganz ehrlich . Aber wir sind auf dem richtigen Weg . Die Verfahrenswege für alle Beteiligten sind kürzer gewor- den, insbesondere für Bürgerinnen und Bürger . Hier ge- winnen wir Bürgernähe durch technische Entwicklung . Das Gleiche trifft auch auf die Meldebehörden zu . Diesen wird durch das Gesetz ermöglicht, effizienter miteinan- der zu kommunizieren. Profiteure sind die Mitarbeiterin- nen und Mitarbeiter sowie die Bürgerinnen und Bürger . Wir wollen die Entbürokratisierung für alle Beteiligten vorantreiben, um ihnen das Leben zu erleichtern . Und genau das schaffen wir mit diesem Gesetz . Die vergangenen Monate haben gezeigt, dass das bisherige Bundesmeldegesetz noch durch weitere Rege- lungen vereinfacht werden kann: In Zukunft sorgen wir dafür, dass die Abmeldepflicht für Personen, die ins Aus- land ziehen, erleichtert wird . Der Vermieter, der bisher den Auszug seines Mieters schriftlich bestätigt hat, wird von dieser Mitwirkung befreit . Die Abmeldung in die- sem Fall kann elektronisch bei der Meldebehörde vom Mieter selbst unternommen werden . Das ist eine unheim- liche Erleichterung für die Vermieter, die nicht mehr dem Verzogenen hinterherlaufen müssen . Schon lange sind wir der Überzeugung, dass viele Abläufe und Abfragen auf elektronischem Wege erfolgen können . Dies ist ein richtungsweisender Schritt in eine sich stetig mehr di- gitalisierende Gesellschaft . Wir müssen dabei natürlich auch bedenken, dass die Wege sicher sein müssen . Dieser Grundsatz gilt: Wir müssen alles können, aber wir müs- sen nicht alles machen, nur weil wir es können . Sensible Daten müssen sensibel gehandhabt werden . Sicherheit hat hier den Vorrang vor der Einfachheit . Wir haben es aber jetzt geschafft, beide Aspekte zusammenzubringen . Das möchte ich an dieser Stelle betonen . Durch die Einführung der elektronischen Abmel- dung wird die jährliche Bearbeitungszeit um rund 100 000 Stunden reduziert . Um sich das mal konkret vor Augen zu führen, möchte ich Ihnen das anhand eines Beispiels verdeutlichen . Die Zahlen aus dem letzten Jahr haben gezeigt, dass es durchschnittlich 700 000 Auswan- derungen gab . Bei unserer Berechnung gehen wir davon aus, dass zwar nicht sofort alle von der elektronischen Ab- meldung Gebrauch machen, mit etwa der Hälfte können wir aber durchaus rechnen . Für den konkreten Einzelfall sieht das Ganze dann so aus: Bisher hat die Abmeldung einen Zeitaufwand von knapp 23 Minuten gekostet . Da- von fallen im Schnitt 15 Minuten auf die Wegezeit und weitere acht Minuten für die eigentliche Bearbeitungs- zeit an . Jetzt, da wir künftig die Möglichkeit der elek- tronischen Übermittlung haben, entfallen die Wegezeit und ein Teil der Bearbeitungszeit . Wir stimmen heute für ein standardisiertes Verfahren, das den gesamten Abmel- dungsprozess auf bis zu zwei Minuten verkürzt . Pro Fall sprechen wir also von einem entscheidenden Zeitgewinn von circa 21 Minuten . Mit unserer heutigen Entscheidung, auf die Mitwir- kungspflicht des Vermieters bei der Abmeldung zu ver- zichten, sparen wir knapp 1,184 Millionen Euro pro Jahr an Bürokratiekosten ein. Das ist der finanzielle Aspekt, nicht zu vergessen, dass die Vermieter und Mieter mit dieser Lösung vermutlich sehr zufrieden sein werden . Wir sorgen in Zukunft dafür, dass Behördengänge weiter vereinfacht werden . Deshalb wollen wir heute beschließen, dass die bisher allein zuständigen Landes- behörden andere Behörden für einfache Melderechtsaus- künfte bestimmen können . Wir sorgen in Zukunft dafür, dass das Geschlecht wieder in der Melderegisterauskunft eingeführt wird . In unserer vielfältigen Gesellschaft ist es Realität, dass Mel- debehörden zunehmend Schwierigkeiten haben, Namen Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 201618172 (A) (C) (B) (D) unterschiedlichster Herkunft dem richtigen Geschlecht zuzuordnen . Die Ableitung des Geschlechtes aufgrund des Namens ist in vielen Fällen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Behörden nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen möglich und deshalb in den Datenbanken häufig falsch hinterlegt. Jeder von uns kennt doch eine Joyce oder einen Joyce, eine Jules oder einen Jules, eine Robin oder einen Robin . Es gibt dafür ja sogar einen schönen Ausdruck: Unisex-Namen . Selbst mein Mitarbeiter aus Dortmund, er heißt Salih, wird oft als Frau angeschrieben . Aus diesem ganz pragmatischen Grund soll das Geschlecht wieder als Suchmerkmal in den Datenbanken eingeführt werden . Das Thema der inneren Sicherheit habe ich bereits angesprochen und betone noch einmal: Das Bundes- meldegesetz ist ein weiteres Mittel in einem Strauß von vielen Möglichkeiten . Das Meldewesen gewinnt auch im Sicherheitsbereich immer mehr an Bedeutung . Gerne er- innere ich an dieser Stelle an die richtige Entscheidung, den Ersatz-Personalausweis einzuführen . Er verhindert die Ausreise von Personen, die unsere innere und äußere Sicherheit durch die Vorbereitung von schweren Gewalt- taten in Terrorcamps im Ausland gefährden . Die Ausrei- se war damals für Gefährder trotz Passentzug mit ihrem Personalausweis möglich . Der Ersatz-Personalausweis hat das nahezu unmöglich gemacht . Für unsere Sicher- heit ist es unerlässlich, dass die Information über den Reisepassentzug und die Ausstellung des Ersatz-Perso- nalausweises im Meldewesen hinterlegt ist . Eine weitere Anpassung des Bundesmeldegesetzes ist durch die Einführung der doppelten Staatsbürger- schaft notwendig geworden . Kinder ausländischer Eltern können durch die Geburt hier in Deutschland die deut- sche Staatsangehörigkeit erwerben . Für sie entfällt die Optionspflicht. Die Standesämter übermitteln den Mel- debehörden den Erwerb dieses Ius-Soli-Titels . Für die Durchführung des Optionsverfahrens müssen die Melde- behörden und die Staatsangehörigkeitsbehörden zusam- menarbeiten und die Möglichkeit haben, sich bestimmte Daten zu übermitteln . Sie haben nun die Möglichkeit, die Angaben zur Staatsangehörigkeit der gemeldeten Perso- nen zu prüfen . Die Änderung des Bundesmeldegesetzes ist vernünf- tig, notwendig und gelungen . Aus diesem Grunde bitte ich um Ihre Zustimmung . Gabriele Fograscher (SPD): Der 28 . Juni 2012 war, genau wie heute, der Donnerstag der letzten Sitzungswo- che vor der Sommerpause . Am 28. Juni 2012 fand das Halbfinale der Fußball-Eu- ropameisterschaft statt, in dem Deutschland auf Italien traf . Auch heute spielt Deutschland wieder im Europa- meisterschaftshalbfinale, diesmal gegen Frankreich. Am 28 . Juni 2012 stand die 2 ./3 . Lesung des Bundes- meldegesetzes auf der Tagesordnung des Plenums, genau wie heute . Damals ging es um eine große Reform . Meine Frak- tion und ich hatten bereits vor der abschließenden Be- ratung vor der Verschlechterung des Datenschutzes ge- warnt . Die damals schwarz-gelbe Bundesregierung hat das nicht interessiert und das Gesetz mit ihrer Mehrheit, die damals aufgrund des Fußballspiels aus wenigen Ab- geordneten bestand, verabschiedet . Ergebnis: Das Gesetz landete im Vermittlungsausschuss . Was war passiert? In letzter Minute hat die damalige schwarz-gelbe Regierungskoalition einen Änderungsan- trag im Innenausschuss vorgelegt, der die positiven An- sätze des ursprünglichen Gesetzentwurfes ins Gegenteil verkehrte . Auch wenn das Melderecht ein sehr technisches Ge- setz ist, so kommt jede Bürgerin und jeder Bürger mehr- fach in seinem Leben damit in Berührung . Das Melderecht verpflichtet jeden Bürger und jede Bürgerin, bestimmte Daten an die Meldebehörden zu ge- ben . Dazu gehören der Familienname, frühere Namen, Vornamen, Geburtsdatum und Geburtsort, Staatsangehö- rigkeit, Adresse und andere Daten . Die Bürgerinnen und Bürger müssen sicher sein, dass ihre Daten bei den Meldebehörden gut und sicher aufge- hoben sind und nicht unbegründet an Dritte weitergege- ben, dort gespeichert und gegebenenfalls weiterverwen- det werden . Mit dem damaligen Änderungsantrag wurden hin- sichtlich der Verwendung von Daten aus Melderegis- terauskünften die geplanten Regelungen zur Zweckbin- dung sowie zum Widerspruch gegen die Verwendung für Werbung und Adresshandel völlig ausgehebelt . Es wurde eine Einwilligungslösung durchgesetzt, die dann aber auf Druck der SPD im Vermittlungsausschuss wieder rück- gängig gemacht wurde . Wir als Gesetzgeber und als Staat müssen besonders sensibel mit den Daten der Bürgerinnen und Bürger um- gehen . Wir sollten sie besonders sicher verwenden . Wir sollten sorgsam mit ihnen umgehen . Wir dürfen eine Weitergabe nur dann zulassen, wenn sie notwendig und ausreichend begründet ist . Die Bürgerinnen und Bürger vertrauen auf einen sensiblen Umgang mit ihren Daten und können das auch vom Staat erwarten . Deshalb war und ist es richtig, dass die von schwarz- gelb gewollte Aufweichung des Datenschutzes nicht in Kraft getreten ist . Heute geht es um wenige Änderungen und Anpassun- gen im Melderecht . Nachdem 16 unterschiedliche Melderechte aus den Bundesländern zusammengeführt wurden, trat das Bun- desmeldegesetz zum 1 . November 2015 in Kraft . Nun hat die Praxis gezeigt, dass an einigen Stellen nachjustiert werden muss . Die Bestätigung des Wohnungsgebers bei Auszug wird abgeschafft, und die Abmeldung beim Umzug ins Ausland kann elektronisch erfolgen . Des Weiteren vollziehen wir inzwischen erfolgte Ge- setzesänderungen im Melderecht nach . Die Einführung des Ersatzpersonalausweises im Personalausweisgesetz und die Neuregelung der Optionspflicht im Staatsange- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 2016 18173 (A) (C) (B) (D) hörigkeitsrecht müssen auch im Melderecht umgesetzt werden . Für die Länder wird es möglich, nicht nur die oberste Landesbehörde, sondern auch eine andere Behörde als Zulassungsbehörde für privatrechtlich betriebene Porta- le zur Durchführung einfacher Melderegisterauskünfte über das Internet zu bestimmen . Das Bundesamt für Justiz soll in den Katalog der Be- hörden des § 34 Absatz 4 Satz 1 aufgenommen werden, die grundsätzlich Daten bei den Meldebehörden zur Er- füllung ihrer Aufgaben abfragen können . Das Datum „Geschlecht“ wird als zusätzliches Datum bei der Registrierung festgelegt . Der Grund dafür ist, dass es aufgrund der steigenden Anzahl ausländischer Namen immer schwieriger ist, das Geschlecht des Mel- depflichtigen zu erkennen. Ich hatte bei dieser Änderung Nachteile für Transse- xuelle befürchtet . Doch es ändert sich rechtlich nichts für diese Personengruppe . Wegen der bestehenden Aus- kunftssperren wird über diese Personen bereits jetzt und auch in Zukunft keine automatisierte Behördenauskunft gemäß § 38 BMG erteilt . Nur soweit wegen besonderer Gründe des öffentlichen Interesses eine Offenlegung erforderlich ist, kann im manuellen Verfahren Auskunft über das Geschlecht erteilt werden . Damit wird dem be- sonderen Schutzbedarf Rechnung getragen . Mit dem Änderungsantrag, den wir als Koalitions- fraktionen in die Ausschussberatung eingebracht haben, werden Anregungen des Bundesrates aufgegriffen und umgesetzt . Bei der erweiterten Meldebescheinigung nach § 18 Absatz 2 BMG kann die betroffene Person die zu be- scheinigenden Daten grundsätzlich selbst auswählen . Die Änderung zu § 49 Absatz 4 BMG konkretisiert die Voraussetzungen für die Erteilung einer automatisierten Melderegisterauskunft . Geschlecht und Familienstand werden nicht als Identifizierungsdaten anerkannt. Diese Änderung soll zum 1 . Mai 2017 in Kraft treten . Wir halten diese Ergänzungen für praktikabel, und sie gestalten das Bundesmeldegesetz bürgerfreundlicher . Ich bitte um Zustimmung . Jan Korte (DIE LINKE): Einmal ist etwas mehr als ein halbes Jahr nötig, dieses Gesetz erneut nachzubes- sern . Wenn Sie Ihr damaliges Gesetz zur Fortentwicklung des Meldewesens handwerklich vernünftig gemacht hät- ten, hätten Sie uns allen sehr geholfen . Aber gegen Ände- rungen und tatsächliche Verbesserungen haben weder ich noch meine Fraktion etwas einzuwenden . Nur das, was Sie hier vorgelegt haben, ist leider auch nur wieder ein Rumdoktern und geht überhaupt nicht weit genug . An- statt die Mitwirkungspflichten der Vermieter bei An- und Abmeldung in § 19 in Gänze zu streichen, sieht Ihr Ge- setzentwurf nur die Streichung der Mitwirkungspflicht des Wohnungsgebers vor, wenn der Mieter ins Ausland verzieht . Warum nur dann? Warum nicht auch bei der Anmeldung oder dem Auszug im Inland? Die unverhältnismäßige Hotelmeldepflicht, die nichts anderes als eine umfangreiche, verdachtslose Datenerhe- bung auf Vorrat ist, wird erst gar nicht angetastet, und das, obwohl nach wie vor nicht erkennbar ist, was diese Meldepflicht bringt, außer unbeachtete Datenbergen bei den Meldebehörden . Stattdessen soll bei der automati- sierten Melderegisterauskunft das Geschlecht wieder als Suchkriterium aufgenommen werden . Während überall auf der Welt darüber nachgedacht wird, das Geschlecht aus Datenerhebungen und sogar aus Ausweisdokumen- ten zu streichen, soll es hierzulande nach kürzester Zeit erneut eingeführt werden . Das könnte man vielleicht noch unter kurios abbuchen, aber leider konnte mir nie- mand auch nur halbwegs nachvollziehbar begründen, warum dies nun passiert . Und leider haben wir auch heute wieder nicht die Möglichkeit zu einer echten Debatte, sonst könnten Sie mir vielleicht folgende Fragen beantworten: Warum hat sich im letzten Jahr bei der automatisierten Melderegis- terauskunft nach § 38 Absatz 1 BMG die Erteilungsquo- te deutlich verschlechtert, weil die abfragenden Stellen das Geschlecht nicht angeben dürfen? Sie begründen das damit, dass bei ausländischen Namen die Rücklaufquote sonst niedriger sei als erwünscht . Wenn wir eine echte Debatte hätten, könnten Sie mir vielleicht sagen, in wel- cher Höhe sich die Rücklaufquote bzw . die Fehlquote so bewegen, bezogen auf deutsche bzw . europäische und nichteuropäische Vornamen, und ob hier nicht das größe- re Problem die unterschiedliche Transkription arabischer Namen wäre . Im Vorblatt des Gesetzentwurfes heißt es etwas ne- bulös: Die „Ableitung des Geschlechts des Meldepflich- tigen aus ausländischen Vornamen“ sei „nicht immer eindeutig möglich“ . In der Begründung wird darauf verwiesen, dass das Geschlecht als Merkmal weiterhin nur abgerufen werden dürfe, wenn es erforderlich sei, beispielsweise bei „geschlechtsspezifischen Schutzmaß- nahmen“, und die Aufgabenerfüllung ohne Kenntnis des Geschlechts unmöglich oder wesentlich erschwert wäre . Das verstehe ich nicht, denn an sämtliche Sicherheitsbe- hörden darf ja ohnehin auch im automatisierten Verfah- ren das Geschlecht beauskunftet werden (§ 38 Absatz 3) . Es wäre schön gewesen in den Beratungen von Ihnen vielleicht mal ein Beispiel für typische Fallkonstellatio- nen zu erfahren . Mit dem Änderungsantrag werden Vorschläge des Bundesrates aufgenommen, die zum einen eine selbst ge- wählte Auswahl der erweiterten Melderegisterauskunft für die Vorlage bei anderen öffentlichen Stellen oder im privaten Bereich ermöglicht und zum anderen die auto- matisierte Abfrage von Melderegisterauskünften so ge- staltet, dass eine massenhafte Ausforschung von Daten verhindert werden soll . Das ist positiv, genauso wie der Punkt, dass der bedingte Sperrvermerk nicht allein für Personen, sondern auch für Adressen gelten soll . Diese Punkte sind vernünftig . Aber meiner Fraktion reichen diese wenigen Änderungen eben nicht aus . Wir werden uns daher enthalten und hoffen, dass das Bundes- meldegesetz bei der nächsten Änderung gründlich und nach bürgerrechtlichen Kriterien reformiert wird . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 201618174 (A) (C) (B) (D) Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Das Melderecht erreichte 2012 politische Skan- dalhöhe, als die schwarz-gelbe Koalition vor nahezu lee- ren Rängen zeitgleich zu einem WM-Spiel der deutschen Fußballnationalmannschaft versuchte, klammheimlich die weitgehende Kommerzialisierung wichtiger Teile der behördlichen Meldedatenbestände für die deutsche Wirt- schaft durchzuwinken . Es war und bleibt bemerkenswert töricht, dass eine vormals in überwiegend föderaler Verantwortung be- handelte Materie damals auf solche Weise im Bundestag missachtet wurde . Heute laufen wir mit der Reform des Melderechts erneut parallel zu einem Spiel der deutschen Fußball-Nationalmannschaft . Auch wenn der vorliegen- de Entwurf keine mit 2012 vergleichbaren Regelungen enthält, ist diese Parallelität schon erstaunlich . Wir Grüne waren es, die damals im Vermittlungsver- fahren des Bundesrates dafür gesorgt haben, dass statt der bloßen Widerspruchslösung wieder eine die Interes- sen der Bürgerinnen und Bürger wahrende Lösung, näm- lich die Einwilligungslösung, ins Gesetz kam . Der Vorgang damals sollte uns alle gelehrt haben, dass Entscheidungen zum Melderecht von datenschutzpoli- tisch großer Tragweite sein können . Es sollte eigentlich allen die Augen dafür geöffnet haben, welche Spreng- kraft der fehlgeleitete Umgang mit Datenbeständen ha- ben kann, welche gleich die Gesamtheit der über 80 Mil- lionen Bundesbürgerinnen und Bürger betreffen . Die Begehrlichkeiten nahezu aller Ressorts, ihre Vor- haben, Behörden und Projekte mit dem Datenbestand der Landesmelderegister zu verkoppeln, wirft schwierigste datenschutzrechtliche Fragen auf . Verfassungsrechtlich sind wir seit dem Volkszählungsurteil und zu Recht ge- bunden, kein nationales Bevölkerungsregister zu errich- ten . Doch mit der – ich betone – dringend notwendigen und von allen Merkel-Regierungen bislang weitgehend verschlafenen Digitalisierung der Verwaltung verwirkli- chen sich die Risiken für Persönlichkeitsrechte und Da- tenschutz in undifferenzierten Vernetzungen und nicht hinreichend bestimmten Befugnissen im Umgang mit den zunehmend verkoppelten Datenbeständen . Gegen unseren Widerstand und unsere Stimmen nahm die letzte Merkel-Regierung in der Reform von 2013 weitere sowohl bürokratische als auch die Rechte der Bürgerinnen und Bürger missachtende Regelungen in das Melderecht auf . Hervorzuheben sind etwa die Hotelmel- depflicht sowie die Mitwirkungspflicht des Vermieters bei An- und Abmeldung von Mieterinnen und Mietern . Um eines noch einmal klar zu sagen: Wir leugnen nicht, dass das Melderecht eine immer größere Bedeu- tung für die Informationsordnung gewonnen hat, nicht allein für die Verwaltung, sondern auch für die Wirt- schaft . Man muss das Bundesmelderecht nicht gleich zum informationellen Rückgrat einer modernen bürgero- rientierten Verwaltung stilisieren: Der damit geschaffene Eindruck ist ja auch aus den oben genannten Gründen verfassungsrechtlich fragwürdig . Denn es bleibt dabei, dass unsere Verwaltung grundsätzlich einer informatio- nellen Gewaltenteilung unterliegt . Gleichwohl müssen wir die gewachsene Anzahl der Zugriffsmöglichkeiten und damit der Vernetzung der Meldedatenbestände mit anderen öffentlichen Stellen und Entscheidungsprozessen anerkennen und deren Nut- zung in die notwendigen gesetzgeberischen Abwägungen einbeziehen . Ein aktuelles Beispiel sind die umfangrei- chen Abruf- und Einmeldemöglichkeiten seitens aller mit Flüchtlingsfragen befassten Behörden nach dem so- genannten Datenaustauschverbesserungsgesetz . Während dieses Gesetz aus rein datenschutzpolitischer Sicht eine ganze Reihe fragwürdiger Regelungen enthält, zeigt sie doch zugleich auch die Bedeutung des Melde- datensystems. Die mithilfe der Auskunftspflicht von Bür- gerinnen und Bürgern gewonnenen Meldedaten werden genutzt, um sehr unterschiedliche staatliche Aufgaben zu erleichtern, zu optimieren und zu ermöglichen . Durch die Vernetzung der Behörden wird es möglich, Aufgaben zu erledigen, ohne die betroffenen Bürgerinnen und Bürger für die Durchführung der jeweiligen Aufgaben erneut in Anspruch nehmen zu müssen. Diese Effizienz, Kos- teneinsparung und Bürgerfreundlichkeit ist natürlich ein Riesengewinn, der mittlerweile von vielen als selbstver- ständlich erachtet wird und beispielsweise im Umgang mit den zu uns Geflüchteten auch einen wichtigen Faktor darstellt, um eine rasche Integration zu ermöglichen . Gleichwohl kann und wird es mit dem Melderecht auch zukünftig keinen multifunktionalen Informations- pool geben dürfen, bei dem sich die Behörden oder auch die Wirtschaft nach Belieben und weitgehend ohne Be- teiligung der Betroffenen selbst bedienen können . Doch zurück zum heute vorliegenden Gesetzentwurf: Die Hotelmeldepflicht ist ein Element unnötiger Verpoli- zeilichung des Melderechts . Für ihre Erforderlichkeit im verfassungsrechtlich gebotenen Sinne ist nichts dargetan, sie war jahrelang durch Rot-Grün zutreffend abgeschafft, ihre Wiedereinführung 2013 war unnötig . Wir bedauern, dass sie auch in dieser Reform durch die Große Koalition nicht zurückgenommen wird . Diese Rücknahme wäre die Mindestvoraussetzung dafür, dass die Große Koalition heute ihren Entwurf als Entbürokratisierung bezeichnen dürfte . Bei der Abschaffung der persönlichen Pflicht zur Ab- meldung bei Wegzug ins Ausland hat die Große Koaliti- on dagegen wohl einen Schritt in die richtige Richtung getan . Sie sollten sich dafür jedoch nicht allzu sehr abfei- ern, denn die Pflicht bleibt ja im Grundsatz bestehen, sie kann nur zukünftig elektronisch erfolgen . Angesichts der fehlenden Akzeptanz und der unzureichenden Unterstüt- zung der Bürgerinnen und Bürger bei der Nutzung ent- sprechender Möglichkeiten wie De-Mail oder des elek- tronischen Personalausweises – also überwiegend der Versäumnisse der Merkel-Vorgängerregierungen beim E-Government – dürfte sich der Ertrag dieser Regelung in engen Grenzen halten . Noch schlimmer sieht es bei der Mitwirkungspflicht des Vermieters bei An- und Abmeldungen aus: Weil die letzte Merkel-Reform des Melderechts aufgrund der lan- gen Umsetzungsfrist von zwei Jahren – die technischen Möglichkeiten in Bund und Land waren der Grund – erst im vergangenen Jahr in Kraft trat, haben wir für die heute Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 2016 18175 (A) (C) (B) (D) zu beschließende Abschaffung der Vermieterbestätigung der Abmeldung eine gesetzliche Regelung, die lediglich wenige Monate Lebensdauer erreichte . Wir haben Sie da- mals deutlich davor gewarnt, die 2002 abgeschaffte Mit- wirkungspflicht der Vermieter wieder einzuführen. Auch die SPD hat übrigens noch bis 2013 in der letzten Reform davor gewarnt . Doch die höhere Einsicht und Lernfähig- keit, auf die Kollege Krings uns zur Begründung im In- nenausschuss verwies, bleibt leider lückenhaft . Wie sonst ist es zu erklären, dass die Mitwirkungs- pflicht der Vermieter weiterhin, und zwar für die An- meldung, gilt? Diese von Bürokratie und Misstrauen gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern gleichermaßen geprägte Regelung ist überflüssig, sie verhindert auch keine Scheinanmeldungen, den Nachweis entsprechen- der Wirkungen bleiben sie ohnehin schuldig . Wir fordern Sie daher auf, ihre halbe Rolle rückwärts zu vervollstän- digen . Gegen viele der Einzelregelungen in diesem Gesetz- entwurf, das möchten wir betonen, bleibt im Einzelnen wenig einzuwenden . Wir begrüßen es vielmehr, dass die Vorschläge des Bundesrates aufgenommen werden, wie etwa bei der Erteilung der Meldebescheinigung oder bei der Melderegisterauskunft, die tatsächlich auch die In- teressen der Bürgerinnen und Bürger im ausgewogenen Blick behalten . Nicht zuletzt deswegen lehnen wir den vorliegenden Gesetzentwurf auch nicht in Gänze ab . Zentral bleibt hingegen aus unserer Sicht, die Betei- ligungsmöglichkeiten für Bürgerinnen und Bürger im Rahmen des Melderechts zu betonen und damit stets auch ein wenig bekannter zu machen . Lassen Sie uns, gemeinsam mit den übrigens auch von der Bundesregierung in voller Absicht und seit Jah- ren völlig unterbesetzt gehaltenen Datenschutzbehörden die Bürgerinnen und Bürger auf ihre eigenen Betroffe- nenrechte und Gestaltungsmöglichkeiten im Melderecht immer wieder hinweisen . Nur so können sie weiterhin Widerspruchsrechte geltend machen und sich gegen die ungewünschte Zusendung von Wahlwerbebriefen oder gegen die Adressweitergabe an Adressbuchverlage weh- ren . Es ist richtig und wichtig, dass die Weitergabe von Meldedaten für Zwecke der Werbung oder des Adress- handels weiterhin nur mit Einwilligung möglich ist . Eine solche Einwilligung kann jederzeit widerrufen werden . Schließlich können alle Bürgerinnen und Bürger im Rah- men einer gebührenfreien Selbstauskunft gegenüber der Meldebehörde erfahren, welche Daten über sie konkret gespeichert sind, woher diese Daten stammen und wer die Empfänger regelmäßiger Datenübermittlungen sind . Auch die Nutzung dieser Betroffenenrechte trägt mit dazu bei, dass die Melderegister auch zukünftig keine uferlosen Allzweckdatenbanken werden . Unsere Informationsordnung und damit auch die Verwaltung werden sich in den nächsten Jahren weiter massiv verändern . Das Element des Melderechts in sei- nem Verhältnis und im Kontext zu anderen vernetzten Datenbeständen muss zum Schutz der Grundrechte und der informationellen Selbstbestimmung daher weiterhin einer besonderen Beobachtungspflicht unseres Hauses unterliegen – das gilt natürlich gänzlich unabhängig von EM-Spielplänen . Anlage 19 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung betäu- bungsmittelrechtlicher und anderer Vorschrif- ten – des Antrags der Abgeordneten Frank Tempel, Kathrin Vogler, Jan Korte, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion DIE LINKE: Zugang zu Cannabis als Medizin umfassend gewährleisten (Tagesordnungspunkt 24 a und b) Michael Hennrich (CDU/CSU): Heute debattieren wir im Rahmen des zugrundeliegenden Gesetzes über Änderungen im Betäubungsmittelgesetz, in der Betäu- bungsmittel-Verschreibungsverordnung und in der Be- täubungsmittel-Außenhandelsverordnung . Mit dem Entwurf der Bundesregierung zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften soll die betäubungsmittelrechtliche Verkehrs- und Ver- schreibungsfähigkeit von weiteren Cannabisarzneimit- teln, wie getrockneten Blüten und Extrakten, in standar- disierter Qualität geschaffen werden . Denn es gibt leider eine Vielzahl von Patientinnen und Patienten mit schwer- wiegenden Erkrankungen, denen nach entsprechender Indikationsstellung Therapiealternativen zur Behandlung fehlen . Für diese und nur für diese Patienten wollen wir die gesetzlichen Rahmenbedingungen verändern, um ihnen durch den qualitätsgesicherten und gleichsam le- galen Zugang zu medizinischen Cannabisarzneimitteln Therapiealternativen zu ermöglichen . Für eine angemessene und ausreichende Versorgung dieser Patienten mit derartigen Arzneimitteln soll der Anbau von Cannabis zu medizinischen Zwecken grund- sätzlich ermöglicht werden . Dazu soll im Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) eine so- genannte Cannabisagentur eingerichtet werden, die den voraussichtlichen Bedarf an Medizinalhanf ausschreibt, Verträge über die Belieferung an Anbauer vergibt und die gesamte Ernte erwirbt . Die Anbauer werden dabei selbst- verständlich verpflichtet, die gesamte Ernte abzuliefern. Die von Bundesgesundheitsminister Gröhe vorge- schlagene Änderung des Betäubungsmittelrechts ist da- bei der richtige Weg . Denn wir wollen einen sicheren und kontrollierten Zugang der Betroffenen unter staatlicher Kontrolle . Eine umfassende Kontrolle des Anbaus und der Erwerbskette setze ich voraus . Alle Beteiligten wer- den die betäubungsmittel- und arzneimittelrechtlichen Vorschriften einhalten . Zudem wollen wir nicht, dass mit etwaigen Abfallprodukten wie auch mit den angebauten Erzeugnissen selbst illegaler Handel betrieben werden kann . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 201618176 (A) (C) (B) (D) Des Weiteren ist geplant, für gesetzlich Versicherte in eng begrenzten Fällen einen Anspruch auf Versorgung mit Cannabis in Form von getrockneten Blüten, Extrak- ten und Arzneimitteln mit den Wirkstoffen Dronabinol oder Nabilon zu schaffen . Die Krankenkassen werden für diese Fälle künftig die anfallenden Kosten überneh- men . Dadurch wird kein Patient, der darauf angewiesen ist bzw . für den Cannabisarzneimittel eine wichtige bzw . alternativlose Therapieoption darstellen und dieses indi- ziert worden ist, mehr in die Illegalität gedrängt . Bis Ende 2018 soll dann auch mit der Leistungsüber- nahme durch Krankenkassen eine Teilnahme des Patien- ten an einer entsprechenden Begleitforschung gekoppelt sein, um die Erforschung der Wirksamkeit von Cannabis zu medizinischen Zwecken voranzubringen und wichtige Evidenz zu generieren . Mit den geplanten Maßnahmen wird gleichzeitig ein nicht zielführender Eigenanbau von Cannabis zur Selbst- therapie vermieden . Denn der von Grünen und Linken propagierte Eigenanbau ist wegen der Unbestimmbarkeit des THC-Gehalts gefährlich und aus unserer Sicht ein Einfallstor für den Cannabismissbrauch . Somit erfolgt auch eine deutliche Trennung des wei- terhin verbotenen und sanktionierten Umgangs mit Can- nabis zu Genuss- und Rauschzwecken auf der einen und einer zukünftig ausschließlich erlaubten medizinisch-the- rapeutischen Anwendung von Cannabis auf der anderen Seite . Denn Cannabis ist und bleibt eine Substanz, die bei falscher Anwendung nicht nur berauschend wirken kann, sondern auch erhebliche Gefahren birgt und bei der oftmals die Risiken durch die Konsumenten unterschätzt werden . Und hier, verehrte Kollegen von den Grünen und Lin- ken, bitte ich doch darum, die pharmakologische Thera- pie und Zulassung eines Arzneimittels nicht ideologisch zu vermengen mit einem wie auch immer formulierten Grundrecht auf Cannabiskonsum oder der Vorenthaltung eines Medikaments durch die oben beschriebenen Vo- raussetzungen . Würden wir hier von einem herkömmli- chen chemisch erzeugten Arzneimittel sprechen, würden Sie die Forderung, dass es jeder in heimischer Küche nachmischen dürfen solle, ja vermutlich auch nicht stel- len . Wir gehen diese Thematik ganz nüchtern an, wie bei jedem anderen Medikament auch, bei dem Zulassung, Herstellung, In-Vertrieb-Bringen und Verordnung klaren Regeln unterworfen sind . Der Vorteil für die Patientinnen und Patienten liegt auf der Hand; denn die bisher erforderliche Beantra- gung patientenindividueller Ausnahmeerlaubnisse beim BfArM zum Erwerb von Cannabisblüten und -extrakten aus Apotheken wird entbehrlich und die Kosten werden regelmäßig erstattet . Zudem erhöhen wir die Arzneimit- telsicherheit, da der Zugang für die genannten Gruppen erleichtert wird und sich niemand mehr illegal angebau- te Produkte mit nicht klar dosierbarem THC-Gehalt und ohne ärztliche Aufsicht zuführen braucht . Und mit diesem Gesetzentwurf begegnen wir endlich der Kritik der Legalisierungsbefürworter, welche die positiven Wirkungen von Cannabis gebetsmühlenartig wiederholen und das Argument der medizinisch darauf angewiesenen Patienten wie eine Monstranz vor sich hertragen . Denn genau dieser einzig positive Aspekt der Substanz THC bzw . Cannabis wird damit gesetzlich ge- regelt, und alle anderen Verwendungsmöglichkeiten kön- nen damit eindeutig dem Drogenmissbrauch zugeordnet werden . Ich hoffe, dass wir durch diese klar strukturierte Regulierung die Debatte in diesem Punkt versachlichen können, und bin gleichsam froh, dass wir Patienten und Patientinnen, für die Cannabisarzneimittel wirklich eine wichtige Therapiealternative und Erleichterung ihres Le- bens bedeuten, helfen können . Marlene Mortler (CDU/CSU): Was wir auf internati- onalem Parkett fordern, das gilt selbstverständlich auch bei uns zu Hause: Im Mittelpunkt der Drogenpolitik der Bundesregierung stehen nicht Zeitgeist, Vorurteile oder Ideologien . Worum es uns geht, das ist der Mensch und seine Gesundheit! Die Gesundheit der Menschen ist der Dreh- und Angelpunkt unserer Cannabispolitik . Genau deshalb sage ich „Nein“ zum Freizeitkonsum von Can- nabis . Es gibt keinen Grund, der Freizeitdroge Cannabis die Absolution zu erteilen . Es gibt nur eine Gesundheit . Dass auch andere Sub- stanzen gesundheitsschädlich sind, ist kein Argument gegen, sondern ein Argument für einen streng geregelten und kontrollierten Umgang mit Cannabis . Viel zu viele Menschen greifen bereits jetzt zum Joint – trotz der be- kannten gesundheitlichen Risiken, trotz des Verbots . Die WHO hat gerade in einer Metastudie den For- schungsstand zu Cannabis zusammengetragen . Das Er- gebnis: Der Konsum der Droge Cannabis kann zu einem Rückzug aus dem alltäglichen Leben, zu Depressionen, zu Psychosen und Wahnvorstellungen ganz besonders bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen führen . Und wir wissen: Dort, wo Erwachsene legal an Can- nabis als Genussmittel kommen, steigt auch der Konsum unter Jugendlichen . Also: Keine Legalisierung zu Frei- zeitzwecken! Cannabis hat jedoch zwei Seiten . Es ist eine Subs- tanz, die Menschen auch helfen kann . Cannabis ist ein Betäubungsmittel, das – um es in der Fachsprache zu sagen – auch über ein medizinisch-therapeutisches Po- tenzial verfügt . Den Menschen und seine Gesundheit in den Mittelpunkt zu stellen, heißt deshalb für mich auch, den Zugang zu Cannabis für all diejenigen zu erleichtern, denen Cannabis – und kein anderes Medikament – anhal- tend helfen kann . Der von der Bundesregierung vorgelegte Gesetzent- wurf sieht deshalb vor, dass Ärztinnen und Ärzte künftig Cannabis an schwer erkrankte Patientinnen und Patien- ten verschreiben dürfen, und zwar – das ist für mich von entscheidender Bedeutung – Cannabis, das wie andere Medikamente und Medizinprodukte qualitätsgeprüft ist . Der Gesetzentwurf sieht unter bestimmten Voraus- setzungen auch eine Erstattung durch die gesetzlichen Krankenkassen vor . Verschreibbar, qualitätsgeprüft und erstattungsfähig – um diesen Dreiklang geht es . Und dieser Dreiklang ist ein großer Schritt nach vorn . