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    Plenarprotokoll 18/171 Textrahmenoptionen: 16 mm Abstand oben Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 171. Sitzung Berlin, Freitag, den 13. Mai 2016 Inhalt: Tagesordnungspunkt 17: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einstufung der Demokrati- schen Volksrepublik Algerien, des König- reichs Marokko und der Tunesischen Repu- blik als sichere Herkunftsstaaten Drucksachen 18/8039, 18/8311 . . . . . . . . . . . . 16863 B Dr . Thomas de Maizière, Bundesminister BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16863 B Ulla Jelpke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . 16865 B Burkhard Lischka (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 16866 B Luise Amtsberg (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16867 A Nina Warken (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 16868 B Andrej Hunko (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 16869 D Sebastian Hartmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 16870 C Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16872 C Michael Frieser (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 16873 C Namentliche Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . 16874 C Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16876 D Tagesordnungspunkt 18: a) Antrag der Abgeordneten Klaus Ernst, Karin Binder, Susanna Karawanskij, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Vorläufige Anwendung des CETA-Abkommens verweigern Drucksache 18/8391 . . . . . . . . . . . . . . . . . 16875 A b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Energie zu dem Antrag der Abgeordneten Klaus Ernst, Jan van Aken, Herbert Behrens, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LIN- KE: Für eine lebendige Demokratie – Fairer Handel statt TTIP und CETA Drucksachen 18/6818, 18/8128 . . . . . . . . . 16875 B Klaus Ernst (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . 16875 B Dr . Joachim Pfeiffer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 16879 B Katharina Dröge (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16881 A Klaus Barthel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16882 C Dr . Petra Sitte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 16882 D Klaus Ernst (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 16883 D Peter Beyer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . 16884 C Alexander Ulrich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 16886 B Dirk Wiese (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16887 B Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16888 B Dirk Wiese (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16888 D Max Straubinger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 16889 C Klaus Ernst (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 16890 B Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16891 C Renate Künast (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16892 A Klaus Barthel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16892 D Dr . Nina Scheer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16893 C Rainer Spiering (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16894 B Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 171 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 13 . Mai 2016II Tagesordnungspunkt 19: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs im Eisenbahn- bereich Drucksache 18/8334 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16895 B Enak Ferlemann, Parl . Staatssekretär BMVI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16895 C Sabine Leidig (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 16896 C Kirsten Lühmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 16897 C Matthias Gastel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16899 A Dirk Fischer (Hamburg) (CDU/CSU) . . . . . . . 16900 A Martin Burkert (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16901 B Tagesordnungspunkt 20: Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht der Bundesregierung zum Deutsch- landstipendium über die Ergebnisse der Evaluation nach § 15 des Stipendienpro- gramm-Gesetzes und der Begleitforschung Drucksache 18/7890 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16902 C Thomas Rachel, Parl . Staatssekretär BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16902 D Nicole Gohlke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 16904 A Dr . Thomas Feist (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 16904 C Marianne Schieder (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 16905 D Kai Gehring (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16907 B Sybille Benning (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 16908 D Swen Schulz (Spandau) (SPD) . . . . . . . . . . . . 16910 B Cemile Giousouf (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 16912 A Tagesordnungspunkt 21: Antrag der Abgeordneten Anja Hajduk, Britta Haßelmann, Kerstin Andreae, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Die Neuordnung der Bund-Län- der-Finanzbeziehungen jetzt angehen Drucksache 18/8079 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16913 C Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16913 D Ralph Brinkhaus (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 16915 B Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16917 B Dr . Axel Troost (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 16918 A Carsten Schneider (Erfurt) (SPD) . . . . . . . . . . 16919 B Dr . Axel Troost (DIE LINKE) . . . . . . . . . . 16920 C Bartholomäus Kalb (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 16921 B Johannes Kahrs (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16922 C Tagesordnungspunkt 22: Antrag der Abgeordneten Oliver Krischer, Herbert Behrens, Dr . Anton Hofreiter, Dr . Sahra Wagenknecht, Dr . Dietmar Bartsch, Stephan Kühn (Dresden) und weiterer Abge- ordneter: Einsetzung eines Untersuchungs- ausschusses Drucksache 18/8273 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16923 D Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16923 D Ulrich Lange (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 16925 A Herbert Behrens (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 16926 C Kirsten Lühmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 16927 D Oliver Wittke (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 16929 A Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16931 A Oliver Wittke (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 16931 B Arno Klare (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16932 A Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16933 C Berichtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16933 A Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . . 16935 A Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Kerstin Griese, Heike Baehrens, Dr . Matthias Bartke, Willi Brase, Bernhard Daldrup, Dr . Daniela De Ridder, Michaela Engelmeier, Saskia Esken, Martin Gerster, Angelika Glöckner, Wolfgang Hellmich, Petra Hinz (Es- sen), Frank Junge, Gabriele Lösekrug-Möller, Bettina Müller, Michelle Müntefering, Markus Paschke, Detlev Pilger, Johann Saathoff, Annette Sawade, Dr . Dorothee Schlegel und Gabi Weber (alle SPD) zu der namentlichen Abstimmung über den von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Einstufung der Demokratischen Volksre- publik Algerien, des Königreichs Marokko und der Tunesischen Republik als sichere Her- kunftsstaaten (Tagesordnungspunkt 17) . . . . . . . . . . . . . . . . 