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ID1818100200

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    Plenarprotokoll 18/181 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 181. Sitzung Berlin, Dienstag, den 28. Juni 2016 Inhalt: Tagesordnungspunkt 1: Abgabe einer Regierungserklärung durch die Bundeskanzlerin: Ausgang des Referendums über den Verbleib des Vereinigten König- reichs in der EU mit Blick auf den Europä- ischen Rat am 28./29. Juni 2016 in Brüssel Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin . . . . . . . 17881 B Dr. Dietmar Bartsch (DIE LINKE) . . . . . . . . . 17884 D Thomas Oppermann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 17886 D Katrin Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17889 C Volker Kauder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 17891 C Dr. Katarina Barley (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 17893 D Andrej Hunko (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 17894 D Gerda Hasselfeldt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 17895 B Norbert Spinrath (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17896 D Kai Whittaker (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 17897 C Ralph Brinkhaus (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 17898 C Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17899 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . . 17901 A (A) (C) (B) (D) Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 181. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 28. Juni 2016 17881 181. Sitzung Berlin, Dienstag, den 28. Juni 2016 Beginn: 10.30 Uhr
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    Ralph Brinkhaus (A) (C) (B) (D) Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 181. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 28. Juni 2016 17901 Anlage zum Stenografischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Aken, Jan van DIE LINKE 28.06.2016 Amtsberg, Luise BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 28.06.2016 Arnold, Rainer SPD 28.06.2016 Barnett, Doris SPD 28.06.2016 Beckmeyer, Uwe SPD 28.06.2016 Behrens, Herbert DIE LINKE 28.06.2016 Bergner, Dr. Christoph CDU/CSU 28.06.2016 Bosbach, Wolfgang CDU/CSU 28.06.2016 Bulling-Schröter, Eva DIE LINKE 28.06.2016 Bülow, Marco SPD 28.06.2016 Daldrup, Bernhard SPD 28.06.2016 De Ridder, Dr. Daniela SPD 28.06.2016 Dehm, Dr. Diether DIE LINKE 28.06.2016 Ebner, Harald BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 28.06.2016 Erler, Dr. h. c. Gernot SPD 28.06.2016 Ernstberger, Petra SPD 28.06.2016 Fischer (Hamburg), Dirk CDU/CSU 28.06.2016 Gädechens, Ingo CDU/CSU 28.06.2016 Gohlke, Nicole DIE LINKE 28.06.2016 Göppel, Josef CDU/CSU 28.06.2016 Groth, Annette DIE LINKE 28.06.2016 Gunkel, Wolfgang SPD 28.06.2016 Güntzler, Fritz CDU/CSU 28.06.2016 Gutting, Olav CDU/CSU 28.06.2016 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Hagedorn, Bettina SPD 28.06.2016 Heil (Peine), Hubertus SPD 28.06.2016 Heinrich, Gabriela SPD 28.06.2016 Heller, Uda CDU/CSU 28.06.2016 Herzog, Gustav SPD 28.06.2016 Hiller-Ohm, Gabriele SPD 28.06.2016 Hintze, Peter CDU/CSU 28.06.2016 Höhn, Bärbel BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 28.06.2016 Irlstorfer, Erich CDU/CSU 28.06.2016 Jurk, Thomas SPD 28.06.2016 Koenigs, Tom BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 28.06.2016 Kramme, Anette SPD 28.06.2016 Krings, Dr. Günter CDU/CSU 28.06.2016 Kühn (Dresden), Stephan BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 28.06.2016 Kühne, Dr. Roy CDU/CSU 28.06.2016 Launert, Dr. Silke CDU/CSU 28.06.2016 Lerchenfeld, Philipp Graf CDU/CSU 28.06.2016 Maisch, Nicole BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 28.06.2016 Mattheis, Hilde SPD 28.06.2016 Möhring, Cornelia DIE LINKE 28.06.2016 Otte, Henning CDU/CSU 28.06.2016 Paus, Lisa BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 28.06.2016 Petzold, Ulrich CDU/CSU 28.06.2016 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 181. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 28. Juni 201617902 (A) (C) (B) (D) Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Pflugradt, Jeannine SPD 28.06.2016 Pilger, Detlev SPD 28.06.2016 Raatz, Dr. Simone SPD 28.06.2016 Renner, Martina DIE LINKE 28.06.2016 Rief, Josef CDU/CSU 28.06.2016 Rüthrich, Susann SPD 28.06.2016 Schiefner, Udo SPD 28.06.2016 Schimke, Jana CDU/CSU 28.06.2016 Schmidt (Fürth), Christian CDU/CSU 28.06.2016 Schmidt (Ühlingen), Gabriele CDU/CSU 28.06.2016 Schuster (Weil am Rhein), Armin CDU/CSU 28.06.2016 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Schwarz, Andreas SPD 28.06.2016 Schwarzelühr-Sutter, Rita SPD 28.06.2016 Sendker, Reinhold CDU/CSU 28.06.2016 Steffen, Sonja SPD 28.06.2016 Thönnes, Franz SPD 28.06.2016 Tillmann, Antje CDU/CSU 28.06.2016 Troost, Dr. Axel DIE LINKE 28.06.2016 Wagner, Doris BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 28.06.2016 Wicklein, Andrea SPD 28.06.2016 Wittke, Oliver CDU/CSU 28.06.2016 Zech, Tobias CDU/CSU 28.06.2016 Zöllmer, Manfred SPD 28.06.2016 Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de 181. Sitzung Inhaltsverzeichnis TOP 1 Regierungserklärung zum Ausgang des Referendums in Großbritannien Anlage Anlage 1
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Angela Merkel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)


    Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen

    und Kollegen! Meine Damen und Herren! Die briti-
    sche Bevölkerung hat sich am vergangenen Donnerstag
    mehrheitlich dafür entschieden, die Mitgliedschaft ihres
    Landes in der Europäischen Union beenden zu wollen.
    Mit großem Bedauern habe ich, hat die ganze Bundes-
    regierung diese Entscheidung zur Kenntnis genommen.
    Doch bei allem Bedauern: Es versteht sich von selbst,
    dass es diese freie und demokratische Entscheidung der
    britischen Wählerinnen und Wähler zu respektieren gilt.
    Und mehr noch: Es gilt jetzt, nach vorn zu schauen und
    alles daranzusetzen, die richtigen Schlussfolgerungen zu
    ziehen und anschließend alle notwendigen Entscheidun-
    gen zu treffen.

    Ich wiederhole, was ich bereits am Freitag gesagt
    habe: Die Bedeutung der Entscheidung des britischen
    Volkes kann gar nicht hoch genug ermessen werden, für
    das Vereinigte Königreich wie auch für die Europäische

    Union nicht. Der vergangene Donnerstag war ein Ein-
    schnitt für Europa. Er war ein Einschnitt für den europäi-
    schen Einigungsprozess. Europa hat schon viele schwere
    Herausforderungen und so manche Krise überstanden,
    aber eine Situation wie diese hat es in den fast 60 Jah-
    ren seit Verabschiedung der Römischen Verträge nicht
    gegeben.

    In einer solchen Situation gibt es naturgemäß viele und
    sich zum Teil diametral gegenüberstehende Vorschläge.
    Sie reichen von Forderungen, mit der europäischen In-
    tegration – man könnte fast sagen: nun erst recht – in
    großen Schritten voranzugehen und weitere Souveräni-
    tätsrechte auf die europäische Ebene zu verlagern, bis hin
    zu Überlegungen, Kompetenzen auf die Mitgliedstaaten
    zurückzuverlagern und alles dafür zu tun, dass sich die
    Europäische Union aus den Angelegenheiten der Mit-
    gliedstaaten möglichst heraushält.