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 2016 18177 (A) (C) (B) (D) Es ist ja nicht so, dass Patientinnen und Patienten heu- te gar nicht an Cannabis kämen . Doch sind die Hürden viel zu hoch . Heute ist Cannabis in Form getrockneter Blüten nur mit einer Ausnahmeerlaubnis des Bundesin- stituts für Arzneimittel und Medizinprodukte erhältlich . Bisher hat das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medi- zinprodukte 780 Patientinnen und Patienten eine entspre- chende Ausnahmeerlaubnis erteilt . Das Problem, auf das auch ich immer wieder von Be- troffenen angesprochen wurde, sind die hohen Kosten: 500, zum Teil auch 1 000 Euro im Monat für medizi- nischen Cannabis sind für einen schwerkranken Patien- ten einfach zu viel: Eben dies müssen wir im Interesse schwerkranker Menschen ändern, die in ihrer Not keine Alternative sehen und denen Cannabis – dies ist eben- falls wichtig – auch nach Einschätzung der behandelnden Ärzte wirklich helfen kann . Für eine Cannabispolitik, die den Menschen und seine Gesundheit in den Mittelpunkt stellt, hat sich Minister Gröhe, dem ich für seinen Mut und sein Engagement in dieser Sache sehr herzlich danke, von Beginn dieser Le- gislaturperiode an eingesetzt . Ich bitte Sie alle um eine wohlwollende Beratung und eine schnelle Verabschiedung dieses Gesetzentwurfes . Und noch etwas: Ich bitte Sie alle, diese Beratungen nicht für Grundsatzdiskussionen über Cannabis zu nut- zen . Worum es hier geht, ist schnelle und wirksame Hilfe für Menschen in Not, die allesamt hoffen, dass das Ge- setz „Cannabis als Medizin“ besser heute als morgen in Kraft treten kann . Burkhard Blienert (SPD): Mit dem heutigen Gesetz- entwurf folgt die Bundesregierung der aktuellen Recht- sprechung . Die Gerichte hatten bekanntermaßen den Gesetzgeber quasi zum Handeln genötigt . Eine gefühlte Ewigkeit hat es für viele Betroffene gedauert, bis nun nach der Ankündigung der Drogenbeauftragten endlich der Gesetzentwurf vorliegt . Nun hat der Gesetzentwurf das Parlament erreicht . Mit ihm soll gewährleistet wer- den, dass Patienten, die auf die Heilkräfte der Hanfpflan- ze angewiesen sind, endlich diese Arznei unter bestimm- ten Aspekten verschrieben und erstattet bekommen . Wir vollziehen somit einen wichtigen und richtigen Schritt . Allerdings, und das darf nicht verschwiegen werden: Ein wesentlicher Knackpunkt bei Cannabis als Medizin besteht natürlich darin, dass uns viele Studien zur Wirkungsweise und möglichen Anwendungsgebieten noch nicht vollumfänglich vorliegen . Es fehlt in man- chen Bereichen die Evidenz . Hier haben wir einen klaren Nachholbedarf . Ich bin an dieser Stelle aber froh, dass das Ministerium mittlerwei- le Abstand von seinen ersten Überlegungen genommen hat, eine verpflichtende Begleitforschung im Gesetz zu verankern . Sie sollte ursprünglich ja die Bedingung für die Kostenerstattung sein . Die jetzt im Gesetzentwurf vorgesehene anonymisierte Begleiterhebung sehe ich als gangbaren Weg, mehr Evidenz zu erhalten, ohne Patien- ten zu Versuchskaninchen zu machen . In Hinblick auf die bald beginnenden Haushaltsberatungen sollten wir allerdings prüfen, ob die für die Erhebung angedachten Mittel ausreichend sind; aber dies werden wir an ande- rer Stelle nochmals thematisieren müssen . Wir sollten zu Cannabis als Medizin unbedingt Grundlagenforschung finanzieren! Mit diesem Gesetzgebungsverfahren wird sich nun jedenfalls endlich auf die Erkenntnisse jahrhundertealter Erfahrungen besonnen. Die Heilkräfte der Hanfpflanze sind schon seit der Frühgeschichte bekannt, in unserer Gesellschaft aber als Medizin weitestgehend außen vor gelassen worden . Aktuell darf Cannabis nur in sehr engen Grenzen ver- schrieben werden, erstattet wird der Medizinalhanf nur in wenigen Fällen bei Fertigarzneien . De facto existieren rund 779 Sondergenehmigungen, die im Wesentlichen bei fünf Diagnosen, wie chronischen Schmerzen, multi- pler Sklerose, Tourette-Syndrom, depressiven Störungen und ADHS, eine Verschreibung von Cannabisblüten er- lauben . Und das vor dem Hintergrund, dass Experten da- rauf immer wieder hinweisen, dass der Einsatz von Can- nabis als Medizin zwar kein Wundermittel ist, aber doch einer weitaus größeren Personenanzahl helfen würde . Deutschland betritt somit im Jahre 2016 mit der Ein- bringung dieses Gesetzentwurfes auf dem Gebiet der Cannabismedizin für sich gesprochen Neuland . Nun- mehr soll ein Suchtstoff, der als Genussmittel illegal ist und dessen Anbau, Vertrieb und Besitz aktuell laut Be- täubungsmittelrecht strafrechtlich sanktioniert wird, als Medizin unter bestimmten Aspekten legalisiert werden . Zentrale Herausforderung ist somit: Wie können die Beschaffung und der Vertrieb realisiert und organisiert werden? Natürlich gibt es auf dem Markt ausreichend Interes- senten, die nur auf das finale Go warten und sofort mit der Cannabisproduktion in Deutschland starten wollen . Nach internationalen Abkommen bedarf es allerdings ei- ner staatlichen Koordinierung . Die Beschaffung und der Vertrieb sollen daher nun über eine sogenannte Cannabisagentur, die dem BfArM angegliedert ist, erfolgen; der Eigenanbau damit verhin- dert werden . So weit, so gut . Es besteht große Einigkeit darüber, dass sich im Bereich „Cannabis als Medizin“ etwas än- dern muss . Nun müssen wir im parlamentarischen Beratungs- verfahren klären, an welchen Stellen der Gesetzentwurf noch Schwachstellen aufweist, an welchen Stellen noch Beratungsbedarfe bestehen . Ich will mich im Folgenden auf drei wesentliche As- pekte hierbei beschränken . Aspekt Therapiefreiheit: Derzeit ist geplant, dass chronisch kranke Menschen, bei denen keine Alternativ- behandlung angeschlagen hat, infolge des Gesetzes nun Medizinalhanf beziehen können . Wer es verschrieben bekommen soll, obliegt dem behandelnden Arzt . Aller- dings muss dieser, laut dem Entwurf, zunächst dem Me- dizinischen Dienst der Krankenkassen nachweisen, dass der Patient tatsächlich austherapiert ist . Konkret bedeu- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 201618178 (A) (C) (B) (D) tet dies, dass jeder Erkrankte zunächst nachweislich alle Therapiestufen durchlaufen muss . Wir sollten hier noch- mals prüfen, ob dies wirklich der einzig machbare Weg ist . Aspekt Kostenerstattung: Der Gesetzentwurf sieht vor, dass der Medizinische Dienst der Krankenkassen, wie soeben beschrieben, prüft, ob der Patient austhera- piert ist und infolgedessen die Kosten für Medizinalhanf erstattet bekommt . Auch hier wäre im parlamentarischen Verfahren zu prüfen, welche Auswirkungen diese Rege- lung haben könnte . Aspekt Verkehrstüchtigkeit: Im Gesetzentwurf lässt sich noch keine Regelung bezüglich der Fahrtüchtigkeit von Patienten, die Cannabisblüten verordnet bekommen haben, finden. Es ist interessant, wie hier verfahren wer- den soll . Nichtdestotrotz weist dieses Gesetzesvorhaben ein- deutig in die richtige Richtung . Es greift die juristische und vor allem auch die medizinische Notwendigkeit zum Handeln auf . Drei Viertel der deutschen Bevölkerung be- fürworten, dass es Cannabis auf Rezept gibt . Einen Satz noch zu den immer viel diskutierten Kos- ten . Die Fachleute können aktuell nicht einschätzen, wie sich die Patientenzahlen nach den neuen gesetzlichen Be- stimmungen entwickeln werden . Allerdings, wenn man die Zahlen auch aus anderen Ländern zu Rate zieht, ist ein Anstieg zu vermuten . Der Gesetzentwurf selber geht von einem Entlastungsvolumen für die Patientinnen und Patienten von rund 1,7 Millionen Euro aus . Monatlich wären bis zu 1 800 Euro pro Patient wohl zu veranschla- gen . Der Deutsche Hanfverband weist in diesem Zuge darauf hin, dass die Kosten für Fertigarzneien um ein Vielfaches höher lägen . Ich will an dieser Stelle ganz deutlich sagen, für mich steht der Patient im Mittelpunkt, und daher hat zu gelten: Jeder, dem diese Arznei hilft, muss diese auch ohne großen Geldbeutel einfach auf Re- zept verschrieben und erstattet bekommen . Ich will im Rahmen dieses Gesetzgebungsverfahrens erreichen, dass der Zugang zu Cannabis als Medizin problemlos gewähr- leistet ist, das heißt ohne Versorgungslücken, ohne Qua- litätsrisiken bei der Cannabisarznei und ohne Mangel an verschreibungsberechtigten Ärzten . Ich bin daher, wie eingangs dargelegt, zufrieden, dass wir nun diesen wichtigen Schritt zu Cannabis als Medi- zin angehen . Ich freue mich auf die Beratungen und bin zuversichtlich, dass wir zu einem guten Gesetz für alle Seiten gelangen werden . Hilde Mattheis (SPD): Mit dem vorliegenden Gesetz zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften wird die Verkehrs- und Verschreibungsfä- higkeit von weiteren Cannabisarzneimitteln hergestellt . Damit helfen wir Patientinnen und Patienten mit schwer- wiegenden Erkrankungen, für die es keine Therapiealter- native gibt . Sie leiden unter schweren Schmerzen durch Krankheiten wie multiple Sklerose, epileptische Anfälle oder seltene andere Nervenerkrankungen . Arzneimittel auf Cannabisbasis können diesen Patientinnen und Pati- enten Linderung verschaffen . Derzeit verfügen 779 Patientinnen und Patienten über eine Ausnahmeerlaubnis des BfArM nach § 3 Absatz 2 des Betäubungsmittelgesetzes zum Erwerb von Cannabis zur Anwendung im Rahmen einer medizinisch betreuten und begleiteten Selbsttherapie . Allerdings müssen sie bislang die Kosten dafür selbst tragen; es gibt bisher kei- nen generellen Erstattungsanspruch gegenüber der Kran- kenkasse . Im Durchschnitt fallen monatliche Kosten von 540 Euro an, bei einigen Patientinnen und Patienten kön- nen es jedoch bis zu 1 800 Euro im Monat sein . Neben dieser Kostenbelastung plagt diesen Personenkreis die ständige Befürchtung, dass ihr Medikament nicht be- schafft werden kann. Häufig treten Lieferengpässe auf, eine kontinuierliche Versorgung kann nicht immer ge- währleistet werden . Für die betroffenen Menschen sind diese Umstände fatal . Lassen Sie mich das Schicksal dieser Betroffenen an einem Beispiel aus meinem Nachbarwahlkreis in Bayern schildern . Der junge Mann leidet an einer unheilbaren seltenen Nervenkrankheit, ist ständigen Schmerzen aus- gesetzt . Er ist auf ein schmerzlinderndes Medikament angewiesen . Ausschließlich ein Medikament auf Can- nabisbasis hilft . Alle anderen Medikamente wie zum Beispiel Morphium helfen kaum oder gar nicht und sind mit unzumutbaren Nebenwirkungen wie einer drama- tischen Gewichtsabnahme verbunden . Es ist für diesen Menschen wie für alle anderen in vergleichbarer Situ- ation eine echte Steigerung der Lebensqualität, wenn er einigermaßen schmerzfrei leben kann . Dieser junge Mann hat versucht, seine Versorgungssicherheit durch den Eigenanbau von Cannabispflanzen zu erreichen. Er ist vor einigen Wochen rechtskräftig wegen des Versto- ßes gegen das Betäubungsmittelstrafrecht verurteilt wor- den . Mit diesem Gesetz wird er in Zukunft nicht nur die Kostenübernahme garantiert bekommen und nicht in die Illegalität abgedrängt werden . Er wird auch eine höhere Versorgungssicherheit haben . Menschen mit solchen Erkrankungen sind meist noch, wie auch in dem von mir geschilderten Fall, nicht be- sonders vermögend, oft sogar arbeits- und mittellos . Die enormen Arzneimittelkosten haben sie oft noch in die Verschuldung getrieben . Wir verbessern also auch die Lebensumstände; wir gewährleisten mit diesem Gesetz eine umfassende medizinische Versorgung . Jenseits von ideologischen Scheuklappen wird Linderung möglich . Auch wenn es sich derzeit um eine kleine Anzahl von Patientinnen und Patienten handelt, die Cannabisblüten und Cannabisextrakte auf ärztliche Verschreibung in Apotheken zur Schmerzlinderung nutzen, so bedeutet es doch für den Einzelfall eine enorme Erleichterung . Alle, die ohne solche Schmerzen leben dürfen, können sicher nur ahnen, wie lebenserleichternd das ist . Zukünftig wer- den neben den bisher zugelassenen Fertigarzneimitteln auf Cannabisbasis auch getrocknete Cannabisblüten und Cannabisextrakte verkehrs- und verschreibungsfähig . Durch eine anonyme Begleiterhebung sollen umfassen- de Kenntnisse über die therapeutischen Ergebnisse einer Anwendung von Cannabis als Medizinprodukt gewon- nen werden . Für die Versorgung mit Cannabisarzneimitteln in kontrollierter Qualität soll der Anbau von Cannabis zu Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 2016 18179 (A) (C) (B) (D) medizinischen Zwecken in Deutschland unter Beachtung der völkerrechtlich bindenden Vorgaben des VN-Ein- heits-Übereinkommens von 1961 über Suchtstoffe ermöglicht werden . Diese Aufgaben soll einer Cann- abisagentur übertragen werden . Bis der staatlich kontrol- lierte Anbau in Deutschland, der eine Cannabisagentur voraussetzt, erfolgen kann, wird die Versorgung mit Me- dizinalhanf über Importe gedeckt werden . Im weiteren parlamentarischen Verfahren werden wir unter anderem beraten, wie sichergestellt werden kann, dass eine Versorgung auch in ländlichen Regionen ge- währleistet ist, wie dorthin Lieferengpässe verhindert werden können und somit ein deutlich verbesserter Zu- gang zu Cannabisarzneimitteln zum Wohle der Patientin- nen und Patienten erfolgen kann . Ich bin sehr froh, dass wir für diesen Patientinnen- und Patientenkreis heute eine aus meiner Sicht überfäl- lige Entscheidung auf den Weg bringen . Frank Tempel (DIE LINKE): Opposition und Pati- enten erkämpfen Verbesserungen bei Cannabismedizin . Grundsätzlich sind die von der Bundesregierung an- gestrebten Änderungen zur medizinischen Versorgung mit Cannabis richtig . Sie bedeuten eine Erleichterung für viele schwerstkranke Menschen . Ganz entschieden muss ich jedoch dem Eindruck wi- dersprechen, die Bundesregierung hätte zum Wohl der Patientinnen und Patienten gehandelt . Das hat sie aus- drücklich nicht . Ganz im Gegenteil: Über Jahre hat die Bundesregierung die medizinische Versorgung mit Can- nabis aus ideologischen Gründen verhindert . Man muss sich das vor Augen halten: Ein an multip- ler Sklerose schwersterkrankter Patient muss sich trotz seiner Krankheit über Jahre hinweg durch alle Instanzen bis zum Oberverwaltungsgericht klagen . Erst dann be- kommt er das Recht auf eine angemessene medizinische Versorgung zugesprochen . Das war im Mai dieses Jah- res . Und weil die Krankenkassen kein Cannabis erstatten, bekommt er sogar das Recht auf Eigenanbau zugespro- chen . Erst verweigert ihm die Politik jede Hilfe . Dann ist sie nicht mal in der Lage, die Patienten ausreichend mit einem Medikament zu versorgen . Das ist komplette Politikverweigerung auf dem Rücken kranker Menschen . Erst als sich eine Vielzahl von Patientinnen und Pati- enten ihr Recht vor den Gerichten auf eine angemessene medizinische Versorgung erstreiten mussten, sah sich die Bundesregierung zum Handeln genötigt . Und auch hier- bei ließ sie sich jede Menge Zeit . Zur Erinnerung: Bereits im Februar 2015 versprach die Bundesdrogenbeauftragte die Kostenübernahme von Cannabis durch die Krankenkassen ab dem Jahr 2016 . Doch der Kabinettsbeschluss ließ bis Mai dieses Jahres auf sich warten . Auf meine Nachfrage konnte die Bundesregierung nicht mal die sachlichen Gründe für die Verzögerung be- nennen . Auch das ist eine Form der Politikverweigerung . In der Zwischenzeit schrieben mir verzweifelte Men- schen, denen die Bundesregierung ihre lebensnotwendi- ge Medizin vorenthielt . Diese Menschen konnten sich die teure Cannabismedizin schlichtweg nicht leisten . Ih- nen blieben nur zwei schlechte Möglichkeiten: entweder die Inkaufnahme der unerträglichen Schmerzen oder die Gefahr der Kriminalisierung durch die verbotene Versor- gung über den Schwarzmarkt . Doch zum Glück hat Die Linke ihre Aufgabe als Op- positionsführerin erfüllt: Erst als der Bundesrat auf Ini- tiative Thüringens unter dem Linken-Ministerpräsiden- ten Bodo Ramelow im letzten Jahr Druck machte, kam der Kabinettsbeschluss der Bundesregierung zustande . Erst als wir unseren Antrag zur medizinischen Ver- wendung von Cannabis im Bundestag eingebracht haben, kam Bewegung ins Spiel . Sie von der Unionsfraktion lesen unsere Anträge nicht, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Gesund- heitsministerium tun das offensichtlich schon . Und of- fensichtlich hielten sie unsere Kernforderungen für so richtig, dass sie diese einfach übernommen haben: Dazu zählen zum Beispiel: die Kostenerstattung von Canna- bismedizin durch die Krankenkassen, die Möglichkeit, Cannabismedizin auch im Urlaub im EU-Ausland mit- führen zu dürfen, und dazu zählt die Einrichtung einer Cannabisagentur . Das ist tatsächlich ein Meilenstein: Nur mithilfe dieser Agentur kann in Deutschland überhaupt auf legalem Weg Cannabis zu medizinischen Zwecken angebaut werden . Und nur so lassen sich die Lieferengpässe in der Versor- gung vermeiden, welche Die Linke mit einer Kleinen Anfrage aufgedeckt hat . Auch wenn die erkämpften Verbesserungen jetzt auf den Weg gebracht werden, an Ihrer Verweigerungshal- tung hat sich nichts verändert . Regelmäßig haben Sie die Anträge meiner Fraktion in den Haushaltsberatungen abgelehnt . Darin wollten wir die Forschung für Cannabismedizin ausbauen . Nun feh- len die entsprechenden Studien . Und auch diesen Mangel müssen nun die Patientinnen und Patienten ausbaden . Cannabismedizin bekommt erst derjenige erstattet, der sich für die Begleitforschung zwangsrekrutieren lässt . Das ist ein einmaliger Vorgang in der Geschichte der Medizin . Im Übrigen wird Ihnen jeder Mediziner sagen, dass 850 000 Euro für eine 60-monatige Begleitforschung vorne und hinten nicht reichen . Deswegen gebe ich Ihnen zum Abschluss noch einen Tipp: Wenn Sie schon nicht auf mich hören wollen, fragen Sie wenigstens ihren Arzt oder Apotheker . Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Bundesregierung hat sich viel Zeit gelassen, um endlich zu erkennen, dass die Bedürfnisse von Patientinnen und Patienten, die auf Cannabis als Medizin angewiesen sind, nicht länger ignoriert werden können . Ich setze mich be- reits seit fast zehn Jahren dafür ein, dass der Zugang zu Cannabis als Medizin für betroffene Patientinnen und Patienten auch in Deutschland endlich ermöglicht wird . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 201618180 (A) (C) (B) (D) Denn Fakt ist: Deutschland hinkt mächtig hinter- her und hat schwerkranken Patientinnen und Patienten jahrelang dicke Steine in den Weg gelegt . In mehreren US-Bundesstaaten, in Kanada, den Niederlanden und Israel ist die medizinische Verwendung von Cannabis längst möglich . In anderen Ländern wie Spanien oder Belgien müssen Patientinnen und Patienten, die auf Can- nabis als Medizin angewiesen sind, keine Strafverfol- gung fürchten . Patientinnen und Patienten, die aus medizinischen Gründen auf Cannabis angewiesen sind, leiden unter schweren chronischen Erkrankungen, die teilweise töd- lich verlaufen . Standardtherapien haben bei betroffenen Patientinnen und Patienten entweder versagt oder gehen mit so starken Nebenwirkungen einher, dass der gesund- heitliche Zustand verschlechtert wird . Patientinnen und Patienten, denen Cannabis hilft, wurden erfolglos thera- piert und finden Linderung ihrer Symptome nur in der Behandlung mit cannabishaltigen Medikamenten oder getrockneten Cannabisblüten . Die Cannabistherapie be- deutet bessere Lebensqualität . Schon aus moralischen Gründen darf schwer erkrank- ten Patientinnen und Patienten ohne Behandlungsal- ternativen eine adäquate Therapie mit Cannabis nicht verweigert werden . Das wird auch durch mehrere Ge- richtsbeschlüsse deutlich . Darüber hinaus stellt sich je- doch auch die Frage der sozialen und gesellschaftlichen Verantwortung . Denn betroffenen Patientinnen und Pa- tienten steht, bis auf wenige Ausnahmen, keine Kosten- erstattung durch die gesetzlichen Krankenkassen zu . Cannabis-Patientinnen und -Patienten leiden nicht nur an ihrer Erkrankung, sondern werden im Falle der mühsam erwirkten Ausnahmegenehmigung durch das Bundesins- titut für Arzneimittel und Medizinprodukte mit den enor- men Behandlungskosten von bis zu 1 500 Euro im Monat konfrontiert. Das übersteigt in vielen Fällen die finanzi- ellen Möglichkeiten der häufig arbeitsunfähigen Patien- tinnen und Patienten . Wer die hohen Kosten nicht selbst aufbringen kann, um Medizinalhanf in der Apotheke zu beziehen, sieht sich gezwungen, das günstigere, aber un- kontrollierte und verunreinigte Cannabis vom Schwarz- markt zu beziehen oder Cannabis selbst anzubauen . Die Folge sind Strafverfahren, die nur unter der Auflage ein- gestellt werden, zukünftig kein Cannabis mehr zu kon- sumieren . Da viele Patientinnen und Patienten auf eine regelmäßige Einnahme von Cannabis angewiesen sind, werden sie zudem als Wiederholungstäterinnen und -tä- ter oder wegen des Besitzes nicht geringer Mengen zu empfindlichen Geld- oder Haftstrafen verurteilt. Damit werden ausgerechnet jene Menschen der Strafverfolgung ausgesetzt, die aufgrund ihrer teilweise schweren Erkran- kung ohnehin körperlich und seelisch erheblich belastet sind . Darum habe ich bereits 2007 gefordert, dass die straf- rechtliche Verfolgung von Menschen, die Cannabis aus medizinischen Gründen verwenden, besitzen oder an- bauen, beendet wird . Des Weiteren habe ich mich dafür eingesetzt, dass arzneimittelrechtlich zugelassene Canna- bisextrakte wie Dronabinol verschreibungsfähig werden . Die damalige Regierungskoalition von Union und SPD ignorierte die Bedürfnisse der Patientinnen und Patien- ten und sah keinen Handlungsbedarf . 2011 forderten wir Grünen die Bundesregierung erneut auf, den straffreien Zugang zu Cannabis als Medizin für Patientinnen und Patienten, die Cannabis auf ärztliche Empfehlung hin nutzen, zu ermöglichen . Zudem sollte die zulassungs- überschreitende Verschreibung, der Off-Label-Use, von bereits zugelassenen Fertigarzneimitteln auf der Basis von Cannabis erleichtert werden und dadurch eine Kos- tenübernahme durch die Krankenkassen erfolgen . Auch damals lehnte die Regierung von Union und FDP unseren Antrag ab, obwohl sich auch zu jenem Zeitpunkt die Si- tuation von betroffenen Patientinnen und Patienten kei- neswegs gebessert hatte . Experten in der Anhörung des Gesundheitsausschus- ses haben sich schon vor vielen Jahren für eine Möglich- keit zur medizinischen Verwendung von Cannabis aus- gesprochen . Sie haben auch nicht die Wirksamkeit von Cannabis für bestimmte Indikationen in Abrede gestellt . Und sie haben ein durch den medizinischen Cannabisge- brauch resultierendes Gesundheitsrisiko einer Abhängig- keitsentwicklung für vernachlässigbar erklärt . Dass die Bundesregierung jetzt ihre Meinung geändert hat und einen entsprechenden Gesetzentwurf vorgelegt hat, zeigt, dass sich die Bundesregierung dem langjäh- rigen Einsatz betroffener Patientinnen und Patienten für ihre Belange, Gerichtsurteilen zu Cannabis als Medizin und dem zunehmendem politischen Druck auch von uns Grünen nicht länger entziehen und entgegenstellen kann . Die Bundesregierung geht das Thema medizinisches Cannabis jedoch immer noch mit Scheuklappen an . Ihr Vorschlag verbessert die Behandlungssituation von Be- troffenen nur minimal . Die Zahl der beantragten Ausnah- megenehmigungen zeigt: Immer mehr Patientinnen und Patienten sind auf Cannabis als Medizin angewiesen, um ihre Symptome zu lindern . Die Zahl der genehmigten Anträge ist von 2011 mit 38 ausgestellten Ausnahmege- nehmigungen auf aktuelle 779 Ausnahmegenehmigun- gen gestiegen . Cannabishaltige Medikamente und getrocknete Can- nabisblüten sollen aber weiterhin nur dann verschrieben werden dürfen, wenn die Betroffenen alle anderen Be- handlungsmöglichkeiten erfolglos und oft mit schwer- wiegenden Nebenwirkungen ausprobiert haben . Zudem soll die Krankenkasse erst dann zahlen, wenn sich die Betroffenen für eine Begleiterhebung zur Verfügung stel- len . Die Bundesregierung legt damit Schwerkranken auf der Suche nach Hilfe weiterhin dicke Steine in den Weg . Die verpflichtende Begleiterhebung ist eine Farce. Das wird auch in der Antwort der Bundesregierung auf unsere Kleine Anfrage „Versorgung mit Cannabis als Medizin“ deutlich . Denn die Bundesregierung geht selbst davon aus, dass die Ergebnisse der Begleiterhebung kaum Aus- sagekraft haben werden . Dass Patientinnen und Patienten dennoch daran teilnehmen müssen, um ihre Therapie- kosten erstattet zu bekommen, grenzt an Nötigung . Die Bindung der Kostenerstattung an die Teilnahme an der Begleiterhebung ist ein Novum, das den betroffenen Pa- tientinnen und Patienten die Selbstbestimmung nimmt . Denn indirekt Zwang auf schwerkranke Patientinnen und Patienten auszuüben, ist schäbig, als ob es nicht auch Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 2016 18181 (A) (C) (B) (D) freiwillige Lösungen gäbe . Anstatt fragwürdiger und erzwungener Begleiterhebungen sollte die Bundesregie- rung lieber solide Forschungsvorhaben zur Wirksamkeit von Cannabis als Medizin fördern . Wissenschaftliche Untersuchungen belegen bereits heute, dass Cannabis bei schweren Erkrankungen wie HIV, multipler Sklerose, chronischen Schmerzen, Epilep- sie oder Krebs Linderung bewirken kann . So ist ein the- rapeutischer Effekt im Hinblick auf Übelkeit, Erbrechen, Appetitlosigkeit oder Angstzustände bei Tumorpatientin- nen und -patienten belegt . Erkenntnisse zur Wirksamkeit gibt es auch bei der Spastik bei Multiple-Sklerose-Pa- tientinnen und -Patienten, erhöhtem Augeninnendruck, Tourette-Syndrom oder bei starken Schmerzen unter- schiedlichster Ursachen . Grundsätzlich ist die Erforschung von Cannabis als Medizin zu begrüßen . Denn tatsächlich ist die Erfor- schung von Cannabis als Medizin noch nicht abgeschlos- sen, auch weil sie jahrelang durch restriktive Gesetze behindert wurde . Die fehlenden Daten bedeuten jedoch nicht, dass Cannabis nicht wirkt . Nicht nur Patientinnen und Patienten, sondern auch Ärztinnen und Ärzte haben gute Erfahrungen mit dem Einsatz von medizinischem Cannabis gemacht . Wie dringend notwendig diese Forschungsförderung ist, zeigt sich auch an einem anderen Aspekt: Die ge- setzlichen Krankenkassen haben bereits angezweifelt, ob sie die Kosten für Medizinalhanf erstatten müssen, da die Wirksamkeit dieser Therapie nicht in jedem Fall be- wiesen ist . Die Versorgung mit medizinischem Cannabis steht damit schon jetzt auf wackligen Beinen . Die Prü- fung der Anträge auf Kostenerstattung bei betroffenen Patientinnen und Patienten soll der Medizinische Dienst der Krankenkassen vornehmen, der bislang noch keine Erfahrung mit dem Einsatz von Cannabis als Medizin und einer Nutzen-Schaden-Abwägung im Vergleich zu anerkannten medizinischen Verfahren hat . Es wird sich zeigen, wie restriktiv der Medizinische Dienst der Kran- kenkassen die Regelungen im Gesetzentwurf auslegen wird, insbesondere wenn es um die Fragen geht, was eine schwerwiegende Erkrankung ist und wann ein Mensch als erfolglos therapiert gilt . Im Zweifelsfall müssten betroffene Patientinnen und Patienten weiter die hohen Kosten selbst aufbringen oder vor Gericht ihr Recht er- streiten . Das ist für schwerkranke Menschen unzumutbar . Wir werben sehr dafür, dass für betroffene Patientinnen und Patienten endlich eine Regelung geschaffen wird, die eine Kostenerstattung durch die gesetzlichen Kran- kenversicherungen verbindlich macht und garantiert . Diesbezüglich hat auch das Bundesverwaltungsge- richt jüngst entschieden, dass der Eigenanbau von Can- nabis als Medizin für betroffene Patientinnen und Patien- ten, die an einer schweren Erkrankung leiden und denen zur Behandlung der Krankheit keine gleich wirksame und erschwingliche Therapiealternative zur Verfügung steht, erlaubt ist . Die Leipziger Richter begründeten in ihrem Urteil, dass in solchen Fällen der Eigenanbau be- täubungsmittelrechtlich im öffentlichen Interesse liegt . Wenn es keine anderweitigen Versagensgründe gibt, sei die Erlaubnis zwingend . Denn erkrankte Menschen könnten sich hier auf ihr Recht auf körperliche Unver- sehrtheit berufen . Auch wenn die Bundesregierung die Möglichkeit des Eigenanbaus in ihrem Gesetzentwurf aus ordnungs- und sicherheitspolitischen Gründen aus- schließt, kann sie das Urteil des Bundesverwaltungsge- richts nicht ignorieren . Schwerkranke Patientinnen und Patienten können nicht länger warten, bis der Gesetzent- wurf beschlossen wurde und vielleicht erst in ein paar Jahren genug Medizinalhanf zur Verfügung steht, der aus der Apotheke bezogen werden kann . Denn schon heute gibt es Lieferengpässe, sodass die Apotheken die Versorgung mit Cannabis als Medizin nicht immer ge- währleisten können . Mindestens bis dahin muss auch der Eigenanbau genehmigt werden . Und hier würde die Bun- desregierung endlich gut daran tun, die Strafverfolgung von Inhabern einer Sondererlaubnis für Eigenanbau von Cannabis zu beenden . Die Strafverfolgung von Men- schen, die auf Cannabis als Medizin angewiesen sind, ist skandalös und inhuman . Anlage 20 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – des Antrags der Fraktionen CDU/CSU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Entschädi- gung für die Radargeschädigten der Bundes- wehr und der ehemaligen NVA noch weiter ver- bessern – des Antrags der Abgeordneten Katrin Kunert, Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion DIE LINKE: Ra- darstrahlengeschädigte der Bundeswehr und der ehemaligen NVA besser entschädigen (Tagesordnungspunkt 25 a und b) Ingo Gädechens (CDU/CSU): In einem fraktions- übergreifenden Antrag wollen wir heute die Entschädi- gung von Radargeschädigten der Bundeswehr und der ehemaligen NVA weiter verbessern . Viele Soldaten haben während ihrer Dienstzeit an mi- litärischen Radaranlagen – aufgrund von Mängeln bei den Sicherheitsvorkehrungen – gesundheitliche Schäden davongetragen . Der Union war es immer wichtig, dass diese Kameradinnen und Kameraden möglichst unbüro- kratisch entschädigt werden, denn sie haben im Dienst für unser Land zum Teil erhebliche Beeinträchtigungen und Krankheiten davongetragen, die ihre heutige Le- bensqualität deutlich einschränken . Das Bundesministerium der Verteidigung war und ist daher in der Fürsorgepflicht, dieser Personengruppe eine angemessene Wiedergutmachung nach dem Wehrdienst- beschädigungsverfahren zukommen zu lassen . Und auch unter dem Druck aus dem parlamentarischen Raum ist das Bundesministerium in den vergangenen Jahren tätig geworden und ist seiner Verpflichtung nachgekommen. Dafür gilt mein herzlicher Dank . Es wäre zu wünschen gewesen, dass das ein oder an- dere Verfahren in der Vergangenheit zügiger zum Ab- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 201618182 (A) (C) (B) (D) schluss gekommen wäre, aber auch hier sind in der Zwi- schenzeit deutliche Fortschritte gemacht worden . Fortschritte in der Entschädigungspraxis konnten in der Vergangenheit auch durch ein vereinfachtes Anerken- nungsverfahren erreicht werden: Da aufgrund bereits vernichteter Dokumentationsun- terlagen eine lückenlose Nachweis- und Beweisführung in vielen Fällen nicht mehr möglich ist, war es richtig, ein vereinfachtes Anerkennungsverfahren anzusetzen, bei dem eine qualifizierte Erkrankung und eine quali- fizierte Tätigkeit an den Radaranlagen geprüft wurden. Dieses vereinfachte Verfahren hat sich bewährt und dazu geführt, dass viele Betroffene in den letzten Jahren ent- schädigt werden konnten . Vor dem Hintergrund, dass seit dem Bericht der Ra- darkommission vom 2 . Juli 2003 neue wissenschaftliche Erkenntnisse zum Tragen kommen, war es richtig, dass das Bundesministerium der Verteidigung eine erneute wissenschaftliche Überprüfung von Krankheitsbildern in Auftrag gegeben hat . Die Meineke-Kommission hat am 19 . Februar 2016 ihren Abschlussbericht vorgelegt . Dieser hat ausführlich die aktuellen wissenschaftlichen, medizinischen und strahlenbiologischen Erkenntnisse dargestellt und klare Empfehlungen im Umgang mit der Radarproblematik ausgesprochen . Das Bundesministeri- um der Verteidigung hat zu diesem Bericht ebenfalls eine umfassende Stellungnahme vorgelegt, die den Empfeh- lungen der Meineke-Kommission damit weitestgehend folgt . Für die Unionsfraktion ist wichtig, dass Entschädi- gungen für Krankheitsbilder auf Grundlage der Wehr- dienstbeschädigungsverfahren nur gewährt werden, so- lange eine hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass diese im Zusammenhang mit einer Tätigkeit als Radar- soldat stehen . Eine gewisse Plausibilität muss gegeben sein, alles andere wäre Willkür . Deshalb ist für die Union klar, dass auch weiterhin ein eindeutiger Zusammenhang einer qualifizierenden Erkrankung und einer qualifizie- renden Tätigkeit vorhanden sein muss, um eine faire Ent- schädigung zu ermöglichen . Der Deutsche Bundestag hat ein vitales Interesse da- ran, dass der betroffene Personenkreis schnell und un- bürokratisch entschädigt wird . Daher muss das BMVg ausreichend Personal im Bundesamt für Personalmanage- ment vorhalten, welches die Radarfälle bearbeitet . Auch die zügige Anerkennung von weiteren Krankheitsbildern und Symptomen als qualifizierte Erkrankungen ist anzu- mahnen – sofern hierfür eine fundierte wissenschaftliche Basis gegeben ist . Der Bundestag wird die Umsetzung der im Antrag genannten Punkte genau überprüfen und erwartet hierzu vom BMVg einen Zwischenbericht bis Ende Oktober . Die Entschädigungspraxis des Bundesministeriums der Verteidigung und die in den letzten Jahren bereits deutlich beschleunigten Verwaltungsverfahren werden mit diesem Antrag in aller Deutlichkeit anerkannt und gelobt . Der hier vorliegende Antrag stellt somit keine grundsätzliche Kritik am Vorgehen des Bundesministe- riums der Verteidigung dar . Vielmehr fordert dieser das BMVg dazu auf, am Ball zu bleiben und die Empfehlun- gen der Meineke-Kommission zügig umzusetzen . Karin Strenz (CDU/CSU): Ich habe vor wenigen Wochen hier im Deutschen Bundestag zum zweiten Ge- setz über eine finanzielle Hilfe für Dopingopfer der DDR gesprochen . Auf der Grundlage des Staatsplan 1425 wur- den die damaligen Leistungssportler unwissentlich ge- dopt, die gesundheitlichen Auswirkungen machten sich jedoch erst viel später bemerkbar . Viele Opfer leiden heute massiv unter diesen Spätfolgen, deswegen war es unsere Pflicht, eben diesen Menschen unter die Arme zu greifen . Kommen wir zu unserem heutigen Thema: Nicht an- ders ist es mit den Opfern, die durch schädliche Strah- lung an militärischen Radargeräten heute mit erheblich gesundheitlichen Folgen zu kämpfen haben . Über die Gefahren hat damals wie schon beim Doping keiner ge- sprochen – der Mensch hatte zu funktionieren und seine Aufgaben zu erfüllen . Krebs, Tumore, Amputationen, Fehlbildungen menschlicher Organe und Glieder, um nur einige unglaublich tragische Beispiele zu nennen, sind die schreckliche Bilanz . Die massiven Schäden durch eben diese militärischen Radaranlagen haben eine nicht genau zu identifizierende Anzahl von Soldaten, aber auch zivilen Angestellten der Bundeswehr sowie der NVA erlitten, die im Zeitraum ab den 50er-Jahren bis in die 80er-Jahre hinein ihren Dienst an den Geräten leisteten . Dabei waren die Opfer zum Teil Röntgenstrahlung und Mikrowellenstrahlung ausgesetzt . Ein Großteil dieser Menschen entwickelte die schon an- gesprochenen Erkrankungen, die mit der Röntgenstrah- lung zweifelsfrei in Verbindung gebracht werden können . Dieses heikle Thema zieht sich nun schon einige Jah- re durch die parlamentarischen Gremien . Ein Rückblick: Was ist bisher geschehen? Der Deutsche Bundestag hat im Jahre 2002 das Bundesministerium der Verteidigung aufgefordert, eine Kommission mit unabhängigen Exper- ten einzurichten . Ziel war es, die Frage nach der Gefähr- dung durch Strahlung in Einrichtungen der Bundeswehr und NVA näher zu beleuchten . In diesem Zusammen- hang wurde schließlich 2003 ein Bericht erstellt . Dieser umfasst einen Kriterienkatalog, der als Maßstab dafür dient, welche Erkrankungen auf Radarstrahlen zurückzu- führen seien . Zudem haben wir mit der Unterzeichnung des Treu- handvertrages zwischen dem Bundesministerium der Verteidigung und dem Soldatenhilfswerk der Bundes- wehr e .V . am 22 . Mai 2012 unter der Trägerschaft des Soldatenhilfswerks der Bundeswehr e .V . die „Treuhän- derische Stiftung zur Unterstützung besonderer Härtefäl- le in der Bundeswehr und der ehemaligen NVA – kurz: Härtefallstiftung – zu dem Zweck errichtet, insbesondere krankheitsbedingt entstandene Härten abzumildern . Um auch auf aktuelle Ergebnisse zurückgreifen zu können, wurde Anfang des Jahres 2015 ein Symposium mit Experten unter der Leitung von Professor Dr . Meine- ke abgehalten . Die Expertengruppe um Professor Mei- neke hat uns wertvolle Anregungen für die zielgerichtete Fortentwicklung und Beschleunigung des Verwaltungs- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 2016 18183 (A) (C) (B) (D) handelns und konstruktive Lösungswege für die Entschä- digung gegeben . Ein zentraler Punkt war die Empfehlung von vereinfachten Kriterien und Beweiserleichterungen für die Anerkennung von Versorgungsanträgen . An die- ser Stelle möchte ich der Expertengruppe für ihre fachli- che Arbeit herzlich danken . Im Vorfeld dieses Symposiums habe ich die zustän- digen Berichterstatter der Fraktionen, Mitglieder des „Bund zur Unterstützung Radarstrahlengeschädigter Deutschland e .V .“ und die Vertreter aus dem Verteidi- gungsministerium zu einer Gesprächsrunde eingeladen . Dieses Gespräch war in meinen Augen absolut wichtig – eine gemeinsame Runde mit den Betroffenen sowie Ent- scheidungsträgern hilft uns, die Dinge gemeinsam weiter anzupacken . Es ist wichtig, an einem Strang zu ziehen . Heute nun gehen wir einen weiteren wichtigen Schritt in die richtige Richtung . Wir Parlamentarier sind mit die- sem Antrag darum bemüht, den Fortschritt in der Ent- schädigungspraxis weitergehend zu unterstützen sowie mit zusätzlichen Forderungen den Opfern zügig unter die Arme zu greifen . Im Folgenden möchte ich näher auf un- seren neuen Antrag eingehen . So setzen wir uns für mehr Personal im Bundesamt für das Personalmamagement der Bundeswehr ein, welches die Radarfälle bearbeitet . Ziel ist es, die Verfahrensdau- ern zu verkürzen . Viele Betroffene sind im Alter bereits weit vorangeschritten, deswegen ist es auch notwendig, keine wertvolle Zeit zu verlieren . Neben der 1:1-Umsetzung der Entscheidungen der Radarkommission aus dem Jahre 2003 fordern wir heute zugleich umgehend die Berücksichtigung der Empfeh- lungen des Expertenberichts der Meineke-Kommission im Sinne der Stellungnahme des BMVg . Weiterhin möchten wir die Zusammenarbeit mit der bereits angesprochenen Härtefall-Stiftung weiter intensi- vieren . Dazu gehört in unseren Augen eine zusätzliche Ausstattung hinsichtlich der Mittel aus dem Einzel- plan 14 . Für eine hinreichende und zielführende Bearbeitung der Anträge erachten wir es zudem als unabdingbar, die Weiterentwicklung der wissenschaftlichen Erkenntnisse in Forschung und Lehre zu beobachten und die gesicher- ten Erkenntnisse in der künftigen Verwaltungspraxis zu berücksichtigen . Ein weiterer Punkt, der in unserem Antrag volle Be- achtung findet, ist die Vorlegung eines Zwischenberichts zum Stand der Umsetzung an den Verteidigungsaus- schuss bis Ende Oktober 2016 . Die Evaluierung, die Grundlage stellt eben dieser Bericht, ist extrem wichtig . Dies trifft generell auf jeden verabschiedeten Antrag zu, aber aufgrund der enormen Wichtigkeit dieses sensiblen Bereichs müssen wir hier umso mehr hinschauen . Es ist oberste Prämisse, dass möglichst viele Menschen, die mit den gesundheitlichen Einschränkungen und Folgeerkran- kungen zu kämpfen haben, berücksichtigt werden . Wir alle können sicher sein, dass in der Bundeswehr- verwaltung weiterhin intensiv an der Optimierung der Verfahren gearbeitet wird und die Radarfälle oberste Pri- orität haben . Dr. Karl-Heinz Brunner (SPD): Auf den ersten Blick geht es bei der Radarstrahlenproblematik um Zahlen, Statistiken und Fakten . Es geht um Entschädigungsver- fahren, Gerichtsfälle, Strahlenexposition, Millisievert und Krankheitsbilder . Diese Rahmendaten lassen nur er- ahnen, dass dahinter Menschen stecken – Hunderte ehe- malige Soldaten, eingesetzt in Flugzeugen, auf Schiffen und Panzern In der Zeit von 1960 bis 1985 waren sie als Radar- techniker und Unterstützungspersonal mit Radargeräten im Kontakt, bei der Bundeswehr und bei der NVA . Die dadurch entstandenen Krankheiten, allen voran Krebs, haben ihre Leben schwer gezeichnet oder ihnen gar ein Ende gesetzt . Sie kämpfen seit geschlagenen 16 Jahren um eine ordentliche Anerkennung und Entschädigung . Man rechnet damit, dass 240 von ihnen bereits verstor- ben sind. Das Perfide daran: Bis in der 1990er-Jahre hin- ein bestritt die Bundeswehr noch einen Zusammenhang zwischen Radarstrahlungen und Erkrankungen . Was heute jedes Kind weiß, konnten die Soldaten damals nur ahnen . Dennoch wäre es kindlich zu glauben, dass eine Ent- schädigung damit geregelt wäre . Bis heute müssen die meist älteren Geschädigten ihre Ansprüche in einem äußerst komplexen und langen Verfahren stellen . Dabei müssen meist sie beweisen, dass sie an einem Radargerät tätig waren . Angesichts einer lückenhaften Dokumentati- on innerhalb der verschiedenen Wehrbereichsverwaltun- gen oft ein Ding der Unmöglichkeit . Dies mündet dann oft in unzähligen Gerichtsverfahren, die erst in jüngster Vergangenheit zugunsten der Geschädigten ausgingen . Man könnte an dieser Stelle die bisherige Chronik der Radarsoldaten bis ins letzte Detail wiederholen und versuchen aufzuklären sowie einzelne Schicksale zu be- leuchten . Aber Tatsache ist: Dieses Thema stellt einen schwarzen Fleck in der Geschichte der Bundeswehr dar . Der Bundeswehrverwaltung wurde von den Gerichten mehr als einmal vorgehalten, wie schlecht die Zusam- menarbeit funktioniert . Das Bundesministerium wies jede Verantwortung für diese Misere von sich, jeder poli- tische Vorstoß wurde als Affront interpretiert, politische Verhandlungen wurden als unnötig abgetan . Manchmal hatte man gar den Eindruck, es wird auf Zeit gespielt – das Problem Radarsoldat würde sich selbst lösen . Im Angesicht des menschlichen Leids eine zynische Unge- heuerlichkeit . Der nun vorliegende Antrag wird diesen Makel nicht bereinigen können . Aber er geht ganz konkrete Schritte voran und leistet einen entscheidenden Beitrag zur An- erkennung des Schadens . Er versucht da Fehler auszubü- geln, wo es hakt . Und er ist ein klares Signal an die Sol- datinnen und Soldaten: Dies ist unsere Parlamentsarmee, wir kümmern uns um euch! Erstens beruhen Wehrdienstbeschädigungsverfahren bislang auf einer vom Deutschen Bundestag 2002 ein- gesetzten Expertenkommission, die nur bösartige, so- genannte maligne Tumore und Katarakte als qualifizie- rende Erkrankungen anerkennt . Nun sollen die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse mit in die Entscheidung Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 201618184 (A) (C) (B) (D) fließen. Klar ist zum Beispiel, dass ab sofort auch gutar- tige Tumore berücksichtigt werden . Zweitens mussten Geschädigte in der Vergangenheit selbst den Kausalzusammenhang zwischen Radargerät und Erkrankung nachweisen . Nun erfolgt eine Beweiser- leichterung auch in der sogenannten Phase zwei zuguns- ten des Antragstellers . Drittens wird das Personal zur Bearbeitung von Ra- darfällen aufgestockt . Viertens wird die Härtefallstiftung besser ausgestattet und einbezogen . Sie springt immer dann