Plenarprotokoll 18/171
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16 mm Abstand oben
Deutscher Bundestag
Stenografischer Bericht
171. Sitzung
Berlin, Freitag, den 13. Mai 2016
Inhalt:
Tagesordnungspunkt 17:
Zweite und dritte Beratung des von der Bun-
desregierung eingebrachten Entwurfs eines
Gesetzes zur Einstufung der Demokrati-
schen Volksrepublik Algerien, des König-
reichs Marokko und der Tunesischen Repu-
blik als sichere Herkunftsstaaten
Drucksachen 18/8039, 18/8311 . . . . . . . . . . . . 16863 B
Dr . Thomas de Maizière, Bundesminister
BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16863 B
Ulla Jelpke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . 16865 B
Burkhard Lischka (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 16866 B
Luise Amtsberg (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16867 A
Nina Warken (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 16868 B
Andrej Hunko (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 16869 D
Sebastian Hartmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 16870 C
Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16872 C
Michael Frieser (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 16873 C
Namentliche Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . 16874 C
Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16876 D
Tagesordnungspunkt 18:
a) Antrag der Abgeordneten Klaus Ernst,
Karin Binder, Susanna Karawanskij, wei-
terer Abgeordneter und der Fraktion DIE
LINKE: Vorläufige Anwendung des
CETA-Abkommens verweigern
Drucksache 18/8391 . . . . . . . . . . . . . . . . . 16875 A
b) Beschlussempfehlung und Bericht des
Ausschusses für Wirtschaft und Energie zu
dem Antrag der Abgeordneten Klaus Ernst,
Jan van Aken, Herbert Behrens, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion DIE LIN-
KE: Für eine lebendige Demokratie –
Fairer Handel statt TTIP und CETA
Drucksachen 18/6818, 18/8128 . . . . . . . . . 16875 B
Klaus Ernst (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . 16875 B
Dr . Joachim Pfeiffer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 16879 B
Katharina Dröge (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16881 A
Klaus Barthel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16882 C
Dr . Petra Sitte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 16882 D
Klaus Ernst (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 16883 D
Peter Beyer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . 16884 C
Alexander Ulrich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 16886 B
Dirk Wiese (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16887 B
Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16888 B
Dirk Wiese (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16888 D
Max Straubinger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 16889 C
Klaus Ernst (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 16890 B
Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16891 C
Renate Künast (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16892 A
Klaus Barthel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16892 D
Dr . Nina Scheer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16893 C
Rainer Spiering (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16894 B
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 171 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 13 . Mai 2016II
Tagesordnungspunkt 19:
Erste Beratung des von der Bundesregierung
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur
Stärkung des Wettbewerbs im Eisenbahn-
bereich
Drucksache 18/8334 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16895 B
Enak Ferlemann, Parl . Staatssekretär
BMVI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16895 C
Sabine Leidig (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 16896 C
Kirsten Lühmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 16897 C
Matthias Gastel (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16899 A
Dirk Fischer (Hamburg) (CDU/CSU) . . . . . . . 16900 A
Martin Burkert (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16901 B
Tagesordnungspunkt 20:
Unterrichtung durch die Bundesregierung:
Bericht der Bundesregierung zum Deutsch-
landstipendium über die Ergebnisse der
Evaluation nach § 15 des Stipendienpro-
gramm-Gesetzes und der Begleitforschung
Drucksache 18/7890 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16902 C
Thomas Rachel, Parl . Staatssekretär
BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16902 D
Nicole Gohlke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 16904 A
Dr . Thomas Feist (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 16904 C
Marianne Schieder (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 16905 D
Kai Gehring (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16907 B
Sybille Benning (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 16908 D
Swen Schulz (Spandau) (SPD) . . . . . . . . . . . . 16910 B