    Um es klar zu sagen: Jeder Vorschlag, der die Euro-
    päische Union der 27 als Ganzes aus dieser Krise führen
    kann, ist willkommen. Jeder Vorschlag, der dagegen die
    Fliehkräfte stärkt, die Europa schon so sehr strapazieren,
    hätte unabsehbare Folgen für uns alle. Er würde Europa
    weiter spalten. Ich werde mich mit ganzer Kraft dafür
    einsetzen – und das wird auch die ganze Bundesregie-
    rung tun –, das zu verhindern.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


    Und ich sehe gute Möglichkeiten, dass uns das gelingen
    kann. Denn heute, am fünften Tag nach dem Referen-
    dum, sind wir uns schon weitaus klarer als am Freitag
    darüber, was genau zu tun ist – beim heute beginnenden
    Europäischen Rat und weit darüber hinaus.

    Erstens. Wir spüren, wie sehr es ganz entscheidend da-
    rauf ankommt, dass wir, die 27 anderen Mitgliedstaaten,
    uns als willens und fähig erweisen, auf der Grundlage ei-
    ner mit Ruhe und Besonnenheit vorgenommenen Analy-
    se der Situation gemeinsam die richtigen Entscheidungen
    zu treffen. Gemeinsam, das heißt immer: alle 27 – die
    Euro-Staaten gemeinsam mit den Nicht-Euro-Staaten,
    die kleinen Länder gemeinsam mit den großen, die alten
    Mitgliedstaaten gemeinsam mit den neuen.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)







    (A) (C)



    (B) (D)


    Zweitens. Zunächst einmal liegt es an Großbritanni-
    en selbst, zu erklären, wie es sein zukünftiges Verhältnis
    zur Europäischen Union gestalten möchte. Wir haben zur
    Kenntnis genommen, dass der britische Premierminister
    David Cameron, anders als vermutet werden konnte, es
    seinem Nachfolger oder seiner Nachfolgerin überlassen
    möchte, das konkrete weitere britische Vorgehen nach
    dem Referendum festzulegen. Es kann und es sollte nie-
    mand in Zweifel ziehen, dass es sich hierbei um eine
    innerbritische Entscheidung handelt. Aber ebenso kann
    und sollte es auch nicht das geringste Missverständnis
    darüber geben, wie die Rahmenbedingungen gestaltet
    sind, die die Europäischen Verträge für einen solchen
    Fall wie diesen vorsehen.

    Nach Artikel 50 der Europäischen Verträge hat Groß-
    britannien formal den Europäischen Rat darüber zu un-
    terrichten, dass es seine Mitgliedschaft beenden möchte.
    Nach diesem Antrag werden die 27 anderen Mitglied-
    staaten die in Artikel 50 Absatz 2 der Europäischen Ver-
    träge erwähnten Leitlinien des Europäischen Rates für
    die Verhandlungen festlegen. Nach der Festlegung die-
    ser Leitlinien können die Verhandlungen beginnen, nicht
    vorher, weder formell noch informell.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Um es klipp und klar zusammenzufassen: Wir nehmen
    zur Kenntnis, dass Großbritannien einen Antrag gemäß
    Artikel 50 der EU-Verträge noch nicht stellen will, und
    Großbritannien seinerseits muss zur Kenntnis nehmen,
    dass es keine wie auch immer gearteten Verhandlungen
    oder Vorgespräche geben kann und wird, solange der An-
    trag nach Artikel 50 nicht gestellt wurde, weder formell
    noch informell.


