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    Plenarprotokoll 18/181 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 181. Sitzung Berlin, Dienstag, den 28. Juni 2016 Inhalt: Tagesordnungspunkt 1: Abgabe einer Regierungserklärung durch die Bundeskanzlerin: Ausgang des Referendums über den Verbleib des Vereinigten König- reichs in der EU mit Blick auf den Europä- ischen Rat am 28./29. Juni 2016 in Brüssel Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin . . . . . . . 17881 B Dr. Dietmar Bartsch (DIE LINKE) . . . . . . . . . 17884 D Thomas Oppermann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 17886 D Katrin Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17889 C Volker Kauder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 17891 C Dr. Katarina Barley (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 17893 D Andrej Hunko (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 17894 D Gerda Hasselfeldt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 17895 B Norbert Spinrath (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17896 D Kai Whittaker (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 17897 C Ralph Brinkhaus (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 17898 C Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17899 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . . 17901 A (A) (C) (B) (D) Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 181. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 28. Juni 2016 17881 181. Sitzung Berlin, Dienstag, den 28. Juni 2016 Beginn: 10.30 Uhr
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    Ralph Brinkhaus (A) (C) (B) (D) Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 181. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 28. Juni 2016 17901 Anlage zum Stenografischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Aken, Jan van DIE LINKE 28.06.2016 Amtsberg, Luise BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 28.06.2016 Arnold, Rainer SPD 28.06.2016 Barnett, Doris SPD 28.06.2016 Beckmeyer, Uwe SPD 28.06.2016 Behrens, Herbert DIE LINKE 28.06.2016 Bergner, Dr. Christoph CDU/CSU 28.06.2016 Bosbach, Wolfgang CDU/CSU 28.06.2016 Bulling-Schröter, Eva DIE LINKE 28.06.2016 Bülow, Marco SPD 28.06.2016 Daldrup, Bernhard SPD 28.06.2016 De Ridder, Dr. Daniela SPD 28.06.2016 Dehm, Dr. Diether DIE LINKE 28.06.2016 Ebner, Harald BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 28.06.2016 Erler, Dr. h. c. Gernot SPD 28.06.2016 Ernstberger, Petra SPD 28.06.2016 Fischer (Hamburg), Dirk CDU/CSU 28.06.2016 Gädechens, Ingo CDU/CSU 28.06.2016 Gohlke, Nicole DIE LINKE 28.06.2016 Göppel, Josef CDU/CSU 28.06.2016 Groth, Annette DIE LINKE 28.06.2016 Gunkel, Wolfgang SPD 28.06.2016 Güntzler, Fritz CDU/CSU 28.06.2016 Gutting, Olav CDU/CSU 28.06.2016 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Hagedorn, Bettina SPD 28.06.2016 Heil (Peine), Hubertus SPD 28.06.2016 Heinrich, Gabriela SPD 28.06.2016 Heller, Uda CDU/CSU 28.06.2016 Herzog, Gustav SPD 28.06.2016 Hiller-Ohm, Gabriele SPD 28.06.2016 Hintze, Peter CDU/CSU 28.06.2016 Höhn, Bärbel BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 28.06.2016 Irlstorfer, Erich CDU/CSU 28.06.2016 Jurk, Thomas SPD 28.06.2016 Koenigs, Tom BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 28.06.2016 Kramme, Anette SPD 28.06.2016 Krings, Dr. Günter CDU/CSU 28.06.2016 Kühn (Dresden), Stephan BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 28.06.2016 Kühne, Dr. Roy CDU/CSU 28.06.2016 Launert, Dr. Silke CDU/CSU 28.06.2016 Lerchenfeld, Philipp Graf CDU/CSU 28.06.2016 Maisch, Nicole BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 28.06.2016 Mattheis, Hilde SPD 28.06.2016 Möhring, Cornelia DIE LINKE 28.06.2016 Otte, Henning CDU/CSU 28.06.2016 Paus, Lisa BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 28.06.2016 Petzold, Ulrich CDU/CSU 28.06.2016 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 181. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 28. Juni 201617902 (A) (C) (B) (D) Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Pflugradt, Jeannine SPD 28.06.2016 Pilger, Detlev SPD 28.06.2016 Raatz, Dr. Simone SPD 28.06.2016 Renner, Martina DIE LINKE 28.06.2016 Rief, Josef CDU/CSU 28.06.2016 Rüthrich, Susann SPD 28.06.2016 Schiefner, Udo SPD 28.06.2016 Schimke, Jana CDU/CSU 28.06.2016 Schmidt (Fürth), Christian CDU/CSU 28.06.2016 Schmidt (Ühlingen), Gabriele CDU/CSU 28.06.2016 Schuster (Weil am Rhein), Armin CDU/CSU 28.06.2016 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Schwarz, Andreas SPD 28.06.2016 Schwarzelühr-Sutter, Rita SPD 28.06.2016 Sendker, Reinhold CDU/CSU 28.06.2016 Steffen, Sonja SPD 28.06.2016 Thönnes, Franz SPD 28.06.2016 Tillmann, Antje CDU/CSU 28.06.2016 Troost, Dr. Axel DIE LINKE 28.06.2016 Wagner, Doris BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 28.06.2016 Wicklein, Andrea SPD 28.06.2016 Wittke, Oliver CDU/CSU 28.06.2016 Zech, Tobias CDU/CSU 28.06.2016 Zöllmer, Manfred SPD 28.06.2016 Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de 181. Sitzung Inhaltsverzeichnis TOP 1 Regierungserklärung zum Ausgang des Referendums in Großbritannien Anlage Anlage 1
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Kai Whittaker


