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    Plenarprotokoll 18/173 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 173. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 2. Juni 2016 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag der Abgeord- neten Dr. Egon Jüttner, Karl Schiewerling und Bernhard Daldrup . . . . . . . . . . . . . . . . . 17001 A Erweiterung und Abwicklung der Tagesord- nung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17001 B Absetzung des Tagesordnungspunktes 26 . . . . 17002 A Begrüßung von Vertretern der Botschaften Ar- meniens und der Türkei . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17028 A Tagesordnungspunkt 3: a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Regulierung des Prostitutions- gewerbes sowie zum Schutz von in der Prostitution tätigen Personen Drucksache 18/8556 . . . . . . . . . . . . . . . . . 17002 B b) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht der Bundesregierung zu den Auswirkungen des Gesetzes zur Rege- lung der Rechtsverhältnisse der Prosti- tuierten (Prostitutionsgesetz – ProstG) Drucksache 16/4146 . . . . . . . . . . . . . . . . . 17002 B Manuela Schwesig, Bundesministerin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17002 C Cornelia Möhring (DIE LINKE) . . . . . . . . . . 17003 D Marcus Weinberg (Hamburg) (CDU/CSU) . . . 17005 C Cornelia Möhring (DIE LINKE) . . . . . . . . 17006 B Katja Dörner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17007 D Dr . Carola Reimann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 17008 D Ulle Schauws (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17009 C Sylvia Pantel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 17010 D Sönke Rix (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17012 B Paul Lehrieder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 17013 C Katja Dörner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17013 D Karin Maag (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . 17015 C Tagesordnungspunkt 4: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 zur Verhütung und Be- kämpfung des Menschenhandels und zum Schutz seiner Opfer sowie zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2002/629/JI des Rates Drucksache 18/4613 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17017 B Christian Lange, Parl . Staatssekretär BMJV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17017 B Ulla Jelpke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . 17018 C Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17019 D Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17021 D Dr . Eva Högl (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17023 B Dr . Silke Launert (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 17024 C Dr . Matthias Bartke (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 17026 A Dr . Hans-Peter Uhl (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 17026 C Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 173 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 2 . Juni 2016II Tagesordnungspunkt 5: a) Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Erin- nerung und Gedenken an den Völker- mord an den Armeniern und anderen christlichen Minderheiten in den Jahren 1915 und 1916 Drucksache 18/8613 . . . . . . . . . . . . . . . . . 17027 D b) Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Ulla Jelpke, Katrin Ku- nert, Wolfgang Gehrcke, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion DIE LINKE: 100. Jahresgedenken des Völkermords an den Armenierinnen und Armeniern 1915/1916 – Deutschland muss zur Auf- arbeitung und Versöhnung beitragen Drucksachen 18/4335, 18/7909 . . . . . . . . . 17028 A Präsident Dr . Norbert Lammert . . . . . . . . . . . . 17027 D Dr . Rolf Mützenich (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 17028 C Dr . Gregor Gysi (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 17030 B Dr . Franz Josef Jung (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 17031 D Cem Özdemir (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17032 D Dr . Christoph Bergner (CDU/CSU) . . . . . . . . 17034 B Dietmar Nietan (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17035 A Dr . Hans-Peter Uhl (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 17036 C Albert Weiler (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 17037 C Dr . Martin Pätzold (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 17038 B Tagesordnungspunkt 6: Antrag der Abgeordneten Matthias W . Birk- wald, Sabine Zimmermann (Zwickau), Her- bert Behrens, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Die Riester-Rente in die gesetzliche Rentenversicherung über- führen Drucksache 18/8610 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17039 B Matthias W . Birkwald (DIE LINKE) . . . . . . . 17039 B Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU) . . . . 17041 A Matthias W . Birkwald (DIE LINKE) . . . . . 17041 C Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17043 B Matthias W . Birkwald (DIE LINKE) . . . . . 17044 B Ralf Kapschack (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17045 C Susanna Karawanskij (DIE LINKE) . . . . . . . . 17046 D Jana Schimke (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 17047 C Cansel Kiziltepe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17048 D Matthäus Strebl (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 17050 B Dr . Martin Rosemann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 17051 C Anja Karliczek (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 17052 D Tagesordnungspunkt 31: a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Änderung des Umweltstatistikge- setzes und des Hochbaustatistikgesetzes Drucksache 18/8341 . . . . . . . . . . . . . . . . . 17054 B b) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Abkommen vom 17. Dezem- ber 2015 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Japan zur Beseitigung der Doppelbesteuerung auf dem Ge- biet der Steuern vom Einkommen und bestimmter anderer Steuern sowie zur Verhinderung der Steuerverkürzung und -umgehung Drucksache 18/8516 . . . . . . . . . . . . . . . . . 17054 B c) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Ge- setzes zur Umsetzung der Richtlinien (EU) 2015/566 und (EU) 2015/565 zur Einfuhr und zur Kodierung menschli- cher Gewebe und Gewebezubereitungen Drucksache 18/8580 . . . . . . . . . . . . . . . . . 17054 B d) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Finanzhilfen des Bundes zum Ausbau der Tagesbetreuung für Kinder und des Kinderbetreuungsfinan- zierungsgesetzes Drucksache 18/8616 . . . . . . . . . . . . . . . . . 17054 C e) Antrag der Abgeordneten Dr . Alexander S . Neu, Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Keine Verlegung von Bun- deswehr-Einheiten nach Litauen Drucksache 18/8608 . . . . . . . . . . . . . . . . . 17054 C f) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Nationaler Implementierungsplan zur Umsetzung der EU-Jugendgarantie in Deutschland Drucksache 18/1108 . . . . . . . . . . . . . . . . . 17054 D g) Bericht des Ausschusses für Bildung, For- schung und Technikfolgenabschätzung gemäß § 56a der Geschäftsordnung: Tech- nikfolgenabschätzung (TA): Bilanz der Sommerzeit Drucksache 18/8000 . . . . . . . . . . . . . . . . . 17054 D Zusatztagesordnungspunkt 2: Antrag der Abgeordneten Lisa Paus, Christian Kühn (Tübingen), Kerstin Andreae, weiterer Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 173 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 2 . Juni 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 173 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 2 . Juni 2016 III Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Spekulation mit Immobilien und Land beenden – Keine Steuerbegüns- tigung für Übernahmen durch Share Deals Drucksache 18/8617 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17055 A Tagesordnungspunkt 32: a) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Energie zu der Verordnung der Bundesregierung: Sechste Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung Drucksachen 18/7992, 18/8129 Nr . 2, 18/8276 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17055 B b)–i) Beratung der Beschlussempfehlungen des Petitionsausschusses: Sammelübersich- ten 313, 314, 315, 316, 317, 318, 319 und 320 zu Petitionen Drucksachen 18/8411, 18/8412, 18/8413, 18/8414, 18/8415, 18/8416, 18/8417, 18/8418 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17055 B Zusatztagesordnungspunkt 3: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 29. Juni 2015 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Republik Kosovo über die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen Drucksachen 18/8211, 18/8642 . . . . . . . . . 17056 B b) Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für wirtschaftliche Zusammenar- beit und Entwicklung zu dem Antrag der Abgeordneten Uwe Kekeritz, Dr . Frithjof Schmidt, Claudia Roth (Augsburg), weite- rer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die Unterzeichnung und die vorläufige An- wendung des Wirtschaftspartnerschafts- abkommens zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einer- seits und den SADC-WPA-Staaten an- dererseits, KOM(2016) 8 endg.; Rats- dok. 5608/16 und zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die Unterzeichnung und die vorläufige Anwendung des Wirt- schaftspartnerschaftsabkommens zwi- schen den Partnerstaaten der Ostafrika- nischen Gemeinschaft einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitglied- staaten andererseits, KOM(2016) 63 endg.; Ratsdok. 6126/16 hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung gemäß Artikel 23 Ab- satz 3 des Grundgesetzes Wirtschaftspartnerschaftsabkommen mit der Entwicklungsgemeinschaft des südlichen Afrika und der ostafrikani- schen Gemeinschaft ablehnen Drucksachen 18/8243, 18/8643 . . . . . . . . . 17056 C Tagesordnungspunkt 7: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Telemediengesetzes Drucksachen 18/6745, 18/8645 . . . . . . . . . 17056 D b) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Dr . Konstantin von Notz, Luise Amtsberg, Volker Beck (Köln), weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie den Abgeordneten Halina Wawzyniak, Her- bert Behrens, Dr . Petra Sitte, weiteren Ab- geordneten und der Fraktion DIE LINKE eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Telemediengesetzes – Störerhaftung Drucksachen 18/3047, 18/3861 . . . . . . . . . 17056 D Marcus Held (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17057 A Dr . Petra Sitte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 17057 D Axel Knoerig (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 17059 A Dr . Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17059 D Lars Klingbeil (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17060 D Hansjörg Durz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 17061 D Christian Flisek (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17063 A Thomas Jarzombek (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 17063 D Dr . Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17064 C Tagesordnungspunkt 8: a) – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Stärkung der beruflichen Weiterbildung und des Versicherungsschutzes in der Arbeitslosenversicherung (Arbeitslo- senversicherungsschutz- und Weiter- bildungsstärkungsgesetz – AWStG) . Drucksachen 18/8042, 18/8647 . . . . . . 17066 A – Bericht des Haushaltsausschusses ge- mäß § 96 der Geschäftsordnung Drucksache 18/8648 . . . . . . . . . . . . . . 17066 B Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 173 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 2 . Juni 2016IV b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales – zu dem Antrag der Abgeordneten Sabi- ne Zimmermann (Zwickau), Matthias W . Birkwald, Susanna Karawanskij, weiterer Abgeordneter und der Frakti- on DIE LINKE: Schutzfunktion der Arbeitslosenversicherung stärken – zu dem Antrag der Abgeordneten Brigitte Pothmer, Kerstin Andreae, Markus Kurth, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Arbeitslosenversicherung gerechter gestalten und Zugänge ver- bessern Drucksachen 18/7425, 18/5386, 18/8647 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17066 B c) Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Arbeit und Soziales zu dem Antrag der Abgeordneten Brigitte Poth- mer, Markus Kurth, Beate Müller-Gemme- ke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Arbeits- förderung neu ausrichten – Nachhaltige Integration und Teilhabe statt Ausgren- zung Drucksachen 18/3918, 18/5119 . . . . . . . . . 17066 B Anette Kramme, Parl . Staatssekretärin BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17066 C Sabine Zimmermann (Zwickau) (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17067 B Albert Weiler (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 17068 C Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17069 B Michael Gerdes (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17070 B Uwe Lagosky (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 17071 A Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17072 B Uwe Lagosky (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 17072 C Dr . Ernst Dieter Rossmann (SPD) . . . . . . . . . 17072 D Dr . Astrid Freudenstein (CDU/CSU) . . . . . . . 17073 C Tagesordnungspunkt 13: a) Antrag der Abgeordneten Friedrich Osten- dorff, Dr . Anton Hofreiter, Oliver Krischer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Bäuerli- cher Milchviehhaltung eine Zukunft ge- ben – Milchmenge jetzt begrenzen Drucksache 18/8618 . . . . . . . . . . . . . . . . . 17075 B b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung und Landwirt- schaft zu dem Antrag der Abgeordneten Dr . Kirsten Tackmann, Karin Binder, Heid- run Bluhm, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE sowie der Abgeord- neten Friedrich Ostendorff, Harald Ebner, Nicole Maisch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN: Milchmarkt stabilisieren – Milch- krise beenden Drucksachen 18/6206, 18/8641 . . . . . . . . . 17075 C Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17075 C Peter Bleser, Parl . Staatssekretär BMEL . . . . . 17077 A Dr . Kirsten Tackmann (DIE LINKE) . . . . . . . 17078 D Dr . Wilhelm Priesmeier (SPD) . . . . . . . . . . . . 17079 D Alois Gerig (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . 17081 B Rainer Spiering (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17082 B Artur Auernhammer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 17083 C Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . . . 17084 B Tagesordnungspunkt 10: Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD: Das Fachkräftepotenzial ausschöp- fen – Zukunftschancen der deutschen Wirt- schaft sichern Drucksache 18/8614 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17085 B Axel Knoerig (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 17085 C Sabine Zimmermann (Zwickau) (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17086 C Dr . Hans-Joachim Schabedoth (SPD) . . . . . . . 17087 C Dieter Janecek (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17088 C Jana Schimke (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 17089 D Josip Juratovic (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17091 A Dr . Thomas Feist (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 17092 A Tagesordnungspunkt 11: Antrag der Abgeordneten Jan Korte, Herbert Behrens, Sevim Dağdelen, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion DIE LINKE: Anerken- nung der sowjetischen Kriegsgefangenen als NS-Opfer Drucksache 18/8422 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17093 B Jan Korte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . 17093 B Dr . André Berghegger (CDU/CSU) . . . . . . . . 17094 C Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17096 A Matthias Schmidt (Berlin) (SPD) . . . . . . . . . . 17097 A Jan Korte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . 17097 D Barbara Woltmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 17098 D Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 173 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 2 . Juni 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 173 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 2 . Juni 2016 V Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17100 A Barbara Woltmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 17100 C Dennis Rohde (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17101 A Tagesordnungspunkt 12: Antrag der Bundesregierung: Fortsetzung der deutschen Beteiligung an der interna- tionalen Sicherheitspräsenz in Kosovo auf der Grundlage der Resolution 1244 (1999) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vom 10. Juni 1999 und des Militärisch-Tech- nischen Abkommens zwischen der interna- tionalen Sicherheitspräsenz (KFOR) und den Regierungen der Bundesrepublik Ju- goslawien (jetzt: Republik Serbien) und der Republik Serbien vom 9. Juni 1999 Drucksache 18/8623 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17102 B Dr . Ralf Brauksiepe, Parl . Staatssekretär BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17102 B Dr . Alexander S . Neu (DIE LINKE) . . . . . . . . 17103 B Dirk Vöpel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17104 B Dr . Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17105 B Florian Hahn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 17106 A Dr . Alexander S . Neu (DIE LINKE) . . . . . . . . 17107 A Florian Hahn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 17107 C Tagesordnungspunkt 9: Antrag der Abgeordneten Katja Keul, Katja Dörner, Luise Amtsberg, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Elternschaftsvereinbarung bei Samenspende und das Recht auf Kenntnis eigener Abstammung Drucksache 18/7655 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17107 D Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17108 A Dr . Sabine Sütterlin-Waack (CDU/CSU) . . . . 17109 A Jörn Wunderlich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 17110 A Sonja Steffen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17110 D Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17111 B Alexander Hoffmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . 17112 A Dr . Matthias Bartke (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 17113 A Tagesordnungspunkt 14: Antrag der Bundesregierung: Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streit- kräfte an der „United Nations Interim Force in Lebanon“ (UNIFIL) auf Grundlage der Resolution 1701 (2006) und nachfolgender Verlängerungsresolutionen des Sicherheits- rates der Vereinten Nationen, zuletzt Reso- lution 2236 (2015) vom 21. August 2015 Drucksache 18/8624 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17113 C Michael Roth, Staatsminister AA . . . . . . . . . . 17113 D Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . 17115 A Jürgen Hardt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . 17116 A Agnieszka Brugger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17116 D Florian Hahn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 17117 C Tagesordnungspunkt 15: Antrag der Abgeordneten Karin Binder, Caren Lay, Herbert Behrens, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Bundespro- gramm Kita- und Schulverpflegung – Für alle Kinder und Jugendlichen eine hoch- wertige und unentgeltliche Essensversor- gung sicherstellen Drucksache 18/8611 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17118 B Karin Binder (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 17118 C Katharina Landgraf (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 17119 B Sabine Leidig (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 17119 D Özcan Mutlu (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17120 C Dr . Rosemarie Hein (DIE LINKE) . . . . . . . . . 17121 D Elvira Drobinski-Weiß (SPD) . . . . . . . . . . . . . 17122 A Marlene Mortler (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 17122 D Karin Binder (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 17123 D Ursula Schulte (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17124 B Tagesordnungspunkt 16: Zweite und dritte Beratung des von den Frak- tionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Ände- rung des Agrarmarktstrukturgesetzes Drucksachen 18/8235, 18/8646 . . . . . . . . . . . 17125 B Kees de Vries (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 17125 B Karin Binder (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 17126 A Dr . Wilhelm Priesmeier (SPD) . . . . . . . . . . . . 17126 D Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17127 D Waldemar Westermayer (CDU/CSU) . . . . . . . 17128 D Johann Saathoff (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17129 D Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 173 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 2 . Juni 2016VI Tagesordnungspunkt 17: Antrag der Abgeordneten Katharina Dröge, Kerstin Andreae, Dr . Thomas Gambke, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Für mehr Transpa- renz und demokratische Kontrolle bei der Ministererlaubnis Drucksache 18/8078 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17130 D Katharina Dröge (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17130 D Dr . Matthias Heider (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 17131 D Michael Schlecht (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 17133 A Marcus Held (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17134 A Katharina Dröge (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17134 B Tagesordnungspunkt 18: – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes über eine finan- zielle Hilfe für Dopingopfer der DDR (Zweites Dopingopfer-Hilfegesetz) Drucksachen 18/8040, 18/8261, 18/8461 Nr . 1 .4, 18/8515 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17136 B – Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung Drucksache 18/8528 . . . . . . . . . . . . . . . . . 17136 B Ingo Wellenreuther (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 17136 C Dr . André Hahn (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 17137 D Dagmar Freitag (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17139 A Monika Lazar (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17140 B Karin Strenz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . 17141 A Tagesordnungspunkt 19: Antrag der Abgeordneten Susanna Karawans- kij, Klaus Ernst, Jutta Krellmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Finanzaufsicht nach Anlagepleiten zum Schutz von Verbraucherinteressen stärken Drucksache 18/8609 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17142 C Susanna Karawanskij (DIE LINKE) . . . . . . . . 17142 C Dr . Frank Steffel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 17143 B Sarah Ryglewski (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 17144 C Alexander Radwan (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 17145 C Tagesordnungspunkt 20: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung bewachungsrechtlicher Vor- schriften Drucksache 18/8558 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17146 B Tagesordnungspunkt 21: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Pfle- ge und Beruf für Beamtinnen und Beamte des Bundes und Soldatinnen und Soldaten sowie zur Änderung weiterer dienstrechtli- cher Vorschriften Drucksache 18/8517 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17146 C Tagesordnungspunkt 22: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Sechsten Ge- setzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (6. SGB IV-Änderungsgesetz – 6. SGB IV- ÄndG) Drucksache 18/8487 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17146 D Tagesordnungspunkt 23: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Vierten Geset- zes zur Änderung des GAK-Gesetzes Drucksache 18/8578 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17146 D Tagesordnungspunkt 24: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Direktzahlungen-Durch- führungsgesetzes Drucksache 18/8514 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17147 A Tagesordnungspunkt 25: a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Bekämpfung der Verbreitung neuer psychoaktiver Stoffe Drucksache 18/8579 . . . . . . . . . . . . . . . . . 17147 B b) Antrag der Abgeordneten Frank Tempel, Kathrin Vogler, Matthias W . Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Für eine zeitgemäße Ant- wort auf neue psychoaktive Substanzen Drucksache 18/8459 . . . . . . . . . . . . . . . . . 17147 C Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17147 D Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 173 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 2 . Juni 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 173 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 2 . Juni 2016 VII Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . . 17149 A Anlage 2 Erklärungen nach § 31 GO zu der Abstim- mung über den Antrag der Fraktionen CDU/ CSU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Erinnerung und Gedenken an den Völkermord an den Armeniern und anderen christlichen Minderheiten in den Jahren 1915 und 1916 (Tagesordnungspunkt 5 a) . . . . . . . . . . . . . . . . 17149 C Michael Brand (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 17149 C Sevim Dağdelen (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 17151 A Bettina Kudla (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 17153 A Dr . Dorothee Schlegel (SPD) . . . . . . . . . . . . . 17153 C Erika Steinbach (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 17154 C Oliver Wittke (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . 17155 A Anlage 3 Erklärung der Abgeordneten Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Abstim- mung über die Beschlussempfehlung des Aus- schusses für Wirtschaft und Energie zu der von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD ein- gebrachten Entschließung zum Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Telemedi- engesetzes (Drucksache 18/8645) (Tagesordnungspunkt 7 a) . . . . . . . . . . . . . . . . 17155 B Anlage 4 Erklärungen nach § 31 GO zu der Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrach- ten Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der beruflichen Weiterbildung und des Versiche- rungsschutzes in der Arbeitslosenversicherung (Arbeitslosenversicherungsschutz- und Wei- terbildungsstärkungsgesetz – AWStG) (Tagesordnungspunkt 8 a) . . . . . . . . . . . . . . . . 17155 C Burkhard Blienert (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 17155 C Martin Dörmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 17156 A Siegmund Ehrmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 17156 C Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung des Antrags der Abgeordneten Susanna Karawans- kij, Klaus Ernst, Jutta Krellmann, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion DIE LINKE: Fi- nanzaufsicht nach Anlagepleiten zum Schutz von Verbraucherinteressen stärken (Tagesordnungspunkt 19) . . . . . . . . . . . . . . . . 17157 B Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17157 B Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung bewa- chungsrechtlicher Vorschriften (Tagesordnungspunkt 20) . . . . . . . . . . . . . . . . 17158 A Dr. Kristina Schröder (Wiesbaden) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17158 A Marcus Held (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17159 B Thomas Lutze (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 17160 A Irene Mihalic (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17160 C Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur besseren Ver- einbarkeit von Familie, Pflege und Beruf für Beamtinnen und Beamte des Bundes und Sol- datinnen und Soldaten sowie zur Änderung weiterer dienstrechtlicher Vorschriften (Tagesordnungspunkt 21) . . . . . . . . . . . . . . . . 17161 B Dr. Günter Krings (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 17161 B Oswin Veith (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . 17162 C Matthias Schmidt (Berlin) (SPD) . . . . . . . . . . 17163 B Frank Tempel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 17164 C Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17165 B Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Sechsten Gesetzes zur Ände- rung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (6 . SGB IV-Änderungsge- setz – 6 . SGB IV-ÄndG) (Tagesordnungspunkt 22) . . . . . . . . . . . . . . . . 17166 A Dr. Astrid Freudenstein (CDU/CSU) . . . . . . . 17166 A Gabriele Schmidt (Ühlingen) (CDU/CSU) . . . 17166 C Gabriele Hiller-Ohm (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 17167 B Matthias W. Birkwald (DIE LINKE) . . . . . . . . 17168 B Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . 17168 D Anlage 9 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des GAK-Gesetzes (Tagesordnungspunkt 23) . . . . . . . . . . . . . . . . 17169 C Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 173 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 2 . Juni 2016VIII Hans-Georg von der Marwitz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17169 C Willi Brase (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17170 B Heidrun Bluhm (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 17171 D Markus Tressel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17173 C Peter Bleser, Parl. Staatssekretär BMEL . . . . 17174 A Anlage 10 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Direktzahlungen-Durchführungsgesetzes (Tagesordnungspunkt 24) . . . . . . . . . . . . . . . . 17175 A Artur Auernhammer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 17175 A Hermann Färber (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 17175 C Dr. Wilhelm Priesmeier (SPD) . . . . . . . . . . . . 17176 B Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) . . . . . . . . 17177 A Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17177 D Anlage 11 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: - des von der Bundesregierung eingebrach- ten Entwurfs eines Gesetzes zur Bekämp- fung der Verbreitung neuer psychoaktiver Stoffe - des Antrags der Abgeordneten Frank Tempel, Kathrin Vogler, Matthias W . Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Für eine zeitgemäße Antwort auf neue psychoaktive Substanzen (Tagesordnungspunkt 25 a und b) . . . . . . . . . . 17178 B Marlene Mortler (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 17178 C Burkhard Blienert (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 17179 A Martina Stamm-Fibich (SPD) . . . . . . . . . . . . . 17180 A Frank Tempel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 17181 A Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17182 A Ingrid Fischbach, Parl. Staatssekretärin BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17183 D (A) (C) (B) (D) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 173 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 2 . Juni 2016 17001 173. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 2. Juni 2016 Beginn: 9 .00 Uhr