ein, wenn selbst die Entschädigungsanträge zu keinem Ergebnis führen . Sie steht für mich dafür, dass die Menschen mehr ver- dient haben als pure Bürokratie und Verwaltungsakte ent- lang starrer Vorgaben . Fünftens wird auch endlich für eine Studie zu mög- lichen Genschädigungen von Nachkommen von Radar- technikern grünes Licht gegeben . Fehler der Vergangenheit wie die fehlende Aner- kennung von Radarstrahlenschädigungen werden wir niemals ganz wegbekommen . Aber wir können daran arbeiten . Dass dies mit dem vorliegenden Antrag nicht fraktionsübergreifend funktioniert, empfinde ich persön- lich als überaus peinlich . In Richtung der Fraktion CDU/ CSU: Mir ist es egal, ob neben SPD auf dem Briefkopf auch die Fraktion der Linken steht . Das ändert nichts am Inhalt, sehr wohl aber das Signal an die Soldatinnen und Soldaten: Wir, das Parlament, stehen hinter euch . Wir un- terstützen euch, wenn es darauf ankommt . Die Bundeswehr besteht meines Erachtens aus mehr als Panzern, Flugzeugen, Schiffen und Material . Sie be- steht aus Menschen . Katrin Kunert (DIE LINKE): Radarstrahlenopfer: Zeit zum Handeln statt zum Aussitzen! – Seit Jahrzehn- ten führen viele ehemalige Bundeswehr- und NVA-An- gehörige einen engagierten, aber häufig vergeblichen Kampf um Anerkennung und Entschädigung für ihre im Dienst erlittenen schweren Gesundheitsschäden . Oft geht es dabei um Krebserkrankungen als Folge von radioakti- ver Strahlung an Radargeräten, an denen die Betroffenen gearbeitet haben . Die Ministerialbürokratie des Vertei- digungsministeriums wirft ihnen ständig Knüppel zwi- schen die Beine und befürchtet offenbar einen Damm- bruch, wenn zu viele von ihnen recht bekämen . Dazu ist es bislang nicht gekommen, da viele der todkranken ehe- maligen Soldaten im Laufe der sich endlos hinschleppen- den Verfahren versterben . Die Bundesregierung musste auf schriftliche Nachfrage einräumen, dass seit 2003 von 748 Antragstellern nachweislich mindestens 117 verstor- ben sind . – So darf mit schwerstkranken Menschen nicht umgegangen werden . Ich bin mir sicher: Wären nur ehemalige Angehörige der Nationalen Volksarmee der DDR betroffen, hätte die Bundesregierung das Problem längst gelöst . Das geht aber nicht, eben weil ehemalige Bundeswehrangehörige genauso betroffen sind . Das zeigt, es gab zu jener Zeit in den Streitkräften auf beiden Seiten des Eisernen Vor- hangs ein zu gering ausgeprägtes Gefahrenbewusstsein im Umgang mit ionisierender Strahlung an Radargeräten . Aus diesem Grund müssen auch die Betroffenen gleich behandelt werden ─ egal in welcher Armee sie früher ge- dient haben . Sehr spät, immerhin 13 Jahre nach dem Bericht der Radarkommission, hat sich die Bundesregierung nun- mehr selbst eingestanden, dass sie das Problem nicht länger aussitzen kann . Die Bundeswehr schadet ihrem Image, solange sie den Dienstversehrten die kalte Schul- ter zeigt. Die Fürsorgepflicht des Dienstherrn endet eben nicht am Kasernentor . Die Koalition hätte die Gelegenheit nutzen können, um die Opposition mit ins Boot zu holen . Es wäre zweifellos im Interesse der Sache gewesen, wenn sich der gesam- te Bundestag in die Verantwortung hätte nehmen lassen . Die Linke ist dazu bereit gewesen . Stattdessen wurde auf alleiniges Betreiben der CDU/CSU-Fraktionsspitze die Linke von dem interfraktionellen Antrag nachträglich ausgeschlossen . Sie zeigen damit, dass es ihnen nicht um die Sache geht, sondern um Parteiideologie . Es über- rascht deshalb nicht, dass sie den Tagesordnungspunkt zu später mitternächtlicher Stunde aufgesetzt haben, um die Angelegenheit möglichst geräuschlos ohne öffentliche Debatte durchzuwinken . Sie werden dies wahrscheinlich gar nicht erwarten: Ich bedanke mich dennoch an dieser Stelle ausdrücklich bei den Berichterstatterinnen und Be- richterstattern aller Fraktionen für die gute Zusammenar- beit . An ihnen hat es nicht gelegen, sondern an der Frak- tionsführung der CDU/CSU . Die Linke musste deshalb einen eigenen Antrag vorlegen, der einige weitergehende Verbesserungen für die Betroffenen enthält . Bei dem in- terfraktionellen Antrag werden wir uns enthalten . Wir unterstützen die Forderung des Bundes zur Un- terstützung Radarstrahlengeschädigter nach Einrichtung eines unabhängigen Expertengremiums, das in strittigen Einzelfällen vermitteln soll . Nach den bisherigen Erfah- rungen mit der Blockadepolitik des Verteidigungsminis- teriums sind die Befürchtungen der Betroffenen nur allzu berechtigt, dass anderenfalls die Auszahlung von Ent- schädigungen weiterhin auf den Sankt-Nimmerleins-Tag hinausgeschoben wird . Das ist nicht hinnehmbar . Vor diesem Hintergrund: Vertrauen ist gut, aber Kontrolle ist besser . Das zeigt auch die Vorgeschichte des interfraktio- nellen Antrags: Das Verteidigungsministerium hat im Februar 2015 ein Fachsymposium mit von ihm selbst benannten Expertinnen und Experten durchgeführt, was durchaus symptomatisch für das Vorgehen der Bundes- regierung ist . Doch selbst die eigenen Expertinnen und Experten haben der Bundesregierung bescheinigt, dass künftig alle gutartigen Tumore in den Katalog der erstat- tungsfähigen Erkrankungen aufgenommen werden müs- sen . Nur deshalb hat sie ihren Widerstand dagegen aufge- geben . Es ist gut, dass sie wenigstens darauf gehört hat . Die Linke ist darüber hinaus der Meinung, dass auch Soldaten, die in Kontakt mit radiumhaltiger Leuchtfar- be Ra-226 gestanden haben und erkrankt sind, generell entschädigt werden sollten . Grundsätzlich wollen wir, dass alle chronischen Erkrankungen, die auf ionisierende Strahlung zurückgeführt werden können, vom Gesetzge- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 2016 18185 (A) (C) (B) (D) ber als entschädigungsfähig anerkannt werden, sofern die betroffenen Antragsteller im Rahmen ihrer Dienstaus- übung an entsprechenden Geräten gearbeitet haben . Damit würden keineswegs die Schleusen geöffnet, der Personenkreis bliebe überschaubar . Wir wollen den Ra- dargeschädigten unbürokratisch helfen, weil viele von ihnen den ursächlichen Zusammenhang heute oft nicht mehr lückenlos belegen können . Wegen der lange Zeit unterschätzten Gefahr, die von den damaligen Radarge- räten ausging, gab es keine hinreichenden Dokumenta- tionspflichten. Das darf den heute Erkrankten jedoch nicht zum Nachteil gereichen . So weit geht der interfraktionelle Antrag nicht . Er enthält zwar einige substanzielle Verbesserungen für die Betroffenen . Wir werden dennoch die Umsetzungsmaß- nahmen aufmerksam verfolgen und die Bundesregierung an ihren konkreten Taten messen . Doris Wagner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wenn wir heute die Entschädigung für Radargeschädigte der Bundeswehr und der ehemaligen NVA verbessern, dann war dies ein langwieriger und steiniger Weg . Die Art und Weise, in der das Bundesverteidigungsministerium bisher mit den Radargeschädigten umgegangen ist, ent- spricht so gar nicht dem hehren Leitbild, demzufolge die Bundeswehr ihre Soldatinnen und Soldaten umfassend umsorgt, im Gegenteil . Menschen, die durch den Dienst in den Streitkräften ihre Gesundheit verloren haben, wurden jahrelang zu läs- tigen Bittstellern degradiert . Soldaten, die auf die Loyali- tät und Treue ihres Dienstherrn vertraut haben, wurden in diesem Vertrauen bitter enttäuscht . Deshalb bin ich froh, dass es uns in langen Verhand- lungen gelungen ist, uns auf einige zentrale Verbesserun- gen für die Radargeschädigten zu verständigen . Aber ich will Ihnen nicht verhehlen: Ich habe mich in diesem Pro- zess mehr als einmal für unseren Staat geschämt! Seit 15 Jahren wissen wir nun: Soldaten der beiden deutschen Armeen waren bis in die 1980er-Jahre unwis- send ionisierender Strahlung ausgesetzt und sind teilwei- se schwer erkrankt . Die Reaktion der Politik auf Bekannt- werden der ersten Fälle erfolgte relativ fix: Schon 2002 wurde eine Kommission eingesetzt, die Zusammenhänge zwischen Radarstrahlung und Erkrankungen untersuchte . 2003 wurde vorgeschlagen, für bestimmte Erkrankungen Wehrdienstbeschädigungen anzuerkennen . Viele Betrof- fene warteten aber vergebens auf Unterstützung . Einige werfen der Bundesregierung vor, sie spiele auf Zeit und verzögere Verfahren, bis die Opfer nicht mehr klagen können oder wollen . In der Tat sind der Verwaltung einige Vorwürfe zu ma- chen: da wurden wissenschaftliche Gutachten zum Zusam- menhang zwischen Strahlung und konkreten Erkrankun- gen ignoriert; da wurden Entschädigungsanträge mit dem Argument abgelehnt, die Opfer könnten ja den Vollbeweis zur An- erkennung einer Wehrdienstbeschädigung erbringen; wohlwissend, dass hierzu die nötigen „Beweise“ rein faktisch gar nicht mehr erbracht werden können; da dauerte es Jahre, bis das BMVg Stellungnahmen abgab und da zogen sich Gerichtsverfahren über zehn und mehr Jahre hin . Ein Richter stellte sogar unumwun- den fest, dass die Bundeswehrverwaltung um argumenta- tive Tricks und Kniffe nicht verlegen war, wenn es darum ging, berechtigte Ansprüche des Klägers abzuwehren . Man mag zur Bundeswehr und zur NVA stehen wie man will . Aber wenn Menschen im Auftrag des Staa- tes handeln und dabei ihre Gesundheit verlieren, dann muss der Staat hinterher doch den Anstand haben, diese Menschen angemessen zu entschädigen und sie zu un- terstützen, wo immer sie Hilfe brauchen! Die Bundes- wehrverwaltung hat viele geschädigte Soldaten über ein Jahrzehnt hingehalten und mit einer verletzenden Arro- ganz einfach abgewimmelt . Gleichzeitig versucht das Verteidigungsministerium in teuren PR-Kampagnen alle Welt davon zu überzeugen, wie unglaublich attraktiv die Bundeswehr als Arbeitgeber ist . Leider zeugt auch die Entstehungsgeschichte unse- res gemeinsamen Antrags davon, dass das Wohlergehen der geschädigten Soldaten nicht bei allen Abgeordneten oberste Priorität genießt . Meine Fraktion hat in dieser Legislaturperiode allerlei schriftliche Fragen und Kleine Anfragen zur Entschädigungspraxis gestellt . Letztes Jahr haben wir im Verteidigungsausschuss einen Antrag ein- gebracht, der deutlich weitreichendere Forderungen zum Umgang mit den Radargeschädigten enthielt . Nach einigen Verzögerungen vonseiten des Ministe- riums und nach einigem rein parteipolitisch motivierten Geplänkel vonseiten der Union steht heute immerhin ein interfraktioneller Antrag . Dieser Antrag ist ein Kompro- miss . Wir Grünen wären gerne weiter gegangen, aber entscheidend ist: Der Antrag verbessert die Lage der be- troffenen Soldaten: Gutartige Tumoren werden als mög- liche Erkrankungen in den Entschädigungskatalog auf- genommen, das Bundesministerium will die abgelehnten Fälle von Amts wegen neu und rasch prüfen . Mögliche Genschäden durch Radarstrahlung werden endlich unter- sucht . Ich hoffe, dass auch andere Erkrankungen künf- tig schneller überprüft werden, sobald es Anzeichen auf Zusammenhänge zu Radarstrahlung gibt . Die Deutsche Härtefallstiftung wird aufgestockt, insbesondere auch, um Bedürftigen, die keinen Anspruch auf eine Renten- versorgung bekommen, unterstützen zu können . Wie gesagt: Der Antrag verbessert die Lage der Betrof- fenen und ist im Sinne aller Fraktionen . Reichlich albern und kaum zu verstehen ist deshalb, warum die Union sich hier gegen eine Mitzeichnung der Linken gewehrt hat . Das ist eine vertane Chance, klarzumachen, dass das Par- lament hier mit einer Stimme spricht . Ein gemeinsamer Antrag aller Fraktionen hätte auch den Alternativantrag der Linken überflüssig gemacht. Der ist inhaltlich sehr gut . Denn er besteht zur einen Hälfte aus wortgleichen Formulierungen und Forderungen, die wir Grüne bereits in unserem Antrag als Drucksache 18/6649 in den Bun- destag eingebracht hatten, und zur anderen Hälfte aus den Punkten des interfraktionellen Antrags, den wir heu- te abstimmen . Aber formal, sehr geehrte Abgeordnete der Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 201618186 (A) (C) (B) (D) Linken, empfehle ich, zumindest eine gewisse Schonfrist vergehen zu lassen, bevor man Anträge von Bündnis 90/ Die Grünen umetikettiert und seine eigene Unterschrift darunter setzt . Entscheidend aber ist, wie zügig und ordentlich die Entscheidungen jetzt umgesetzt werden . Wir Grüne wer- den der Bundesregierung weiterhin streng auf die Finger schauen, wenn es um den Umgang mit geschädigten Sol- datinnen und Soldaten geht . Wir werden weiterhin unbe- queme Fragen stellen . Und wir werden uns weiterhin für Verbesserungen einsetzen und auf eine unbürokratische und großzügige Entschädigungspraxis drängen . Denn die Frage, wie die Bundeswehr mit Menschen umgeht, die im Dienst gesundheitliche Schäden erlitten haben, wird uns aufgrund der Auslandseinsätze künftig sehr viel häu- figer beschäftigen als bisher. Und wir alle sollten unser Bestes tun, damit sich ein solches moralisches Versagen wie im Falle der Radargeschädigten in der Bundeswehr nicht mehr wiederholt! Anlage 21 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – des Antrags der Fraktionen CDU/CSU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Unterstützung für den Friedensprozess in Ko- lumbien – des Antrags der Abgeordneten Heike Hänsel, Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion DIE LINKE: Für den Frieden in Kolumbien – Paramilitarismus konsequent bekämpfen (Tagesordnungspunkt 26 a und b) Dr. Bernd Fabritius (CDU/CSU): Der innerstaatli- che bewaffnete Konflikt in Kolumbien dauert nun bereits seit über 50 Jahren an . Ein Zeitraum, der gleich mehrere Generationen umfasst, die nie etwas anderes kennenge- lernt haben, als Krieg und Gewalt . Der kolumbianische Präsident Juan Manuel Santos war 15 Jahre alt, als der Konflikt ausbrach. Bei der Unterzeichnung des unbefris- teten Waffenstillstandes vor zwei Wochen sagte er: „Wir haben nicht die geringste Erinnerung daran, was es heißt, in Frieden zu leben“ . Bei derartigen Konflikten sinken die Chancen für ei- nen stabilen Waffenstillstand und einen dauerhaften Frie- den mit jedem Jahr und jedem Opfer weiter . Nach einem halben Jahrhundert der bewaffneten Auseinandersetzung und nachdem 225 000 Menschen in diesem Krieg ihr Le- ben verlieren mussten, ist ein Friedensabkommen eine unglaublich große diplomatische Leistung . Es beinhaltet die langersehnte Aussicht auf Frieden für die kommende Generation . Der besondere Einsatz der Regierungen Kubas und Norwegens sowie die Unterstützung der kolumbiani- schen Bischofskonferenz haben maßgeblich zum Erfolg der Friedensverhandlungen beigetragen und werden im vorliegenden Antrag auch entsprechend gewürdigt . Für diese positive Entwicklung ist die kolumbianische Be- völkerung sicher ebenfalls sehr dankbar, sie wird nun- mehr hoffentlich einer Zeit des Friedens und des Wohl- stands entgegenblicken können . Bis dahin ist es allerdings noch ein langer Weg . Mehr als 6 Millionen Kolumbianer leben als Binnenflüchtlin- ge im eigenen Land . Viele Gebiete werden durch die vielfach ausgebrachten Landminen noch für Jahre unbe- wohnbar bleiben . Noch lange Zeit nach dem Waffenstill- stand und einem abzuschließenden Friedensabkommen werden diese geächteten Kriegsmittel vermutlich Ursa- che für steigende Opferzahlen sein, bedenkt man, dass bis Ende 2014 in Kolumbien 11 000 Menschen durch Minen verletzt wurden oder ihr Leben verloren . Nach den physischen Hinterlassenschaften des Krie- ges werden es die seelischen Verletzungen sein, welche der Heilung bedürfen . Es wird Jahrzehnte dauern, bis ein Frieden auf dem Papier auch in den Köpfen der Men- schen ankommt . Im Antrag fordern wir die Bundesregie- rung demnach auch auf, „die deutschen Erfahrungen im Umgang mit der Aufarbeitung der Geschichte des Kon- flikts, der Versöhnung und der Erinnerungskultur in die- sen Prozess einzubringen“ . Bei einer solchen Nachbereitung bewaffneter Konflik- te haben sich die auswärtige Kultur- und Bildungspolitik sowie die zivile Krisenprävention als nachhaltige Instru- mente erwiesen . Das Goethe-Institut in Bogotá und die durch das Goethe-Institut geförderten Kulturgesellschaf- ten in Colombo, Cartagena und Medellín waren und blei- ben Schutzräume der Begegnung und des Austauschs . Durch das geplante Deutsch-Kolumbianische Friedens- institut in Bogotá wird dieses Angebot sinnvoll erweitert . Auch eine Ausbildung an den aus Mitteln der auswär- tigen Kultur- und Bildungspolitik geförderten Schulen in Kolumbien wird dazu beitragen, die wehrlosesten Opfer dieses Konflikts, die zwangsrekrutierten Kinder- und Ju- gendsoldaten, in die Gesellschaft zu reintegrieren . Der jungen Generation Kolumbiens, insbesondere in den Konfliktgebieten in den ländlichen Regionen, muss eine Zukunftsperspektive geboten werden, um zu verhindern, dass sie den Verlockungen krimineller Banden erliegen . Deren Erstarken muss deshalb im Zuge einer Demobili- sierung der Guerillagruppen unbedingt verhindert wer- den . Auch die Resozialisierung älterer Guerillakämpfer ist eine wichtige Voraussetzung für einen dauerhaften Frie- den . Ohne wirtschaftliche und soziale Partizipation wird der Weg der Gewalt und der Kriminalität für sie eine Al- ternative zu Armut und Hunger bleiben . Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusam- menarbeit und Entwicklung und Bundesminister Gerd Müller haben deshalb ein Beratungsprogramm für nach- haltige Arbeitsplätze und Einkommen in den ländlichen Regionen Meta und Norte de Santander geschaffen, die besonders vom Konflikt betroffen waren. Unter anderem werden dort regionale Bauernmärkte gefördert, um in den schwer zugänglichen Regionen lokale Absatzplatt- formen zu schaffen . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 2016 18187 (A) (C) (B) (D) All diese Maßnahmen werden hoffentlich dabei hel- fen, dass aus dem Waffenstillstand ein echter und dau- erhafter Frieden wird . Mag dieser Antrag auch nur ein kleiner Schritt auf diesem Weg sein: Deutschland kann dazu beitragen, dieses Ziel zu erreichen . Dr. Andreas Nick (CDU/CSU): Seit vier Jahren lau- fen die offiziellen Gespräche zwischen der kolumbiani- schen Regierung und der FARC (Fuerzas Armadas Re- volucionarias de Colombia – Revolutionäre Streitkräfte Kolumbiens) zur Beendigung des bereits seit Jahrzehnten andauernden innerstaatlichen bewaffneten Konfliktes. Über 225 000 Menschen verloren im Verlauf dieses Konflikts ihr Leben, 6,5 Millionen wurden zu Flüchtlin- gen im eigenen Land . Insgesamt 8,5 Millionen Kolum- bianer waren und sind direkt vom Konflikt betroffen, als Opfer von Verschleppungen, Entführungen und sexuali- sierter Gewalt . Mit dem erst vor zwei Wochen geschlossenen Waffen- stillstand mit der FARC wurde ein wichtiges Etappenziel auf dem Weg zur Schaffung eines stabilen und dauerhaf- ten Friedens im Land erreicht . Diese Entwicklungen sind vor allem auch ein Lichtblick für die Bevölkerung Ko- lumbiens, die seit über 50 Jahren unter den schrecklichen Auswirkungen des Konflikts leiden musste. Deutschland und Kolumbien pflegen seit langem enge politische, kulturelle und wirtschaftliche Beziehungen . Im Februar 2015 konnte ich Außenminister Frank-Walter Steinmeier bei seiner Reise nach Kolumbien begleiten . Unser Kollege Tom Koenigs wurde im Nachgang zu un- serer gemeinsamen Reise zum Beauftragten zur Unter- stützung des Friedensprozesses in Kolumbien bestellt . Wir danken Tom Koenigs für seine Arbeit und wünschen ihm weiterhin viel Kraft und Erfolg . Auch zahlreiche deutsche Nichtregierungsorganisa- tionen, vor allem unsere politischen Stiftungen wie die Konrad-Adenauer-Stiftung, leisten seit Jahrzehnten ei- nen ebenso wichtigen wie unverzichtbaren Beitrag zu Frieden, Demokratie und Entwicklung in Kolumbien . Dies wurde auch im Gespräch mit einer breit aufgestell- ten Delegation der kolumbianischen Zivilgesellschaft deutlich, das ich in Berlin vor wenigen Wochen führen konnte, an dem auch der Erzbischof von Cali teilnahm . Die geplante Einrichtung eines Deutsch-Kolumbiani- schen Friedensinstituts in Bogotá (DKFI), das den lau- fenden Friedensprozess auf der Ebene von Forschung und Lehre begleiten wird, ist ein wichtiger Schritt hin zu einer nachhaltigen Aufarbeitung des Konfliktes. Als Deutsche können wir dabei unsere eigenen Erfahrungen im Umgang mit der Aufarbeitung einer schwierigen Ge- schichte teilen, um auf diese Weise die Aussöhnung in Kolumbien zu unterstützen . Trotz aller Hoffnung und positiven Entwicklungen gilt: Kolumbien hat noch einen weiten Weg hin zu einem stabilen Frieden vor sich . Dem Gewaltverzicht muss eine dauerhafte Aufarbeitung des Konfliktes folgen, vor allem aber die politische Lösung der Konfliktursachen in einem demokratischen Prozess . Die kolumbianische Gesellschaft muss selbst zu ei- nem inneren Frieden finden. Ein mögliches Abkommen braucht daher eine möglichst breite Zustimmung in der Bevölkerung, beim Militär und bei den wichtigsten poli- tischen und wirtschaftlichen Eliten . Die Zustimmung wird sich nicht nur im Ergebnis ei- nes zu entscheidenden Referendums über einen zukünf- tigen Friedensvertrag widerspiegeln, sondern auch in der praktischen Umsetzung beweisen müssen . Dazu gehört auch die Frage der strafrechtlichen Aufarbeitung als eine der größten Herausforderungen . Im Rahmen unseres Besuchs, vor allem bei dem Ge- spräch in einem Resozialisierungszentrum für ehemalige Guerilleros, wurde deutlich, dass viele Menschen in die- sem Konflikt Täter und Opfer zugleich waren. Besonders beeindruckt hat mich der aufwühlende Bericht einer jungen Frau, die als Jugendliche von der FARC unter Todesandrohung aus ihrem Elternhaus zwangsrekrutiert wurde . Wir sprachen mit Menschen, die auf verschiedenen Seiten gekämpft haben – und doch oft- mals das gleiche Schicksal teilten . Deutlich wurde, wie wichtig die friedliche Wiedereingliederung ehemaliger FARC-Guerilla und anderer Gruppen für einen dauerhaf- ten Frieden im Land ist . Im Sinne der „Transitional Justice“, bei der nicht die Bestrafung, sondern die Wiederherstellung der Würde der Opfer im Mittelpunkt steht, müssen alle Fakten of- fengelegt werden und die Täter dazu gebracht werden, ihre Verbrechen anzuerkennen . Nur dadurch kann der Konflikt dauerhaft aufgearbeitet werden, und es kann eine Chance auf Versöhnung geben . Eine besondere Herausforderung bei der Konsoli- dierung des Friedens wird künftig die Schaffung eines sicheren Lebensumfelds in den Konfliktregionen sein. In großen Teilen der von der FARC kontrollierten Ter- ritorien ist der Staat kaum oder fast gar nicht präsent . Es muss verhindert werden, dass ein Machtvakuum vorran- gig um kriminelle Strukturen herum errichtet wird . Um der Bevölkerung zukünftig legale Erwerbsmöglichkeiten zu bieten, ist eine Politik der integrierten landwirtschaft- lichen Entwicklung unerlässlich – auch zur Bekämpfung des Drogenanbaus . Der Versöhnungsprozess bietet auch die große Chan- ce, mit positiven Nachrichten aus Kolumbien neue Mög- lichkeiten für eine nachhaltige wirtschaftliche Entwick- lung zu eröffnen . Dadurch können neue Lebenschancen in einem Land mit viel Potenzial ermöglicht werden, auch durch eine engere wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Deutschland und dem Engagement deutscher Unter- nehmen in Kolumbien . Mit unserem fraktionsübergreifenden Antrag unter- stützen wir als Parlament Deutscher Bundestag aus- drücklich den Friedensprozess in Kolumbien . Wir wün- schen uns von allen politischen Kräften Kolumbiens und der Gesellschaft des Landes einen konstruktiven Beitrag zur Beendigung der Gewalt und eine aktive Unterstüt- zung des Friedensprozess . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 201618188 (A) (C) (B) (D) Klaus Barthel (SPD): Kolumbien steht am Schei- deweg . Die Zahlen der Toten, Vertriebenen, Traumati- sierten, Geflohenen, Verschwundenen, die über 50 Jahre Bürgerkrieg verursacht haben, dürften im Zuge der jetzt beginnenden Aufarbeitung eher nach oben korrigiert wer- den . Nicht eingerechnet sind wohl bisher die Opfer, die „im Windschatten“ dieses Konfliktes zu beklagen sind, die Ermordeten, Verschwundenen, Eingeschüchterten, Vergewaltigten . Auch bedingt durch den gewaltsamen Konflikt, leidet Kolumbien unter dem teilweisen Fehlen von Rechtsstaatlichkeit, staatlicher Handlungsfähigkeit und Institutionalität, eines wirksamen Gewaltmonopols sowie einer unabhängigen und funktionsfähigen Justiz . Gleichzeitig hat Kolumbien enorme Potenziale in vie- lerlei Hinsicht . Denkt man sich Bürgerkrieg und Gewalt weg, nähme nur die Ressourcen, die der Binnenkonflikt kostet, und den Verlust an Wachstum, an Produktivität, an Konsum- und Investitionsmöglichkeiten, Kolumbien gehörte zu den reichsten Ländern der Welt . Dennoch ist der Weg zum Frieden noch mit vielen Hürden und Schlaglöchern versehen . Die eigentliche Arbeit beginnt mit dem Friedensschluss . Andere Redner werden das auch verdeutlichen, der Antrag der Koalition benennt es, auch der Antrag der Linksfraktion . Uns allen muss klar sein: Es gibt jetzt keine Sieger und Besiegten . Alle müssen sich aufeinander zubewegen und erkennen: Bei einem Friedensprozess wird es mittel- und langfristig Gewinnerinnen und Gewinner in großer Zahl geben . Wenn der Frieden scheitert, werden Kolum- bien insgesamt und die Mehrheit der Bevölkerung verlie- ren . Dennoch besteht Gefahr von derjenigen mächtigen Minderheit, die von Armut, Gewalt, Krieg und Unterdrü- ckung profitiert. Deshalb ist es so wichtig, dass es heute vom Deut- schen Bundestag ein gemeinsames klares Signal gibt: Diejenigen Kräfte in Kolumbien, die den Friedenspro- zess torpedieren wollen, können von keiner Seite aus befreundeten Ländern mit Sympathie oder Unterstützung rechnen . Der Deutsche Bundestag schließt sich auch der konsensuellen Position des US-Kongresses an . Deshalb bin ich sehr froh, dass heute Koalition und Opposition gemeinsam abstimmen . Einmal mehr stellt sich damit auch die Frage, weshalb die Linksfraktion grundsätz- lich von der Erarbeitung solcher Anträge ausgeschlossen bleiben muss . Auch wir brauchen hier eine neue Kultur der Zusammenarbeit – auch bei fortbestehenden Mei- nungsunterschieden . Die Komplexität des langjährigen Konfliktes hat auch zur Folge, dass seine Aufarbeitung schon deshalb sorg- fältig, differenziert und längerfristig angegangen bzw . fortgesetzt werden muss, weil es einfache Täterinnen/ Täter-Opfer-Rollenzuweisungen kaum geben kann . Dies gilt sowohl für die einzelnen Menschen, die auf der einen oder anderen Seite gekämpft haben, als auch für Organi- sationen und Institutionen, seien es Polizei und Militär, Paramilitärs, FARC, politisch Verantwortliche oder die Kirche . Das heißt nicht, dass alle gleich schuldig sind, Verantwortung verwischt werden kann oder eine Gene- ralamnestie angemessen ist . Es heißt aber, dass sorgfäl- tige Aufarbeitung, Wiedergutmachung und Versöhnung im Vordergrund stehen müssen, aber Schuldige bestraft werden, auch abhängig davon, was sie zur Aufarbeitung beitragen . Dies muss aber in Kolumbien selbst durch den Frie- densvertrag geregelt und rechtsstaatlich abgesichert wer- den . Unser Beschlussvorschlag versteht sich daher auch als Unterstützung für die Aktivitäten der Bundesregie- rung in Kolumbien, die demonstrativ und praktisch den Friedensprozess unterstützt . Dies drückt sich auch in der Ernennung des Sonderbeauftragten Tom Koenigs aus, für dessen Arbeit und Engagement wir uns ausdrücklich be- danken . Gleichzeitig – und das findet bisher zu wenig Auf- merksamkeit – braucht Kolumbien eine langfristige Stra- tegie, um den Ursachenkern des Gewaltkonfliktes be- kämpfen zu können: die enorme, weltweit im Spitzenfeld liegende Ungleichheit an Vermögen, Grundbesitz und Einkommen . Der Frieden ist kein Eliteprojekt . Deshalb braucht er nicht nur die passive Duldung der Bevölkerung, sondern die aktive Teilnahme der bisher wirtschaftlich abge- hängten Bevölkerungsmehrheit . Deshalb regen wir die Ingangsetzung und Institutionalisierung eines breiten gesellschaftlichen Dialoges an, um Landnutzungs- und -besitzkonflikte zu entschärfen, um Gewerkschaften und andere zivilgesellschaftliche Organisationen zu schützen und zu stärken und um alle Teile der Bevölkerung am potenziell enormen Reichtum des Landes teilhaben zu lassen . Dazu gehört auch eine Steuerpolitik, die an den Spitzeneinkommen und Vermögen anknüpft, anstatt nur am Rohstoffabbau und Verbrauchsbesteuerung . Die EU und Deutschland tragen dabei Mitverantwortung . So ist in der Präambel und in einigen Passagen des Freihandel- sabkommens der EU mit Kolumbien und Peru eindeutig ein solcher Dialog angelegt, und es sind auch Gremien dafür vorgesehen . Wir fordern Bundesregierung und EU-Kommission dazu auf, den Ankündigungen, die es vor Abschluss des Abkommens in dieser Hinsicht gab, jetzt Taten folgen zu lassen . Ich erinnere daran, dass wir als SPD-Bundes- tagsfraktion wegen der Unverbindlichkeit der Nachhal- tigkeitsaspekte dieses Freihandelsabkommen abgelehnt haben . Derzeit können wir nicht einmal im Ansatz er- kennen, dass wenigstens diese unverbindlichen Dekla- rationen und Gremien überhaupt im Land bekannt sind, geschweige denn daran angeknüpft wird . Auch deshalb müssen wir im Sinne des Friedenspro- zesses unsere Verantwortung wahrnehmen, wo immer dies möglich ist . Hier steht auch unsere Handelspolitik auf dem Prüfstand . Edelgard Bulmahn (SPD): 52 Jahre hat der bewaff- nete Konflikt in Kolumbien angedauert. Er hat unend- lich großes Leid über die Bevölkerung gebracht – durch Menschenrechtsverletzungen, Terrorakte und Aktivitäten unterschiedlicher bewaffneter Gruppen . Rund 8,5 Mil- lionen Menschen wurden Opfer von Gewalt, systema- tischer Vertreibung, Verschleppung, Entführung und Zwangsrekrutierung . 6,5 Millionen Menschen wurden zu Vertriebenen im eigenen Land . Etwa 225 000 Menschen, Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 2016 18189 (A) (C) (B) (D) darunter besonders Frauen, Afrokolumbianer und Indige- ne, wurden getötet . In diesen Tagen stehen wir nun endlich kurz vor dem Abschluss eines umfassenden Friedensvertrages zwi- schen der kolumbianischen Regierung und der Rebellen- gruppe FARC . In den vergangenen Jahren wurden zwi- schen Regierung und FARC vier Kapitel dieses Vertrages verhandelt . Einigungen konnten bereits zwischen 2013 bis 2015 zu den Kapiteln Landreform, politische Teil- habe, Drogenanbau und Übergangsjustiz/Opferentschä- digung erzielt werden . Die Verhandlungen zum fünften und schwierigsten Kapitel „Beendigung des bewaffneten Konflikts“ zogen sich jedoch hin, bis vor zwei Wochen. Am 23 . Juni verkündeten der kolumbianische Präsident Santos und FARC-Chef Timoschenko im Beisein von UN-Generalsekretär Ban Ki-moon und anderen hochran- gigen internationalen Vertretern die Einigung auf einen Waffenstillstand, die Niederlegung der Waffen durch die FARC und die Reintegration der FARC-Kämpfer in die kolumbianische Gesellschaft . Präsident Santos hat er- klärt, dass er nach der Einigung beim Schlusskapitel nun eine Unterzeichnung des gesamten Friedensvertrags bis zum 20 . Juli anstrebt . Dieser Abschluss des Friedenspro- zess stellt – und wir hoffen, es kommt so – eine histori- sche Zäsur dar und eine riesige Chance für die kolumbi- anische Gesellschaft nach fünf Jahrzehnten der Gewalt, wenngleich ein Friedensschluss mit der letzten verblei- benden Rebellengruppe ELN noch aussteht . Zugleich aber steht Kolumbien vor der enormen He- rausforderung, den Friedensvertrag umzusetzen . Die Chancen für eine friedliche Entwicklung zu nutzen und den Vertrag mit Leben zu füllen, ist die eigentliche Auf- gabe, vor der nicht nur die kolumbianische Regierung, sondern vor allem auch die gespaltene kolumbianische Gesellschaft steht . Der uns vorliegende Antrag greift aus unserer Sicht alle wichtigen Aspekte der politischen, so- zialen und ökonomischen Herausforderungen, vor denen Kolumbien steht, auf . Deutschland möchte als Partner der kolumbianischen Gesellschaft auf dem Weg in eine friedliche und ökonomisch prosperierende wie ökolo- gisch nachhaltige Zukunft zur Seite stehen . Dieser An- trag ist ein Angebot, die Umsetzung des Friedensvertra- ges zu unterstützen . Lassen Sie mich bei dieser Gelegenheit auf einen be- sonderen Punkt aufmerksam machen, denn auf die wich- tige Rolle der Kirche bei den Vermittlungsbemühungen ist an anderer Stelle bereits hingewiesen worden . Hier und heute sei auch das Verdienst der kolumbianischen Frauen für den Frieden gewürdigt! Die kolumbianischen Frauen haben auf mehrfache Weise unter dem Konflikt gelitten, als Opfer von Gewalt und zugleich als beson- ders Betroffene, die soziale und ökonomische Lasten des Konflikts tragen mussten. Jene Frauen wie die, die vor 20 Jahren die Frauenrechtsorganisation Ruta Pacifica de las Mujeres gegründet und sich entschieden haben, sich gegen Krieg, Terror, sexuelle Gewalt und Ausbeutung zur Wehr zu setzen, haben einen wesentlichen Beitrag zur Ermöglichung des Friedensprozesses und des Frie- densschlusses geleistet . Durch friedlichen Protest und die Herstellung von Öffentlichkeit haben sie sich ganz entscheidend um die Delegitimierung des Konfliktes ver- dient gemacht . Das Engagement und die Beharrlichkeit dieser vielen mutigen Frauen waren mitentscheidend da- für, dass es überhaupt zu diesem Friedensprozess kom- men konnte . Umso mehr gilt es hier zu betonen: Die für den Frieden engagierten Frauen dürfen nicht in eine Beobachterrolle gedrängt werden . Die Einbeziehung der Frauenrechtsorganisationen wird auch für die Umsetzung des Vertrages elementar sein, um die langfristige Befrie- dung der Konfliktakteure und um die Überwindung der Spaltung der kolumbianischen Gesellschaft zu erreichen . Sie sollten daher auch bei der Implementierung der Frie- densvereinbarung und einzelner Maßnahmen eine wich- tige Rolle spielen . Nicht zuletzt darauf müssen wir unser Augenmerk und unsere Anstrengungen richten, wenn wir uns für Kolumbien eine friedliche Zukunft wünschen und an dieser auch mitwirken wollen . Heike Hänsel (DIE LINKE): Wir erleben eine his- torische und hoffnungsvolle Zeit in Kolumbien . Der längste interne bewaffnete Konflikt weltweit soll nach mehr als 50 Jahren beigelegt werden; die Waffen sollen schweigen . Nach der Unterzeichnung eines bilateralen Waffen- stillstandes zwischen der kolumbianischen Regierung und der Guerillaorganisation FARC-EP am 23 . Juni 2016 in Havanna bereitet sich die kolumbianische Gesellschaft auf die Phase der Waffenniederlegung vor . Der Humus für einen nachhaltigen Frieden ist die ko- lumbianische Zivilgesellschaft . Aber trotz der Fortschrit- te bei den Friedensverhandlungen in Havanna, die erst durch die Unterstützung der Regierungen der Republik Kubas und Norwegen als Garanten möglich geworden sind, häufen sich jedoch Übergriffe gegen Menschen- rechtsverteidigerinnen und -verteidiger, Gewerkschafter sowie Landrechts-, Friedens- und Umweltaktivistinnen und -aktivisten . Es sind vor allem paramilitärische Grup- pen, die soziale Bewegungen, Menschenrechtsaktivisten und Kleinbauern terrorisieren . Seit Beginn der Friedens- verhandlungen gab es 1 868 Übergriffe jeglicher Art, wie versuchter Mord, telefonische und schriftliche Todesdro- hungen und illegale geheimdienstliche Beschattung . In der gleichen Zeit wurden zudem 287 Menschen ermor- det . Allein für 2015 sind 682 Übergriffe und 63 Morde registriert worden . Die Zunahme der paramilitärischen Aktivitäten durch Gruppierungen wie Los Urabenos, Aguilas Negras und Clan Usuga gefährden das Leben der Kolumbianerinnen und Kolumbianer und eine friedliche Entwicklung nach der Unterzeichnung eines Friedensabkommens in Ko- lumbien . Der Paramilitarismus ist ein nach wie vor integraler Bestandteil des Staates und dient der Durchsetzung eines neoliberalen Wirtschaftsmodells . So spielen paramilitä- rische Gruppen bei der illegalen Aneignung von Land und Vertreibung von Kleinbauern für große Agrarunter- nehmen eine entscheidende Rolle . Ebenso bei der Ver- folgung und Ermordung von Gewerkschaftern, wodurch der Kampf um Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmer- rechte massiv geschwächt wird . Durch den Einsatz von sexualisierter Gewalt gegen Frauen und brutalem Terror, Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 201618190 (A) (C) (B) (D) wie zum Beispiel in den sogenannten „casas de pique“ in Buenaventura, sollen ganze Regionen ihrem Einfluss unterworfen werden . Nach wie vor sind Teile der politischen und wirt- schaftlichen Eliten in Kolumbien in paramilitärische Strukturen verstrickt, die aufgedeckt und zerschlagen werden müssen, um zu einem nachhaltigen und gerech- ten Frieden in Kolumbien beizutragen . Nach den Wahlen zum kolumbianischen Senat 2010 waren nach Angaben von Beobachtern 25 der 102 Senatoren direkt in den Pa- ramilitarismus verstrickt, heute wird der Partei Centro Democrático des ehemaligen Präsidenten und jetzigen Senators Alvaro Uribe unter anderem Wahlkampffinan- zierung aus paramilitärischen Quellen vorgeworfen . Wenn der Friedensschluss in Kolumbien nachhaltig umgesetzt werden soll, muss der erstarkende Paramili- tarismus konsequent bekämpft werden . Dafür muss die Bundesregierung ihren Druck auf die kolumbianische Regierung erhöhen. 