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)


    Herr Präsident! Werte Kollegen! Ich stehe heute vor

    Ihnen als ein Mitglied des Deutschen Bundestages, direkt
    gewählt für meinen Heimatwahlkreis Rastatt. Ich stehe
    heute aber auch vor Ihnen als ein Bürger des Vereinigten
    Königreiches von Großbritannien und Nordirland, der
    am vergangenen Donnerstag für den Verbleib in der Eu-
    ropäischen Union gestimmt hat,


    (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


    als einer von 62 Prozent seiner Altersklasse.

    Ich stehe aber heute insbesondere vor Ihnen als Euro-
    päer, als Sohn eines britischen Vaters und einer deutschen
    Mutter, als einer, den es ohne den freien Personenverkehr
    nicht gäbe,


    (Heiterkeit)


    als einer, der ohne freie Grenzen in Europa nicht hier ste-
    hen könnte.


    (Volker Kauder [CDU/CSU]: Sehr gut!)


    Deshalb werde ich für diese Prinzipien der Europäischen
    Union immer einstehen.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Herr Präsident, Sie hatten sicherlich recht, als Sie sag-
    ten, dass am vergangenen Freitag über Europa die Sonne
    wieder aufgegangen ist. Aber ich finde, sie scheint nicht
    mehr so hell. Stattdessen ziehen am europäischen Him-
    mel immer mehr dunkle Wolken auf. Sie kommen aus
    Frankreich, den Niederlanden, Polen, Tschechien, Öster-
    reich, Dänemark, Griechenland, Italien und, ja, auch aus
    Deutschland. Sie speisen sich aus einer Angst, in einer
    Union mit 500 Millionen Menschen verloren zu gehen,
    einer Angst, die eigene Identität aufgeben zu müssen, um
    Teil einer anderen Identität sein zu können, einer Angst,
    vergessen zu werden und nicht am wachsenden Wohl-
    stand teilhaben zu können.

    Es schlagen zwei Herzen in meiner Brust. Als Euro-
    päer mag mir, mag uns das Ergebnis vom vergangenen
    Donnerstag nicht gefallen. Die Einheit des Landes ist in
    Gefahr. Die wirtschaftlichen Aussichten sind unsicher.
    Die Zukunft der jungen Briten ist beschnitten. Aber als
    Demokraten haben wir dieses Ergebnis zu respektieren
    und umzusetzen. Ein zweites Referendum zum jetzigen
    Zeitpunkt würde das Land weiter spalten und tiefer ins
    Chaos führen.

