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    Plenarprotokoll 18/168 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 168. Sitzung Berlin, Freitag, den 29. April 2016 Inhalt Tagesordnungspunkt 24: a) Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD: Tschernobyl und Fukushima mah- nen – Verantwortungsbewusster Um- gang mit den Risiken der Atomkraft und weitere Unterstützung der durch die Reaktorkatastrophen betroffenen Menschen Drucksache 18/8239 . . . . . . . . . . . . . . . . . 16565 B b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit – zu dem Antrag der Abgeordneten Hubertus Zdebel, Andrej Hunko, Karin Binder, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Risiko-Reakto- ren abschalten – Atomausstieg in Eu- ropa beschleunigen – zu dem Antrag der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl, Annalena Baerbock, Bärbel Höhn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: 30 Jahre Tschernobyl, 5 Jahre Fukushima – Atomausstieg konsequent durchsetzen – zu dem Antrag der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl, Annalena Baerbock, Bärbel Höhn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Atomkraftwerk Cattenom sofort abschalten Drucksachen 18/7875, 18/7656, 18/7668, 18/8266 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16565 C in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 6: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Wirtschaft und Energie zu dem Antrag der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl, Kai Gehring, Dr . Franziska Brantner, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Keine öffentlichen Forschungsgelder für den Wiedereinstieg in atomare Technologien – 6. Energiefor- schungsprogramm vollständig in Richtung Energiewende weiterentwickeln Drucksachen 18/5211, 18/8262 . . . . . . . . . . . . 16565 D in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 7: Antrag der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl, Kai Gehring, Annalena Baerbock, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Europaweiten Atomausstieg voranbringen – Euratom-Vertrag reformie- ren oder aussteigen Drucksache 18/8242 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16565 D Dr . Barbara Hendricks, Bundesministerin BMUB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16566 A Hubertus Zdebel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 16567 D Steffen Kanitz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 16568 C Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16570 C Oliver Kaczmarek (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 16571 D Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . . . . . 16572 B Florian Oßner (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 16573 C Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16574 C Dr . Nina Scheer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 16575 A Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16576 A Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 168 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 29 . April 2016II Marco Bülow (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16576 D Dr . Philipp Lengsfeld (CDU/CSU) . . . . . . . . . 16578 A Tagesordnungspunkt 25: Unterrichtung durch die Bundesregierung: Weiterentwicklung der Konzeption zur Er- forschung, Bewahrung, Präsentation und Vermittlung der Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa nach § 96 des Bundesvertriebenengesetzes Drucksache 18/7730 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16580 B Monika Grütters, Staatsministerin BK . . . . . . 16580 C Sigrid Hupach (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 16581 D Christina Jantz-Herrmann (SPD) . . . . . . . . . . 16583 C Ulle Schauws (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16585 B Dr . Christoph Bergner (CDU/CSU) . . . . . . . . 16586 D Matthias Schmidt (Berlin) (SPD) . . . . . . . . . . 