97 Prozent Straflosigkeit sind in- akzeptabel . Auch deutsche Unternehmen, die Geschäfte machen mit Unternehmen in Kolumbien, die Paramilitärs finanzieren, zum Beispiel im Bereich des Steinkohleab- baus, müssen zur Verantwortung gezogen werden . Wir fordern auch, Menschenrechtsstandards in das EU-Ab- kommen mit Kolumbien aufzunehmen, die Sanktionen ermöglichen bei gravierenden Menschenrechtsverletzun- gen . Die Sicherheitsgarantien für alle, die in Kolumbi- en politisch aktiv werden wollen, müssen ernsthaft und nachhaltig umgesetzt werden . Es kann nicht sein, dass jede/r, der/die für soziale Gerechtigkeit in Kolumbien kämpft, sofort Todesdrohungen erhält . Dies betrifft auch die zukünftigen politischen Akteure der demobilisierten FARC . Zu tief sitzen die Erinnerungen an den Genozid an der linken Partei Union Patriotica, die faktisch durch die Ermordung Tausender Mitglieder ausgelöscht wurde . Ebenso erging es den ehemaligen Kämpfern der Guerilla M-19 . Viele von ihnen wurden später ermordet . Auch der Staat seinerseits kriminalisiert durch Straf- anzeigen und strafrechtliche Verfahren, auf Grundlage zweifelhafter Beweise und Zeugen, Menschenrechts- verteidigerinnen und -verteidiger, Menschenrechtsorga- nisationen und linke, oppositionelle Politikerinnen und Politiker . Die bekanntesten Fälle betreffen die Politiker Piedad Córdoba und Iván Cepeda Castro, den Soziologen Miguel Ángel Beltrán, den Menschenrechtsverteidiger David Rabelo, den Gewerkschafter Hubert Ballesteros und Feliciano Valencia, Kämpfer für die indigenen Rech- te . Diese politisch motivierten Verfahren müssen einge- stellt und Verurteilungen neu untersucht werden . Die Bundesregierung kann mit der finanziellen Un- terstützung von Friedensorganisationen die Zivilge- sellschaft stärken . Es gibt viele gute Initiativen, die Friedens- und Widerstandsgemeinden, eine Friedensuni- versität von Justicia y Paz und eine unabhängige Kom- mission zur Überwachung der Nichtwiederholung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit . Die Friedensorga- nisationen müssen auf alle Fälle in die Projektplanungen einbezogen werden . Im Rahmen der EZ muss aber auch ausgeschlossen werden, dass die geplante wirtschaftliche Entwicklung der ehemaligen Konfliktregionen zu neuen Konflikten bei Landbesitz und Rohstoffabbau führt . Für eine friedliche Entwicklung in Kolumbien ist es notwendig, dass ein Polizeigesetz für Friedenszeiten verabschiedet wird und nicht, wie gerade, ein Gesetz mit Sondervollmachten für Festnahmen und Hausdurch- suchungen ohne Gerichtsbeschluss im Kongress verab- schiedet wird . Die Militärdoktrin der nationalen Sicherheit in Ko- lumbien muss ad acta gelegt werden, und die Zahl der über 500 000 Soldatinnen und Soldaten muss deutlich reduziert werden . Von der Einbindung in die GSVP-Mis- sionen der EU wie Atalanta oder EUAM in der Ukraine und der Kooperationsvereinbarung mit der NATO halten wir nichts . Das ist nicht für den Frieden förderlich und muss beendet werden . Noch ein Wort zum Antrag der Bundesregierung und der Grünen: Sehr gerne hätten wir an diesem gemeinsa- men Antrag mitgearbeitet . Die Fraktion Die Linke war nicht gefragt worden . Diese Politik der Ausgrenzung ist kurzsichtig und kontraproduktiv . Trotzdem werden wir den Antrag unterstützen, um ein gemeinsames Zeichen nach Kolumbien zu schicken: Frieden ist möglich! Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): 1974 war ich zum ersten Mal in Kolumbien . Auf Reisen per Bus, zu Pferd und zu Fuß habe ich die wunderbare Land- schaft, die Herzlichkeit der Menschen und den Reichtum der Kultur des Landes kennengelernt . Ich bin ein Freund Kolumbiens geblieben und zu einem großen Bewunde- rer vor allem der kolumbianischen Literatur geworden . Ende der 1970er-Jahre erreichte der bewaffnete Kampf zwischen der kolumbianischen Regierung und den be- waffneten Gruppen furchtbare Höhepunkte . Beide Seiten zogen die Zivilbevölkerung mehr und mehr in den Krieg mit hinein, mit schrecklichen Folgen . Heute, 40 Jahre später, nach 6,5 Millionen Binnenver- triebenen und über 340 000 Toten, hat Kolumbien endlich eine realistische Perspektive auf einen dauerhaften und stabilen Frieden . Dies ist eine historische Chance, zu der alle gesellschaftlichen Gruppen im Land und alle Freun- de Kolumbiens ihren Beitrag leisten sollten . Seit fünf Jahren verhandeln die kolumbianische Regierung und die FARC-Guerilla . Sie haben viel erreicht: die Verein- barungen zur Landentwicklung, zur politischen Beteili- gung, zur Bekämpfung der Drogenkriminalität sowie die Einigung auf eine Sondergerichtsbarkeit für den Frieden zur Aufarbeitung der vielen grausigen Verbrechen in die- sem Krieg und auf eine Wahrheitskommission . Mit der Unterzeichnung des bilateralen Waffenstillstands wurde jetzt der letzte entscheidende Durchbruch erzielt . Dieser Weg hat beiden Seiten einen großen Friedenswillen und viel Kompromissbereitschaft abverlangt . Ich beglück- wünsche Präsident Santos, Comandante Timoschenko und die beiden Verhandlungsteams für ihren Mut und ihre Entschlossenheit und versichere, dass wir den Frie- densprozess weiter mit allen Kräften unterstützen wer- den . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 2016 18191 (A) (C) (B) (D) Deutschland hat besondere Beziehungen zu Kolum- bien . Die wichtigsten sind kultureller, wissenschaftlicher und persönlicher Art . Deutschland hat mit Kolumbien keine koloniale, keine postkoloniale und auch keine neo- liberale Beziehung, sondern eine kollegiale . Bester Aus- druck dafür sind die 160 Abkommen zwischen deutschen und kolumbianischen Universitäten sowie Tausende Stu- dierende, die von Kolumbien nach Deutschland und von Deutschland nach Kolumbien gehen, um unsere gemein- same Zukunft zu schaffen . Frieden durch Beteiligung, Integration, Verhandlun- gen und demokratische Reformen – das ist der Weg, den Kolumbien geht; das ist der Weg der Krisenprävention und Krisenbehandlung, den Deutschland unterstützt . Für diesen Weg brauchen wir beide, Deutschland und Ko- lumbien, Entschlossenheit zum Frieden und Mut zu Er- gebnissen ohne Sieger und Besiegte . Friedensgespräche müssen auf Augenhöhe geführt werden und die Verein- barungen langfristig und verlässlich sein . Dieser Weg ist auch unser Weg . Mehr Demokratie zu wagen, wie es Kolumbien tut, ist eine Herausforderung und ein Risiko . Aber es kann gelingen, wenn Politik statt auf Schuldzuweisungen auf Versöhnung setzt . Das Verhandlungsergebnis zur Sonderjustiz für den Frieden bedeutet weder Vergessen noch Straflosigkeit. Es bedeutet Wahrheit, Ermittlung und Aufklärung unter Einbeziehung der Opfer und unter Mitarbeit der Täter . Es geht auch um Wahrhaftigkeit . Die Verhandlungsergeb- nisse zur juristischen Aufarbeitung gehen weiter als in den früheren Friedensprozessen in Lateinamerika . Auch der Frieden hat seine Konjunktur . Für den Frie- den mit der FARC haben sich Norwegen, Kuba, Vene- zuela und Chile engagiert . Die Vereinigten Staaten spiel- ten eine wichtige Rolle . Für den Frieden mit der ELN, wo die öffentlichen Verhandlungen noch ausstehen, können sich noch weitere Staaten engagieren, auch Deutschland . Ohne den Frieden mit der letzten Guerilla-Gruppe bleibt der Prozess unvollkommen und birgt neue Gefahren . Die Zeit für den Frieden mit der ELN ist jetzt . Der heute vorliegende Antrag soll die Zusammenar- beit zwischen Deutschland und Kolumbien parlamenta- risch und demokratisch besiegeln und unsere Unterstüt- zung für den Friedensprozess langfristig sichern . Das ist im Interesse Deutschlands und Kolumbiens und aller Freundinnen und Freunde des Landes . Wir haben ein In- teresse an Kultur und demokratischer Politik, an Koope- ration im Klimaschutz und an einer Zusammenarbeit der Zivilgesellschaften sowie der Parlamente und Regierun- gen hier und dort . Kolumbien ist dabei, ein neues Kapitel in der Geschichte des Landes aufzuschlagen . Wir sind stolz, dabei zu sein . Anlage 22 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung ein- gebrachten Entwurfs eines Sechsten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (6. SGB IV-Änderungsge- setz – 6. SGB IV-ÄndG) (Tagesordnungspunkt 27) Dr. Astrid Freudenstein (CDU/CSU): Wie schon in der ersten Lesung angekündigt, können wir heute ein Gesetz zur Optimierung der Meldeverfahren in der so- zialen Sicherung verabschieden, von dem wirklich alle Beteiligten profitieren: die Bürger, die Arbeitgeber und die Sozialversicherungsträger . Es wird besser . Es wird einfacher . Und es wird günstiger . Von welchem anderen Gesetz kann man das schon behaupten? Durch die gemeinsame, verschlüsselte Datenübertra- gungsbasis haben sich seit dem Jahr 2006 große Potenzia- le der Entbürokratisierung ergeben . Alle Verfahrensbetei- ligten – also sowohl Arbeitgeber, Softwareunternehmen und Sozialversicherungsträger – sehen das System grundsätzlich als durchdacht, sicher und sparsam an . Trotzdem gibt es natürlich auch hier noch Optimie- rungspotenziale . Das hatte die schwarz-gelbe Koalition erkannt und im Jahr 2011 das Projekt „Optimiertes Mel- deverfahren in der sozialen Sicherung“ (OMS) gestartet . Nun können wir die Früchte dieser Arbeit ernten . Und der Baum, an dem diese Früchte hängen, ist groß . Denn bei dem Meldeverfahren handelt es sich um das größte und komplexeste Massenverfahren zur Weitergabe von Informationen von den Arbeitgebern an öffentliche Stel- len in Deutschland . Die potenzielle Ernte ist also eben- falls groß . Mit dem vorliegenden Gesetz wollen wir nun erst einmal die aus dem vergangenen Jahr übrig gebliebenen Verbesserungsvorschläge aus dem OMS-Projekt umset- zen . Damit wird es pro Jahr immerhin weitere 43 Millio- nen Euro weniger Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft geben . Zu den Maßnahmen gehören zum Beispiel der Einsatz einer maschinenlesbaren Verschlüsselung der Daten auf dem Sozialversicherungsausweis oder auch die Umsetzung einer automatisierten Übertragung der Anträge und Bescheinigungen über die Fortgeltung des Versicherungsschutzes im Ausland . Das hört sich alles sehr kleinteilig an – fast nach mehr Bürokratie als nach weniger . Aber es sind genau diese Feinjustierungen, die im Endeffekt weniger Aufwand be- deuten . Auch die weiteren gesetzlichen Änderungen, die mit dem vorliegenden Gesetz vorgenommen werden, sind keine Revolutionen . Sie bringen aber dort kleine Ver- änderungen, wo sie nötig sind . Stellvertretend sei die Regelung genannt, die es Krankenkassen und Unfallver- sicherungsträgern ermöglicht, einen begrenzten Teil des Deckungskapitals für Altersrückstellungen von Dienst- ordnungsangestellten in Aktien anzulegen . Mit den Regelungen fahren wir also erst einmal eine vergleichbar kleine Ernte vom Bürokratiebaum ein . Die Entbürokratisierung bleibt als Prozess aber am Laufen . Und das ist eminent wichtig für uns . Denn wir wollen, dass wir weiterhin einen starken und wettbewerbsfähigen Mittelstand haben, dass wir dadurch regelmäßige Re- kordmeldungen vom Arbeitsmarkt bekommen, ja, dass wir unseren Wohlstand in Deutschland erhalten . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 201618192 (A) (C) (B) (D) Die größere Ernte wird sicher das angekündigte zwei- te Bürokratieentlastungsgesetz einfahren . Und auch bei der Evaluation des Mindestlohngesetzes wird man die Notwendigkeit einiger Aufzeichnungs- und Nachweis- pflichten in Frage stellen können. Viel Spielraum also noch, um alles ein klein wenig einfacher zu machen . Gabriele Schmidt (Ühlingen) (CDU/CSU): Im Laufe des bisherigen Beratungsverfahrens wurden weite- re Anregungen aus den Ressorts an das Bundesarbeitsmi- nisterium herangetragen . Diese und die Stellungnahme des Bundesrates wurden aufgenommen, sodass wir heute auch über weitere Änderungen abstimmen werden . Zunächst einmal möchte ich aber, bevor ich die Er- gänzungen näher erläutere, den wesentlichen Inhalt des vorliegenden Gesetzentwurfes wieder ins Gedächtnis rufen . Wir geben der Praxis eine rechtliche Grundlage und sorgen mit dem Gesetz für Rechtssicherheit in den Meldeverfahren . Damit werden insbesondere die Arbeit- geber und die Wirtschaft finanziell, aber auch was den zeitlichen Aufwand betrifft, spürbar entlastet . Die neuen Regelungen bilden die Praxis ab und optimieren dadurch Meldeverfahren in der sozialen Sicherung . Die damit einhergehende Senkung von Bürokratiekosten und Ent- lastung der Arbeitgeber beläuft sich auf rund 43,5 Mil- lionen Euro . Aber nicht nur die Wirtschaft profitiert von den Er- leichterungen und der Vereinfachung von technischen und organisatorischen Abläufen, sondern auch der ein- zelne Bürger . Gutes darf auch wiederholt werden: Wir reduzieren den Aufwand der Bürgerinnen und Bürger unter anderem durch die Möglichkeit des elektronischen Abrufs von Bescheinigungen direkt vom Arbeitgeber durch die Träger der Unfallversicherung um rund eine Stunde im Einzelfall . So werden auch die Sozialversiche- rungsträger durch qualitätsverbessernde Maßnahmen um 3,4 Millionen Euro jährlich entlastet . Den Krankenkassen und Unfallversicherungsträgern wird künftig die Aktienanlage eines begrenzten Teils des Deckungskapitals (10 Prozent) für Altersrückstellungen von Dienstordnungsangestellten ermöglicht . Den Un- mut der Opposition in Bezug auf diese Änderung ver- mag ich nicht nachzuvollziehen . Denn die zusätzliche Anlageform bietet künftig auch den Krankenkassen die Möglichkeit, bei dem sehr langfristig zu bildenden De- ckungskapital für Altersrückstellungen höhere Erträge zu erzielen und das Anlageportfolio stärker zu diversifi- zieren . Das Risiko soll gerade durch die Begrenzung der Aktienanlage auf 10 Prozent überschaubar bleiben . Dem in § 80 Absatz 1 SGB IV geregelten Grundsatz der Anlagesicherheit wird dadurch Rechnung getragen, dass die Anlage in Aktien nur unter bestimmten Ein- schränkungen möglich ist und somit grundsätzlich beste- hende Verlustrisiken begrenzt werden . Fehlentscheidun- gen des Anlagemanagements können durch Vorgaben zur Ausgestaltung (passiv, indexorientiert) sowie zur Anlage in Euro-denominierten Aktien verringert und Währungs- risiken minimiert werden . Abschließend möchte ich auf die eingangs erwähnten Vorschläge, die Eingang in das vorliegende sogenannte Omnibusgesetz gefunden haben, zu sprechen kommen . Die Dienstunfallfürsorge für Beamtinnen und Beamten unter anderem des BMAS, BSG, BAG, die bisher von den jeweiligen Dienstherren eigenverantwortlich durch- geführt wurde, wird auf die Unfallversicherung Bund und Bahn übertragen . Das befristete Modellprojekt hat den Zweck, vorhandene und bewährte Verfahren zu nut- zen und dadurch für optimale fachliche Steuerung der Unfallfürsorgeleistungen für Beamtinnen und Beamte zu sorgen . Um die Bildung von Altersrückstellungen bei der So- zialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gar- tenbau zu vereinheitlichen, soll außerdem die Anlage- möglichkeit in Aktien auch in der landwirtschaftlichen Krankenversicherung und der Alterssicherung der Land- wirte eröffnet werden . Weitere Änderungen betreffen das Arbeitszeitgesetz und das Jugendarbeitsschutzgesetz . Beide dienen der Umsetzung der EU-Binnenschifffahrtsrichtlinie . Die Umsetzung der gemachten Vorschläge zur quali- tativen Verbesserung von Verfahren mündet in der Fort- schreibung der gesetzlichen Grundlagen . Im Vordergrund steht dabei die mittelständische Wirtschaft, die deutlich von Bürokratie entlastet wird . Gabriele Hiller-Ohm (SPD): Heute beraten wir ab- schließend einen eher technischen Gesetzentwurf zur Änderung des Vierten Sozialgesetzbuches und anderer Gesetze . Dieses Gesetz wird keine Schlagzeilen machen . Es ist aber ein gutes Beispiel dafür, wie wichtig gerade auch die weniger beachtete Parlamentsarbeit ist; denn wir verringern mit dem 6 . SGB IV-Änderungsgesetz vor allem Bürokratie und damit verbunden Zeit und Kosten, indem wir die elektronischen Meldeverfahren in der So- zialversicherung vereinfachen und verbessern . Davon profitieren sowohl die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber als auch die Verwaltung und natürlich die Bürgerinnen und Bürger . Die Bedeutung der Meldeverfahren verdeutlicht vor allem eine Zahl: Jährlich finden etwa 400 Millionen Mel- devorgänge zu den Sozialleistungsträgern und zurück statt vor allem Anmeldungen, Abmeldungen und monat- liche Beitragsmeldungen bei den Kranken- und Unfall- kassen, bei der Renten- und Arbeitslosenversicherung und bei der Pflegeversicherung. Deshalb ist es eine wich- tige Aufgabe der Bundesregierung sowie der Sozialversi- cherungs- und Sozialleistungsträger, die Funktionsfähig- keit dieses Systems regelmäßig zu verbessern und dem technischen Fortschritt anzupassen . Das digitale Zeitalter bietet hier wunderbare Möglichkeiten . Im Bruchteil von Sekunden können Mitteilungen und Nachrichten ganz ohne Papier rund um den Globus und natürlich auch in- nerhalb Deutschlands hin- und hergeschickt werden . Das spart Kosten, Zeit und Nerven und ist somit von Vorteil für alle Beteiligten . Weniger Bürokratie stärkt die Wett- bewerbsfähigkeit unserer Unternehmen . Eine verläss- liche und leistungsfähige öffentliche Verwaltung ist ein wichtiger Standortfaktor für Deutschland . Auch dadurch werden letztendlich Arbeitsplätze geschaffen und gesi- chert . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 2016 18193 (A) (C) (B) (D) Viele Änderungen gehen auf das Projekt „Optimiertes Meldeverfahren in der sozialen Sicherung“, kurz OMS genannt, des Bundesministeriums für Arbeit und Sozia- les zurück . Daran beteiligt waren alle, die Daten ermit- teln, prüfen und übertragen: von Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern sowie Fachleuten der Sozialversicherungs- träger über Datenschutz- und Datensicherheitsexpertin- nen und -experten bis zu Softwareentwicklerinnen und -entwicklern . Diese Fachleute haben zwei Jahre lang aus ihrer Praxiserfahrung heraus gemeinsam an Verbesse- rungsvorschlägen gefeilt . Diese enge Zusammenarbeit in diesem Bereich ist deshalb so wichtig, da es sich fast ausschließlich um sensible Daten handelt, die versandt, bearbeitet und gespeichert werden . Softwareentwickle- rinnen und -entwickler mögen für Verwaltungsvorgänge rasch eine effektive technische Lösung zur Hand haben . Diese muss aber zum Beispiel auch den Ansprüchen des Datenschutzes entsprechen . Deshalb ist es gut, wenn alle Beteiligten von Anfang an eng zusammenarbeiten, um praxistaugliche, kostensenkende und zeitsparende Lö- sungen auf den Tisch legen zu können . Das hat mit der Projektgruppe, wie man sieht, gut geklappt . Bereits im letzten Jahr haben wir einige ihrer Vor- schläge mit dem 5 . SGB IV-Änderungsgesetz erfolgreich umgesetzt . Diesen Weg gehen wir jetzt weiter, indem wir uns andere zwischenzeitlich ausgearbeitete Verbesse- rungsvorschläge der Fachleute vornehmen . Hier ein paar Beispiele aus dem Gesetzentwurf: Wir führen die maschinenlesbare Verschlüsselung der Daten auf dem Sozialversicherungsausweis ein . Arbeit- geberinnen und Arbeitgeber sowie Sozialversicherungs- träger können zukünftig automatisch mit den richtigen Sozialversicherungsnummern arbeiten und ersparen sich aufwendige Fehlerkorrekturen . Außerdem schaffen wir die Möglichkeit zur elek- tronischen Beantragung und schnellen elektronischen Zusendung der A1-Bescheinigungen . Diese Bescheini- gungen sind nötig, um den Versicherungsschutz für Ar- beitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu sichern, wenn sie vorübergehend für Arbeitseinsätze ins Ausland entsandt werden . Derzeit müssen dafür noch Antragsformulare aus Papier umständlich und zeitraubend hin- und her- geschickt werden – und die Bescheinigung selbst natür- lich auch . Auch die Übermittlung von Entgeltbescheini- gungsdaten vereinfachen wir . Zudem wird eine Informationsplattform im Internet eingerichtet . Dort können Unternehmerinnen und Unter- nehmer zukünftig schnell an die wichtigsten Informatio- nen zu allen sozialversicherungsrechtlichen Fragen her- ankommen, die die Melde- und Beitragsverfahren ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter betreffen . Das wird viele Nachfragen ersparen – sowohl für die Unternehmen als auch für die Sozialversicherungen . Außerdem greifen wir Anregungen aus der Praxis auf . So wird zum Beispiel der Anwendungsbereich der Entgeltbescheinigung auf die Besoldungsnachweise für Beamte, Richter und Soldaten ausgedehnt . Die Entlastungen durch das 6 . SGB IV-Änderungsge- setz für die Bürgerinnen und Bürger, für die Arbeitge- berinnen und Arbeitgeber und auch für die Sozialversi- cherungsträger sind enorm . So werden die Unternehmen etwa 43,5 Millionen Euro jährlich an Bürokratiekosten sparen . Bei der Verwaltung werden es jährlich etwa 3,4 Millionen Euro sein . Und bei den Bürgerinnen und Bürgern liegt der Zeitgewinn bei etwa 315 000 Stunden pro Jahr . Damit geben wir uns aber nicht zufrieden . Vielmehr suchen wir weiter nach Vereinfachungs- und Verbesse- rungsmöglichkeiten . Bereits durch unseren Änderungs- antrag, den wir mit dem vorliegenden Gesetzentwurf auf den parlamentarischen Weg geschickt haben, setzen wir weitere sinnvolle Maßnahmen um, vor allem Vorschläge des Bundesrates und aus der Praxis . Beispielsweise wird das Inkrafttreten der Änderungen am e-Antrag, also am automatisierten Verfahren zur Aufnahme von Leistungs- anträgen bei Versicherungsämtern und Gemeindebehör- den, wie vom Bundesrat gefordert, vorverlegt . Oder die Erfassung des Ausstellungsdatums beim zukünftigen ma- schinenlesbaren Sozialversicherungsausweis: Es hat sich bei dessen Erprobung herausgestellt, dass es sinnvoll ist, auch das Ausstellungsdatum zu erfassen, um die Nutzung mehrerer Ausweise durch eine Person auszuschließen . Außerdem werden wir auf Anregung des Bundesrech- nungshofes die erlassenen Bußgeldbescheide zu den Verletzungen der Melde- und Aufzeichnungspflichten in die Betriebsprüfungsdatei der Rentenversicherungsträger aufnehmen . Dies wird zukünftige Prüfungen vereinfa- chen . Mit dem 6 . SGB IV-Änderungsgesetz werden aber auch ein paar Dinge umgesetzt, die nichts mit den Melde- verfahren zu tun haben . Beispielsweise schaffen wir die Voraussetzungen zur Umsetzung der EU-Binnenschiff- fahrtsrichtlinie in nationales Recht . Durch die Richtlinie werden die Schutzstandards erhöht, unter anderem durch eine Aufzeichnungspflicht der Arbeits- und Ruhezeiten. Ebenso wird den Krankenkassen, Unfallversicherungs- trägern und der landwirtschaftlichen Sozialversicherung zukünftig die Anlage von 10 Prozent ihrer Altersrückla- gen in Aktien erlaubt . Dies wird teilweise als zu risiko- reich kritisiert . Auch ich war erst skeptisch . Allerdings steht die Anlagesicherheit klar im Vordergrund, da nur weniger risikobehaftete Aktien aus dem Euro-Raum er- laubt werden und sich die Anlagevorschriften am Ver- sorgungsfonds des Bundes orientieren . Daher ist es ver- tretbar, jetzt in Niedrigzinszeiten diese klar begrenzte Aktienanlagemöglichkeit zugunsten einer möglichen hö- heren Rendite und der Einsparung von Beitragsgeldern zum Nutzen aller zu schaffen . Der Abbau von Bürokratie und bessere Rechtsetzung sind erklärte Ziele dieser Bundesregierung . Viele reden nur davon . Wir setzen sie auch um! Durch den vorlie- genden Entwurf des 6 . SGB IV-Änderungsgesetzes ge- winnen alle: Bürgerinnen und Bürger, Betriebe und die Verwaltung . Deshalb freue ich mich auch auf weitere die- ser sperrigen und wenig spektakulären Gesetzentwürfe, die wir dann hier zum Nutzen aller beschließen können . Bürokratieabbau ist nämlich nie erledigt und stellt uns immer wieder vor neue Herausforderungen Matthias W. Birkwald (DIE LINKE): Mit dem 6 . SGB IV-Änderungsgesetz und weiteren Gesetzesände- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 201618194 (A) (C) (B) (D) rungen aus völlig wesensfremden Bereichen haben Sie uns heute hier wieder einen echten „Omnibus“ aufge- tischt . Nein, hier geht es nicht um ein Beförderungsmit- tel, sondern schlicht um die Tatsache, dass Sie zusätzlich mit dem im Ausschuss für Arbeit und Soziales einge- brachten Änderungsantrag weitere „Passagiere“ an Bord genommen haben . Dabei handelt es sich bei einigen um blinde Passagiere, die es bei einer separaten Gesetzge- bung niemals an Bord des eigentlichen Gesetzvorhabens, nämlich der Optimierung des Meldeverfahrens in der so- zialen Sicherung, geschafft hätten . Da in der ersten Beratung am 2 . Juni bereits das We- sentliche zu den Inhalten gesagt wurde, konzentriere ich mich deshalb auf die zentralen Punkte Ihres Ände- rungsantrages, die mit der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales heute noch in das Gesetz einfließen sollen. So wollen Sie die Dienstunfallfürsorge für Beamtin- nen und Beamte des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, also des BMAS, und dessen nachgelagerten Behörden auf die „Unfallversicherung Bund und Bahn“ übertragen, zunächst in einem Modellprojekt bis 2020 . Sie begründen dies mit den einheitlichen Grundsätzen und der ganzheitlichen Versorgung durch die Unfallkas- se, die das BMAS nutzen will . Daran ist zunächst nichts auszusetzen, solange das BMAS dann auch für die Kos- ten aufkommt, die der Unfallversicherung Bund und Bahn entstehen . Das haben Sie, verehrte Frau Staatsse- kretärin Lösekrug-Möller, in der gestrigen Ausschusssit- zung mündlich zugesagt . Ich gehe davon aus, dass es bei dieser Zusage auch für die Zukunft bleiben wird . Mit der geplanten Änderung des Arbeitszeitgeset- zes wollen Sie zudem bestehende bessere tarif- und ar- beitsrechtliche Regelungen für die Beschäftigten in der Binnenschifffahrt in Deutschland per Rechtsverordnung öffnen, und das, obwohl die EU-Sozialpartner unter Bil- ligung der Kommission bei der Binnenschifffahrtsrichtli- nie festgelegt hatten, dass trotz einheitlicher Regelungen in der EU bessere nationale Regelungen bestehen bleiben sollen . Zugleich wollen Sie aber wiederum den Tarifver- tragsparteien die Möglichkeit einräumen, per Tarifver- trag von der Rechtsverordnung abzuweichen . Uns ist nach wie vor nicht ganz klar, wozu die Regelung notwen- dig ist, wenn die Sozialpartner mit der auf der EU-Ebene gefundenen Regelung voll und ganz zufrieden sind . Bereits in der ersten Beratung hatte ich die geplanten Änderungen bei den Anlagemöglichkeiten für die Al- tersrückstellungen der gesetzlichen Kranken- und Un- fallkassen kritisiert . Sie sollen die Möglichkeit erhalten, bis zu 10 Prozent der Altersrückstellungen in Aktien an- legen zu dürfen . Mit dem Änderungsantrag werden nun auch die Altersrückstellungen der landwirtschaftlichen Sozialversicherung erfasst . Nach Angaben des Bundes- versicherungsamts addieren sich die Altersrückstellun- gen allein der Krankenkassen auf 4,7 Milliarden Euro, von denen künftig also bis zu 470 Millionen Euro in Ak- tien angelegt werden dürfen . Die SPD-Kollegin Hiller-Ohm sagte in der Aus- schussberatung, dass, ich zitiere aus der Beschlussfas- sung des Ausschusses, „bei der Anlagemöglichkeit von Altersrücklagen in Aktien ebenfalls sichernde Maßnah- men getroffen worden seien, indem hochspekulative Ak- tien ausgeschlossen würden und das Anlagekapital auf zehn Prozent begrenzt werde“ . Diese Passage finden Sie auf Seite 12 der Beschluss- empfehlung auf Drucksache 18/9088 . Der zuständige Referatsleiter im BMAS antwortete jedoch auf meine Frage, ob perspektivisch der Aktienanteil ausgeweitet werden solle, dass dies zumindest für den Versorgungs- fonds des Bundes, den es seit 2007 für Bundesbeamte und -beamtinnen gibt, geplant sei . Insofern scheint mir die Gefahr sehr groß zu sein, dass der erlaubte Aktienan- teil kurz nach der Einführung auch für die Altersrück- stellungen der gesetzlichen Kranken- und Unfallkassen verdoppelt werden wird . Dies steht zu befürchten, und diesen Wunsch hatte der GKV-Spitzenverband in seiner Stellungnahme zum Referentenentwurf ja bereits geäu- ßert . Im Übrigen: Der Bundesrat sieht das genauso wie wir Linken . Er moniert, dass es sich bei den Altersrückstel- lungen um Beitragsgelder, also um Geld aller GKV-Ver- sicherten, handelt . Dabei ist in § 80 SGB IV gesetzlich klipp und klar definiert, dass der Grundsatz der Anlagen- sicherheit Vorrang gegenüber der Erzielung eines ange- messenen Ertrages hat . Diesen Grundsatz wollen Sie nun aushebeln . Das halte ich für falsch . Ich bin mir sicher, dass die geplante weitere Ausweitung des Aktienportfo- lios auf großes Interesse des Bundesrates stoßen wird . Bei einigen Regelungen in diesem Gesetzvorhaben ist der Änderungsbedarf nicht zu erkennen . Insgesamt hält die Fraktion Die Linke die Inhalte des Gesetzpaketes je- doch trotz der problematischen Punkte überwiegend für akzeptabel . Deshalb werden wir uns insgesamt enthalten . Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN): Bereits seit 2011 führt das BMAS nun schon das OMS-Projekt, das optimierte Meldeverfahren in der sozialen Sicherung, durch . Technische und orga- nisatorische Abläufe sollen verbessert werden . Die Da- tenermittlung zwischen Arbeitgebern und öffentlichen Stellen hinsichtlich der automatisierten Meldungen im Bereich der sozialen Sicherung steht im Zentrum die- ses Gesetzentwurfs . Optimierungspotenziale sollten in dieser umfassenden Untersuchung der bestehenden Mel- deverfahren gefunden werden . Das kennen Sie ja von uns Grünen: Verbesserungen in Form von Maßnahmen, die die Entbürokratisierung voranbringen, begrüßen wir grundsätzlich . Hoffen wir, dass dieses Gesetz, so es dann in Kraft ge- treten sein wird, auch hält, was es verspricht und was die Damen und Herren der Koalitionsfraktionen schon in der ersten Lesung hier im Plenum anzupreisen sich nicht ge- scheut haben, Bürokratieabbau, den alle spüren: die Ar- beitgeber, aber auch die Arbeitnehmer . Der „Erfüllungs- aufwand“ reduziere sich demnach für die Bürgerinnen und Bürger um mindestens 315 000 Stunden . Bei mehr als 40 Millionen Beschäftigten und über 400 Millionen Meldevorgängen pro Jahr hoffen wir, dass die Bürgerin- nen und Bürger das auch wirklich spüren . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 2016 18195 (A) (C) (B) (D) Dann weiter: Das Verfahren solle besser, einfacher und günstiger werden . Solange Ihnen hierbei auch immer der Schutz sensibler Daten der Versicherten – Stichwort Datenschutz – ein wichtiges, ja ein ganz zentrales Anlie- gen bleibt, begrüßen wir auch das als positive Entwick- lung . Dass es mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wei- tere 43 Millionen Euro weniger Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft geben wird, ist ebenfalls zu hoffen . Nun habe ich Ihnen einige Hoffnungen mit auf den Weg gegeben, die Sie aus der Koalition ja auch mit dem vorliegenden und heute zu beschließenden Gesetzent- wurf verbinden . Das klingt viel, es sind aber nur tatsäch- lich relativ kleine Schritte, aber Schritte in die richtige Richtung . Aber leider gehen Sie an einer Stelle in die falsche Richtung und haben eine Forderung des Bundesrates nicht umgesetzt . Bereits in der ersten Lesung hatte ich an dieser Stelle angemerkt, dass die Möglichkeit der Krankenversicherung und der Unfallversicherung, ihre Rücklagen in Aktien anzulegen, zumindest gründlich zu hinterfragen sei und aus dem Gesetzentwurf gestrichen werden sollte . Das sieht die Bundesregierung anders, wie sie in ihrer Gegendarstellung zur Stellungnahme des Bundesrates darlegt . Im parlamentarischen Verfahren ist das durch einen Änderungsantrag der Koalitionsfraktio- nen sogar noch ausgeweitet worden . Das ist bedauerlich und überhaupt nicht nachvollziehbar . Wenn nicht nur die Oppositionsparteien, sondern auch der Bundesrat, der zu Recht auch wie ein Kontrollorgan unserer Gewaltenteilung agiert, hier berechtigte Skepsis anmeldet, so sollte auch die Bundesregierung gelegent- lich über Ihren Schatten springen und sich die geäußer- ten Sorgen anhören und in diesem Fall am besten sogar „erhören“ . Der Wunsch des Bundesrates war hier, die ge- planten Änderungen aufgrund der auseinandergehenden Meinungen im Rahmen eines separaten Gesetzentwurfs ausführlicher zu diskutieren . Der Unwillen scheint hier aber größer zu sein als das Bedürfnis, einen wirklich gu- ten Gesetzentwurf auf den Weg zu bringen . Wie schon bei der ersten Lesung hier im Plenum kann ich mich nur gut und gerne wiederholen, wenn ich sage: Dieser Gesetzentwurf ist kein großer Wurf, er dreht ein wenig an vorhandenen Stellschrauben, die vielleicht Verbesserungen im Sinne von Entbürokratisierungsten- denzen und Vereinfachungen mit sich bringen . Deswe- gen werden wir uns diesem Gesetzentwurf auch nicht versperren, sondern hier zustimmen . Nichtsdestotrotz, und auch das wiederhole ich gerne erneut an dieser Stel- le, lassen Sie uns endlich die großen Projekte innerhalb der sozialen Sicherung angehen: die Bürgerversicherung zum Beispiel oder auch eine Grundsicherungsreform, die hält, was sie verspricht, und sowohl angstfreie Existenz- sicherung als auch Teilhabe am gesellschaftlichen Leben möglich macht . Dafür mache ich mich, gemeinsam mit meiner Fraktion stark . Wenn Sie an einer konstruktiven Zusammenarbeit interessiert sind, dürfen Sie sehr gerne auf uns zukommen . Dann machen wir gemeinsam den großen Wurf . Anlage 23 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Errichtung eines Transplantationsregisters (Tagesordnungs- punkt 28) Dr. Georg Kippels (CDU/CSU): Als die ersten er- folgreichen Nierentransplantationen in den 50er-Jahren des vergangen Jahrhunderts stattgefunden haben, hätte wohl keiner der Ärzte gedacht, dass gerade die parallele Entwicklung der Computer und damit der Datenverarbei- tung einmal das Potential bieten würde, die medizinische Fachkunde erheblich zu optimieren, um nicht zu sagen: zu überlagern . Heute hängt der Erfolg einer Transplanta- tion zu einem wesentlichen Teil von der Verfügbarkeit, Vollständigkeit und Richtigkeit der entsprechenden rele- vanten Daten ab . Bislang kommt dem Verein der Eurotransplant hier die Schlüsselrolle zu . Eurotransplant umfasst acht Län- der mit 135 Millionen Menschen . Je besser die Datenlage ist, die Spender und Empfänger innerhalb dieser Gruppe abstimmt, umso besser sind die Erfolge der Transplan- tationen . Eine umfassende Datenbank ermöglicht zudem Studien, die zum langfristen Erfolg einer Transplantation beitragen werden . Mit dem Transplantationsregisterge- setz trägt Deutschland seinen Teil zur Verbesserung des bestehenden Systems bei . Voraussetzung für eine Organspende ist der Hirntod . Diese Diagnose ist in Deutschland aus ethischen Grün- den zwingende Voraussetzung für eine Organspende, um auch nur den geringsten Anschein zu vermeiden, dass die ärztliche Reanimation möglicherweise aus Gründen einer Organspende nicht optimal ausgeführt worden ist . Dies ist zum Beispiel im europäischen Ausland anders, wie etwa in der Niederlanden, die nach einem strengen Verfahren auch bei Herz-Kreislauf-Versagen eine Organ- spende zulassen . Dies erhöht die Zahl der zur Verfügung stehenden Organe deutlich . Eine solche Ausweitung ist aber nach einhelliger Meinung in Deutschland nicht denkbar . Betrachtet man die Situation in Deutschland, dann sterben von den 900 000 Todesfällen im Jahr etwa 400 000 Menschen im Krankenhaus . Von diesen werden 4 000 als hirntot diagnostiziert . 