    Norbert Spinrath






    (A) (C)



    (B) (D)


    Ich teile daher die Ansicht der Bundeskanzlerin, nicht
    hastig, aber zielstrebig, nicht nachtretend, aber konse-
    quent die Trennung zwischen Großbritannien und der
    EU zu vollziehen. Ich bin auch überzeugt, dass wir kon-
    sequent sein müssen. Denn wenn uns unsere europäische
    Idee wirklich etwas wert ist, dann müssen wir klarma-
    chen, was dieser Wert der EU-Mitgliedschaft tatsächlich
    darstellt.


    (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Sonst werden wir eines Tages unseren eigenen Bürgern
    nicht mehr erklären können, warum wir Teil dieser euro-
    päischen Familie bleiben sollten.

    Genau darin liegt aber, finde ich, auch unsere Chan-
    ce, diese dunklen Wolken am Himmel zu vertreiben. Die
    Diskussion über Reformen in der EU ist zwar notwendig,
    aber ich glaube, sie ist nicht entscheidend für die Zukunft
    der EU. Denn wenn wir beständig das Schlechte an der
    EU suchen, finden oder gar erfinden, wirken wir nur da-
    rauf hin, dass sie zerbricht.

    Stattdessen bin ich fest davon überzeugt, dass wir den
    Kampf um die Zukunft unseres Kontinents mit den Fein-
    den der EU aufnehmen müssen. Sie sehen in der EU die
    Gefahr für ihren Nationalismus. Sie werden nicht ver-
    schwinden, solange wir sie gewähren lassen. Das lehrt
    uns die Geschichte.


    (Axel Schäfer [Bochum] [SPD]: Sehr wahr!)


    Die erste deutsche Demokratie ist in meinem Wahl-
    kreis blutig niedergeschlagen worden, weil es zu wenige
    Beschützer gab. Die zweite deutsche Demokratie von
    Weimar ist untergegangen, weil es zu wenige Demokra-
    ten gab. Ich will nicht, dass auch die Europäische Union
    scheitert, weil es zu wenige leidenschaftliche Europäer
    gab.


    (Beifall im ganzen Hause)


    Europa hat die besseren Argumente. Aber wir müssen
    endlich damit anfangen, den Kampf gegen die Feinde
    Europas mit ihrer populistischen Rhetorik zu führen.
    Deshalb appelliere ich an alle enttäuschten Briten: Ja, das
    Referendum müssen wir akzeptieren. Aber wenn sich die
    Versprechungen der Nationalisten nicht erfüllen, dann
    schlägt die Stunde, diese Entscheidung umzukehren.

    Vor allem möchte ich aber als junger Bundestagsab-
    geordneter mit dieser besonderen Biografie an die jun-
    ge Generation aller Mitgliedstaaten unseres großartigen
    Kontinents und insbesondere in Großbritannien appellie-
    ren: Nehmt diesen Kampf auf! Übernehmt für eure Zu-
    kunft in Europa Verantwortung!

    Für den Moment bleibt mir nur eins zu sagen: Wir
    werden euch vermissen, aber nicht vergessen. Der Tag
    wird kommen, an dem wir wieder vereint sein werden,
    stärker als je zuvor.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)




Rede von Dr. Norbert Lammert
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

Letzter Redner in dieser Aussprache ist der Kollege

Ralph Brinkhaus.


(Beifall bei der CDU/CSU)



  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Ralph Brinkhaus


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)


    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber

    Kollege Bartsch, eine kleine Korrektur: Die Tories haben
    die EVP schon vor längerer Zeit verlassen.