Cemile Giousouf (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 16912 A
Tagesordnungspunkt 21:
Antrag der Abgeordneten Anja Hajduk, Britta
Haßelmann, Kerstin Andreae, weiterer Abge-
ordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN: Die Neuordnung der Bund-Län-
der-Finanzbeziehungen jetzt angehen
Drucksache 18/8079 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16913 C
Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16913 D
Ralph Brinkhaus (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 16915 B
Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16917 B
Dr . Axel Troost (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 16918 A
Carsten Schneider (Erfurt) (SPD) . . . . . . . . . . 16919 B
Dr . Axel Troost (DIE LINKE) . . . . . . . . . . 16920 C
Bartholomäus Kalb (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 16921 B
Johannes Kahrs (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16922 C
Tagesordnungspunkt 22:
Antrag der Abgeordneten Oliver Krischer,
Herbert Behrens, Dr . Anton Hofreiter,
Dr . Sahra Wagenknecht, Dr . Dietmar Bartsch,
Stephan Kühn (Dresden) und weiterer Abge-
ordneter: Einsetzung eines Untersuchungs-
ausschusses
Drucksache 18/8273 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16923 D
Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16923 D
Ulrich Lange (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 16925 A
Herbert Behrens (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 16926 C
Kirsten Lühmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 16927 D
Oliver Wittke (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 16929 A
Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16931 A
Oliver Wittke (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 16931 B
Arno Klare (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16932 A
Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16933 C
Berichtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16933 A
Anlage 1
Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . . 16935 A
Anlage 2
Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten
Kerstin Griese, Heike Baehrens, Dr . Matthias
Bartke, Willi Brase, Bernhard Daldrup,
Dr . Daniela De Ridder, Michaela Engelmeier,
Saskia Esken, Martin Gerster, Angelika
Glöckner, Wolfgang Hellmich, Petra Hinz (Es-
sen), Frank Junge, Gabriele Lösekrug-Möller,
Bettina Müller, Michelle Müntefering, Markus
Paschke, Detlev Pilger, Johann Saathoff,
Annette Sawade, Dr . Dorothee Schlegel und
Gabi Weber (alle SPD) zu der namentlichen
Abstimmung über den von der Bundesregie-
rung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes
zur Einstufung der Demokratischen Volksre-
publik Algerien, des Königreichs Marokko
und der Tunesischen Republik als sichere Her-
kunftsstaaten
(Tagesordnungspunkt 17) . . . . . . . . . . . . . . . . 16935 D
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 171 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 13 . Mai 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 171 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 13 . Mai 2016 III
Anlage 3
Erklärung nach § 31 GO der Abgeordne-
ten Volker Beck (Köln), Luise Amtsberg,
Agnieszka Brugger, Katja Dörner, Katja Keul,
Maria Klein-Schmeink, Monika Lazar, Peter
Meiwald, Irene Mihalic, Dr . Konstantin von
Notz, Lisa Paus, Claudia Roth (Augsburg),
Corinna Rüffer, Ulle Schauws und Beate
Walter-Rosenheimer (alle BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN) zu der namentlichen Abstimmung
über den von der Bundesregierung eingebrach-
ten Entwurf eines Gesetzes zur Einstufung der
Demokratischen Volksrepublik Algerien, des
Königreichs Marokko und der Tunesischen
Republik als sichere Herkunftsstaaten
(Tagesordnungspunkt 17) . . . . . . . . . . . . . . . . 16936 B
Anlage 4
Erklärungen nach § 31 GO zu der namentli-
chen Abstimmung über den von der Bundesre-
gierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes
zur Einstufung der Demokratischen Volksre-
publik Algerien, des Königreichs Marokko
und der Tunesischen Republik als sichere Her-
kunftsstaaten
(Tagesordnungspunkt 17) . . . . . . . . . . . . . . . . 16937 B
Dr. Karamba Diaby (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 16937 B
Gabriele Hiller-Ohm (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 16937 C
Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16938 A
Dr. Nina Scheer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16938 B
Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16938 C
Anlage 5
Amtliche Mitteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16939 B
Textrahmenoptionen:
30,5 mm Abstand oben
(A) (C)
(B) (D)
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 171 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 13 . Mai 2016 16863
171. Sitzung
Berlin, Freitag, den 13. Mai 2016
Beginn: 9 .00 Uhr
Berichtigung
170 . Sitzung, Seite 16799 A, zweiter Absatz, letzter
Satz, ist wie folgt zu lesen: „Deshalb steht im Gesetz