    (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Ich kann unseren britischen Freunden nur raten, sich
    hier nichts vorzumachen bei den notwendigen Entschei-
    dungen, die in Großbritannien getroffen werden müssen.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


    Sobald bzw. erst wenn der Antrag gemäß Artikel 50 der
    EU-Verträge vorliegt, beginnt eine zweijährige Frist für
    die Verhandlungen. Diese Frist kann verlängert werden,
    und zwar wieder nur durch einen einstimmigen Be-
    schluss. An ihrem Ende wird eine Vereinbarung über die
    genauen Einzelheiten des Austritts Großbritanniens aus
    der Europäischen Union stehen. Solange die Verhand-
    lungen laufen, bleibt Großbritannien Mitglied der Euro-
    päischen Union. Alle Rechte und Pflichten, die sich aus
    dieser Mitgliedschaft ergeben, sind bis zum tatsächlichen
    Austritt vollständig zu achten und einzuhalten, und das
    gilt für beide Seiten gleichermaßen.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Drittens. In den nach einem Antrag gemäß Artikel 50
    der Europäischen Verträge geführten Austrittsverhand-

    lungen werden auch die formalen wie inhaltlichen Re-
    gelungen für die zukünftigen Beziehungen zwischen der
    Europäischen Union und dem Vereinigten Königreich zu
    bestimmen sein. Aus meiner Sicht sollte gerade Groß-
    britannien selbst ein großes Interesse daran haben, diese
    Beziehungen eng und freundschaftlich zu gestalten. Aber
    auch Deutschland profitiert natürlich von einem partner-
    schaftlichen, freundschaftlichen Verhältnis; denn Groß-
    britannien ist und bleibt ein wichtiger Partner, mit dem
    uns sehr vieles verbindet: die guten nachbarschaftlichen
    Beziehungen zwischen unseren Bürgerinnen und Bür-
    gern, die kulturelle Verbundenheit, die enge wirtschaftli-
    che Verflechtung, unsere Partnerschaft in der Außen- und
    Sicherheitspolitik und nicht zuletzt unsere gemeinsamen
    Werte.

    Und vergessen wir nicht, dass wir mit Großbritannien
    engste Verbündete in der NATO sind und bleiben, in der
    wir gemeinsam mit den Vereinigten Staaten von Amerika
    Führungsverantwortung für Freiheit, Sicherheit und Sta-
    bilität in Europa und darüber hinaus übernehmen. Darauf
    können wir aufbauen, sowohl bei der Ausgestaltung des
    zukünftigen britischen Verhältnisses zur Europäischen
    Union als auch bei unseren eigenen bilateralen Beziehun-
    gen zum Vereinigten Königreich, die seit dem Ende des
    Zweiten Weltkrieges gewachsen sind und die wir in aller
    Freundschaft weiterführen werden.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


    Dies steht im Übrigen in keinerlei Widerspruch dazu,
    dass Deutschland und die Europäische Union die Ver-
    handlungen mit Großbritannien auf der Grundlage ihrer
    eigenen Interessen führen werden. Das bedeutet zum
    einen, dass Verhandlungen mit einem zukünftigen Dritt-
    staat nicht dazu führen dürfen, die Errungenschaften der
    europäischen Einigung für die 27 Mitgliedstaaten infrage
    zu stellen.


    (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Und das bedeutet zum anderen, dass die Bundesregie-
    rung bei den Verhandlungen immer auch ein besonderes
    Augenmerk auf die Interessen der deutschen Bürgerin-
    nen und Bürger und der deutschen Unternehmen richten
    wird. Ich denke hier auch an die vielen deutschen Staats-
    angehörigen, die in Großbritannien leben und von denen
    sich manche in diesen Tagen Sorgen über ihre Zukunft
    machen. Sie können sich darauf verlassen, dass wir in
    Deutschland mit ganzer Kraft daran arbeiten, im Interes-
    se unserer Bürgerinnen und Bürger gute Lösungen für
    alle nun aufkommenden Fragen zu finden.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Viertens. Wir werden sicherstellen, dass die Verhand-
    lungen nicht nach dem Prinzip der Rosinenpickerei ge-
    führt werden.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel






    (A) (C)



    (B) (D)


    Es muss und es wird einen spürbaren Unterschied ma-
    chen, ob ein Land Mitglied der Familie der Europäischen
    Union sein möchte oder nicht.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der LINKEN: Oh!)