2012 wurden davon ein Viertel tatsächlich Organspender . Hier spielten die Un- versehrtheit der Organe und die Spendenbereitschaft die letzte entscheidende Rolle . Auf die Spendensituation haben aber auch andere Faktoren Einfluss. Der Hirntod ist eine häufige Folge von Verkehrsunfällen, insbesondere bei Motorradunfällen, die in den USA viel häufiger auftreten als in Deutschland. Der Straßenverkehr ist in Deutschland deutlich sicherer, und die Teilnehmer sind besser geschützt . Neben der sub- jektiven Spendebereitschaft begrenzt dies die Anzahl der zur Verfügung stehenden Organe zusätzlich . Diese Erkenntnisse belegen aber für die medizinische Forschung und den Gesetzgeber die Notwendigkeit, dass Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 201618196 (A) (C) (B) (D) wir die Organspende in mehrfacher Hinsicht optimieren müssen: Je schneller nach der Ersatzdiagnose der Patient, ins- besondere bei der Nierenspende, mit dem neuen Organ versorgt werden kann, desto besser sind seine langfristi- gen Überlebenserwartungen . Je höher der Grad der Übereinstimmungsparameter ist, desto geringer ist die Gefahr der Abstoßung des Or- gans . Und je geringer die Notwendigkeit einer Zweit- oder Drittversorgung ist, desto weniger Organe müssen zur Verfügung stehen . Gleichwohl ist aber die Möglichkeit der Bedarfsde- ckung durch Spenden nach Versterben endlich, zumal auch immer die Frage des Alters des Spenders eine Rolle spielt . Wir müssen uns daher maßgeblich auf die Datenopti- mierung konzentrieren, um den vorstehenden drei Anfor- derungen besser gerecht zu werden . Damit kann der Bedarf an Spenderorganen aber nicht nur durch die Organspende nach Hirntod erfolgen, son- dern auch die Lebendspende muss in den Fokus rücken . Eine umfassende Datenbank unterstützt auch diese Form der Organspende . Der Wissensgewinn kommt ei- ner optimalen Abstimmung sowie Vor- und Nachsorge der Organspendeempfänger zugute . Je qualitativ und quantitativ länger ein Empfänger mit seinem Spenderor- gan lebt, umso erfolgreicher ist unser System der Organ- transplantation . Mit unserem Transplantationsregister- gesetz setzten wir an einer bisher vernachlässigten, aber essentiell wichtigen Stellschraube an – dem Erkenntnis- gewinn durch umfassende Daten . Stehen der Forschung Langzeitdaten über den Verlauf von Organspenden zu Verfügung, kann entscheidendes medizinisches Wissen gewonnen werden, das zur Verbesserung der Lebensdau- er von Organspenden beiträgt . So sehr wir natürlich ein nachvollziehbares Interesse daran haben, durch die besondere Behandlungsmetho- de Leben zu retten, darf aber nicht vergessen werden, dass im Prozess der Datenerhebung und der Datenver- arbeitung auch das Recht auf informationelle Selbstbe- stimmung tangiert ist . Schon bei der Frage der Organ- spendebereitschaft ergibt sich die Kollision zwischen einer ausdrücklichen Einwilligung und einer vermuteten Einwilligung mit dem Recht zum Widerspruch, wie dies in Österreich praktiziert wird . Aber auch nach erfolgter Spende und Transplantation stellt sich eine Grundrechts- kollision zwischen dem Datengebrauch und dem Lebens- schutz sowohl beim Lebendspender als auch Organemp- fänger . All diese muss nun im Gesetz beachtet und vor allem der wissentliche Mehrwert im Interesse der Patienten zeitnah evaluiert werden . Die Entscheidung zur begrenz- ten Aufnahme der Altdaten ab dem Jahre 2006 war eine sinnvolle und wirkungsvolle Maßnahme, um den wis- sentlichen Gewinn in Ansehung der relativ überschauba- ren Fälle größtmöglich zu gestalten . Das Transplantationsregister schafft hierfür eine ver- lässliche Datengrundlage . Die erhobenen Daten von der Organentnahme bis hin zur Nachbetreuung des Trans- plantierten werden darin gebündelt . Mit dem Organspen- deregister werden zudem die Wartelistenkriterien sowie die Verteilung der Spenderorgane weiterentwickelt . Das Gesetz wird deshalb ein weiterer Schritt in eine hochwertige Versorgung sein . Dr. Katja Leikert (CDU/CSU): Der heutige Tag ist ein guter Tag für die Transplantationsmedizin und die Organspende in Deutschland . Seit langem schon wird darauf hingewiesen, dass es in Deutschland keine ein- heitliche, integrierte Datenerhebung des gesamten Trans- plantationsverlaufs gibt . Bislang war es hierzulande Pra- xis, dass anfallende Daten in mehreren Institutionen und nach unterschiedlichen Vorgaben erhoben wurden, ohne miteinander verknüpft zu sein . Durch diese fehlenden Verknüpfungen war die Möglichkeit versperrt, systema- tische Erkenntnisse über wichtige Fragen des Transplan- tationswesens zu erhalten . Diesen Zustand beenden wir mit der Einführung eines bundesweiten Transplantations- registers . Mit dem heutigen Beschluss geht ein durchaus auf- wändiges Gesetzgebungsverfahren zu Ende . Aus meiner Sicht war es ein Musterbeispiel dafür, wie das BMG, der Bundestag, vor allem aber auch die vielen im Transplan- tationswesen Tätigen an einem Strang gezogen haben, um zu einem für alle Beteiligten guten Ergebnis zu kom- men . Es ist ja nicht immer so, dass sich Politik und Fach- welt derart einig über ein Vorgehen sind, das ja durch- aus einen sensiblen Bereich berührt . Es ist mir daher ein Anliegen, neben der Parlamentarischen Staatssekretärin Annette Widmann-Mauz und ihrem Team im BMG gera- de auch den vielen Beteiligten der Selbstverwaltung, vie- ler Verbände sowie der Wissenschaft ein herzliches Wort des Dankes auszusprechen . Neben der handwerklichen Arbeit beim Stricken des Gesetzes ist viel Leidenschaft für die Sache deutlich geworden . Beispielhaft möch- te ich hier Herrn Dr . Leber vom GKV-Spitzenverband, aber auch die Vertreter der Bundesärztekammer wie Herrn Professor Otto und Herrn Dr . Middel sowie Herrn Dr . Rahmel von der DSO nennen, die mit viel Herzblut und fachlicher Expertise für die Anliegen der Transplan- tationsmedizin und die Organspende eingetreten sind und sich um das Thema verdient gemacht haben . Mit dem Transplantationsregister schaffen wir eine verlässliche Datengrundlage, die alle bundesweit erho- benen Daten von der Organentnahme bis hin zur Nach- betreuung nach einer Transplantation bündelt . Dadurch verbessern wir nicht nur die Datengrundlage für die transplantationsmedizinische Versorgung, sondern wir erhöhen gleichzeitig die Transparenz im gesamten Sys- tem . Auch die Patientensicherheit in Deutschland wird dadurch erhöht . Vor allen Dingen können die Kriterien zur Organspende weiterentwickelt werden . Denn das Re- gister wird fundierte Informationen darüber liefern, zu welchem Organempfänger ein Spenderorgan am ehesten passt . Es wird auch für die Gewinnung wissenschaftli- cher Erkenntnisse nicht mehr notwendig sein, auf Daten aus dem Ausland zurückzugreifen, in denen unsere lan- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 2016 18197 (A) (C) (B) (D) desspezifischen Gegebenheiten nur unzureichend abge- bildet werden können . Darauf sind wir aus der Wissen- schaft sowie aus der Transplantationsmedizin mehrfach hingewiesen worden . Ich freue mich, dass sich diese Pro- blematik in Zukunft so nicht mehr stellen wird . Auch für die Gewinnung von Erkenntnissen über die Qualität der Transplantationszentren wird es zukünftig stärke Hin- weise geben . So werden die Zentren in die Lage versetzt, ihre Qualität noch weiter zu verbessern . Es war ein wichtiges Anliegen vieler Aktiver, zu besse- ren Erkenntnissen zu gelangen im Bereich der Nierener- satztherapie . Um die Qualität der Behandlung beurteilen zu können, ist der Behandlungsverlauf in einer Gesamt- bewertung zu berücksichtigten . Dies war bislang nicht möglich, da die Sicherung der Qualität bei der Dialyse und der Transplantation getrennt voneinander ablaufen . Mit dem Beschluss des GBA, ein sektorenübergreifendes Qualitätssicherungsverfahren zur Nierenersatztherapie bei chronischem Nierenversagen auf den Weg zu brin- gen, und dem gleichzeitigen Beschluss im Transplanta- tionsregistergesetz, eine verpflichtende Lieferung der Daten aus der Qualitätssicherung an das Transplantati- onsregister zu verankern, wird die Sache rund . Es wird die benötigte Vernetzung entstehen, was aus fachlicher Sicht sehr zu begrüßen ist . Ich hoffe, dass die dazu noch notwendigen Arbeiten schnell abgeschlossen werden können . Ich möchte die Gelegenheit noch einmal an die- ser Stelle nutzen und um eine zügige Durchführung aller noch nötigen Arbeiten bitten, da die Daten zur Nierener- satztherapie dringend gebraucht werden . Ich denke, was die organisatorische Ausgestaltung des Registers betrifft, hat vor und während des gesamten Gesetzgebungsverfahrens überwiegend Einmütigkeit ge- herrscht . Weitaus schwieriger waren da schon die Fragen des Datenschutzes . Das Gesetz räumt dem Datenschutz und insbesondere dem Recht auf informationelle Selbst- bestimmung einen sehr hohen Stellenwert ein . Ich gebe zu, dass ich ähnlich wie Bundesrat und viele Sachver- ständige im Rahmen der Anhörung lieber auf das Einwil- ligungserfordernis verzichtet hätte . Aus fachlicher Sicht ist, so denke ich, sehr deutlich geworden, dass eine Da- tenvollständigkeit von großer Bedeutung für die Qualität und Aussagekraft des Registers insgesamt ist . Diese Voll- ständigkeit zu erreichen, muss trotz der jetzt vereinbarten Einwilligungslösung das Ziel bleiben . Die vorgetragenen verfassungsrechtlichen Bedenken, insbesondere was die Frage der Bestimmtheit bei einem derzeit nicht und vor allen Dingen nicht durch den Ge- setzgeber festgelegten Datensatz betrifft, sind jedoch nachvollziehbar . Nachvollziehbar ist gleichsam das An- liegen der Bundesregierung, der informationellen Selbst- bestimmung als hohem verfassungsrechtlichem Schutz- gut einen besonderen Status zuzumessen . Ich sage aber auch: Im Sinne der vielen Menschen, die auf ein funk- tionierendes System der Organspende angewiesen sind, brauchen wir ein Transplantationsregister, das valide Daten sicherstellt . Vom Grundsatz der Datenvollständig- keit darf nicht abgegangen werden . Insofern haben es die Koalitionsfraktionen für einen gangbaren Kompromiss gehalten, zunächst einmal auf das Prinzip der Freiwillig- keit zu setzen, in der Hoffnung, dass die Betroffenen aus Einsicht in eine Bereitstellung von Daten einwilligen, die im weiteren selbstverständlich anonymisiert werden . Wir vertrauen auf die Experten, die davon ausgehen, dass nach einem verpflichtenden Beratungsgespräch mit keiner umfassenden Ablehnung zu rechnen ist . Wir ha- ben diesbezüglich vereinbart, dass im Gesetz eine Be- richtspflicht mit kurzer Frist verankert wird, in deren Rahmen die Vollständigkeit der Daten in den Blick ge- nommen wird . Sollte es hier nicht zu der erhofften Be- teiligung kommen, muss dieses Thema erneut auf die Tagesordnung gesetzt werden . Mit der Einwilligung in dieses Vorgehen verbinde ich die klare Erwartung im Sinne der Sache, dass das Thema erneut aufgerufen wird, sollten die Erwartungen in puncto Datenvollständigkeit nicht eintreffen . Ich habe mir den Stichtag für den Be- richt bereits im Kalender vorgemerkt . Ich freue mich, dass es im Zuge der parlamentarischen Beratungen gelungen ist, die verbindliche Lieferung der sogenannten Altdaten an die Transplantationsregister- stelle in das Gesetz aufzunehmen . Der Transplantations- registerstelle wird die Aufgabe übertragen, diese Daten zu speichern und den im Gesetz benannten Stellen zur Verfügung zu stellen . Dadurch können wir sicherstellen, dass bereits in der Aufbauphase des Registers Arbeits- hypothesen erstellt werden können . Mir war es wich- tig, dass gerade die Kliniker so schnell wie möglich mit dem Register arbeiten können . Dies wurde ja auch in der Fachwelt so gesehen . Wichtig ist auch noch einmal die Klarstellung im Gesetz, dass die Erfassung von Daten mit der Aufnahme in die Warteliste beginnt . Mit dem Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens ist der Startschuss für die Einrichtung des Registers gege- ben . Ich hoffe nun auf eine zügige Durchführung der notwendigen Aufbauarbeiten der Selbstverwaltungs- partner, insbesondere auch beim Erstellen des einheitli- chen Datensatzes . Insbesondere hoffe ich, dass sich die Einschätzungen verschiedener Akteure bezüglich der Datenvollständigkeit bewahrheiten werden . Denn unser gemeinsames Ziel muss es sein, dass dem heutigen Tag noch viele weitere gute Tage für die Transplantationsme- dizin folgen werden . Sabine Dittmar (SPD): Nach jahrelangen Diskussi- onen über die Notwendigkeit eines Transplantationsre- gisters bringen wir ein solches zentrales Register heute endlich auf den Weg . Dabei freut es mich besonders, dass es uns gelungen ist, auch die vorhandenen Altdaten in das Register zu überführen und somit weiterhin nutzbar zu machen . Neue Daten werden künftig einheitlich und zentral gespeichert . Alle Daten, die ab 2006 gewonnen wurden, werden davon getrennt gespeichert, stehen aber zur Aus- wertung zur Verfügung . Und Daten, die noch weiter in der Vergangenheit gewonnen wurden, werden an die Ver- trauensstelle übermittelt . Es ist auch ein Erfolg, dass die Datensätze nunmehr auf Vollständigkeit hin überprüft werden und dass die Daten von all denjenigen Patientinnen und Patienten er- fasst werden, die auf der Warteliste stehen und auf ein passendes Spenderorgan hoffen . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 201618198 (A) (C) (B) (D) Aus diesem neuen, zentralen und umfassenden Daten- schatz erhoffe ich mir wertvolle Informationen für die weitere Transplantationsmedizin . Wie ich schon anlässlich der 1 . Lesung betont habe, so ist es für die Patientensicherheit und für die Prozess- struktur unerlässlich, dass im Transplantationsregister einheitliche Daten erfasst und auswertet werden . Nur so lassen sich die Ergebnisse in den einzelnen Transplanta- tionszentren objektiv vergleichen und daraus wertvolle Informationen ableiten über Qualität, Erfolgsaussichten und Risiken von Transplantationen . Ich persönlich verbinde mit dem zentralen Transplan- tationsregister die Hoffnung, dass wir endlich valide und evidenzbasierte Informationen über die Allokationskrite- rien erhalten, die für eine Aufnahme auf die Wartelisten entscheidend sind . Bislang ist die Dringlichkeit der ent- scheidende Faktor für die Warteliste . Anhand der neuen Daten wird zu diskutieren sein, wie die Kriterien bedarfs- und erfolgsorientiert weiterentwickelt werden können . Das vorliegende Gesetz zum Transplantationsregister ist aus medizinisch-wissenschaftlicher Sicht ein wichti- ger Schritt . Doch noch viel wichtiger als dieses Register ist es, dass sich ein jeder ganz persönlich mit der Frage auseinandersetzt, ob er im Ernstfall für eine Organspende zur Verfügung steht . Geben Sie sich einen Ruck und beschäftigen Sie sich in einer ruhigen Minute mit dieser wichtigen Frage . Ganz egal, ob man zu der Erkenntnis kommt, sich dafür oder dagegen zu entscheiden: Sie nehmen Ihren Angehörigen eine schwere Entscheidung ab, wenn Sie sich selbst – im Idealfall natürlich für eine Organspende – entscheiden und Ihren Willen zu Papier bringen . Organspende schenkt Leben! Denken Sie daran, dass Sie selbst jederzeit auch in die Situation kommen kön- nen, eine lebensrettende Spende zu benötigen, und es lei- der oftmals viel zu lange dauert, bis ein passendes Spen- derorgan gefunden werden kann . Ich appelliere daher an jeden Einzelnen, einen Organspendeausweis auszufüllen und ihn bei sich zu tragen . Hilde Mattheis (SPD): Mit dem vorliegenden Gesetz zur Errichtung eines Transplantationsregisters gehen wir einen wichtigen Schritt zur Stärkung der Organspende in Deutschland . Rund 10 000 Menschen warten derzeit auf ein Spendeorgan . Gleichzeitig wurden 2015 nur rund 3 000 Organe transplantiert – ein neuer Tiefstand, da die Zahl in den vergangenen Jahren immer weiter gesunken ist . Diese Zahlen machen uns klar, dass wir in Deutsch- land ein Problem mit der Akzeptanz unseres bisherigen Transplantationssystems haben . Nach dem sogenannten Transplantationsskandal im Jahr 2012 bestand und be- steht Einigkeit darüber, dass alles getan werden muss, um das Vertrauen in die Organspende wiederherzustellen . Dieses Gesetz ist dafür ein Baustein . Wir vollziehen da- mit einen Schritt, der in vielen Ländern Europas Standard ist, da es dort ein Transplantationsregister bereits gibt . Ziel des Gesetzes ist es, ein zentrales Register zu schaffen, indem wir die Daten von Organspendern und Lebendspendern sowie Organempfängern bzw . Daten über die Organe selbst speichern . Diese Erfassung läuft derzeit dezentral nach unterschiedlichen Kriterien und Standards . Von einer Zentralisierung versprechen wir uns vor allem mehr Wissen . Wir wissen zu wenig, wie die Transplantationszentren arbeiten, ob die bestehenden Regeln zur Organspende ausreichen und ob sie den Pro- zess erschweren oder erleichtern . Um diese Wissenslü- cke zu beheben, braucht es dieses zentrale Register . Wir erreichen damit eine sehr viel größere Transparenz und Klarheit darüber, was, wie, wo in Deutschland transplan- tiert wird . Transparenz ist genau eine der wesentlichen Forderungen, die zu Recht nach dem Missbrauch in der Organspende aufgestellt wurden . Es ist daher erfreulich, dass fast alle beteiligten Verbände die Gesetzesinitiative der Koalition begrüßen . Das bisherige Transplantationsverfahren ist unserer Meinung nach fehleranfällig; denn natürlich kann es bei dem oftmals sehr zeitintensiven Prozess einer Organ- spende zu menschlichen Fehlern kommen . Das geplante Transplantationsregister soll nun alle transplantations- medzinischen Daten bundesweit zusammenführen . Dazu wird ein bundesweit einheitlicher Datensatz vereinbart, der in Zukunft dann an allen Krankenhäusern und für alle Beteiligten am Spendeverfahren, seien es die Kranken- häuser, Transplantationszentren, die Verbände der Kran- kenkassen oder die Deutsche Stiftung Organspende, so angewandt wird . Wir erwarten uns davon eine deutlich geringere Fehlerquote und eine verbesserte Dokumen- tation der Organspende in Deutschland . Zudem werden den betroffenen Stellen bessere und schneller verfügba- re Informationen über Wartelisten vorliegen, so dass die Hoffnung besteht, den Betroffenen schneller und unkom- plizierter helfen zu können . Selbstverständlich gibt es bei diesem Transfer von Daten auch den Datenschutz zu beachten . Im Beratungs- verlauf wurde noch einmal klargestellt, dass bei Spen- dern ein sogenannter postmortaler Würdeschutz gegeben ist und daher Daten nicht ohne jegliche Hürde weiter- gegeben dürfen . Gleichzeitig gab es Bedenken über möglicherweise unvollständige Datensätze bzw . Da- tenerfassung, wenn nicht automatisch alle notwendigen Daten gespeichert würden . Bei kleinen Fallzahlen – und 3 000 gespendete Organe sind im statistischen Bereich keine hohen Werte – können schon wenige Abweichun- gen bzw . Datenmängel zu Verfälschungen in der Statistik führen . Wir haben uns darauf geeinigt, dass die potenziellen Spender freiwillig angeben können, ihre Daten für das Register bereitzustellen . Damit sollen rechtliche Vorga- ben zum Datenschutz und zur informationellen Selbst- bestimmung gewahrt bleiben . Es wurde in der Anhörung deutlich, dass es keinen ersichtlichen Grund gibt, dass potenzielle Spender einer Übermittlung von transplanta- tionsmedizinischen Daten widersprechen, da diese nicht einem kommerziellen Zweck oder Ähnlichem dienen, sondern, wie gesagt, zum Beispiel einem Patienten auf einer Warteliste schneller mitgeteilt werden kann, dass ein Organ bereitsteht . Ich kann mir nicht vorstellen, dass Menschen, die selbst spenden, der Datenaufnahme und -übertragung widersprechen, wenn nachvollziehbare Gründe angegeben werden . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 2016 18199 (A) (C) (B) (D) Eine weitere offene Frage war die Übermittlung soge- nannter Altdaten, also schon erfasster Daten seit 2006 bis heute, über die Spender, Empfänger, Organe usw . Hier stellte sich das Problem, dass diese Datensätze nach sehr unterschiedlichen Kriterien erhoben wurden, zum Teil unvollständig oder fehlerhaft sind und damit eine bloße Übertragung das neu aufzubauende Register verfälschen würde . Gleichzeitig ist für eine Vervollständigung des Registers aber auch der Satz an Altdaten wichtig und not- wendig . Mit diesen Daten ist nämlich zum Beispiel er- kennbar, wie viele Personen noch auf Wartelisten für ein Organ sind . Und wir sind uns auch darüber einig, dass die Frage einer Transplantation nicht erst mit dem zur Verfü- gung stehenden Organ beginnt, sondern mit dem Eintrag in eine Warteliste . Es ist wichtig, dass die Patienten, die auf solchen Listen stehen, mit in dem Register erfasst werden; denn dies zeigt natürlich in sehr eindrücklicher Weise auf, wie hoch der Bedarf an Organen in Deutsch- land ist und wie niedrig im Vergleich dazu die Zahl der möglichen Spender . Wir haben deshalb im Gesetzgebungsverfahren nach- gebessert und bestimmt, dass diese Altdaten an die Trans- plantationsregisterstelle überwiesen und dort gespeichert werden . Durch die Einbeziehung der zu schaffenden Ver- trauensstelle haben wir auch hier ein hohes Datenschutz- niveau sichergestellt . Auch bei diesen Altdaten wird es nicht möglich sein, den Personenbezug zum damaligen Spender bzw . Empfänger wiederherzustellen, so dass Persönlichkeitsrechte gewahrt bleiben . Eine Vermischung von Alt- und Neudaten, also jenen Daten, die ab Inkrafttreten des Gesetzes erhoben werden, wird es nicht geben . Wir haben festgelegt, dass die Altda- ten als ein unveränderlicher Datenbestand abgespeichert werden . Somit stehen sie einerseits zur Verfügung, an- dererseits haben wir technisch eine Trennung zwischen den verschiedenen Datensätzen . Das ist die sauberste Lösung . Die SPD hat sich dafür eingesetzt, dass wir den Auf- bau und die Funktionsweise des Registers evaluieren . So können wir prüfen, ob die jetzt gefundenen Lösungen zur Datenschutzeinwilligung und zu Altdaten auch tragen . Das ist sehr wichtig, um sicherzustellen, dass in Zukunft das geplante Transplantationsregister so funktioniert, wie wir uns das vorstellen und die Transplantationsverbände es erwarten . Ich möchte mich bei allen Kolleginnen und Kollegen für die konstruktive und zielorientierte Arbeit an diesem Gesetz bedanken . Ich bin sicher: Es ist ein gutes Gesetz und wird helfen, Transplantationen hierzulande einfa- cher, besser und transparenter zu machen . Wir sind es den vielen potenziellen Spenderinnen und Spendern, die auf ihrem Spenderausweis ein „Ja“ angekreuzt haben, schuldig, dass im Notfall mit ihrem Körper so umgegan- gen wird, wie sie sich das vorstellen, und den Menschen geholfen wird, die dringend ein Organ benötigen . Ich bin der Überzeugung, dass dieses Gesetz dazu beitragen wird, wieder Vertrauen in die Organspende zu stiften . Daran sollten wir alle mitarbeiten . Kathrin Vogler (DIE LINKE): Mit dem Vorhaben eines öffentlichen Registers, das sämtliche Daten rund um Organspende und Transplantation erfasst, greift die Bundesregierung endlich eine Forderung der Linken auf . Wir erinnern uns: 2012 erschütterte ein Transplanta- tionsskandal die Republik . Mediziner in verschiedenen Kliniken hatten Patientendaten manipuliert, um die eige- nen Patienten in der Warteliste für ein Spenderorgan wei- ter vorne zu platzieren . Bereits am 31 . Januar 2013 hat meine Fraktion in einem Antrag auf Bundestagsdrucksa- che 17/12225 ein umfassendes Register für Transplanta- tionen gefordert, um so die medizinische Versorgung zu verbessern, Transparenz und Vertrauen zu erhöhen sowie Fehlverhalten zu bekämpfen . Im Sommer vor drei Jah- ren haben wir dann in einem gemeinsamen Antrag aller Fraktionen nochmals eine einheitliche und umfassende Datenerhebung im gesamten Prozess der Transplantati- onsmedizin gefordert . Vor diesem Hintergrund will ich erläutern, warum der Gesetzentwurf der Bundesregierung für Die Linke den- noch nicht zustimmungsfähig ist . Erstens sind wir der Auffassung, dass ein solches Re- gister zwingend in die öffentliche Hand gehört . Genau dieselben Organisationen mit der Errichtung zu beauftra- gen, die sich bisher als unfähig oder unwillig erwiesen haben, wirkliche Transparenz in der Transplantationsme- dizin herzustellen – also Bundesärztekammer, die Kran- kenhausgesellschaften und die Krankenkassen –, das ist nicht geeignet, das Vertrauen der Bevölkerung in die Or- ganspende wiederherzustellen . Zweitens sollen wieder einmal ausschließlich die ge- setzlich Versicherten dieses Register finanzieren. Zu Be- ginn dieser Wahlperiode hat die Regierungskoalition aus Union und SPD die Finanzierung der gesetzlichen Kran- kenkassen zulasten der Beschäftigten und zugunsten der Unternehmen verändert . Alle künftigen Kostensteigerun- gen zahlen nun die Versicherten allein . Das führt bei der Bundesregierung nun schon wieder zu einer unglaubli- chen Großzügigkeit auf Kosten der Beitragszahler . Wie- der einmal verlagern Sie eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die eigentlich aus dem Bundeshaushalt zu fi- nanzieren wäre, auf die Krankenkassen . Und die Privat- versicherungen dürfen, müssen aber nicht mitfinanzie- ren . Das nenne ich Klientelpolitik der allerfeinsten Sorte . Drittens gibt es Zweifel, ob Ihnen die Balance zwi- schen Datenschutz und Datenvollständigkeit mit diesem Gesetz gelungen ist . In der Anhörung haben verschiede- ne Sachverständige darauf hingewiesen, dass der Nut- zen eines solchen Registers sehr von der Vollständigkeit der erhobenen Daten abhängt . Dass die Patientinnen und Patienten in die Speicherung ihrer Daten ausdrück- lich einwilligen müssen, kann in diesem speziellen Fall dazu führen, dass die Daten nicht repräsentativ genug sind . Auch könnten einzelne Transplanteure oder Zen- tren mögliches Fehlverhalten dadurch verschleiern, dass diese Einwilligung einfach nicht eingeholt wird und die Daten nicht übermittelt werden . Wäre Ihnen der Schutz der sensiblen Patientendaten wirklich so wichtig, dann müssten Sie vor allem die Bundesdatenschutzbehörde für die zusätzlichen Aufgaben mit zusätzlichen Planstellen Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 201618200 (A) (C) (B) (D) ausstatten, aber das unterlassen Sie . Datenschutz ohne Datenschützer ist nur ein Potemkin’sches Dorf, eine schöne Fassade mit nichts dahinter . Trotz dieser Kritikpunkte hätten wir diesem Gesetz eventuell zustimmen können, hätten Sie es nicht noch missbraucht, um mit einem Änderungsantrag schnell noch eine üble Verschlimmbesserung des Pflegestär- kungsgesetzes II durchzuschleusen . Demnächst sollen die Pflegekassen zur Hälfte auch die medizinische Be- handlungspflege von Intensivpflegepatienten in der häus- lichen Pflege übernehmen. Die Linke fordert, gemeinsam mit Verbänden, Ge- werkschaften und Interessenvertretungen der Betrof- fenen, dass medizinische Behandlungskosten für alle Patientinnen und Patienten in voller Höhe von den Kran- kenkassen getragen werden müssen – unabhängig davon, ob der Patient auch noch Pflegebedarf hat, unabhängig davon, ob er oder sie zu Hause lebt, im Heim wohnt oder im Krankenhaus liegt. Weil ja die Pflegeversicherung im- mer nur einen Teil der Kosten trägt, drohen mit dieser Regelung gerade für die schwer Kranken, die zum Bei- spiel 24 Stunden am Tag beatmet werden müssen, hohe Eigenanteile . Oder die Kosten werden auf die Sozialhil- feträger, also auf die Kommunen, verlagert . Das machen wir nicht mit! Weil wir diese spezielle Regelung vehement ablehnen, können wir auch dem Gesetz zur Errichtung eines Trans- plantationsregisters nicht zustimmen . Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Errichtung eines Transplantationsregisters, über die der Deutsche Bundestag heute entscheiden wird, ist eine Konsequenz aus den Skandalen, die die Transplantati- onsmedizin in den letzten Jahren hierzulande erschüttert haben . Es war der Wunsch aller damals im Bundestag vertretenen Fraktionen, ein solches Register zu schaffen . Umso bedauerlicher ist es, dass die gemeinsame Arbeit in dieser Legislaturperiode keine Fortsetzung erfahren hat . Es ist schon erstaunlich, wie die Bundes- regierung bei der Diskussion ihres Gesetzentwurfes non- chalant über fast alle geäußerten Bedenken hinweggeht . Änderungsvorschläge wurden kaum übernommen . Das ist schade, denn einige der von der Bundesregierung vorgesehenen Regelungen können die Akzeptanz und Aussagekraft des Registers erheblich gefährden . Meine Fraktion hätte dem Gesetzentwurf gern zugestimmt, aber aufgrund der Bedenken, die ich Ihnen im Folgenden er- örtern werde, werden wir uns enthalten . Erstens: Nahezu sämtlich Verbände und Akteure im Transplantationsgeschehen haben darauf hingewiesen, dass es sinnvoll sein kann, die Einwilligung in die Trans- plantation selbst mit der Einwilligung in die Datenüber- tragung an das Register zu verknüpfen . Nur so kann angesichts der geringen Fallzahlen in der Transplantati- onsmedizin ein aussagekräftiger Datenbestand erreicht werden . Und nur so kann vermieden werden, dass sich Einrichtungen, die schlechte Qualität abliefern oder Da- ten manipulieren, zukünftig einer Kontrolle entziehen . Aufgegriffen haben Sie diese Bedenken nicht . Ebenso wenig haben Sie die sinnvolle Forderung nach einem Dialyseregister aufgegriffen, um auch in diesem Bereich für mehr Transparenz zu sorgen . Wir wissen also gar nicht, wie aussagekräftig und repräsentativ das Register, das wir heute beschließen, mal sein wird . Zweitens: Wir legen in diesem Land zu Recht sehr viel Wert auf eine unabhängige Forschung, auch im Be- reich der medizinischen Wissenschaft . Im vorliegenden Gesetzentwurf räumen Sie nun den Spitzenverbänden im Gesundheitswesen die Befugnis ein, über die Herausgabe bestimmter Daten zu Forschungszwecken entscheiden zu dürfen . Damit entscheiden diese Akteure faktisch über die Durchführung bestimmter Forschungsvorhaben . Sie können bis heute nicht begründen, warum diese Akteure und nicht eine neutrale Instanz oder das Register selbst über die Herausgabe entscheiden sollen . Sie schaffen damit einen Präzedenzfall, der sich negativ auf die For- schungsfreiheit auswirken kann . Und sie tun auch den Verbänden keinen Gefallen damit, wenn diese zukünftig in den Verdacht geraten, Forschungsvorhaben zu unter- drücken, weil sie ihren fachpolitischen Interessen mögli- cherweise widersprechen . Drittens: Auf unsere Nachfrage hin erklärte die Bun- desbeauftragte für den Datenschutz und die Informa- tionsfreiheit in einem Schreiben an den Gesundheits- ausschuss, dass der Gesetzentwurf den postmortalen Persönlichkeitsschutz von verstorbenen Organspendern und -empfängern nicht ausreichend berücksichtigt . So müsse beispielsweise der Gesetzgeber den zu übermit- telnden Datensatz für postmortale Spender – zumindest in seinen wesentlichen Zügen – selbst festlegen . Damit verbunden ist ein weiteres Problem Ihres Gesetzent- wurfs: Wie bei anderen Vorhaben auch überlassen Sie mal wieder der Selbstverwaltung die wesentliche Ausge- staltung der Regelungen – ohne sich darum zu kümmern, ob dies rechtlich zulässig ist oder die betroffenen Verbän- de auch über ausreichende personelle und zeitliche Res- sourcen dafür verfügen . Sie entziehen sich damit wieder mal Ihrem Gestaltungsauftrag . Auffällig in diesem Zusammenhang ist auch, dass das Transplantationsregister ausweislich des Gesetzes aus Mitteln der GKV finanziert werden soll. Bei den klini- schen Krebsregistern ist das anders; dort ist das Mitspra- cherecht der PKV mit einem finanziellen Beitrag ver- knüpft . Im vorliegenden Entwurf hingegen räumen Sie der PKV bedingungslos weitgehende Mitspracherechte bei der Ausgestaltung des Transplantationsregisters ein und verzichten damit ohne Not auf einen wesentlichen Anreiz für die PKV, sich auch an der Finanzierung des Registers zu beteiligen . Warum, können Sie bis heute nicht erklären . Die Legitimation und Akzeptanz der Organspende hat in den letzten Jahren in Deutschland erheblich gelitten . Allein durch Plakatkampagnen wird man dieses Vertrau- en nicht wieder herstellen können . Ein aussagekräftiges und nicht interessengeleitetes Register ist ein wesent- licher Baustein dafür, die Organspende in Deutschland wieder auf die Beine zu bringen . Ein Register hingegen, das Lücken und Raum für interessengeleitete Entschei- dungen lässt, wird dies nicht schaffen . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 2016 18201 (A) (C) (B) (D) Anlage 24 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung ein- gebrachten Entwurfs eines Sechsten Gesetzes zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und ande- rer Gesetze (Tagesordnungspunkt 29) Gero Storjohann (CDU/CSU): Lange Wartezeiten bei Behörden sind inzwischen nichts Ungewöhnliches mehr . Da drängt sich mir die Frage auf: Ist das Verfahren in der Form wirklich notwendig und lässt es sich nicht vereinfachen und somit für eine Entlastung der entspre- chenden Stellen sorgen? Seit dem 1 . Januar 2015 ist es möglich, ein Kraftfahr- zeug per Mausklick vom heimischen Computer abzumel- den . Um nun dem Bürger die Fahrzeugzulassung ebenso zu ermöglichen, werden mit dem vorliegenden Gesetz- entwurf der Bundesregierung zum Sechsten Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und anderer Gesetze die erforderlichen gesetzlichen Grundlagen ge- schaffen . Damit wird dem Bürger neben dem herkömm- lichen Verfahren bei der Zulassungsbehörde ein internet- basiertes Verfahren zur Wahl gestellt . Dazu wird die Ermächtigung zur Regelung der zu- lassungsinternen Verfahren komplettiert, also die Um- setzung der internetbasierten Wiederzulassung außer Betrieb gesetzter Fahrzeuge auf denselben Halter im selben Zulassungsbezirk . Das ist die sogenannte zwei- te Stufe des Projektes i-Kfz und der entscheidende und notwendige Schritt vor der endgültigen Implementierung der sogenannten dritten Stufe: der internetbasierten Fahr- zeugzulassung . Für die Umsetzung sind daher organisatorische, tech- nische und rechtliche Voraussetzungen zu schaffen, damit dieses Verfahren dann in den jeweiligen Porta- len der Kommunen angeboten werden kann . Dazu sind Komponenten zu entwickeln und zu nutzen, die eine elektronische internetbasierte Abwicklung des Verfah- rens ermöglichen . Mit diesen Komponenten können die verschiedenen Fahrzeugzulassungsvorgänge abgebildet werden, um Bürgerinnen und Bürgern oder auch Unter- nehmen die Durchführung ihrer Fahrzeugzulassung ohne Gang zur Zulassungsbehörde zu ermöglichen . Das soll zudem als vollständig automatisierter Verwaltungsakt er- möglicht werden, um eine vollständig digitalisierte und elektronische Abwicklung der Fahrzeugzulassung zu er- möglichen . Das begrüße ich, trägt es doch sehr zur Entlastung der Verwaltung bei, und auch die Nutzer profitieren von dem zusätzlichen Verfahren, denn hierdurch lässt sich eine sofortige Teilnahme am Straßenverkehr im Anschluss an den Zulassungsvorgang verwirklichen . Ferner werden durch den Gesetzentwurf die nötigen Speicher- und Übermittlungsvorschriften geschaffen, um die Daten über Hauptuntersuchungen und Sicherheits- überprüfungen der durchführenden Stellen im Zentralen Fahrzeugregister beim Kraftfahrt-Bundesamt speichern zu können . Das ist notwendig, um die zweite Stufe des Projektes i-Kfz sowie die Richtlinie 2014/45/EU des Eu- ropäischen Parlaments und des Rates vom 3 . April 2014 umsetzen zu können . Diese stellt die regelmäßige techni- sche Überwachung von Kraftfahrzeugen sicher . Ein weiteres Novum, das in diesem Entwurf steckt, ist eine Ermächtigungsgrundlage für den Bund, die zur Ent- lastung der Polizei führt . Seit Jahren nimmt die Zahl der sogenannten Großraum- und Schwertransporte im deut- schen Straßennetz massiv zu . Die Wirtschaft hat die Fer- tigungslinien in vielen Fällen in einer Weise angepasst, dass große Bauteile in einer Fabrik gefertigt werden, um diese dann mit Großraum- und Schwertransporten zu den entsprechenden Verarbeitungs- oder Baustellen zu lie- fern. Besonders signifikant ist – durch die Energiewen- de – der Transport von Bauteilen für Windkraftanlagen . Zugleich hat sich die Verkehrsdichte deutlich erhöht, und die gesamten Rahmenumstände der Infrastruktur, insbe- sondere die Brückenstabilität, haben sich im Laufe der Jahre spürbar verschlechtert . Dies alles führt dazu, dass bei entsprechenden Erlaubnissen und Genehmigungen von Großraum- und Schwertransporten in vielen Fällen als Auflage die Begleitung durch Polizeikräfte angeord- net wird . Dieses Aufgabenfeld bindet eine Vielzahl von Ressourcen bei Polizeidienststellen, die anderweitig dringender benötigt werden . Eine Möglichkeit ist es, durch den Einsatz von Ver- fügungshelfern die Polizeikräfte bei der Begleitung zu entlasten . Dazu muss aber eine bundeseinheitliche Re- gelung getroffen werden, da es sonst zu Komplikationen bei länderübergreifenden Transporten kommt . Mit dieser Vorschrift kann das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur eine Verordnung schaffen, damit bundesweit gleichartige Rahmenbedingungen geschaf- fen werden . Somit sorgen wir auch hier für Erleichte- rung in den ausführenden Organen der Bundesrepublik Deutschland . Weiterhin beinhaltet dieser Entwurf redaktionelle Änderungen zur fristgerechten Umsetzung europarecht- licher Vorschriften in nationales Recht . Dabei wird der grenzüberschreitende Austausch von Informationen über die Straßenverkehrssicherheit gefährdende Verkehrsde- likte mittels dieser Anpassungen erleichtert . Im Fahrerlaubnisrecht sind durch zahlreiche Überar- beitungen die Begrifflichkeiten hinsichtlich inländischer und ausländischer Fahrerlaubnisse uneinheitlich . Dies gilt es für eine klare und einfache Rechtsanwendung zu bereinigen. In diesem Entwurf werden diese Begrifflich- keiten systematisch vereinheitlicht . Insgesamt lässt sich also sagen, dass uns mit diesem Gesetzentwurf eine bundeseinheitliche Regelung gelun- gen ist, die der Mobilität der Bürger der Bundesrepublik Deutschland zuträglich ist und der Verkehrssicherheit al- ler dient . Daher ist dieses Vorhaben zu unterstützen und dem vorliegenden Gesetzentwurf der Bundesregierung in geänderter Fassung zuzustimmen . Stefan Zierke (SPD): Heute stimmen wir über das Sechste Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrsgeset- zes und anderer Gesetze in zweiter und dritter Beratung ab . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 201618202 (A) (C) (B) (D) Ich möchte an dieser Stelle nicht vertiefend auf die vielen einzelnen Punkte dieses Artikelgesetzes eingehen, die im Großen und Ganzen Ermächtigungsgrundlagen, Klarstellungen und rechtsförmliche Anpassungen von insgesamt vier Gesetzen betreffen . Vielmehr möchte ich auf die positive Anpassung bei der Begleitung von Groß- raum- und Schwertransportern eingehen: In unserem gemeinsamen Änderungsantrag haben wir die Regelung eingebracht, dass zukünftig Beliehene oder Verwaltungshelfer Großraum- und Schwertransporte be- gleiten können . Damit kann unsere Polizei von dieser Aufgabe entlastet werden . Ähnlich kennen wir es ja vom TÜV oder von Toll Collect, die eng definierte hoheitliche Aufgaben übernehmen und damit die Verwaltung entlas- ten . Bislang wurden die Schwertransporte regelmäßig von Polizistinnen und Polizisten begleitet, die beispielswei- se an Landesgrenzen aufgrund von Zuständigkeiten ge- wechselt werden mussten . Teilweise geschieht dies bei längeren Strecken mehrmals . Dies kostet Zeit, stört oft den Verkehrsfluss und ist ineffizient. Ebenso kam es häufiger vor, dass Beamte während der polizeilichen Transportbegleitung aufgrund von Not- einsätzen abgezogen werden mussten . Somit musste die polizeiliche Begleitung unterbrochen werden und konnte erst nach Beendigung des Noteinsatzes fortgesetzt wer- den . Diesen misslichen Umstand ändern wir jetzt . Darüber hinaus nimmt die Zahl der Großraum- und Schwertransporte im deutschen Straßenverkehr seit vie- len Jahren kontinuierlich zu . Dabei denke ich insbeson- dere an den Transport von Windkraftanlangen, Booten und Fertighäusern . Die meisten Autofahrer kennen diese spektakulären Transporte von Landstraßen und Autobah- nen . Sicherlich ist die Begleitung durch die Polizei aus sicherheitspolitischen Gesichtspunkten keine zu unter- schätzende Aufgabe, aber durchaus auch eine, die durch entsprechend qualifizierte und überprüfte beliehene Aufgabenträger oder Verwaltungshelfer sehr gut über- nommen werden kann . Diese Möglichkeit schaffen wir hiermit . Die zukünftigen Aufgabenträger können, ähnlich wie die Polizei, verkehrsrechtliche Anordnungen treffen . Der Bund regelt damit die Rahmenbedingungen . Die zustän- digen Landesbehörden übernehmen zukünftig nach die- sen Regeln die Beleihung und Beauftragung . Alles in allem werden wir die Polizeikräfte in den Ländern entlasten . Deswegen stimmen wir zu . Thomas Lutze (DIE LINKE): Im Ausschuss einen Änderungsantrag vorzulegen, der fast so lang ist wie der vorliegende Gesetzentwurf selbst ist, verbietet sich ei- gentlich . Leider scheint sich diese Arbeitsweise langsam einzuschleifen – bei der Reform der Erbschaftssteuer war es nicht anders . Hier allerdings ist es noch schlimmer; denn Sie fassen mit Änderungsanträgen plötzlich Sach- verhalte an, von denen in der ersten Lesung noch gar keine Rede war . Damit beschneiden Sie die Rechte der Opposition . Kommen wir zu den einzelnen inhaltlichen Punkten: Es ist nicht verständlich, dass im elektronischen Fahr- eignungsregister neben den Identifizierungsmerkmalen nun auch noch Zulassungsmerkmale gesammelt werden sollen – im Zusammenhang mit einer internetbasierten Zulassung datenschutzrechtlich mehr als bedenklich, vor allem, wenn diese internetbasierte Zulassung nun auch noch privatisiert werden soll und damit private Unterneh- men Zugriff auf diese Daten erhalten . In der ursprünglichen Fassung war der Gesetzentwurf übrigens unbedenklich, und meine Fraktion hätte ihm zugestimmt . Aber mit der Privatisierung der Begleitung von Groß- und Schwertransporten und der Privatisierung der internetbasierten Zulassung haben Sie dem Gesetz- entwurf aus ideologischen Gründen einen marktradika- len Anstrich verpasst, der völlig unnötig ist, zumal der Rest dann per Verordnung geregelt werden soll und der Bundestag dann nichts mehr zu sagen hätte . Auch wir sehen ein, dass die Polizei Besseres zu tun hat, als privaten Transportunternehmen Geleitschutz zu geben . Allerdings sollten bei der Privatisierung dieser öffentlichen Dienstleistung für private Unternehmen die anfallenden Kosten der Begleitung dann auch komplett privat getragen werden . Es kann nicht sein, dass private Unternehmen ein privates Unternehmen für eine Dienst- leistung beauftragen und der Staat dieses Geschäft dann bezuschusst . Und außerdem sehe ich bereits jetzt, dass diese Entlastung der Polizei demnächst als Begründung für den nächsten Personalabbau herhalten muss . Bei der Reform der MPU-Gutachten haben Sie mit der Entgeltordnung eine richtige Regelung getroffen, die in der Zukunft viel Schindluder verhindern wird . Warum Sie aber nicht auch gleichzeitig verbindliche Qualitäts- standards einführen, erschließt sich mir nicht . Ich komme zum Fazit: Sie haben diesen eigentlich notwendigen und richtigen Gesetzentwurf im letzten Moment in einem Maße verschlechtert, dass sich meine Fraktion enthalten muss . Stephan Kühn (Dresden) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Mit dem vorliegenden Entwurf zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und dem entsprechenden Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen sollen die Voraussetzungen für die zweite und dritte Stufe der in- ternetbasierten Fahrzeugzulassung geschaffen werden . Weiterhin erfordern europäische Regelungen sowie die notwendigen Verwaltungsabläufe im Zulassungsverfah- ren Anpassungen weiterer damit in Verbindung stehender Gesetze . Damit hält in diesem Bereich der Verwaltung E-Government Einzug . Endlich wird der ein oder ande- re sagen . Endlich können Wartezeiten und Wege zu den Zulassungsstellen entfallen und Behördengänge auch in diesem Bereich vom Sofa aus geregelt werden . Auch die Automatisierung des Fahreignungsregisters ist grund- sätzlich zu begrüßen . Doch gutes E-Government setzt hohe Anforderungen an den Datenschutz voraus . Deshalb lohnt sich ein ge- nauerer Blick auf die beabsichtigten Regelungen . Insbe- sondere bei der geplanten vollelektronischen Führung des Fahreignungsregisters wird mit besonders sensiblen Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 2016 18203 (A) (C) (B) (D) personenbezogenen Daten umgegangen . Datenschutz- rechtlich muss immer der Maßstab des Erforderlichkeits- und Zweckbindungsgrundsatzes im Umgang mit den In- formationen angelegt werden . Nicht erforderliche Daten sind umgehend zu löschen oder zu sperren . Eine Um- funktionierung zu allgemeinen Sicherheitszwecken muss ausgeschlossen werden . Hier bestehen aber Zweifel hin- sichtlich der Erweiterung der gespeicherten Daten beim Verfahren der Direkteinstellung nach § 30a des Gesetz- entwurfs . Danach können Protokolldaten über Zugriffe und neu aufgenommene Daten 6 Monate gespeichert werden . Begründet wird die Frist mit der Möglichkeit der Kontrolle durch die Bundesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit . Gleichzeitig bedeutet diese lan- ge Frist auch erhebliches Risiko für Bürger, weil Zugriffe durch Sicherheitsbehörden über den gesamten Zeitraum möglich sind . Näheres bestimmt leider kein Gesetz, son- dern eine interne Vorschrift des Kraftfahrt-Bundesamtes . Das ist uns als hinreichende Rechtsgrundlage angesichts der Sensibilität der Datenbestände allerdings zu wenig, da hier beispielsweise auch Daten zu Straftatbeständen abgelegt werden . Vorsicht ist aus unserer Sicht auch des- halb geboten, weil die konkrete Ausgestaltung eben an einer Verordnung hängt, auf die wir hier keinen weiteren Einfluss haben. Richtig hingegen ist die mit dem Änderungsantrag vorgeschlagene Ermächtigungsgrundlage, mit der die bisher verpflichtende Polizeibegleitung von Großraum- und Schwertransporten auf Dritte übertragen werden können . Private Spezialunternehmen können auf diese Weise zur Entlastung der Polizei beitragen, die derzeit mit rund 300 000 Sondertransporten belastet ist . Die Polizei kann dann ihre knappen Ressourcen wieder ver- stärkt für die Verkehrsüberwachung und damit zur Ver- besserung der Verkehrssicherheit einsetzen . Allerdings ist dies eine Ausnahme . Grundsätzlich darf die Wahrnehmung staatlicher Aufgaben nicht schlei- chend auf Private übertragen werden . Wir werden uns zu Ihrem Gesetzentwurf wegen der geschilderten datenschutzrechtlichen Bedenken jeden- falls enthalten . Anlage 25 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung ein- gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf für Beamtinnen und Beamte des Bundes und Solda- tinnen und Soldaten sowie zur Änderung weiterer dienstrechtlicher Vorschriften (Tagesordnungs- punkt 30) Oswin Veith (CDU/CSU): Im Koalitionsvertrag ha- ben wir uns auf einen modernen und familienfreundli- chen öffentlichen Dienst verständigt . Modern heißt, sich an Lebenswirklichkeiten und neue Entwicklungen anzupassen . Nur so können auch zukünftige Arbeitneh- merinnen und Arbeitnehmer für den öffentlichen Dienst begeistert werden . Für junge Arbeitskräfte sind Arbeits- plätze in der Regel am interessantesten, wenn Familie und Beruf besonders gut zu vereinbaren sind . In Gesprä- chen mit jungen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern wird mir dies immer wieder deutlich gemacht . Besonders häufig höre ich dabei den Wunsch nach flexibler Arbeits- zeitgestaltung im Falle von Nachwuchs oder Pflegefällen in der Familie . Neben der beruflichen Selbstverwirklichung liegt vie- len auch ihre Familie am Herzen, und Familien sind nun einmal Mittelpunkt und Anker zugleich . Für einen zu- kunftsorientierten öffentlichen Dienst bedeutet dies, dass die Vereinbarkeit der Lebensbereiche Arbeit und Fami- lie auch zukünftig eines der wichtigsten Themen bei der Gewinnung von Arbeitnehmern sein wird . Und gerade in diesem Punkt können wir mit der Privatwirtschaft durch- aus konkurrieren . Mit dem Gesetz zur besseren Vereinbarkeit von Fa- milie, Pflege und Beruf für die Beamtinnen und Beam- ten des Bundes und die Soldatinnen und Soldaten legen wir daher einen weiteren Baustein, um den öffentlichen Dienst attraktiver und vor allem familienfreundlicher zu machen . 