16587 D Klaus Brähmig (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 16588 D Dietmar Nietan (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16590 A Dr . Bernd Fabritius (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 16591 B Tagesordnungspunkt 26: Beratung der Beschlussempfehlung des Peti- tionsausschusses: Sammelübersicht 289 zu Petitionen Drucksache 18/8092 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16592 B Markus Paschke (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16592 B Katja Kipping (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 16593 B Paul Lehrieder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 16594 C Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16595 B Katja Kipping (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 16595 D Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16597 A Christel Voßbeck-Kayser (CDU/CSU) . . . . . . 16598 B Udo Schiefner (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16599 B Matthias W . Birkwald (DIE LINKE) . . . . . 16599 C Andreas Mattfeldt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 16601 B Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16602 D Kerstin Kassner (DIE LINKE) (Erklärung nach § 31 GO) . . . . . . . . . . . . . . 16603 D Tagesordnungspunkt 27: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Vorschriften zur Vergabe von Wegenutzungsrechten zur leitungsge- bundenen Energieversorgung Drucksache 18/8184 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16605 C Johann Saathoff (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16605 D Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . . . . . 16606 C Ingbert Liebing (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 16607 C Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . . . 16608 C Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16609 B Uwe Beckmeyer, Parl . Staatssekretär BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16610 C Barbara Lanzinger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 16611 B Bernhard Daldrup (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 16612 B Tagesordnungspunkt 28: Antrag der Abgeordneten Dr . Valerie Wilms, Matthias Gastel, Stephan Kühn (Dresden), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Den Bundes- verkehrswegeplan zum Bundesnetzplan weiterentwickeln Drucksache 18/8083 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16613 C Dr . Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16613 C Patrick Schnieder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 16615 A Peter Meiwald (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16615 B Dr . Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16616 A Sabine Leidig (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 16617 B Stefan Zierke (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16617 D Martin Burkert (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16619 B Thomas Jarzombek (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 16620 C Gustav Herzog (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16621 D Sabine Leidig (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 16622 B Ulrich Lange (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 16623 D Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16625 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . . 16627 A Anlage 2 Erklärungen nach § 31 GO zur Abstimmung über die Empfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 289 (Drucksache 18/8092) zur Petition 4-18-11-81503-001721 (Tagesordnungspunkt 26) . . . . . . . . . . . . . . . . 16628 A Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 168 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 29 . April 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 168 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 29 . April 2016 III Matthias W. Birkwald (DIE LINKE) . . . . . . . . 16628 A Cornelia Möhring (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 16628 C Kersten Steinke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 16629 A Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) . . . . . . . . 16629 D Katrin Werner (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 16630 B Birgit Wöllert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 16630 C Sabine Zimmermann (Zwickau) (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16631 A Anlage 3 Amtliche Mitteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16631 C (A) (C) (B) (D) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 168 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 29 . April 2016 16565 168. Sitzung Berlin, Freitag, den 29. April 2016 Beginn: 9 .00 Uhr