    Wer aus dieser Familie austreten möchte, der kann nicht
    erwarten, dass damit alle Pflichten entfallen, die Privile-
    gien aber weiterhin bestehen bleiben.


    (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Stefan Liebich [DIE LINKE])


    Wer beispielsweise freien Zugang zum europäischen
    Binnenmarkt haben möchte, der wird im Gegenzug auch
    die europäischen Grundfreiheiten und die anderen Re-
    geln und Verpflichtungen akzeptieren müssen, die damit
    einhergehen. Das gilt für Großbritannien genauso wie für
    alle anderen.


    (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


    Freien Zugang zum Binnenmarkt bekommt der, der die
    vier europäischen Grundfreiheiten akzeptiert: die der
    Menschen, der Güter, der Dienstleistungen, des Kapitals.
    Norwegen beispielsweise ist nicht Mitglied der Europä-
    ischen Union, hat aber dennoch freien Zugang zum Bin-
    nenmarkt, weil es im Gegenzug unter anderem die freie
    Zuwanderung aus der Europäischen Union akzeptiert.

    Fünftens. Wir sollten die Debatte nicht verengen auf
    die Frage nach mehr oder weniger Europa. Was wir viel-
    mehr brauchen, das ist ein erfolgreiches Europa; und ein
    erfolgreiches Europa, das ist ein Europa, an dem die Bür-
    gerinnen und Bürger teilhaben können, mit dem sie sich
    identifizieren können und das ihr Leben spürbar verbes-
    sert. Das ist das Gebot der Stunde.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


    Das ist eine Aufgabe für die Institutionen der Europäi-
    schen Union und die Mitgliedstaaten gleichermaßen.

    Ein erfolgreiches Europa, das ist ein Europa, das sei-
    ne Verträge und seine Versprechen einhält. Das ist uns
    in der Vergangenheit wirklich nicht immer gelungen. Im
    Jahr 2000 hat die Europäische Union in Lissabon ein Ver-
    sprechen abgegeben, das ich hier wörtlich wiedergeben
    möchte. Ich zitiere aus den Schlussfolgerungen des Euro-
    päischen Rates vom 23./24. September 2000:

    Die Union hat sich heute ein neues strategisches
    Ziel für das kommende Jahrzehnt gesetzt: das Ziel,
    die Union zum wettbewerbsfähigsten und dyna-
    mischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum in der
    Welt zu machen – einem Wirtschaftsraum, der fähig
    ist, ein dauerhaftes Wirtschaftswachstum mit mehr
    und besseren Arbeitsplätzen und einem größeren so-
    zialen Zusammenhalt zu erzielen.

    Dieses Versprechen an die europäische Bevölkerung,
    Arbeitsplätze und Wohlstand zu schaffen, war kein Grö-

    ßenwahn der damaligen europäischen Politiker; aber ein-
    gelöst wurde es nicht – weil Regeln missachtet wurden,
    weil Verträge nicht eingehalten wurden, weil Einzelinte-
    ressen sich gegen das Gemeinwohl durchsetzen konnten.

    Das Wohlstandsversprechen selbst war deshalb noch
    lange nicht falsch, im Gegenteil. Deshalb müssen wir
    jetzt einen neuen Anlauf nehmen und uns gemeinsam
    dafür einsetzen, Europa wettbewerbsfähiger zu machen
    und die Kluft zwischen Globalisierungsgewinnern und
    Globalisierungsverlierern zu verkleinern. Dazu gehört,
    dass wir in Europa den Anschluss an die Digitalisierung
    und an die Hochtechnologie nicht verpassen. Dazu ge-
    hört, dass wir zusätzliche Anstrengungen im Bereich der
    Forschung und Innovation unternehmen müssen. Dazu
    gehört, dass wir endlich die immer noch viel zu hohe Ju-
    gendarbeitslosigkeit in den Griff bekommen.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


    Nur so werden wir mit unserem europäischen Wirt-
    schafts- und Sozialmodell dauerhaft erfolgreich sein.
    Nur so werden wir auch vielen Menschen ihre grundsätz-
    lichen Zweifel an der Richtung des europäischen Eini-
    gungsprozesses nehmen können.