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    3) Anlage 11 Präsident Dr. Norbert Lammert (A) (C) (B) (D) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 173 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 2 . Juni 2016 17149 Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Amtsberg, Luise BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 02 .06 .2016 Beck (Bremen), Marieluise BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 02 .06 .2016 Fabritius, Dr . Bernd CDU/CSU 02 .06 .2016 Hänsel, Heike DIE LINKE 02 .06 .2016 Lämmel, Andreas G . CDU/CSU 02 .06 .2016 Lerchenfeld, Philipp Graf CDU/CSU 02 .06 .2016 Maisch, Nicole BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 02 .06 .2016 Marwitz, Hans-Georg von der CDU/CSU 02 .06 .2016 Oßner, Florian CDU/CSU 02 .06 .2016 Petzold, Ulrich CDU/CSU 02 .06 .2016 Pflugradt, Jeannine SPD 02 .06 .2016 Roth (Augsburg), Claudia BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 02 .06 .2016 Schmidt (Fürth), Christian CDU/CSU 02 .06 .2016 Scho-Antwerpes, Elfi SPD 02 .06 .2016 Steinmeier, Dr . Frank- Walter SPD 02 .06 .2016 Strothmann, Lena CDU/CSU 02 .06 .2016 Thews, Michael SPD 02 .06 .2016 Veit, Rüdiger SPD 02 .06 .2016 Wagenknecht, Dr . Sahra DIE LINKE 02 .06 .2016 Wawzyniak, Halina DIE LINKE 02 .06 .2016 Wicklein, Andrea SPD 02 .06 .2016 Zech, Tobias CDU/CSU 02 .06 .2016 Anlage 2 Erklärungen nach § 31 GO zu der Abstimmung über den Antrag der Fraktio- nen CDU/CSU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN: Erinnerung und Gedenken an den Völker- mord an den Armeniern und anderen christlichen Minderheiten in den Jahren 1915 und 1916 (Tages- ordnungspunkt 5 a) Michael Brand (CDU/CSU): Es ist keine Schwäche, sondern zeugt von Stärke, sich zur Wahrheit zu beken- nen . Es wäre ein Armutszeugnis, wenn es beim Thema Genozid statt Mut zur Wahrheit etwa Feigheit vor dem Freund gäbe – das widerspricht der Haltung Deutsch- lands als Verfechter und Anwalt der Menschenrechte . Es darf bei uns keinen taktischen Umgang mit der Wahrheit geben – wenn wir in den Demokratien Europas nicht mehr die Wahrheit sagen, wer dann? Dem heutigen fraktionsübergreifenden Antrag „Er- innerung und Gedenken an den Völkermord an den Ar- meniern und anderen christlichen Minderheiten in den Jahren 1915 und 1916“ stimme ich zu und möchte als Begründung Argumente benennen, die ich auch bei ei- ner Rede zum diesjährigen „Gedenktag für die Opfer des Genozids an den Armeniern im Osmanischen Reich“ am Sonntag, 24 . April 2016, im Schlüterhof des Deutschen Historischen Museums ausgeführt habe: Der 24 . April 1915 steht für den Beginn eines unfass- baren Verbrechens . Eines Verbrechens, das zu den schlimmsten Verbre- chen des vergangenen Jahrhunderts zählt – und das mit den beiden Weltkriegen ein wahrlich blutiges Jahrhun- dert war . Eines Verbrechens an unschuldigen Menschen, die Opfer von Verfolgung und entsetzlicher Willkür wur- den – aus politischen, ethischen oder religiösen Gründen . Der 24 . April 1915, heute vor genau 101 Jahren, war der Tag, an dem der Befehl der jungtürkischen Regierung zur Verhaftung der politischen und kulturellen Elite der Armenier erlassen wurde . Menschen wurden misshandelt, enteignet, vertrieben, mussten hungern, wurden deportiert, verschleppt, auf Todesmärsche geschickt, massakriert, getötet . Ziel war die planmäßige Vernichtung der in der Türkei lebenden Armenier . Die Gräueltaten richteten sich aber ebenso ge- gen aramäische, chaldäische und assyrische Christen, die Pontos-Griechen . Die Verbrechen erfolgten vor den Au- gen der Weltöffentlichkeit, auch mit dem stillschweigen- den Wissen des damaligen deutschen Bündnispartners . Die historische Forschung spricht insgesamt von 1,5 Millionen Opfern . Für dieses Verbrechen gibt es nur eine unzweifelhafte und angemessene Bezeichnung: Der Völkermord an den Armeniern ist eine historische Tat- sache . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 173 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 2 . Juni 201617150 (A) (C) (B) (D) Im Ringen um diesen Begriff wurde oft gesagt, dass der Tatbestand des Genozids erst im Zuge der UN-Völ- kermordkonvention 1948 definiert worden sei. Es war für mich beschämend und es entspricht auch nicht der Position der Bundesrepublik Deutschland, dass sich das Auswärtige Amt noch im letzten Jahr die Position der türkischen Regierung zu eigen gemacht und behauptet hat, dass der Genozid an den Armeniern deshalb nicht Völkermord genannt werden dürfe, weil die Völker- rechtskonvention der Vereinten Nationen erst 1948 be- schlossen und 1950 in Kraft getreten sei . Wer so argumentiert, blendet bewusst aus, dass Völ- kermord und Verbrechen an der Menschlichkeit im ver- gangenen Jahrhundert zu Recht ja den Ausgangspunkt für die Erarbeitung der UN-Konvention bildeten . Mit dieser Konvention hat dann das Unfassbare einen Namen bekommen und wurde eine moralische Norm geschaffen, hinter die heute niemand zurückgehen kann . Die Verbrechen aber nicht beim Namen zu nennen, hieße, die Opfer nicht anzuerkennen, ihnen die Würde noch einmal zu nehmen, die Verbrechen und das Gesche- hene zu verharmlosen . Anlässlich des 100 . Jahrestages des Völkermordes an den Armeniern haben in einer würdigen Debatte im Deutschen Bundestag Abgeordnete aus allen Fraktionen den Finger in die Wunde gelegt . Schon damals haben wir mit anderen darauf gedrängt, dass der Begriff Völker- mord mit in unseren Antrag aufgenommen werden muss, ohne rhetorische Windungen, denn: ein Völkermord ist ein Völkermord bleibt ein Völkermord . Es ist gut, aber auch überfällig, dass der Deutsche Bundestag dies im kommenden Juni in einem gemeinsa- men Antrag jetzt tun wird . In Richtung türkischer Regierung möchte ich sagen: Der Wahrheit ins Auge zu sehen, macht stark und nicht schwach . Deutschland hat seiner historischen Wahrheit ins Auge gesehen und hat sie aufgearbeitet . Das hat Deutschland nicht schwächer gemacht, sondern stärker . Aus unserer eigenen Geschichte wissen wir sehr gut, dass Aufarbeitung auch der dunklen Kapitel der eigenen Ge- schichte einer Gesellschaft, einer Nation, sehr hilft und ihr für die Zukunft Selbstvertrauen und Offenheit gibt . Den mutigen Vertretern der türkischen Zivilgesell- schaft, die es immer wieder auf sich nehmen, den eige- nen Landsleuten die Augen zu öffnen, gilt gerade heute mein Respekt. Auch ihretwegen bleibt es eine Verpflich- tung, auf die Wahrheit hinzuweisen und die Dinge klar beim Namen zu nennen . Denn auch das Verschweigen von Verbrechen ist ein Verbrechen . Ohne Wahrheit gibt es keine Gerechtigkeit . Ohne Gerechtigkeit und Aufarbeitung gibt es keine Aussöhnung . Mit der aktuellen Attacke gegen das Kultur-Projekt „Aghet“ der Dresdner Sinfoniker und des Musikers Marc Sinan manövriert sich die türkische Regierung weiter in eine Sackgasse . Die massive Einschränkung der Mei- nungs- und Pressefreiheit beschleunigen diesen Weg, lei- der . Aber meine Mahnung heute geht auch an die Euro- päische Union und Deutschland: Sich nicht zu Mittätern zu machen! Nicht die eigene Seele zu verkaufen! Unter- würfigkeit hilft nicht, im Gegenteil. Bundespräsident Joachim Gauck – ebenso Bundes- tagspräsident Norbert Lammert – haben im vergangenen Jahr in beeindruckender Weise den Völkermord an den Armeniern und anderen ethnischen Minderheiten vor genau 100 Jahren in sehr grundsätzlichen und zugleich auf unsere heutige Zeit gerichteten Ansprachen konkret benannt, ohne dabei die damalige deutsche Mitschuld an diesem Jahrhundert-Verbrechen zu leugnen . Die Türkei und Deutschland sind seit über 100 Jah- ren freundschaftlich verbunden . Zu den Grundelementen von Freundschaft zählt Offenheit und Respekt, auch vor der Wahrheit . Es bleibt eine Aufgabe, die heutige Türkei zu einem offenen und ehrlichen Umgang zu ermutigen und diesen auch einzufordern . Das war einer der Gründe, warum eine Delegation des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe jüngst, Anfang März, zu politi- schen Gesprächen nach Ankara und Istanbul gereist ist . Und es war kein Zufall, dass wir das unmittelbar vor den Verhandlungen der EU mit der Türkei getan haben . Auch gegenüber dem armenischen Volk können wir Deutsche dazu beitragen, dass die Aussöhnung zwischen Armeniern und Türken unter Anerkennung der histori- schen Tatsachen weitere Fortschritte macht . Wer das auch 100 Jahre nach dem Völkermord andau- ernde Leid des armenischen Volkes ermessen will, der kann dies aus dem Text eines Liedes entnehmen, das in so beeindruckender Weise beim Ökumenischen Gottes- dienst 2015 im Berliner Dom gesungen wurde und mich sehr berührt hat und berührt: Das Lied von Gabriel Aydin trägt den Titel „The Song of the Syriac People“: „Wie viele Kriege müssen wir noch ertragen, wie lan- ge werden wir noch unterdrückt, weil dein Name auf un- serer Stirn steht? Wie die Schafe führen sie uns zur Schlachtbank – Herr, lass uns nicht allein . Sie unterdrücken uns gewaltsam – Herr, komm und eile uns zu Hilfe . Unsere Augen sind voller Tränen . Unsere Kleidung voller Blut . Wir schreien, aber niemand hört uns . Herr, nur du kannst uns antworten – Herr, lass uns nicht allein . Komm, eile uns zu Hilfe – Herr, lass uns in unserer Not nicht allein . Herr, komm sei mit uns und bleib unter uns . Lass uns deinen Frieden spüren . Herr, sei du unsere Heimat .“ Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 173 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 2 . Juni 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 173 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 2 . Juni 2016 17151 (A) (C) (B) (D) Es ist ebenso berührend wie erschreckend, wie dieses Lied, das in Aramäisch, der Sprache von Jesus, gesungen wurde, nicht nur das historische Schicksal der christli- chen Minderheit so aufwühlend beschreibt . Erschreckend ist auch, dass es heute, 100 Jahre nach den schrecklichen Ereignissen im osmanischen Reich, in der Nachbarschaft, in Syrien und im Irak, schon wieder um die Ausrottung christlicher Minderheiten geht . Umso mehr sind wir dazu aufgefordert, die Dinge beim Namen zu nennen, den Völkermord auch Völker- mord zu nennen, damit wir nicht aus Angst vor der Wahr- heit und aus Angst vor dem Freund die Geschichte nicht beim Namen nennen und Gefahr laufen, dass sie sich in anderer Form an anderer Stelle wiederholt . Ich verneige mich vor den Opfern! Und ich danke ih- nen . Sevim Dağdelen (DIE LINKE): Die Abstimmung im Bundestag zur Anerkennung des Völkermords an den Ar- meniern ist ein Sieg der Gerechtigkeit, ein Sieg der Auf- klärung . Über 100 Jahre hat es gedauert, bis ein deutsches Parlament endlich ohne Wenn und Aber den Völkermord an den Armeniern anerkannt hat . Die Abstimmung ist zu- gleich ein Bruch mit der deutschen Staatsräson des Ver- schweigens der Mitschuld des Kaiserreiches an diesem furchtbaren Verbrechen . Vor wenigen Wochen, am 24 . April 2016, jährte sich der Völkermord an den Armeniern . 101 Jahre ist es her, dass mit der Deportation armenischer Politiker und In- tellektueller aus Istanbul, auf Befehl des osmanischen Innenministers Mehmet Talat, diese grausame Tat be- gonnen wurde . Mit der heutigen Abstimmung gedenken wir heute hier all der 1,5 Millionen Opfer dieses schreck- lichen Verbrechens und verneigen uns vor ihnen in stiller Trauer . Über 100 Jahre sind vergangen seit jenem Tag . Kaum einer kennt noch die Namen der Deportierten . Haben wir je etwas von dem Schriftsteller Rupen Zartarian aus Diyarbakir, dem Dichter Yeruhan aus Istanbul oder dem Romanautor Dikran Chökürian aus Gümüşhane gehört. Sie alle wurden auf schändliche Art und Weise ermordet . Ja, man kann sagen, mit ihnen wurde auch ein Teil der Kultur des Osmanischen Reiches, ein Teil der Kultur der Welt ausgelöscht . Wer erinnert sich noch an die 20 zumeist jungen Ak- tivisten der Sozialdemokratischen Huntschak-Partei, die im Zuge des Völkermords an den Armeniern am 15 . Juni 1915 im Stadtteil Sultanbeyazid in Istanbul durch Erhän- gen hingerichtet wurden . Wer heute an diesen Auftakt des Völkermords erinnert, wird von den Sympathisan- ten der Völkermörder als Terroristenfreund diffamiert . 100 Jahre sind manchmal wie ein Tag . Diejenigen, die auch heute noch den Völkermord in widersprüchlicher Weise leugnen und zugleich rechtfertigen, setzen auf das Vergessen, setzen auf das Verschwinden . Wer weiß heute noch, dass diese Huntschak-Partei die erste sozialistische Partei im Osmanischen Reich war, dass es ihre Aktivisten waren, die zum ersten Mal das Kommunistische Mani- fest am Bosporus herausgegeben haben . Wenn wir heute des Völkermords an den Armeniern gedenken, geht es auch um eine Wiedergewinnung der Erinnerung an die Verschwundenen, eine Erinnerung an die Ausgelöschten . Eine Erinnerung an die in der Ke- mah-Schlucht Ermordeten oder in der Wüste des heuti- gen Syriens Zu-Tode-Gebrachten . Diese Erinnerung ist so schwer, weil von Beginn an alles getan wurde, um die- se unvorstellbare Tat vergessen zu machen . Es sollte eben nicht nur die Erinnerung an die Ermordeten ausgelöscht werden, sondern auch, durch eine Beseitigung aller Na- men oder kulturellen Erzeugnisse, die sie hinterlassen hatten, jedes steingewordene Dokument ihrer gewesenen Existenz . So wie ich es aus Erzählungen meines verstor- benen Vaters erfahren habe, dass im Dorf meiner Eltern, in der Provinz Erzincan, einst eine armenische Kirche stand . An ihrer Stelle ist heute die Dorfschule . Kein Stein ist dort mehr zu sehen . Die früher gleich neben dem ale- vitischen Friedhof gelegene armenische Grabstätte gibt es auch nicht mehr . Auch heute wird, wer an den Völkermord auch nur versucht zu erinnern, als Freund kurdischer oder armeni- scher Terroristen diffamiert . Die türkische islamistische Regierung, ganz Präsident Erdogan verpflichtet, setzt auf die Mobilisierung und die Entfesselung des Nationalis- mus . Mit ungeheurem propagandistischem Aufwand soll die Gleichung der Völkermörder, Terrorist gleich Arme- nier, in den Köpfen verankert werden . Und wer diese Ter- roristen verteidigt und auch noch auf Aufklärung dringt, der muss auch ein Armenier sein und steckt natürlich mit allen anderen Armeniern unter einer Decke . Und weiter: Die Armenier haben sich ihren Tod selbst zuzuschreiben, weil sie Terroristen sind . Und es ist diese Gleichung, die das Denken der Affirmierung des Völkermords an den Armeniern widerspiegelt . Dieses Völkermorddenken wird wach gehalten in Teilen der türkischen Gesellschaft durch ein ungeheures propagandistisches Trommelfeuer . Ziel ist es, die Zustimmung von großen Teilen der Bevöl- kerung zu einem Unterdrückungssystem par exellence zu erzielen . Und gerade deshalb ist Aufklärung so wichtig . Und gerade deshalb habe ich mich entschieden, mich von Drohungen oder zahlreichen üblen Beschimpfungen der Erdogan-Anhänger von „armenischer Hure“ bis „kurdi- scher Terroristin“ nicht einschüchtern zu lassen . Erdogan und die Seinen sprechen den Jargon der Völkermörder von 1915 . Es ist höchste Zeit, diese Leute in die Schran- ken zu weisen und sie nicht weiter zu ermutigen, wie dies die Bundeskanzlerin Merkel und Vizekanzler Gabriel durch ihre Abwesenheit bei der Abstimmung über den Völkermord an den Armeniern wieder einmal getan ha- ben . Über 100 Jahre sind nach den schrecklichen Massakern und Verfolgungen vergangen, doch wird der Völkermord an den Armeniern von der türkischen Regierung immer noch bestritten . Aber auch die Bundesregierung hat stets versucht, die deutsche Mitverantwortung für den Völ- kermord zu relativieren . Das eigentliche Ausmaß, nicht nur des Völkermords, aber auch der Beihilfe der deut- schen Militärs und Politiker, ist in der deutschen Öffent- lichkeit weithin unbekannt . Der Bundestag hatte sich in seiner Entschließung zur Erinnerung an die Vertreibung und Massaker an den Armeniern von 2005 um die ganze Wahrheit herumgedrückt . Darin heißt es: „Der Bundes- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 173 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 2 . Juni 201617152 (A) (C) (B) (D) tag bedauert auch die unrühmliche Rolle des Deutschen Reiches, das angesichts der vielfältigen Informationen über die organisierte Vertreibung und Vernichtung von Armeniern nicht einmal versucht hat, die Gräuel zu stop- pen .“ Die historische Wahrheit lässt aber eine Festlegung der Rolle des Kaiserreiches auf eine unterlassene Hil- feleistung nicht zu . Mit Blick auf die mörderische Waf- fenbrüderschaft zwischen dem deutschen Kaiserreich und dem Osmanischen Reich im Ersten Weltkrieg hatte denn die deutsche Seite alles getan, um den Völkermord zu decken . 1915 hatte Reichskanzler Bethmann Holl- weg gegenüber österreichischen Bedenken geantwortet: „Unser einziges Ziel ist es, die Türkei bis zum Ende des Krieges an unserer Seite zu halten, gleichgültig, ob da- rüber Armenier zugrunde gehen oder nicht .“ Daraus wird ersichtlich, dass Deutschland bereit war, den Völ- kermord zu billigen . Wichtig war allein die Waffenbrü- derschaft mit dem Osmanischen Reich . Als Beispiel sei nur General Fritz Bronsart von Schellendorf, Chef des Generalstabs im Großen Hauptquartier in Istanbul und damit oberster Kriegsplaner direkt nach dem Kriegsmi- nister Enver Pascha, genannt . Bronsart von Schellendorf befürwortete nicht nur die Deportation der Armenier aus militärischer Notwendigkeit, sondern äußerte sich auch nach dem Krieg in übelster Form über die armenische Minderheit . In einem Brief von 1921 an das Auswärtige Amt schrieb er: „Der Armenier ist nämlich, wie der Jude, außerhalb seiner engeren Heimat ein Parasit, der sich von dem Marke des Fremdvolkes mästet, unter dem er seinen Wohnsitz aufschlägt . Alljährlich wandern zahlreiche Ar- menier aus ihrem Stammlande nach Kurdistan, um nach kurzer Zeit ganze kurdische Dörfer zu bewuchern und sich dienstbar zu machen . Daher der Hass, der sich oft in ganz mittelalterlicher Weise durch den Mord miss- liebig gewordener Armenier entladen hat .“ Dazu taten 800 deutsche Offiziere und 25 000 Soldaten im Osmani- schen Reich Dienst, die sich auch aktiv am Völkermord an den Armeniern beteiligten . Diese Mitverantwortung Deutschlands zeigt sich auch in der Beantwortung der Kleinen Anfragen des späteren KPD-Gründers und damaligen USPD-Abgeordneten Karl Liebknecht im Januar 1916 im Reichstag . Liebknecht hatte als einziger Abgeordneter im Dezember 1914 gegen die Kriegskredite gestimmt und trat mit seinen Anfragen, dem einzig verbliebenen parlamentarischen Instrument, das ihm ohne Zustimmung seiner ehemaligen SPD-Frak- tion möglich war, im Reichstag auf, um die imperialisti- sche Politik des Kaiserreichs zu beleuchten . Der Anfrage Liebknechts zu den Massakern an den Armeniern folgte denn auch seine Anfrage zu weiteren Kriegsverbrechen, zu deutschen Kriegsverbrechen an Zivilisten in den be- setzten Ländern wie Belgien . Liebknecht fragte: „Ist dem Reichskanzler bekannt, dass während des jetzigen Krieges im verbündeten türkischen Reiche die armeni- sche Bevölkerung zu hunderttausenden vertrieben und niedergemacht worden ist? Welche Schritte hat der Herr Reichskanzler bei der verbündeten türkischen Regierung unternommen, um die gebotene Sühne herbeizuführen, die Lage des Restes der armenischen Bevölkerung in der Türkei menschenwürdig zu gestalten und die Wiederho- lung ähnlicher Greuel zu verhindern?“ Darauf antworte- te Dr . von Stumm, Kaiserlicher Gesandter, Dirigent der politischen Abteilung im Auswärtigen Amt, Kommissar des Bundesrats: „Dem Herrn Reichskanzler ist bekannt, daß die Pforte vor einiger Zeit, durch aufrührerische Um- triebe unserer Gegner veranlaßt, die armenische Bevöl- kerung bestimmter Gebietsteile des türkischen Reiches ausgesiedelt und ihr neue Wohnstätten angewiesen hat . Wegen gewisser Rückwirkungen dieser Maßnahmen findet zwischen der deutschen und der türkischen Regie- rung ein Gedankenaustausch statt . Nähere Einzelheiten können nicht mitgeteilt werden .“ Liebknecht versuchte eine Ergänzungsfrage nachzuschieben: „Ist dem Herrn Reichskanzler bekannt, daß Professor Lepsius geradezu von einer Ausrottung der türkischen Armenier gespro- chen . . .“ Diese wurde, ohne dass Liebknecht überhaupt zu Ende sprechen konnte, unter Beifall des Reichstags vom Präsidenten unterbunden . Nicht einmal die Frage sollte also gestellt werden können . Zu sehr war man sich einig, diese Verbrechen verschweigen zu müssen . Liebknecht erklärte im Nachhinein seine Handlungsstrategie wie folgt: „Die türkische Regierung hat ein furchtbares Ge- metzel unter den Armeniern angerichtet; alle Welt weiß davon – und in aller Welt macht man Deutschland verant- wortlich, weil in Konstantinopel die deutschen Offiziere die Regierung kommandieren . Nur in Deutschland weiß man nichts, weil die Presse geknebelt ist .“ Das Vorgehen des Kaiserreichs war, wie gesagt, symp- tomatisch für spätere Vorgehensweisen, den Völkermord an den Armeniern zu leugnen bzw . zu relativieren . Wie Richard Albrecht recherchierte, gab es im offiziellen „amtlichen Zensurbuch“ des Kaiserreichs die „arme- nische Frage“ betreffend im Herbst/Winter 1915 zwei zentrale Hinweise . Erstens am 7 . Oktober 1915 zu Arme- nien mit der Anweisung: „Veröffentlichungen über die armenische Frage unterliegen der Vorzensur“: „Über die Armeniergreuel ist folgendes zu sagen: Unsere freund- schaftlichen Beziehungen zur Türkei dürfen durch die- se innertürkische Verwaltungsangelegenheit nicht nur nicht gefährdet, sondern im gegenwärtigen, schwierigen Augenblick nicht einmal geprüft werden . Deshalb ist es einstweilig Pflicht zu schweigen. Später, wenn direkte Angriffe des Auslandes wegen deutscher Mitschuld er- folgen sollten, muß man die Sache mit größter Vorsicht und Zurückhaltung behandeln und später vorgeben, daß die Türken schwer von den Armeniern gereizt wurden .“ Zweitens am 23 . Dezember 1915 zur Türkei: „Über die armenische Frage wird am besten geschwiegen . Beson- ders löblich ist das Verhalten der türkischen Machthaber in dieser Frage nicht! [ . . .] Alle Ausführungen, die das An- sehen unserer türkischen Bundesgenossen irgendwie her- absetzen könnten, müssen vermieden werden [ . . .] Aufsät- ze über die armenische Frage unterliegen der Vorzensur .“ Festzuhalten ist, die Waffenbrüderschaft zwischen dem Kaiserreich und Osmanischen Reich bestand nicht nur im Hinblick auf den Völkermord an den Armeniern, sondern auch im Hinblick auf seine spätere Leugnung und Rela- tivierung . Der vorliegende Resolutionstext spricht jetzt wenigs- tens von dieser Mitschuld des Deutschen Reiches, auch wenn er das wahre Ausmaß der Mithilfe des Kaiserrei- ches an dem Völkermord an den Armeniern nicht in den Blick nimmt . Auch die Kennzeichnung der Todesmär- sche als „Vertreibung“ im Resolutionstext verfehlt die Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 173 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 2 . Juni 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 173 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 2 . Juni 2016 17153 (A) (C) (B) (D) historische Realität . Nichtdestotrotz trifft der Text den wichtigen Aspekt der Anerkennung wie auch der Mit- schuld des Kaiserreiches . Nur eine aufrichtige Anerkennung und Aufklärung kann den Weg zur Versöhnung und einer gemeinsamen Zukunft bahnen . Wir hier in Deutschland haben, was den Völkermord an den Armeniern angeht und die Aufklä- rung und Anerkennung über die deutsche Mitverantwor- tung angeht, noch ein Stück des Weges zu gehen . Denn auch für die konkrete Politik wurden daraus bisher noch keine Folgerungen gezogen . Für mich würde dies auch bedeuten, keine weiteren deutschen Rüstungsexporte zu tätigen, als eine der Lehren aus diesem imperialisti- schen Verbrechen . Es würde bedeuten, dass wir gerade angesichts des Kriegs des türkischen Staatspräsidenten Erdogan gegen die Kurden in der Türkei mit inzwi- schen über 500 000 Flüchtlingen und Hunderten zivilen Opfern, der Angriffe auf kurdische Enklaven in Syrien durch von Erdogan bewaffnete islamistische Terrorban- den wie auch auf armenische Dörfer wie Kesab in Syrien durch islamistische Milizen, die auch von der Türkei aus angreifen, die Waffenbrüderschaft mit dem Erdogan-Re- gime beenden . Bettina Kudla (CDU/CSU): Es ist nicht Aufgabe des Deutschen Bundestages, historische Bewertungen von Ereignissen in anderen Staaten vorzunehmen . Die Aufar- beitung von geschichtlichen Ereignissen obliegt dem be- troffenen Staat, in diesem Fall der Republik Türkei . Der vorliegende Antrag enthält keine Angaben von Quellen wie zum Beispiel Historikern, auf die sich die Beurtei- lungen des benannten Völkermordes stützen . Die politischen als auch finanziellen Folgen, die sich aus diesem Antrag ergeben, sind nicht kalkulierbar . Un- mittelbare finanzielle Folgen könnten sich durch das Aufmachen von Wiedergutmachungsforderungen seitens Armenien ergeben . Die Beziehungen zur Republik Türkei werden durch diesen Beschluss belastet . Der Vollzug des Flüchtlings- abkommens zwischen der Europäischen Union und der Republik Türkei wird erschwert . Dies ist umso bedauer- licher, da es sich um ein europäisches Abkommen han- delt und bisher europäische Lösungen bezüglich Asyl- bewerbern und Flüchtlingen nur schwer möglich waren . Sollte das Flüchtlingsabkommen mit der Republik Tür- kei scheitern, wird es neben gravierenden humanitären Folgen auch erhebliche finanzielle Mehrbelastungen für Deutschland geben . Allein aus der Kenntnis von Vorgängen kann meines Erachtens nicht abgeleitet werden, dass das Deutsche Reich eine Mitschuld an den damaligen Ereignissen der Verfolgung der Armenier trägt . Worin diese Verantwor- tung besteht, ist im Antrag nicht erkennbar . Im Antrag heißt es: „Der Deutsche Bundestag stellt fest: . . . Das Deutsche Reich trägt eine Mitschuld an den Ereignis- sen .“ In der Begründung des Antrages heißt es: „Die damalige deutsche Reichsregierung, die über die Verfol- gung und Ermordung der Armenier informiert war, blieb dennoch untätig . . . Das Deutsche Reich war als militäri- scher Hauptverbündeter des Osmanischen Reiches eben- falls tief in diese Vorgänge involviert .“ Konkrete historische Fakten sind nicht benannt . Auch in dem Antrag der Fraktion Die Linke vom März 2015 zu diesem Thema – Drucksache 18/4335 – und in dem An- trag der Fraktion Die Grünen vom April 2015 – Druck- sache 18/4687 – heißt es, dass die Regierung des Deut- schen Reiches jeweils über den Völkermord informiert war, aber nicht einschritt . Allein daraus kann meines Er- achtens nicht zwingend eine deutsche Mitverantwortung abgeleitet werden . Auch heute hat die Bundesregierung und auch der Deutsche Bundestag Kenntnis über Massa- ker zum Beispiel an Syrern . Trotz jahrelanger diplomati- scher Bemühungen und der Unterstützung von militäri- schen Einsätzen ist es nicht gelungen, diese Massaker in Syrien zu verhindern . Der vorliegende Antrag wird von mir abgelehnt . Dr. Dorothee Schlegel (SPD): Bei der Abstimmung über den heutigen Antrag „Erinnerung und Gedenken an den Völkermord an den Armeniern und anderen christli- chen Minderheiten in den Jahren 1915 und 1916“, dessen Inhalt ich grundsätzlich mittrage, votiere ich als Bericht- erstatterin für die Türkei im Ausschuss für Angelegen- heiten der Europäischen Union dennoch mit Enthaltung, da ich folgende Aspekte zu bedenken geben will: Das Ziel, von deutscher Seite her zu einer Versöhnung zwischen der Türkei und Armenien beizutragen, wird mit diesem Antrag meiner Wahrnehmung nach nicht zu errei- chen sein . Denn er berücksichtigt in seiner vorliegenden Form nicht ausreichend seine direkten und weiteren Fol- gen . Versöhnung kann weder isoliert von aktuellen poli- tischen Ereignissen noch ohne konkrete Angebote oder Symbole stattfinden. Die Aufarbeitung der Vergangen- heit braucht eine aktiv daran teilhabende und kritische Zivilgesellschaft . Dazu müssen schulische und universi- täre, politische und kulturelle Bildung in und zwischen den Ländern beitragen . Der vorliegende Antrag, der in seinen wesentlichen Aussagen den Anträgen 15/5689 (2005) und 18/4684 (2015) folgt, sollte weder anklagen noch verurteilen oder Reuebekenntnisse erzwingen, sondern Impuls zur wei- teren Aufklärung sein . Er sollte dazu beitragen können, Empfindlichkeiten auf armenischer und türkischer Seite zu überwinden . Dies ist, und das möchte ich betonen, nur im stetigen und gegenseitigen Dialog möglich . Der Versöhnungsprozess zwischen der Türkei und Armenien ist in den letzten Jahren ebenso ins Stocken geraten wie das Bemühen auf deutscher Seite, auch hier in Deutschland klarere Impulse zum Dialog auf verschie- densten Ebenen zu geben . Geschichte ist immer ein identitätsstiftender Bezugs- punkt für ein Land und seine Bevölkerung . Daher ist es, vor allem, wenn es um unrühmliche Taten und Rollen geht, äußerst wichtig, den Versöhnungsgedanken und den Prozess der Annäherung, das heißt das Ziel einer friedli- chen Koexistenz, höher zu bewerten als möglicherweise die Infragestellung des historisch gewachsenen oder ge- stalteten Bezugspunkts – und hier beziehe ich ausdrück- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 173 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 2 . Juni 201617154 (A) (C) (B) (D) lich die Rolle des Deutschen Reiches und die deutsche Verantwortung mit ein . Folgende Aspekte sind mir wichtig: Die unrühmliche deutsche Rolle und die deutsche Verantwortung werden in den Anträgen kaum beleuchtet und weder offensiv benannt noch kommuniziert . Der da- malige deutsche Bündnispartner war seinerzeit über den Verlauf der Massenvertreibungen und Massaker unter- richtet und mit seinen Diplomaten und Militärmissionen vor Ort . Die Berichte nach Berlin waren dann aber eher fragmentarisch . Der Völkermord war kein Thema, so der Journalist Wolfgang Gust . Denn „Unser einziges Ziel ist es, die Türkei bis zum Ende des Krieges an unserer Seite zu halten, gleichgültig, ob darüber Armenier zugrunde gehen oder nicht“, formulierte Reichskanzler Theobald von Bethmann Hollweg die deutsche Linie . Mit Blick in die türkische Geschichte der letzten Jahr- zehnte wird deutlich, dass über die Ereignisse – und hier ist jedes Opfer, egal welcher Religions- oder Staatszu- gehörigkeit, eines zu viel! – nicht nur ideologisch pola- risiert, sondern auch geschwiegen wurde . Ähnliches gilt sicher auch in unterschiedlicher Ausprägung für die Län- der Deutschland und Armenien . Es sind immer Ängste, auch kollektive Ängste, die das Reden über die Vergangenheit schwer und das Schwei- gen scheinbar leichter machen . Warum neben den Depor- tationen und Massakern an anderen christlichen Volks- gruppen die Vernichtung der armenischen Bevölkerung im damaligen Osmanischen Reich vonseiten der heuti- gen Türkei nicht als Genozid benannt wird, kann nur im Dialog mit der Türkei geklärt werden . Sollte der Begriff Völkermord ein Tabubegriff sein, dann braucht es zu sei- ner Aufklärung mehr als eine Resolution, die, so meine ich, das Tabuthema eher zementieren wird . Und das wäre bedauerlich – gerade für die Menschen, die sich offene Türen und eine offene Gesellschaft wünschen . Für Deutschland, Armenien und die Türkei umschrei- be ich die vor den Ländern und ihrer Bevölkerung lie- gende Aufgabe mit den Worten von Hrant Dink: „Man braucht für den Umgang mit der Geschichte einen ge- wissen Anstand, eine gewisse Ethik . Wo beides fehlt, nutzen die Dokumente wenig .