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    (A) (C) (B) (D) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 168 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 29 . April 2016 16627 Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Amtsberg, Luise BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 29 .04 .2016 Beck (Bremen), Marieluise BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 29 .04 .2016 Bleser, Peter CDU/CSU 29 .04 .2016 Böhmer, Dr . Maria CDU/CSU 29 .04 .2016 Castellucci, Dr . Lars SPD 29 .04 .2016 Dehm, Dr . Diether DIE LINKE 29 .04 .2016 Fuchs, Dr . Michael CDU/CSU 29 .04 .2016 Gabriel, Sigmar SPD 29 .04 .2016 Gohlke, Nicole DIE LINKE 29 .04 .2016 Grindel, Reinhard CDU/CSU 29 .04 .2016 Gröhe, Hermann CDU/CSU 29 .04 .2016 Held, Marcus SPD 29 .04 .2016 Holmeier, Karl CDU/CSU 29 .04 .2016 Janecek, Dieter BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 29 .04 .2016 Klingbeil, Lars SPD 29 .04 .2016 Kühn (Tübingen), Christian BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 29 .04 .2016 Kühn-Mengel, Helga SPD 29 .04 .2016 Lerchenfeld, Philipp Graf CDU/CSU 29 .04 .2016 Lotze, Hiltrud SPD 29 .04 .2016 Ludwig, Daniela CDU/CSU 29 .04 .2016 Maisch, Nicole BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 29 .04 .2016 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Maizière, Dr . Thomas de CDU/CSU 29 .04 .2016 Middelberg, Dr . Mathias CDU/CSU 29 .04 .2016 Müller, Bettina SPD 29 .04 .2016 Nouripour, Omid BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 29 .04 .2016 Scharfenberg, Elisabeth BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 29 .04 .2016 Scheuer, Andreas CDU/CSU 29 .04 .2016 Schulte, Ursula SPD 29 .04 .2016 Steffel, Dr . Frank CDU/CSU 29 .04 .2016 Strobl (Heilbronn), Thomas CDU/CSU 29 .04 .2016 Thönnes, Franz SPD 29 .04 .2016 Ulrich, Alexander DIE LINKE 29 .04 .2016 Veit, Rüdiger SPD 29 .04 .2016 Veith, Oswin CDU/CSU 29 .04 .2016 Vogt, Ute SPD 29 .04 .2016 Weinberg, Harald DIE LINKE 29 .04 .2016 Weisgerber, Dr . Anja CDU/CSU 29 .04 .2016 Wellmann, Karl-Georg CDU/CSU 29 .04 .2016 Whittaker, Kai CDU/CSU 29 .04 .2016 Wicklein, Andrea SPD 29 .04 .2016 Wolff (Wolmirstedt), Waltraud SPD 29 .04 .2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 168 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 29 . April 201616628 (A) (C) (B) (D) Anlage 2 Erklärungen nach § 31 GO zur Abstimmung über die Empfehlung des Peti- tionsausschusses Sammelübersicht 289 (Druck- sache 18/8092) zur Petition 4-18-11-81503-001721 (Tagesordnungspunkt 26) Matthias W. Birkwald (DIE LINKE): Ich stimme für die Petition von Inge Hannemann, und damit stimme ich heute mit weiteren 90 000 Unterstützerinnen und Unter- stützer dieser Petition zu . Ich stimme für die Petition von Frau Hannemann, weil man von Hartz IV nicht leben kann . Genau das ist aber von der Mehrheit der hier im Bun- destag vertretenen Parteien politisch gewollt: Hartz IV heißt Armut und Entbehrung per Gesetz . Deshalb hat Die Linke als einzige Partei von Anfang an Nein dazu gesagt . Ich stimme dafür, Sanktionen abzuschaffen, weil im vergangenen Jahr in den Amtsstuben der Jobcenter und der Optionskommunen knapp eine Million Mal Sank- tionen verhängt wurden: 416 292 Menschen wurden 2015 erstmals mit der Kürzung des Existenzminimums bestraft . Die meisten davon nur wegen Meldeversäum- nissen . Einem nackten Menschen kann man nicht in die Ta- sche greifen . Aber wissen Sie, was diese Zahl bedeutet? Genau das . Einem von 200 Menschen in diesem reichen Land wurde 2015 noch einmal in die Tasche gegriffen, obwohl man mit Hartz IV eh nichts in der Tasche hat . 