auch, dass es zwingend notwendig ist, dass eine Heb-
amme bei der Geburt dabei ist, aber nicht unbedingt ein
Arzt .“
Arno Klare
(A) (C)
(B) (D)
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 171 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 13 . Mai 2016 16935
Anlagen zum Stenografischen Bericht
Anlage 1
Liste der entschuldigten Abgeordneten
Abgeordnete(r)
entschuldigt bis
einschließlich
Bas, Bärbel SPD 13 .05 .2016
Bosbach, Wolfgang CDU/CSU 13 .05 .2016
Braun, Dr . Helge CDU/CSU 13 .05 .2016
Connemann, Gitta CDU/CSU 13 .05 .2016
Ehrmann, Siegmund SPD 13 .05 .2016
Funk, Alexander CDU/CSU 13 .05 .2016
Gabriel, Sigmar SPD 13 .05 .2016
Grindel, Reinhard CDU/CSU 13 .05 .2016
Heider, Dr . Matthias CDU/CSU 13 .05 .2016
Hendricks, Dr . Barbara SPD 13 .05 .2016
Hintze, Peter CDU/CSU 13 .05 .2016
Ilgen, Matthias SPD 13 .05 .2016
Kiesewetter, Roderich CDU/CSU 13 .05 .2016
Körber, Carsten CDU/CSU 13 .05 .2016
Lämmel, Andreas G . CDU/CSU 13 .05 .2016
Lange (Backnang),
Christian
SPD 13 .05 .2016
Lerchenfeld, Philipp
Graf
CDU/CSU 13 .05 .2016
Ludwig, Daniela CDU/CSU 13 .05 .2016
Maisch, Nicole BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
13 .05 .2016
Mast, Katja SPD 13 .05 .2016
Nahles, Andrea SPD 13 .05 .2016
Pflugradt, Jeannine SPD 13 .05 .2016
Poß, Joachim SPD 13 .05 .2016
Rief, Josef CDU/CSU 13 .05 .2016
Riesenhuber, Dr . Heinz CDU/CSU 13 .05 .2016
Röspel, René SPD 13 .05 .2016
Abgeordnete(r)
entschuldigt bis
einschließlich
Schiefner, Udo SPD 13 .05 .2016
Schlecht, Michael DIE LINKE 13 .05 .2016
Schmidt (Fürth),
Christian
CDU/CSU 13 .05 .2016
Schuster (Weil am
Rhein), Armin
CDU/CSU 13 .05 .2016
Steiniger, Johannes CDU/CSU 13 .05 .2016
Steinmeier, Dr . Frank-
Walter
SPD 13 .05 .2016
Strobl (Heilbronn),
Thomas
CDU/CSU 13 .05 .2016
Thönnes, Franz SPD 13 .05 .2016
Veit, Rüdiger SPD 13 .05 .2016
Whittaker, Kai CDU/CSU 13 .05 .2016
Wicklein, Andrea SPD 13 .05 .2016
Weisgerber, Dr . Anja CDU/CSU 13 .05 .2016
Anlage 2
Erklärung nach § 31 GO
der Abgeordneten Kerstin Griese, Heike Baehrens,
Dr. Matthias Bartke, Willi Brase, Bernhard
Daldrup, Dr. Daniela De Ridder, Michaela
Engelmeier, Saskia Esken, Martin Gerster,
Angelika Glöckner, Wolfgang Hellmich, Petra Hinz
(Essen), Frank Junge, Gabriele Lösekrug-Möller,
Bettina Müller, Michelle Müntefering, Markus
Paschke, Detlev Pilger, Johann Saathoff, Annette
Sawade, Dr. Dorothee Schlegel und Gabi Weber
(alle SPD) zu der namentlichen Abstimmung über
den von der Bundesregierung eingebrachten Ent-
wurf eines Gesetzes zur Einstufung der Demokra-
tischen Volksrepublik Algerien, des Königreichs
Marokko und der Tunesischen Republik als sichere
Herkunftsstaaten (Tagesordnungspunkt 17)
Die Ausweitung der Einstufung von Ländern als si-
chere Herkunftsstaaten sehen wir grundsätzlich als pro-
blematisch an . Unser Asylrecht beruht auf dem indivi-
duellen Grundrecht auf Asyl, das eine Einzelfallprüfung
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 171 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 13 . Mai 201616936
(A) (C)
(B) (D)
zwingend verlangt . Wir legen großen Wert darauf, dass
dieses Grundrecht in jedem Einzelfall erhalten bleibt und
zu einer individuellen Prüfung jedes einzelnen Schick-
sals führt, wenn Gründe für eine Verfolgung im Her-
kunftsland vorgetragen werden . Auch wenn die Anerken-
nungsquote bei den im hier vorliegenden Gesetzentwurf
genannten Ländern niedrig ist, verdient jeder Einzelfall
Beachtung .
Statt einer Ausweitung des Systems der „sicheren
Herkunftsstaaten“ brauchen wir eine europäische Flücht-
lingspolitik, die die Flüchtlinge auf die europäischen
Länder verteilt . Wir erkennen an, dass dies das Bemühen
der Bundesregierung ist . Weiterhin brauchen wir – gera-
de um das Asylrecht in seiner Bedeutung zu erhalten und
zu stärken – andere, legale Wege, wie Menschen nach
Deutschland kommen können, die keinen Asylgrund
haben, aber bei uns leben und arbeiten wollen, wie zum
Beispiel ein echtes Einwanderungsgesetz .
Wir betonen ausdrücklich, dass die Bundesregierung
alle zwei Jahre einen Bericht vorlegen muss, ob die Vo-
raussetzungen für die Einstufung als sicherer Herkunfts-
staat weiter vorliegen . Das ermöglicht auch, Staaten
wieder von dieser Liste zu nehmen . Diese Überprüfung
halten wir für sinnvoll und wichtig .
Die Einstufung der Länder Algerien, Marokko und
Tunesien als sichere Herkunftsstaaten haben die Vorsit-
zenden der die Regierungskoalition tragenden Parteien
im Rahmen eines Gesamtkonzeptes zur Optimierung und
Beschleunigung der Asylverfahren beschlossen . Ziel ist
dabei, schneller Rechtssicherheit herzustellen, damit die-
jenigen Flüchtlinge, die bei uns bleiben werden, schnell
integriert werden können und alle dafür notwendigen
Maßnahmen erhalten, aber auch damit diejenigen Flücht-
linge, die keinen Bleibegrund haben, schneller wissen,
dass sie unser Land wieder verlassen müssen . Da wir die-
se Vereinbarung mittragen, stimmen wir dem vorliegen-
den Gesetzentwurf trotz grundsätzlicher Bedenken zu .