“ Er folgerte daraus: „Die ethische Haltung, die wir in der Armenien-Frage brau- chen, ist Empathie .“ Und nur diese könne zu einem ange- messenen Gedächtnis beider Gesellschaften führen . Dink wurde am 19 . Januar 2007 erschossen – zu Beginn des Wahljahrs 2007, in dem über Parlament, Regierung und den Präsidenten neu entschieden werden sollte . Es war der Beginn des Konflikts zwischen Beharrungskräften und Gewinnern des Wandels, zwischen Islamismus und Säkularismus . Diese ethische Haltung, die zum Umgang mit der Geschichte notwendig ist, braucht ein Klima der Begegnung, in dem auch Gemeinsamkeiten entdeckt werden . Da der Prozess der Erinnerung und Aufarbeitung auch ein kultureller ist und nicht allein Historikern und Politi- kern überlassen werden darf, begrüße ich jegliche Förde- rung von Initiativen zur Aufarbeitung ebenso wie die be- reits geschehene Herausgabe der deutschen Dokumente . Zudem halte ich es für sinnvoll, wenn die Bundesregie- rung dazu beitragen könnte, dass unter Beteiligung von Armenien, Deutschland und der Türkei eine unabhängige Historikerkommission eingesetzt wird, die die damaligen Ereignisse aufarbeitet, Zahlen und Fakten überprüft und für mehr Transparenz sorgt . Was wir auch über den heutigen Tag hinaus verhindern sollten, ist, all die vielen Brücken, die es in die Zivilge- sellschaft hinein zwischen Familien und Organisationen gibt, aufs Spiel zu setzen . Fördern wir vielmehr auf allen Ebenen den bisher nicht ausreichenden Dialog über die jeweils eigene, aber ebenso die gemeinsame Geschichte von vor über 100 Jahren . Erika Steinbach (CDU/CSU): Ich begrüße nach- drücklich, dass der Deutsche Bundestags heute das Schicksal der autochthonen Christen im Osmanischen Reich als das bezeichnet was es war: Völkermord! Versöhnung beginnt immer mit der Aufarbeitung und der Auseinandersetzung über geschehenes Unrecht . Das bedeutet weder Anklage noch Diffamierung der da- für Verantwortlichen oder deren Nachfahren . Es ist ein wichtiger und unverzichtbarer Schritt, einem überfälli- gen Versöhnungsprozess neue Impulse zu geben und die Aufarbeitung der damaligen Ereignisse im Osmanischen Reich voranzubringen . Gerade als Vorsitzende der Arbeitsgruppe Menschen- rechte und humanitäre Hilfe der CDU/CSU-Bundestags- fraktion war es mir seit Jahren ein besonderes Anliegen, die Verbrechen der jungtürkischen Nationalisten im Os- manischen Reich deutlich zu benennen . Dabei ist es unverzichtbar, deutlich zu machen, dass sich die Gewalt nicht nur gegen die osmanischen Arme- nier, sondern letztlich gegen alle autochthonen Christen des Osmanischen Reiches gerichtet hat: bereits seit 1909 gegen die Pontos-Griechen, später gegen die Aramäer, Assyrer und Chaldäer . Das habe ich nicht erst im vergan- genen Jahr in meiner Rede zum 100 . Jahrestag des Be- ginns des Völkermordes am 24 . April 2015 im Deutschen Bundestag betont . Denjenigen, die den Antrag in den vergangenen Wo- chen und Tagen als falschen Weg und Gefahr für die deutsch-türkische Freundschaft bezeichnet haben und die Zuständigkeit für eine Bewertung der Gräuel eher bei Historikern oder Gerichten sehen, sage ich: Deutschland hat damals geschwiegen und darf gerade deshalb heute nicht schweigen . Zudem können wir uns heute nur dann glaubwürdig für das Menschenrecht auf Religionsfreiheit und gegen die Vertreibungen der Christen infolge der Gewalt in Sy- rien und dem Irak einsetzen, wenn wir auch angemessen an den Völkermord an den Christen im damaligen Osma- nischen Reich erinnern . Was mit dem Genozid seinerzeit an Gräueln verbun- den war, ist für uns unvorstellbar . Es war nicht nur die Tötung ganzer Gruppen von Menschen, sondern ging mit unglaublicher Brutalität vor sich . Die Vertreibungen ge- schahen systematisch zur Vernichtung der Menschen und trugen eindeutig alle Merkmale von Völkermord . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 173 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 2 . Juni 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 173 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 2 . Juni 2016 17155 (A) (C) (B) (D) Ich bin überzeugt, dieses Leid zu teilen, es anzuerken- nen, es beim Namen zu nennen, hilft den Nachfahren der Opfer, ihre eigenen Kräfte wieder zu stärken, zu bündeln und die Zukunft besser zu bewältigen . Man braucht Soli- darität von anderen, die keine Opfer waren, oder von an- deren, die auch Opfer waren und sich an die Seite stellen . Deshalb ist es so ein wichtiges Signal, dass wir uns heute im Deutschen Bundestag gemeinsam an die Seite der Nachfahren der Opfer stellen . Oliver Wittke (CDU/CSU): Die Vertreibung und Er- mordung von bis zu 1,5 Millionen Armeniern, Aramäern, Assyrern und sogenannten Pontos-Griechen im damali- gen Osmanischen Reich ist eines der großen Verbrechen des 20 . Jahrhunderts . Die Aufarbeitung und Erinnerung an diese furchtbaren Ereignisse ist insbesondere Aufgabe der Nachfahren der Tätergeneration . Ziel muss es sein, derartige Verbrechen nie wieder auch nur im Bereich des Möglichen erscheinen zu lassen . Daher muss eine umfassende und internationalen An- sprüchen gerecht werdende Aufarbeitung unter Beteili- gung der Nachfahren von Opfern und Tätern erfolgen . Nur so kann Akzeptanz und vor allem Lehre aus dem Geschehenen gezogen werden . Ähnlich wie Deutschland mit seinem Grundgesetz, aber auch den allgemeinen Re- geln des Zusammenlebens Konsequenzen aus seiner Ge- schichte gezogen hat, muss auch die Türkei für die aktu- elle alltägliche Politik Konsequenzen aus den Verbrechen vor 100 Jahren ziehen . Dies wird sie aber nicht aufgrund von Resolutionen ausländischer Parlamente, sondern nur bei aktiver Einbeziehung in die Aufarbeitung der Ge- schichte tun . Die Verurteilung des Geschehenen in der Vergangenheit ist richtig . Wichtiger ist aber das Ziehen von Konsequenzen für die Gegenwart . Dies wird nur mit der Türkei und nicht ohne sie erfolgreich sein . Anlage 3 Erklärung der Abgeordneten Britta Haßelmann (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirt- schaft und Energie zu der von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entschließung zum Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Ände- rung des Telemediengesetzes (Drucksache 18/8645) (Tagesordnungspunkt 7 a) Ich erkläre im Namen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, dass unser Votum zur Entschließung „Enthal- tung“ lautet . Anlage 4 Erklärungen nach § 31 GO zu der Abstimmung über den von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der beruflichen Weiterbildung und des Versicherungsschutzes in der Arbeitslosenversi- cherung (Arbeitslosenversicherungsschutz- und Weiterbildungsstärkungsgesetz – AWStG) (Tages- ordnungspunkt 8 a) Burkhard Blienert (SPD): Die Verlängerung der be- fristeten Sonderregelung zum erleichterten Bezug von Arbeitslosengeld I (ALG I) für überwiegend kurz befris- tet Beschäftigte (§ 142 SGB III) bis zum 31 . Juli 2018 im Rahmen des „Gesetzes zur Stärkung der beruflichen Weiterbildung und des Versicherungsschutzes in der Ar- beitslosenversicherung“ (AWStG) ist sowohl in sozial- als auch in kulturpolitischer Hinsicht ein Fortschritt . Wir beenden mit dieser Regelung eine Phase der Unsicherheit und schaffen das nötige Zeitfenster für die Ausgestaltung einer tragfähigen Anschlussregelung . Dennoch ist dies nicht die erhoffte langfristige Lösung, die SPD, CDU und CSU in ihrem Koalitionsvertrag in Aussicht gestellt haben . Ursprüngliches Ziel der Sonderregelung war es, die Schutzfunktion der Arbeitslosenversicherung für kurz befristet Beschäftigte – vor allem im Kulturbereich – zu stärken . Während der Anspruch auf ALG I grundsätzlich erst bei zwölf Monaten versicherungspflichtiger Be- schäftigung innerhalb einer Rahmenfrist von zwei Jah- ren erworben werden kann, gilt nach der Sonderregelung eine verkürzte Anwartschaft von sechs Monaten . Die vorliegenden Zahlen der Antragstellungen und -bewilligungen zeigen jedoch, dass die ALG-I-Sonder- regelung in ihrer bestehenden Form nur bedingt greift . Im letzten Erhebungszeitraum vom 1 . April 2014 bis 31 . März 2015 wurden lediglich 295 Anträge bewilligt, die nach der Sonderregelung zu behandeln waren . Als Hinderungsgrund für die Inanspruchnahme der Sonderregelung haben sich für die Betroffenen vor al- lem die engen Zugangsvoraussetzungen erwiesen . Zum einen sieht die Sonderregelung eine Verdienstobergrenze von 34 860 Euro vor . Zum anderen dürfen die versiche- rungspflichtigen Beschäftigungen eine Dauer von zehn Wochen nicht überschreiten . Dies hat zur Konsequenz, dass die kurz befristet Beschäftigten trotz Zahlung von Beiträgen an die Arbeitslosenversicherung im Falle ei- nes Arbeitsplatzverlustes in der Regel kein Arbeitslosen- geld I erhalten . Daher war zwischen den Koalitionsparteien CDU/ CSU und SPD eine grundlegende Anpassung der Son- derregelung in dieser Legislaturperiode verabredet, die – entsprechend unserer Vereinbarungen im Koalitions- vertrag – „den Besonderheiten von Erwerbsbiografien in der Kultur hinreichend Rechnung“ tragen sollte . Wir plädieren dafür, dass die Regierungskoalition – im Inte- resse der Kulturschaffenden – an diesen Vereinbarungen festhält und sowohl die Verdienst- als auch die Befris- tungsgrenze der Sonderregelung – zu berücksichtigende Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 173 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 2 . Juni 201617156 (A) (C) (B) (D) Beschäftigungsdauer von zehn Wochen; Verdienstober- grenze von 34 020 Euro im Jahr – der Berufswirklichkeit im Kulturbereich anpasst . Hierfür muss jetzt unmittelbar ein intensiver Prozess zwischen dem Bundesarbeitsmi- nisterium, dem Bundeskanzleramt und den Fraktionen von SPD und CDU/CSU in Gang gesetzt werden, um noch in dieser Legislaturperiode die praktischen Hürden der Sonderregelung abzubauen und die Schutzfunktion der Arbeitslosenversicherung insgesamt zu stärken . Ich stimme dem Gesetzentwurf zu . Martin Dörmann (SPD): Ich stimme der verlängerten Sonderregelung zum erleichterten Bezug von Arbeitslo- sengeld I für überwiegend kurz befristet Beschäftigte im Rahmen des „Gesetzes zur Stärkung der beruflichen Wei- terbildung und des Versicherungsschutzes in der Arbeits- losenversicherung“ (AWStG) zu und erkläre: Die Verlängerung der befristeten Sonderregelung zum erleichterten Bezug von Arbeitslosengeld I (ALG I) für überwiegend kurz befristet Beschäftigte (§ 142 SGB III) bis zum 31 . Juli 2018 im Rahmen des „Gesetzes zur Stärkung der beruflichen Weiterbildung und des Ver- sicherungsschutzes in der Arbeitslosenversicherung“ (AWStG) ist sowohl in sozial- als auch in kulturpoliti- scher Hinsicht ein Fortschritt . Wir beenden mit dieser Regelung eine Phase der Unsicherheit und schaffen das nötige Zeitfenster für die Ausgestaltung einer tragfähigen Anschlussregelung . Gleichwohl ist dies noch nicht die erhoffte langfristige Lösung, die SPD, CDU und CSU in ihrem Koalitionsvertrag in Aussicht gestellt haben . Ziel der Sonderregelung ist es, die Schutzfunktion der Arbeitslosenversicherung für kurz befristet Beschäftig- te – vor allem im Kulturbereich – zu stärken . Während der Anspruch auf ALG I grundsätzlich erst bei zwölf Monaten versicherungspflichtiger Beschäftigung inner- halb einer Rahmenfrist von zwei Jahren erworben wer- den kann, gilt nach der Sonderregelung eine verkürzte Anwartschaft von sechs Monaten . Die vorliegenden Zahlen der Antragstellungen und -bewilligungen zeigen jedoch, dass die ALG-I-Sonderre- gelung in ihrer bestehenden Form für viele Kulturschaf- fende nur bedingt greift . Im letzten Erhebungszeitraum vom 1 . April 2014 bis 31 . März 2015 wurden lediglich 295 Anträge bewilligt, die nach der Sonderregelung zu behandeln waren . Die Zahl der Kulturschaffenden, die längere Zeit arbeitslos waren, lag jedoch deutlich höher . Als Hinderungsgrund für die Inanspruchnahme der Sonderregelung haben sich für die Betroffenen vor allem die engen Zugangsvoraussetzungen erwiesen . Zum einen greift die Sonderregelung nur bis zu einer Verdienstober- grenze von 34 860 Euro im Jahr . Zum anderen dürfen die versicherungspflichtigen Beschäftigungen eine Dauer von zehn Wochen nicht überschreiten . Dies hat zur Kon- sequenz, dass gerade im Kulturbereich – zum Beispiel beim Film – oftmals nur kurz befristet Beschäftigte trotz Zahlung von Beiträgen an die Arbeitslosenversicherung im Falle eines Arbeitsplatzverlustes in der Regel kein Arbeitslosengeld I erhalten . Einzelengagements sind oft projektbezogen und damit zeitlich befristet . Daher war im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD eine grundlegende Anpassung der Sonderregelung in dieser Legislaturperiode verabredet, die „den Beson- derheiten von Erwerbsbiografien in der Kultur hinrei- chend Rechnung“ tragen sollte . Es ist klar, dass die rechtssichere Umsetzung dieser Aufgabenstellung schwierig ist, weil die finanziellen Auswirkungen auf die Versichertengemeinschaft sowie verfassungsrechtliche Vorgaben zu beachten sind . Jede Sonderbehandlung muss sachgerecht, verhältnismäßig und gut begründet sein . Hierfür sehe ich noch Spielraum, der über die bisherige Regelung hinausgeht . Deshalb setze ich mich dafür ein, dass die Regierungskoalition sowohl die Verdienst- als auch die Befristungsgrenze der Sonderregelung daraufhin überprüft, wie sie der Be- rufswirklichkeit im Kulturbereich stärker anpasst werden kann . Um noch in dieser Legislaturperiode die Schutzfunkti- on der Arbeitslosenversicherung für Kulturschaffende zu stärken, müssen die bisherigen Gespräche, insbesondere zwischen dem Bundesarbeitsministerium, dem Bundes- kanzleramt und den Fraktionen von SPD und CDU/CSU, fortgesetzt und weiter intensiviert werden . Siegmund Ehrmann (SPD): Ich stimme der ver- längerten Sonderregelung zum erleichterten Bezug von Arbeitslosengeld I für überwiegend kurz befristet Be- schäftigte im Rahmen des „Gesetzes zur Stärkung der beruflichen Weiterbildung und des Versicherungsschut- zes in der Arbeitslosenversicherung“ (AWStG) zu und erkläre: Die Verlängerung der befristeten Sonderregelung zum erleichterten Bezug von Arbeitslosengeld I (ALG I) für überwiegend kurz befristete Beschäftigte (§ 142 SGB III) bis zum 31 . Juli 2018 im Rahmen des „Geset- zes zur Stärkung der beruflichen Weiterbildung und des Versicherungsschutzes in der Arbeitslosenversicherung“ (AWStG) ist sowohl in sozial- als auch in kulturpoliti- scher Hinsicht ein Fortschritt . Wir beenden mit dieser Regelung eine Phase der Unsicherheit und schaffen das nötige Zeitfenster für die Ausgestaltung einer tragfähigen Anschlussregelung . Dennoch ist dies nicht die erhoffte langfristige Lösung, die SPD, CDU und CSU in ihrem Koalitionsvertrag in Aussicht gestellt haben . Ursprüngliches Ziel der Sonderregelung war es, die Schutzfunktion der Arbeitslosenversicherung für kurz- befristet Beschäftigte – vor allem im Kulturbereich – zu stärken . Während der Anspruch auf ALG I grundsätzlich erst bei zwölf Monaten versicherungspflichtiger Be- schäftigung innerhalb einer Rahmenfrist von zwei Jah- ren erworben werden kann, gilt nach der Sonderregelung eine verkürzte Anwartschaft von sechs Monaten . Die vorliegenden Zahlen der Antragstellungen und -bewilligungen zeigen jedoch, dass die ALG-I-Sonder- regelung in ihrer bestehenden Form nur bedingt greift . Im letzten Erhebungszeitraum vom 1 . April 2014 bis 31 . März 2015 wurden lediglich 295 Anträge bewilligt, die nach der Sonderregelung zu behandeln waren . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 173 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 2 . Juni 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 173 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 2 . Juni 2016 17157 (A) (C) (B) (D) Als Hinderungsgrund für die Inanspruchnahme der Sonderregelung haben sich für die Betroffenen vor al- lem die engen Zugangsvoraussetzungen erwiesen . Zum einen sieht die Sonderregelung eine Verdienstobergrenze von 34 860 Euro vor . Zum anderen dürfen die versiche- rungspflichtigen Beschäftigungen eine Dauer von zehn Wochen nicht überschreiten . Dies hat zur Konsequenz, dass die kurz befristet Beschäftigten trotz Zahlung von Beiträgen an die Arbeitslosenversicherung im Falle ei- nes Arbeitsplatzverlustes in der Regel kein Arbeitslosen- geld I erhalten . Daher war zwischen den Koalitionsparteien CDU/ CSU und SPD eine grundlegende Anpassung der Son- derregelung in dieser Legislaturperiode verabredet, die – entsprechend unserer Vereinbarungen im Koalitions- vertrag – „den Besonderheiten von Erwerbsbiografien in der Kultur hinreichend Rechnung“ tragen sollte . Wir plädieren dafür, dass die Regierungskoalition – im Inte- resse der Kulturschaffenden – an diesen Vereinbarungen festhält und sowohl die Verdienst- als auch die Befris- tungsgrenze der Sonderregelung der Berufswirklichkeit im Kulturbereich anpasst . Hierfür muss jetzt unmittelbar ein intensiver Prozess zwischen dem Bundesarbeitsmi- nisterium, dem Bundeskanzleramt und den Fraktionen von SPD und CDU/CSU in Gang gesetzt werden, um noch in dieser Legislaturperiode die praktischen Hürden der Sonderregelung abzubauen und die Schutzfunktion der Arbeitslosenversicherung insgesamt zu stärken . Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung des Antrags der Abgeordne- ten Susanna Karawanskij, Klaus Ernst, Jutta Krellmann, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion DIE LINKE: Finanzaufsicht nach Anlageplei- ten zum Schutz von Verbraucherinteressen stärken (Tagesordnungspunkt 19) Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Rechtsverfolgung von Verbrauchern begegnet im Fi- nanzbereich besonderen Herausforderungen . Dem Bür- ger stehen hier regelmäßig übergroße, undurchsichtige Emittenten und Vermittler gegenüber . Diese Beziehung ist weiterhin geprägt von einer asymmetrischen Infor- mationsverteilung zulasten des Verbrauchers, wobei das auf Abschlussprovisionen basierende Eigeninteresse der Berater die Gefahren dieser Asymmetrie noch verschärft . Erleidet der Verbraucher einen unrechtmäßigen Scha- den, steht er allzu oft alleine da . Die Schadensverursa- cher können sich darauf verlassen, dass dem Bürger die tatsächlichen Ursachen des Schadens nicht oder nur un- zureichend bekannt werden . Dazu kommt, dass die Schä- den regelmäßig unter den Anlegern weit gestreut sind und ein Rechtsstreit ohne ermittelbare Sachlage stets mit einem unwägbaren Ausgang und daher einem erhebli- chen Kostenrisiko verbunden ist . Im Ergebnis führt diese Situation zu einer Art rationa- ler Untätigkeit der Betroffenen: Es ist besser, die Verluste abzuhaken, als weitere erhebliche Unkosten zu riskieren . Und falls es doch einmal ein rechtsschutzversicherter Verbraucher wagt, zu klagen, bedienen sich die Beklag- ten nicht selten in rechtsmissbräuchlicher Weise des In- struments der Kettenstreitverkündung, bis die Gerichts- kosten auf einen prohibitiv hohen Betrag angeschwollen sind und die Rechtsschutzversicherung die Deckungszu- sage zurücknimmt oder der Verbraucher von selbst – er- neut ganz rational – die Segel streicht . Es gibt also in der Tat ganz erhebliche Missstände beim Verbraucherschutz nach Anlagepleiten, und wir be- grüßen jede Sensibilisierung für dieses Thema . Wenn wir von den Bürgern in einer anhaltenden Niedrigzinsphase und bei einer kriselnden Lebensversicherungsbranche eine diversifizierte private Altersvorsorge erwarten, dann gilt es, die Position von Verbrauchern gegenüber Finanz- dienstleistern und -instituten zu stärken . Der der BaFin auferlegte kollektive Verbraucherschutz ist aber nicht die Kumulation individueller Schutzgewäh- rung; die BaFin kann nicht und soll nicht zur Einzelfall- streithelferin werden. Wir wollen einfachere, effiziente und effektive Mittel, um die Defizite bei der Rechtsver- folgung zu beheben . Um die rationale Untätigkeit zu beenden, dürfen die drohenden Gerichtskosten die zu erwartende Schadenser- satzzahlung nicht überwiegen . Dafür muss die Informati- onsasymmetrie überbrückt werden, die Streitverfolgung muss für den Verbraucher einfacher und billiger werden, und rechtsmissbräuchliche Taktiken der Beklagten müs- sen unterbunden werden . Der Bundesfinanzminister ist gefordert, die BaFin zu einer schlagkräftigen Behörde auszubauen, die Sachver- halte bei Verdachtsmeldungen schnell und umfassend ermittelt . Geschädigten Anlegern muss bei den behördli- chen Verfahren ein Akteneinsichtsrecht gewährt werden, damit sie auf dieser Grundlage die Erfolgsaussichten ei- ner zivilrechtlichen Klage mit größerer Sicherheit prog- nostizieren können . Zudem sollte für den eingrenzbaren Bereich der Prospekt- und Emittentenhaftung die Mög- lichkeit einer Sammelklage geschaffen werden, damit auch weit gestreute Schäden auf eine für alle Beteiligten wirtschaftliche Weise gerichtlich geltend gemacht wer- den können . Eine Sammelklage funktioniert allerdings nicht, wenn die Schäden so weit gestreut sind, dass selbst die Rechts- anwaltsgebühren nach der Gebührenordnung zu rationa- ler Untätigkeit führen . Daher muss für die Fälle der Sam- melklage auch die Möglichkeit eines rechtsanwaltlichen Erfolgshonorars in angemessener Höhe erlaubt sein . So wird das Kostenrisiko für die Verbraucher auf null redu- ziert; der mögliche Fehlanreiz zu einem zu frühen, zu niedrigen Vergleich steht dahinter zurück . Um schließlich die missbräuchlichen Kettenstreitver- kündungen zu unterbinden, muss das Kostenregime der Zivilprozessordnung geändert werden . Der Streitverkün- der soll bis zum Urteil den Kostenvorschuss tragen . Mit diesen Regelungen wird die Verbraucherposition spürbar gestärkt werden, ohne dass es zu Mehrkosten für rechtschaffende Prospektersteller, Emittenten oder Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 173 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 2 . Juni 201617158 (A) (C) (B) (D) Berater käme . Kern dieser Regelungen muss aber eine schlagkräftige Finanzaufsicht sein, wofür Herr Minister Schäuble weiterhin in der Verantwortung steht . Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung bewachungsrechtlicher Vorschriften (Tagesord- nungspunkt 20) Dr. Kristina Schröder (Wiesbaden) (CDU/CSU): Ich freue mich sehr, dass wir heute den vom Bundeswirt- schaftsministerium vorgelegten Entwurf eines „Geset- zes zur Änderung bewachungsrechtlicher Vorschriften“ in den Bundestag einbringen . Damit starten wir auf die Zielgrade eines Reformprozesses, den wir Wirtschaftspo- litiker, aber auch unsere Kollegen aus dem Innenressort auf Bundes- wie Länderebene schon lange vorantreiben; denn es besteht große Einigkeit darüber, dass wir klarere Regeln für die private Sicherheitswirtschaft brauchen: Die Branche ist in den vergangenen Jahren ein wich- tiger Pfeiler unserer deutschen Sicherheitsarchitektur ge- worden, und die Mitarbeiter privater Sicherheitsfirmen ergänzen die Arbeit der Polizei der Länder und des Bun- des in vielen Bereichen . Ohne sie wären Großveranstal- tungen wie Fußballspiele oder Konzerte, aber auch der Schutz kritischer Infrastruktur undenkbar . Insofern diskutieren wir heute zwar nicht die Über- tragung von staatlichen Hoheitsrechten an private Un- ternehmen – das Gewaltmonopol möchte niemand hier aufweichen –, es geht jedoch in der Tat um elementare sicherheitspolitische Fragestellungen . Dessen sind sich alle bewusst, die an der Novelle mitarbeiten, und ich bin sehr froh über die sehr konstruktive Zusammenarbeit mit den Kollegen aus dem Innenausschuss . Wir stellen also fest: Gemessen an der hohen Verantwortung der Branche ist die gesetzliche Regulierung unzureichend . Deswegen hat die Koalition von CDU, CSU und SPD in ihrem Koa- litionsvertrag festgelegt, an private Sicherheitsdienstleis- ter verbindliche Anforderungen an Seriosität und Zuver- lässigkeit zu stellen . In Erinnerung ist uns allen noch der Vorfall in einer Flüchtlingsunterkunft in Burbach in Nordrhein-Westfa- len, als dort 2014 Bewacher Flüchtlinge massiv drang- saliert haben, und nach dem wegen einer Terrordrohung abgesagten Länderspiel in Hannover im November 2015 hat sich gar herausgestellt, dass ein mutmaßlicher Isla- mist unter den vom Deutschen Fußballbund beauftrag- ten Ordnern einer privaten Sicherheitsfirma war. Keiner möchte, dass sich so etwas wiederholt . Deswegen muss der Gesetzgeber jetzt dringend gegensteuern, bevor es zu noch schwereren Vorfällen kommt . Die Anforderungen und Regeln für das Sicherheitsge- werbe sind in der Gewerbeordnung – § 34a – und der zu- gehörigen Bewachungsverordnung festgeschrieben . Des- wegen ist auch der Wirtschaftsausschuss federführend . Eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe unter Leitung des BMWi hat unter Einbeziehung aller beteiligten Akteure – IHKen, Gewerbeämter, Unternehmen, Verband usw . – Eckpunkte für eine Novelle ausgearbeitet, die seit Ende des letzten Jahres vorliegen . Das BMWi hat daraus den vorliegenden Gesetzentwurf entwickelt, um die beste- hende Unterregulierung in der Branche zu beenden . Ziel des Gesetzentwurfs ist es, durch höhere Standards und durch die Verbesserung des Vollzugs die Bürger zu schüt- zen und das Vertrauen in die Branche aufrechtzuerhalten . Die Anforderungen sind im europäischen Vergleich mit am niedrigsten: Derzeit schreibt die Gewerbeordnung strengere Re- gelungen für die Bewachung von Diskotheken und für Kaufhausdetektive als für diejenigen vor, die in Flücht- lingsunterkünften arbeiten . Zweitens . Um die Zuverlässigkeit, das heißt die Se- riosität, der Bewacher zu prüfen, langt es aus, einmalig zu Beginn der Tätigkeit ein einfaches polizeiliches Füh- rungszeugnis abzufragen. Das heißt, später stattfindende Verurteilungen und laufende Verfahren fallen unter Um- ständen nie auf . Auch Abfragen beim Verfassungsschutz hat es bislang nur in seltenen Fällen gegeben . Drittens . Für das Personal reicht meist eine 40-stün- dige Unterrichtung ohne Prüfung bei einer IHK aus, um eingesetzt werden zu dürfen . Auch um als Unternehmer ein Sicherheitsgewerbe anzumelden, braucht man nur ei- nen Sitzschein . Viertens . Außerdem lässt die Transparenz in der Bran- che zu wünschen übrig . Es gibt bislang keine einheitli- chen Ausweise für Sicherheitspersonal und auch kein Branchenregister . Insgesamt können sich nach der aktu- ellen Gesetzeslage auch Unternehmen mit sehr niedrigen Standards in der Branche halten . Der Gesetzentwurf umfasst daher folgende zentrale Verbesserungen zur Qualitätssteigerung: Wer ein Sicherheitsgewerbe anmelden möchte, muss zukünftig eine Sachkundeprüfung ablegen . Eine Unter- richtung reicht nicht mehr aus . Auch für das Personal in Flüchtlingsunterkünften und bei zugangsbeschränkten Großveranstaltungen wie Fußballspielen und Konzerten werden die Prüfungsanforderungen erhöht . Die Zuverläs- sigkeitsprüfung für die Unternehmer und das Personal, die das zuständige Gewerbeamt durchführt, wird erheb- lich erweitert, sodass Straffälligkeiten und Verbindungen zu extremistischen Gruppen zukünftig besser und schnel- ler erkannt werden können . Die Zuverlässigkeitsprüfung muss außerdem alle drei Jahre wiederholt werden . Den schwarzen Schafen unter den Unternehmern sowie den Angestellten kann so in Zukunft konsequent die Erlaub- nis der Gewerbebehörde entzogen werden . Ein bundes- weites, elektronisch auswertbares Bewacherregister wird aufgebaut, sodass bei Kontrollen Informationen über die notwendigen Unterrichtungs- und Sachkundenachweise sowie die Zuverlässigkeit schnell beschafft werden kön- nen . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 173 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 2 . Juni 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 173 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 2 . Juni 2016 17159 (A) (C) (B) (D) Insbesondere für die Aufnahme des Registers – mit festem Stichtag für die Inbetriebnahme – haben mein Kollege Marcus Held, Berichterstatter der SPD, und ich uns bereits im Vorfeld intensiv eingesetzt . Wir danken dem BMWi, dass dieser Punkt bereits vor Kabinettsbe- schluss in den Regierungsentwurf aufgenommen wurde . Einige weitere Punkte werden wir uns jetzt im parla- mentarischen Verfahren vornehmen: Wir können uns vorstellen, die Möglichkeiten zur Ver- fassungsschutzabfrage noch auszuweiten . Diese Ansicht unterstützt übrigens auch der Bundesrat in seiner Stel- lungnahme . Dass ein den Behörden bekannter Islamist als Ordner bei einem Fußballspiel zum Einsatz kommt oder dass ein Rechtsextremer eine Flüchtlingsunterkunft bewacht, möchten wir auf jeden Fall vermeiden . Welche Maßnahmen hier sinnvoll sind, werden wir noch prüfen . Auch beim Bewacherausweis können wir uns noch mehr vorstellen . Für Kontrollen und die Erkennbarkeit für den Bürger wäre ein bundesweit einheitlicher Aus- weis von Vorteil, der auch offen getragen werden muss . Außerdem wollen wir eine Regelung für Gewerbe- treibende und Bewacher ergänzen, die sich in den ver- gangenen fünf Jahren vor der Zuverlässigkeitsprüfung nicht dauerhaft in Deutschland oder der EU aufgehalten haben . In diesen Fällen ist es oft nicht möglich, die er- forderlichen Auskünfte für die Zuverlässigkeitsprüfung einzuholen, und wir wollen, dass dann die Erlaubnis ver- sagt werden kann; denn es macht keinen Sinn, insgesamt die Anforderungen an die Zuverlässigkeit der Mitarbei- ter dieser Branche zu erhöhen, aber bei neuen Bürgern auf jede Überprüfung der Zuverlässigkeit zu verzichten . Nach fünf Jahren kann davon ausgegangen werden, dass den inländischen Behörden ausreichend Anhaltspunkte vorliegen . Diese Aufgaben nehmen wir uns für die kommenden Wochen vor . Es wird eine Neuregelung mit Augenmaß geben, die innenpolitische und wirtschaftspolitische Er- wägungen berücksichtigt und nur dort regulierend ein- greift, wo wir uns begründet einen Mehrwert verspre- chen . Schließlich gilt es auch, die Gewerbe- und Betäti- gungsfreiheit zu berücksichtigen und unnötige Büro- kratie für die Unternehmen und die Verwaltung zu ver- meiden . Das klare Ziel ist es, das Gesetz zur Änderung bewachungsrechtlicher Vorschriften noch vor der Som- merpause zu verabschieden . Marcus Held (SPD): Heute beraten wir in erster Le- sung den Entwurf eines „Gesetzes zur Änderung bewa- chungsrechtlicher Vorschriften“ . Der Gesetzentwurf ist das Ergebnis eines Eckpunktepapiers einer Bund-Län- der-Arbeitsgruppe zu dem Thema . Diese hatte sich nach verschiedenen Vorfällen und Übergriffen in Flüchtlings- heimen formiert, um Vorschläge zur Verschärfung des gewerblichen Bewachungsrechts und zur Verbesserung des Vollzugs in diesem Bereich zu machen . Private Sicherheitsdienste sind, wie ich damals in mei- ner Rede hier betont habe, ein wichtiger Bestandteil in der Sicherheitsarchitektur Deutschlands und an vielen Stellen nicht mehr wegzudenken . Daher hatte sich die Frage gestellt, ob die derzeitigen Anforderungen an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im privaten Sicher- heitsgewerbe noch dieser gestiegenen Bedeutung ent- sprechen . Damit werden wir uns intensiv auseinanderzu- setzen haben . Auf dem Tisch liegt nun ein Gesetzentwurf aus dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, zu dem es auch schon eine Stellungnahme des Bundesrates und die entsprechende Gegenäußerung der Bundesregierung gibt . Wichtig ist dabei vor allem, das Wesentliche im Blick zu halten, nämlich, die schwarzen Schafe, die es im pri- vaten Sicherheitsgewerbe gibt, einzudämmen und die bisher seriösen privaten Sicherheitsdienste, die sich bis- her nichts haben zu Schulden kommen lassen und gut qualifiziertes Personal beschäftigen, zu stärken. Einige Worte zu dem vorliegenden Gesetzentwurf: In Bezug auf die Sachkunde des Bewachungsunter- nehmers und -personals sieht der Gesetzentwurf laut § 34a Absatz 1 Satz 3 Nummer 3 Gewerbeordnung eine Sachkundeprüfung als Erlaubnisvoraussetzung für die Bewachungsunternehmer vor . Ebenso soll es für das Be- wachungspersonal in leitender Funktion nun auch eine Sachkundeprüfung in Flüchtlingsunterkünften und bei zugangsgeschützten Großveranstaltungen geben, wie es in § 34a Absatz 1a Satz 2 Nummern 4 und 5 Gewerbe- ordnung steht . In Bezug auf die Zuverlässigkeit soll es im Gesetz- entwurf für den Bewachungsunternehmer nun neben der Auskunft aus dem Gewerbezentralregister und der un- beschränkten Auskunft aus dem Bundeszentralregister auch die Möglichkeit einer Auskunft der Polizeibehörde und einer Abfrage beim zuständigen Landesverfassungs- schutz geben . Für das Wachpersonal kann diese Abfrage beim Landesverfassungsschutz erfolgen, wenn es, wie bei der Sachkunde, in leitender Funktion Flüchtlingsun- terkünfte oder zugangsgeschützte Großveranstaltungen bewacht . Weiterhin werden wir im parlamentarischen Verfahren auch die Vorschläge des Bundesrates prüfen . Die Bun- desländer fordern in ihrer Stellungnahme, dass eine Ab- frage bei der Verfassungsschutzbehörde nicht nur mög- lich ist, sondern gleich gesetzlich vorgeschrieben wird . Ebenso fordert der Bundesrat eine Überprüfung von Gewerbetreibenden, die sich nicht dauerhaft im Inland oder in einem EU/EWR-Staat aufgehalten haben, nach fünf Jahren . Daneben werden wir uns mit den Themen „Einheit- licher Bewacherausweis“ und „Errichtung eines Bewa- cherregisters“ auseinanderzusetzen haben, zu denen uns vonseiten des Ministeriums und des Bundesrates Vor- schläge gemacht wurden . Wir werden die Zeit im par- lamentarischen Verfahren, auf welche ich mich freue, nutzen, um uns intensiv damit zu befassen . Mit meiner Kollegin aus der Union, Frau Dr . Schröder, stehe ich hierzu in gutem Kontakt . Der Gesetzentwurf bildet eine gute Diskussionsgrundlage . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 173 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 2 . Juni 201617160 (A) (C) (B) (D) Ich hoffe, dass wir als SPD-Bundestagsfraktion nach Ende des Gesetzgebungsverfahrens ein ordentliches Ge- setz auf den Weg gebracht haben, welches seriöse private Sicherheitsunternehmen mit gut ausgebildetem Personal stärkt und wodurch Vorfälle, wie wir sie in der Vergan- genheit erleben mussten, eingedämmt werden . Thomas Lutze (DIE LINKE): Die sogenannte Flüchtlingskrise hat der Sicherheitsbranche einen Boom beschert: Rund 10 000 der rund 219 000 Beschäftigten im Bewachungsgewerbe sind in Flüchtlingsheimen tätig . Gab es im Jahr 2000 noch 2 570 Wach- und Sicherheits- dienste, sind jetzt rund 4 000 Firmen auf dem Markt . Die Zahl der Mitarbeiter ist von rund 171 000 im Jahr 2010 auf nun rund 219 000 Mitarbeiter angestiegen . Die Mitarbeiter in privaten Sicherheitsdiensten, die zuständig für die Bewachung von Flüchtlingsunterkünf- ten sind, sind oft bewaffnet, obwohl sie im Durchschnitt nur etwa zwei Wochen geschult werden . Die Liste der Vorfälle, in denen es in den letzten Jahren zu Fehlver- halten und Straftaten durch Sicherheitspersonal kam, ist lang: Die grausamen Misshandlungen von Asylbewer- bern in Burbach im Siegerland sind nicht der einzige erschreckende Vorfall . Hinzu kommen mehrere Berichte von gewalttätigen Übergriffen durch Sicherheitsperso- nal, ein Granatwurf auf ein von der Konkurrenz bewach- tes Asylbewerberheim sowie Schikanen und Gewaltan- drohungen . Die Linksfraktion begrüßt daher, dass die Bundesre- gierung nun angesichts der weiter steigenden Zahl von Bewachungsunternehmen erhöhte Standards einführen möchte, ebenso die regelmäßige Überprüfung von Unter- nehmen und Personal . Es muss gesetzlich sichergestellt werden, dass die Gewerbetreibenden und das Personal Standards der persönlichen Eignung, Zuverlässigkeit und Sachkunde erfüllen . Obwohl wir einzelne Maßnah- men begrüßen und glauben, dass sie eine Verbesserung darstellen, sehen wir den Gesetzentwurf der Bundesre- gierung dennoch kritisch . Insbesondere zu kritisieren ist die vorgesehene Mög- lichkeit des Datenabgleichs mit den Landesämtern für Verfassungsschutz . Es ist nicht geregelt, ob die Landes- ämter lediglich melden, ob es einen Treffer im nachrich- tendienstlichen Informationssystem gibt oder nicht oder ob die Landesämter im eigenen Ermessen eine Zuverläs- sigkeitsprognose abgeben sollen . Es ist nicht einmal ein- deutig festgelegt, dass sie sich überhaupt oder jedenfalls wahrheitsgemäß äußern müssen . Ebenso fehlen jegliche datenschutzrechtliche Regelungen zum Umgang mit den an die Landesämter übermittelten Daten, was beispiels- weise Speicherung und Löschung betrifft . Unverständlich ist am Gesetzentwurf auch, dass die Regelungen zum Fachkundenachweis nur bei bestimm- ten Tätigkeiten, nicht aber im gesamten Wachschutzge- werbe gelten sollen . Wir müssen auch feststellen, dass der Gesetzentwurf der Bundesregierung den gefährlichen Trend des Abbaus des staatlichen Gewaltmonopols fort- setzt . Denn die vermeintliche Notwendigkeit des Einsatzes privater Bewachungsunternehmen ist insbesondere Re- sultat des massiven Stellenabbaus bei Polizeibeamten im Streifen- und Schutzdienst . In vielen Bundesländern sinkt die Zahl weiter oder stagniert trotz steigenden Be- darfs . Wir haben es hier mit einem Ausverkauf der öf- fentlichen Sicherheit zu tun . Zwar wird durch Kontrolle und Transparenz privater Sicherheitsunternehmen auf die katastrophale Situation reagiert, jedoch ändert das nichts daran, dass die gegenwärtige Entwicklung hinsichtlich der Privatisierung von Sicherheitsaufgaben grundsätzlich bedenklich ist . Hier muss dringend umgedacht werden! Und lassen Sie mich auch ganz klar sagen: Die Aus- bildung sogenannter Hilfspolizisten im Schnellverfahren ist sicherlich nicht der richtige Weg . Nach maximal drei Monaten Ausbildung bereits mit Schusswaffe in Flücht- lingsunterkünften eingesetzt zu werden, wo schnell eine Situation entstehen kann, unter großem Stress eine Ent- scheidung zu treffen, kann verheerende Folgen haben . Hierzu braucht es vielmehr eine intensive Polizeiausbil- dung und umfassende Rechtskenntnisse . Halten wir fest: Die geplanten Änderungen führen zwar zu einer Verbesserung der gegenwärtigen Situation, das Grundproblem der Erosion des staatlichen Gewalt- monopols bleibt jedoch bestehen . Die Linke wird ihre Verbesserungsvorschläge in die Ausschussberatung ein- bringen . Irene Mihalic (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das Eckpunktepapier des Bund-Länder-Ausschusses „Ge- werberecht“ zur Überarbeitung des Bewachungsrechts hatte die Hoffnung geweckt, die Zeit für eine wirkliche Reform des privaten Sicherheitsgewerbes wäre endlich gekommen . Aber leider löst der vorliegende Gesetzent- wurf dieses Versprechen nicht ein . Zu viele wichtige Punkte wurden nicht aufgegriffen oder sind zwischen- zeitlich unter den Tisch gefallen . Eine Sachkundeprüfung sollte in weiteren Bereichen eine selbstverständliche Voraussetzung für die Aufnah- me einer Tätigkeit sein, die den Schutz von Menschen und kritischer Infrastruktur – gerade auch in Ausnahme- situationen – zum Gegenstand hat . Dabei reicht es nicht, wenn nun die Geschäftsleitung entsprechend geschult wird . Die Kompetenzen und Fähigkeiten müssen vor Ort vorhanden sein, damit sie abrufbar sind, wenn sie be- nötigt werden . Und die Anforderungen der praktischen Arbeit sind vielfältig und hoch . Daher braucht es auch entsprechende Qualitätsstandards für die Ausbildung der Sicherheitskräfte . Der vorliegende Gesetzentwurf kann das aber in kei- ner Weise garantieren . Es fehlen entsprechende konkrete Vorgaben in Bezug auf Inhalt und Qualität der Ausbil- dung, und die Einhaltung entsprechender gesetzlicher Vorgaben muss notwendigerweise auch vor Ort überprüf- bar sein . Hier liegt eine weitere große Schwäche des vor- liegenden Gesetzentwurfs; denn das noch im Eckpunkte- papier diskutierte bundesweite Register wurde ersatzlos gestrichen . So sind Kontrollen vor Ort praktisch nicht sinnvoll möglich . Dies alles trägt nicht dazu bei, den dringend notwen- digen Qualitätswettbewerb im Sicherheitsgewerbe zu fördern . Ich bin daher wenig optimistisch, dass die Serie Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 173 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 2 . Juni 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 173 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 2 . Juni 2016 17161 (A) (C) (B) (D) schwerster Übergriffe durch Beschäftigte von Sicher- heitsdiensten, wie wir sie in Flüchtlingsunterkünften er- leben mussten, nicht wieder aufflammen wird. Es sollte uns sehr zu denken geben, wenn betroffene Wirtschafts- verbände mehr Regulierung in ihrem Bereich fordern . Auch finde ich nicht, dass der Gesetzentwurf die schrecklichen Vorfälle des letzten Jahres angemessen be- rücksichtigt . Wir müssen davon ausgehen, dass überhaupt nur die Spitze des Eisberges öffentlich bekannt geworden ist . Doch schon die bekannten Fälle lassen strukturelle Defizite erkennen, die ein entschiedenes Eingreifen des Gesetzgebers geboten erscheinen lassen . Wir brauchen im Sicherheitsgewerbe einen Berufs- stand, der sich höheren Zielen verpflichtet sieht. Es kann nicht sein, dass der Staat den Schutz von geflüchteten Menschen in die Hände von Personen legt, die selbst Protagonistinnen oder Protagonisten einer rechten Be- wegung sind . Entsprechende Informationen des Verfas- sungsschutzes sollten daher regelmäßig und nicht nur, wie im Gesetzentwurf vorgesehen, in Ausnahmefällen berücksichtigt werden . Die Polizei ist den Grundrechten, der Demokratie und dem Rechtsstaat verpflichtet. Der Anspruch an private Sicherheitsdienste im Sinne dieser verfassungsrechtli- chen Werteordnung kann nicht geringer sein . Das sind allgemeine Grundsätze, die allgemeine Geltung haben müssen . Sie gelten aber in besonderer Weise, wenn Si- cherheitsdienste die Polizei unterstützen sollen . Der vor- liegende Gesetzentwurf greift berechtigte Bedenken in diesem Bereich nicht auf . Dass Zuverlässigkeitsprüfungen nun wenigstens häu- figer und unter Einbeziehung einer unbeschränkten Aus- kunft aus dem Bundeszentralregister erfolgen sollen, ist aber zumindest ein Schritt in die richtige Richtung . Auch die Verbesserungen, die für den Bereich der Unterbrin- gung geflüchteter Menschen gelten werden, sind zu be- grüßen . Mit unserem Antrag „Private Sicherheitsfirmen um- fassend regulieren und zertifizieren“ haben wir, die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, bereits vor eineinhalb Jahren mehr gefordert . Diesen Weg wollten Sie damals nicht mitgehen . Der Gesetzentwurf heute ist daher nur ein erster Schritt in die richtige Richtung . Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung ein- gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf für Beamtinnen und Beamte des Bundes und Solda- tinnen und Soldaten sowie zur Änderung weiterer dienstrechtlicher Vorschriften (Tagesordnungs- punkt 21) Dr. Günter Krings (CDU/CSU): Zur ersten Beratung des Gesetzes zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf für Beamte und Soldaten möchte ich Ihnen die Eckpunkte dieses Gesetzentwurfs zunächst kurz vorzustellen: Angesichts der kontinuierlich zunehmenden Zahl der Pflegebedürftigen in unserer Gesellschaft stehen auch immer mehr Beamtinnen, Beamte, Soldatinnen und Sol- daten vor der Aufgabe, sich innerhalb der Familie aktiv in die Pflege einzubringen. Tritt ein akuter Pflegefall ein, müssen die Pflegenden ihren Alltag oft grundlegend verändern; sie müssen kurzfristig eine professionelle Unterstützung organisieren oder auch selbst für länge- re Zeit die häusliche Pflege übernehmen. Dies stellt sie besonders dann vor große Herausforderungen, wenn sie berufstätig sind . Wir unterstützen mit diesem Gesetzent- wurf unsere pflegenden Beschäftigten, ihren Beruf und die Pflege besser in Einklang zu bringen. Die neuen Regelungen erleichtern es einerseits Fa- milien, Pflege und berufliche Verpflichtungen besser zu vereinbaren, andererseits leisten sie auch einen wichtigen Beitrag zur Fachkräftesicherung und dienen so den Inte- ressen der Arbeitgeber . Der Bedarf jedenfalls ist da: Bereits seit Juli 2013 können Beamte des Bundes ei- nen Antrag auf Familienpflegezeit stellen. Allerdings liegt die Bewilligung noch im Ermessen des Dienstherrn . Im vergangenen Jahr hat das Bundesministerium des Innern eine Ressortabfrage bei den obersten Bundesbe- hörden durchgeführt, um einen Überblick zu erhalten, in welchem Umfang Familienpflegezeit in Anspruch genommen wurde . Diese Abfrage ergab, dass im Zeit- raum von Juli 2013 bis einschließlich Februar 2015 von insgesamt 15 gestellten Anträgen auf Familienpflegezeit 14 Anträge bewilligt wurden . Wer den demografischen Wandel in den Blick nimmt, der weiß, dass der Pflegebedarf in den nächsten Jahren zunehmen wird . Diesen Entwicklungen muss sich auch der Staat als Arbeitgeber stellen . Wir müssen bereits heu- te darauf reagieren und die entsprechenden Weichen für einen leistungsfähigen öffentlichen Dienst stellen . Dies wird nur dann gelingen, wenn er seine Verantwortung für ein flexibles, familienorientiertes und gesundes Arbeiten wahrnimmt und als Arbeitgeber für seine Mitarbeiter so- wie für Nachwuchskräfte attraktiv bleibt . Dabei müssen wir die Zeitsouveränität für die Be- schäftigten auch im öffentlichen Dienst zukunftsfest gestalten . Um der Tatsache Rechnung zu tragen, dass die Sorge für die Familie, insbesondere die Pflege von Älteren, zukünftig mehr Zeit in Anspruch nehmen wird, müssen Berufs- und Familienleben flexibler gehandhabt werden können . Dies ist auch ein Ausdruck von Wert- schätzung den eigenen engagierten Mitarbeitern gegen- über . Angesichts der hohen Bereitschaft, Familienangehö- rige zu pflegen, ist es eine wichtige gesellschaftspoliti- sche Aufgabe, die Rahmenbedingungen zur Vereinbar- keit von Pflege und Erwerbstätigkeit für Beschäftigte zu verbessern . Mit dem Gesetzentwurf soll deshalb nun ein Rechtsanspruch auf Familienpflegezeit und Pflegezeit für Beamte und Soldaten eingeführt werden . Die Beschäftigten sollen zudem einen Vorschuss in Anspruch nehmen können, um während der – teilwei- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 173 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 2 . Juni 201617162 (A) (C) (B) (D) sen – Freistellung, die mit einer Gehaltsreduzierung verbunden ist, ihren Lebensunterhalt weiter sichern zu können . Hierzu werden das Bundesbeamtengesetz, das Bundesbesoldungsgesetz und das Soldatengesetz ent- sprechend angepasst . Damit wird das für die Privatwirt- schaft und für Tarifbeschäftigte bereits seit dem 1 . Januar 2015 geltende Gesetz zur besseren Vereinbarkeit von Fa- milie, Pflege und Beruf im Wesentlichen wirkungsgleich im Beamten- und Soldatenbereich nachvollzogen . Lassen Sie mich auf einen weiteren Punkt des Gesetz- entwurfs zu sprechen kommen: Ich will über Gewalt gegen Beschäftigte im öffent- lichen Dienst sprechen . Leider ist dies mittlerweile ein allgegenwärtiges Problem . Um diese zu bekämpfen, ha- ben wir bereits eine Vielzahl von Maßnahmen getroffen . So wurde die Ausrüstung von Polizisten verbessert, es wurden Notrufknöpfe in Jobcentern installiert und Fort- bildungen durchgeführt, die Personalausstattung wurde erhöht, und Gesetzesänderungen im Strafgesetzbuch wurden vorgenommen . Jetzt gehen wir einen weiteren richtigen Schritt: Be- amte, die Opfer von Gewalt werden, sollen aus Fürsor- gegründen leichter Schmerzensgeld erlangen können . Aus Gewalttaten folgen zwar in der Regel Schmerzens- geldansprüche der Beschäftigten gegen die Täter, die Vollstreckung des Anspruchs scheitert aber mitunter an der fehlenden Leistungsfähigkeit des Schädigers . Beam- te, aber auch Soldaten, die Opfer von Gewalt werden, sollen mit der Durchsetzung derartiger Ansprüche nicht alleingelassen werden . Mit der Änderung des Bundesbeamtengesetzes sor- gen wir jetzt dafür, dass in solchen Fällen zunächst der Dienst herr zur Zahlung des Schmerzensgelds verpflichtet wird . Dieser muss sich dann beim Täter schadlos halten . Ein weiterer Punkt: Die Beihilferegelung in § 80 des Bundesbeamtengesetzes wird neu gefasst . Zum einen wird der Wortlaut an neue Formen der Leistungserbrin- gung angepasst, zum anderen wird die Ermächtigungs- grundlage für den Erlass der Rechtsverordnung prä- zisiert . Eingefügt werden soll zudem ein gesetzlicher Forderungsübergang von Erstattungs- und Schadens- ersatzansprüchen von beihilfeberechtigten und berück- sichtigungsfähigen Personen auf den Dienstherrn bei zu Unrecht erbrachten Beihilfeleistungen . Des Weiteren sollen Regelungen, die neu in die Richt- linie über die Anerkennung von Berufsqualifikationen – Richtlinie 2005/36/EG – aufgenommen worden sind, im Dienstrecht des Bundes umgesetzt werden . Die Richtli- nie sieht vor, dass sich die Mitgliedstaaten der Europä- ischen Union über Berufsangehörige unterrichten müs- sen, denen die Ausübung unter anderem einer ärztlichen Tätigkeit untersagt worden ist . Ferner müssen sich die Mitgliedstaaten über Personen unterrichten, die für den Antrag auf Anerkennung der Berufsqualifikation ge- fälschte Nachweise benutzt haben; dies ist der sogenann- te Vorwarnmechanismus . Diese europarechtlichen Vorgaben werden durch neue Regelungen im Bundesbeamtengesetz und im Bundes- disziplinargesetz umgesetzt . Der Gesetzentwurf enthält darüber hinaus noch weite- re Änderungen, die der redaktionellen Bereinigung sowie der Klarstellung dienen . Insgesamt haben wir hier aus meiner Sicht ein gutes und ausgewogenes Paket vorgelegt . Ich möchte an dieser Stelle einen Dank an alle Mitarbeiterinnen und Mitar- beiter des öffentlichen Dienstes aussprechen, die täglich Großartiges leisten . Oswin Veith (CDU/CSU): In dieser Legislaturperio- de stellt das Thema Pflege für die Union einen Schwer- punkt dar . Unsere älter werdende Gesellschaft stellt uns vor eine Reihe von schwierigen Fragen . Werden Men- schen pflegebedürftig, sind in der Regel die Angehörigen gefragt, sich um jene zu kümmern, die sich nicht mehr selbst versorgen können . Viele Menschen entscheiden sich in dieser Situation dafür, die Angehörigen selbst zu pflegen und über einen gewissen Zeitraum die eigenen beruflichen Ambitionen hintanzustellen. Folgen einer solchen Entscheidung sind neben der Doppelbelastung auch finanzielle Einbußen. Die Koalition hat sich von Anfang an dieses Themas angenommen und sichtbare Fortschritte gemacht . Ange- fangen mit dem Gesetz zur Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf, haben wir vor über einem Jahr für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einen Rechts- anspruch auf Pflegeunterstützungsgeld geschaffen. In einem akuten Fall können die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ohne Krankschreibung eine zehntägige Pflegeauszeit nehmen und erhalten einen Lohnersatz. Mit der Möglichkeit, die Arbeitszeit vorübergehend zu redu- zieren, müssen Arbeitnehmer nicht ihre Erwerbstätigkeit aufgeben, und den Arbeitgebern bleiben die Arbeitskräf- te so erhalten . Menschen, die Verantwortung für ihre Fa- milien übernehmen wollen, wird so erheblich geholfen . Nicht nur Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ken- nen familiäre Notsituationen bzw. familiären Pflegebe- darf, auch eine Vielzahl unserer Bundesbeamtinnen und Bundesbeamten wollen und müssen Verantwortung für ihre Angehörigen übernehmen können, wenn diese ihre Hilfe benötigen . Daher hat sich die Union bereits nach Verabschiedung des Gesetzes zur Pflegezeit für Ange- stellte für die Übertragung auch auf die Bundesbeamten ausgesprochen . Die Lebenslagen von Beamten und An- gestellten sind in diesem Fall vergleichbar, und ähnlich wie bei den Arbeitnehmern sollten auch Beamte An- spruch auf eine Auszeit erhalten, wenn Angehörige zu pflegen sind. Somit begrüße ich es für die CDU/CSU-Bundestags- fraktion, dass wir mit dem heute zur Debatte stehenden Gesetz Möglichkeiten für die Familienpflege für die Bundesbeamtinnen und Bundesbeamten schaffen . Damit tragen wir nicht nur den Veränderungen in unserer Ge- sellschaft Rechnung, sondern beseitigen zudem die Un- gleichbehandlung von Angestellten und Beamten . Denn auch Beamte sollen bei familiären Notlagen flexibel ein- springen können . Für die Bundesbeamtinnen und Bundesbeamten, Richterinnen und Richter sowie Soldatinnen und Sol- daten wird es ebenfalls einen Rechtsanspruch auf Fami- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 173 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 2 . Juni 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 173 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 2 . Juni 2016 17163 (A) (C) (B) (D) lien- und Pflegezeit geben. Dazu tritt ein Anspruch auf Vorschuss, um die Gehaltseinbußen aufgrund verkürzter Arbeitszeit abfedern zu können. Der Familienpflege- zeitanspruch wird als eine Teilzeitbeschäftigung von ma- ximal 24 Monaten bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von mindestens 15 Stunden ausgestaltet . Der Vorschuss soll während der Pflegezeit gezahlt und anschließend mit den Bezügen verrechnet werden . Gleichzeitig enthält der Gesetzentwurf einen Anspruch gegen den Dienstherren auf Schmerzensgeld im Falle ei- ner Verletzung durch Dritte während des Dienstes . Diese neue Regelung halte ich für ein wichtiges und richtiges Signal für unsere Beamten, die sich tagtäglich für unsere Bürger einsetzen . Viele vergessen, dass die Beamtinnen und Beamten sich um die Sicherheit unserer Bürger küm- mern und dabei täglichen Gefahren ausgesetzt sind . Im- mer wieder kommt es vor, dass vor allem Polizeibeamte während des Dienstes Opfer von Gewalttaten werden . Auch Soldaten werden angegriffen, wenn sie im Wege der Amtshilfe eingesetzt werden . Aus solchen Angriffen resultieren in der Regel Schmerzensgeldansprüche gegen den Schädiger . Betrachtet man die Gewalttaten gegen Polizeibeamte in den letzten Jahren, ist – das muss ich an dieser Stelle leider sagen – eine negative Entwicklung klar erkennbar . 2014 wurden 700 Mitarbeiter von Rettungsdiensten so- wie 60 000 Polizisten und Vollzugsbeamte angegriffen . Im vergangenen Jahr wurden nach Angaben der Gewerk- schaft der Polizei 62 000 Beamte angegriffen . Ein Trend zu mehr Gewalt und Respektlosigkeit gegenüber Beam- ten des Bundes und der Länder ist klar erkennbar, und wir als Bund sehen uns deshalb verpflichtet, hier zu han- deln . Der Gesetzentwurf sieht nun vor, dass der Bund für angegriffene Beschäftigte die Schmerzensgeldansprüche regelt, wenn der Täter zahlungsunfähig ist . Mit dieser Regelung zeigen wir als Bund, dass wir Respektlosigkeit und Gewalt gegen unsere Beamten nicht dulden, und las- sen Betroffene nicht alleine mit ihren Ansprüchen gegen oftmals mittellose Angreifer . Es kann nicht sein, dass die- jenigen, die sich tagtäglich für die Belange des Gemein- wohls und die Sicherheit der Bürger einsetzen, zuneh- mend von Gewalt bedroht sind . Gesetzliche Lösungen werden hier nicht ausreichen; wir benötigen ebenso ein Umdenken in der Bevölkerung, hin zu mehr Respekt im Umgang miteinander . Mit diesem ersten Schritt stellen wir uns eindeutig hinter unsere Beamtinnen und Beamte . Abschließend betone ich, dass wir mit diesem Gesetz- entwurf unser Ziel weiter fortschreiben, den öffentlichen Dienst attraktiver zu gestalten . Attraktiv ist ein Arbeitge- ber, wenn er im Falle von Notsituationen Verständnis für die Bedürfnisse der Arbeitnehmer hat . Wie auch schon beim ersten Familienpflegegesetz, welches wir auch auf die Bundesbeamten übertragen haben, übertragen wir nun auch den Familienpflegezeitanspruch auf die Bun- desbeamten . Ich werbe daher für eine breite Zustimmung zum Gesetzentwurf . Matthias Schmidt (Berlin) (SPD): Plötzlich wurde mein Mann zum Pflegefall: So höre ich es manchmal in meiner Sprechstunde, und die dann folgenden Schil- derungen der Menschen führen mir immer wieder vor Augen, was Angehörige alles zu leisten haben, wenn ein geliebter Mensch plötzlich gepflegt werden muss. Das wirft den gesamten Alltag durcheinander, und viele Fragen strömen auf die Betroffenen ein: „Wie soll der Angehörige gepflegt werden, zu Hause oder in einer Ein- richtung?“, „Wer soll nun pflegen, eine Fachkraft oder jemand aus der Familie?“, „Was kostet das, und wie soll das bezahlt werden?“, „Erhalte ich hier Unterstützung, und welche?“ usw . Jeden Tag stehen Familien vor dieser Situation, und die Pflegebedürftigkeit, das wissen wir alle, wird deut- lich zunehmen, wenn die Babyboomer, nämlich meine Generation, in das fortgeschrittene Alter kommen . Nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes wird sich die Anzahl der Pflegebedürftigen in den nächsten 15 Jah- ren auf rund 3,5 Millionen belaufen. Sehr häufig sind es Frauen, die diese überaus wichtige und notwendige Ar- beit leisten . Schauen wir uns die aktuelle Situation an: Rund 2,6 Millionen Menschen waren Ende 2013 pflegebedürf- tig, und rund 1,8 Millionen, das heißt mehr als zwei Drit- tel davon, wurden zu Hause versorgt . Bei 1,25 Millionen waren es Angehörige, die die Pflege übernahmen. Das ist eine enorme Zahl und zeigt, welche Leistung in den Fa- milien erbracht wird . Das verdient unsere Anerkennung, und das darf in diesem Haus auch deutlich gesagt wer- den . Diese Situation betrifft natürlich auch viele Arbeitneh- merinnen und Arbeitnehmer . Wir wissen, dass die Anzahl der Erwerbstätigen unter den Pflegenden ansteigt und weiter ansteigen wird, und wir müssen dem Rechnung tragen, indem wir die Rahmenbedingungen dafür ver- bessern . Wer seine Arbeitszeit reduziert oder sogar un- terbricht, um einen Angehörigen zu pflegen, soll soweit es geht Unterstützung erhalten . Hier sind wir als Gesetz- geber gefragt, und wir haben in dieser Legislaturperiode schon einige Anstrengungen unternommen, um die Situ- ation für erwerbstätige Pflegende zu verbessern. So haben wir mit dem Pflegezeitgesetz und dem Fa- milienpflegezeitgesetz die Freistellungsmöglichkeiten für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verbessert, bei denen plötzlich eine Pflegesituation eintritt. Sie haben seit dem 1 . Januar 2015 einen Anspruch auf vollständige oder teilweise Freistellung und auf finanzielle Förderung. Mithilfe des Pflegeunterstützungsgeldes können durch die Pflegesituation entstandene finanzielle Engpässe re- duziert werden . Das ist gut so und hat seit 2015 die Situ- ation für die Menschen verbessert . Mit dem heute vorliegenden Gesetzentwurf wollen wir diese Verbesserungen auf Beamtinnen und Beamte und Soldatinnen und Soldaten übertragen . Das ist drin- gend notwendig; denn natürlich gibt es auch hier viele Menschen, die parallel zu ihrer Berufstätigkeit Angehö- rige pflegen und betreuen, und auch hier wird sich die de- mografische Situation niederschlagen und die Erwerbstä- tigen verstärkt vor Herausforderungen stellen . Mit dem Gesetzentwurf schaffen wir auch für diese große und wichtige Beschäftigtengruppe einen Rechtsan- spruch auf Familienpflegezeit und Pflegezeit. Sie haben künftig einen Anspruch auf Familienpflegezeit von bis Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 173 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 2 . Juni 201617164 (A) (C) (B) (D) zu 24 Monaten bei einer verbleibenden Arbeitszeit von 15 Stunden pro Woche. Darüber hinaus können sie Pfle- gezeit beanspruchen bei bis zu sechs Monaten vollstän- diger oder teilweiser Freistellung . Das schafft bei kurz- fristigem Handlungsbedarf kurzfristige Freiräume . Bei einer plötzlich eintretenden Pflegesituation wird dadurch die Situation spürbar erleichtert . Auch hier ermöglichen wir eine finanzielle Förderung, um den Lebensunterhalt für die Betroffenen zu sichern . Mit diesen Maßnahmen haben wir die Gruppe der Be- amtinnen und Beamten sowie Soldatinnen und Soldaten als wichtige Säulen in unserer Gesellschaft einbezogen, und das ist gut so . Wir haben mit dem Gesetzentwurf noch weitere Rege- lungen in den Blick genommen, die zu verändern waren . So wird es künftig möglich sein, vorübergehend zwei Beamtenverhältnisse – das auf Lebenszeit und das auf Widerruf oder Probe – nebeneinander zu haben . Damit tragen wir den beruflichen Veränderungswünschen Rech- nung und erleichtern den Wechsel in eine neue oder hö- here Laufbahn . Das ist eine kleine Änderung, die auch die Bürokratie entlastet und den öffentlichen Dienst fle- xibler macht . Darüber hinaus reagieren wir mit dem Gesetzentwurf auf eine Entwicklung, die leider auch zu den Realitäten von immer mehr Beamtinnen und Beamten gehört: Ge- walt im Dienst . Besonders gefährdet sind hier Polizistin- nen und Polizisten und Soldatinnen und Soldaten . Doch auch Verwaltungsbeamtinnen und -beamte sind schon bedroht und verletzt worden . War es bislang so, dass die Opfer von Gewalt bei Schadensersatzansprüchen häufig leer ausgingen, weil die Schädiger nicht zahlen konnten, wird im Falle ei- ner erfolglosen Vollstreckung künftig der Dienstherr die Schadensersatzzahlung übernehmen . Ziel der Angriffe ist nämlich stets die Instanz des öffentlichen Dienstes und nicht etwa der Beschäftigte als Privatperson . Damit wird sichergestellt, dass die Opfer von Gewalt in jedem Fall ihre rechtlich erstrittenen Ansprüche auch durchsetzen können . Das ist auch moralisch von Bedeutung und soll einen Beitrag zur Anerkennung der Beschäftigten leisten . Des Weiteren werden wir die Beihilfeverordnung konkretisieren . Dazu gehört die Einführung eines Forde- rungsübergangs von Schadensersatz- oder Erstattungs- ansprüchen auf den Dienstherrn . Auch das kommt den Beschäftigten zugute und hat unsere Zustimmung . Weitere Bestandteile des Gesetzentwurfs sind auch Anpassungen an EU-Normen . So werden Unterrichtungs- pflichten bei Berufsverboten und Disziplinarverfahren in den Bereichen Medizin, Gesundheitsversorgung und der Erziehung Minderjähriger nachvollzogen . Es ist somit ein Gesetzentwurf, der verschiedene Aspekte aufgreift und dabei vor allen Dingen die Verbesserung der Situa- tion von Beamtinnen und Beamten und Soldatinnen und Soldaten im Blick hat . Das begrüßen wir ausdrücklich . Dennoch gibt es hier und da noch Punkte, die im wei- teren Verfahren zu diskutieren sind . So stellt sich zum Beispiel die Frage, ob bei den Schadensersatzansprüchen die geplante Bagatellgrenze von 500 Euro nicht im Sinne der Beschäftigten aufzuheben wäre . Darüber werden wir sicher noch einmal diskutieren; denn auch hier werden die Maßgaben des Struck’schen Gesetzes greifen . Ich freue mich auf die Beratungen in den Ausschüs- sen . Frank Tempel (DIE LINKE): Die Bundesregierung hat einen Gesetzentwurf vorgelegt, mit dem für die Be- amtinnen und Beamten die Regelungen nach dem Pfle- gezeitgesetz bzw. dem Familienpflegezeitgesetz weitge- hend übernommen werden sollen . Dieses Anliegen wird von der Linken ganz grundsätzlich begrüßt und unter- stützt . Auch Beamtinnen und Beamte müssen die Mög- lichkeit haben, ihre Angehörigen zu pflegen und danach in ihren Beruf zurückzukehren . Leider enthält der Gesetzentwurf an einzelnen Punk- ten eine Schlechterstellung gegenüber Arbeitnehmerin- nen und Arbeitnehmern, die für uns sachlich nicht nachvollziehbar ist . Noch dazu enthält er sachfremde Neuregelungen, die gesondert diskutiert werden müssen . Zunächst zu den eigentlichen Regelungen zur Famili- enpflegezeit: Während Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einen klaren Rechtsanspruch auf Beurlaubung zur Pflege ihrer Angehörigen haben, kann dies den Beamtinnen und Be- amten mit Verweis auf „zwingende dienstliche Gründe“ verweigert werden. Diese Abweichung vom Pflegezeit- gesetz ist für uns nicht nachvollziehbar; die Koalition muss hier dringend nachbessern . Eine Ungleichbehandlung sehen wir außerdem bei den Regelungen zum Ausgleich des Verdienstausfalls . Bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ist die Sache klar: Sie erhalten ein Darlehen des Bundesamts für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben . Bei Beschäftigten mit geringem Verdienst gibt es Härtefall- regelungen für die Stundung des Darlehens oder sogar einen teilweisen Verzicht auf Rückzahlung . Beamtinnen und Beamte müssen die während der Pflegezeit erhal- tenen Bezüge über Abzüge von ihrem Sold zurückzah- len, wenn die Pflegezeit vorbei ist. Für sie gibt es keine Möglichkeit eines Teilerlasses dieser Rückzahlung . Auch für die Stundung im Falle der weiteren Pflege über die 24-monatige Pflegezeit hinaus ist es in das Ermessen der Dienststelle gestellt, ob sie niedrigere Raten für die Ab- geltung des Darlehens genehmigt . Ich weise gerade auch für die Öffentlichkeit darauf hin, dass nicht alle Beamtinnen und Beamten wie die Made im Speck leben, sondern gerade für die unteren Besol- dungsgruppen Soldabzüge über einen längeren Zeitraum existenziell bedrohlich sein können. Dort finden sich überproportional viele Frauen, die zugleich in vier von fünf Fällen die Pflegearbeit in der Familie übernehmen. Der Vereinbarkeit von Familie und Beruf wird hier also ein Bärendienst erwiesen . Hier müssen klare Regelungen analog zu den Regelungen des Familienpflegezeit- und des Pflegezeitgesetzes geschaffen werden, und zwar im Gesetz selbst und nicht, wie hier vorgesehen, auf dem Verordnungswege . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 173 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 2 . Juni 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 173 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 2 . Juni 2016 17165 (A) (C) (B) (D) Lassen sie mich noch einen letzten Punkt in Bezug auf die Pflegezeit ansprechen: Für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gelten die Regelungen ausdrücklich auch für die Begleitung ihrer sterbenden Angehörigen . Dem Wortlaut nach geht es für die Beamtinnen und Be- amten nur um die Pflege und Betreuung. Das kann auch die Sterbebegleitung meinen, muss es aber nicht . Auch hier fordern wir eine Klarstellung im Gesetzgebungsver- fahren . Darüber hinaus bleibt es bei unserer Kritik am Pfle- gezeitgesetz und am Familienpflegezeitgesetz, dass die geforderte Rückzahlung des Darlehens für die Pflege – im Falle der Beamten: die Verrechnung mit späteren Be- zügen – gerade für Bezieherinnen und Bezieher geringer Einkommen bzw . der untersten Besoldungsstufen ein Armutsrisiko darstellt und dass die starren Regelungen für die Befristung von Pflegezeit/Pflegeteilzeit keine fle- xible Reaktion auf unterschiedliche Krankheitsverläufe zulassen . Ich will am Ende noch auf eine Reihe sachfremder Re- gelungen des Gesetzentwurfs eingehen: Grundsätzlich zu begrüßen ist die Regelung zur Übernahme von tatsäch- lich nicht vollstreckbaren Schmerzensgeldansprüchen durch den Dienstherrn . Sie ist aber leider nur als Ermes- sens- statt als Ist-Regelung ausgestaltet, und die Mindest- betragsgrenze von 500 Euro ist zu hoch angesetzt und wird bei bereits gezahltem Unfallausgleich oder gezahl- ter Unfallentschädigung nicht gezahlt . Schmerzensgeld hat aber mit Unfallausgleich nichts zu tun . Die Gesundheitsprävention wird aus der Beamten- beihilfe herausgenommen . Das ist ein eklatanter Wider- spruch zum Ziel der Gesunderhaltung der Beamtinnen und Beamten im Rahmen der Demografie-Strategie der Bundesregierung . Das wird absurderweise dazu führen, dass Beamtinnen und Beamte Präventionsangebote der gesetzlichen Krankenversicherungen annehmen müssen, wenn es sie in ihrer Dienststelle gibt . Das würde eine un- zulässige Kostenverschiebung bedeuten . Ebenfalls zulasten der gesetzlichen Krankenversi- cherungen und der unteren Besoldungsgruppen geht die Neuregelung zur Kostenübernahme bei einem Wechsel in die gesetzliche Krankenversicherung . Bislang konnten die Beamtinnen und Beamten mit viel Mühe in die ge- setzliche Krankenversicherung wechseln . Statt Beihilfe zu zahlen, übernimmt der Staat dann den Arbeitgeberan- teil . Nun wollen Sie diese Regelung einfach streichen . Das ist genau der falsche Weg . Richtig wäre es, viel mehr Beamtinnen und Beamte zum Wechsel in die gesetzliche Krankenversicherung zu ermutigen . Es gibt also im weiteren Gesetzgebungsverfahren noch einiges zu tun . Wir werden Sie dabei gerne unter- stützen . Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Mit diesem Gesetz werden die Regelungen zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf wirkungsgleich auf Beamtinnen und Beamte sowie Sol- datinnen und Soldaten übertragen . Das heißt, auch Be- amte können sich jetzt für die Pflege bis zu 24 Monate freistellen lassen und erhalten einen Vorschuss, der den Verdienstausfall teilweise kompensiert . Leider hat das ursprüngliche Gesetz zur besseren Vereinbarkeit von Fa- milie, Pflege und Beruf zahlreiche Schwächen, und die werden durch eine Ausweitung des Geltungsbereichs na- türlich nicht behoben . Die Darlehenslösung, die bei den Beamten durch ei- nen Vorschuss, der später verrechnet wird, erreicht wird, bedeutet unter dem Strich eine Einkommensreduzierung . Die ausgefallenen Bezüge werden nur zum Teil kompen- siert, und nach der Pflegezeit muss die Kompensation zu- rückgezahlt werden . Die Einkommensreduzierung kann bis zu vier Jahre dauern, wenn man die 24 Monate für die Familienpflegezeit voll in Anspruch nimmt und an- schließend 24 Monate zurückzahlt bzw . eine geringere Vergütung erhält. Pflegezeit muss man sich also leisten können . Die Gehaltseinbußen sind besonders für Gering- verdiener – und die gibt es auch unter Beamten und Sol- daten – nicht tragbar . Für zwei Jahre die Arbeitszeit zu reduzieren, um zu pflegen, kommt nur für diejenigen infrage, die in der Nähe des Pflegebedürftigen leben. Die Tochter, die 300 Kilometer von der Mutter entfernt lebt, kann nicht jeden Tag ein paar Stunden arbeiten und sich anschlie- ßend um die Mutter kümmern . Und selbst wenn alles am selben Ort stattfindet – die Arbeit, die Pflege, das Leben in der eigenen Wohnung –, ist es nur möglich, das alles zu vereinbaren, wenn der Pflegebedürftige nicht rund um die Uhr jemanden braucht, der bei ihm ist . Menschen mit Demenzerkrankungen kann man nicht stundenlang al- leinlassen . Unsere letzte Kleine Anfrage zur Inanspruchnahme hat ergeben, dass für Pflegezeit und Familienpflegezeit im letzten Jahr insgesamt 242 Darlehen vergeben wur- den. Angesichts von 2,5 Millionen pflegebedürftigen Menschen, von denen zwei Drittel zu Hause gepflegt werden, ist das nichts . Wir brauchen etwas anderes: Wir brauchen viel mehr entlastende Angebote für Menschen, die sich entschei- den, sich um ihren pflegebedürftigen Angehörigen, Nachbarn oder Freund zu kümmern . Darum wollen wir sowohl Beratungs- und Informationsangebote als auch flexible Tages- und Nachtpflegeangebote inklusive Hol- und Bringdiensten flächendeckend ausbauen. Konkret heißt das: Wer Verantwortung übernimmt, erhält dauer- haft Unterstützung – nicht nur bis zu 24 Monaten . Der Pflegebedürftige wird nicht alleingelassen. Die Pflegezeit selbst wollen wir nicht mit einem kni- ckerigen, zurückzahlbaren Darlehen ausstatten, sondern mit einer Lohnersatzleistung wie das Elterngeld . Diese grüne Pflegezeit ermöglicht es, bis zu drei Monate kom- plett aus dem Beruf auszusteigen, um alles Notwendige für eine Pflege zu veranlassen: einzuschätzen, was not- wendig sein wird, sich über Angebote und Ansprüche zu informieren, die Leistungen zu beantragen und schließ- lich alles zu organisieren . Und das Beste daran: Unsere grüne PflegeZeitPlus – die dreimonatige Freistellung mit Lohnersatzleistung sowie die ergänzenden Angebote – gilt für alle Erwerbs- tätigen, kommt allen zugute: Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern – auch in kleinen Betrieben –, Beamten, Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 173 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 2 . Juni 201617166 (A) (C) (B) (D) Soldatinnen und Soldaten und Selbstständigen . Selbst- ständige und Angestellte kleiner Betriebe sind nämlich bei den derzeitigen Gesetzen zur Vereinbarkeit von Fa- milie, Pflege und Beruf weiterhin außen vor. Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung ein- gebrachten Entwurfs eines Sechsten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (6. SGB IV-Änderungsge- setz – 6. SGB IV-ÄndG) (Tagesordnungspunkt 22) Dr. Astrid Freudenstein (CDU/CSU): Wir verab- schieden im Bereich Arbeit und Soziales eine Menge Gesetzentwürfe, von denen wir denken, dass sie die Welt besser und gerechter machen . Bei vielen dieser Gesetz- entwürfe müssen wir uns danach allerdings anhören, dass sie nur neue Bürokratie brächten und dass sie unverhält- nismäßig viel Aufwand bedeuteten . Manchmal ist daran etwas Wahres . Umso schöner ist es, dass wir heute über einen Gesetzentwurf sprechen, der genau für das Gegen- teil sorgt . Es ist natürlich nicht der erste Gesetzentwurf dieser Art . Im vergangenen Jahr haben wir es durch kluge Ge- setzgebung geschafft, die Bürokratie zu bremsen . So ist zum ersten Mal der zeitliche und finanzielle Aufwand ge- sunken, den unsere Gesetze hervorrufen . In erster Linie war dafür das Bürokratieentlastungsgesetz verantwort- lich . Mindestens ebenso wichtig sind jedoch die vielen kleinen Verbesserungen, die wir verabschiedet haben . Nicht alle haben eine große mediale und öffentliche Auf- merksamkeit erfahren, aber es sind Gesetzentwürfe wie der vorliegende, die Schritt für Schritt die Bürokratie in Deutschland eindämmen . Es geht dabei um die Vereinfachung und Optimierung von Meldeverfahren in der sozialen Sicherung . Das klingt erst einmal sehr unspektakulär . Es handelt sich bei dem Meldeverfahren jedoch um das größte und komplexes- te Massenverfahren zur Weitergabe von Informationen von den Arbeitgebern an öffentliche Stellen in Deutsch- land . Daten von mehr als 40 Millionen Beschäftigten bei etwa 3,7 Millionen Arbeitgebern müssen weitergegeben werden . Insgesamt sind das pro Jahr etwa 400 Millionen Meldevorgänge . Hier gibt es also eine Menge Raum, um Bürokratie einzusparen . Wir haben bereits im vergangenen Jahr einige Opti- mierungen in dem Verfahren auf den Weg gebracht, die den Erfüllungsaufwand um rund 126 Millionen Euro reduziert haben . Die Vorschläge kamen aus dem Pro- jekt „Optimiertes Meldeverfahren in der sozialen Siche- rung“ – kurz: OMS –, in dem sich Fachleute zwei Jahre Gedanken darüber gemacht haben, wie das Verfahren besser, einfach und günstiger gemacht werden kann . Ar- beitsgruppen mit Teilnehmern aus allen Bereichen der Sozialversicherung bewerteten dann die eingereichten Verbesserungsvorschläge . Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf setzen wir nun die übrig gebliebenen Verbesserungsvorschläge aus dem Projekt um . So wird es pro Jahr weitere 43 Millionen Euro weniger Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft ge- ben . Aber auch die Bürger sparen Zeit und Mühe . Durch die verstärkte Möglichkeit des elektronischen Abrufs von Bescheinigungen und durch die Reduzierung von Mel- dungen werden sie spürbar entlastet . Vom französischen Schriftsteller und Philosophen Honoré de Balzac stammt aus dem 19 . Jahrhundert der Satz: Es gibt nur eine einzige von Zwergen bediente Rie- senmaschinerie, und das ist die Bürokratie . Wir wissen heute: Es sind keine Balzac’schen Fabelwe- sen, die hinter der Bürokratiemaschine stecken . Wir sind es selbst, die dafür sorgen können, dass die Riesenma- schinerie zurückgebaut und kleiner wird und dass Unter- nehmen sowie Arbeitnehmer mehr Zeit für die wichtigen Dinge haben . Dabei dürfen wir uns nicht ausruhen . Auch in Zu- kunft muss gelten: Jeder Euro zusätzlicher Aufwand muss durch einen Euro Entlastung begleitet werden . Das fördert unsere Wettbewerbsfähigkeit und unseren Wohl- stand . Dafür setzen wir uns ein . Gabriele Schmidt (Ühlingen) (CDU/CSU): Be- reits im letzten Jahr haben wir mit der Verabschiedung des 5 . Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches So- zialgesetzbuch und anderer Gesetze Rechtsklarheit und Rechtssicherheit in den Meldeverfahren gestärkt und da- durch eine Entlastung der Arbeitgeber durch optimierte und vereinfachte Meldeverfahren erreicht; denn es hatte sich herausgestellt, dass sich die Praxis erheblich weiter entwickelt hat, als sie im Gesetz geregelt ist . Das Gesetz definiert nunmehr klar wichtige Verfahrensbestandteile der Meldeverfahren und stärkt damit die Verfahrenssi- cherheit . Mit dem vorliegenden Entwurf der Bundesregierung eines 6 . Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches SGB und anderer Gesetze setzen wir den eingeschlagenen Kurs fort und weitere nunmehr ausgearbeitete Verbesse- rungsvorschläge aus dem seit 2011 vom BMAS durch- geführten OMS-Projekt – Optimiertes Meldeverfahren in der sozialen Sicherung – um, an dem unter anderem So- zialversicherungsträger, Bundesagentur für Arbeit, Sozi- alpartner und andere Akteure mitgewirkt haben . Darüber hinaus schließen wir eine bestehende Rechtsschutzlücke im Arbeitsrecht . Dazu gleich mehr . Der vorliegende Gesetzentwurf gilt primär der Ver- besserung und Vereinfachung von technischen und orga- nisatorischen Abläufen . Wir senken weiter Bürokratie- kosten und entlasten die Arbeitgeber spürbar – um rund 43,5 Millionen Euro . Wir reduzieren den Aufwand der Bürgerinnen und Bürger, unter anderem durch die Möglichkeit des elek- tronischen Abrufs von Bescheinigungen direkt vom Ar- beitgeber durch die Träger der Unfallversicherung, um rund eine Stunde im Einzelfall . Auch die Sozialversiche- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 173 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 2 . Juni 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 173 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 2 . Juni 2016 17167 (A) (C) (B) (D) rungsträger werden durch qualitätsverbessernde Maß- nahmen um 3,4 Millionen Euro jährlich entlastet . Lassen Sie mich Ihnen ein paar Details der im Gesetz- entwurf enthaltenen Optimierungen vorstellen: Betriebsnummer und Zahlstellennummer werden ge- setzlich definiert, es werden maschinenlesbare Codes auf dem Sozialversicherungsausweis und die Möglichkeit zur elektronischen Beantragung und Rückübermittlung der Bescheinigungen über die Fortgeltung des Versi- cherungsschutzes im Ausland eingeführt; wir schaffen außerdem eine Grundlage für ein Informationsportal für Arbeitgeber zu Basisfragen zur Sozialversicherung und entlasten damit weiter die mittelständische Wirtschaft von Bürokratie . Das Qualitätsmanagement wird bei der Massenverar- beitung von sensiblen Daten immer bedeutender . Auch hier setzt der Gesetzentwurf an: Wir führen Prüfverfah- ren für die Teile der Software der Sozialversicherungs- träger ein . Weitere Änderungen betreffen unter anderem die Alterssicherung der Landwirte . Die rückwirkende Auf- hebung von Bescheiden über den Zuschuss zu den Aufwendungen für die freiwillige gesetzliche Kranken- versicherung beugt einer Doppelbelastung der Alterssi- cherung vor . Nun komme ich auf die oben angesprochene Rechts- schutzlücke zu sprechen, die wir mit dem Gesetz schließen werden: Durch die neue Möglichkeit, eine Nichtzulassungsbeschwerde gegen berufsverwerfende Beschlüsse der Landesarbeitsgerichte beim Bundesar- beitsgericht einzulegen, anstatt gleich Verfassungsge- richte anzurufen – bislang die einzige Möglichkeit –, wird das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in den Rechtsstaat gestärkt . Zusammenfassend sind alle Änderungen notwen- dig und sinnvoll . Sie sind die logische Fortsetzung der Umsetzung der gemachten Vorschläge zur qualitativen Verbesserung von Verfahren und ganz im Sinne aller Be- teiligten. Von den Verbesserungsmaßnahmen profitieren Wirtschaft, Verwaltung sowie jede und jeder Einzelne von uns . Gabriele Hiller-Ohm (SPD): Mit dem vorliegenden 6 . SGB IV-Änderungsgesetz treten wir erneut auf die Bü- rokratiebremse und vereinfachen umständliche und zeit- raubende Verwaltungsvorgänge . Das machen wir jetzt in der Sozialversicherung mit verbesserten elektronischen Meldeverfahren . Ich freue mich, dass unsere Bundesre- gierung den Kampf aufgenommen hat und das Bürokra- tiemonster in seine Schranken weist . Bürokratie kostet die Bürgerinnen und Bürger vor allem Zeit und Nerven, und sie bremst darüber hinaus unsere Wirtschaft aus . Besonders betroffen sind die etwa vier Millionen kleinen und mittleren Unternehmen, un- sere Fackelträger für Wachstum und Beschäftigung in Deutschland . Weniger Bürokratie zahlt sich für sie in ba- rer Münze aus und macht sie somit wettbewerbsfähiger, kurbelt unsere Wirtschaft an und sichert Arbeitsplätze . Welches Unternehmen wäre nicht froh über eine leis- tungsstarke Verwaltung, die einen nicht mit Formularen erschlägt! Eine gute Verwaltung ist also auch ein wichti- ger Standortfaktor . Worum geht es in dem Gesetzentwurf? Die elektroni- schen Meldeverfahren in der sozialen Sicherung sollen besser und effizienter organisiert und vereinfacht wer- den – sowohl für Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber als auch für die Verwaltung und natürlich für die Bürgerin- nen und Bürger . So führen wir jetzt unter anderem die maschinenles- bare Verschlüsselung der Daten auf dem Sozialversiche- rungsausweis ein . Das klingt nicht aufregend, spart aber Zeit und Geld . Viele Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber sowie Sozial- versicherungsträger werden sich über das beschleunigte Verfahren freuen, weil sie zukünftig automatisch mit der jeweils richtigen Sozialversicherungsnummer arbeiten können und sich nicht mehr länger mit Fehlern und ent- sprechenden Korrekturen abmühen müssen . Außerdem wird die Möglichkeit zur elektronischen Beantragung und schnellen elektronischen Zusendung der A1-Be- scheinigungen geschaffen . Diese Bescheinigungen sind nötig, um den Versicherungsschutz für Arbeitnehmerin- nen und Arbeitnehmer zu sichern, wenn sie vorüberge- hend für Arbeitseinsätze ins Ausland entsandt werden . Derzeit müssen dafür noch Antragsformulare aus Papier umständlich und zeitraubend hin- und hergeschickt wer- den – und die Bescheinigung selbst natürlich auch . Kleinere und mittelständische Unternehmen werden besonders von der Einführung des neuen Informati- onsportals im Internet profitieren. Dort können Unter- nehmerinnen und Unternehmer zukünftig schneller als bisher an die wichtigsten Informationen zu allen sozial- versicherungsrechtlichen Fragen herankommen, die die Melde- und Beitragsverfahren ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter betreffen . Das wird ihnen viele Nachfragen und dadurch Zeit ersparen – wertvolle Zeit, die sie nun in ihren Betrieb investieren können . Auch die Übermittlung von Entgeltbescheinigungsdaten wird vereinfacht . Die Verbesserungen im SGB IV mögen für manche kleinteilig klingen, das sind sie aber nicht . Im Gegenteil: Die Auswirkungen für die Bürgerinnen und Bürger, für die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber und auch für die Sozialversicherungsträger sind enorm . Schauen wir uns die Entlastungen einmal genauer an: Die Bürgerinnen und Bürger gewinnen Zeit, nämlich etwa 315 000 Stunden pro Jahr; denn die pauschale obli- gatorische Meldung über Versorgungsbezüge entfällt in Zukunft und muss nur noch von denjenigen abgegeben werden, die über der Beitragsbemessungsgrenze liegen . Für die Unternehmen verringert sich ihr Bürokra- tieaufwand im Umfang von etwa 43,5 Millionen Euro jährlich . Das geht auf die erwähnte Einführung des Infor- mationsportals im Internet zu sozialversicherungsrecht- lichen Melde- und Beitragsfragen zurück . Außerdem werden die Firmen durch Qualitätsverbesserungen bei den Fehlerrückmeldungen der Krankenkassensoftware Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 173 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 2 . Juni 201617168 (A) (C) (B) (D) erheblich entlastet . In Zukunft werden die Fehler syste- matisch erfasst und bereinigt . Auch die Verwaltung spart jährlich etwa 3,4 Millionen Euro . Durch das Internet-Informationsportal reduziert sich die Anzahl der Anfragen aus den Unternehmen auch für sie . Diese Einsparungen sind beträchtlich, aber auch drin- gend notwendig; denn jährlich finden sage und schreibe etwa 400 Millionen Meldevorgänge von den Arbeitge- bern zu den Sozialleistungsträgern und zurück statt, vor allem Anmeldungen, Abmeldungen und monatliche Bei- tragsmeldungen von Beschäftigten bei den Kranken- und Unfallkassen, der Renten- und Arbeitslosenversicherung und bei der Pflegeversicherung. Damit das klappt, brauchen wir gute und leistungs- fähige Systeme . Daher ist es die fortwährende Aufgabe der Bundesregierung sowie der Sozialversicherungs- und Sozialleistungsträger, die Funktionsfähigkeit dieses wichtigen Systems zu erhalten und zu verbessern . Dazu gehört, es zeitnah an tatsächliche, rechtliche und tech- nische Veränderungen anzupassen, und dazu gehört, den Aufwand für alle Beteiligten, insbesondere auch für die Arbeitgeber, die die Hauptlast der Meldungen tragen, soweit wie möglich zu beschränken und die Kosten so gering wie möglich zu halten . Durch diese Vereinfachungen, die Teil eines großen Pakets im Rahmen der Meldevereinfachungen sind, ge- winnen letztlich alle Bürgerinnen und Bürger, Betriebe und die Verwaltung . Die durch Entbürokratisierung und Entlastung gewonnene Zeit kann nun sinnvoller genutzt werden, auch, um in Zukunft weiter auf die Bürokra- tiebremse treten zu können und über anwenderfreundli- che und datensichere Online-Verfahren zu noch schnel- leren und einfacheren Lösungen zu kommen, nach dem Motto: So wenig Verwaltung wie möglich und nur so viel wie nötig . Mit dem Gesetzentwurf schaffen wir also, wie man so schön sagt, eine Win-Win-Situation für uns alle, und das ist ja nicht immer der Fall . Vielleicht gelingt es uns mit diesem Gesetzentwurf ja auch, ein Stück weit das alte Sprichwort: „Von der Wiege bis zu Bahre: Formulare, Formulare“, aus den Angeln zu heben . Matthias W. Birkwald (DIE LINKE): Erneut dürfen wir uns mit der gesetzlichen Umsetzung des Projekts mit dem schönen Titel „Optimiertes Meldeverfahren in der sozialen Sicherung“ – kurz: OMS – beschäftigen, und wir hoffen alle, dass dies zum letzten Mal geschehen werde . Erste Maßnahmen des Projekts wurden Anfang ver- gangenen Jahres mit dem sogenannten 5 . SGB IV-Ände- rungsgesetz umgesetzt . Es hat sich jedoch herausgestellt, dass einige Vorschläge noch nicht zur Umsetzungsreife gediehen waren und deshalb nicht alle Vorschläge umge- setzt werden konnten . Prinzipiell ist erst einmal nichts dagegen einzuwen- den, das Meldeverfahren in der Sozialversicherung durch den elektronischen Datenaustausch sowie die Datenver- arbeitung effektiver zu gestalten . Wenn die Träger der Sozialversicherungen und die Unternehmen hiervon profitieren: Gut so. Wenn als Nebeneffekt auch die Ver- sicherten von beschleunigten Abläufen einen Nutzen haben: Umso besser . Und dennoch: Oberste Priorität müssen die Datensicherheit und der Datenschutz haben . Werden Verschlüsselungsverfahren genutzt, so ist ins- besondere beim Sozialdatenschutz sicherzustellen, dass sensible persönliche Informationen nicht für unbefugte Personen sichtbar und nutzbar werden . Gegenüber dem Referentenentwurf wurden aufgrund der Stellungnahmen der Verbände bzw . Sozialversiche- rungsträger bereits einige Maßnahmen im Gesetzentwurf weiter korrigiert, einige dagegen nicht . Einige wurden gegenüber dem Referentenentwurf neu eingefügt, wie etwa die Möglichkeit, dass die Krankenkassen nach § 171e SGB V sowie die Unfallkassen nach § 172c SGB VII die Möglichkeit erhalten sollen, zehn Prozent der Altersrückstellungen für die Betriebsrenten ihrer Be- schäftigten in Aktien anzulegen . So sollen aufgrund der Niedrigzinsphase höhere Zinsen erzielt werden, als durch herkömmlichen Anlagen . Als ich das las, musste ich mir nicht nur die Augen reiben, sondern habe ich – mit Ver- laub – gedacht: Ich glaube, mein Schwein pfeift . Dass ich mit dieser Einschätzung nicht ganz alleine dastehe, zeigt die Stellungnahme des Bundesrates . Er moniert, dass es sich bei der Altersrückstellung der ge- setzlichen Krankenkassen um Beitragsgelder, also um unser Geld, und nicht um privat von Arbeitnehmern und Arbeitgebern einvernehmlich angesparte Wertguthaben handele. Dabei ist gesetzlich klipp und klar definiert, dass der Grundsatz der Anlagesicherheit Vorrang gegenüber der Erzielung eines angemessenen Ertrages hat . Diesen Grundsatz wollen sie aufgrund der miesen Kapitalrendi- ten mit der geplanten Gesetzesänderung aushebeln . Immerhin hatte der Bundesrat Ihnen eine Brücke ge- baut und vorgeschlagen, die Änderungen in einer separa- ten Gesetzesänderung zu regeln . Aber nicht einmal die- sen Weg wollen Sie gehen . Wir haben hier also noch erheblichen Beratungsbe- darf, von dem wir im Ausschuss und in der geplanten An- hörung sicherlich ausführlich Gebrauch machen werden . Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN): Nach dem 5 . Änderungsgesetz im vergangenen Jahr kommt jetzt das 6 . Änderungsgesetz im Vierten Sozialgesetzbuch . Hintergrund ist das vom BMAS beauftragte Projekt „Optimiertes Meldeverfahren in der sozialen Sicherung“ . Jetzt liegt also das zweite Ge- setz zur Umsetzung der Vorschläge vor . Erneut handelt es sich um eine Sammlung von überwiegend kleintei- ligen technischen Änderungen . Was die vielen kleinen Schritte angeht, zu einer bestmöglichen Optimierung des Meldeverfahrens im Rahmen der sozialen Sicherung zu gelangen, wie auch wieder im vorliegenden Gesetzent- wurf, so sehen wir die Bestrebungen der Bundesregie- rung und der hier eingebundenen Akteure im Großen und Ganzen durchaus positiv – auch wenn bei manchen die Frage gestellt werden könnte, ob wirklich Änderungsbe- darf besteht, und einzelne Punkte problematisch sind . So schließen wir uns der Einschätzung des Bundesrats an, dass die Möglichkeit der Krankenversicherung und der Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 173 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 2 . Juni 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 173 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 2 . Juni 2016 17169 (A) (C) (B) (D) Unfallversicherung, ihre Rücklagen in Aktien anzulegen, zumindest gründlich zu hinterfragen ist und aus dem Ge- setzentwurf gestrichen werden sollte . Darüber hinaus sieht zum Beispiel der Deutsche An- waltverein „noch erheblichen Nachbesserungsbedarf, um das Ziel der Optimierung der Meldeverfahren in der sozialen Sicherung (OMS) insbesondere in Bezug auf Rechtssicherheit und Verfahrensvereinfachung zu errei- chen.