16935 D Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 171 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 13 . Mai 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 171 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 13 . Mai 2016 III Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordne- ten Volker Beck (Köln), Luise Amtsberg, Agnieszka Brugger, Katja Dörner, Katja Keul, Maria Klein-Schmeink, Monika Lazar, Peter Meiwald, Irene Mihalic, Dr . Konstantin von Notz, Lisa Paus, Claudia Roth (Augsburg), Corinna Rüffer, Ulle Schauws und Beate Walter-Rosenheimer (alle BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zu der namentlichen Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrach- ten Entwurf eines Gesetzes zur Einstufung der Demokratischen Volksrepublik Algerien, des Königreichs Marokko und der Tunesischen Republik als sichere Herkunftsstaaten (Tagesordnungspunkt 17) . . . . . . . . . . . . . . . . 16936 B Anlage 4 Erklärungen nach § 31 GO zu der namentli- chen Abstimmung über den von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Einstufung der Demokratischen Volksre- publik Algerien, des Königreichs Marokko und der Tunesischen Republik als sichere Her- kunftsstaaten (Tagesordnungspunkt 17) . . . . . . . . . . . . . . . . 16937 B Dr. Karamba Diaby (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 16937 B Gabriele Hiller-Ohm (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 16937 C Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16938 A Dr. Nina Scheer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16938 B Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16938 C Anlage 5 Amtliche Mitteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16939 B Textrahmenoptionen: 30,5 mm Abstand oben (A) (C) (B) (D) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 171 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 13 . Mai 2016 16863 171. Sitzung Berlin, Freitag, den 13. Mai 2016 Beginn: 9 .00 Uhr
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    Berichtigung 170 . Sitzung, Seite 16799 A, zweiter Absatz, letzter Satz, ist wie folgt zu lesen: „Deshalb steht im Gesetz auch, dass es zwingend notwendig ist, dass eine Heb- amme bei der Geburt dabei ist, aber nicht unbedingt ein Arzt .“ Arno Klare (A) (C) (B) (D) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 171 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 13 . Mai 2016 16935 Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Bas, Bärbel SPD 13 .05 .2016 Bosbach, Wolfgang CDU/CSU 13 .05 .2016 Braun, Dr . Helge CDU/CSU 13 .05 .2016 Connemann, Gitta CDU/CSU 13 .05 .2016 Ehrmann, Siegmund SPD 13 .05 .2016 Funk, Alexander CDU/CSU 13 .05 .2016 Gabriel, Sigmar SPD 13 .05 .2016 Grindel, Reinhard CDU/CSU 13 .05 .2016 Heider, Dr . Matthias CDU/CSU 13 .05 .2016 Hendricks, Dr . Barbara SPD 13 .05 .2016 Hintze, Peter CDU/CSU 13 .05 .2016 Ilgen, Matthias SPD 13 .05 .2016 Kiesewetter, Roderich CDU/CSU 13 .05 .2016 Körber, Carsten CDU/CSU 13 .05 .2016 Lämmel, Andreas G . CDU/CSU 13 .05 .2016 Lange (Backnang), Christian SPD 13 .05 .2016 Lerchenfeld, Philipp Graf CDU/CSU 13 .05 .2016 Ludwig, Daniela CDU/CSU 13 .05 .2016 Maisch, Nicole BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 13 .05 .2016 Mast, Katja SPD 13 .05 .2016 Nahles, Andrea SPD 13 .05 .2016 Pflugradt, Jeannine SPD 13 .05 .2016 Poß, Joachim SPD 13 .05 .2016 Rief, Josef CDU/CSU 13 .05 .2016 Riesenhuber, Dr . Heinz CDU/CSU 13 .05 .2016 Röspel, René SPD 13 .05 .2016 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Schiefner, Udo SPD 13 .05 .2016 Schlecht, Michael DIE LINKE 13 .05 .2016 Schmidt (Fürth), Christian CDU/CSU 13 .05 .2016 Schuster (Weil am Rhein), Armin CDU/CSU 13 .05 .2016 Steiniger, Johannes CDU/CSU 13 .05 .2016 Steinmeier, Dr . Frank- Walter SPD 13 .05 .2016 Strobl (Heilbronn), Thomas CDU/CSU 13 .05 .2016 Thönnes, Franz SPD 13 .05 .2016 Veit, Rüdiger SPD 13 .05 .2016 Whittaker, Kai CDU/CSU 13 .05 .2016 Wicklein, Andrea SPD 13 .05 .2016 Weisgerber, Dr . Anja CDU/CSU 13 .05 .2016 Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Kerstin Griese, Heike Baehrens, Dr. Matthias Bartke, Willi Brase, Bernhard Daldrup, Dr. Daniela De Ridder, Michaela Engelmeier, Saskia Esken, Martin Gerster, Angelika Glöckner, Wolfgang Hellmich, Petra Hinz (Essen), Frank Junge, Gabriele Lösekrug-Möller, Bettina Müller, Michelle Müntefering, Markus Paschke, Detlev Pilger, Johann Saathoff, Annette Sawade, Dr. Dorothee Schlegel und Gabi Weber (alle SPD) zu der namentlichen Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurf eines Gesetzes zur Einstufung der Demokra- tischen Volksrepublik Algerien, des Königreichs Marokko und der Tunesischen Republik als sichere Herkunftsstaaten (Tagesordnungspunkt 17) Die Ausweitung der Einstufung von Ländern als si- chere Herkunftsstaaten sehen wir grundsätzlich als pro- blematisch an . Unser Asylrecht beruht auf dem indivi- duellen Grundrecht auf Asyl, das eine Einzelfallprüfung Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 171 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 13 . Mai 201616936 (A) (C) (B) (D) zwingend verlangt . Wir legen großen Wert darauf, dass dieses Grundrecht in jedem Einzelfall erhalten bleibt und zu einer individuellen Prüfung jedes einzelnen Schick- sals führt, wenn Gründe für eine Verfolgung im Her- kunftsland vorgetragen werden . Auch wenn die Anerken- nungsquote bei den im hier vorliegenden Gesetzentwurf genannten Ländern niedrig ist, verdient jeder Einzelfall Beachtung . Statt einer Ausweitung des Systems der „sicheren Herkunftsstaaten“ brauchen wir eine europäische Flücht- lingspolitik, die die Flüchtlinge auf die europäischen Länder verteilt . Wir erkennen an, dass dies das Bemühen der Bundesregierung ist . Weiterhin brauchen wir – gera- de um das Asylrecht in seiner Bedeutung zu erhalten und zu stärken – andere, legale Wege, wie Menschen nach Deutschland kommen können, die keinen Asylgrund haben, aber bei uns leben und arbeiten wollen, wie zum Beispiel ein echtes Einwanderungsgesetz . Wir betonen ausdrücklich, dass die Bundesregierung alle zwei Jahre einen Bericht vorlegen muss, ob die Vo- raussetzungen für die Einstufung als sicherer Herkunfts- staat weiter vorliegen . Das ermöglicht auch, Staaten wieder von dieser Liste zu nehmen . Diese Überprüfung halten wir für sinnvoll und wichtig . Die Einstufung der Länder Algerien, Marokko und Tunesien als sichere Herkunftsstaaten haben die Vorsit- zenden der die Regierungskoalition tragenden Parteien im Rahmen eines Gesamtkonzeptes zur Optimierung und Beschleunigung der Asylverfahren beschlossen . Ziel ist dabei, schneller Rechtssicherheit herzustellen, damit die- jenigen Flüchtlinge, die bei uns bleiben werden, schnell integriert werden können und alle dafür notwendigen Maßnahmen erhalten, aber auch damit diejenigen Flücht- linge, die keinen Bleibegrund haben, schneller wissen, dass sie unser Land wieder verlassen müssen . Da wir die- se Vereinbarung mittragen, stimmen wir dem vorliegen- den Gesetzentwurf trotz grundsätzlicher Bedenken zu . Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Luise Amtsberg, Agnieszka Brugger, Katja Dörner, Kai Gehring, Katja Keul, Sven-Christian Kindler, Maria Klein-Schmeink, Monika Lazar, Peter Meiwald, Irene Mihalic, Dr. Konstantin von Notz, Lisa Paus, Claudia Roth (Augsburg), Corinna Rüffer, Ulle Schauws und Beate Walter- Rosenheimer (alle BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zu der namentlichen Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf ei- nes Gesetzes zur Einstufung der Demokratischen Volksrepublik Algerien, des Königreichs Marokko und der Tunesischen Republik als sichere Her- kunftsstaaten (Tagesordnungspunkt 17) Algerien, Marokko und Tunesien sind keine sicheren Herkunftsstaaten . Im Bundestag stimmen wir heute gegen das Gesetz zur Einstufung der Demokratischen Volksrepublik Algerien, des Königreichs Marokko und der Tunesischen Republik als sichere Herkunftsstaaten (Drucksache 18/8039) . Wir erklären zur Abstimmung gemäß § 31 der Geschäftsord- nung des Deutschen Bundestages: Das Konzept der sicheren Herkunftsstaaten höhlt das individuelle Grundrecht auf Asyl aus und steht mit dem Verbot der Diskriminierung von Flüchtlingen wegen ih- rer Herkunft, das in der Genfer Flüchtlingskonvention verankert ist, nicht im Einklang . Die Anwendung des Konzepts soll die Asylverfahren beschleunigen und die Behörden von Bund, Ländern und Kommunen entlas- ten . Dies ist ein wichtiges Anliegen, rechtfertigt jedoch nicht die erhebliche Beschränkung von Verfahrensrech- ten, Rechtsschutzmöglichkeiten sowie sozialen und wirt- schaftlichen Rechten von Schutzsuchenden . Deshalb leh- nen wir das Konzept der sicheren Herkunftsstaaten ab . Die Bestimmung sicherer Herkunftsstaaten setzt nach den Vorgaben des Grundgesetzes und der EU-Verfah- rensrichtlinie voraus, dass landesweit Sicherheit vor poli- tischer Verfolgung für alle Personen- und Bevölkerungs- gruppen besteht . Diese Voraussetzung ist in Algerien, Marokko und Tunesien nicht erfüllt . Daher begegnet das vorliegende Gesetz auch erheblichen verfassungsrechtli- chen und unionsrechtlichen Bedenken . Der Sachverständige Dr . Marx hat in der öffentlichen Anhörung unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundes- verfassungsgerichts vom 14 . Mai 1996 (BVerfGE 94, 115) zutreffend ausgeführt: „Ebensowenig darf der Gesetzge- ber einen Staat, in dem nur Angehörige einer bestimm- ten Minderheit, nicht hingegen andere dieser Minderheit nicht angehörende Personen verfolgt oder misshandelt werden, für sicher erklären . Anhaltspunkte dafür, dass der verfassungsändernde Gesetzgeber die Bestimmung eines Landes zum sicheren Herkunftsstaat auch dann vorsehen wollte, wenn zwar bestimmte Personen- und Bevölkerungsgruppen von Verfolgung oder Misshand- lung nicht betroffen, eine oder mehrere andere Gruppen hingegen derartigen Maßnahmen ausgesetzt sind, lassen sich weder dem Wortlaut von Artikel 16 a Absatz 3 Satz 1 GG noch den Materialien zum Gesetzgebungsverfahren entnehmen .“ (Ausschussdrucksache 18(4)546 B, S . 3) . In Algerien, Marokko und Tunesien werden Journa- listinnen und Journalisten, Bloggerinnen und Blogger, Oppositionspolitikerinnen und Oppositionspolitiker, Menschenrechtsaktivistinnen und Menschenrechtsakti- visten und weitere Personen, die sich kritisch zur Politik der jeweiligen Regierung äußern und verhalten, teilweise erheblich in ihrer Arbeit beeinträchtigt, eingeschüchtert, bedroht und an der Wahrnehmung ihrer Menschenrechte und persönlichen Freiheiten gehindert . In allen drei Staaten werden Frauen durch die Rechts- ordnung, von den Behörden und im Alltag teilweise erheblich diskriminiert und von der Partizipation am politischen, kulturellen und gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen; in nicht nur vereinzelten Fällen sind sie von Zwangsverheiratung betroffen . Einvernehmliche gleichgeschlechtliche Handlungen werden von hohen Gefängnisstrafen bedroht; Lesben, Schwule, Bi-, Trans- und Intersexuelle sind im Alltag Diskriminierung und Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 171 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 13 . Mai 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 171 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 13 . Mai 2016 16937 (A) (C) (B) (D) Gewalt ausgesetzt, ohne auf den Schutz der staatlichen Behörden vertrauen zu können . Algerien, Marokko und Tunesien haben die Todes- strafe nicht abgeschafft; die Sicherheitsbehörden sind für nicht nur vereinzelte Fälle erniedrigender und unmensch- licher Behandlung, insbesondere in Gewahrsams- und Hafteinrichtungen, verantwortlich, ohne dass sie dafür von staatlichen Stellen effektiv zur Rechenschaft gezo- gen werden . Marokko verbietet und verfolgt nach wie vor Kritik an der fortdauernden Besetzung der Westsahara und beeinträchtigt dadurch die freie Selbstbestimmung des sahrauischen Volkes; die Sahrauis und Menschen, die sich kritisch zur Westsahara-Politik der marokkanischen Regierung äußern, werden an der effektiven Wahrneh- mung ihrer persönlichen Freiheiten in vielerlei Hinsicht und in erheblichem Maße gehindert . Wegen der seit dem Jahr 1975 fortdauernden Besetzung des Gebiets der Westsahara begegnet die Bestimmung Marokkos zum sicheren Herkunftsstaat nicht nur menschenrecht- lichen und außenpolitischen, sondern auch praktischen Bedenken . Schon die Frage, ob dauerhaft im Gebiet der Westsahara lebende Sahrauis marokkanische Staatsange- hörige sind und damit von der Bestimmung Marokkos zum sicheren Herkunftsstaat betroffen wären, ist nicht eindeutig zu beantworten, da die Rechtsauffassung der Bundesregierung, der marokkanischen Regierung und der Frente Polisario als einzig in Betracht kommender legitimer Vertretung des sahrauischen Volkes nicht über- einstimmen . Die Bundesregierung hat es nicht vermocht, dieser Kritik überzeugende Argumente entgegenzusetzen . Die fristgemäße Beantwortung der Kleinen Anfragen unse- rer Fraktion zur Menschenrechtslage in Algerien, Ma- rokko und Tunesien (Drucksachen 18/8192, 18/8193 und 18/8194) hat sie versäumt und dadurch die Berück- sichtigung ihrer Antworten im Gesetzgebungsverfahren vereitelt . Ihre Antworten auf mehrere parlamentarische Fragen in diesem Zusammenhang vermochten es nicht, die bestehenden Zweifel an der Vereinbarkeit des Gesetz- entwurfs mit dem Grundgesetz auszuräumen (vgl . Plen- arprotokolle vom 17 .02 .2016, S . 15166 ff ., 24 .02 .2016, S . 15450 ff ., 27 .04 .2016, S . 