    Aber Sie haben mit einer Bemerkung tatsächlich recht
    gehabt, und das ist sehr ernsthaft: Die Größe und das For-
    mat einer Institution und einer Gemeinschaft zeigen sich
    auch dann, wenn jemand diese Gemeinschaft verlässt.
    Dementsprechend muss ich sagen: Die eine oder ande-
    re Aufgeregtheit aus Brüssel, aus anderen europäischen
    Hauptstädten oder auch hier im Parlament ist vor diesem
    Hintergrund nicht zu verstehen. Ich kann nachvollziehen,
    dass dabei Emotionen hochkochen. Aber Enttäuschung
    ist kein guter Ratgeber, und Zorn ist nicht sonderlich sou-
    verän.


    (Beifall des Abg. Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE])


    Souverän ist das, was einige Kollegen hier gemacht
    haben, nämlich darauf hinzuweisen, was uns mit Groß-
    britannien verbindet. Das sind nicht nur wirtschaftliche,
    kulturelle und politische Beziehungen, sondern auch
    ganz viele persönliche Freundschaften. Wir haben Groß-
    britannien ganz viel zu verdanken. Großbritannien hat
    dafür gesorgt, dass es in diesem Land eine Demokratie
    gibt und dass sich die Bundesrepublik Deutschland so
    entwickelt hat, wie wir sie heute kennen. Dementspre-
    chend werbe ich nachhaltig darum, fair mit Großbritanni-
    en umzugehen, ein faires Verfahren durchzuführen. Na-
    türlich muss klar gesagt werden, was geht und was nicht
    geht, genauso wie es die Bundeskanzlerin gemacht hat.
    Aber wir müssen auch den Langmut, die Größe und die
    Geduld für Großbritannien aufbringen, wie wir es auch
    bei anderen Ländern getan haben. Großbritannien war
    immer ein harter Verhandlungspartner. Großbritannien
    war nicht immer einfach. Aber Großbritannien hat nie
    Verträge gebrochen.


    (Dr. Franz Josef Jung [CDU/CSU]: Hört! Hört!)


    Großbritannien hat nie Zusagen nicht eingehalten. Groß-
    britannien hat auch nie falsche Zahlen geliefert. Ich er-
    warte deswegen, dass gegenüber Großbritannien die
    Fairness geübt wird, die auch gegenüber anderen geübt
    wird.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Natürlich müssen wir nun darüber diskutieren, wie der
    Prozess abläuft und wie wir auseinanderkommen. Viele
    Redner haben heute gesagt, dass das vernünftig gestal-
    tet werden kann. Es muss vernünftig gestaltet werden,
    weil wir über die Freundschaft zu Großbritannien hinaus
    wirtschaftliche Interessen haben. Wie Herr Oppermann
    bereits gesagt hat, geht nicht nur ein Land, sondern auch
    die zweitgrößte Volkswirtschaft der EU. Es geht einer

    Kai Whittaker






    (A) (C)



    (B) (D)


    unserer wichtigen Handelspartner. Mit Großbritannien
    geht aber auch ein Land aus der Europäischen Union, das
    mit seinem Geist für Wirtschaftsliberalität und Wettbe-
    werb der Union sehr gut getan hat.


    (Beifall bei der CDU/CSU)


    Vor diesem Hintergrund ist die Frage schon berech-
    tigt, welche wirtschaftliche Bedeutung das Ausscheiden
    Großbritanniens für uns hat. Aber ich warne vor dem
    Alarmismus, der allenthalben gepflegt wird. Ich warne
    davor, den nun erscheinenden Gutachten, in denen da-
    rauf hingewiesen wird, wie viel Bruttoinlandsprodukt
    verloren geht und welche schrecklichen Dinge noch pas-
    sieren, sofort Glauben zu schenken. Denn es hängt von
    uns ab, wie wir die zukünftigen Beziehungen zu Groß-
    britannien gestalten, ob das etwas Gutes wird oder ob das
    nicht etwas Gutes wird. Es hängt natürlich auch davon
    ab, wie es in Großbritannien innenpolitisch weitergeht.
    Es ist überhaupt keine Häme angebracht, wenn es nun
    Auseinandersetzungen in der konservativen Partei, der
    Labour-Partei oder anderen politischen Richtungen gibt.
    Das hilft uns nicht weiter. Damit wir unsere Autos, Kü-
    chen und Waschmaschinen weiterhin nach Großbritanni-
    en exportieren können, sind wir darauf angewiesen, dass
    es dort eine ordentliche Binnennachfrage gibt. Deshalb
    ist es wichtig, dass sich die Verhältnisse in diesem Land
    sehr schnell klären werden. Wir sollten alles dafür tun,
    dass das auch klappt.