    Sechstens. Wir müssen unsere Schlussfolgerungen
    aus dem Referendum in Großbritannien mit historischem
    Bewusstsein ziehen. Auch wenn es für uns kaum noch
    vorstellbar ist, so sollten wir nie vergessen, dass die Idee
    der europäischen Einigung eine Friedensidee war. Nach
    Jahrhunderten furchtbarsten Blutvergießens fanden die
    Gründer der europäischen Einigung den Weg zu Versöh-
    nung und Frieden, manifestiert in den Römischen Verträ-
    gen von vor bald 60 Jahren.

    Wir alle sehen, dass die Welt eine Welt in Unruhe ist.
    Auch in Europa spüren wir die Folgen von Unfreiheit,
    Krisen, Konflikten und Kriegen in unserer unmittelbaren
    Nachbarschaft, die schon so viele Menschen das Leben
    gekostet und so viele andere entwurzelt und aus ihren
    Heimatländern vertrieben haben. Es gibt außen- und
    sicherheitspolitische Herausforderungen, die uns Euro-
    päern dauerhaft niemand abnehmen wird, für die ganz
    zuvorderst wir unsere Verantwortung zu tragen haben.
    Deshalb dürfen wir bei aller Aufmerksamkeit, die die
    Entscheidung des britischen Volkes natürlich verdient,
    zum Beispiel die Lage der Flüchtlinge aus Syrien oder
    dem Irak keine Sekunde aus den Augen verlieren.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Das EU-Türkei-Abkommen greift, aber es ist noch
    lange nicht vollständig umgesetzt. Die Situation der Men-
    schen, die sich auf der zentralen Mittelmeerroute in die
    Hände skrupelloser Schlepper und Schleuser begeben,
    schreit zum Himmel. Es führt kein Weg daran vorbei:
    Nur gemeinsam werden wir die vielfältigen Aufgaben
    bewältigen, vor die uns die weltweiten Fluchtbewegun-
    gen stellen, vor die uns auch der Klimawandel, die Be-
    kämpfung des Hungers oder der internationale Terroris-
    mus stellen. Deshalb müssen wir auch die Gemeinsame

    Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel






    (A) (C)



    (B) (D)


    Sicherheits- und Verteidigungspolitik der Europäischen
    Union – natürlich immer im Verbund mit unseren trans-
    atlantischen Partnern – fit machen.


    (Beifall des Abg. Dr. Georg Nüßlein [CDU/ CSU])


    In einer Welt, die immer weiter zusammenwächst, sind
    diese Aufgaben zu groß, als dass einzelne Staaten sie al-
    leine erfolgreich bewältigen können.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Meine Damen und Herren, Deutschland hat ein be-
    sonderes Interesse daran, dass die europäische Einigung
    gelingt. Deutschland trägt gemeinsam mit Frankreich
    die besondere historische Verantwortung, die Errungen-
    schaften der europäischen Einigung zu wahren und zu
    schützen. Dieser Verantwortung stellen wir uns. Ich habe
    deshalb gestern mit dem französischen Staatspräsidenten
    François Hollande und dem italienischen Ministerprä-
    sidenten Matteo Renzi über das weitere Vorgehen bera-
    ten. Wir haben eine gemeinsame Haltung zum weiteren
    Verfahren gegenüber Großbritannien vereinbart und uns
    darauf verständigt, die Europäische Union weiterentwi-
    ckeln zu wollen.