16345) . Daher lehnen wir dieses Gesetz auch aus rechtlichen Erwägungen ab . Anlage 4 Erklärungen nach § 31 GO zu der namentlichen Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf ei- nes Gesetzes zur Einstufung der Demokratischen Volksrepublik Algerien, des Königreichs Marokko und der Tunesischen Republik als sichere Her- kunftsstaaten (Tagesordnungspunkt 17) Dr. Karamba Diaby (SPD): Bei Abstimmungen mit erheblicher Reichweite oder auch bei Gewissensfragen nehme ich für mich das Recht eines jeden Abgeordneten nach Artikel 38 (1) des Grundgesetzes in Anspruch, mei- nem Gewissen folgend frei zu entscheiden . Angesichts der menschrechtlichen Lage in Algerien, Marokko und Tunesien und unter Berücksichtigung bestehender inter- nationaler Regelungen im Hinblick auf die Gestaltung des Asylverfahrens stimme ich dem oben genannten Ge- setzentwurf nicht zu . Die Gründe hierfür sind im Einzelnen: Die Menschenrechtslage in den oben genannten Staaten ist problematisch . Kritische Aktivisten werden verfolgt, Aussagen unter Folter erzwungen, die Mei- nungs- und Versammlungsfreiheit ist eingeschränkt und Homosexualität in Tunesien und Marokko unter Strafe gestellt . Ausgehend von diesen Beobachtungen ist eine Einstufung als „sichere Herkunftsstaaten“ nicht zu recht- fertigen . Die Einzelfallprüfung von Personen aus sicheren Her- kunftsstaaten ist nicht gewahrt, da der Asylantrag als offensichtlich unbegründet abgelehnt wird . Diese pau- schale Vermutung hat zur Folge, dass das Asylverfahren beschleunigt wird und die Rechtsmittelfristen auf eine Woche verkürzt werden . Damit ist eine individuelle und unvoreingenommene Prüfung von Anträgen auf interna- tionalen Schutz, wie sie von der Genfer Flüchtlingskon- vention (GFK) und der Europäischen Menschenrechts- konvention (EMRK) gefordert wird, nicht möglich . Gabriele Hiller-Ohm (SPD): Die Ausweitung der Einstufung von Ländern als sichere Herkunftsstaaten sehe ich als problematisch an . Unser Asylrecht beruht auf dem individuellen Grundrecht auf Asyl, das eine Einzelfallprüfung zwingend verlangt . Dieses Grundrecht bleibt auch für Verfolgte aus sicheren Herkunftsstaaten in jedem Einzelfall erhalten und führt zu einer individu- ellen Prüfung jedes einzelnen Schicksals, wenn Gründe für eine Verfolgung im Herkunftsland vorgetragen wer- den . Auch wenn die Anerkennungsquote bei den im hier vorliegenden Gesetzentwurf genannten Ländern niedrig ist, ist es richtig, dass jeder Einzelfall Beachtung findet. Statt einer Ausweitung des Systems der „sicheren Herkunftsstaaten“ brauchen wir eine europäische Flücht- lingspolitik, die die Flüchtlinge auf die europäischen Länder verteilt . Ich erkenne an, dass dies das Bemühen der Bundesregierung ist . Weiterhin brauchen wir – gera- de um das Asylrecht in seiner Bedeutung zu erhalten und zu stärken – andere, legale Wege, wie Menschen nach Deutschland kommen können, die keinen Asylgrund haben, aber bei uns leben und arbeiten wollen, wie zum Beispiel ein echtes Einwanderungsgesetz . Ich betone ausdrücklich, dass die Bundesregierung alle zwei Jahre einen Bericht vorlegen muss, ob die Vo- raussetzungen für die Einstufung als sicherer Herkunfts- staat weiter vorliegen . Das ermöglicht auch, Staaten wie- der von dieser Liste zu nehmen . Diese Überprüfung halte ich für sinnvoll und wichtig . Die Einstufung der Länder Algerien, Marokko und Tunesien als sichere Herkunftsstaaten haben die Vorsit- zenden der die Regierungskoalition tragenden Parteien im Rahmen eines Gesamtkonzeptes zur Optimierung und Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 171 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 13 . Mai 201616938 (A) (C) (B) (D) Beschleunigung der Asylverfahren beschlossen . Ziel ist dabei, schneller Rechtssicherheit herzustellen, damit die- jenigen Flüchtlinge, die bei uns bleiben werden, schnell integriert werden können und alle dafür notwendigen Maßnahmen erhalten, aber auch damit diejenigen Flücht- linge, die keinen Bleibegrund haben, schneller wissen, dass sie unser Land wieder verlassen müssen . Da ich die- se Vereinbarung mittrage, stimme ich dem vorliegenden Gesetzentwurf trotz Bedenken zu . Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich stimme heute gegen den Gesetzentwurf der Großen Koa- lition zur Einstufung der Demokratischen Volksrepublik Algerien, des Königreichs Marokko und der Tunesischen Republik als sichere Herkunftsstaaten . Unbenommen grundsätzlicher Kritik meiner Partei am Instrument der Klassifizierung sicherer Herkunftsstaaten, ist der vorliegende Gesetzentwurf für mich nicht tragbar, auch wenn mir klar ist, dass nach der Einstufung dieser Länder deren Staatsangehörigen der Rechtsweg für eine individuelle Behandlung von Asylanträgen nicht grund- sätzlich versperrt sein wird . Jenseits der von meiner Fraktion vorgetragenen Grün- de für eine Ablehnung halte ich die Vermengung der drei Länder im Gesetzentwurf von Union und SPD für un- tragbar . So wäre es logisch, die positive Entwicklung der letzten Jahre in Tunesien zu validieren . Doch verhindert die Vermengung sogar dies . Denn die Menschenrechtsla- ge in Algerien ist dramatisch schlecht . In Marokko ist sie eindeutig besser als in Algerien . Dennoch ist die Tatsa- che, dass die Gruppe der Sahrauis nach Verabschiedung des Gesetzentwurfs asylrechtlich als marokkanische Staatsangehörige behandelt wird, die politische Aner- kennung eines völkerrechtswidrigen Zustands, solange es keine politische Lösung für den Konflikt in Westsaha- ra gibt . Dr. Nina Scheer (SPD): Grundsätzlich halte ich es mit Blick auf das Rechtsschutzbedürfnis von Flüchtlin- gen, aber auch die gegenwärtig sehr hohe Zahl zu be- arbeitender Anträge für erforderlich, Wege der Verfah- rensbeschleunigung zu suchen . Lange Verfahrenszeiten stellen nicht zuletzt eine psychische Belastung für die Betroffenen dar und erschweren die Integration . Schritte der Verfahrensbeschleunigung sollten dabei aber immer in einem ausgewogenen Verhältnis zu den Einschränkungen an Rechtsschutz stehen, die hierbei in Bezug auf die Schutzsuchenden entstehen können . An die Einstufung als sogenannter sicherer Herkunfts- staat ist eine Verfahrensbeschleunigung geknüpft, aber auch eine Beweislastumkehr . Mit der Einstufung von Tunesien, Algerien und Marokko als sichere Herkunfts- staaten wird an die niedrige Anerkennungsquote von dort Flüchtenden angeknüpft . 99,3 Prozent aller Anträge von Flüchtenden aus diesen drei Staaten werden danach ak- tuell abgelehnt . Vor dem Hintergrund der individuellen Schutzbedürf- tigkeit, die das Asylrecht richtigerweise zuerkennt, und der Erkenntnis, dass zumindest in Marokko von Folter und weiteren Menschenrechtsverletzungen ausgegangen werden muss, erachte ich die Anerkennung als sichere Herkunftsstaaten für sich genommen als nicht gerecht- fertigt . Mit der Einstufung von Staaten als sichere Her- kunftsstaaten wird ein sachlich nicht zu begründender Anschein von Rechtsstaatlichkeit erzeugt . Es besteht zu- dem die Gefahr, dass mit dem Anschein die in den betref- fenden Staaten erfolgenden Menschenrechtsverletzun- gen in den Hintergrund treten und somit der Druck auf einen Veränderungsprozess in den betreffenden Staaten abnimmt . Zugleich muss allerdings auch erkannt werden, dass trotz dieser Einstufung der Asylschutz in Deutsch- land im Grundsatz bestehen bleibt, auch wenn sie den Rechtsschutz verengt . Die heutige Entscheidung steht sachlich in dem Kon- text der koalitionären Einigung vom 5 . November 2015 und 28 . Januar 2016 über das Asylpaket II . Die nun bereits einige Monate zurückliegende Einigung stellte insbesondere vor dem Hintergrund des anschwellenden Rechtsextremismus auch die Regierungsfähigkeit der Bundesregierung in Frage und erforderte auch vor die- sem Hintergrund eine stabile Einigung . Die Einigung war trotz großer Differenzen zwischen den Koalitions- partnern zustande gekommen, wovon jene somit auch in Form von Kompromissen gekennzeichnet ist . In diesem Zusammenhang steht auch die heutige Entscheidung über die Einstufung von Tunesien, Marokko und Algerien als sichere Herkunftsstaaten, der ich vor diesem Hintergrund trotz der genannten inhaltlichen Vorbehalte zustimme . Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das Prinzip der sogenannten „Sicheren Herkunftsstaa- ten“ löst nicht die Probleme die wir lösen müssen . Auch eine Ausweitung der Länderliste auf Marokko, Algerien und Tunesien ist daher nicht sinnvoll . Das ganze Prin- zip gehört auf den Prüfstand . Denn es versucht, die Pro- blematik heutiger Migrationsbewegungen mit einem Verwaltungserlass zu lösen . Der Bundestag als Gesetz- geber drückt sich damit um die Beantwortung wichtiger gesamtgesellschaftlicher Fragen . Statt grundlegende Lö- sungen zu erarbeiten, unter welchen Bedingungen wer zu uns kommen kann, beschäftigen wir uns mit Detailfra- gen . Dies ist daran zu erkennen, dass sich Bundesregie- rung, Bundesrat und leider auch meine Fraktion in ihrem Entschließungsantrag vor allem darum streiten, dass es bei der Ausweitung der Liste der sicheren Herkunfts- staaten insbesondere um die Missachtung der Rechte von Homosexuellen geht . Ich möchte nicht missverstan- den werden: Auch ich sehe die Rechte Homosexueller in Algerien, Marokko und Tunesien in eklatanter Weise verletzt . Aber die Probleme sind viel weitergehender . Denn die Diskussion um die sicheren Herkunftsstaaten vermengt zwei Probleme miteinander, die nur marginal etwas miteinander zu tun haben . Einmal geht es um die politisch motivierte Verfolgung . Es geht um die, deren Leben und Freiheit aufgrund von Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischer Über- zeugung bedroht sind . Dafür brauchen wir ein funktio- nierendes Asylrecht . Hier muss man darüber diskutieren, ob die Rechte Homosexueller in Algerien, Marokko und Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 171 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 13 . Mai 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 171 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 13 . Mai 2016 16939 (A) (C) (B) (D) Tunesien ausreichend geschützt sind . Denn daran gibt es erhebliche Zweifel . Im anderen Fall geht es um Menschen, die nicht po- litisch motiviert verfolgt werden und trotzdem nicht in ihrem Land leben wollen oder können . Um diese Men- schen drehen sich jedoch die aktuellen Probleme, die wir lösen müssen . Ich möchte daran erinnern, was die Mo- tivation für das heute zur Abstimmung stehende Gesetz war . Die Motivation lag ganz unter dem Eindruck der Sil- vesterereignisse in Köln . Es ging darum, dass Gruppen junger Männer, die vor allem aus Algerien, Marokko und Tunesien gekommen sein sollen, Frauen vollkommen inakzeptabel belästigten . Mit dem heutigen Gesetz soll ein Signal gesetzt werden, dass weniger junge Männer aus diesen Ländern zu uns kommen . Dieses Signal soll vor allem hier in Deutschland ankommen, bei den Wäh- lerinnen und Wählern der Großen Koalition . Damit geht die Politik jedoch am Kern des Problems vorbei . Und es ist zu befürchten, dass sie dafür eine Quittung bekommt . Populistisch politisches Kapital schlagen – das können andere deutlich besser als diese Koalition . Es ist fatal, dass diese Koalition dem so auf den Leim geht . Das Signal, welches hier gesetzt werden soll, wird aber nicht bei den Menschen in Algerien, Marokko und Tunesien ankommen . Sie werden sich ganz bestimmt nicht von geänderten Vorschriften in deutschen Gesetzen abhalten lassen . Sie werden weiter in Nussschalen stei- gen und zu Tausenden ertrinken . Sie werden weiterhin einem florierenden kriminellen Schleppergewerbe hohe Umsätze garantieren . Wenn wir hier am Asylrecht herumschrauben, dann werden Migranten andere Wege suchen und finden. In erster Linie werden sie wahrscheinlich in die Illegalität abtauchen . Wir werden dann gar nicht mehr wissen, wie viele von ihnen hier in Deutschland leben und womit sie ihren Lebensunterhalt bestreiten . Mir leuchtet nicht ein, was wir damit gewinnen wollen . Die Probleme werden sich eher verschärfen . Das heutige Gesetz ist deswegen ein völlig falscher Weg . Was wir dagegen brauchen, ist ein klares und nach- vollziehbares Einwanderungsgesetz . Hierin könnten wir selbst festlegen, aus welchen Ländern welche Anzahl von Menschen mit welcher Qualifikation zu uns kommen und hier leben, lernen, arbeiten und Steuern zahlen können . Wer eine solche Perspektive hat, hat kaum noch einen An- reiz, sich mit der Perspektive auf schnelle Abschiebung auf eine gefährliche und teure Reise zu machen . Mit einem Einwanderungsgesetz können wir die Probleme lösen, vor denen wir derzeit stehen . Eine Debatte über sichere Herkunftsländer und die Gründe, die dafür und dagegen sprechen, bringt uns jedoch keinen Schritt weiter . Im Ge- genteil, wir werden mehr illegale Einwanderung mit allen damit zusammenhängenden Problemen bekommen . Anlage 5 Amtliche Mitteilungen ohne Verlesung Der Ausschuss für Wirtschaft und Energie hat mit- geteilt, dass er gemäß § 80 Absatz 3 Satz 2 der Geschäfts- ordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehen- den Vorlagen absieht: – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung zur Prognose der mit- telfristigen Entwicklung der EEG-Umlage Drucksachen 18/7208, 18/7276 Nr. 14 – Unterrichtung durch die Bundesregierung Ausschreibungsbericht nach § 99 des Erneuerba- re-Energien-Gesetzes Drucksachen 18/7287, 18/7417 Nr. 1.3 – Unterrichtung durch die Bundesregierung Nationales Reformprogramm 2016 Drucksache 18/8116 Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden Uni- onsdokumente zur Kenntnis genommen oder von einer Beratung abgesehen hat . Innenausschuss Drucksache 18/7127 Nr . A .2 Ratsdokument 14417/15 Drucksache 18/7127 Nr . A .3 Ratsdokument 14422/15 Drucksache 18/7422 Nr . A .5 Ratsdokument 14971/15 Ausschuss für Wirtschaft und Energie Drucksache 18/7612 Nr . A .25 Ratsdokument 5186/16 Drucksache 18/7733 Nr . A .16 Ratsdokument 5747/16 Drucksache 18/8140 Nr . A .14 Ratsdokument 7195/16 Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft Drucksache 18/7934 Nr . A .20 Ratsdokument 6311/16 Drucksache 18/8140 Nr . A .15 Ratsdokument 6993/16 Drucksache 18/8140 Nr . A .16 Ratsdokument 7027/16 Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur Drucksache 18/7733 Nr . A .18 Ratsdokument 5712/16 Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit Drucksache 18/8140 Nr . A .20 Ratsdokument 6742/16 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 171 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 13 . Mai 201616940 (A) (C) (B) (D) Drucksache 18/8140 Nr . A .21 Ratsdokument 6743/16 Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Drucksache 18/6146 Nr . A .14 Ratsdokument 11554/15 Drucksache 18/6855 Nr . A .8 Ratsdokument 13597/15 Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Drucksache 18/7934 Nr . A .25 Ratsdokument 5073/16 Drucksache 18/7934 Nr . A .29 Ratsdokument 6430/16 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 171 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 13 . Mai 2016 Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de 171. Sitzung Inhaltsverzeichnis TOP 17 Einstufung von Algerien, Marokko und Tunesien TOP 18 CETA-Abkommen TOP 19 Stärkung des Wettbewerbs im Eisenbahnbereich TOP 20 Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen TOP 21 Bericht zum Deutschlandstipendium TOP 22 Einsetzung eines Untersuchungsausschusses Anlagen Anlage 1 Anlage 2 Anlage 3 Anlage 4 Anlage 5
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Michael Frieser