2013 hatten wir mit den Regelungen zur Familienpfle- gezeit für die Bundesbeamtinnen und Bundesbeamten und Soldatinnen und Soldaten begonnen und schufen die Möglichkeit, Familienpflegezeit für pflegebedürftige nahe Angehörige zu beantragen . Ähnliches hatten wir zuvor für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ge- regelt . Mit dem heute zur Debatte stehenden Gesetz gehen wir noch einen Schritt weiter . Für die Bundesbeamtin- nen und Bundesbeamten sowie Soldatinnen und Solda- ten wird es künftig einen Rechtsanspruch auf Familien- und Pflegezeit geben. Etwas Vergleichbares haben wir ebenfalls für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Privatwirtschaft und Tarifbeschäftigte Ende 2014 beschlossen . Nun erfolgt auch in diesem Fall die entspre- chende Übertragung auf die Beamtinnen und Beamten und Soldatinnen und Soldaten . Ich halte das für einen sehr konsequenten Schritt, der nicht zuletzt für mehr Vertrauen und Sicherheit bei den Bundesbeamten sorgen wird . Verringert der oder die Betroffene aufgrund einer Pflegesituation innerhalb der Familie die Arbeitszeit, wird ein Vorschuss gewährt, welcher die entstehenden Gehaltseinbußen abfedern soll und anschließend mit den Bezügen verrechnet wird . Die wöchentliche Arbeitszeit muss mindestens 15 Stunden betragen . Die Verkürzung der Arbeitszeit kann bis maximal 24 Monate gewährt werden . Zudem wollen wir den Wechsel in eine andere Lauf- bahn flexibler gestalten. Um den Wechsel in eine höhe- re Laufbahn oder eine andere Laufbahn derselben oder höheren Laufbahngruppe zu erleichtern, werden wir vo- rübergehend das Nebeneinander zweier Beamtenverhält- nisse ermöglichen . Bei einem Wechsel musste der Be- troffene bislang aus dem bestehenden Beamtenverhältnis entlassen werden . Dies führte immer dann zu erheblichen Unsicherheiten bei den Beamten, wenn der Wechsel in Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 201618204 (A) (C) (B) (D) eine höhere Laufbahn die Ableistung eines Vorberei- tungsdienstes oder einer Probezeit erfordert . Nun ruht das bestehende Beamtenverhältnis für die Dauer des Vor- bereitungsdienstes oder der Probezeit . Gleichzeitig enthält der Gesetzentwurf einen An- spruch gegen den Dienstherren auf Schmerzensgeld im Falle einer Verletzung durch Dritte während des Dienstes . Immer häufiger werden Beamtinnen und Beamte sowie Soldatinnen und Soldaten Opfer von Gewalttaten, aus denen Schmerzensgeldansprüche entstehen . Der Bund nimmt seine Fürsorgepflicht gegenüber seinen Beamten sehr ernst und hat sich daher entschlossen, bei Schmer- zensgeldansprüchen, die eine unbillige Härte darstellen, die Ansprüche gegenüber den Beamtinnen und Beamten, Soldatinnen und Soldaten zu begleichen . Bei erheblichen Schmerzensgeldansprüchen bleiben die Betroffenen nicht auf ihren Ansprüchen sitzen . Vor dem Hintergrund der zunehmenden Gewalt gegen Bundesbeamtinnen und Bundesbeamte halte ich diese Regelung für unabding- lich, absolut korrekt und notwendig . Unsere Bundesbeamtinnen und Bundesbeamten set- zen sich tagtäglich für das Wohl und die Sicherheit un- serer Bürger ein . Da ist es nur billig und gerecht, ihnen im Falle von Schmerzensgeldansprüchen, welche nicht durchsetzbar sind, unterstützend zur Seite zu stehen . Künftig gilt: Hat der geschädigte Beamte oder die ge- schädigte Beamtin einen titulierten Schmerzensgeldan- spruch, kann diesen aber nicht gegen einen zahlungsun- fähigen Schädiger durchsetzen, besteht die Möglichkeit, den Anspruch auf Zahlung des Schmerzensgeldes gegen den Dienstherren zu richten . Wie bereits erwähnt, muss es sich um einen Schmer- zensgeldanspruch handeln, dessen Nichtdurchsetzbarkeit eine unbillige Härte darstellt . Erst dann soll der Dienst- herr den Anspruch übernehmen . Der Begriff der unbil- ligen Härte – in der Rechtssprache nennt man das einen unbestimmten Rechtsbegriff – muss hierbei noch mit Leben gefüllt werden . Ob ein Schmerzensgeldanspruch eine unbillige Härte darstellt, hängt von der Höhe des Schmerzensgeldanspruchs ab . Der ursprüngliche Gesetzentwurf sah dabei vor, eine unbillige Härte ab einem Schmerzensgeldanspruch in Höhe von 500 Euro anzunehmen . Alle darunter liegen- den Ansprüche stellen demnach keine unbillige Härte dar . Dies erschien aus meiner Sicht und vor dem Hin- tergrund, dass Schmerzensgeldansprüche meist auch mit seelischen Beeinträchtigungen einhergehen, als sehr hoch gegriffen . Im Gespräch mit dem Bundesinnenministerium konn- ten wir den Betrag um die Hälfte herabsetzen, sodass eine unbillige Härte nun ab einem Anspruch in Höhe von 250 Euro angenommen wird . Bei einem Schmerzens- geldanspruch in Höhe von 250 Euro und höher ist von einer erheblichen Verletzung des Beamten auszugehen . Vor dem Hintergrund der Fürsorgepflicht für die Beam- ten halte ich es für richtig, hier nicht allzu hoch anzuset- zen und freue mich darüber, dass das Innenministerium in diesem Punkt unserer Ansicht gefolgt ist und den ur- sprünglichen Betrag entsprechend herabgesetzt hat . Die öffentlichen Dienstleistungen – und zwar nicht nur im Bereich der inneren Sicherheit – haben in Deutschland eine hohe Qualität, und unsere Sicherheitskräfte genie- ßen ein hohes Ansehen . Wir sind es ihnen schuldig, ihnen bei erheblichen Eingriffen in ihre eigene Unversehrtheit zur Seite zu stehen . Damit schaffen wir Vertrauen und sichern zugleich die Einsatzbereitschaft und die Verläss- lichkeit unserer Sicherheitsbehörden . Neben der Absicherung bei Schmerzensgeldansprü- chen wird mit dem Gesetzentwurf viel für die Familien- freundlichkeit des öffentlichen Dienstes getan . Und ge- nau dort liegt ein entscheidender Vorteil des öffentlichen Dienstes gegenüber der Privatwirtschaft . Der Bund als Dienstherr bietet seinen Bediensteten eine Vielzahl an Möglichkeiten, um Familie und Beruf zu vereinbaren . Nicht zuletzt profitieren davon die Bürgerinnen und Bür- ger . Denn wer bei persönlichen Sorgen und Nöten oder auch im Falle des freudigen Ereignisses der Geburt eines Kindes zusammen mit seinem Arbeitgeber eine Lösung finden kann, ist auch ein motivierter Arbeitnehmer. Und genau das bieten wir unseren Beamtinnen und Beamten, den Soldatinnen und Soldaten . Der vorliegende Gesetzentwurf schließt eine Reihe von Gerechtigkeitslücken bei der Familienpflegezeit und Pflegezeit, sowie bei der Schädigung im Dienst durch Private, sodass ich für Ihre Zustimmung werbe . Matthias Schmidt (Berlin) (SPD): „Gewalt am Ar- beitsplatz“ ist ein Thema, das mehr und mehr Arbeitneh- merinnen und Arbeitnehmer beschäftigt, darunter in be- sonderem Maße Beamtinnen und Beamte . Vor wenigen Tagen hatte ich genau dazu ein Gespräch mit der dbb-Ju- gend . Hier konnte ich aus erster Hand erfahren, dass die Kolleginnen und Kollegen im öffentlichen Dienst immer häufiger darunter leiden. Beschimpfungen, Beleidigun- gen und auch körperliche Gewalt gehören dazu . Die Folgen der Gewalt sind vielfältig: psychische Traumata, körperliche Einschränkungen, Verdienstaus- fall, Rehabilitation, Versetzungen und Beeinträchtigun- gen der weiteren Arbeit können dazu gehören . Inzwi- schen müssen wir auch noch schwerere Folgen in unsere Betrachtung miteinbeziehen . Wir alle haben noch den schockierenden Fall in Rothenburg von 2014 vor Augen, wo ein Jobcentergutachter erstochen wurde . Nehmen wir ein weniger spektakuläres, aber alltäglicheres Beispiel: Eine Mitarbeiterin der Bundesagentur für Arbeit wird in Ausübung ihres Dienstes beleidigt und tätlich ange- griffen . Sie erleidet dabei körperliche und psychische Blessuren und fällt im Dienst einige Zeit aus . In einem zivilrechtlichen Prozess muss sie sich mühsam Schmer- zensgeldansprüche erstreiten und dann – ist der Täter mittellos . Das ist kein Einzelfall, den ich hier beschreibe . Doch warum erzähle ich das? Wir behandeln heute in zweiter und dritter Lesung ein Gesetz, das unter anderem genau diesen Punkt aufgreift . Bislang blieben Beamtinnen und Beamten, die in Aus- übung ihres Dienstes Opfer von Gewalt wurden und ihre Schmerzensgeldansprüche nicht durchsetzen konnten, weil der Schädiger mittellos ist, auf ihren Ansprüchen sitzen . Für Betroffene war das nach dem Gewalterleb- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 2016 18205 (A) (C) (B) (D) nis mit einer weiteren Demütigung verbunden . Mit der Gesetzesänderung wird ihnen künftig geholfen . Die- se nicht vollstreckbaren Ansprüche werden fortan vom Dienstherrn übernommen, das heißt die Geschädigten erhalten das Schmerzensgeld auch in Fällen, wo beim Beklagten kein Geld zu holen ist . Damit wollen wir si- cherstellen, dass die Geschädigten nicht ein zweites Mal zum Opfer werden, sondern ihren gerichtlich erstrittenen Anspruch auch durchsetzen können. Das ist nicht nur fi- nanziell, sondern vor allen Dingen auch moralisch von Bedeutung und soll einen Beitrag zur Anerkennung der Beschäftigten leisten . Allerdings soll diese Regelung nur oberhalb einer Bagatellgrenze Anwendung finden. Der Regierungsentwurf sah hier zunächst eine Grenze von 500 Euro vor . Wir haben in Gesprächen mit dem Koaliti- onspartner durchgesetzt, dass diese Grenze auf 250 Euro reduziert wird. Damit profitieren deutlich mehr Beschäf- tigte von dieser Leistung, und das ist gut so . Doch das Gesetz hat noch weitaus mehr zu bieten . Im Kern des Gesetzes steht die Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf. Viele kennen das aus eigenen Erfah- rungen in der Familie oder bei Freunden: ein Pflegefall wirft das gesamte Familienleben durcheinander . Schnell stellt sich die Frage: Wer kann die Pflege eines Angehö- rigen übernehmen? Wer reduziert seine Arbeitsstunden, und in welcher Konstellation kann man sich das leisten? Diese Situation, die viele Beschäftigte betrifft, soll mit dem Gesetz verbessert werden . Wir haben bereits mit dem Pflegezeitgesetz und dem Familienpflegezeitgesetz die Freistellungsmöglichkeiten für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verbessert, wenn plötzlich eine Pflegesituation eintritt. Seit dem 1 . Januar 2015 haben sie einen Anspruch auf vollständige oder teilweise Freistellung und auf finanzielle Förderung. Finanzielle Notsituationen können mit Hilfe des Pfle- geunterstützungsgeldes überbrückt werden . Das brachte eine deutliche Verbesserung für pflegende und erwerbs- tätige Beschäftigte mit sich . Diese Vorteile sollen mit dem heute vorliegenden Ge- setzentwurf auf Beamtinnen und Beamte und Soldatin- nen und Soldaten übertragen werden . Dieser Schritt war notwendig, denn auch hier pflegen und betreuen viele Menschen ihre Angehörigen parallel zu ihrer Berufstätig- keit. Auch hier wird der Bedarf an pflegenden Angehöri- gen im Zuge der demografischen Entwicklung deutlich steigen und die Erwerbstätigen verstärkt vor Herausfor- derungen stellen . Mit dem Gesetzentwurf schaffen wir auch für diese große und wichtige Beschäftigtengruppe einen Rechts- anspruch auf Familienpflegezeit und Pflegezeit. Künftig haben sie einen Anspruch auf Familienpflegezeit von bis zu 24 Monaten bei einer verbleibenden Arbeitszeit von 15 Stunden pro Woche. Darüber hinaus können sie Pfle- gezeit beanspruchen bei bis zu 6 Monaten vollständiger oder teilweiser Freistellung . Damit sind Freiräume ver- bunden, die die Situation für den Einzelnen verbessern . Bei einer plötzlich eintretenden Pflegesituation wird das auch hier die Situation spürbar erleichtern . Hinzu kommt eine finanzielle Förderung, die als Überbrückungsleis- tung den Lebensunterhalt für die Betroffenen sichert . Das Gesetz überträgt damit die Erleichterungen auf die Gruppe der Beamtinnen und Beamte sowie Soldatinnen und Soldaten, die als wichtige Säulen in unserer Gesell- schaft viel Verantwortung übernehmen . Wir haben mit dem Gesetzentwurf noch weitere Rege- lungen in den Blick genommen . Künftig wird es möglich sein, vorübergehend zwei Beamtenverhältnisse, das auf Lebenszeit und das auf Widerruf oder Probe, nebenein- ander zu haben . Mit dieser Neuerung reagieren wir auf die beruflichen Veränderungswünsche der Menschen und erleichtern ihnen den Wechsel in eine neue oder höhe- re Laufbahn . Eine kleine Änderung, die die Flexibilität stärkt und den öffentlichen Dienst attraktiver macht . Auch konkretisieren wir mit dem Gesetz die Beihil- feverordnung und nehmen Anpassungen an EU-Normen vor . Es ist ein Gesetzentwurf, der verschiedene Aspekte aufgreift . Sie alle zielen in eine Richtung: Es geht uns um eine Verbesserung der Situation von Beamtinnen und Be- amten und Soldatinnen und Soldaten . Jeden Tag stehen sie mit ihrer beruflichen Tätigkeit im Dienst von Staat und Gesellschaft . Mit diesem Gesetz wollen wir dieser hohen Verantwortung Rechnung tragen . Frank Tempel (DIE LINKE): Den öffentlichen Dienst aufwerten durch bessere Pflegeregelungen! Es sind zwei gesellschaftliche Entwicklungen zu be- obachten, die den öffentlichen Dienst in der Bundesrepu- blik an den Rand der Leistungsfähigkeit führen können . Das ist das Herunterfahren der öffentlichen Daseinsvor- sorge durch Stellenabbau bei gleichzeitigem Aufgaben- aufwuchs sowie die demografische Entwicklung. Beide Phänomene verstärken sich gegenseitig und führen dazu, dass staatliche Aufgaben in schlechterer Qualität oder nicht mehr ausreichend angeboten werden und die Belas- tung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kontinuierlich steigt . Der Ruf des öffentlichen Dienstes als Arbeitgeber hat auf diese Weise massiv gelitten, und insbesondere Fachkräfte mit Spezialkenntnissen werden händeringend gesucht . Die Bundesregierung erkennt zumindest die Bedro- hung des Fachkräftemangels für die Arbeitsfähigkeit des öffentlichen Dienstes an und versucht seit einigen Jah- ren, in kleinen Schritten gegenzusteuern . Über die Ver- einbarkeit von Familie und Beruf soll die Attraktivität des öffentlichen Dienstes als Arbeitgeber wiederherge- stellt werden, um einen Gegenpol zu höheren Gehaltsan- geboten aus der Privatwirtschaft zu schaffen . Oft bin ich im Gespräch mit Beamtinnen und Beam- ten und deren Verbänden . Eine Vereinbarkeit von Beruf und Familie wird deutlich angezweifelt . Ich schlage der Regierungskoalition vor: Wenn Sie schon keine Zeit ha- ben, mit den Beamtinnen und Beamtinnen zu reden und deren Probleme aufzunehmen, machen Sie doch einfach eine Befragung . Sie werden interessante Dinge zu hören bekommen . Auch das vorliegende Gesetz mit seinen Regelungen zu besseren Pflegemöglichkeiten für Beamtinnen und Beamte reiht sich in die Bemühungen ein . Das ist aus- drücklich zu begrüßen . Wie wir aber schon in der ersten Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 201618206 (A) (C) (B) (D) Lesung dargestellt haben: Es ist die richtige Richtung, aber viel zu kurz gesprungen . Die Überalterung in der Gesellschaft erzeugt auch einen höheren Pflegebedarf. Pflege ist aber unserer fes- ten Überzeugung nach keine private Angelegenheit, die innerhalb des Familienverbandes zu organisieren und zu finanzieren ist. Pflege ist eine gesamtgesellschaftlich notwendige Aufgabe, deren Lasten solidarisch aufgeteilt und gemeinschaftlich getragen werden müssen . Die Ent- scheidung, ob familiär gepflegt werden soll, muss frei von sozialen oder materiellen Zwängen und ohne zeitli- chen Druck erfolgen können . Sie hingegen genehmigen zum Beispiel nur zehn Tage Arbeitsfreistellungen, die genutzt werden sollen, um den Übergang des Angehöri- gen in die Pflege zu organisieren. In welcher Welt leben Sie eigentlich? Fragen Sie mal Betroffene, was für einen realen organisatorischen und bürokratischen Aufwand dies darstellt . Auch die Notwendigkeit der Zustimmung des Arbeitgebers ist ein völlig falsches Signal an die Beamtinnen und Beamten . Ursache für das gebremste Agieren der Bundesregierung ist das Mantra der Kos- tenneutralität . Ohne mehr Geld werden die Folgen des demografischen Wandels und der steigenden Aufgaben- vielfalt des öffentlichen Dienstes nicht in den Griff zu bekommen sein . Was ist bezüglich der Pflege zu tun? Wir befürworten erstens einen Rechtsanspruch auf bezahlte Freistellung für die Dauer von bis zu sechs Wo- chen zur Organisation der neu eingetretenen Pflegesitua- tion und der ersten pflegerischen Versorgung von Ange- hörigen oder nahestehenden Personen . Wir fordern weiterhin einen Rechtsanspruch auf sechsmonatige Beurlaubung zur Pflege, welcher auch für die Begleitung in der letzten Lebensphase besteht . Wir fordern drittens, die Möglichkeit der selbstbe- stimmten Entscheidung des zu pflegenden Menschen zu schaffen, von wem sie oder er als „nahem Angehörigen“ gepflegt werden möchte, auch ohne verwandtschaftliche Beziehungen. Die Definition „nahe Angehörige“ ist wei- tergehend an die realen Lebensverhältnisse der Pflegen- den und der zu Pflegenden anzupassen. Viertens fordern wir analog zum Deutschen Gewerk- schaftsbund, dass bei Härtefällen großzügige Teilerlasse ermöglicht werden . Es ist niemanden geholfen, wenn Be- amtinnen und Beamte gerade in niederen Gehaltsgrup- pen aufgrund von finanzieller Überlastung verarmen oder die Pflege unmöglich wird, weil die Pflegenden die Aufgabe aus finanziellen Gründen nicht mehr wahrneh- men können . Auch bei diesem Gesetz gilt: Sie werden schon deut- lichere Angebote unterbreiten müssen, um den Ruf des öffentlichen Dienstes als Ort eines familienfreundlichen Lebensarbeitszeitmanagements, der Vereinbarkeit von Arbeit und Familie, der umfassenden Mitbestimmung und von exzellenten Weiterbildungsmöglichkeiten zu etablieren . Dies und eine Ausbildungs- und Einstellungs- offensive mit breiten Einstellungskorridoren sind die Mittel der Wahl, um den öffentlichen Dienst mittelfristig einsatzfähig und die Daseinsvorsorge aufrechtzuerhalten . Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Alle Lesungen zu diesem Gesetz gehen zu Proto- koll, offenbar ist die Bundesregierung selbst nicht allzu stolz darauf . Selbstverständlich haben auch Beamtinnen und Beamte, Soldatinnen und Soldaten Angehörige, die pflegebedürftig werden können. Und viele von ihnen wollen sich um diese Angehörigen kümmern . Das gilt aber auch für Selbstständige und Soloselbstständige, das gilt für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in kleinen Betrieben . Und die bleiben nach wie vor ausgeschlossen . Schon das ursprüngliche Gesetz zur besseren Verein- barkeit von Familie, Pflege und Beruf ist ein Flop. Dass es jetzt wirkungsgleich auf Beamte und Soldaten über- tragen wird, macht es nicht besser. Pflegende Angehörige brauchen keine Auszeit, die sie sich selbst finanzieren müssen . Sie brauchen eine Entgeltersatzleistung, damit sie sich ohne weitere Sorgen darum kümmern können, was für die pflegebedürftige Person wichtig und notwen- dig ist . Und sie brauchen die Möglichkeit, sich spontan freinehmen zu können, wenn der Pflegebedürftige ge- stürzt ist, wenn ein Arztbesuch oder ein Krankenhausauf- enthalt ansteht, ebenfalls mit Entgeltersatzleistung, und das jedes Jahr wie beim Kinderkrankengeld . Um Pflege und Beruf dauerhaft miteinander verein- baren zu können, ist vor allem eine verlässliche Infra- struktur wichtig . Denn wenn der Anspruch auf Famili- enpflegezeit endet, endet nicht automatisch auch die Pflegebedürftigkeit. Worauf können Menschen sich ver- lassen? Auf ambulante Dienste, auf Tages- und Nacht- pflege, auf ehrenamtliche Betreuungsangebote. Und es darf kein sich ewig wiederholender, nicht zu bewältigen- der Aufwand sein, diese Angebote zusammenzustellen . Darum ist auch eine gute, unabhängige und indivi- duelle Beratung von Pflegebedürftigen und deren Ange- hörigen nötig: Was wünscht der Pflegebedürftige, was braucht er, welche Angebote gibt es? Was brauchen die Angehörigen? Wir wollen, dass die Beratung auf die Menschen zugeht, wenn das notwendig ist, dass sie sie aufsucht. Jeder Pflegebedürftige soll Anspruch auf einen individuellen Case Manager haben, der sich im Dschun- gel der Angebote zurechtfindet und genau die Angebote zusammenstellt, die dem Pflegebedürftigen und seinen Angehörigen nutzen . Und wir wollen auch für die An- gehörigen Beratung, und zwar nicht nur darüber, was der Pflegebedürftige braucht, sondern auch darüber, wo sie selbst Hilfe finden können, wenn sie an ihre Grenzen kommen . Mit einem persönlichen Pflegebudget hätten Pflegebe- dürftige und auch ihre Angehörigen mehr Freiheit: Sie könnten sich die Leistungen einkaufen, die sie wirklich haben wollen, die sie entlasten . Es müsste nicht mehr jeden Tag das gleiche Programm ablaufen . Man könnte auch mal spazierengehen, einkaufen und dafür einmal weniger duschen . Der persönliche Case Manager würde darauf achten, dass die notwendigen Pflegeleistungen eingekauft werden . Die beste Beratung hilft freilich nichts, wenn es keine Angebote gibt . Wenn die Beratung vor Ort angesiedelt ist, wenn die Menschen unabhängig und individuell nach ihren tatsächlichen Bedürfnissen beraten werden, dann Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 2016 18207 (A) (C) (B) (D) fällt auch ins Auge, was fehlt, welche Angebote noch notwendig wären. Neue, spezifische und bedarfsgerechte Angebote können so angestoßen werden . Grundsätzlich muss die pflegerische Infrastruktur aus- gebaut werden . Die starren Grenzen zwischen stationä- rer und ambulanter Pflege müssen fallen. Wir brauchen: mehr Angebote der Tages- und Nachtpflege, am liebsten mit Hol- und Bringdienst, mehr Angebote der Kurzzeit- und Verhinderungspflege, Möglichkeiten für Angehöri- ge, mit dem Pflegebedürftigen in Urlaub zu fahren – mit professioneller Unterstützung, damit sich beide erholen können . Bessere Beratung, mehr Freiheit bei der Auswahl der Leistungen, Ausbau der Angebote und ein Pflege- und Hilfe-Mix zwischen professioneller stationärer bzw . teil- stationärer und ambulanter Pflege, Haushaltshilfe, An- gehörigenpflege, Betreuung sowie ehrenamtlichen und nachbarschaftlichen Hilfen – so können Angehörige un- terstützt werden . Darum werden bei unserer grünen PflegezeitPlus die flankierenden Maßnahmen immer mitgedacht. Denn ein- fach einen Anspruch auf Arbeitszeitreduzierung ins Ge- setz zu schreiben, bringt gar nichts . Das werden leider auch die Beamten und Soldaten zu spüren bekommen, wenn sie demnächst auch in den Genuss dieses Gesetzes kommen . Anlage 26 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: – zu der Unterrichtung durch die Bundesregie- rung: Programm zur nachhaltigen Nutzung und zum Schutz der natürlichen Ressourcen (Deutsches Ressourceneffizienzprogramm II) – zu der Unterrichtung durch die Bundesregie- rung: Programm zur nachhaltigen Nutzung und zum Schutz der natürlichen Ressourcen (Deutsches Ressourceneffizienzprogramm) – zu dem Antrag der Abgeordneten Peter Meiwald, Dr. Valerie Wilms, Lisa Paus, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Ressourcenverschwendung stoppen – Nationa- les Ressourceneffizienzprogramm zukunftsfä- hig ausgestalten (Tagesordnungspunkt 31) Dr. Thomas Gebhart (CDU/CSU): Wir debattieren heute das Deutsche Ressourceneffizienzprogramm, kurz ProgRess . Wir debattieren heute erneut deswegen, weil das erste Programm „zur nachhaltigen Nutzung und zum Schutz der natürlichen Ressourcen“ aus dem Jahr 2012 nun fortgeschrieben wurde . Dies ist ein Erfolg des Parla- ments . Vor genau vier Jahren haben wir die Bundesregie- rung in einem Antrag aufgefordert, alle vier Jahre über die Entwicklung der Ressourceneffizienz in Deutschland zu berichten . Die Bundesregierung hat nun mit Prog- Ress II geliefert . Schon das erste Ressourceneffizienzprogramm war ein Erfolg . Deutschland hat im Jahr 2012 als einer der ersten Staaten überhaupt ein solches Programm verab- schiedet . Auch die Zahlen zeigen: Die Rohstoffproduk- tivität entwickelt sich in die angestrebte Richtung . Das Wirtschaftswachstum wurde vom Rohstoffeinsatz ein gutes Stück weit entkoppelt . Aber: Die bereits erzielten Steigerungsraten der Roh- stoffproduktivität reichen nicht aus, um das gesetzte Ziel bis 2020 zu erreichen . Das Ziel war die Verdoppelung der Rohstoffproduktivität vom Jahr 1994 bis 2020 . Aktuell liegen wir bei einer Steigerung von knapp 50 Prozent . Das haben wir erreicht . Dieser Erfolg zeigt aber auch, dass noch viel Potenzial für Verbesserung besteht . Prog- Ress will dieses Potenzial nutzbar machen . Worum geht es bei ProgRess? Die effiziente Nutzung von Rohstoffen ist aus zwei Gründen für uns elementar . Erstens haben wir als rohstoffarmes Land gar keine ande- re Möglichkeit, als mit den endlichen Ressourcen intelli- gent umzugehen . Dazu gehört, Ressourcen und Material sparsam einzusetzen . Dazu gehört auch, die Wirtschafts- kreisläufe nachhaltig zu gestalten . Dafür müssen wir noch mehr bereits genutzte Stoffe wiederverwenden oder, wo das nicht möglich ist, Stoffe wiederverwerten . Zum anderen übersteigt die immer stärkere Nutzung natürlicher Ressourcen die Regenerationsfähigkeit unse- rer natürlichen Umwelt . Es geht darum, auch nachfolgen- den Generationen ausreichend natürliche Ressourcen zur Verfügung zu stellen . Und schließlich: Nur durch einen effizienten Schutz unserer Ressourcen durch eine zeitgemäße Umweltpoli- tik leisten wir einen entscheidenden Beitrag zum Klima- schutz . Die Ziele sind klar: Es gilt, den Materialeinsatz zu ver- ringern, Ressourcen sparsam und effizient zu verwenden sowie Stoffkreisläufe zu schließen . Diese Herausforderungen meistern wir nicht neben- bei . Die Wirtschaft wird weiterhin ihren Beitrag dazu leisten, den Einsatz ihrer Ressourcen immer effizienter zu gestalten . Wir sind aber überzeugt: Am Ende überwie- gen die ökologischen und auch ökonomischen Vorteile . Um diese Vorteile zu erreichen, hat die Bundesre- gierung mit dem zweiten Programm zur Ressourcenef- fizienz einen sinnvollen Maßnahmenkatalog vorgelegt. Gleichwohl setzen wir darüber hinaus in unserem An- trag, den wir heute zur Abstimmung stellen, einige wich- tige Schwerpunkte . Ich will nur ein paar Punkte nennen: Wir fordern eine umfassende nationale Forschungs- und Innovationsförderstrategie für neue Ressourcen- technologien . Dazu wollen wir durch technologieoffene Forschungs- und Entwicklungsprogramme insbesondere kleine und mittlere Unternehmen unterstützen, ressour- censchonende Techniken einzusetzen . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 201618208 (A) (C) (B) (D) Zweitens: Es ist uns besonders wichtig, Angebote zur betrieblichen Ressourceneffizienzberatung weiterzuent- wickeln und auszubauen . Damit soll besonders in kleinen und mittelständischen Unternehmen das Bewusstsein für den effizienten Umgang mit Ressourcen gefördert wer- den . Als Berichterstatter für Kreislaufwirtschaft schaue ich mir regelmäßig verschiedene Unternehmen an . Dabei be- eindruckt mich jedes Mal, wie viele Unternehmen ihre Prozesse Jahr für Jahr effizienter und intelligenter aus- gestalten . Gleichzeitig ist ebenso klar: Für die Zukunft ist dafür noch mehr Potenzial vorhanden . Mit unserem Antrag unterstützen wir kleine und mittelständische Un- ternehmen, dieses Potenzial noch besser zu nutzen, um ihre Ressourcen noch effizienter einzusetzen. Drittens: Ökobilanzen . Hierbei müssen wir die me- thodischen Voraussetzungen verbessern, um anhand von Ökobilanzen bei der Analyse von Ressourcenverbräu- chen bestimmter Produktgruppen den gesamten Lebens- zyklus zu bewerten . Viertens setzen wir uns dafür ein, dass bei der An- wendung der Ökodesignrichtlinie nicht nur der Ener- gieverbrauch berücksichtigt wird, sondern ebenso der Ressourcenverbrauch . Natürlich bleibt der Energiever- brauch insbesondere für den Klimaschutz eine wichtige Kenngröße . Gleichzeitig müssen wir verstärkt auch den Verbrauch der eingesetzten Ressourcen in den Blick neh- men . Fünftens fordern wir eine deutliche Ausweitung der Produktverantwortung . Diese ist in unseren Augen ein zentrales Instrument zur Vermeidung von Abfällen . Wa- rum? Wer Produkte in Verkehr bringt, soll für deren spä- tere Entsorgung am Ende des Lebenszyklus Verantwor- tung übernehmen . Dieses Prinzip sorgt dafür, dass die Entsorgungskosten Teil des Produktpreises werden . Die Entsorgung wird also beim Kauf der Produkte mitbezahlt und nicht erst über Gebühren bei der Abfallentsorgung finanziert. Sechstens wollen wir das Thema Ressourceneffizi- enz noch stärker auf die internationale Ebene heben . Es ist klar, dass wir langfristig nur erfolgreich sind, wenn wir unsere Maßnahmen auch international vorantreiben . Möglichkeiten dafür bieten sowohl das Kreislaufwirt- schaftspaket der EU-Kommission als auch die deutsche Präsidentschaft der G20 im kommenden Jahr . Und schließlich fordern wir die Bundesregierung auf, dem Bundestag in vier Jahren erneut über die Entwick- lungen der im Programm geforderten Maßnahmen zu be- richten. Denn eines ist klar: Ressourceneffizienz ist ein langfristiger Prozess, den wir kontinuierlich gestalten und begleiten müssen . Michael Thews (SPD): Es ist eine Tatsache: Die Ressourcen auf unserem Planeten sind endlich . Insbe- sondere Rohstoffe, Fläche, Boden und Wasser stehen uns und folgenden Generationen nicht unbegrenzt zur Ver- fügung . Wenn wir mit unserem Ressourcenverbrauch so weitermachen wie bisher, dann würden wir im Jahr 2030 die Ressourcen von zwei Planeten verbrauchen . Diese Tatsache müssen wir uns alle immer und immer wieder bewusst machen und als große Herausforderung unse- rer Zeit verstehen . Deshalb begrüße ich das Deutsche Ressourceneffizienzprogramm ProgRess und seine ers- te Fortschreibung ausdrücklich . Ich freue mich, dass es Gegenstand der heutigen Plenardebatte ist . Ressource- neffizienz, also die Verringerung des Rohstoff- und Ma- terialverbrauchs, ist unabdingbar für den Umwelt- und Klimaschutz und muss für uns alle selbstverständlich werden . ProgRess I und II sehen ein Bündel von Maßnahmen und Instrumenten zur Steigerung der Ressourceneffizienz vor . Hierzu zählen Forschung und Innovation, Bildung, Beratung, Schaffung von Marktanreizen und Informati- on . ProgRess lenkt außerdem immer wieder den Fokus auf das Thema, mit dem sich inzwischen auch viele jun- ge Firmen beschäftigen, zum Beispiel unter dem Motto des Cradle to Cradle – oder deutsch „von der Wiege zur Wiege“ –, also des geschlossenen Kreislaufs der Pro- dukte . Gemeinsam mit unserem Koalitionspartner haben wir anlässlich der Ausschussbefassung einen Entschlie- ßungsantrag vorgelegt, mit dem wir das Engagement der Bundesregierung in Sachen ProgRess würdigen und wei- tere, über ProgRess II hinausgehende wichtige Forderun- gen benennen und vorantreiben wollen . Lassen Sie mich ein paar mir besonders wichtig erscheinende Punkte aus unserem Antrag herausgreifen . Wir wollen die betriebliche Ressourceneffizienzbera- tung, die derzeit insbesondere vom Zentrum Ressourcen- effizienz beim VDI durchgeführt wird, ausbauen und fortentwickeln . Diese Beratung soll in den Unternehmen das Bewusstsein für den effizienten Umgang mit Res- sourcen fördern . Nach den Ergebnissen einer Studie von 2015 bekräftigen 73 Prozent der Unternehmen im ver- arbeitenden Gewerbe, dass sie noch Möglichkeiten für die Steigerung der Ressourceneffizienz in ihrer Branche sehen . Hier ist noch viel Potenzial . Die erfolgreiche Ar- beit des VDI muss weitergeführt und ausgebaut werden . Darüber hinaus fordern wir, sich dafür einzusetzen, dass bei der Anwendung der Ökodesign-Richtlinie neben der Betrachtung des Energieverbrauchs künftig auch der Ressourcenverbrauch stärker berücksichtigt wird . Ich denke, wenn wir den Gedanken der Ressourceneffizienz in Produktions- und Vorbereitungsprozessen stärker ver- ankern wollen, müssen wir auf europäischer Ebene an- setzen und können keinen reinen deutschen Sonderweg einschlagen . Ich bin davon überzeugt, dass die Ökode- sign-Richtlinie das richtige Instrument ist, und finde, ihr Anwendungsbereich sollte schrittweise auf weitere Pro- duktgruppen – neben den energieverbrauchsrelevanten – erweitert werden . Ein dritter Punkt aus unserem Antrag liegt mir am Herzen, und zwar die stärkere Berücksichtigung der Res- sourceneffizienz bei der öffentlichen Beschaffung. Denn wir brauchen natürlich auch marktwirtschaftliche Anrei- ze für die Herstellung von ressourceneffizienten Produk- ten, zum Beispiel von Produkten aus Recyclingmateriali- en . Der Bund sollte hier mit gutem Beispiel vorangehen, indem Ressourceneffizienz in die Leistungsbeschreibun- gen des Bundes bei Ausschreibungen Eingang findet. Ein Beispiel könnte die Verwendung von Beton mit rezyk- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 2016 18209 (A) (C) (B) (D) lierten Gesteinskörnungen, sogenannter RC-Beton, bei Bauvorhaben sein . Ressourceneffizienz sollte zu einem Markenzeichen und Standortvorteil für Deutschland werden! Ralph Lenkert (DIE LINKE): Der Rohstoffhunger der führenden Industriestaaten ist eine Ursache für glo- bale Umweltzerstörung, soziale Verwerfungen und regi- onale Kriege und Konflikte. Die globalisierte, auf Pro- duktionswachstum fixierte Marktwirtschaft führt zum Raubbau an unserem Planeten und mittelfristig in die Sackgasse . Ein Ressourceneffizienzprogramm könnte zumindest den Schwerpunkt weg vom quantitativen hin zum quali- tativen Wachstum verlagern . Das erste Ressourceneffizienzprogramm ProgRess I verfehlt diesen Anspruch . Auf 124 Seiten wiederholen sich Phrasen, Worthülsen, hehre Ziele – alles blumig formuliert . Dies wurde kombiniert mit folgenlosen Ab- sichtserklärungen . Die halbwegs verwertbare Essenz des gesamten Papieres ließe sich auf 5 Prozent, also auf sechs Seiten unterbringen . Das wäre schon mal eine erfolgrei- che Effizienzmaßnahme. Wir alle müssten weniger lesen, es spart Papier