Anlage 3
Erklärung nach § 31 GO
der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Luise
Amtsberg, Agnieszka Brugger, Katja Dörner, Kai
Gehring, Katja Keul, Sven-Christian Kindler,
Maria Klein-Schmeink, Monika Lazar, Peter
Meiwald, Irene Mihalic, Dr. Konstantin von
Notz, Lisa Paus, Claudia Roth (Augsburg),
Corinna Rüffer, Ulle Schauws und Beate Walter-
Rosenheimer (alle BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
zu der namentlichen Abstimmung über den von
der Bundesregierung eingebrachten Entwurf ei-
nes Gesetzes zur Einstufung der Demokratischen
Volksrepublik Algerien, des Königreichs Marokko
und der Tunesischen Republik als sichere Her-
kunftsstaaten (Tagesordnungspunkt 17)
Algerien, Marokko und Tunesien sind keine sicheren
Herkunftsstaaten .
Im Bundestag stimmen wir heute gegen das Gesetz zur
Einstufung der Demokratischen Volksrepublik Algerien,
des Königreichs Marokko und der Tunesischen Republik
als sichere Herkunftsstaaten (Drucksache 18/8039) . Wir
erklären zur Abstimmung gemäß § 31 der Geschäftsord-
nung des Deutschen Bundestages:
Das Konzept der sicheren Herkunftsstaaten höhlt das
individuelle Grundrecht auf Asyl aus und steht mit dem
Verbot der Diskriminierung von Flüchtlingen wegen ih-
rer Herkunft, das in der Genfer Flüchtlingskonvention
verankert ist, nicht im Einklang . Die Anwendung des
Konzepts soll die Asylverfahren beschleunigen und die
Behörden von Bund, Ländern und Kommunen entlas-
ten . Dies ist ein wichtiges Anliegen, rechtfertigt jedoch
nicht die erhebliche Beschränkung von Verfahrensrech-
ten, Rechtsschutzmöglichkeiten sowie sozialen und wirt-
schaftlichen Rechten von Schutzsuchenden . Deshalb leh-
nen wir das Konzept der sicheren Herkunftsstaaten ab .
Die Bestimmung sicherer Herkunftsstaaten setzt nach
den Vorgaben des Grundgesetzes und der EU-Verfah-
rensrichtlinie voraus, dass landesweit Sicherheit vor poli-
tischer Verfolgung für alle Personen- und Bevölkerungs-
gruppen besteht . Diese Voraussetzung ist in Algerien,
Marokko und Tunesien nicht erfüllt . Daher begegnet das
vorliegende Gesetz auch erheblichen verfassungsrechtli-
chen und unionsrechtlichen Bedenken .
Der Sachverständige Dr . Marx hat in der öffentlichen
Anhörung unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundes-
verfassungsgerichts vom 14 . Mai 1996 (BVerfGE 94, 115)
zutreffend ausgeführt: „Ebensowenig darf der Gesetzge-
ber einen Staat, in dem nur Angehörige einer bestimm-
ten Minderheit, nicht hingegen andere dieser Minderheit
nicht angehörende Personen verfolgt oder misshandelt
werden, für sicher erklären . Anhaltspunkte dafür, dass
der verfassungsändernde Gesetzgeber die Bestimmung
eines Landes zum sicheren Herkunftsstaat auch dann
vorsehen wollte, wenn zwar bestimmte Personen- und
Bevölkerungsgruppen von Verfolgung oder Misshand-
lung nicht betroffen, eine oder mehrere andere Gruppen
hingegen derartigen Maßnahmen ausgesetzt sind, lassen
sich weder dem Wortlaut von Artikel 16 a Absatz 3 Satz 1
GG noch den Materialien zum Gesetzgebungsverfahren
entnehmen .“ (Ausschussdrucksache 18(4)546 B, S . 3) .
In Algerien, Marokko und Tunesien werden Journa-
listinnen und Journalisten, Bloggerinnen und Blogger,
Oppositionspolitikerinnen und Oppositionspolitiker,
Menschenrechtsaktivistinnen und Menschenrechtsakti-
visten und weitere Personen, die sich kritisch zur Politik
der jeweiligen Regierung äußern und verhalten, teilweise
erheblich in ihrer Arbeit beeinträchtigt, eingeschüchtert,
bedroht und an der Wahrnehmung ihrer Menschenrechte
und persönlichen Freiheiten gehindert .
In allen drei Staaten werden Frauen durch die Rechts-
ordnung, von den Behörden und im Alltag teilweise
erheblich diskriminiert und von der Partizipation am
politischen, kulturellen und gesellschaftlichen Leben
ausgeschlossen; in nicht nur vereinzelten Fällen sind sie
von Zwangsverheiratung betroffen . Einvernehmliche
gleichgeschlechtliche Handlungen werden von hohen
Gefängnisstrafen bedroht; Lesben, Schwule, Bi-, Trans-
und Intersexuelle sind im Alltag Diskriminierung und
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 171 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 13 . Mai 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 171 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 13 . Mai 2016 16937
(A) (C)
(B) (D)
Gewalt ausgesetzt, ohne auf den Schutz der staatlichen
Behörden vertrauen zu können .
Algerien, Marokko und Tunesien haben die Todes-
strafe nicht abgeschafft; die Sicherheitsbehörden sind für
nicht nur vereinzelte Fälle erniedrigender und unmensch-
licher Behandlung, insbesondere in Gewahrsams- und
Hafteinrichtungen, verantwortlich, ohne dass sie dafür
von staatlichen Stellen effektiv zur Rechenschaft gezo-
gen werden .