    (Beifall bei der CDU/CSU)


    Wir müssen uns aber über alle Emotionen und wirt-
    schaftlichen Bedenken hinaus natürlich Gedanken da-
    rüber machen, wie es mit Europa weitergeht. Ich bin
    verwundert, dass jeder, kaum dass das Abstimmungser-
    gebnis veröffentlicht war, seine ihm bequeme Lösung
    parat hatte, die er schon immer vertreten hat. Die einen
    haben gesagt: „Wir brauchen jetzt eine Intensivierung
    Europas“, als ob Dinge wie gemeinsame Einlagensiche-
    rung die Begeisterung bei den Euro-Skeptikern steigern
    würden. Die anderen haben gesagt: „Wir brauchen gar
    kein Europa mehr“, als ob wir Herausforderungen wie
    Flucht und Migration ohne Europa hinbekommen wür-
    den. Die einen sagen: „Jetzt müssen wir ordentlich Geld
    ausgeben, um zum Beispiel die Jugendarbeitslosigkeit zu
    beseitigen“, und die anderen sagen: „Wir dürfen über-
    haupt kein Geld mehr ausgeben, weil das nur den Eu-
    ro-Skeptizismus steigert.“

    Meine Damen und Herren, ich glaube, es ist keine Zeit
    für Schnellschüsse. Wir müssen uns dringend Zeit neh-
    men, um profund und genau darüber nachzudenken, ob
    die europäischen Institutionen und die europäischen Re-
    geln, aber auch – das sage ich ganz klar an dieser Stelle –
    die Gesichter, die dieses Europa bisher vertreten haben,
    geeignet sind, Europa in das nächste Jahrzehnt zu führen,
    und dafür sorgen, dass die Fliehkräfte, die Sie artikuliert
    haben, nicht entstehen und Europa zusammenbleibt. Da-
    mit müssen wir sehr kritisch umgehen.

    Eine Frage ist allerdings am heutigen Vormittag kaum
    gestellt worden; diese müssen wir uns alle stellen. Die
    Abstimmung in Großbritannien ist nur vordergründig
    eine Abstimmung gegen Europa gewesen. Es ging viel
    tiefer. Es ist eine Abstimmung gegen das etablierte poli-
    tische System.


    (Beifall des Abg. Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE] Es ist eine Abstimmung gegen das 21. Jahrhundert. Es ist ein Versuch, die Vergangenheit und den Milchmann zurückzubekommen. Leider ist das ein Phänomen, das wir nicht nur in Großbritannien haben, sondern das haben wir mittlerweile in ganz vielen Staaten, leider auch in der Bundesrepublik Deutschland. Wir als Vertreterinnen und Vertreter dieses etablierten politischen Systems müssen uns selbst ganz dringend fragen, bevor wir mit dem Finger auf Großbritannien zeigen, bevor wir mit dem Finger auf Brüssel zeigen, was wir anders machen können, um das Vertrauen der Menschen wieder zurückzugewinnen, die uns momentan von der Fahne gehen. Wenn dieses Referendum dazu dient, dass wir diesen Prozess auch hier im Deutschen Bundestag einleiten und uns selbst infrage stellen, dann ist es tatsächlich so, wie Gerda Hasselfeldt gesagt hat: Dann ist diese Krise auch eine Chance. Danke schön. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)