oder Datenvolumen . Bei genauerer Prüfung dieses Rests stellt man jedoch leider fest, dass die Bundesregierung glaubt, das Problem des auf Verschwendung basierenden Wirtschaftens und Konsumierens ließe sich allein durch Subventionspro- gramme für die freie Wirtschaft, Forschungsförderung oder mit unverbindlichen Absichtserklärungen im Tenor von „müsste, könnte, wäre schön, werden wir prüfen“ lösen . Den Grundansatz der Ressourcenstrategie, das Wirt- schaftswachstum vom Ressourceneinsatz zu entkoppeln, unterstützt die Linke . Die Analyse der Fortschreibung des Programms – ProgRess II – macht jedoch deutlich, dass dieses Ziel bisher verfehlt wird . Damit steigender sozialer Ungleichheit, wachsender Umweltzerstörung und dem schleichenden Klimawandel wirkungsvoll begegnet werden kann, muss das Mantra des stetigen Wirtschaftswachstums kritisch hinterfragt werden . Wachstum um des Wachstums willen ist die Philo- sophie einer Krebszelle . Da die Linke für eine gesunde Gesellschaft eintritt, muss die bisherige nur auf Mengen- wachstum ausgerichtete Wirtschaft verändert werden . Allein das Ziel, dass der Ressourcenverbrauch langsamer als die Wirtschaftsleistung steigt, reicht nicht – vor al- lem, weil dies bisher größtenteils durch die Verlagerung ressourcenintensiver Wirtschaftsbereiche ins Ausland erreicht wurde . TTIP, CETA und andere Freihandelsab- kommen, die von dieser Bundesregierung gewollt wer- den, decken den Widerspruch auf zwischen den real exis- tierenden globalneoliberalen Wirtschaftskreisläufen, die sich jeder Reglementierung entziehen wollen, und dem Regierungshandeln und den schönen Zielen in Sonntags- reden und ProgRess-Programmen . Nichtsdestotrotz bringt die Fortschreibung des Pro- gramms ProgRess II qualitative Verbesserungen beim Bekämpfen einiger Symptome . Die Ökodesign-Richtli- nie, Effizienzberatungen, Ziele im Kreislaufwirtschafts- gesetz und Impulssetzung zur Ressourcenschonung un- terstützt die Linke . Leider handelt die Bundesregierung im Tagesgeschäft entgegengesetzt . Die Ökodesign-Richtlinie beschränkt sich auf die Leistung von Staubsaugermotoren, statt das Verhältnis von eingesetzter Energie zum notwendi- gen Saugergebnis zu bewerten . Wenn Hersteller dann die Motorleistung verringern und zum Erhalt der Saug- kraft die Arbeitsbreite an der Saugdüse reduzieren, dann verlängert sich die Arbeitszeit . Die eingesetzte Energie bleibt gleich: 1 200 Watt bei einer Stunde Arbeitszeit er- geben genauso viel wie 600 Watt bei zwei Stunden Ar- beitszeit, nämlich 1,2 Kilowattstunden . Aber ich verliere eine Stunde Freizeit . So geht es nicht . Uns als erfolgreiche Ressourcenschonung die Ein- führung freiwilliger Abgaben auf Plastetüten verkau- fen zu wollen, ist zwar nicht falsch, aber angesichts des Ausmaßes des deutschen Ressourcenverbrauches schon peinlich . Das Kreislaufwirtschaftsgesetz wird entgegen den for- mulierten Zielen novelliert; so wurde der Passus aus dem Elektro- und Elektronikgerätegesetz, nach dem Akkus in elektrischen Geräten nicht fest verbaut werden durften, gestrichen . Jetzt dürfen sie wieder fest eingebaut werden, und Verbraucher- und Umweltschützer sind fassungslos, ein Bärendienst für den Ressourcenschutz . Der Arbeitsentwurf des Wertstoffgesetzes zerstört re- gionale Kreisläufe und dehnt das transportintensive Ab- lasshandelprinzip der Dualen Systeme auf Wertstoffe im Haushaltsabfall aus . Damit entgehen den kommunalen Abfallentsorgern Einnahmen, was unweigerlich zur Er- höhung der Abfallgebühren führt . Die Linke nimmt Ressourcenschutz und Ressourcen- effizienz ernst, deshalb betrachten wir die gegenwärtige konsumorientierte Lebens- und Wirtschaftsweise kri- tisch . Als erste Schritte zu einer ressourcenschonenden Ge- sellschaft schlägt die Linke folgende Maßnahmen vor: erstens Pfandpflicht auf Elektrogeräte, zweitens Min- destnutzungsdauern von technischen Produkten, drittens Einführung einer Ressourcenverbrauchsabgabe, viertens sozial-ökologische Ausrichtung der Abfallwirtschaft, fünftens ein weitgehendes Verbot von Plastetüten, sechs- tens Pfandpflicht für Einweggeschirr, wie beispielsweise To-go-Becher . Liebe Koalition, stecken Sie weniger Kraft in blumi- ge Formulierungen in Ressourceneffizienzprogrammen. Investieren Sie stattdessen in Maßnahmen, wie von der Linken vorgeschlagen . Peter Meiwald (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir alle wissen: Der Ressourcenverbrauch in Deutschland muss gesenkt werden . Auch und gerade hierzulande ver- brauchen wir mehr Ressourcen, als unser Planet hergibt . Wir leben auf Kosten unserer Kinder und Kindeskinder Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 201618210 (A) (C) (B) (D) sowie vieler Menschen in den Rohstofflieferländern des globalen Südens . Auch die Bundesregierung teilt diese Einsicht . Doch jetzt muss entschlossenes Handeln folgen . Damit tut sich die Bundesregierung schwer: Das Ressourceneffi- zienzprogramm ist bei weitem nicht ambitioniert genug . Die Ziele sind viel zu vorsichtig formuliert . Kein Wun- der, denn ProgRess II enthält zu wenige konkrete, mit Finanzmitteln hinterlegte Maßnahmen dafür, den Res- sourcenverbrauch insgesamt zu drosseln, zu einer richti- gen Kreislaufwirtschaft zu kommen und insgesamt eine Lebens- und Wirtschaftsweise zu entwickeln, die enkel- tauglich ist . ProgRess II hat das Ziel, den Trend der Gesamtroh- stoffproduktivität fortzusetzen . Bis zum Jahr 2030 soll die Effizienz der Rohstoffnutzung um 30 Prozent ge- genüber 2010 steigen . Das ist gut, doch es genügt nicht . Wie will die Bundesregierung sicherstellen, dass über die Steigerung der Rohstoffproduktivität hinaus auch der absolute Ressourcenverbrauch gesenkt wird? Das ist dringend nötig; denn würden alle Menschen der Erde so leben wie wir in Deutschland, bräuchten wir 2,6 Plane- ten. Doch Suffizienzmaßnahmen scheint die Bundesre- gierung zu scheuen wie der Teufel das Weihwasser . Der vorgestern von der Koalition eingebrachte Ent- schließungsantrag zu ProgRess II liest sich stellenwei- se wie ein Antrag der Opposition und bringt viele gute Vorschläge ein . Warum hat die Bundesregierung sie nicht einfach selbst umgesetzt? Zum Beispiel in puncto Pro- duktverantwortung: Beim Wertstoffgesetz hat die Bun- desregierung immer noch die Chance, die Produktverant- wortung im Sinne einer echten Kreislaufwirtschaft auf stoffgleiche Nichtverpackungen auszuweiten, stattdessen aber scheint sie nicht nur das bisherige, ineffektive Sys- tem der geteilten Verantwortlichkeit mit großer Rechts- unsicherheit für die Kommunen weiter zementieren zu wollen . Nein, auch die nachweislich ressourcenschonen- de Mehrwegquote für Getränkeverpackungen soll auf diesem Weg stillschweigend beerdigt werden . Unterdessen steigt der Plastikmüllberg weiter an . Deutschland ist jetzt schon Europameister im Produ- zieren von Verpackungsmüll – insgesamt und auch pro Kopf . Alleine die Menge von Kunststoffverpackungen hat in Deutschland seit 2009 um fast ein Drittel zuge- nommen . Hier wird deutlich: Zwischen Anspruch und Wirklichkeit beim Ressourcenschutz klafft in Deutsch- land immer noch eine große Lücke . Wir Grüne zeigen in unserem Antrag „Ressourcenver- schwendung stoppen“ deshalb konkrete Maßnahmen auf, wie wir den absoluten Ressourcenverbrauch in Deutsch- land signifikant senken können. Die im Bürgerratschlag der Bundesregierung formulierten Forderungen aus der Zivilgesellschaft bieten gute Anhaltspunkte und machen deutlich, dass die Bürgerinnen und Bürger hier bereits weiter sind als die Politiker der großen Koalition . Die Bürgerinnen und Bürger hatten sogar vorgeschlagen, eine Primärrohstoffsteuer zu erheben . Im ProgRess-II-Ent- wurf fehlen ökonomische Anreize für Ressourcenschutz praktisch vollständig . Zudem sprachen sich die Beteiligten am Bürgerrat- schlag zu ProgRess II dafür aus, den Verbrauch von Plas- tiktüten drastisch zu reduzieren, Einwegverpackungen einzusparen, den geplanten Verschleiß von Produkten zu bekämpfen und öffentliche Verkehrsmittel und Carsha- ring zu fördern . Das sind alles sehr sinnvolle Forderungen . Doch diese Dinge kommen nicht von selber . Nur ein einfacher Ap- pell an die Bürger zum nachhaltigen Konsum wird der Verantwortung der Bundesregierung in keiner Weise ge- recht . Die Bundesregierung muss sich als Vorreiter und nicht als Bremser für mehr Ressourcenschutz positionie- ren . Ressourcenpolitik sollte als Zentrum des politischen Handelns betrachtet werden und nicht immer nur als An- hängsel zum Beispiel der Energieeffizienzpolitik. Hierfür muss ein klarer Rahmen gesetzt und Regeln verbindlich festgeschrieben werden . Deshalb: Ein Ressourcenschutzgesetz als Baustein für eine enkeltaugliche Politik muss her, in dem dann zum Beispiel auch klare Vorgaben für das öffentliche Be- schaffungswesen und die zukunftsfähige Ausgestaltung von Ausschreibungen geregelt werden . Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl . Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Ein schonender und gleichzeitig effizienter Umgang mit natürlichen Ressourcen ist eine Schlüsselkompetenz zukunftsfähiger Gesellschaften . Deutschland hat die besten Voraussetzungen, bei diesem notwendigen Wandel zu einer ressourceneffizienten Wirt- schaftsweise voranzugehen und zu einer der weltweit ressourceneffizientesten Volkswirtschaften zu werden. Diesen Prozess wollen wir mit dem Programm zur nachhaltigen Nutzung und zum Schutz der natürlichen Ressourcen – kurz ProgRess – unterstützen . Mit Prog- Ress strebt die Bundesregierung an, Wirtschaftswachs- tum und Wohlstand möglichst weitgehend vom Ressour- ceneinsatz zu entkoppeln und damit Umweltbelastungen zu reduzieren . Ziel ist es dabei, die Inanspruchnahme von Rohstoffen weiter zu reduzieren . Gleichzeitig soll aber auch zur Sicherheit der Rohstoffversorgung der deutschen Wirtschaft und zur Minderung von zu starken Preisschwankungen an den Rohstoffmärkten beigetragen werden . Die Bundesregierung ist verpflichtet, dem Bundestag alle vier Jahre über die Ressourceneffizienz in Deutsch- land zu berichten, die Fortschritte zu bewerten und das Programm fortzuentwickeln . Mit ProgRess II, das Ihnen nun vorliegt, haben wir das im März des Jahres getan . Ich freue mich, wenn Sie heute durch einen Beschluss die Bedeutung des Themas für den Bundestag erneut un- terstreichen, und bedanke mich bei den Fraktionen für die Debatten und die hervorragende Arbeit, die diese Be- schlussempfehlung möglich gemacht haben . Das Programm gibt in seinem Berichtsteil einen Über- blick über die Umsetzung in den Jahren 2012 bis 2015 und benennt die wesentlichen Aktivitäten . Die Rohstoffproduktivität entwickelt sich insgesamt in die gewünschte Richtung, und die verwendeten Indi- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 2016 18211 (A) (C) (B) (D) katoren deuten darauf hin, dass das Wirtschaftswachstum tendenziell vom Rohstoffeinsatz entkoppelt wurde . Das Programm hat sehr dazu beigetragen, den Blick auf die Ressourcennutzung zu lenken, und es hat eine Vielzahl von Aktivitäten auf allen Ebenen ausgelöst . Auch international gewinnt das Thema immer mehr an Bedeutung, nicht zuletzt durch deutsche Initiative auf G7-Ebene . Bei der Weiterentwicklung des Programms im zwei- ten Teil haben wir auf den Erfahrungen der letzten Jahre aufgebaut . Die Indikatoren und Ziele wurden überprüft und ergänzt . Für den neuen, methodisch verbesserten In- dikator „Gesamtrohstoffproduktivität“ haben wir uns als Ziel eine Steigerung um 30 Prozent bis 2030 gegenüber 2010 vorgenommen . Struktur und Themenfelder wurden im Wesentlichen beibehalten . Die Aspekte „Nachhalti- ges Bauen und nachhaltige Stadtentwicklung“ sowie die „Ressourceneffizienz von Produkten der Informations- und Kommunikationstechnik (IKT)“ wurden durch ei- genständige Kapitel stärker einbezogen . Wo sinnvoll, sollen bei den Maßnahmen verstärkt Energie- und Mate- rialströme gemeinsam betrachtet werden . Wir haben mit dem Deutschen Ressourceneffizienz- programm viel erreicht . Ressourcenschutz muss im All- tag gelebt und durchgesetzt werden, und zwar auf allen Ebenen . Ich bitte Sie daher, unsere Arbeit mit ProgRess und seine Fortentwicklung weiter zu unterstützen . Anlage 27 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Sachverständigenrechts und zur weiteren Än- derung des Gesetzes über das Verfahren in Famili- ensachen und in den Angelegenheiten der freiwilli- gen Gerichtsbarkeit (Tagesordnungspunkt 32) Sebastian Steineke (CDU/CSU): Lassen Sie mich eines vorwegnehmen: Sachverständige sind für die Auf- klärung komplizierter Sachverhalte im Gerichtsprozess ein wichtiger Baustein und daher unverzichtbar . Die Richterinnen und Richter sind zuweilen auf ihre Experti- se angewiesen, um bei ihrer Entscheidungsfindung eine objektive Sicht der für sie oftmals fachfremden Dinge zu bekommen . Der öffentlichen Berichterstattung ist immer häufiger zu entnehmen, dass die Unabhängigkeit und Neutralität von gerichtlich bestellten Sachverständigen von den Bürgerinnen und Bürgern teilweise infrage ge- stellt werden . Zudem wird die Qualität gerichtlicher Gut- achten regelmäßig angezweifelt . Diese Sorgen nehmen wir als Koalition ernst . Daher setzen wir nun eine auf Betreiben von CDU und CSU im Koalitionsvertrag ver- ankerte Vorgabe mit diesem Gesetz um . Was ändern wir nun im Einzelnen? Künftig müssen Sachverständige in allen Stadien des Gerichtsverfahrens prüfen, ob sie mit der Übernahme oder Durchführung des Auftrags in einem Interessenkonflikt stehen. Denk- bar ist dies, wenn ein Sachverständiger zum Beispiel ei- ner Prozesspartei persönlich sehr nahe steht oder bereits mehrfach für eine Seite tätig geworden ist . Eine solche Regelung hat natürlich keinen Wert, wenn sie nicht sank- tionsbewehrt ist . Auf Initiative der Union haben wir da- her in dem Gesetz bei Verletzung der Offenlegungspflicht durch den Sachverständigen die mögliche Verhängung eines Ordnungsgeldes durch das Gericht geregelt . Zudem verliert der Sachverständige seinen Vergütungsanspruch, wenn er gegen die Eigenüberprüfung verstößt . Weiterhin wird die Möglichkeit einer Anhörung durch das Gericht vor Ernennung des Sachverständigen einge- führt . Bislang stützte sich die Anhörung in der gerichtli- chen Praxis auf den allgemeinen Verfassungsgrundsatz des rechtlichen Gehörs nach Artikel 103 Absatz 1 des Grundgesetzes . Ein Überprüfungs- und Fragerecht der Parteien konnte bis dato erst im Rahmen eines Termins zur mündlichen Anhörung des bereits bestellten Sachver- ständigen zur Darlegung seines Gutachtens nach § 411 Absatz 3 Zivilprozessordnung ausgeübt werden . Um das Verfahren jedoch nicht unnötig zu verzögern, liegt eine Anhörung im Ermessen des Gerichtes . Eine Flexibilität des Gerichtes war uns als Union hierbei wichtig, da wir mit dem Gesetz auch dem Ziel einer Effektivierung und Beschleunigung der Zivilprozesse Rechnung tragen wol- len . Ein weiterer Punkt ist die nunmehr obligatorische Fristsetzung für die Abgabe eines Gutachtens durch das Gericht . Was in der Praxis bereits in mehr als der Hälfte der amts- und landgerichtlichen Zivilverfahren erster In- stanz üblich und bislang als Sollregelung in der Zivilpro- zessordnung verankert war, wird nun gesetzlich festge- schrieben . Kommt der Sachverständige innerhalb dieser Frist seiner Pflicht zur Abgabe des Gutachtens nicht nach, soll das Gericht ein Ordnungsgeld in Höhe von bis zu 3 000 Euro verhängen . Bislang war eine entspre- chende Sanktion entsprechend Artikel 6 Absatz 1 Satz 1 des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch nur bis zu 1 000 Euro möglich . Bei der Fristsetzung wird das Ge- richt in der Praxis natürlich weiterhin die Arbeitsbelas- tung des Beauftragten und den zu erwartenden Umfang des Gutachtens berücksichtigen . Auch die Nachfristset- zung gemäß § 224 Absatz 2 Zivilprozessordnung bleibt auf begründeten Antrag des Sachverständigen weiterhin möglich . Bei der Beratung dieses Gesetzes war uns wichtig, dass wir einen vernünftigen Interessenausgleich erreicht haben . Sachverständige dürfen durch die Neuregelungen nicht davon abgeschreckt werden, zukünftig gerichtliche Aufträge anzunehmen . In einigen, vor allem ländlichen, Regionen ist die Zahl an geeigneten verfügbaren Sach- verständigen leider immer noch sehr gering . Auf der an- deren Seite müssen wir dennoch dafür sorgen, dass die Unabhängigkeit und Neutralität gewährleistet werden und sich dadurch auch die Gutachtenqualität erhöht . Dies sind wir im Übrigen auch den vielen gut und redlich ar- beitenden Gutachtern schuldig . Ich denke, das haben wir mit der Vorlage sehr gut hinbekommen . Die Neutralität und Unabhängigkeit von Sachver- ständigen ist ein wichtiges Gut, um das Vertrauen der Menschen in unseren Rechtsstaat zu stärken und die Ak- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 201618212 (A) (C) (B) (D) zeptanz von Gerichtsentscheidungen zu gewährleisten . Mit dieser Gesetzesänderung schaffen wir eine größere Transparenz beim Auswahlverfahren durch das Gericht und stärken die Beteiligungsrechte der einzelnen Partei- en . Insofern sind wir nun ein gutes Stück weiter . Ich möchte an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich unseren Sachverständigen in der öffentlichen Anhörung danken, die uns noch viele wertvolle Hinweise aus der Praxis an die Hand gegeben haben . Dies hat uns in den weiteren Beratungen deutlich geholfen . Dr. Sabine Sütterlin-Waack (CDU/CSU): Wir de- battieren hier heute in 2 ./3 . Lesung einen Gesetzentwurf, der sich mit der Qualität von Sachverständigengutach- ten in Familiensachen befasst . Bei der Frage, wo Kinder nach der Trennung ihrer Eltern behüteter aufwachsen, eine bessere Zukunft haben, bedienen sich Richter oft des Sachverstandes von Fachleuten im Rahmen eines Sachverständigengutachtens, welches dann zur Grund- lage ihrer Entscheidung gemacht wird . Bislang müssen diese Sachverständigen keine Qualifikation nachweisen. Dieses ändern wir jetzt mit dem vorliegenden Gesetz . Sie müssen zukünftig zumindest über eine psychologische, psychotherapeutische, kinder- und jugendpsychiatrische, psychiatrische, ärztliche, pädagogische oder sozialpäda- gogische Berufsqualifikation verfügen. Da bei Gutachten in Kindschaftssachen die Diagnostik und nicht die The- rapie im Vordergrund steht, haben wir in der parlamen- tarischen Befassung noch ausführlich über einen Zusatz für Pädagogen und Sozialpädagogen diskutiert . Diese Berufsgruppen sollen nun über ausreichende diagnosti- sche und analytische Kenntnisse durch anerkannte Zu- satzqualifikationen verfügen. So stellen wir sicher, dass Sachverständige Gutachten von hoher Qualität erstellen, die dann dazu führen, dass Richter die beste Entscheidung zum Wohle der Kinder fällen . Damit möchte ich einen anderen, aber genauso wich- tigen Aspekt ansprechen . Um die Qualität der familien- gerichtlichen Verfahren weiter zu stärken, ist es nicht ausreichend, nur das Sachverständigenrecht zu reformie- ren . Es ist auch notwendig, die gesetzlichen Eingangs- voraussetzungen für eine Tätigkeit als Familienrichter zu erhöhen . Denn es ist die Aufgabe der Richterschaft, qualifizierte Sachverständige auszuwählen, die richtigen Fragen zu stellen und vor allem das Gutachten auf seine Verwertbarkeit hin zu überprüfen . Ich möchte aber auch nicht missverstanden werden . Ich sehe grundsätzlich die familienrechtlichen Verfahren in kompetenten Händen . Die Praxis zeigt aber auch, dass teilweise junge Rich- ter als Familienrichter eingesetzt werden, die die erfor- derlichen familienrechtlichen Kenntnisse, insbesondere Grundkenntnisse des Kindschaftssrechts, anfangs nicht beherrschen und sie erst mit der Berufserfahrung erwer- ben . Deswegen sehen wir an dieser Stelle einen weiteren gesetzgeberischen Handlungsbedarf, der in unserem Ent- schließungsantrag zum Tragen kommt . In dem Gesetzespaket ist auch eine Neuregelung des § 145 Absatz 3 FamFG zu finden. Dabei geht es um die Möglichkeit der Anschlussbeschwerde von Ehegatten, wenn ein Versorgungsträger im Rahmen des Versor- gungsausgleiches durch das Gericht zum Beispiel ver- gessen wurde, also nicht am Verfahren beteiligt wurde . Falls durch die nachträgliche Auskunft das Gesamtkon- strukt im Scheidungsverbund, oft bestehend aus Versor- gungsausgleich, Zugewinnausgleich und Unterhalt, ins Wanken gerät, können nun auch die Eheleute sich der Beschwerde des Versorgungsträgers anschließen . Aber, und das ist wichtig, der Scheidungsausspruch wird da- durch nicht berührt . Die Scheidung bleibt rechtskräftig und kann nicht im Rahmen dieser Art von Beschwerde angegriffen werden . Damit begegnen wir einem Pro- blem, das gelegentlich zu Doppelehen geführt hat . In- sofern ist auch dieses ein Element zur Klarstellung im Familienrecht . Darüber hinaus führen wir mit dem Gesetz einen neu- en Rechtsbehelf ein, mit dem Beteiligte in bestimmten kindschaftsrechtlichen Verfahren gegen unbegründete Verfahrensverzögerungen vorgehen können . Für den ersten Regierungsentwurf war ein relativ kompliziertes Konstrukt gewählt worden, welches in der öffentlichen Anhörung bei den Sachverständigen wenig Zustimmung fand . Daraufhin haben sich die maßgeblich Beteiligten unter Hinzuziehung der Sachverständigen zusammenge- setzt, ein verbessertes Mittel der Rüge und Beschwerde entwickelt, die den Voraussetzungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte standhält . Wir haben nun in Kindschaftssachen eine präventive und kompen- satorische Rügemöglichkeit . Ich will nicht verhehlen, dass mir die Begriffe Be- schleunigungsrüge und Beschleunigungsbeschwerde nicht gefallen, weil wir natürlich nicht die Beschleuni- gung rügen . Leider hat keiner der von mir unterbreiteten Vorschläge die Zustimmung des Ministeriums gefunden, sodass wir zunächst bei dem etwas unglücklichen Begriff der Beschleunigungsrüge bleiben . Verbesserungsvor- schläge werden hier jedoch gerne entgegengenommen . Abschließend enthält der Entwurf noch eine Ände- rung zum Zeitpunkt der Rechtshängigkeit bei Entschä- digungsklagen und es ist wichtig, darauf hinzuweisen . In der letzten Legislaturperiode ist die Entschädigungsklage eingeführt worden . Man wollte – so ergibt es sich aus der Gesetzesbegründung –, dass die Entschädigungskla- gen in allen Gerichtsbarkeiten in Abhängigkeit zu der vorherigen Gebührenzahlung stehen . Dieses ist nicht geschehen . In zivilgerichtlichen Verfahren wird die ein- gegangene Klage zunächst nur anhängig und erst mit Zustellung nach Zahlung eines Gerichtskostenvorschus- ses rechtshängig. In sozial-, verwaltungs- und finanz- gerichtlichen Verfahren ist die Klage bereits mit ihrem Eingang bei Gericht rechtshängig . Das Verfahren muss also ab diesem Zeitpunkt grundsätzlich betrieben wer- den . Dem Erfahrungsbericht der Bundesregierung über die Anwendung des Gesetzes zufolge kommt es dadurch aber zu großer Unsicherheit, welche Rechtsfolgen sich für die Rechtshängigkeit ergeben, wenn der Gerichts- kostenvorschuss für die Entschädigungsklage – auch nach gerichtlicher Fristsetzung – nicht einbezahlt wurde . Dieser Unsicherheit wollen wir begegnen und dem ur- sprünglichen Ansinnen des Gesetzgebers nachkommen und nun in allen Gerichtszweigen dafür sorgen, dass Ent- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 2016 18213 (A) (C) (B) (D) schädigungsklagen bei allen Gerichten erst rechtshängig werden, wenn die Klage nach Zahlung des Vorschusses zugestellt worden ist . Alles in allem also eine Verbesserung der Rechtssitua- tion, und darum sollte es ja immer gehen . Sonja Steffen (SPD): Die meisten Menschen erle- ben in ihrem Leben eher selten Gerichtsverfahren . Aber wenn es denn dazu kommt, dann wollen sie ein faires Verfahren, neutrale Richter und Richterinnen, rechtliches Gehör und vor allem einen gerechten und zügigen Ab- schluss des Verfahrens . Andererseits wissen wir aber auch, dass es im Laufe eines Gerichtsverfahrens oftmals eines Gutachtens be- darf, weil der juristische Sachverstand der Richterinnen und Richter nicht ausreicht, um sich ein Urteil zu bilden . Ob dies technische, bauliche oder aber auch familiäre Angelegenheiten betrifft: Es ist gut und wichtig, dass un- ser Rechtssystem die Beteiligung von Sachverständigen ermöglicht . Und wir sind uns alle einig, dass wir über ausgezeichnete Expertinnen und Experten verfügen, die Gerichtsverfahren mit ihrem Sachverstand bereichern . Notwendigerweise ist es aber auch so, dass sich Ver- fahren durch die Erstellung von Sachverständigengutach- ten verlängern, insbesondere weil sie sorgfältig erarbeitet werden müssen . Und wir müssen auch feststellen, dass der Ausgang der meisten Verfahren entscheidend von dem Ergebnis des Gutachtens abhängt . Daher kommt dem Gutachten entscheidende Bedeutung zu! In der Vergangenheit gab es höchstinstanzliche Ent- scheidungen und Berichte von Betroffenen, die an der einen oder anderen Stelle Mängel am Sachverständigen- recht festgestellt haben . Vor allem den familienrechtlichen Prozessen, deren Ausgang über familiäre Schicksale entscheidet, gilt unser besonderes Augenmerk . In der Regel hängt für alle Pro- zessbeteiligten sehr viel von dem Ausgang des Prozesses ab . Insbesondere Kinder leiden neben der Trennung der Eltern unter den Strapazen, die ein gerichtlicher Prozess mit sich bringt . Eine Beschleunigung der Prozesse kann die Belastung verringern und bringt vor allem den Kin- dern schneller die erwünschte Klarheit . Durch das hier in 2 . und 3 . Lesung beschlossene Ge- setz zum Sachverständigenrecht werden Gerichtsprozes- se beschleunigt und gleichzeitig die Qualität der Gut- achten sichergestellt . Durch die neuen Instrumente zur Sicherstellung der Neutralität der Sachverständigen wer- den Anfechtungsgründe verhindert und fairere Gerichts- verfahren ermöglicht . Die aktuelle Praxis zeigt, dass bei Fristversäumnis- sen durch die Sachverständigen in der Regel keine Ord- nungsgelder verhängt werden . Durch die in dem Gesetz beschlossenen Fristsetzungen und Beschleunigungsrü- gen werden deshalb schuldhaft versäumte Fristen mit einem Ordnungsgeld von bis zu 3 000 Euro bestraft . Den Richtern und Richterinnen bleibt jedoch weiterhin die Möglichkeit, durch Fristverlängerungen möglichem Mehraufwand oder anderen Gründen für eine Verzö- gerung Rechnung zu tragen . Die Verhängung des Ord- nungsgeldes soll daher die Ausnahme bleiben . Ich gehe deshalb nicht davon aus, dass, wie von einigen Seiten befürchtet, Prozesse in die Länge gezogen werden, da sich zukünftig keine Sachverständigen mehr bereit erklä- ren, ein Gutachten zu erstellen . Vielmehr wird sich für die meisten Sachverständigen gar nichts ändern, weil sie schon jetzt ihre Gutachten mit der nötigen Sorgfalt, aber auch zügig erstellen . Die in diesem Gesetz außerdem verankerten Min- destqualifikationsanforderungen für Sachverständige in Familienrechtsprozessen sorgen für eine höhere Qualität der Gutachten . Damit wird nicht nur sichergestellt, dass die Richterinnen und Richter die notwendigen Grundla- gen zur Verfügung gestellt bekommen, um die für das Kindeswohl beste Entscheidung zu treffen, sondern auch, dass die Anfechtbarkeit und mögliche Aufhebung der Ur- teile durch mangelhafte Gutachten eingeschränkt wird . Belastungen für die betroffenen Familien werden somit reduziert . Dass Pädagogen und Sozialpädagogen ihre Qualifikation durch Zusatzqualifikationen nachweisen müssen, wird der Vielfalt der Berufsgruppen gerecht und bietet den Prozessbeteiligten weitere Rechtssicherheit . Aus unserem Entschließungsantrag wird deutlich, dass uns die Qualitätsverbesserung in Familienrechtsprozes- sen weiterhin ein wichtiges Anliegen ist und es Zeit ist, dass die Länder gemeinsam mit der Bundesregierung ein Gesetz erarbeiten, in dem auch besondere Eingangsvor- aussetzungen für Familienrichterinnen und Familienrich- ter eingeführt werden . Dabei ist es mir wichtig zu beto- nen, dass eine Großzahl der Prozesse durch qualifizierte und engagierte Familienrichterinnen und Familienrichter geführt werden, die den komplexen Herausforderungen des Rechtsgebietes gerecht werden . Dies durch eine obli- gatorische Weiterbildung zum Standard zu machen, soll- te unser nächstes Ziel sein . Schließlich haben wir durch die Einführung eines neu- en Verfahrensinstrumentes dafür gesorgt, dass zukünftig gerade in Kindschaftssachen ein beschleunigtes Verfah- ren durchgesetzt werden kann . Die Beschleunigungsrüge und die Beschleunigungsbeschwerde bieten hier die rich- tigen Ansätze . Zum Schluss lässt sich sagen, dass es uns mit diesem Gesetz durch gemeinsame Arbeit von Ministerium, Ab- geordneten und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Arbeitsgruppen, der Ausschüsse und MdB-Büros gelun- gen ist, einen weiteren Punkt des Koalitionsvertrages zu erfüllen . Jörn Wunderlich (DIE LINKE): Liebe Leser, ich möchte mich zunächst vollinhaltlich auf meine erste Pro- tokollrede zu diesem Gesetz beziehen, soweit sich durch Änderungsbeschlüsse nichts Neues ergeben hat . Zu den Neuerungen lässt sich Folgendes feststellen: Der Entschließungsantrag der Koalitionsfraktion ist positiv zu beurteilen, da er die Bundesregierung auffor- dert, einen Gesetzentwurf zu erarbeiten, mit welchem an- gemessene Eingangsvoraussetzungen für Familienrichter eingeführt werden . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 201618214 (A) (C) (B) (D) Dies ist im Rahmen der Anhörung zu diesem Gesetz von etlichen Sachverständigen gefordert worden . Die gleiche Forderung, nur konkreter ausgestaltet, findet sich im Entschließungsantrag meiner Fraktion . Überdies auch noch Forderungen an die Qualität von Gutachten . Gleichwohl wurde bereits im Ausschuss unser Entschlie- ßungsantrag abgelehnt, wohl auch aus dem Grund, dass Die Linke es nicht gutheißen kann, wenn die Rechtshän- gigkeit von Klagen vor den Sozialgerichten, den Verwal- tungsgerichten und den Finanzgerichten von der Zahlung eines Kostenvorschusses abhängig gemacht werden soll . Anstatt die Ursachen der vermehrten Klagen vor den Sozialgerichten anzugehen, baut der Staat hier Hürden für Klagen auf, um sich vor Ansprüchen gegen sich selbst zu schützen . Dies muss man unter anderem im Zusammenhang mit dem Pflegestärkungsgesetz und dem Bundesteilhabegesetz sehen, wo mit einer Vielzahl von Klagen der Betroffenen zu rechnen ist und diese ganz offensichtlich mit der Kostendrohung abgewehrt werden sollen . Da hier wieder durch ein sogenanntes Omnibusver- fahren durch den Änderungsantrag ganz erhebliche Änderungen in anderen Gesetzen erfolgen sollen zum Schutze der Finanzminister und zum Nachteil der betrof- fenen Bevölkerung, kann Die Linke dieses Gesetz auch bei den vorhandenen positiven Effekten nur ablehnen . Deshalb wird dieses Gesetz auch wieder zu nacht- schlafender Zeit ohne mündliche Aussprache „durch- gewunken“, in der Hoffnung, dass es zunächst keinem weiter auffällt . Aus diesem Grunde halte ich auch von den sogenann- ten „Protokollreden“ gar nichts . Selbst die Mitglieder der einzelnen Fraktionen wis- sen im Zweifel nicht, warum sie bei einem Gesetz ent- sprechend abstimmen, da sie das Für und Wider zu dem entsprechenden Gesetz erst nach der Abstimmung im Protokoll nachlesen können . Und das Argument, dass in solchen Fällen nur die Fachpolitiker anwesend sind, wel- che wissen, worum es geht, führt geradezu zwingend zur Nichtbeschlussfähigkeit des Bundestages, womit eine Vielzahl von Gesetzen nicht ordnungsgemäß zustande gekommen sein dürften . Aus diesem Grunde sollten die „Reden zu Protokoll“ grundsätzlich abgeschafft werden, die Dauer der Plenar- sitzungen auf ein zeitlich erträgliches Maß beschränkt werden und, da die Parlamentarier sich nicht in der Pro- duktion von Papieren einschränken können, die Zahl der Sitzungswochen in Berlin erhöht werden . Insoweit kann ich mich nur der Forderung des Bundestagspräsidenten Lammert anschließen, die Zahl der Sitzungswochen an- zuheben, um der Zahl der Drucksachen Herr zu werden . Protokollreden sind aus parlamentarischer Sicht, um es mit H .-P . Kerkelings Worten zu sagen, „Hurz“ . Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Jetzt ha- ben Sie sich also tatsächlich entschieden, mit dem Gesetz über die Sachverständigen auch noch die Omnibusgeset- ze, zu denen es keine erste Lesung gegeben hat, im Wege des Änderungsantrages hier zur Abstimmung aufzuset- zen . Das ist wirklich mehr als bedauerlich, da die Ex- pertenanhörung überdeutlich gemacht hat, wie groß der Änderungsbedarf zur Verzögerungsrüge bei überlangen Verfahren geraten war . Als Folge dieser Anhörung hätte es nur eine Schlussfolgerung geben dürfen: Beide Geset- zesvorschläge wieder trennen und die Verzögerungsrüge nochmal in neuer Form und in einem ordentlichen Ver- fahren ins Parlament einbringen . Dann hätten Sie heute von uns auch eine Zustimmung zur Regelung über die Sachverständigen bekommen können . Die Änderungen sowohl in der ZPO als auch gerade im familiengerichtlichen Verfahren hatten wir bereits in der ersten Lesung grundsätzlich begrüßt . Das Ord- nungsgeld bei verspäteter Erstellung eines Gutachtens ist jetzt nicht mehr obligatorisch, und die Vernehmung des Kindes sowohl als Zeuge als auch als Beteiligter ausge- schlossen . Beide Änderungen halte ich für sinnvoll . In der Anhörung hatten die Experten die pädagogische oder sozialpädagogische Berufsqualifikation als Vorausset- zung überwiegend kritisch gesehen . Das haben Sie jetzt ergänzt um eine weitere diagnostische und analytische Zusatzqualifikation. Ich könnte mir zwar nach wie vor noch höhere Anforderungen an die Sachverständigen in Kindschaftsverfahren vorstellen, aber jetzt kann man mit den verbesserten Anforderungen erstmal sehen, wie sich diese bewähren . Bleibt noch die Frage offen, warum wir den § 163 FamFG nur auf Kindschaftssachen nicht auch auf Vor- mundschaften und Pflegschaften anwenden? Insgesamt ist die Regelung in jedem Fall ein Fortschritt zu dem bis- herigen Zustand und verdient unsere Zustimmung . Schwieriger wird es mit dem Omnibusgesetz zur Ver- zögerungsrüge, die jetzt plötzlich Beschleunigungsrüge heißen soll . Sie mussten hier endlich was vorlegen, weil sie von europäischer Seite unter Druck stehen . Ein or- dentliches Gesetzgebungsverfahren mit erster und zwei- ter Lesung hätte aber durchaus nicht geschadet . Ihr erster Entwurf eines Änderungsantrages ist in der Expertenanhörung schlicht durchgefallen, ein bürokrati- sches Monster, das die Verfahren eher weiter verzögert als beschleunigt hätte . Nach dieser Anhörung hätten sie den Omnibus auf jeden Fall abkoppeln und ein ordentli- ches Verfahren durchführen müssen . Auf jeden Fall sieht die neue Konstruktion wesentlich übersichtlicher aus als die bisherige – das war ja auch nicht schwierig . Sie haben jetzt zu Recht auf die unsägliche Differenzierung zwischen einfacher und qualifizierter Rüge verzichtet. Insgesamt hat der jetzige Vorschlag sehr viel Ähnlichkeit mit dem Vorschlag des von uns Grünen benannten Sach- verständigen . Eine weitere Änderung betrifft die Rechtshängigkeit von Entschädigungsklagen wegen überlanger Verfah- rensdauer vor öffentlich-rechtlichen Gerichtsbarkeiten, also Sozialgericht, Verwaltungsgericht und Finanzge- richt . Für diese Entschädigungsklagen wollen Sie mit dem Grundsatz brechen, dass Klagen vor öffentlichen Gerichtsbarkeiten schon mit Einreichung der Klage und nicht erst mit Zahlung des Gerichtskostenvorschusses anhängig werden . Dieser Grundsatz hat aber im öffent- lichen Recht durchaus seine Berechtigung, weil der Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 183 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 7 . Juli 2016 18215 (A) (C) (B) (D) Bürger sich hier, anders als in der Zivilgerichtsbarkeit, in einem Über- und Unterordnungsverhältnis gegenüber dem Staat befindet, und zwar im doppelten Sinne. Anders als in der Zivilgerichtbarkeit richtet sich hier nicht erst die Entschädigungsklage gegen eine staatliche Instituti- on, sondern bereits das ursprüngliche Klagebegehren des Bürgers . Wenn hier in Ihrer Begründung von Gleichbehand- lung die Rede ist, dann müssen Sie schon Gleiches gleich und Ungleiches ungleich behandeln . Es geht eben gerade nicht um Gleichbehandlung mit der Zivilgerichtsbarkeit, sondern mit allen anderen Klagen, die gegen den Staat als solches gerichtet sind . Und da gilt eben, dass die Klagen der Bürgerinnen und Bürger rechtshängig werden, un- abhängig von der Einzahlung eines Gerichtskostenvor- schusses . Das ist gegenüber dem Staat auf der Gegenseite auch richtig so und muss auch für Entschädigungsklagen seine Geltung haben . Diese Gesetzesänderungen lehnen wir daher ab . Ins- gesamt bleibt uns so leider nur die Enthaltung, auch wenn wir der Änderung bei den Sachverständigen gerne zugestimmt hätten . Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de 183. Sitzung Inhaltsverzeichnis TOP 4 Regierungserklärung zum NATO-Gipfel TOP 5 Schutz der sexuellen Selbstbestimmung TOP 6 Vereinbarkeit von Arbeit und Leben TOP 38, ZP 2 Überweisungen im vereinfachten Verfahren TOP 39, ZP 3 Abschließende Beratungen ohne Aussprache TOP 18 Regulierung des Prostitutionsgewerbes TOP 8 Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz TOP 9, ZP 4 Sicherheits- und Friedenspolitik TOP 20 Bekämpfung des Menschenhandels TOP 11 Urheberrecht TOP 12 Integrationsgesetz TOP 13 Ausbau inklusiver Bildung TOP 14 Bundeswehreinsatz EUNAVFOR MED Operation SOPHIA TOP 15 Geschlechtergerechte Haushaltspolitik TOP 22 Stärkung des Wettbewerbs im Eisenbahnbereich TOP 17 Stuttgart 21 TOP 7 Austausch steuerrelevanter Daten von Unternehmen TOP 19 Nachtzugverkehr für klimaverträgliche Fernreisen TOP 10 Strafbarkeit von Sportwettbetrug TOP 21 Rente aus Beschäftigung in einem Ghetto TOP 16 Ausbau digitaler Hochgeschwindigkeitsnetze ZP 5 Änderung des Bundesmeldegesetzes TOP 24 Änderung betäubungsmittelrechtlicher Vorschriften TOP 25 Radargeschädigte der Bundeswehr und der NVA TOP 26 Friedensprozess in Kolumbien TOP 27 Änderung des SGB IV TOP 28 Errichtung eines Transplantationsregisters TOP 29 Änderung des Straßenverkehrsgesetzes TOP 30 Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Dienst TOP 31 Deutsches Ressourceneffizienzprogramm TOP 32 Sachverständigenrecht in Familiensachen Anlagen Anlage 1 Anlage 2 Anlage 3 Anlage 4 Anlage 5 Anlage 6 Anlage 7 Anlage 8 Anlage 9 Anlage 10 Anlage 11 Anlage 12 Anlage 13 Anlage 14 Anlage 15 Anlage 16 Anlage 17 Anlage 18 Anlage 19 Anlage 20 Anlage 21 Anlage 22 Anlage 23 Anlage 24 Anlage 25 Anlage 26 Anlage 27
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Halina Wawzyniak