Marokko verbietet und verfolgt nach wie vor Kritik
an der fortdauernden Besetzung der Westsahara und
beeinträchtigt dadurch die freie Selbstbestimmung des
sahrauischen Volkes; die Sahrauis und Menschen, die
sich kritisch zur Westsahara-Politik der marokkanischen
Regierung äußern, werden an der effektiven Wahrneh-
mung ihrer persönlichen Freiheiten in vielerlei Hinsicht
und in erheblichem Maße gehindert . Wegen der seit
dem Jahr 1975 fortdauernden Besetzung des Gebiets
der Westsahara begegnet die Bestimmung Marokkos
zum sicheren Herkunftsstaat nicht nur menschenrecht-
lichen und außenpolitischen, sondern auch praktischen
Bedenken . Schon die Frage, ob dauerhaft im Gebiet der
Westsahara lebende Sahrauis marokkanische Staatsange-
hörige sind und damit von der Bestimmung Marokkos
zum sicheren Herkunftsstaat betroffen wären, ist nicht
eindeutig zu beantworten, da die Rechtsauffassung der
Bundesregierung, der marokkanischen Regierung und
der Frente Polisario als einzig in Betracht kommender
legitimer Vertretung des sahrauischen Volkes nicht über-
einstimmen .
Die Bundesregierung hat es nicht vermocht, dieser
Kritik überzeugende Argumente entgegenzusetzen . Die
fristgemäße Beantwortung der Kleinen Anfragen unse-
rer Fraktion zur Menschenrechtslage in Algerien, Ma-
rokko und Tunesien (Drucksachen 18/8192, 18/8193
und 18/8194) hat sie versäumt und dadurch die Berück-
sichtigung ihrer Antworten im Gesetzgebungsverfahren
vereitelt . Ihre Antworten auf mehrere parlamentarische
Fragen in diesem Zusammenhang vermochten es nicht,
die bestehenden Zweifel an der Vereinbarkeit des Gesetz-
entwurfs mit dem Grundgesetz auszuräumen (vgl . Plen-
arprotokolle vom 17 .02 .2016, S . 15166 ff ., 24 .02 .2016,
S . 15450 ff ., 27 .04 .2016, S . 16345) .
Daher lehnen wir dieses Gesetz auch aus rechtlichen
Erwägungen ab .
Anlage 4
Erklärungen nach § 31 GO
zu der namentlichen Abstimmung über den von
der Bundesregierung eingebrachten Entwurf ei-
nes Gesetzes zur Einstufung der Demokratischen
Volksrepublik Algerien, des Königreichs Marokko
und der Tunesischen Republik als sichere Her-
kunftsstaaten (Tagesordnungspunkt 17)
Dr. Karamba Diaby (SPD): Bei Abstimmungen mit
erheblicher Reichweite oder auch bei Gewissensfragen
nehme ich für mich das Recht eines jeden Abgeordneten
nach Artikel 38 (1) des Grundgesetzes in Anspruch, mei-
nem Gewissen folgend frei zu entscheiden . Angesichts
der menschrechtlichen Lage in Algerien, Marokko und
Tunesien und unter Berücksichtigung bestehender inter-
nationaler Regelungen im Hinblick auf die Gestaltung
des Asylverfahrens stimme ich dem oben genannten Ge-
setzentwurf nicht zu .
Die Gründe hierfür sind im Einzelnen:
Die Menschenrechtslage in den oben genannten
Staaten ist problematisch . Kritische Aktivisten werden
verfolgt, Aussagen unter Folter erzwungen, die Mei-
nungs- und Versammlungsfreiheit ist eingeschränkt und
Homosexualität in Tunesien und Marokko unter Strafe
gestellt . Ausgehend von diesen Beobachtungen ist eine
Einstufung als „sichere Herkunftsstaaten“ nicht zu recht-
fertigen .
Die Einzelfallprüfung von Personen aus sicheren Her-
kunftsstaaten ist nicht gewahrt, da der Asylantrag als
offensichtlich unbegründet abgelehnt wird . Diese pau-
schale Vermutung hat zur Folge, dass das Asylverfahren
beschleunigt wird und die Rechtsmittelfristen auf eine
Woche verkürzt werden . Damit ist eine individuelle und
unvoreingenommene Prüfung von Anträgen auf interna-
tionalen Schutz, wie sie von der Genfer Flüchtlingskon-
vention (GFK) und der Europäischen Menschenrechts-
konvention (EMRK) gefordert wird, nicht möglich .
Gabriele Hiller-Ohm (SPD): Die Ausweitung der
Einstufung von Ländern als sichere Herkunftsstaaten
sehe ich als problematisch an . Unser Asylrecht beruht
auf dem individuellen Grundrecht auf Asyl, das eine
Einzelfallprüfung zwingend verlangt . Dieses Grundrecht
bleibt auch für Verfolgte aus sicheren Herkunftsstaaten
in jedem Einzelfall erhalten und führt zu einer individu-
ellen Prüfung jedes einzelnen Schicksals, wenn Gründe
für eine Verfolgung im Herkunftsland vorgetragen wer-
den . Auch wenn die Anerkennungsquote bei den im hier
vorliegenden Gesetzentwurf genannten Ländern niedrig
ist, ist es richtig, dass jeder Einzelfall Beachtung findet.