    Heute und morgen besteht die Gelegenheit, die-
    se Diskussion zusammen mit den anderen Staats- und
    Regierungschefs beim Europäischen Rat in Brüssel zu
    vertiefen, zusammen mit dem britischen Premierminis-
    ter David Cameron, aber morgen auch allein im Kreis
    derjenigen 27 Mitgliedstaaten, die auch in Zukunft fest
    zur Europäischen Union stehen werden. Ziel sollte sein,
    spätestens bis zum 60. Jahrestag der Unterzeichnung der
    Römischen Verträge im März kommenden Jahres zu ei-
    nem gemeinsamen Ergebnis zu gelangen.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


    Gemeinsam werden wir daran arbeiten, dass die Euro-
    päische Union jetzt die richtigen Schlussfolgerungen
    aus dem Austritt Großbritanniens zieht, und zwar in dem
    Bewusstsein, wie sehr wir alle jeden Tag von der Freizü-
    gigkeit, der Niederlassungsfreiheit und den offenen Bin-
    nengrenzen profitieren, die die europäische Einigung erst
    möglich gemacht hat.

    Junge Menschen in Europa können mit einem deut-
    schen Schulabschluss in einem anderen Mitgliedstaat
    studieren. Millionen Menschen sammeln mit dem Pro-
    gramm Erasmus+ Erfahrungen in einem anderen Mit-
    gliedstaat. Unsere Wirtschaft profitiert von den Freiheiten
    des Binnenmarktes. Jeder kann sich überall niederlassen.
    Wir können in Deutschland ohne Beschränkung portu-
    giesische und niederländische Produkte kaufen, genauso
    wie unsere Unternehmen ihre Produkte ohne Hindernisse
    in Polen oder Italien anbieten können.

    Wir können stolz sein auf unsere gemeinsamen euro-
    päischen Werte, auf Freiheit, Demokratie und Rechts-
    staatlichkeit.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Und wir können stolz sein auf unser einzigartiges Gesell-
    schaftsmodell, um das uns viele in der Welt beneiden und
    das wir im globalen Wettbewerb zu behaupten haben.
    Diese historischen Errungenschaften bleiben bestehen,
    auch ohne die Mitgliedschaft Großbritanniens.

    Jetzt, angesichts so vieler großer Herausforderungen,
    wollen und werden wir mit ganzer Kraft daran arbeiten,
    dass die Europäische Union einmal mehr die Wandlungs-
    fähigkeit beweist, zu der sie auch in früheren Krisen
    immer wieder imstande war. Die Europäische Union ist
    stark genug, um den Austritt Großbritanniens zu ver-
    kraften, sie ist stark genug, um auch mit 27 Mitglied-
    staaten weiter voranzuschreiten, und sie ist stark genug,
    auch künftig erfolgreich ihre Interessen in der Welt zu
    vertreten. Die Europäische Union ist einer der größten
    Wirtschaftsräume der Welt, sie ist eine einzigartige Soli-
    dar- und Wertegemeinschaft mit hoher Anziehungskraft
    in alle Welt, und sie ist unser Garant für Frieden, Wohl-
    stand und Stabilität.

    Ich bedanke mich für die vielen Stimmen aus dem
    Deutschen Bundestag, die in den letzten Tagen ebenfalls
    die Bedeutung und den einzigartigen Wert der europä-
    ischen Einigung unterstrichen haben. Deutschland wird
    sich immer für die Idee und den Wert der europäischen
    Einigung einsetzen, auch und gerade in diesen schwieri-
    gen Zeiten und an diesem historischen Scheideweg.

    Herzlichen Dank.


    (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU – Beifall bei der SPD – Abg. Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE] begibt sich während des Beifalls zum Rednerpult – Beifall bei der LINKEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Was soll das denn? Er wurde doch noch gar nicht aufgerufen!)




Rede von Dr. Norbert Lammert
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

Herr Kollege Bartsch, so viel Antrittsapplaus von al-

len Seiten des Hauses werden Sie nur selten bekommen.


(Heiterkeit bei Abgeordneten im ganzen Hause)



  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Dietmar Bartsch


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DIE LINKE.)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE LINKE.)


    Außer von den Grünen; die haben nicht geklatscht.