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DIE LINKE.)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE LINKE.)


    Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kol-

    legen! Es wäre ein richtiges Signal gewesen, wenn wir
    uns fraktionsübergreifend auf eine Formulierung von
    „Nein heißt nein“ verständigt hätten .


    (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Wir werden dieses „Nein heißt nein“ jetzt – das ist gut
    so – mit übergroßer Mehrheit beschließen . Ich bin mir
    sicher, wenn wir uns fraktionsübergreifend zusammen-
    getan hätten, hätten wir ein Gesetz gehabt, bei dem es
    vorrangig um die sexuelle Selbstbestimmung geht . Was
    wir jetzt vorliegen haben, ist leider ein Gesetz, das in
    wesentlichen Teilen das Politikverständnis weißer alter
    Männer widerspiegelt;


    (Beifall bei der LINKEN – Widerspruch bei der CDU/CSU – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das ist unterirdisch, was Sie erzählen!)


    denn es ist offensichtlich bei der Union nicht möglich,
    die sexuelle Selbstbestimmung zu schützen, ohne gleich-
    zeitig das Strafrecht auf den Kopf zu stellen und das Aus-
    weisungsrecht auszuweiten .


    (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Wenn Sie sich einmal die Kollegin Winkelmeier Becker ansehen! Das ist ja wohl eine Frechheit!)


    Sie führen dazu, dass die Debatte um die Verankerung
    von „Nein heißt nein“ durch andere Debatten überlagert
    wird, und das ist bitter und widert mich an .


    (Beifall bei der LINKEN)


    Die kurzfristige, erst am Montag vorgelegte Ände-
    rung des Aufenthaltsrechts ist – mit Verlaub – eine miese
    Nummer . Vor allem Sie von der Union haben mit dieser
    Änderung einen Diskurs gestärkt, der unmittelbar nach
    den Vorfällen in Köln schon einmal lief, der dann aber so
    war, dass wir eine Debatte darum führen konnten, wie die
    sexuelle Selbstbestimmung gesichert werden kann . Jetzt
    müssen wir überall und immer wieder erklären, dass es
    gerade nicht so ist, dass die Zugezogenen für Straftaten
    nach dem Sexualstrafrecht besonders anfällig sind .


    (Beifall bei der LINKEN)


    Was tun Sie nun eigentlich, außer dass Sie eine Debatte
    vergiften? Sie haben gerade im März das Ausweisungs-
    recht geändert . Dort haben Sie das Strafmaß gesenkt
    und die Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung
    aufgenommen, sobald sie mit Gewalt begangen werden,
    durch Drohung mit Gefahr für Leib und Leben oder mit
    List – und das ist eben die überwiegende Anzahl der
    Straftaten, die wir bei § 177 StGB haben .

    Doch was tun Sie jetzt? Mit der Änderung ist es mög-
    lich, dass ein aufgedrängter Zungenkuss ein Grund sein
    kann, die Flüchtlingseigenschaft zu verlieren und ausge-
    wiesen zu werden .


    (Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Aufgedrängt, das finden Sie gut? Das finden Sie toll? – Ulli Nissen [SPD]: Ich möchte auch keinen aufgedrängten Zungenkuss haben! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU)


    Genau das wollen Sie, Herr Hoffmann, Sie sagen es
    gerade, und das ist angesichts der Tatsache Ihrer Rede
    im März, in der Sie lauter Einwände gegen „Nein heißt
    nein“ hatten – Sie erinnern sich: das war die peinliche
    Rede, wo die Dame die Kontrolle verliert und es dann
    zum Äußersten kommt –, mit Verlaub bigott .


    (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Sie haben offensichtlich das Thema Sexualstrafrecht erst
    nach den Vorfällen in Köln als Thema begriffen .


    (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Der Murks in diesem Gesetz wird auch noch einmal
    beim Gruppenparagrafen deutlich; Frau Keul hat bereits
    darauf hingewiesen . Was passiert da jetzt eigentlich?
    Menschen schließen sich zusammen, wollen jemandem
    das Smartphone oder die Geldbörse klauen, einer aus die-
    ser Gruppe begeht eine Sexualstraftat, und alle – alle! –
    aus dieser Gruppe sind wegen der Sexualstraftat bestraf-
    bar . Das ist absurd und widerspricht dem strafrechtlichen
    Schuldprinzip .

    Dr. Carola Reimann






    (A) (C)



    (B) (D)


    Es gibt noch etwas anderes . Sie erwähnen in der Be-
    gründung explizit, dass die Normen für Täterschaft, Teil-
    nahme und Anstiftung im Gesetz hier nicht gelten sollen,
    sondern Beteiligung im umgangssprachlichen Sinne zu
    verstehen ist . Das setzt dem Ganzen die Krone auf . Der
    Verweis auf die Beteiligung an einer Schlägerei – Herr
    Hoffmann wird später dazu noch lang und breit ausfüh-
    ren – funktioniert hier nicht . Bei der Beteiligung an einer
    Schlägerei wird die Folge dieser Handlung – Tod oder
    schwere Körperverletzung – bestraft .


    (Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Für jemanden, der applaudiert!)


    Hier haben Sie ein zusätzliches Delikt . Das stellt das
    Strafrecht auf den Kopf .


    (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Ich komme zum Schluss . Es ärgert mich massiv, dass
    Sie die gute Initiative für ein „Nein heißt nein“ durch die-
    se beiden Regelungen diskreditieren .


    (Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Sie haben das nicht verstanden!)


    Der Schutz der sexuellen Selbstbestimmung hätte etwas
    Besseres verdient als die Ergänzung der von Ihnen vor-
    geschlagenen Punkte .


    (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)




Rede von Claudia Roth
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Halina Wawzyniak . – Nächste Rednerin:

Annette Widmann-Mauz für die CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Annette Widmann-Mauz


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)


    Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kolle-

    gen! Ich will es uns doch antun, uns noch einmal an die
    Silvesternacht des letzten Jahres zu erinnern; denn ich
    finde, dass dies schon ein denkwürdiger Abend gewesen
    ist, der dem Parlament und vielen in unserem Land noch
    einmal ins Bewusstsein gerückt hat, dass etwas an unse-
    rem Sexualstrafrecht, wie es bis zum heutigen Tag gilt,
    nicht stimmen kann .


    (Ulrich Freese [SPD]: Der CDU! Uns war das vorher bekannt!)


    Frauen sind in dieser Nacht am Kölner Hauptbahnhof
    von ihren Freunden getrennt worden, sind betrunkenen,
    bekifften Männern hilflos ausgeliefert gewesen.


    (Ulrich Freese [SPD]: Das gab es auch vorher schon!)


    Sie wurden bedrängt, begrapscht und beraubt . Sie wur-
    den vergewaltigt .


    (Zuruf von der LINKEN: Wie beim Oktoberfest!)


    Zuerst gab es noch nicht einmal viele Anzeigen, eine
    typische Reaktion . Eigentlich sollten sich die Täter für
    ihre Taten schämen und schuldig fühlen .


    (Ulli Nissen [SPD]: Beim Oktoberfest gibt es das jedes Jahr!)


    Tatsächlich fühlen sich aber die Frauen beschmutzt, und
    sie scheuen sich vor diesem Weg . Nicht die Informati-
    onspolitik der nordrhein-westfälischen Landesregierung
    und ihrer Ministerpräsidentin Hannelore Kraft hat das
    wahre Ausmaß dieser Nacht an den Tag gebracht . Nein,
    es waren die medialen Berichte . Sie waren wichtig und
    notwendig .


    (Beifall bei der CDU/CSU – Ulrich Freese [SPD]: Sie sind sich auch für nichts zu schäbig!)


    Es war ein kollektiver Schock, ob Sie es wahrhaben
    wollen oder nicht . Nach der ersten Phase und der Fra-
    ge: „Wie konnte das eigentlich passieren?“, gab es auch
    rasch die bekannten Reaktionsmuster, die sich ein wenig
    schon in dieser Debatte widerspiegeln: Bitte keine De-
    battenbeiträge, die Wasser auf die Mühlen von Fremden-
    feinden sind .


    (Dr . Petra Sitte [DIE LINKE]: Ach nee! Dann können Sie sich hinsetzen!)


    Noch während die Anzeigen eingingen, hieß es auf der
    anderen Seite: Vorsicht! Jetzt bloß keine voreiligen
    Schlussfolgerungen für das Strafrecht! Es gibt auch vie-
    le Frauen, die sich an Männern durch falsche Anzeigen
    rächen . – Aber ist das wirklich der Kern des Problems?
    Nein . Jeder zu Unrecht Beschuldigte ist einer zu viel .
    Aber wie vielen tatsächlichen und angezeigten Verge-
    waltigungen stehen denn Falschbeschuldigungen gegen-
    über? Wir erweisen einem rechtstreuen ausländischen
    Mitbürger doch keinen guten Dienst, wenn wir Strafta-
    ten von Ausländern nicht ebenso benennen und ahnden,
    wie wir es in allen anderen Fällen – auch bei deutschen
    Straftätern – tun müssen .


    (Beifall bei der CDU/CSU)


    Nicht nur an Silvester glaubten manche Männer, sie
    könnten in der ausgelassenen Stimmung Frauen unge-
    straft sexuell belästigen, nötigen oder gar vergewaltigen .


    (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Beim Oktoberfest!)


    Auch im Karneval, bei Volksfesten oder Partys gibt es
    immer wieder solche Exzesse .


    (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oktoberfest! Da hat Seehofer immer reagiert?)


    Aber welches Signal geben wir eigentlich, wenn wir wei-
    terhin zulassen, dass ein gezielter Griff an die Brust oder
    in den Schritt im Sexualstrafrecht als „nicht erheblich“
    bewertet wird, wenn Bestrafungen nur dann erfolgen
    können, wenn der Richter auf den Beleidigungsparagra-
    fen ausweicht? Frauen sind kein Freiwild und sind keine
    reinen Objekte sexueller Begierde . Hier geht es um die

    Halina Wawzyniak






    (A) (C)



    (B) (D)


    Würde und die Wahrung des Rechts auf sexuelle Selbst-
    bestimmung gerade der Frauen .


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg . Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


    Traurig, aber wahr ist auch, dass zum Handy- und
    Handtaschenklau das sogenannte Antanzen mittlerweile
    Methode hat . Täter gehen umso ungehemmter vor, je si-
    cherer sie sich in einer Gruppe Gleichgesinnter fühlen .
    Von solchen Gruppen darf sich der Rechtsstaat doch
    nicht verhöhnen lassen . Wollen wir wirklich weiter zu-
    sehen, dass diejenigen, die mitmachen, umdrängen und
    so die Tat erst ermöglichen und die Situation für das Op-
    fer verschärfen, ungeschoren davonkommen? Wer mit-
    macht, auch wenn er nicht selbst übergriffig wird, muss
    auch bestraft werden . Wer, statt sich zu distanzieren
    oder dem Opfer zu helfen, in der Gruppe mitmacht, der
    ist auch mitverantwortlich . Das Strafrecht muss hier ein
    Stoppschild aufstellen; denn das sagt auch etwas über die
    Definition von sozial adäquatem Verhalten aus.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Wir ziehen heute keine voreiligen Schlüsse . Der Ge-
    setzentwurf des Ministeriums war zwar schon in Vor-
    bereitung, aus unserer Sicht aber abschließend nicht
    geeignet, alle Schutzlücken zu schließen . Es brauchte
    die Unionsfrauen, es brauchte die Frauen der ASF, es
    brauchte die Kolleginnen der Koalitionsfraktionen,


    (Volker Kauder [CDU/CSU]: Und die Männer auch!)


    damit es heute zu einem guten Gesetzentwurf gekommen
    ist . Deshalb danke ich allen, die uns dabei unterstützt ha-
    ben, von der Verbandsseite über die Rechtsexpertinnen
    und Rechtsexperten bis hin zu den Juristinnen und Juris-
    ten und den Männern, die uns an dieser Stelle unterstützt
    haben .


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie wissen gar nicht, über was Sie abstimmen!)


    Wir wollen diesen Paradigmenwechsel, wir wollen ihn
    jetzt .