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)


    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

    Herren! Es geht in keiner Weise darum, Menschenrechts-
    verletzungen kleinzureden . Das Gegenteil ist der Fall .
    Wer ein treffsicheres, ein funktionsfähiges, ein an Men-
    schenrechten orientiertes Asylsystem braucht und erhal-
    ten möchte, der muss sich notwendigerweise darüber
    Gedanken machen, wie er dieses Asylsystem tatsächlich
    durchführbar und organisierbar hält . Deutschland muss
    sich bei dieser Frage wirklich vor niemandem auf der
    Welt verstecken . Wir haben ein Asylsystem, in dem alles
    so gründlich, so tief und so genau aufgearbeitet wird wie
    nirgendwo sonst in der Welt . Genau dabei soll es auch
    bleiben .

    Was wir heute machen, ist eben gerade keine Symbol-
    politik nach innen, sondern es ist sehr wohl ein Signal .
    Denn wir sagen deutlich: Hier handelt es sich nur darum,
    dass wir eine Regelvermutung – ein fürchterliches Wort;
    was bedeutet es? – zulassen . Die eingängige, absolut
    gefestigte Rechtsprechung sowohl des Bundesverfas-
    sungsgerichtes als auch des Europäischen Gerichtshofes
    besagt, dass bei Ländern, in denen keine durchgängige
    und keine generelle Verfolgung herrscht, durchaus die
    Möglichkeit besteht, die Regelvermutung, dass es sich
    um sichere Herkunftsstaaten handelt, aufzustellen .

    Seien wir doch bitte einmal ehrlich: Die Zahlen zeigen,
    dass die Anerkennungsquoten gerade im Hinblick auf Al-
    gerien, Marokko und Tunesien von 0 Prozent bis gerade
    einmal 2 Prozent reichen . Was bedeutet das? Das bedeu-
    tet, dass tatsächlich Prüfungen der Einzelfälle stattfinden.
    Dadurch wird gewährleistet, dass eine Verfolgung, wenn
    es sie gibt, auch festgestellt wird . Eine Prüfung wird
    also definitiv auch nach der Einstufung als sicherer Her-
    kunftsstaat möglich sein . Das wollen wir . Das will unser

    Volker Beck (Köln)







    (A) (C)



    (B) (D)


    Rechtsstaat . Das sind wir unserem Asylrecht nach dem
    Grundgesetz auch schuldig . Dabei bleibt es .


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Ich bin mir nicht ganz sicher, warum Sie aus der
    Opposition versuchen, die Öffentlichkeit darüber zu
    täuschen, und behaupten, dass es sich hier um eine Ab-
    schaffung des Asylverfahrens im Einzelfall handelt . Das
    Gegenteil ist der Fall . Wir müssen auch einmal sehen,
    was die Menschen, die aus diesen Ländern kommen, zu
    ihren Asylverfahren beitragen . In den seltensten Fällen
    wird überhaupt ein Verfolgungsgrund nach dem Asyl-
    recht vorgetragen . In den seltensten Fällen erscheinen
    die jeweiligen Antragsteller in der Anhörung überhaupt .
    Das heißt natürlich – das ist menschlich verständlich –,
    dass sie einen anderen Zweck für ihre Reise bzw . Flucht
    nach Deutschland haben . Niemand will darüber den Stab
    brechen; aber eine Frage für das Asylverfahren ist das
    selbstverständlich nicht .

    Entscheidend war – das war mit Sicherheit nicht ganz
    leicht –, dass wir diese Länder in den Verhandlungen an
    eine Selbstverständlichkeit erinnert haben . Wir haben
    die Maghreb-Staaten Marokko, Tunesien und Algerien
    an die Pflicht zur Rücknahme ihrer Bürger erinnert. Man
    muss deutlich sagen, dass der Innenminister auf seiner
    Reise etwas sehr Unangenehmes getan hat: Er hat die
    Länder nämlich daran erinnert, dass es eine völkerrecht-
    liche Verpflichtung gibt. Letztendlich war das aber auch
    entscheidend und wichtig, um diesen Ländern bewusst
    zu machen, dass es einen Prozess in Europa, in Deutsch-
    land gibt, bei dem man sich auch mit der Situation der
    Menschenrechte in diesen Ländern genau beschäftigt .
    Ich sage es an dieser Stelle noch einmal deutlich, Herr
    Innenminister: Unseren herzlichen Dank für Ihre nicht
    einfache Reise in diese Länder, die Sie unternommen ha-
    ben, um die Menschen davon zu überzeugen, dass dieses
    Thema entscheidend und wichtig ist .