Statt einer Ausweitung des Systems der „sicheren
Herkunftsstaaten“ brauchen wir eine europäische Flücht-
lingspolitik, die die Flüchtlinge auf die europäischen
Länder verteilt . Ich erkenne an, dass dies das Bemühen
der Bundesregierung ist . Weiterhin brauchen wir – gera-
de um das Asylrecht in seiner Bedeutung zu erhalten und
zu stärken – andere, legale Wege, wie Menschen nach
Deutschland kommen können, die keinen Asylgrund
haben, aber bei uns leben und arbeiten wollen, wie zum
Beispiel ein echtes Einwanderungsgesetz .
Ich betone ausdrücklich, dass die Bundesregierung
alle zwei Jahre einen Bericht vorlegen muss, ob die Vo-
raussetzungen für die Einstufung als sicherer Herkunfts-
staat weiter vorliegen . Das ermöglicht auch, Staaten wie-
der von dieser Liste zu nehmen . Diese Überprüfung halte
ich für sinnvoll und wichtig .
Die Einstufung der Länder Algerien, Marokko und
Tunesien als sichere Herkunftsstaaten haben die Vorsit-
zenden der die Regierungskoalition tragenden Parteien
im Rahmen eines Gesamtkonzeptes zur Optimierung und
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 171 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 13 . Mai 201616938
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Beschleunigung der Asylverfahren beschlossen . Ziel ist
dabei, schneller Rechtssicherheit herzustellen, damit die-
jenigen Flüchtlinge, die bei uns bleiben werden, schnell
integriert werden können und alle dafür notwendigen
Maßnahmen erhalten, aber auch damit diejenigen Flücht-
linge, die keinen Bleibegrund haben, schneller wissen,
dass sie unser Land wieder verlassen müssen . Da ich die-
se Vereinbarung mittrage, stimme ich dem vorliegenden
Gesetzentwurf trotz Bedenken zu .
Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich
stimme heute gegen den Gesetzentwurf der Großen Koa-
lition zur Einstufung der Demokratischen Volksrepublik
Algerien, des Königreichs Marokko und der Tunesischen
Republik als sichere Herkunftsstaaten .
Unbenommen grundsätzlicher Kritik meiner Partei am
Instrument der Klassifizierung sicherer Herkunftsstaaten,
ist der vorliegende Gesetzentwurf für mich nicht tragbar,
auch wenn mir klar ist, dass nach der Einstufung dieser
Länder deren Staatsangehörigen der Rechtsweg für eine
individuelle Behandlung von Asylanträgen nicht grund-
sätzlich versperrt sein wird .
Jenseits der von meiner Fraktion vorgetragenen Grün-
de für eine Ablehnung halte ich die Vermengung der drei
Länder im Gesetzentwurf von Union und SPD für un-
tragbar . So wäre es logisch, die positive Entwicklung der
letzten Jahre in Tunesien zu validieren . Doch verhindert
die Vermengung sogar dies . Denn die Menschenrechtsla-
ge in Algerien ist dramatisch schlecht . In Marokko ist sie
eindeutig besser als in Algerien . Dennoch ist die Tatsa-
che, dass die Gruppe der Sahrauis nach Verabschiedung
des Gesetzentwurfs asylrechtlich als marokkanische
Staatsangehörige behandelt wird, die politische Aner-
kennung eines völkerrechtswidrigen Zustands, solange
es keine politische Lösung für den Konflikt in Westsaha-
ra gibt .
Dr. Nina Scheer (SPD): Grundsätzlich halte ich es
mit Blick auf das Rechtsschutzbedürfnis von Flüchtlin-
gen, aber auch die gegenwärtig sehr hohe Zahl zu be-
arbeitender Anträge für erforderlich, Wege der Verfah-
rensbeschleunigung zu suchen . Lange Verfahrenszeiten
stellen nicht zuletzt eine psychische Belastung für die
Betroffenen dar und erschweren die Integration .
Schritte der Verfahrensbeschleunigung sollten dabei
aber immer in einem ausgewogenen Verhältnis zu den
Einschränkungen an Rechtsschutz stehen, die hierbei in
Bezug auf die Schutzsuchenden entstehen können .
An die Einstufung als sogenannter sicherer Herkunfts-
staat ist eine Verfahrensbeschleunigung geknüpft, aber
auch eine Beweislastumkehr . Mit der Einstufung von
Tunesien, Algerien und Marokko als sichere Herkunfts-
staaten wird an die niedrige Anerkennungsquote von dort
Flüchtenden angeknüpft . 99,3 Prozent aller Anträge von
Flüchtenden aus diesen drei Staaten werden danach ak-
tuell abgelehnt .