“ Auch wir finden, angesichts der großen Ziele wie Bürokratieabbau und Rechtsklarheit ist es kein großer Wurf . Dazu müsste noch an ganz anderen Stellschrauben gedreht werden . Lassen Sie uns endlich die Bürgerversicherung ange- hen. Im Bereich der Pflege-, Kranken- und Rentenver- sicherung kann man so eine Harmonisierung innerhalb der Sozialversicherungen herbeiführen . Das würde eine deutliche Vereinfachung darstellen, Sicherungslücken schließen und zu einer sowohl gerechteren als auch nachhaltigeren Absicherung führen . Das gäbe auch Gele- genheit, eine Harmonisierung mit dem Steuersystem zu bekommen . Die unterschiedlichen Regelungen in Steu- er- und Sozialrecht über Einkommensbegriffe oder die Frage, wer selbstständig ist und wer nicht, führen zu un- nötiger Bürokratie und zu Unsicherheit sowohl bei den Betroffenen als auch in der Verwaltung . Sozialversicherungen können sich schon heute, hin- sichtlich der Effizienz ihrer Verwaltung, als recht büro- kratiearm bezeichnen . Warum das so ist? Im Gegensatz zu den privaten Versicherungen, und das hören wir ja im- mer wieder, und das wird auch immer wieder kritisiert, haben wir innerhalb der Sozialversicherungen schon jetzt sehr geringe Verwaltungskosten . Deswegen wollen wir Grünen ja auch ein öffentlich organisiertes Basisprodukt für die Riester-Rente . Neben einer wirklichen Vereinfachung im Sozialver- sicherungssystem brauchen wir eine Veränderung im Grundsicherungsbereich . Die Bundesregierung hat mit ihrem kürzlich vom Kabinett gebilligten Gesetzesent- wurf zur „Rechtsvereinfachung“ im SGB II erneut unter Beweis gestellt, dass sie kein Interesse an einer wirkli- chen Vereinfachung und damit Verbesserung in diesem Bereich hat . Das vorliegende Gesetz ist im Gegenteil so- gar bürokratischer, es ist restriktiver, und es ist keine Ent- lastung . Weder für die Jobcenter noch für die Menschen, die sich im Grundsicherungsbezug für Arbeitsuchende befinden. Für die Betroffenen ist es an vielen Stellen so- gar eine Rechtsverschärfung . Die Bundesregierung hätte die Chance gehabt, ein deutliches Signal in die richtige Richtung zu senden . Bisher hat sie das zu unserem Be- dauern leider nicht getan . Ich habe Ihnen einige Möglichkeiten genannt, wie wir zu einer wirklichen Vereinfachung im Bereich der sozi- alen Sicherung kommen könnten . Das sind die großen Schritte, die Sie leider nicht zu gehen wagen . Das ist be- dauerlich . Anlage 9 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung einge- brachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Ände- rung des GAK-Gesetzes (Tagesordnungspunkt 23) Hans-Georg von der Marwitz (CDU/CSU): Mit dem Gesetz zur Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ – GAK-Ge- setz – haben wir in Deutschland seit dem Inkrafttreten am 1 . Januar 1973 ein sehr wichtiges nationales Bund-Län- der-Förderinstrument . Ziel der GAK ist es, die Leis- tungsfähigkeit der Land- und Forstwirtschaft zu sichern und auf künftige Anforderungen auszurichten . Ebenso sollen die Wettbewerbsfähigkeit auf dem europäischen Markt sowie eine Verbesserung des Küstenschutzes ge- währleistet werden . Durch die Mittel der GAK werden Maßnahmen zur Entwicklung der Landwirtschaft und des ländlichen Raumes gefördert . Neben der GAK bieten Förderprogramme wie LEADER oder die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesse- rung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ – GRW – und auch das Bundesprogramm „Ländliche Entwicklung“ – BULE – die Möglichkeit, Vorhaben in der ländlichen Entwicklung mitzugestalten und auszuführen . Im aktuellen Entwurf zur Änderung des GAK-Geset- zes setzen wir uns zum Ziel: Zur Verbesserung der Agrarstruktur ist es zuneh- mend erforderlich, die ländlichen Räume im Rah- men eines integrierten Ansatzes als Lebens-, Wirt- schafts-, Erholungs- und Naturräume zu sichern und weiter zu entwickeln . Dieser Ansatz ist richtig und wichtig . Die Landwirt- schaft befindet sich seit geraumer Zeit in einer sehr prekären Situation . Russland-Embargo und gesättigte Märkte haben schwerwiegende Auswirkungen auf den gesamten Agrarsektor . Der Strukturwandel in landwirt- schaftlich geprägten Regionen wird dadurch weiter be- feuert . Veränderungen der Eigentumsstrukturen und we- niger Landwirtschaftsbetriebe sind die Folge . Zusätzlich besteht die Gefahr, dass ganze Landstriche durch den de- mografischen Wandel, Abwanderung, eine niedrige Ge- burtenrate und den Rückgang der Daseinsvorsorge noch weiter abgehängt werden . Die Landwirtschaft ist mit ihren vor- und nachgelager- ten Bereichen ein wichtiger Wirtschaftsfaktor im länd- lichen Raum . Politik und Gesellschaft müssen auch in Zukunft ihr Augenmerk darauf richten . Schließlich lebt rund die Hälfte unserer Bevölkerung in ländlichen Regi- onen . Die Weiterentwicklung der GAK kann ihren Bei- trag dazu leisten . Nur eine zukunftsweisende Förderung setzt Signale für die Wirtschaft und Bevölkerung . Heute müssen wir entscheiden, wie wir die Weichen für eine nachhaltige Entwicklung der ländlichen Räume stellen . Wie im Grundgesetz verankert, bleibt das politi- sche Ziel weiterhin, gleichwertige Lebensverhältnisse zu schaffen . Ungewiss ist, ob die derzeitige Förderung dafür genügt, dieser Anforderung im ländlichen Raum Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 173 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 2 . Juni 201617170 (A) (C) (B) (D) wirkungsvoll Rechnung zu tragen . Der Agrarmarkt wird auch in Zukunft auf verlässliche politische Rahmenbe- dingungen angewiesen sein . Die Landwirtschaft entwickelt sich weiter . Neue Ver- marktungs- und Vertriebsmöglichkeiten sowie Touris- mus zeigen, dass es angesichts von Marktschwäche und Preisvolatilität längst nicht mehr nur um Nahrungsmittel- produktion geht . Landwirte sind Unternehmern des länd- lichen Raumes . Deshalb ist es von großer Bedeutung, einerseits der Landwirtschaft, andererseits aber auch der dort angesiedelten Wirtschaft in Zukunft zusätzliche Ein- kommensmöglichkeiten zu sichern . Die GAK mit ihrem derzeitigen Agrarbezug sollte weiterhin das primäre Förderinstrument für Land- und Forstwirte bleiben . Aufgrund ihrer räumlichen Bindung an Grund und Boden ist es besonders wichtig, das un- ternehmerische Engagement in der Landwirtschaft zu stärken . Gerade mit Blick auf die derzeitig schwierige Lage wollen wir die Landwirte ermutigen, sich neue unterneh- merische Einkommensquellen zu erschließen . Das steht für mich an erster Stelle . Gleiches gilt für Handwerk und Gewerbe in unseren Dörfern und Gemeinden . Zahlreiche klein- und mittelständische Unternehmen tragen bedeutend zur Vitalität unserer Dörfer bei . Sie schaffen Arbeitsplätze und stehen ähnlich wie die Land- wirtschaft für eine starke regionale Verankerung . Somit garantieren diese Betriebe Vielfalt und Stabilität . Außerdem sollte das Engagement im gemeinnützigen Bereich, wo sich Ehrenamtliche in sozialen, kulturellen und kirchlichen Projekten nachhaltig einsetzen, von der Öffnung der GAK profitieren. Sie leisten einen deutli- chen Anteil am langfristigen Erfolg und haben maßgeb- lichen Einfluss auf die sogenannten weichen Standort- faktoren . Gerade die ehrenamtlich Tätigen sind es, die über den Wert und somit die Attraktivität ihrer Heimat mitbestimmen . Zusammenfassend soll mit dem aktuellen Gesetz- entwurf die Möglichkeit geschaffen werden, dass auch Fördermöglichkeiten über die Landwirtschaft hinaus für Infrastruktur und Kleinstbetriebe in strukturschwachen Regionen entstehen . Kurzum: Basisdienstleistungen, die Umnutzung von landwirtschaftlichen Gebäuden, Investi- tionen in den Tourismus und zur Verbesserung des kultu- rellen und natürlichen Erbes von Dörfern . Die Erhöhung des Budgets zur Finanzierung der neu- en Förderaufgaben von bisher rund 650 Millionen Euro für das Jahr 2016 um 30 Millionen Euro kann jedoch nur ein Anfang sein . Wenn wir dem anhaltenden Struktur- wandel nachhaltig begegnen wollen, werden wir nicht umhinkommen, weitere Mittel zur Verfügung zu stellen . Willi Brase (SPD): Die ländlichen Räume in Deutsch- land haben vieles zu bieten: Sie sind gekennzeichnet durch eine besondere Dynamik und Vielfalt . Neben Landwirtschaft und Tourismus ist ebenfalls zu erwähnen, dass es auch starke wirtschaftliche Regionen sind . Etwa 90 Prozent der Gesamtfläche Deutschlands sind ländli- cher Raum . Rund die Hälfte aller Menschen leben auf dem Land . Ländliche Räume sichern die Lebens- und Arbeits- grundlagen vieler Menschen . Die deutsche Wirtschaft ist mittelständisch sowie dezentral aufgestellt . In zahl- reichen Bundesländern haben die ländlichen Regionen mittlerweile einen höheren Anteil an Industriebeschäf- tigten als die städtischen Ballungszentren . Sie sind ein bedeutender Ort der industriellen Wertschöpfung . Länd- liche Regionen leisten einen unverzichtbaren Beitrag zum gesamtwirtschaftlichen Ergebnis der Bundesrepu- blik Deutschland . Ländliche Räume sind traditionsreiche Standorte hunderttausender Unternehmen aus allen Ge- werken und Branchen . Darüber hinaus haben diese eine wichtige soziale Funktion für alle Regionen des Landes . Ihre Freizeit- und Umweltqualität sowie die landschaftliche Attraktivi- tät ermöglichen Erholung und Ausgleich . Sie tragen zur Regeneration der Arbeitskraft bei . Ländliche Räume sind Orte bürgerschaftlichen En- gagements, der Nachbarschaftshilfe, eines starken Ver- einslebens, der Tradition und des Brauchtums – kurz: eines besonderen Gemeinschaftsgefühls und regionaler Identität . Besonders positiv bewerten viele Menschen auf dem Land ihr Wohneigentum und die damit verbundenen Möglichkeiten zur Selbstversorgung und Unabhängig- keit, zum Beispiel durch einen eigenen Garten und die Versorgung mit eigenem Gemüse . Gleichzeitig stehen viele ländliche Räume sozialen, ökonomischen und demografischen Herausforderungen gegenüber . Sie kämpfen mit hoher Arbeitslosigkeit, Ab- wanderung und Überalterung . Die Regionen stellen sich diesen Herausforderungen und packen an . Die SPD-Bundestagsfraktion steht zum Grundsatz der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in allen Teilen Deutschlands . Wir wollen die Leistungsfähigkeit der ländlichen Räume stärken und die Heimat der Menschen lebenswert und attraktiv gestalten . Auch mit dem Blick auf die Integration von Men- schen, die vor Krieg, Not und Verfolgung fliehen und in Deutschland Asyl erhalten, muss die Integrationsfähig- keit ländlicher Räume insgesamt noch deutlich intensi- ver unterstützt werden . Ebenso ist die digitale Spaltung Deutschlands nicht länger hinzunehmen . Die nun eingeleitete Verstärkung des Breitbandaus- baus begrüße ich daher ausdrücklich . Ein schneller Breit- bandanschluss ist heute nicht nur für viele Menschen eine unabdingbare Voraussetzung für ihre private Kommuni- kation, sondern auch ein entscheidender Standortfaktor für etliche Unternehmen im ländlichen Raum . Die Entwicklung ländlicher Räume verläuft nicht gleichförmig . Das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung, BBSR, rechnet in seiner „Raumord- nungsprognose 2025“ für die meisten ländlich gepräg- ten Regionen Deutschlands bis 2025 mit einem Bevöl- kerungsrückgang von mindestens drei bis zehn Prozent gegenüber dem Jahr 2005 . In einigen östlichen Regionen sind sogar noch deutlich höhere Bevölkerungsrückgänge zu erwarten . Ebenso geht das BBSR vielerorts von einer Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 173 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 2 . Juni 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 173 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 2 . Juni 2016 17171 (A) (C) (B) (D) Zunahme des Anteils der über 60-Jährigen bis 2025 von 20 bis 40 Prozent aus . Die zukünftige Förder- und Strukturpolitik für die ländlichen Räume muss sich an diese Voraussetzungen anpassen . Die Herausforderungen können nur mit den Menschen vor Ort zu passgenauen Lösungen führen . Dabei sind die Antworten für die Zukunft genauso viel- fältig wie die Regionen selbst . Die Wettbewerbsfähigkeit ländlicher Räume muss erhalten bleiben, die bisher unge- nutzten Potenziale müssen aktiviert werden . Erforderlich ist eine regional differenzierte Struktur- und Raumord- nungspolitik, die auf die jeweiligen Stärken und Schwä- chen der Regionen angemessen reagiert . Die Heimat der Menschen in den ländlichen Räumen muss lebenswert und existenzsichernd erhalten werden . Deshalb kann der Schwerpunkt einer zukünftigen För- derung der ländlichen Räume nicht allein auf sektorale Maßnahmen der Agrarstruktur ausgerichtet sein, sondern muss sich auf alle Bereiche der Gesellschaft erstrecken . Kooperative und regional integrierte Handlungsansätze, die die Wertschöpfung, die Lebensqualität und die In- novationskraft fördern, sind das zukünftige Mittel zum Zweck . Diese Notwendigkeit untermauern auch die Ergeb- nisse des kürzlich erschienen Prognos Zukunftsatlasses 2016 . Dort heißt es unter anderem – ich zitiere –: Innerhalb Deutschlands bleibt die Schere zwischen armen und reichen Regionen weiterhin geöffnet . In der Langfristbetrachtung . . . 2004 – 2016 schrumpft der Anteil der Regionen mit ausgeglichenen Chan- cen und Risiken – und damit „die Mitte“ . 2004 waren es noch 206 Regionen und Städte, 2016 nur noch 163 . Weiterhin wird dort ausgeführt: Eine hohe Innovationsfähigkeit, Wirtschaftskraft und -dynamik sowie ein damit einhergehender at- traktiver Arbeitsmarkt sind entscheidend für den re- gionalen Wohlstand . Das von der Bundesregierung geplante System der Förderung strukturschwacher Regionen ab dem Jahr 2020 nimmt in diesem Zusammenhang eine entscheiden- de Rolle ein . Dabei müssen die Förderungen noch viel mehr als heute nach Bedarf anstatt nach Himmelsrich- tungen erteilt werden . Darüber hinaus ist eine deutlich effizientere Verzahnung mit anderen Programmen der regionalen Strukturentwicklung notwendig . Dazu zählen speziell die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der re- gionalen Wirtschaftsstruktur“, GRW, der Breitbandaus- bau und die Städtebauförderung . Darauf müssen Bund, Länder und Kommunen hinarbeiten . Ebenso ist der Küstenschutz eine lebenswichtige Aufgabe . Er muss verstetigt bzw . ausgeweitet werden . In dieses neue Fördersystem wird sich auch die weiter- entwickelte GAK einfügen, und sie wird abgestimmt mit weiteren Programmen von Bundesseite ihre vollständige Wirkung entfalten können . Mit dem vorgelegten Gesetzentwurf zur Weiterent- wicklung der GAK gehen wir einen großen Schritt dahin . In diesem Zusammenhang möchte ich auch nicht verheh- len, dass sich meine Fraktion eine zügigere Erarbeitung durch die Bundesregierung gewünscht hätte . Durch die Änderung des GAK-Gesetzes werden wir die Möglichkeiten der Länder erweitern, ihre Maßnah- men zur ländlichen Entwicklung durch Mittel der GAK fördern zu lassen . Dies erreichen wir durch eine umfas- sende Anpassung an das Förderspektrum des Europä- ischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums, ELER . Ich möchte für uns Sozialdemokraten an dieser Stel- le auch noch einmal eines klarstellen: Das Zwei-Säu- len-Modell der Europäischen Agrarpolitik muss aufgelöst werden . Eine pauschale Subvention für bewirtschaftete Flächen ohne nennenswerte Gegenleistungen ist nicht mehr zeitgemäß . Nach unserer Ansicht sollen Landwir- te zukünftig bei ihren Bemühungen zur Entwicklung der ländlichen Räume, zur Umsetzung von Agrarumwelt- maßnahmen und zum Schutze des Klimas sowie der Bio- diversität finanziell unterstützt werden. Es bleibt dabei: Öffentliches Geld nur für öffentliche Leistungen! Wir sehen an der einen oder anderen Stelle im Ge- setzentwurf noch Änderungsbedarf und werden diesen in den nun anstehenden parlamentarischen Beratungen ansprechen. Die Definition einer neuen Förderkulisse mit dem unbestimmten Kriterium der geografischen Ab- gelegenheit halten wir für nicht zielführend . Ebenso sind wir der Meinung, dass die förderfähigen Maßnahmen zur Entwicklung der ländlichen Räume noch deutlicher im Gesetzestext beschrieben werden sollten, um deren Wichtigkeit herauszustellen . Darüber hinaus braucht es dringend eine Verwaltungsvereinfachung bei der Anmel- dung von Maßnahmen durch die Länder, um eine zügige Umsetzung von Projekten zu unterstützen . Auch die Bundesländer, welche diesem Gesetz zu- stimmen müssen, haben am vergangenen Dienstag im Ausschuss für Agrarpolitik und Verbraucherschutz des Bundesrates diverse Änderungswünsche formuliert . Da- her bin ich sehr zuversichtlich, dass uns am Ende ein ordentliches Gesetz gelingt, welches den großen Heraus- forderungen der ländlichen Regionen gerecht wird und die Menschen in den Regionen bei den Entwicklungen vor Ort mitnimmt . Heidrun Bluhm (DIE LINKE): Ländliche Regionen prägen mit ihren Siedlungen und Kulturlandschaften das Bild unserer Heimat . Hier ist der überwiegende Anteil unserer dezentra- len mittelständischen Wirtschaft angesiedelt . Das ist eine besondere Stärke Deutschlands . Dieses Zitat stammt nicht aus meinem Poesiealbum, sondern es ist die Einleitung zur Selbstdarstellung der Bundesinitiative Ländliche Entwicklung auf der Websei- te des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirt- schaft . Angesichts dieser verbalen Wertschätzung ländlicher Regionen könnte man zu der Erwartung verleitet werden, die Bundesregierung meine es ernst mit ihrer Ankündi- gung im Koalitionsvertrag: „Die Gemeinschaftsaufgabe Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 173 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 2 . Juni 201617172 (A) (C) (B) (D) Agrarstruktur und Küstenschutz wird zu einer Gemein- schaftsaufgabe ländliche Entwicklung weiterentwickelt“, wenn uns diese Bundesregierung nicht schon so oft ei- nes Besseren belehrt hätte und wenn nicht auch dieser Gesetzentwurf ein weiterer Beleg dafür wäre, dass bei dieser Bundesregierung Ankündigung und realer Gestal- tungswille meilenweit auseinanderklaffen . 90 Prozent der Fläche in Deutschland sind ländlicher Raum . Mehr als die Hälfte aller Einwohner Deutschlands leben hier . In Nordrhein-Westfalen sind es circa 43 Pro- zent, in Thüringen sind es rund 82 Prozent . Allein die- se wenigen Fakten machen deutlich, wie groß und wie differenziert die Aufgabe „Ländliche Entwicklung“ im richtigen Leben ist . Hier muss die Frage erlaubt sein: Glauben Sie von den Koalitionsparteien allen Ernstes, dieser hier vorgelegte Gesetzentwurf wird dieser Aufgabe gerecht? Ich jeden- falls glaube das nie und nimmer . Die Menschen, die im ländlichen Raum leben, arbei- ten und wohnen, dürfen nicht abgehängt werden, und sie dürfen sich auch nicht so fühlen . An dem Anspruch „Gleichwertige Lebensverhältnisse“ müssen wir fest- halten . Dazu könnte eine weiterentwickelte GAK einen entscheidenden Beitrag leisten, wenn sie tatsächlich die integrierte ländliche Entwicklung als eine Hauptaufgabe definiert hätte. Hinter diesem Anspruch bleibt der vorliegende Ent- wurf aber weit zurück . Damit setzen Sie Ihren eigenen Koalitionsvertrag nicht um . Die Schaffung einer Ge- meinschaftsaufgabe „Ländliche Entwicklung“, wie es dort angekündigt wird, bleiben Sie schuldig . Lange wurden der große Wurf und eine Änderung des Grundgesetzes angekündigt, und diese Änderung wäre nötig . Nun begnügen Sie sich damit, ein paar Schönheits- korrekturen am GAK-Gesetz vorzunehmen . Doch diese werden den Bedarfen und Herausforderungen der länd- lichen Räume vor allem in strukturschwachen Regionen keineswegs gerecht . Wenn dazu eine Änderung des Grundgesetzes nötig ist: Bitte! An uns sollte das nicht scheitern . Die integrierte ländliche Entwicklung hätte in der Verfassung als Gemeinschaftsaufgabe definiert werden müssen, wie im Koalitionsvertrag angekündigt . Stattdes- sen baut der Gesetzentwurf Hilfskrücken, um Maßnah- men der ländlichen Entwicklung zukünftig stärker über die GAK fördern zu können und diese irgendwie als Teil der Agrarförderung zu definieren. Bedeutet die ländliche Entwicklung aber nicht viel mehr? Sind ländliche Räume nur ein weicher Standortfaktor für die Agrarindustrie? Der Entwurf zur Gesetzesänderung geht ja in die rich- tige Richtung . Leider bleibt er aber an den wesentlichen Punkten bisher unklar . Was ist förderfähig und in wel- chen Gebietskulissen? Diese sehr entscheidenden Fragen beantworten Sie nicht oder widersprüchlich . Sie, Herr Minister, können doch nicht allen Ernstes von Ihren Kollegen aus den Regierungsfraktionen ver- langen – von uns schon gar nicht –, dass sie ein Gesetz auf den Weg bringen, dessen konkrete Auswirkungen weder Sie noch wir überhaupt kennen . Die Linke sagt: Die ländlichen Räume sind mehr wert . Eine ernsthafte Reform der GAK, wie sie etwa der Deutsche Städte- und Gemeindebund und der Deutsche Landkreistag fordern, ist überfällig . Es ist zu begrüßen, dass Sie den § 1 um die Maßnah- men zur Förderung der Infrastruktur in ländlichen Gebie- ten erweitern . Doch was bedeutet das? Offenbar gibt es darüber selbst innerhalb des Ministeriums gegensätzliche Auffassungen . In der Regierungsbefragung redete der Minister noch von der zukünftigen Abdeckung des kom- pletten ELER-Bereiches, während das Ministerium auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/die Grünen unlängst antwortete: Maßnahmen, die gar keine Rückbindung auf den Agrarbegriff erkennen lassen, sind auch mit der neuen GAK nicht förderfähig . Unabhängig von der Widersprüchlichkeit in diesen Aussagen zeigt sich, dass es der entscheidende Fehler ist, die integrierte ländliche Entwicklung als Begrifflichkeit bei der Gesetzesnovelle nicht weitergehend zu berück- sichtigen, um einen weiteren Förderspielraum zu ermög- lichen . Stattdessen bleiben die Adressaten dieser Förde- rung im Ungewissen . Sind alle Infrastrukturmaßnahmen in den ländlichen Gemeinden förderfähig? Welche Betriebe können eine Förderung erhalten? Diese Fragen sind nach wie vor nicht wirklich geklärt oder werden mit einer schwam- migen Gesetzesbegründung und Auslegung beantwortet, wie das Zitat belegt . Eine verlässliche Aussage für Kommunen und Be- triebe – vor allem vor dem Hintergrund der anstehenden GAP-Reform – und eine klare und verlässliche Orien- tierung, was förderfähig sein wird und was nicht, bleibt der Änderungsentwurf schuldig . Das belegt einmal mehr, dass eine wirkliche Strategie fehlt, die die Entwicklung der ländlichen Räume in ihrer Gesamtheit erfasst . Es bedarf klarer Grenzen zu anderen Förderprogram- men . Wo endet das GAK-Förderspektrum? Wo beginnt beispielsweise die GRW? Ergänzungsfähigkeit zwischen den einzelnen Programmen muss hergestellt werden . Auch wenn wir als Linke fordern, dass die integrier- te ländliche Entwicklung eine Aufwertung durch diese Gesetzesänderung erfahren soll: Eine Gemeinschafts- aufgabe „Ländliche Entwicklung“ oder eine um diesen Aspekt mehr oder weniger konsequent erweiterte GAK darf nicht der alleinige Träger der Entwicklung ländli- cher Räume sein . Andere Ressorts dürfen sich nicht auf einer derartigen Qualifizierung der Gemeinschaftsaufga- be ausruhen und aus der Verantwortung ziehen . Auch Mittel der GRW, der Städtebauförderung, Regi- onalisierungsmittel, Mittel für den Breitbandausbau und weitere Initiativen des Bundes sind im ländlichen Raum dringend erforderlich . Außerdem dürfen bestehende Be- reiche innerhalb der GAK nicht benachteiligt werden . Deshalb fordern wir eine Mittelaufstockung um mindes- tens 200 Millionen Euro jährlich, so, wie viele Verbände und im Übrigen ebenso die Bundesländer . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 173 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 2 . Juni 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 173 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 2 . Juni 2016 17173 (A) (C) (B) (D) Der Versuch, den Ländern und Kommunen die Fähig- keit der Kofinanzierung abzusprechen, lassen wir des- halb nicht gelten; denn natürlich ist die Bundesregierung dafür zu kritisieren, dass den Ländern und Kommunen durch Ihre Finanzpolitik an vielen Stellen der Geldhahn zugedreht und ihnen damit der Spielraum für dringend notwendige Zukunftsinvestitionen genommen wird . Dass der Prozentsatz für Rückzahlung und Verzinsung gegenüber den Ländern vor diesem Hintergrund auch noch von drei auf fünf Prozent angehoben wird, scheint mindestens fragwürdig – besonders im Hinblick auf die aktuelle Niedrigzinsphase . Auch die zusätzliche Einengung auf den ELER und das Verstecken hinter der gemeinsamen Agrarpolitik der EU kritisieren wir . Wo ist hier ein eigener Gestaltungsan- spruch? Warum dieses künstliche Korsett? Überhaupt erscheint es wenig nachvollziehbar, dass das Bundesministerium seinen eigenen Gestaltungswil- len ohne Not von EU-Richtlinien und -Gesetzen abhän- gig macht und seine eigene Ohnmacht darüber definiert; denn hier ist die nationale Gestaltung gar nicht an sie ge- bunden . Mit dem Verweis auf EU- Bestimmungen soll hier augenscheinlich die eigene Gestaltungsunfähigkeit oder Unwilligkeit kaschiert werden . Die Einführung einer Gebietskulisse lehnen wir nicht grundsätzlich ab . Sie muss jedoch zu einem fairen und bedarfsgerechten Verteilungsschlüssel führen, bei dem tatsächlich auch jene Regionen von den Mitteln profi- tieren, die am stärksten von den strukturellen Verände- rungen aufgrund des demografischen Wandels betroffen sind . Solange keine konkreten Pläne für die Ausgestaltung einer Gebietskulisse und einer räumlichen Schwerpunkt- setzung vorliegen, können wir diesem Vorschlag nicht zustimmen; denn von einer konkreten Ausgestaltung der Gebietskulisse wird zwangsläufig abhängen, wie die Mit- tel der GAK zukünftig verteilt werden . Auch hier fordern wir die Bundesregierung auf, Klarheit zu schaffen . Einen letzten Punkt möchte ich ansprechen: Dass der Deutsche Bundestag sich lediglich auf das Abnicken von 650 Millionen Euro versteht, ohne jeden Einfluss auf den Inhalt auszuüben und ohne eine Kontrolle der Mittelver- wendung vorzunehmen, ist bemerkenswert . Sowohl die Länderparlamente als auch wir haben keinerlei Einfluss- möglichkeiten auf die interministeriellen Abstimmungen hinter verschlossener Tür . Die Linke kritisiert das schon lange . Wir fordern an dieser Stelle deutlich mehr Trans- parenz und die Einbindung des Parlamentes . Trotz dieses großzügigen Freifahrtscheins für das Mi- nisterium braucht dieses viel zu lange, um die Gelder den Ländern zur Verfügung zu stellen . Angesichts des Zeit- drucks bei Mittelvergabe und Ausschreibung, unter dem Kommunen und Länder stehen, ist eine Auszahlung im Mai jedes Jahres viel zu spät . Hier fordern wir ein schnel- leres Verfahren, das den Ländern mehr Flexibilität und Planungssicherheit ermöglicht . Engagement für eine nachhaltige Entwicklung des ländlichen Raums sieht anders aus . Mit diesem Gesetz- entwurf bringen Sie bestenfalls ein Reförmchen auf den Weg, das nur so tut, als steckte etwas Neues, Wirkungs- volles dahinter . Damit täuschen Sie nicht nur das Parla- ment; Sie enttäuschen ein weiteres Mal Millionen Men- schen in den ländlichen Regionen dieses Landes, und Sie sollten bedenken, wohin das führt . Markus Tressel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vorweg: Nicht alle ländlichen Räume brauchen unsere Fördergelder . Manche Regionen boomen geradezu . Hier treffen Arbeitsplätze in Industrie oder Gewerbe auf Fach- kräfte, attraktive Landschaften auf Touristen, günstiger Wohnraum auf junge Familien und regionale Produkte auf Abnehmer . Die Entwicklungsperspektive ist gut . Das ist das ideale Bild ländlicher Räume . Andere ländliche Regionen stehen aber vor großen Herausforderungen, und um die geht es heute: Regio- nen, die schlecht angebunden oder weit entfernt von der nächsten Stadt sind, die der demografische Wandel hart trifft und deren Kommunen kaum finanzielle Gestal- tungsspielräume haben . Diese Regionen schrumpfen: zum einen ihre Bevölkerungszahl und zum anderen auch ökonomisch . Der Strukturwandel in der Landwirtschaft hin zur Agro-Industrie führt dazu, dass hier immer weni- ger Menschen Arbeit finden. Die natürlichen Ressourcen der Regionen werden ausgenutzt, ohne dass die Wert- schöpfung in der Region stattfindet. So ist die Bedeutung der Landwirtschaft für die regionale Wirtschaft stark zu- rückgegangen . Genauso trifft der Strukturwandel aber auch andere periphere ländliche Regionen besonders hart, beispiels- weise die Kohleregionen oder die großindustriell gepräg- ten Regionen, wie das Saarland . Hier müssen wir den Menschen vor Ort neue Perspektiven eröffnen . Die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrar- struktur und des Küstenschutzes“ ist ein wichtiges För- derinstrument, das diesen Aufgaben derzeit nicht gerecht werden kann . Darum steht im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD auch die Weiterentwicklung hin zu einer Gemeinschaftsaufgabe „Ländliche Entwicklung“, für die eine Grundgesetzänderung nötig wäre . Genau hier liegt der Knackpunkt . Leider reden wir heute nämlich nicht über eine brandneue Gemeinschafts- aufgabe „Ländliche Entwicklung“, sondern immer noch über die alte Gemeinschaftsaufgabe . Sie vertut die gro- ße Chance, mit der satten Mehrheit hier im Bundestag die Förderpolitik für ländliche Räume neu aufzustellen . Mit diesem Reförmchen ist den ländlichen Räumen nicht wirklich geholfen . Das ist Symbolpolitik; denn viele Fragen bleiben nach der Erweiterung der GAK unbeantwortet, beispielswei- se, wie eigentlich ein förderfähiger ländlicher Raum de- finiert ist, inwieweit die GAK mit Instrumenten der re- gionalen Wirtschaftspolitik oder auch den europäischen Fördertöpfen kombinierbar ist oder wie die Chancen der Digitalisierung genutzt werden sollen . Ebenso unbeant- wortet bleibt die ganz zentrale Frage, welche Fördermaß- nahmen unter die ländliche Entwicklung fallen sollen . Viele neue Fördermaßnahmen können es nicht sein; denn eines steht für die Bundesregierung fest: Was nicht Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 173 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 2 . Juni 201617174 (A) (C) (B) (D) unter den Agrarbegriff gepackt werden kann, ist auch mit der erweiterten GAK nicht förderfähig . Das bedeutet, dass Zukunftsaufgaben, von der Diver- sifizierung der Wirtschaft bis zu Fragen der Daseinsvor- sorge, immer noch nicht angepackt werden können . Jed- wede Förderung bleibt an die Landwirtschaft gekettet . Das entspricht nicht den realen Notwendigkeiten vor Ort . Das Land ist Lebens-, Arbeits- und Naturraum, nicht nur Arbeitsort für Agro-Großbetriebe . Auch wenn die Bundesregierung einen weiten Agrar- und Infrastruk- turbegriff voraussetzt, ist diese GAK-Erweiterung doch Zeugnis eines sehr engen Verständnisses von dem, was ländliche Räume heute ausmacht . Der Funktionswandel des Landlebens muss sich end- lich auch in unseren Förderinstrumenten widerspiegeln . Daher brauchen wir Zweierlei: eine komplette Neuaus- richtung landwirtschaftlicher Förderung mit dem Fokus auf ökologisch-regionale Wertschöpfungsketten und eine davon losgelöste, zukunftsorientierte Förderung struk- turschwacher ländlicher Räume . Der große Wurf ist die vorliegende Erweiterung daher ganz sicher nicht . Peter Bleser, Parl. Staatssekretär beim Bundesmi- nister für Ernährung und Landwirtschaft: Im Koaliti- onsvertrag wurde vereinbart, die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschut- zes“, GAK, zu einer Gemeinschaftsaufgabe „Ländliche Entwicklung“ weiterzuentwickeln . Zur Umsetzung die- ses Auftrages haben wir den Entwurf eines Vierten Ge- setzes zur Änderung des GAK-Gesetzes vorgelegt . Der Entwurf ist das Ergebnis intensiver Diskussionen mit den Bundesressorts . Der zunächst von uns favorisier- te Weg der Erweiterung des Artikel 91a Grundgesetz um Maßnahmen der ländlichen Entwicklung erwies sich als nicht gangbar . In der Diskussion mit den Verfassungs- ressorts zeigte sich, dass der Begriff „ländliche Entwick- lung“ zu unbestimmt ist, als dass eine Eingrenzung auf ein darunter zu subsumierendes Bündel von Maßnahmen möglich wäre . Das Feld der ländlichen Entwicklung ist so umfassend – Verkehrs-, Bildungs-, Gesundheits- und Infrastrukturpolitik, demografischer Wandel, Wirt- schaftskraft –, dass weder der Auftrag noch die Finan- zausstattung der GAK es zulassen, die Länder bei der Wahrnehmung dieser Aufgaben maßgeblich zu unterstüt- zen . Vor diesem Hintergrund haben wir uns innerhalb der Bundesregierung darauf verständigt, mit einer Änderung des GAK-Gesetzes das Förderspektrum der GAK an das- jenige der ELER-VO anzupassen . Erstens . Änderungen im Gesetz: Wichtigste Änderung ist die in § 1 GAKG eingefügte Förderung der Infrastruktur ländlicher Gebiete im Rah- men der Gemeinsamen Agrarpolitik . Damit können zu- künftig Investitionen in nichtlandwirtschaftliche Kleinstbe- triebe, Investitionen in kleine Infrastrukturen und Ba- sisdienstleistungen – zum Beispiel Nahversorgung mit Gütern und Dienstleistungen –, Investitionen zugunsten des ländlichen Tourismus, Investitionen zur Umnutzung auch nicht landwirtschaftlicher Bausubstanz sowie In- vestitionen zugunsten des kulturellen und natürlichen Er- bes von Dörfern und ländlichen Gebieten im Rahmen der neuen GAK gefördert werden . Mit der Bindung an den Förderkatalog der ELER-Ver- ordnung und damit an die EU-Agrarpolitik bleibt der Be- zug auch der neuen Fördermaßnahmen im Bereich der ländlichen Entwicklung zur Landwirtschaft erhalten . Es kann nur gefördert werden, wenn und wo Investitionen für die Aufrechterhaltung der Leistungsfähigkeit ländli- cher Gebiete bedeutsam sind . Zudem sollen die Maßnahmen einer markt- und stand- ortangepassten Landbewirtschaftung um den Aspekt der Umweltgerechtheit ergänzt und aus dem Kontext der Verbesserung der Produktions- und Arbeitsbedingungen herausgelöst werden . Damit wird auch dieser Förderbe- reich erweitert und an die ELER-Verordnung angepasst . Zweitens . Bedeutung des Gesetzentwurfs: Alles in allem ist vor dem Hintergrund der teilwei- se stagnierenden Entwicklung im ländlichen Raum die geplante Änderung des GAK-Gesetzes ein wichtiger Schritt, mit dem viele Herausforderungen, vor denen ländliche Räume stehen, angegangen werden können . Insbesondere ist es das Ziel, unsere Dörfer attraktiver zu machen und jungen Menschen eine Bleibeperspektive zu bieten . Ich bin überzeugt, dass mit dem Gesetzentwurf einer- seits der Kern der jetzigen GAK gesichert werden kann und dass andererseits wichtige Infrastrukturmaßnahmen in ländlichen Gebieten angestoßen werden können . Drittens . Praktische Umsetzung: Parallel zu den Gesetzesberatungen sind wir dabei, für die neuen Fördermaßnahmen der weiterentwickel- ten GAK Förderungsgrundsätze zu entwickeln . Erste Besprechungen mit den Ländern haben bereits stattge- funden . Dabei geht es zum einen um ergänzende För- derungsgrundsätze für den laufenden Rahmenplan (RP) 2016, und zum anderen um neue Förderungsgrundsätze für den Rahmenplan 2017 . Die Fördermaßnahmen für den Rahmenplan 2016 sollen schnellstmöglich nach Inkrafttreten des neuen GAK-Gesetzes vom Planungsausschuss der GAK be- schlossen werden . Nur so können wir die Grundlage da- für schaffen, dass die vom Haushaltsausschuss für den Rahmenplan 2016 bereitgestellten Mittel in Höhe von 30 Millionen Euro zusätzlich für neue Maßnahmen auch in Anspruch genommen werden können . Viertens . Schlusswort: Die Änderung des GAK-Gesetzes bietet uns die Chan- ce, die GAK-Förderung entsprechend den künftigen An- forderungen auszugestalten . Der Bund unterstützt die Länder bei deren Aufgabe der ländlichen Entwicklung und der Verbesserung der Agrarstruktur und des Küsten- schutzes in erheblichem Maße . Ich bin der Meinung, dass dies notwendig und richtig ist und dass der Bund mit der Novellierung des GAK-Ge- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 173 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 2 . Juni 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 173 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 2 . Juni 2016 17175 (A) (C) (B) (D) setzes die Grundlage für eine Unterstützung legt, die zur Leistungsfähigkeit und der Lebensqualität in unseren ländlichen Regionen einen unverzichtbaren Beitrag leis- tet . Anlage 10 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung einge- brachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Än- derung des Direktzahlungen-Durchführungsgeset- zes (Tagesordnungspunkt 24) Artur Auernhammer (CDU/CSU): Landwirte sind Unternehmer mit einer besonderen Aufgabe: Wahrung und Schutz unserer Natur und Umwelt durch Bewirtschaf- tung von Flächen . Die Europäische Union unterstützt uns Landwirte dabei, dieser Aufgabe nachzukommen, indem sie klima- und umweltbewusste Landbewirtschaftungs- methoden durch Direktzahlungen fördert . Als wir im Juli 2014 das Direktzahlungen-Durchführungsgesetz verabschiedet haben, haben wir dabei auch im Hinter- kopf gehabt, dass sich die Flächennutzung auch bei geförderten Flächen aus betrieblichen Gründen ändern kann. Wir haben den Landwirten eine flexible Nutzung ihrer Flächen ermöglicht, indem wir im Direktzahlun- gen-Durchführungsgesetz die Regelungen zum Erhalt von Dauergrünland entsprechend festgelegt haben . Wir haben uns beim Beschluss des Gesetzes auf der Basis der bisherigen deutschen Auslegung der EU-Rege- lung entschieden, den rechtlichen Begriff der „Umwand- lung“ nur für die Nutzungsänderung des durch Direkt- zahlungen förderfähigen normalen Dauergrünlands in andere förderfähige landwirtschaftliche Nutzungsflächen vorzusehen . Eine Nutzungsänderung zu nichtlandwirt- schaftlichen Nutzungsflächen war bisher nach unserem Verständnis nicht unter den Begriff der „Umwandlung“ gefasst . Damit wurde ermöglicht, dass Landwirte eine Nutzungsänderung von Dauergrünland und speziell des umweltsensiblen Dauergrünlands in nichtlandwirtschaft- liche Nutzungsflächen, für die keine Direktzahlungen gewährt werden, ohne Genehmigungsverfahren, aber in engen umwelt- und klimaschutzrechtlichen Grenzen vor- nehmen und so die Flächennutzung an ihre betrieblichen Erfordernisse anpassen können . Am 17 . Juli 2015 hat die Europäische Kommission den Leitfaden zur Durchführung der Vorschriften über Dauergrünland veröffentlicht . Sie hat darin den Begriff der „Umwandlung“ weiter ausgelegt, als es die bisheri- ge deutsche Interpretation war . Jede Nutzungsänderung ist gemäß der europäischen Vorgabe eine Umwandlung, die nach der bisherigen Gesetzgebung genehmigt werden muss . Das heißt konkret: Landwirte werden in ihrer Flä- chennutzung und Flexibilität enorm eingeschränkt . So ist eine Nutzungsänderung von umweltsensiblem Dau- ergrünland in nichtlandwirtschaftliche Nutzungsflächen aufgrund des Leitfadens jetzt unmöglich, auch weil für dieses ein Umwandlungsverbot besteht . Für normales Dauergrünland wird dieser Vorgang erheblich erschwert . Zudem erhöht sich das Risiko von Anlastungen für Land- wirte enorm . Deshalb müssen wir die bisherigen nationa- len Regelungen zum Dauergrünland entsprechend anpas- sen, indem wir Ausnahmereglungen für uns nutzen . Wir wollen damit die geschaffene Flexibilität der Landwirte bei der Flächennutzung erhalten und Anlastungen ver- hindern . Deshalb ist diese Änderung für uns Landwirte wichtig . Für mich kann diese Maßnahme aber nur ein Anfang sein, die Landwirte zu entlasten und Flexibilität zu er- möglichen . Damit sie den steigenden Erwartungen der Gesellschaft und des Marktes und gleichzeitig dem Auf- trag des Natur- und Umweltschutzes gerecht werden können, müssen wir den Landwirten erlauben, betriebli- che Veränderungen noch flexibler vornehmen zu können. Dazu bedarf es noch mehr Vereinfachungen statt neuer Regeln . Lassen Sie uns jetzt mit diesem Gesetz einen ers- ten Schritt machen . Hermann Färber (CDU/CSU): Mit dem vorliegen- den Gesetzentwurf wollen wir eine Rechtslage wieder- herstellen, die durch eine Neuinterpretation geltender EU-Richtlinien durch die Kommission geändert worden ist . Es geht um die Umwandlung von Dauergrünland in eine nichtlandwirtschaftliche Fläche, die dann auch kei- ner Beihilfe mehr unterliegt . Wir hatten uns in der Koalition bei der Umsetzung der europäischen Agrarreform darauf geeinigt, dass solche Umwandlungen möglich sein sollen . Diese Rechtslage haben wir politisch gewollt und hier im Bundestag so beschlossen . Dabei sind wir davon ausgegangen, dass der Begriff „Umwandlung von Dauergrünland“ nur die Umwandlung in eine andere landwirtschaftliche Fläche umfasst, nicht aber die Umwandlung in eine nichtland- wirtschaftliche Fläche . Die EU-Kommission hat nun in einem Leitfaden festgelegt, dass auch Letzteres von dem Begriff „Umwandlung“ umfasst wird . Um nun die von uns in der Koalition gewünschte und im Bundestag be- reits beschlossene Rechtslage wiederherzustellen, benö- tigen wir den vorliegenden Gesetzentwurf . Dieser Gesetzentwurf stellt keinen Landwirt besser als vorher; er enthält auch keinerlei Eingriffe in den Um- weltschutz . Es wird lediglich die bisherige Rechtslage an die Neuinterpretation der EU-Kommission so angepasst, dass es für die Landwirte nicht zu erneuter Verschlechte- rung kommt . Zugleich werden schon erfolgte Umwand- lungen, die ohne eine solche Gesetzesanpassung plötz- lich im Nachhinein als illegal bewertet werden müssten, legalisiert . Die bisherige Rechtslage entspricht nur einer grund- sätzlichen Fairness: Wenn eine Fläche nicht mehr bei- hilfefähig ist, dann entspricht es nur dem Schutz des Eigentums, dem Eigentümer keine so weitgehende Nut- zungsbeschränkung aufzuerlegen, wie es beim Erhalt von Dauergrünland der Fall ist . Deshalb fordere ich alle Mitglieder dieses Hauses nachdrücklich auf, diesen Gesetzentwurf schnell zu ver- abschieden . Rechtssicherheit ist ein hohes Gut, und sie muss auch für Landwirte gelten . Die Verabschiedung dieses Gesetzentwurfes, mit der auch politische Forde- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 173 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 2 . Juni 201617176 (A) (C) (B) (D) rungen in ganz anderen Bereichen durchgesetzt werden sollen, darf nicht verzögert werden . Dieser Gesetzentwurf ist das absolute Minimum, was wir den Landwirten in den sowieso schweren Zeiten an Rechtssicherheit liefern müssen . Dringend notwendig wären eigentlich noch wesentlich weitere Vereinfachun- gen bei den Greening-Bestimmungen und den Baga- tell-Regelungen . Die letzte Agrarreform hat zu einem erheblichen Bü- rokratisierungsaufwand für Landwirte geführt . Wir müs- sen jede Möglichkeit nutzen, diesen Aufwand zu mini- mieren . Alles andere führt nur zu noch mehr Höfesterben und Abwanderung der Produktion . Wir diskutieren in diesen Wochen intensiv über die extrem schwierige Marktlage in der Agrarwirtschaft, und wir sind uns alle hier einig, dass Landwirte auskömm- liche Gewinne erzielen müssen . Wir müssen dabei aber klar sehen, dass das nicht nur eine Frage des Preises ist, sondern ebenso eine Frage des Aufwands: Jede weitere Bürokratisierung für die Bäuerinnen und Bauern und jede weitere Einschränkung ihrer Eigentumsnutzung be- deuten einen erhöhten Aufwand, für den eben niemand bereit ist, mehr zu bezahlen . Das wird auf Dauer nicht funktionieren . Auch wenn wir mit dem vorliegenden Gesetzentwurf nur eine ganz winzige Erleichterung von neuen Be- schwernissen für die Landwirte schaffen, tun wir in der aktuellen Lage in jedem Fall das Richtige . Deshalb bitte ich um schnelle Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf . Dr. Wilhelm Priesmeier (SPD): Bei dem vorliegen- den Gesetzentwurf geht es um eine Anpassung des na- tionalen Rechts an das EU-Recht . So soll es zukünftig möglich sein, in engen Grenzen eine Umwandlung von umweltsensiblem Dauergrünland in eine nichtlandwirt- schaftliche Fläche über eine Aufhebung der Bestim- mung einer Dauergrünlandfläche als umweltsensibel vorzunehmen . Ebenfalls soll eine Genehmigung für eine Umwandlung von anderem als umweltsensiblem Dau- ergrünland in eine nichtlandwirtschaftliche Fläche ohne Verpflichtung zur Neuanlage von Dauergrünland erteilt werden . Eine Vorschrift zur Heilung bereits erfolgter ent- sprechender Umwandlungen ist außerdem erforderlich, weil die weite Auslegung des Begriffs „Umwandlung“ für die Betroffenen nicht absehbar war . Zum Dauergrünland zählen alle Flächen, die fünf Jahre oder länger als Wiese oder Weide genutzt wurden . Typische Nutzungsformen des Grünlandes sind Wiesen und Mähweiden, Weiden, Almen sowie ertragarmes Dau- ergrünland, das auch als Hutung bezeichnet wird . Im Jahr 2015 wurden rund 4,7 Millionen Hektar in Deutschland als Dauergrünland genutzt . Damit bleibt der Grünlandanteil an der landwirtschaftlich genutzten Flä- che mit 28 Prozent im Vergleich zum Vorjahr konstant . Als zweitgrößte Flächenposition prägt das Grünland maßgeblich die Kulturlandschaft in Deutschland . Die typischen Nutzungsformen des Grünlandes sind Wiesen (39 Prozent des Dauergrünlandes) und Weiden (57 Prozent des Dauergrünlandes) . Beide sind in der Landwirtschaft eine hauptsächliche Futterbasis für die Milchviehwirtschaft, da das Raufutter von Wiesen und Weiden als kostengünstiges Futter in der Milchvieh- haltung gilt . Wiesen und Weiden prägen außerdem die vielfältigen Kulturlandschaften in Deutschland . Sie un- terstützen die Naherholungsfunktion ländlicher Gebiete und sind die Grundlage für einen erfolgreichen ländli- chen Tourismus . Grünland hat aber auch als Substratlie- ferant für die Erzeugung erneuerbarer Energien an Be- deutung gewonnen . Dauergrünland ist zudem eine sehr gewässerschonende Landnutzungsform und bietet einen hervorragenden Erosionsschutz . Auch die Klimawirkung ist beachtlich: So werden im Falle des Grünlandumbruches auf Mineralstandorten eine Tonne CO2-Äquivalent je Hektar und Jahr zusätzlich freigesetzt, auf Niedermooren sind es sogar mindestens 8 bis 15 Tonnen CO2-Äquivalent je Hektar und Jahr . Grünlandbiotope zählen zu den artenreichsten Biotop- typen Mitteleuropas . Auf mitteleuropäischem Grünland kommen circa 1 100 Pflanzenarten vor, das sind 28 Pro- zent des gesamten Pflanzenartenspektrums in Mitteleu- ropa . Dauergrünland ist somit aus mehrerlei Hinsicht von außerordentlicher Bedeutung . Dies hat auch die EU-Kommission erkannt und hat im Laufe der letzten großen Reform der gemeinsamen europäischen Agrar- politik das Dauergrünland gegenüber dem Ackerland gleichberechtigt, sodass die Flächenprämien nun ein- heitlich sind . Zudem ist Grünland auf die sogenannten Greening-Flächen, die 30 Prozent der Gesamtfläche aus- machen müssen, anrechenbar . Nur dann kann man über- haupt Flächenprämien aus Brüssel erhalten . Bei Erlass des Direktzahlungen-Durchführungsgeset- zes wurde davon ausgegangen, dass Landwirtschaftsbe- triebe ohne Konsequenzen für die Gewährung der Direkt- zahlungen landwirtschaftliche Flächen, und hier speziell Dauergrünland, in nichtlandwirtschaftliche Flächen um- wandeln können . Die im Gesetz getroffenen Vorschrif- ten zur Umwandlung von Dauergrünland sollten sich nur auf die Umwandlung in andere landwirtschaftliche Nutzungen wie Ackerkulturen oder Dauerkulturen be- ziehen . Ohne eine Gesetzesänderung wäre jedoch eine Umwandlung von umweltsensiblem Dauergrünland in eine nichtlandwirtschaftliche Fläche gänzlich unzulässig . Eine Genehmigung einer solchen Umwandlung bei ande- rem Dauergrünland würde in der Regel eine Neuanlage von Dauergrünland erfordern . Außerdem würde das An- lastungsrisiko bei etwaigen Kontrollen für die Betriebe weiter wachsen . Insofern wollen wir nur europäisches und nationales Recht harmonisieren und reduzieren damit gleichzeitig den Verwaltungsaufwand für die Betriebe . Etwaige wei- tere Anpassungen der gemeinsamen europäischen Agrar- politik werden wir bald auch hier im hohen Haus disku- tieren müssen . In dem von der niederländischen Ratspräsidentschaft beim informellen Agrarrat in Amsterdam am Anfang der Woche vorgelegten Diskussionspapier zur Ausrichtung der Gemeinsamen Agrarpolitik nach 2020 finden sich viele gute Ansätze . Genauso wie die Niederländer wollen Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 173 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 2 . Juni 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 173 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 2 . Juni 2016 17177 (A) (C) (B) (D) wir als SPD die Bürokratie im Agrarbereich abbauen und die Innovationsforschung intensivieren . Außerdem for- dern wir, dass die Steuergelder, welche die Landwirte für die Bewirtschaftung ihrer Flächen bekämen, zielgerich- teter eingesetzt werden . Schon seit Jahren plädieren wir dafür, dass öffentliches Geld für öffentliche Leistungen ausgegeben werden soll . Subventionen kann es im Agrarbereich nur noch ge- ben, wenn auch in den Klima-, Umwelt- oder Tierschutz bzw . in den Erhalt der ländlichen Räume investiert wird . Die Förderung von Dauergrünland ist vor diesem Hin- tergrund ein wichtiges Puzzleteil . Ich bitte daher, dem Gesetzentwurf zuzustimmen . Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE): Dauergrün- land ist wertvoll . In unserer Agrarlandschaft ist mir eine saftige, grüne Wiese mit weidenden Mutterkühen und Kälbern das Liebste . Außerdem sind Wiesen und Weiden gut für das Klima; denn wo Pflanzen permanent nach- wachsen, wird der Boden geschützt und gleichzeitig das CO2 aus der Luft in der Pflanze gebunden. Dauergrün- land ist Lebens- und Rückzugort, zum Beispiel für Bo- denbrüter oder seltene Pflanzengesellschaften. Das alles sind gute Gründe, mit Wiesen und Weiden besonders re- spektvoll umzugehen . Wir wissen aber: Gerade die Bestände von Pflanzen und Tieren der offenen Agrarlandschaft sind am häu- figsten gefährdet. Die Realität ist, dass Dauergrünland in Deutschland, aber auch in ganz Europa und weltweit Fläche verliert . Eine aktuelle Studie des Umweltbundes- amtes besagt, dass 1991 noch über 5,3 Millionen Hektar oder 31,3 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche als Dauergrünland bewirtschaftet wurden, während es 2014 nur noch rund 4,7 Millionen Hektar oder 27,8 Prozent waren . Viele Flächen mussten dem Straßen- oder Sied- lungsbau weichen, oder sie wurden zeitweise zu Äckern umgewandelt, weil der Anbau von Mais oder anderen Ackerbaukulturen profitabler ist. Zumindest diesem Treiben hat die EU ein Um- wandlungsverbot entgegengesetzt . Zur Umsetzung der Greening-Maßnahmen hat die EU-Kommission im Som- mer 2015 einen Leitfaden vorgelegt. Darin definiert sie Dauergrünland und legt Möglichkeiten einer Ausnahme vom Umwandlungsverbot dar . Unter Umwandlung von Dauergrünland versteht sie nicht nur die Umwandlung in Ackerland oder Dauerkulturen, sondern auch die Um- wandlung in nichtlandwirtschaftliche Nutzungen wie Aufforstung, natürliche Sukzession, Bebauung oder Nutzung als Infrastrukturfläche. Während solche Nut- zungsänderungen auf umweltsensiblem Dauergrünland in FFH-Gebieten ausgeschlossen sind, bedürfen sie auf sonstigem Dauergrünland der Genehmigung . Das EU-Recht sieht die Möglichkeit vor, dass die Mitgliedstaaten einzelne Flächen aus der Kulisse des umweltsensiblen Dauergrünlandes herausnehmen kön- nen . Daraus resultiert zum einen, dass Umwandlungen in nichtlandwirtschaftliche Nutzungen demselben strengen rechtlichen Rahmen unterliegen wie Umwandlungen in Ackerland und Dauerkulturen . Zum anderen wird be- stimmt, dass nationalstaatliche Ausnahmen, wenn dem keine anderen Rechtsvorschriften entgegenstehen, mög- lich sind . In Deutschland wurde das Umwandlungsverbot von Dauergrünland bisher lediglich auf die Umwandlung in andere landwirtschaftliche Nutzungen bezogen . Aus der Konkretisierung auf EU-Ebene ergibt sich, dass Landwirte nun von Sanktionen wegen Verstoßes gegen Greening-Maßnahmen betroffen sein können . Genau hier setzt der Gesetzentwurf an: Erstens soll eine Umwandlung von umweltsensiblem Dauergrünland in eine nichtlandwirtschaftliche Nutzung in Ausnahmefällen möglich werden . Zweitens sollen Landwirte bei der Umwandlung von sonstigem Dauergrünland in eine nichtlandwirtschaftli- che Nutzung keinen Grünlandersatz schaffen müssen . In beiden Fällen ist einem positiven Bescheid die Prü- fung nach Bundesnaturschutzgesetz und nach Bauord- nungsrecht vorgeschaltet . Hier geht es um die Herstellung von Rechtssicherheit für die Landwirtschaft, und die Linke geht nicht davon aus, dass dadurch neue Schlupflöcher für den weiteren Flächenfraß geschaffen werden sollen . Weil aber Intention und Wirkung so mancher Geset- ze weit auseinanderklaffen, möchte ich hier zumindest auf die Gefahr weiterer Flächenverluste hinweisen . Die immer noch viel zu hohen Flächenverluste, besonders bei Grünland, müssen reduziert werden . Die Linke wird deshalb darauf achten, dass mit dieser Regelung das be- stehende Umwandlungsverbot nicht durch die Hintertür unterlaufen wird . Wie ich vom Wissenschaftlichen Dienst erfuhr, basie- ren die geringen Schätzungen im Gesetzentwurf auf den Selbstauskünften der Landwirte und vagen Annahmen . Ob tatsächlich so wenige Anträge eingehen werden und die betroffene Umwandlungsfläche bei umweltsensiblem Dauergrünland jährlich 100 Hektar betragen wird, wis- sen wir heute nicht, und ob andere nichtlandwirtschaft- liche Nutzungen aus sozial-ökologischer Perspektive überhaupt sinnvoll sind, kann ebenfalls – wie im Fall der Fotovoltaik – bezweifelt werden; denn diese Anlagen ge- hören aus unserer Sicht vor allem auf Dächer oder andere versiegelte Flächen . Die Linke fordert vor allem, die Attraktivität der Nut- zung des Dauergrünlands zu verbessern, insbesondere bei Weidenutzung . Eine Weidetierprämie, wie in Frank- reich, wäre hier ein wichtiges Signal der Anerkennung der Arbeit, die in diesem Teil der Landwirtschaft geleis- tet wird . Er genießt die höchste Akzeptanz in der Gesell- schaft, bekommt aber wenig Geld für seine Leistung . Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Die vorliegende Gesetzesänderung ändert beste- hendes Recht hinsichtlich der Umwandlung von Dauer- grünland in eine nichtlandwirtschaftlich genutzte Fläche . Durch die Regelung wird die durch die Auslegung der Europäischen Kommission im Leitfaden zur Durchfüh- rung der Vorschriften für Dauergrünland entstandene Re- gelungslücke geschlossen . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 173 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 2 . Juni 201617178 (A) (C) (B) (D) Wir können der Vorlage zustimmen . Bei aller Wichtig- keit des Grünlands für die Biodiversität, die Bodenstruk- tur und den Erhalt der Schönheit des ländlichen Raums geht es hier doch um Details: kleine bürokratische Um- setzungsbausteine, die Minister Schmidt in seiner beam- tenhaften Beflissenheit in seiner „Erledigt“-Mappe able- gen kann . Dazu ist er in der Lage . Doch abseits dieser Details geht es doch um mehr . Wie können wir den ländlichen Raum mit seinen kleinstruk- turierten bäuerlichen Landwirtschaftsbetrieben, mit den Milchkühen auf der Weide und den bäuerlichen Famili- en, die von ihrer Arbeit anständig leben können, erhal- ten? Das sind die ländlichen Räume, die wir alle wollen, die attraktiv sind für die dort lebenden Menschen und die von Städtern zur Erholung so gerne besucht werden . Doch wenn sich nicht bald etwas verändert, werden wir sie verlieren . Da hilft es nicht, kleine Gesetzesanpas- sungen vorzunehmen; denn in der deutschen Agrarpoli- tik hat sich ein erheblicher Problemstau entwickelt: Die Märkte für tierische Produkte, vor allem für Milch, sind praktisch zusammengebrochen, viele bäuerliche Betrie- be bangen um ihre Existenz oder haben bereits aufgege- ben, und die gesellschaftliche Akzeptanz der Tierhaltung schwindet von Tag zu Tag . Das millionenfache Schreddern frisch geschlüpfter Küken entspricht angeblich dem Tierschutzgesetz, und die Milch ist mittlerweile billiger als Wasser . So steht das System da . Dorthin hat uns die ewig gestrige Agrarpoli- tik von CDU und CSU geführt . Aber mit „Wachsen oder Weichen“ ist jetzt Schluss . Wir haben die Pflicht, den Bäuerinnen und Bauern Per- spektiven zu bieten . Wie können sie ihre Schweine halten, dass es Spaß macht, in den Stall zu gehen, und dennoch ein anständiges Einkommen damit erzielen? Was können wir den Milchbauern sagen, um sie zum Durchhalten zu ermutigen? Die Arbeit der Bäuerinnen und Bauern muss wieder mehr wert sein . Da hilft der Versuch nicht, die Milcherzeuger mit einer Finanzspritze ruhig zu stellen, wie Schmidt sich von der Lebensmittelindustrie und dem Bauernverband beim Milchgipfel hat diktieren lassen . Das ist Opium fürs Volk . Um wirklich etwas für die ländlichen Räume und die bäuerlichen Betriebe zu tun, braucht man Mut und Ideen . Wir brauchen eine Agrarwende – zum Wohle der Men- schen, der Tiere und der Umwelt . Doch dafür ist Schmidt nicht gemacht . Detailregelungen wie die vorliegende Gesetzesänderung traue ich ihm zu, für die wichtigen umfassenden Umstellungen fehlen ihm die Vorstellungs- kraft, der Mut und das Format . Anlage 11 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Bekämpfung der Verbreitung neuer psychoaktiver Stoffe – des Antrags der Abgeordneten Frank Tempel, Kathrin Vogler, Matthias W. Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Für eine zeitgemäße Antwort auf neue psy- choaktive Substanzen (Tagesordnungspunkt 25 a und b) Marlene Mortler (CDU/CSU): Neue psychoaktive Substanzen gibt es nicht nur in Deutschland . Sie sind weltweit verbreitet, sie sind gefährlich, und sie werden auf tückische Weise vertrieben . Wer die Gesundheit der Menschen schützen will, der muss etwas gegen diese Substanzen tun – wohldurchdacht, fest entschlossen und mit einem breiten Ansatz aus Prävention, Schadensmini- mierung und – darum geht es heute – dem klaren Signal des Verbotes . NPS sind weltweit verbreitet . Nicht nur in Europa, sondern auch in den USA und in Kanada, Australien, China und vielen anderen Staaten werden NPS in erheb- lichem Maße konsumiert . Kaum ein Drogenmarkt ist so in Bewegung wie der NPS-Markt . Vorgestern wurde der „Europäische Drogenbe- richt 2016“ veröffentlicht . Nach Aussage der Europä- ischen Drogenbeobachtungsstelle in Lissabon wurden in der EU im letzten Jahr nicht nur 560 verschiedene Substanzen gezählt, die wir als NPS betrachten . Das Besondere daran ist, dass fast 100 dieser Substanzen im letzten Jahr zum ersten Mal auf dem europäischen Markt auftauchten . Eine kleine molekulare Veränderung – und schon war der Verordnungsgeber bei uns ausgetrickst und eine Substanz schon wieder erlaubt statt nach Betäu- bungsmittelrecht verboten . Das Perfide an NPS ist vor allem die Art ihrer Ver- marktung . NPS gaukeln als „Kräutermischungen“ oder „Badesalze“ eine Harmlosigkeit vor, die sie nicht haben . Zudem wirbt der mittlerweile hoch professionalisierte Vertrieb gerade mit der vermeintlichen Legalität der Sub- stanzen . Unter dem Oberbegriff „Legal Highs“, der sich in der Szene eingebürgert hat, wird für Substanzen geworben, deren Inhalt kaum ein Konsument kennt . Wie gefährlich der Konsum dieser „Black Boxes“ ist, habe ich schon vor einigen Wochen berichtet . Allein in Deutschland sind im vergangenen Jahr 39 Menschen nach dem Konsum von neuen psychoaktiven Stoffen ums Leben gekommen . Man muss sich das wirklich wie Russisches Roulette vorstellen . Man schluckt etwas, ohne jede Vorstellung über die Inhalte . Und manche gehen noch weiter und schlucken nicht nur . Von einigen Konsumenten werden NPS sogar gespritzt – mit allen damit verbundenen Ge- fahren . Das zeigt auch der Anstieg der HIV-Infektionen in Irland . Diesem Spiel mit dem Tod machen wir mit dem Neue-Psychoaktive-Stoffe-Gesetz ein Ende . Es ist uns gelungen, die juristisch hochkomplexe Materie in Hoch- geschwindigkeit in Gesetzesform zu bringen . Ich bin viel international unterwegs und weiß: Wir gehen hier einen Weg, der auch für andere Länder beispielgebend ist . Al- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 173 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 2 . Juni 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 173 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 2 . Juni 2016 17179 (A) (C) (B) (D) len Beteiligten in den Ministerien meine Anerkennung und meinen herzlichen Dank! Mit dem Verbot ganzer Stoffgruppen sorgen wir dafür, dass in Zukunft kein Zweifel mehr daran besteht: Legal Highs gibt es nicht . Was zu den gefährlichen Stoffgrup- pen gehört, darf nicht vertrieben werden . Werbung mit der vermeintlichen Legalität ist gesetzwidrig . Dagegen kann man vorgehen, und dagegen wird die Polizei auch vorgehen . Jedem ist klar, dass wir mit diesem Verbot allein das Problem NPS natürlich nicht lösen werden . Wir müssen auch über diese Drogen aufklären, müssen vermitteln, dass auch niemand etwas essen oder trinken würde, ohne zumindest einen prüfenden Blick darauf zu werfen . Ge- nauso klar ist aber auch, dass wir das NPS-Problem ohne dieses Verbot nicht lösen werden . Es ist ein notwendiger Schritt zur Bewältigung dieser Herausforderung . Wir bestrafen nicht die Konsumenten, sondern die skrupellosen Händler, die Profite machen auf Kosten der Gesundheit der Konsumenten . Wir werden es nicht zulassen, dass junge Konsumenten als menschliche Ver- suchskaninchen für Substanzen herhalten, deren poten- zielle Gesundheitsrisiken weitgehend unbekannt sind . Deshalb bitte ich um Unterstützung für unseren Ge- setzentwurf . Burkhard Blienert (SPD): Mit dem heute erstmalig zu beratenden Gesetzentwurf zu den neuen psychoakti- ven Substanzen, NPS, die landläufig als Legal Highs be- kannt sind, nehmen wir uns nunmehr einer immer größer werdenden Herausforderung an . Unter Legal Highs werden Substanzen wie beispiels- weise Badesalze und Kräutermischungen verstanden . Die Substanzen hören sich harmlos an; ihr Titel Legal Highs bewirkt zudem den Anschein der Legalität . Ihre Wirkungen sind aber keineswegs harmlos, und legaler Besitz soll nun verboten werden . Keiner kann nämlich wissen, welche Zusammensetzung er gerade konsumiert, und so liest man leider viel zu häufig, dass es infolge des Konsums zu Nieren- und Kreislaufversagen kommt, dass Wahnvorstellungen eintreten – leider vermehrt auch mit tödlichem Ausgang . Der Zugang zu den Substanzen ist simpel . Wenige Mausklicks im Internet genügen, und die Ware kommt per Post nach Hause . Das Bundesministerium hat bereits 2011 dank einer Studie Überblick über die Motive für den Konsum der NPS erhalten . Die leichte Verfügbarkeit und der legale Besitz waren hierfür ausschlaggebende Beweggründe . Die Kosten für den Konsumenten sind eher gering, wenn ein Päckchen von 3 Gramm dieser gefährlichen Stoffe circa 20 bis 35 Euro kostet und je nach Substanz eine Dosierung zwischen 5 Milligramm und 200 Milligramm angenommen wird . Das alles sind Aspekte, die das Anwachsen des Marktes fördern . Der Markt jedenfalls wächst seit 2008 stetig . Ich gehe davon aus, dass leider auch der nächste Drogenbericht der Bundesregierung, der ja nächste Woche vorgestellt werden wird, hier keine Entwarnung geben kann . Inner- halb von fünf Jahren – zwischen 2008 und 2013 – stieg die Zahl der Beschlagnahmungen dieser sogenannten NPS in Europa um das Siebenfache an . Im Vergleich zu den Drogentoten durch andere Substanzen erscheinen die absoluten Zahlen für die NPS-Konsumenten laut der neuesten Daten für 2015 zwar gering, schaut man aber auf die Zuwachszahlen, ist die Entwicklung absolut besorgniserregend . Die Zahlen weisen zudem aus, dass mittlerweile über 560 verschie- dene Substanzen bekannt sind . Wir kennen die Zielgruppen: 90 Prozent der Konsu- menten sind Männer – sie nehmen die NPS zusätzlich zu weiteren illegalen Substanzen –, und es gibt regionale Schwerpunkte in Deutschland beim Konsum der NPS . Gerade der rasante Anstieg neuer Substanzen prägt das Bild eines „Hase-und-Igel-Spiels“: Sobald der Ge- setzgeber die eine Substanz verboten hat, wird eine neue auf dem Markt angeboten . Hier besteht Handlungsbe- darf . Es muss daher dringend gelingen, diesen Wettlauf zu beenden . Hintergrund dieser Entwicklung ist das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 10 . Juli 2014, nach dem alle NPS nicht mehr als Arzneimittel im Sinne des Arzneimittelgesetzes betrachtet werden können . Für alle NPS, die nun noch nicht in die Anlagen des Betäubungs- mittelgesetzes aufgenommen worden sind, entsteht da- her eine Gesetzeslücke . Diese Gesetzeslücke gilt es zu schließen . Die Bundesregierung hat hierzu richtigerwei- se einen Gesetzentwurf vorgelegt . Er sieht nun den neuen Ansatz der Stoffgruppenstrafbarkeit vor . Deutschland würde damit Beispielen anderer europä- ischer Länder, wie Österreich, folgen . Kern des Gesetz- entwurfs ist die Definition der Stoffgruppen. Der Gesetz- entwurf sieht hierfür eine Fokussierung auf synthetische Cannabinoide, Phenylethylamine und Cathinone vor . Sie machen seit 2005 zwei Drittel aller neuen Stoffe aus . Die Variantenfülle dieser Stoffgruppen befördert die explo- sionsartige Vervielfältigung neuer Substanzen auf dem Markt . Es wird im parlamentarischen Verfahren nun zu erör- tern sein, ob dieser Ansatz der Stoffgruppenstrafbarkeit zielführend ist, ob es Alternativen gibt, ob er ergänzt und ob er modifiziert werden muss. Über allem stehen hierbei auch die Frage der grund- sätzlichen Strafbarkeit von Suchtmittelbesitz und die Wirkungen der Prohibition . Der Antrag der Linken greift genau diesen Aspekt auf und verweist auf sogenannte Nebenwirkungen der strikten Verbotspolitik bei Drogen . Wir müssen hier also die fachliche Diskussion führen und genau benennen, was wir wie erreichen wollen und erreichen können . Ich scheue diese Diskussion nicht . Bereits 2012 hatten wir als SPD-Bundestagsfraktion einen entsprechenden Antrag zur Herausforderung des Umgangs mit den Legal Highs mit einigen wichtigen und richtigen Maßnahmen hier im Bundestag eingebracht . Ich würde mich freuen, wenn wir in einer fachlich-sachlichen Befassung zu ge- meinsamen Lösungen kämen, um viele Menschen vor den gesundheitlichen Nebenwirkungen dieser alles ande- re als harmlosen Stoffe wirkungsvoll zu schützen . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 173 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 2 . Juni 201617180 (A) (C) (B) (D) Martina Stamm-Fibich (SPD): Ich bin froh, dass die Bundesregierung mit dem 1 . Gesetz zur Bekämpfung der Verbreitung neuer psychoaktiver Stoffe ein Verbot für künstliche Drogen auf den Weg bringt . Seit einigen Jahren entwickeln sich Kräutermischun- gen, die sogenannten Legal Highs, zu einer Modedro- ge mit ungeahnten Folgen für Leib und Leben . Neue psychoaktive Substanzen – kurz: NPS – sind schnell zu einem gravierenden Problem geworden . So melden Rettungsdienste und die Polizei eine erhöhte Anzahl an Einsätzen mit Personen, die im Rauschzustand teilwei- se vollkommen orientierungslos umherschwanken, auf dem Boden liegen und schlafen oder teilweise auch im komatösen Zustand ins Krankenhaus gebracht werden müssen . Auch Lehrer und Suchtberatungsstellen schlagen Alarm; denn immer mehr Jugendliche bestellen sich im Internet synthetisch bedampfte Substanzen, die unter harmlosen Namen wie Kräutermischungen, Badesalze oder Lufterfrischer gehandelt werden . Diese Mischun- gen sind aber hochgefährlich; denn keiner weiß genau, was wirklich drin ist . Vielen Jugendlichen ist das nicht bewusst, und sie denken, dass sie harmlose Substanzen konsumieren . Auch in meinem Wahlkreis sind neue psychoaktive Substanzen leider ein sehr reales Problem . Ganz aktuell: Anfang Mai wurden drei Teenager bewusstlos aufgefun- den und ins Krankenhaus gebracht, die Kräutermischun- gen konsumiert hatten . Noch mehr beunruhigt hat mich aber ein Vorfall aus dem vergangenen Jahr . Damals ist ein junger Mann unter Drogeneinfluss in eine Grund- schule gestürmt . Der Konsum von Kräutermischungen hatte bei ihm starke Psychosen ausgelöst . Ein Sprung aus dem Fenster endete für ihn zwar im Krankenhaus, aber Gott sei Dank nicht tödlich . Alleine in Deutschland sind im vergangenen Jahr aber 25 Menschen an Drogen ge- storben . Harmlos ist etwas anderes! Kräutermischungen, Badesalze oder Lufterfrischer klingen wie Produkte aus dem Drogeriemarkt . Aber das sind sie nicht . Es sind Drogen, die wissenschaftlich voll- kommen unerforscht sind . Experimente mit nicht vorher- sehbaren Risiken machen vor allem die Konsumenten; denn sie wissen nicht, was sie zu sich nehmen . Die Zu- sammensetzung der synthetisch veränderten Pflanzen- teile oder Designerdrogen variiert ständig . Was gestern noch „bloß“ einen Rauschzustand verursacht hat, kann heute schlimme Nebenwirkungen hervorrufen . Die syn- thetisch veränderten Drogen sind vielfach stärker als nicht veränderte Wirkstoffe . Die Geschichte des jungen Mannes hätte auch ganz anders ausgehen können; denn die Liste der Nebenwir- kungen ist erschreckend und lang: Panikattacken, Kreis- laufprobleme, extreme Übelkeit, Orientierungsverlust bis hin zum Herzstillstand können die Folgen des Konsums sein . Keiner weiß, was er da zu sich nimmt . Nicht selten landen Konsumenten in der Psychiatrischen Abteilung einer Kinder- und Jugendklinik . Im Flash Eurobarometer, einer Telefonumfrage unter 13 000 jungen Erwachsenen zwischen 15 und 24 Jahren, gaben 2015 8 Prozent der Teilnehmer an, schon einmal neue psychoaktive Substanzen konsumiert zu haben . Meiner Meinung nach sind das 8 Prozent zu viel . Der Konsum von neuen psychoaktiven Substanzen hat sich in den letzten fünf Jahren erschreckend erhöht . Zwischen 2012 und 2014 wurden 255 neue Substanzen entdeckt . Das waren 2014 im Schnitt pro Woche zwei neue Substanzen . Das Problem ist nur: Drogenbehörden und der Gesetzgeber hinken weit hinterher . Kaum ist eine neue Substanz gelistet und damit als illegal gekennzeich- net, verändern die Hersteller die chemische Struktur . Eine neue Substanz ist kreiert, und die wird dann wieder nicht vom Betäubungsmittelgesetz und nicht vom Arz- neimittelgesetz erfasst – so lange, bis sie verboten und eine neue Substanz erschaffen wird . Deshalb ist der nun vorgelegte Gesetzentwurf zur Be- kämpfung der Verbreitung neuer psychoaktiver Stoffe ein wichtiger Schritt; denn erstmals lassen sich ganze Stoffgruppen listen . Mit diesen Stoffgruppen können wir zwei Drittel aller Substanzen erfassen . Eine Stoffgruppe sind zum Beispiel synthetische Cannabinoide . Darunter fallen viele Arten von Kräutermischungen . Eine weitere Stoffgruppe sind Cathinone, im Volksmund Badesalze genannt . Der Gesetzentwurf liest sich zwar wie ein Chemielehr- buch, aber mit diesem Chemielehrbuch decken wir eine ganze Reihe gefährlicher Substanzen ab, und wir been- den damit das Katz-und-Maus-Spiel zwischen Drogen- herstellern und Drogenbehörden . Aber Stoffgruppen zu listen, macht wenig Sinn, wenn dann keine Konsequenzen folgen . Deshalb wird künftig auch geregelt, wer mit welchen Strafen rechnen muss . Verboten werden generell die Herstellung, das Inver- kehrbringen, der Handel und die Einführung der Drogen . Einzeltäter müssen mit einer Geldstrafe und mit bis zu drei Jahren Haft rechnen . Dealer und Banden müssen mit Haftstrafen von bis zu zehn Jahren rechnen . Der Gesetzentwurf ist ein erster und wichtiger Schritt im Kampf gegen neue psychoaktive Substanzen . Damit ist das Problem aber noch lange nicht gelöst . Ich arbeite in meinem Wahlkreis eng mit der regionalen Drogenhilfe zusammen . Besonders schockiert war ich, als mir eine Website gezeigt wurde, auf der man einfach und unkompliziert sämtliche Arten von Drogen bestel- len kann, und der Postbote bringt das vermeintliche Par- ty-Päckchen dann nach Hause . Noch harmloser können gefährliche Substanzen wie Legal Highs kaum daher- kommen . Hier müssen wir anpacken und die Vertriebs- wege besser überwachen . Ein weiterer wichtiger Schritt ist natürlich die Aufklä- rung . Solange neue psychoaktive Substanzen als harmlos gelten, wird sich wenig an ihrer Verbreitung ändern . Der Europäische Drogenbericht 2015 gibt an, dass immer mehr Drogenkonsumenten auf neue psychoaktive Sub- stanzen umsteigen, weil Kokain und MDMA in immer schlechterer Qualität verkauft werden . Andere wechseln die Droge, weil Legal Highs im Blut nicht so leicht nach- gewiesen werden können . Das müssen wir berücksich- tigen, und wir müssen künftige Kampagnen an diesen Problemen ausrichten . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 173 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 2 . Juni 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 173 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 2 . Juni 2016 17181 (A) (C) (B) (D) Ich habe in meinem Wahlkreis eine eigene Aufklä- rungskampagne gestartet . Gemeinsam mit der örtlichen Drogenhilfe mudra und dem größten Tee-Anbieter der Region gehe ich an Schulen und weise auf die Probleme hin . Im Gepäck habe ich die „echte Kräutermischung“, also Kräutertee; denn das ist das Einzige, was ich unter einer Kräutermischung verstehe . Ich möchte die jungen Menschen damit zum Nachdenken anregen . Die Mitar- beiter der Drogenhilfe klären in der Unterrichtsstunde über die Probleme und Gefahren des Drogenkonsums auf . Die Aktion kommt sehr gut an . Lehrer zeigen großes Interesse an der Unterstützung im Kampf gegen die ge- fährlichen Drogen, und Schüler gehen meist nachdenk- lich aus der besonderen Unterrichtsstunde heraus . Wir haben noch einen weiten Weg vor uns, um den Gefahren der neuen psychoaktiven Substanzen angemes- sen begegnen zu können . Der Gesetzentwurf ist ein erster wichtiger Schritt, aber er wird und kann nicht der letzte sein . Frank Tempel (DIE LINKE): Der am Dienstag vor- gestellte EU-Drogenbericht von 2016 spricht es klar aus: 560 sogenannte neue psychoaktive Substanzen – kurz: NPS – werden EU-weit beobachtet . NPS haben verschie- dene Namen . Sie werden oftmals online als „Forschungs- chemikalien“, „Nahrungsergänzungsmittel“ oder „Legal Highs“ verkauft . Allein im Jahr 2015 kamen 100 Stoffe hinzu . Mittlerweile sind es im Schnitt jede Woche zwei weitere Substanzen . Das ist eine rasante Entwicklung, und es gibt kein An- zeichen für einen rückläufigen Trend. Deswegen ist es richtig, dass auch die Politik über die Verbreitung von psychoaktiven Substanzen debattiert und dann die rich- tigen Schlüsse zieht . Doch was ist ein geeignetes Mittel, um die Verbrei- tung von NPS zu stoppen? Hierfür müssen wir uns im Klaren sein, weshalb Konsumentinnen und Konsumen- ten auf NPS zurückgreifen . Schätzungsweise zwei Drittel der NPS sind syntheti- sche Cannabinoide . Sie sollen in irgendeiner Form den Rausch von Cannabis simulieren . Es sind insbesonde- re Konsumentinnen und Konsumenten von Cannabis, die auf NPS zurückgreifen, um das Verbot von Canna- bisprodukten zu umgehen . Sie fürchten die vielen ver- schiedenen Formen der Repression, mit denen Canna- bis-Konsumierende in diesem Land rechnen müssen: Polizeiermittlungen, Hausdurchsuchungen, Führerschei- nentzug – und das selbst, wenn sie nicht einmal berauscht am Steuer sitzen . Neue psychoaktive Substanzen werden geschaffen, um das Drogenverbot zu umgehen . Dies geschieht schon durch eine minimale Veränderung der chemischen Struk- tur . Für viele Cannabis-Konsumierenden erscheinen NPS daher als Alternative, wenn sie anderenfalls mit Stigma- tisierung oder Verfolgung rechnen müssen – sei es, weil sie schon wegen Besitzes von Cannabis vorbestraft sind, oder sei es, weil sie im Beruf mit Drogenkontrollen rech- nen müssen . Die Folgen sind verheerend: 39 Menschen starben im Jahr 2015 durch den Konsum von neuen psychoaktiven Substanzen . Das ist ein Anstieg um 56 Prozent zum Vor- jahr . Wäre Cannabis mit seinen bekannten Rauschwir- kungen und Gefahren legal und in kontrollierter Qualität erhältlich, würden sich wohl nur wenige Menschen für den erwünschten Rausch unbekannten – ja sogar tödli- chen – Gesundheitsrisiken aussetzen . Diese Drogentoten sind eine direkte Folge der Ver- botspolitik von Cannabis! Das belegen sowohl die Zah- len zur Verbreitung von NPS als auch die Zahlen der Todesfolgen durch NPS: Diese sind in den Regionen Deutschlands besonders hoch, wo die Verbote von Can- nabis besonders streng verfolgt werden . Das ist zum Beispiel im Bundesland Bayern der Fall, dem Herkunfts- land unserer Drogenbeauftragten Marlene Mortler von der CSU . In Bayern droht Cannabis-Konsumierenden selbst bei minimalen Mengen wie 0,1 Gramm schon die Strafverfolgung durch die Staatsanwaltschaft . Andere Bundesländer mit weniger Verfolgungsdruck auf Can- nabis-Konsumierende haben deutlich weniger Fälle von NPS-Konsum und Todesfolgen . Das sollte auch Frau Mortler zu denken geben . Anstatt aber die Verbotspolitik zu beenden, weitet die Bundesregierung ihre fehlgeleitete Politik noch aus, in- dem sie nun schon ganze Stoffgruppen verbieten will . Ich kann Ihnen aber jetzt schon prognostizieren, dass wir in den nächsten Jahren nicht weniger Legal Highs haben werden, sondern noch mehr . Das Katz-und-Maus-Spiel zwischen der Entwicklung neuer Substanzen und dem Verbot von Substanzen wird in eine neue Runde gehen . Erst wenn Sie diese Spirale durchbrechen, wird auch die Entwicklung immer neuer Substanzen zurückgehen . Die Linke kommt ihrer Verantwortung als Oppositi- onsführerin nach . Dem Stoffgruppenverbot der Bundes- regierung setzen wir unseren Antrag entgegen . Unab- hängige Expertinnen und Experten sollen demnach das Betäubungsmittelrecht auf seine Geeignetheit überprü- fen, um das Ziel der öffentlichen Gesundheit zu fördern . Hierzu brauchen wir die gesamte Bandbreite an Fach- kenntnissen aus Rechtswissenschaft, Suchthilfe, Sozial- arbeit, Konsumierendenverbänden, Medizin, Kriminolo- gie, Public Health, Erziehungswissenschaft und Polizei . Daneben setzt sich die Linke für einen begrenzten und streng regulierten Zugang zu Cannabis für Volljährige ein, damit Cannabis-Konsumierende nicht mehr auf ge- fährliche neue psychoaktive Substanzen zurückgreifen . Die Verbreitung von NPS gibt der Politik aber noch ei- nige weitere Hausaufgaben auf: Wir müssen endlich auch bei anderen Rauschmitteln Optionen für regulierte und nichtkommerzielle Abgabemodelle prüfen und erproben . Dabei müssen wir stets das Ziel im Auge behalten, den organisierten illegalen Drogenhandel auszutrocknen, die Gesundheitsschäden durch Drogenkonsum so weit wie möglich zu minimieren und die Erreichbarkeit von Präventions-, Therapie- und Hilfeangeboten für Konsu- mierende zu verbessern . Erst durch ein solches Gesamt- konzept kann die Politik der Verbreitung von neuen psy- choaktiven Substanzen begegnen . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 173 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 2 . Juni 201617182 (A) (C) (B) (D) Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das leitende Motto der Bundesregierung bei der Erarbei- tung des Gesetzentwurfs zur Bekämpfung der Verbrei- tung neuer psychoaktiver Stoffe war anscheinend „Au- ßergewöhnliche Situationen erfordern außergewöhnliche Maßnahmen“ . Denn die von Ihnen vorgeschlagenen Lö- sungen zur Reduzierung des Konsums und der Verbrei- tung neuer psychoaktiver Substanzen sind die Krönung der gescheiterten Verbotspolitik . Was Ihnen offensichtlich immer noch nicht bewusst ist: Das Bedürfnis nach Rausch besteht unabhängig vom Angebot . Dieses Bedürfnis wird von unterschiedlichen Menschen in unterschiedlicher Weise befriedigt . Das Verbot und Strafverfolgung sind hier die falschen An- sätze . Eine drogenfreie Welt ist eine Illusion und nicht durchsetzbar . Anstatt die Auswirkungen des Betäubungsmittelge- setzes zu evaluieren, schaffen Sie neue Verbote . Diese Verbote tragen jedoch nicht dazu bei, dass die Schäden durch Drogenkonsum reduziert werden – im Gegenteil . Das jetzige Betäubungsmittelrecht ist einer der Gründe dafür, warum Substanzen wie neue psychoaktive Stoffe, umgangssprachlich oft als Legal Highs bezeichnet, über- haupt auf dem Markt sind: Es ist nicht immer der Kick und die Suche nach neuen Erfahrungen, die Konsumen- tinnen und Konsumenten zu diesen Mitteln greifen lässt . Vielmehr handelt es sich oft um ein Ausweichverhalten, das zum Beispiel durch das Cannabisverbot hervorgeru- fen wird . Konsumentinnen und Konsumenten versuchen, auf legale Alternativen auszuweichen . In mehreren Be- fragungen von Konsumentinnen und Konsumenten gab die Mehrheit der Befragten an, neue psychoaktive Sub- stanzen zu konsumieren, weil sie legal sind . Auch andere Konsumgründe stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Cannabisverbot, beispielsweise die Nichtnach- weisbarkeit von Legal Highs in Drogentests . Aber auch die Angst vor Verlust des Führerscheins oder ein Zu- rückscheuen vor der Beschaffung von Cannabis in der Drogenszene sind Gründe für das Ausweichen auf Legal Highs . In einer Studie des Kings College London geben zudem 93 Prozent der Legal-High-Konsumenten an, dass sie natürliches Cannabis aufgrund der geringeren Neben- wirkungen eigentlich bevorzugen . Das Stoffgruppenverbot wird weder die Verbreitung von Legal Highs verhindern noch den gesundheitlichen Schutz von Konsumenten stärken . Stattdessen servieren Sie der organisierten Kriminalität den Markt für Legal Highs auf dem Silbertablett . Das von Ihnen vorgeschlagene Stoffgruppenverbot wird das Katz-und-Maus-Spiel von Anbietern und Ge- setzgeber noch verschärfen . Angebot und Konsum neuer psychoaktiver Substanzen werden durch das Verbot nicht verhindert . Auf dem illegalen Drogenmarkt geht es um knallharte wirtschaftliche Interessen, die mit allen erfin- derischen Mitteln verfolgt werden . Bestes und wahrscheinlich bekanntestes Beispiel: die Räuchermischung Spice . Nach der Bestimmung des Wirkstoffes in Spice wurden die darin enthaltenen synthe- tischen Cannabinoide unter das Betäubungsmittelgesetz gestellt . Damit wurde zwar der Verkauf der Räuchermi- schung Spice illegal . Kurz darauf wurden auf dem Markt jedoch Nachfolgeprodukte angeboten, die eine ähnliche Wirkung und Risiken für die Gesundheit der Konsumen- tinnen und Konsumenten hatten . Die Nachfolgeprodukte enthielten andere synthetische Cannabinoide, von denen in den folgenden Jahren ebenfalls zahlreiche dem Betäu- bungsmittelgesetz unterstellt wurden . Auf Verbot folgte Verbot, doch der Markt schuf immer wieder neue legale Substanzen . Um die Dimensionen des Erfindergeistes der Drogen- industrie zu verdeutlichen: Allein im Jahr 2014 wurden von der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht 101 neue psychoaktive Substanzen ge- zählt . Seit 2005 wurden insgesamt 400 neue Stoffe ent- deckt . Das zeigt: Die Hersteller bestimmen den Markt und sind dem Gesetzgeber immer einen Schritt voraus . Das Stoffgruppenverbot wird diese Entwicklung nicht verhindern . Nur weil ganze Stoffgruppen verboten wer- den sollen, werden die Drogenköche ihrer Kreativität nicht weniger Lauf lassen . Es werden weiterhin neue Substanzen auftauchen, die von dem Stoffgruppenver- bot nicht erfasst sind und mitunter gefährlicher sind als „klassische“ Substanzen . Und das geben Sie sogar selbst zu . Denn Ihr Vorschlag sieht vor, dass das Gesundheits- ministerium bei Bedarf weitere Stoffe oder Stoffgruppen verbieten darf . Da beißt sich doch die Katze selbst in den Schwanz . Darüber hinaus: Jugend- und Verbraucherschutz so- wie glaubhafte Drogen- und Suchtprävention werden in diesem Rennen gnadenlos abgehängt . Und damit möchte ich an das von Ihnen angestrebte Ziel des Gesetzentwur- fes appellieren: den Schutz der Gesundheit der Bevölke- rung und des Einzelnen . Hier scheitert Ihr Entwurf auf ganzer Linie: Erstens wird das Verbot der neuen psychoaktiven Stoffe nicht vom Konsum abhalten . Ihr Grundverständ- nis, dass das Verbot und die mögliche Konsequenz der Strafverfolgung signifikant vom Konsum abhalten, hat sich, insbesondere bei Jugendlichen, nicht erwiesen . Ihre autoritäre Masche ist veraltet und zieht schon lange nicht mehr . Zweitens ersetzen Sie die konkrete Gefahr für die Ge- sundheit durch neue psychoaktive Stoffe argumentativ durch die reine Missbrauchsabsicht, das heißt den Kon- sum zu Rauschzwecken . Dies ist deshalb bedenklich, weil damit der Unrechtsgehalt der Vorschrift allein auf die Missbilligung des Sich-Berauschens reduziert wird . Eine solche rein moralische Missbilligung einer be- stimmten Absicht – ohne konkret dahinterstehende Ge- fahr – ist nicht zu rechtfertigen . Zudem entsteht dadurch eine klare Ungleichbehandlung mit anderen legalen Sub- stanzen wie Alkohol oder Medikamenten, die ebenfalls zu Rauschzwecken konsumiert werden und bei denen die gesundheitliche Gefahr eindeutig nachgewiesen ist . Die- se Grundlage, die wissenschaftliche Bewertung des Ri- sikos einer Substanz, fehlt dem Gesetzentwurf gänzlich . Die Legalität eines Stoffes hat zukünftig nichts mehr mit der Gesundheit der Gesellschaft oder des Einzelnen zu tun, sondern gründet nur darauf, ob ein Stoff auf einer Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 173 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 2 . Juni 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 173 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 2 . Juni 2016 17183 (A) (C) (B) (D) Liste steht oder eben nicht und damit verboten ist oder erlaubt . Drittens werden durch den Schwarzmarkt die gesund- heitlichen Risiken – beispielsweise durch Beimischun- gen oder Wirkstoffschwankungen – bedeutend größer im Vergleich zu einer Regulierung einer Substanz . Ver- hältnispräventive Maßnahmen wie Jugendschutz und be- grenzte Abgabezeiten und -orte, aber auch verpflichtende Information und Beratung am Abgabeort gibt es auf dem Schwarzmarkt nicht . Eine Regulierung von Substanzen mit Abhängigkeitspotenzial muss sich an ihrer Gefähr- lichkeit orientieren . Das gilt für neue psychoaktive Stoffe genauso wie für Alkohol, Cannabis oder Medikamente . Viertens werden die neuen psychoaktiven Stoffe wei- terhin über den Online-Verkauf aus dem Ausland auf dem deutschen Markt bereitgestellt werden können . Und gerade der Internethandel mit unkomplizierten Kaufab- wicklungen floriert. Hier werden der Zoll und die Straf- verfolgungsbehörden, auch wenn eine Substanz illegal ist, maximal einen Bruchteil der eingeführten Substanzen abschöpfen können, die Produzenten und Verkäufer im Ausland jedoch nicht an ihrem Handel hindern können . Fünftens fehlen in dem Gesetzentwurf Maßnahmen zur Suchtprävention . Der illegale Status der Substanzen erschwert grundsätzlich eine wirksame Prävention . Dro- gen- und Suchtprävention sind auch immer eine Frage der Glaubwürdigkeit . Insbesondere staatlich geförderte Suchtberatungsstellen werden an Glaubwürdigkeit ver- lieren, denn Jugendliche werden aufgrund des Verbots diese staatlichen oder staatlich geförderten Beratungs- stellen als voreingenommen einstufen . Zugleich werden durch das Verbot Möglichkeiten zur Schadensminderung wie beispielsweise das Drug Checking abgewendet . Da- bei ist gerade Drug Checking eine wichtige Maßnah- me der Schadensminderung, die Konsumentinnen und Konsumenten die Möglichkeit gibt, die Substanzen auf Wirkstoffgehalt und Reinheit zu überprüfen . Dies kann Konsumentinnen und Konsumenten auch dazu bewegen, sich gegen den Konsum zu entscheiden . Nicht nur, dass die Verteufelung von Drogen, in die- sem Fall von neuen psychoaktiven Substanzen, dazu führt, dass keine sachlichen, objektiven Informationen über Konsum- und Suchtrisiken für Verbraucherinnen und Verbraucher zur Verfügung gestellt werden, die auch eine Entscheidung gegen den Konsum fördern könnten . Das Erlernen eines verantwortungsvollen Umgangs mit Drogen wird für Konsumentinnen und Konsumenten damit gleichermaßen erschwert wie der barrierefreie Zu- gang zu Hilfs- und Unterstützungsangeboten . Das Verbot ist schlichtweg Antiaufklärung und Antiprävention . Neue psychoaktive Stoffe sind im Gegensatz zu tradi- tionellen Drogen in Deutschland eher gering verbreitet . Die Gesundheitsrisiken entstehen insbesondere aus der unbekannten Zusammensetzung der Produkte, variieren- den Wirkstoffkonzentrationen und Ungewissheit über die Dosierung sowie der Neuartigkeit der Stoffe, über die keine bis geringe Erforschung der konkreten Risiken . Daher kann der Konsum neuer psychoaktiver Stoffe mit hohen Risiken einhergehen . Das Anpreisen von neuen psychoaktiven Substanzen als scheinbar harmlose Ba- desalze, Dufterfrischer oder Kräutermischungen täuscht Konsumentinnen und Konsumenten die Ungefährlich- keit der Substanzen vor . Das muss sich ändern und kann nur in einem regulierten Markt mit strengen Vorschriften für Jugend- und Verbraucherschutz sowie Suchtpräventi- on stattfinden. Das Verbot und das Strafrecht sind jedoch der falsche Ansatz und tragen nicht dazu bei, dass die Schäden durch riskanten Drogenkonsum reduziert werden . Der von mir eingangs geschilderte Prozess, dass Konsumentinnen und Konsumenten auf neue psychoaktive Substanzen auswei- chen, weil sie leichter zu beschaffen sind, wird von der Bundesregierung ignoriert . Sie halten stur an dem Ver- bot fest . Doch wird auch in diesem Fall das Stoffgrup- penverbot die Situation nicht im Geringsten verbessern . Stattdessen werden durch das Verbot die potenzielle gesundheitliche Schädigung von Konsumentinnen und Konsumenten in Kauf genommen, die Stigmatisierung von Konsumentinnen und Konsumenten vorangetrieben . Die organisierte Kriminalität gewinnt an Einfluss und verkauft Drogen auch an Jugendliche, das heißt diejeni- gen, die wir am meisten schützen müssen . Neue psychoaktive Substanzen sind als Nebenprodukt der gescheiterten Verbotspolitik anzusehen . Deshalb ist es umso unverständlicher, wie man immer noch an dem gescheiterten Cannabisverbot festhalten kann, anstatt einen staatlich regulierten Cannabismarkt zu etablieren, der endlich Jugend- und Verbraucherschutz ermöglich würde, Konsumentinnen und Konsumenten nicht länger kriminalisiert und stigmatisiert, sowie eine legale Mög- lichkeit des Erwerbs von Cannabis mit geprüften Inhalts- und Wirkstoffen zu ermöglichen . Konsumentinnen und Konsumenten, die derzeit auf neue psychoaktive Sub- stanzen aufgrund des Cannabisverbots ausweichen, wür- den dieses Angebot nutzen . Das von Ihnen vorgeschlagene Stoffgruppenverbot unterstreicht noch einmal die naive Weltvorstellung der Bundesregierung, dass eine drogenfreie Welt mit Verbo- ten durchzusetzen sei . Ingrid Fischbach, Parl. Staatssekretärin beim Bun- desminister für Gesundheit: Die Bundesregierung will mit einem weitreichenden Verbot neuer psychoaktiver Stoffe – kurz: NPS – den Wettlauf zwischen dem Auftre- ten immer neuer chemischer Varianten bekannter Stoffe und daran angepassten Verbotsregelungen im Betäu- bungsmittelrecht durchbrechen . Deshalb hat die Bundes- regierung den Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung der Verbreitung neuer psychoaktiver Stoffe in den Bun- destag eingebracht . Was sind NPS? NPS sind meist synthetische Substan- zen, die gelegentlich auch als „Designerdrogen“, „Re- search Chemicals“ oder auch „Legal Highs“ bezeichnet werden . In den letzten Jahren ist eine ständig zunehmen- de Anzahl derartiger Stoffe aufgetaucht . In der Regel ist bei NPS die chemische Struktur von Stoffen, die bereits unter das Betäubungsmittelgesetz fallen, gezielt so ver- ändert worden, dass der neue Stoff nicht mehr den Ver- bots- und Strafvorschriften des BtMG unterliegt . Die für Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 173 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 2 . Juni 201617184 (A) (C) (B) (D) Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de Missbrauchszwecke geeignete Wirkung auf die Psyche bleibt jedoch erhalten oder verstärkt sich sogar . Wöchentlich bringen die Akteure des Drogenmarktes einen neuen dieser Stoffe in Umlauf . Die entsprechenden betäubungsmittelrechtlichen Verbotsverfahren benötigen längere Zeit . Aus diesen Gründen ist es schwierig gewor- den, die sogenannten Legal Highs zeitnah dem BtMG zu unterstellen . Durch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs im Jahr 2014 lassen sich NPS auch nicht länger als Arz- neimittel im Sinne des Arzneimittelgesetzes einordnen . Dadurch ist eine Regelungslücke bei diesen Stoffen ent- standen . Das fehlende Verbot kann gerade bei jungen Konsumenten den falschen Eindruck erwecken, die häu- fig professionell aufgemachten und gezielt junge Men- schen ansprechenden Produkte seien harmlos . Tatsächlich hat der NPS-Konsum mitunter schwere Folgen . Die Symptome reichen von Übelkeit, heftigem Erbrechen, Herzrasen und Orientierungsverlust über Kreislaufversagen, Ohnmacht, Lähmungserscheinungen und Wahnvorstellungen bis hin zum Versagen der Vital- funktionen . Es sind sogar Todesfälle bekannt, bei denen der Konsum von NPS nachgewiesen wurde . Ziel des vorliegenden Gesetzentwurfs für ein eigen- ständiges Neue-Psychoaktive-Stoffe-Gesetz – NPSG – ist es, die Gesundheit der Bevölkerung und jeden Einzelnen, insbesondere die Jugendlichen und jungen Erwachsenen, vor den häufig unkalkulierbaren und schwerwiegenden Gefahren, die mit dem Konsum von NPS verbunden sind, zu schützen . Die Verbreitung dieser Stoffe soll bekämpft, und ihre Verfügbarkeit soll eingeschränkt werden . Konkret sieht der Entwurf ein großflächiges Erwerbs-, Besitz- und Handelsverbot vor . Zudem soll die Weiter- gabe von NPS unter Strafe gestellt werden . Erstmals bezieht sich das Verbot auf ganze Stoffgruppen, um der Verbreitung immer neuer Varianten bekannter Betäu- bungsmittel und psychoaktiver Stoffe entgegenzuwirken . Es wird nicht mehr wie bisher möglich sein, durch kleine chemische Veränderungen Verbote zu umgehen und ge- fährliche Stoffe auf den Markt zu bringen . Damit wird den von NPS insbesondere für Jugendliche und junge Er- wachsene ausgehenden erheblichen Gesundheitsgefah- ren vorausschauend und effektiver begegnet . Mit der Regelung ganzer Stoffgruppen wird der ein- zelstoffliche Ansatz des Betäubungsmittelgesetzes er- gänzt . Erfasst sind Phenethylamine, Cathinone – das sind mit Amphetamin verwandte Stoffe – und synthetische Cannabinoide. Diese Verbindungen treten am häufigsten auf . Mit dem NPSG geben wir ein klares Signal an poten- zielle Händler und Konsumenten: Die sogenannten Legal Highs sind verbotene und hochgradig gesundheitsgefähr- dende Stoffe . 173. Sitzung Inhaltsverzeichnis TOP 3 Regulierung des Prostitutionsgewerbes TOP 4 Gesetz zur Bekämpfung des Menschenhandels TOP 5 Gedenken an den Völkermord an den Armeniern TOP 6 Riester-Rente und gesetzliche Rentenversicherung TOP 31, ZP 2 Überweisungen im vereinfachten Verfahren TOP 32, ZP 3 Abschließende Beratungen ohne Aussprache TOP 7 Änderung des Telemediengesetzes TOP 8 Erweiterung des Arbeitslosenversicherungsschutzes TOP 13 Milchkrise TOP 10 Sicherung des Fachkräftepotenzials TOP 11 Sowjetische Kriegsgefangene als NS-Opfer TOP 12 Bundeswehreinsatz in Kosovo (KFOR) TOP 9 Rechtslage bei Samenspende TOP 14 Bundeswehreinsatz in Libanon (UNIFIL) TOP 15 Essensversorgung in Kitas und Schulen TOP 16 Änderung des Agrarmarktstrukturgesetzes TOP 17 Transparenz bei der Ministererlaubnis TOP 18 Dopingopfer-Hilfegesetz TOP 19 Verbraucherrechte bei Anlagepleiten TOP 20 Änderung bewachungsrechtlicher Vorschriften TOP 21 Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Dienst TOP 22 Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch TOP 23 Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz TOP 24 Änderung des Direktzahlungen-Durchführungsgesetzes TOP 25 Bekämpfung der Verbreitung neuer psychoaktiver Stoffe Anlagen Anlage 1 Anlage 2 Anlage 3 Anlage 4 Anlage 5 Anlage 6 Anlage 7 Anlage 8 Anlage 9 Anlage 10 Anlage 11
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Ulla Schmidt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)


    Danke schön . – Frau Kollegin Dröge, die Zeit war

    abgelaufen . – Nächster Redner ist der Kollege Marcus
    Held, SPD-Fraktion .


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)




Rede von Marcus Held
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und

Herren! Ich finde diese Debatte schon bemerkenswert,
wenn ich sie so verfolge, insbesondere weil doch eini-
ge Kolleginnen und Kollegen und ganze Fraktionen hier
im Parlament ihr wahres Gesicht zeigen . Wenn ich höre,
dass plötzlich der Erhalt von Arbeitsplätzen nicht mehr
im Mittelpunkt unserer politischen Bemühungen stehen
darf, dann bin ich – das sage ich an die Adresse der Grü-
nen und auch der CDU/CSU – doch einigermaßen über-
rascht .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Das Arbeitsplatzargument muss das zentrale Argument
sein, auch bei dieser Debatte um die Ministererlaubnis .
Das möchte ich Ihnen an dieser Stelle eingangs ganz aus-
drücklich sagen .


(Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Darf ich fragen?)


– Der Präsident ist noch nicht am Platz .


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Norbert Lammert


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)


    Ganz offenkundig möchte nicht nur die Kollegin

    Dröge eine Zwischenfrage stellen, ganz offenkundig ist
    auch der Redner begeistert über die Möglichkeit, auf die-
    se Weise seine Redezeit zu verlängern .