    (Beifall bei der CDU/CSU)


    Und da bin ich bei der außenpolitischen Komponen-
    te . Es ist grundfalsch, zu glauben, es betreffe nur die In-
    nenansicht, wenn sich die Politik mit dem Asylsystem
    beschäftigt . Wir haben über die Fehlanreize und die Si-
    gnale nach außen schon diskutiert . Aber die Reise des
    Innenministers in diese Länder bedeutet doch, dass wir
    dort einen Prozess mit anstoßen und dafür sorgen, dass
    ohnehin unbestreitbare Menschenrechtsverletzungen im
    Einzelfall thematisiert werden . Hier wollen wir auch die
    deutsche Öffentlichkeit nicht täuschen . Genau darum
    geht es: Auch mit Blick auf unser Asylsystem wollen
    wir darauf hinweisen, dass wir die Entwicklung dieser
    Länder durchaus betrachten müssen . Unsere Hilfe und
    unsere Entwicklungspolitik müssen einen wesentlichen
    Anreiz darstellen, die Anstrengungen dieser Länder, die
    durchaus vorhanden sind, zu unterstützen .

    Meine sehr verehrten Damen und Herren, es geht eben
    gerade nicht darum, diese Länder in irgendeiner Art und
    Weise mit einem Qualitätsstempel für eine unverbrüch-
    liche demokratische Entwicklung zu versehen . Es geht
    natürlich darum, unser Asylsystem funktionsfähig zu
    halten . Es geht aber auch darum, durch das Zusammen-

    wirken der Politik aus unserem Land heraus deutlich zu
    machen, dass wir Fehlanreize und den Migrationsdruck
    reduzieren . Am Ende des Tages geht es natürlich auch
    darum, dass wir helfen bzw . Hilfestellung leisten .

    Wir haben uns diesen Gesetzentwurf nicht leicht ge-
    macht . Ich glaube, auch diese Diskussion heute hat ge-
    zeigt, dass wir den Mitarbeitern beim BAMF und beim
    Innenministerium mit Blick auf die Verfahren sagen kön-
    nen: Es wird eine Einzelfallprüfung geben, und es wird
    nach wie vor eine Qualität des Verfahrens geben . – Aber
    am Ende des Tages müssen wir zur Kenntnis nehmen,
    dass dieser Gesetzentwurf nicht nur angemessen, son-
    dern auch notwendig, nach den Grundsätzen des Bundes-
    verfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofes
    verhältnismäßig und letztlich die einzig richtige Antwort
    ist, um unser Asylsystem treffsicher und, ja, auch human
    zu halten .

    Vielen Dank .


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)




Rede von Dr. Norbert Lammert
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

Ich schließe die Aussprache .

Wir kommen nun zur Abstimmung über den von der
Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes
zur Einstufung der drei Länder Volksrepublik Algerien,
Königreich Marokko und Tunesische Republik als siche-
re Herkunftsstaaten. Der Innenausschuss empfiehlt in sei-
ner Beschlussempfehlung auf der Drucksache 18/8311,
den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf der Druck-
sache 18/8039 anzunehmen . Ich darf diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen
bitten . – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Da-
mit ist der Gesetzentwurf in zweiter Beratung angenom-
men .

Ich weise darauf hin, dass mir zahlreiche persönliche
Erklärungen zur Abstimmung vorliegen, die wir wie üb-
lich dem Protokoll beifügen .1)

Dritte Beratung

und Schlussabstimmung . Wir stimmen nun über den
Gesetzentwurf namentlich ab, und ich bitte die Schrift-
führerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze
einzunehmen . – Ich eröffne die Schlussabstimmung über
den Gesetzentwurf .

Ist ein Mitglied im Hause anwesend, das seine Stimm-
karte noch nicht abgegeben hat? – Da zeigt sich doch ge-
legentlich der Vorzug der Mitgliedschaft in der Fußball-
mannschaft des Bundestages, dass man auch für einen
solchen Schlussspurt die nötige Kondition mitbringt .

Vergleichbare Fälle sind nicht erkennbar . Dann schlie-
ße ich die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen
und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen . Das
Ergebnis der Abstimmung teilen wir dann später mit .2)

1) Anlagen 2 bis 4
2) Ergebnis Seite 16876 D

Michael Frieser






(A) (C)



(B) (D)


Wir kommen nun zur Abstimmung über den Ent-
schließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
auf der Drucksache 18/8425 . Wer stimmt für diesen Ent-
schließungsantrag? – Wer stimmt dagegen? – Wer ent-
hält sich? – Das hat nicht gereicht, Frau Haßelmann; der
Entschließungsantrag ist abgelehnt . – Die Fraktion Die
Linke legt allergrößten Wert darauf, dass ihre Zustim-
mung zum nicht erfolgreichen Entschließungsantrag der
Fraktion der Grünen im Protokoll vermerkt wird, was mit
dieser Bemerkung sichergestellt ist, Frau Sitte .

Ich rufe nun die Tagesordnungspunkte 18 a und 18 b
auf:

a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Klaus
Ernst, Karin Binder, Susanna Karawanskij, wei-
terer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE

Vorläufige Anwendung des CETA-Abkom-
mens verweigern

Drucksache 18/8391

b) Beratung der Beschlussempfehlung und des
Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und
Energie (9 . Ausschuss) zu dem Antrag der Ab-
geordneten Klaus Ernst, Jan van Aken, Herbert
Behrens, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
DIE LINKE

Für eine lebendige Demokratie – Fairer Han-
del statt TTIP und CETA

Drucksachen 18/6818, 18/8128

Auch für diese Aussprache sind nach einer interfrakti-
onellen Vereinbarung 60 Minuten vorgesehen . – Das ist
unbestritten . Dann verfahren wir so .

Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem
Kollegen Klaus Ernst .


(Beifall bei der LINKEN)



  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Klaus Ernst


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE LINKE.)


    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

    Herren! Heute ist Freitag, der 13 ., und wir reden über
    das Gebaren der Bundesregierung zur Inkraftsetzung von
    CETA . Das passt irgendwie .

    CETA ist kein gutes Abkommen . Es ist ein Freihan-
    delsabkommen, dessen oberstes Ziel die weitere Libera-
    lisierung des Handels ist – Artikel 2 .1 . Es enthält eine
    Stillstandsklausel, nach der einmal Liberalisiertes nicht
    mehr zurückgenommen werden kann – Artikel 2 .6 . Im
    Übrigen: Es beinhaltet Sonderrechte für Unternehmen
    durch Schiedsgerichte . Egal ob sie privat oder öffentlich
    sind: Es sind Sonderrechte .


    (Beifall der Abg . Dr . Petra Sitte [DIE LINKE])


    Meine Damen und Herren, wenn Sie wirklich höhere
    und bessere Standards wollen würden, dann würde es rei-
    chen, ein internationales Verbraucherschutzabkommen

    auf den Weg zu bringen . Aber das wollen Sie ja gerade
    nicht .