Vor dem Hintergrund der individuellen Schutzbedürf-
tigkeit, die das Asylrecht richtigerweise zuerkennt, und
der Erkenntnis, dass zumindest in Marokko von Folter
und weiteren Menschenrechtsverletzungen ausgegangen
werden muss, erachte ich die Anerkennung als sichere
Herkunftsstaaten für sich genommen als nicht gerecht-
fertigt . Mit der Einstufung von Staaten als sichere Her-
kunftsstaaten wird ein sachlich nicht zu begründender
Anschein von Rechtsstaatlichkeit erzeugt . Es besteht zu-
dem die Gefahr, dass mit dem Anschein die in den betref-
fenden Staaten erfolgenden Menschenrechtsverletzun-
gen in den Hintergrund treten und somit der Druck auf
einen Veränderungsprozess in den betreffenden Staaten
abnimmt . Zugleich muss allerdings auch erkannt werden,
dass trotz dieser Einstufung der Asylschutz in Deutsch-
land im Grundsatz bestehen bleibt, auch wenn sie den
Rechtsschutz verengt .
Die heutige Entscheidung steht sachlich in dem Kon-
text der koalitionären Einigung vom 5 . November 2015
und 28 . Januar 2016 über das Asylpaket II . Die nun
bereits einige Monate zurückliegende Einigung stellte
insbesondere vor dem Hintergrund des anschwellenden
Rechtsextremismus auch die Regierungsfähigkeit der
Bundesregierung in Frage und erforderte auch vor die-
sem Hintergrund eine stabile Einigung . Die Einigung
war trotz großer Differenzen zwischen den Koalitions-
partnern zustande gekommen, wovon jene somit auch in
Form von Kompromissen gekennzeichnet ist . In diesem
Zusammenhang steht auch die heutige Entscheidung über
die Einstufung von Tunesien, Marokko und Algerien als
sichere Herkunftsstaaten, der ich vor diesem Hintergrund
trotz der genannten inhaltlichen Vorbehalte zustimme .
Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Das Prinzip der sogenannten „Sicheren Herkunftsstaa-
ten“ löst nicht die Probleme die wir lösen müssen . Auch
eine Ausweitung der Länderliste auf Marokko, Algerien
und Tunesien ist daher nicht sinnvoll . Das ganze Prin-
zip gehört auf den Prüfstand . Denn es versucht, die Pro-
blematik heutiger Migrationsbewegungen mit einem
Verwaltungserlass zu lösen . Der Bundestag als Gesetz-
geber drückt sich damit um die Beantwortung wichtiger
gesamtgesellschaftlicher Fragen . Statt grundlegende Lö-
sungen zu erarbeiten, unter welchen Bedingungen wer zu
uns kommen kann, beschäftigen wir uns mit Detailfra-
gen . Dies ist daran zu erkennen, dass sich Bundesregie-
rung, Bundesrat und leider auch meine Fraktion in ihrem
Entschließungsantrag vor allem darum streiten, dass es
bei der Ausweitung der Liste der sicheren Herkunfts-
staaten insbesondere um die Missachtung der Rechte
von Homosexuellen geht . Ich möchte nicht missverstan-
den werden: Auch ich sehe die Rechte Homosexueller
in Algerien, Marokko und Tunesien in eklatanter Weise
verletzt . Aber die Probleme sind viel weitergehender .
Denn die Diskussion um die sicheren Herkunftsstaaten
vermengt zwei Probleme miteinander, die nur marginal
etwas miteinander zu tun haben .
Einmal geht es um die politisch motivierte Verfolgung .
Es geht um die, deren Leben und Freiheit aufgrund von
Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, Zugehörigkeit zu
einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischer Über-
zeugung bedroht sind . Dafür brauchen wir ein funktio-
nierendes Asylrecht . Hier muss man darüber diskutieren,
ob die Rechte Homosexueller in Algerien, Marokko und
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 171 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 13 . Mai 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 171 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 13 . Mai 2016 16939
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Tunesien ausreichend geschützt sind . Denn daran gibt es
erhebliche Zweifel .
Im anderen Fall geht es um Menschen, die nicht po-
litisch motiviert verfolgt werden und trotzdem nicht in
ihrem Land leben wollen oder können . Um diese Men-
schen drehen sich jedoch die aktuellen Probleme, die wir
lösen müssen . Ich möchte daran erinnern, was die Mo-
tivation für das heute zur Abstimmung stehende Gesetz
war . Die Motivation lag ganz unter dem Eindruck der Sil-
vesterereignisse in Köln . Es ging darum, dass Gruppen
junger Männer, die vor allem aus Algerien, Marokko und
Tunesien gekommen sein sollen, Frauen vollkommen
inakzeptabel belästigten . Mit dem heutigen Gesetz soll
ein Signal gesetzt werden, dass weniger junge Männer
aus diesen Ländern zu uns kommen . Dieses Signal soll
vor allem hier in Deutschland ankommen, bei den Wäh-
lerinnen und Wählern der Großen Koalition . Damit geht
die Politik jedoch am Kern des Problems vorbei . Und es
ist zu befürchten, dass sie dafür eine Quittung bekommt .