    (Beifall bei der LINKEN sowie der Abg . Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Klaus Barthel [SPD]: Wollten Sie aber auch nicht bisher!)


    Heute geht es allerdings um die Frage, wie Sie das
    internationale Abkommen CETA gegen den Willen der
    Bürger – die Mehrheit ist inzwischen dagegen; das weiß
    man – durchsetzen wollen .


    (Max Straubinger [CDU/CSU]: Die meisten sind dafür! Sie haben nämlich uns gewählt!)


    Gerade jetzt ist Wirtschaftsminister Gabriel im
    EU-Ministerrat in Brüssel . Er will das Signal an die Öf-
    fentlichkeit senden, dass dieses Abkommen als gemisch-
    tes Abkommen bewertet wird . Was wäre die Folge? Die
    Folge wäre, dass auch die nationalen Parlamente dem
    Abkommen CETA zustimmen müssten, bevor es in Kraft
    gesetzt wird . Es soll also der Eindruck erweckt werden,
    dass die nationalen Parlamente beteiligt werden, und al-
    les ist gut .

    Leider – guckt genau hin, liebe Kolleginnen und Kol-
    legen! – ist das alles nur Show; denn im selben Moment
    macht die Bundesregierung Druck, um das Abkommen
    CETA möglichst schnell vorläufig anzuwenden. Was
    bedeutet das? Das Abkommen soll angewendet werden,
    bevor die nationalen Parlamente diese Frage ausreichend
    beraten und abgestimmt haben . Das ist eine Aushebelung
    der Parlamente .


    (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Max Straubinger [CDU/CSU]: Die Dinge, die eindeutig der EU zuzurechnen sind! – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Wir diskutieren doch jeden dritten Tag darüber!)


    Der unerträglichen Geheimniskrämerei um dieses
    Abkommen, die einige von Ihnen mit Freude verteidigt
    haben, folgt also noch ein Schritt mehr, nämlich die Aus-
    schaltung der nationalen Parlamente . Das ist nicht hin-
    nehmbar .


    (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Mäßiger Beifall bei den Linken!)


    Mit unserem Antrag wollen wir erreichen, dass diese
    Umgehung der nationalen Parlamente verhindert wird .
    Eine Inkraftsetzung von CETA darf es erst geben, wenn
    die nationalen Parlamente darüber beraten haben . Sonst
    entmachten wir uns hier selber .

    Ich will das erklären. Durch eine vorläufige Anwen-
    dung sollen die Vertragsteile, die in den Kompetenzbe-
    reich der EU fallen, noch vor dem Ratifizierungsprozess
    durch die Mitgliedstaaten und allein durch Beschluss des
    Ministerrates in Kraft treten . Als Entgegenkommen darf
    das Europäische Parlament davor über CETA abstim-
    men . Übrigens: Ein Recht darauf hat es nicht .


    (Dirk Wiese [SPD]: Erste Vorlesung Jura!)


    Präsident Dr. Norbert Lammert






    (A) (C)



    (B) (D)


    Lesen Sie die entsprechenden Bestimmungen nach!

    Doch bisher ist äußerst umstritten, welche Bereiche in
    den Kompetenzbereich der Mitglieder fallen und welche
    nicht . Das ist vollkommen offen . Die EU sagt nach wie
    vor: „Das ist alles unser Ding“, und die Nationalstaaten
    haben eigentlich gar nichts zu melden .

    Auch die Bundesregierung kann dazu weiterhin keine
    klare Auskunft geben – und das, obwohl seit Ende Fe-
    bruar der endgültige Vertragstext vorliegt . Die Bundesre-
    gierung ist der Auffassung, dass jedenfalls die CETA-Be-
    stimmungen zum Investitionsschutz und zur Beseitigung
    von Investitionsstreitigkeiten auch die Zuständigkeiten
    der Mitgliedstaaten berühren . Der Juristische Dienst des
    Rates der Europäischen Union ist wiederum gegenteili-
    ger Auffassung . Undurchsichtiger geht es wirklich kaum .

    Wir sehen: CETA ist ein äußerst kompliziertes und
    komplexes Abkommen .


    (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Da haben Sie mal etwas Richtiges über CETA gesagt!)


    Ein Aufsplitten in „EU only“-Teile und gemischte Teile
    ist weder sinnvoll noch möglich .


    (Beifall bei der LINKEN)


    Auch Professor Mayer von der Universität Bielefeld
    schreibt in einem Gutachten, das übrigens im Auftrag des
    Bundeswirtschaftsministeriums erstellt wurde:

    Wie ein Tropfen Pastis ein Glas Wasser trübt, ma-
    chen schon einzelne Teilaspekte eines Abkommens
    das Abkommen als Ganzes von der Zustimmung der
    Mitgliedstaaten abhängig .

    Ein Gutachten für das Wirtschaftsministerium . – Wenn
    man dem folgt, ist vollkommen klar, dass die Bundes-
    regierung im Rat keiner vorläufigen Anwendung eines
    solchen Abkommens zustimmen kann .


    (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Aber es kommt noch dicker . Die EU-Kommission, die
    offenlässt, ob CETA als Ganzes nicht doch in alleiniger

    EU-Zuständigkeit liegt, will diese Frage mit einem Gut-
    achten vom Europäischen Gerichtshof klären lassen, und
    zwar auf der Basis des Freihandelsabkommens mit Sin-
    gapur . Dieses Gutachten soll es allerdings erst nächstes
    Jahr geben. Vorher jedoch soll über eine vorläufige An-
    wendung entschieden werden . Was ist das denn, meine
    Damen und Herren? Da merkt man doch, dass die Leute
    hier hinter die Fichte geführt werden . Wenn wir da mit-
    machen, dann muss ich wirklich sagen: Das versteht kein
    Mensch mehr .


    (Beifall bei der LINKEN sowie der Abg . Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


    Dieses Abkommen – das kommt hinzu – ist bei den
    Bürgern höchst umstritten . Es wird gerade nach der Ge-
    heimniskrämerei eine Mitwirkung der Parlamente er-
    wartet. Aber die vorläufige Anwendung schafft Fakten,
    bevor die nationalen Parlamente entscheiden dürfen . Was
    würde passieren, wenn CETA nach einer vorläufigen In-
    kraftsetzung in den nationalen Abstimmungen durch-
    fällt? Glauben Sie, dass dann die Abkommen wieder
    rückholbar sind? Wenn man eine Schleuse öffnet, fließt
    das Wasser durch; das bekommt man nicht mehr zurück .
    Genauso ist es bei einem solchen Abkommen .

    Meine Damen und Herren, wir erwarten eine klare
    Haltung der Bundesregierung, dass es keine vorläufige
    Anwendung von CETA gibt . Wir erwarten, dass das deut-
    sche Parlament dem Minister in dieser Frage den Rücken
    stärkt und deshalb unserem Antrag zustimmt: Keine vor-
    läufige Anwendung von CETA!


    (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)