Populistisch politisches Kapital schlagen – das können
andere deutlich besser als diese Koalition . Es ist fatal,
dass diese Koalition dem so auf den Leim geht .
Das Signal, welches hier gesetzt werden soll, wird
aber nicht bei den Menschen in Algerien, Marokko und
Tunesien ankommen . Sie werden sich ganz bestimmt
nicht von geänderten Vorschriften in deutschen Gesetzen
abhalten lassen . Sie werden weiter in Nussschalen stei-
gen und zu Tausenden ertrinken . Sie werden weiterhin
einem florierenden kriminellen Schleppergewerbe hohe
Umsätze garantieren .
Wenn wir hier am Asylrecht herumschrauben, dann
werden Migranten andere Wege suchen und finden. In
erster Linie werden sie wahrscheinlich in die Illegalität
abtauchen . Wir werden dann gar nicht mehr wissen, wie
viele von ihnen hier in Deutschland leben und womit sie
ihren Lebensunterhalt bestreiten . Mir leuchtet nicht ein,
was wir damit gewinnen wollen . Die Probleme werden
sich eher verschärfen .
Das heutige Gesetz ist deswegen ein völlig falscher
Weg . Was wir dagegen brauchen, ist ein klares und nach-
vollziehbares Einwanderungsgesetz . Hierin könnten wir
selbst festlegen, aus welchen Ländern welche Anzahl von
Menschen mit welcher Qualifikation zu uns kommen und
hier leben, lernen, arbeiten und Steuern zahlen können .
Wer eine solche Perspektive hat, hat kaum noch einen An-
reiz, sich mit der Perspektive auf schnelle Abschiebung
auf eine gefährliche und teure Reise zu machen . Mit einem
Einwanderungsgesetz können wir die Probleme lösen,
vor denen wir derzeit stehen . Eine Debatte über sichere
Herkunftsländer und die Gründe, die dafür und dagegen
sprechen, bringt uns jedoch keinen Schritt weiter . Im Ge-
genteil, wir werden mehr illegale Einwanderung mit allen
damit zusammenhängenden Problemen bekommen .
Anlage 5
Amtliche Mitteilungen ohne Verlesung
Der Ausschuss für Wirtschaft und Energie hat mit-
geteilt, dass er gemäß § 80 Absatz 3 Satz 2 der Geschäfts-
ordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehen-
den Vorlagen absieht:
– Unterrichtung durch die Bundesregierung
Bericht der Bundesregierung zur Prognose der mit-
telfristigen Entwicklung der EEG-Umlage
Drucksachen 18/7208, 18/7276 Nr. 14
– Unterrichtung durch die Bundesregierung
Ausschreibungsbericht nach § 99 des Erneuerba-
re-Energien-Gesetzes
Drucksachen 18/7287, 18/7417 Nr. 1.3
– Unterrichtung durch die Bundesregierung
Nationales Reformprogramm 2016
Drucksache 18/8116
Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben
mitgeteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden Uni-
onsdokumente zur Kenntnis genommen oder von einer
Beratung abgesehen hat .
Innenausschuss
Drucksache 18/7127 Nr . A .2
Ratsdokument 14417/15
Drucksache 18/7127 Nr . A .3
Ratsdokument 14422/15
Drucksache 18/7422 Nr . A .5
Ratsdokument 14971/15
Ausschuss für Wirtschaft und Energie
Drucksache 18/7612 Nr . A .25
Ratsdokument 5186/16
Drucksache 18/7733 Nr . A .16
Ratsdokument 5747/16
Drucksache 18/8140 Nr . A .14
Ratsdokument 7195/16
Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft
Drucksache 18/7934 Nr . A .20
Ratsdokument 6311/16
Drucksache 18/8140 Nr . A .15
Ratsdokument 6993/16
Drucksache 18/8140 Nr . A .16
Ratsdokument 7027/16
Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur
Drucksache 18/7733 Nr . A .18
Ratsdokument 5712/16
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau
und Reaktorsicherheit
Drucksache 18/8140 Nr . A .20
Ratsdokument 6742/16
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 171 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 13 . Mai 201616940
(A) (C)
(B) (D)
Drucksache 18/8140 Nr . A .21
Ratsdokument 6743/16
Ausschuss für Bildung, Forschung
und Technikfolgenabschätzung
Drucksache 18/6146 Nr . A .14
Ratsdokument 11554/15
Drucksache 18/6855 Nr . A .8
Ratsdokument 13597/15
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit
und Entwicklung
Drucksache 18/7934 Nr . A .25
Ratsdokument 5073/16
Drucksache 18/7934 Nr . A .29
Ratsdokument 6430/16
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 171 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 13 . Mai 2016
Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de
Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de
171. Sitzung
Inhaltsverzeichnis
TOP 17 Einstufung von Algerien, Marokko und Tunesien
TOP 18 CETA-Abkommen
TOP 19 Stärkung des Wettbewerbs im Eisenbahnbereich
TOP 20 Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen
TOP 21 Bericht zum Deutschlandstipendium
TOP 22 Einsetzung eines Untersuchungsausschusses
Anlagen
Anlage 1
Anlage 2
Anlage 3
Anlage 4
Anlage 5