108 Euro waren das im Durchschnitt . Einem von 200 Menschen in unserem Land wurde 2015 damit das Existenzminimum verweigert, einem von 200 Menschen wurden die Menschenrechte gekürzt . Das darf nicht sein . Darum stimme ich für die Petition . Inge Hannemann zitiert in ihrer Petition das Bundes- verfassungsgericht: Das Existenzminimum gehört zur Menschenwürde . Es ist ein unverfügbares Grundrecht und muss zu jeder Zeit garantiert werden . Richtig, sage ich, und deshalb stimme ich heute gegen die Beschlussempfehlung des Ausschusses . Der Sozialstaat soll die Menschenwürde schützen und soll vor Zukunftsängsten schützen . Doch die Sanktionen bewirken das genaue Gegenteil, sie machen Angst . An dieser Angst haben die Arbeitgeber in den Jahren seit der Einführung von Hartz IV nicht schlecht verdient: Die Zunahme von Leiharbeit und Niedriglöhnen seit der Einführung von Hartz IV wäre ohne Sanktionen kaum möglich gewesen . Deshalb ist meine Stimme für die Petition zur Ab- schaffung der Sanktionen auch eine Stimme für gute Ar- beit und gute Löhne . Cornelia Möhring (DIE LINKE): Dem ablehnenden Abschluss der Petition von Frau Hannemann kann ich nicht zustimmen . Dass die Petition von Frau Hannemann mit Ablehnung abgeschlossen wurde, ist ein Armuts- zeugnis . Die Petentin und mit ihr die 90 000 Unterstütze- rinnen und Unterstützer der Petition fordern die Abschaf- fung der Sanktionsregelungen bei Hartz IV (SGB II) und in der Sozialhilfe (SGB XII) . Hierbei geht es um nicht weniger als die Achtung der Menschenwürde: Die Ga- rantie des menschenwürdigen Existenz- und Teilhabemi- nimums ist ein in Artikel 1 und 20 Absatz 1 Grundgesetz (GG) verankertes Grundrecht jedes Menschen, der sich in Deutschland aufhält. Das Sozialstaatsgebot verpflich- tet den Staat, dieses Grundrecht zu gewährleisten . Die Unterschreitung des menschenwürdigen Existenzmini- mums durch Sanktionen verletzt dieses Grundrecht . Was diese Verletzung für den Alltag der von Sanktio- nen betroffenen Menschen bedeutet, hat Frau Hannemann als langjährige Mitarbeiterin in einem Jobcenter in Ham- burg in der öffentlichen Sitzung des Petitionsausschus- ses eindrücklich geschildert: Sanktionen entwürdigen die Leistungsberechtigten, sie bedeuten im Effekt Elend und Ausschluss . Sanktionen erzeugen Zukunftsängste, sind psychisch stark belastend . Verlust von Selbstvertrauen, Schlafstörungen oder Depressionen sind keine seltenen Erscheinungen . Viele Betroffene werden mit der Situati- on nicht fertig und werden krank . Insbesondere bei jun- gen Erwachsenen nehmen Sanktionen sogar Wohnungs- losigkeit in Kauf . Nicht selten führen Sanktionen in die soziale Isolation, weil mit Rückzug aus dem eigenen Umfeld reagiert wird . Oftmals verschulden sich sanktio- nierte Menschen, um überhaupt noch halbwegs über die Runde zu kommen . Sanktionen werden – so hat es auch Hannemann in der öffentlichen Sitzung ausgeführt – von den Betroffenen als Strafen verstanden; Strafen für ein Verhalten, welches die Jobcenter als falsch bewerten . Sanktionen behandeln damit erwachsene Menschen wie unmündige Kleinkin- der, denen ein Erziehungsberechtigter sagt, was es zu tun und zu lassen hat . Das Jobcenter wird im Auftrag des Gesetzgebers zu einem „Erziehungsberechtigten“ . Eine Funktion, die dem Jobcenter nicht zukommt, denn: Leis- tungsberechtigte sind keine unmündigen Kinder, son- dern vollwertige Mitbürgerinnen und Mitbürger, deren Würde und Autonomie zu respektieren ist . Hannemann macht das Problem konkret deutlich: Leistungsberech- tigte haben vielfach gute Gründe, den Anforderungen der Jobcenter nicht nachzukommen, sei es die x-te als sinnlos empfundene, aber trotzdem vom Jobcenter auf- erlegte Maßnahme, sei es der berechtigte Widerstand ge- gen einen nicht existenzsichernden Job . Hannemann sagt zu Recht: Die betroffenen Menschen wissen selbst am besten, welche Maßnahmen hilfreich und nützlich sind und welche Auflagen ihrer Würde widersprechen. Statt Hilfe und Unterstützung bei ihren eigenen Anstrengun- gen erfahren die Menschen in den Jobcentern einen bü- rokratischen Apparat, der sie entwürdigt und maßregelt . Es fehlt den Jobcentern massiv an Zeit und Empathie für das Eingehen auf die individuellen Nöte und Bedürfnisse der hilfeberechtigten Personen . Hilfe und Unterstützung statt Gängelung und Entwürdigung – das ist das Leitmo- tiv von Inge Hannemann . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 168 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 29 . April 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 168 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 29 . April 2016 16629 (A) (C) (B) (D) Fast eine Million Sanktionen werden pro Jahr aus- gesprochen . Die Leistung wird im Durchschnitt jeder Sanktion um über 100 Euro reduziert . Wird mit diesen beiden Eckdaten gerechnet, so spart die öffentliche Hand Jahr für Jahr fast 200 Millionen Euro an vorenthalte- nen Leistungen . Der Staat spart damit auf Kosten der Hartz-IV-Berechtigten, auf Kosten also von Menschen, die in Armut leben . Sanktionen unterschreiten Leistungen, die bereits un- abhängig von den Kürzungen bereits viel zu gering sind . Ein Leben in Hartz IV bedeutet – politisch gewollt – ein Leben in Armut und Entbehrung . Eine Kürzung dieser bereits unzureichenden Leistung führt zu erheblichen sozialen Verwerfungen . Diese die Würde des Menschen verachtende Praxis muss endlich ein Ende haben . Kersten Steinke (DIE LINKE): Dem ablehnenden Abschluss der Petition von Frau Hannemann kann ich nicht zustimmen . Die Petentin fordert mit guten Gründen die Abschaffung der Sanktionsregelungen bei Hartz IV (SGB II) und in der Sozialhilfe (SGB XII) . 91 500 Menschen haben die Petition unterstützt . Frau Hannemann hat in einer öffentlichen Sitzung des Petiti- onsausschusses aus ihrer Erfahrung als langjährige Mit- arbeiterin in einem Jobcenter in Hamburg deutlich ge- macht, dass Sanktionen die Leistungsberechtigten nicht nur entwürdigen, sondern auch Elend und Ausschluss statt Hilfe und Unterstützung bedeuten . Dieser Argumen- tation und der Forderung der Petition kann ich mich aus Gesprächen mit Betroffenen nur anschließen . Fast eine Million Sanktionen werden pro Jahr ausge- sprochen . Die Leistung wird im Durchschnitt jeder Sank- tion um über 100 Euro reduziert . Dadurch kann der Staat Jahr für Jahr fast 200 Millionen Euro an vorenthaltenen Leistungen auf Kosten der Ärmsten sparen . Sanktionen stellen eine Unterschreitung des men- schenwürdigen Existenzminimums dar . Es ist nicht zu akzeptieren, wenn in einem reichen Land wie Deutsch- land Menschen – trotz anerkannter Hilfebedürftigkeit – existentieller Not bis hin zu Obdachlosigkeit ausgesetzt werden . Mit Bezug auf das Bundesverfassungsgericht wird ausgeführt, dass die Garantie des menschenwürdi- gen Existenzminimums durch die Menschenwürde und das Sozialstaatsgebot ein zwingender Auftrag an den Staat ist . Das Existenzminimum ist stets und zu jeder Zeit zu garantieren, so die Urteile . Mit diesem Grundrecht ist eine Unterschreitung des menschenwürdigen Existenz- minimums durch Sanktionen nicht zu vereinbaren . Diese Einschätzung der Petentin wird mittlerweile auch geteilt von dem Sozialgericht Gotha (S 15 AS 5157/14) . Das Sozialgericht führt die verfassungsrechtlichen Beden- ken an den Sanktionsregeln bei Hartz IV aus und hat die Frage dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorgelegt . Mehr als jeder dritte Widerspruch und 40 Pro- zent aller Klagen gegen Hartz-IV-Sanktionen bekommen Recht . Sanktionen sind für die Betroffenen Strafen . Sanktio- nen behandeln damit erwachsene Menschen wie unmün- dige Kleinkinder, denen ein Erziehungsberechtigter sagt, was es zu tun und zu lassen hat . Das Sanktionsregime unterstellt, dass die Erwerbslosigkeit und die Hilfebe- dürftigkeit der Betroffenen in erster Linie ein Ergebnis falschen Verhaltens sei und durch Sanktionsandrohungen korrigiert werden könne . Das Jobcenter wird im Auftrag des Gesetzgebers zu einem ,,Erziehungsberechtigten“ . Eine Funktion, die dem Jobcenter nicht zukommt, denn: Leistungsberechtigte sind keine unmündigen Kinder, sondern vollwertige Mitbürgerinnen und Mitbürger, de- ren Würde und Autonomie zu respektieren ist . Die Pe- tentin macht das Problem konkret deutlich: Leistungsbe- rechtigte haben vielfach gute Gründe, den Anforderungen der Jobcenter nicht nachzukommen, sei es die x-te als sinnlos empfundene, aber trotzdem vom Jobcenter auf- erlegte Maßnahme, sei es der berechtigte Widerstand ge- gen einen nicht existenzsichernden Job . Hannemann sagt zu Recht: Die betroffenen Menschen wissen selbst am besten, welche Maßnahmen hilfreich und nützlich sind und welche Auflagen ihrer Würde widersprechen. Statt Hilfe und Unterstützung bei ihren eigenen Anstrengun- gen erfahren die Menschen in den Jobcentern einen bü- rokratischen Apparat, der sie entwürdigt und maßregelt . Es fehlt den Jobcentern massiv an Zeit und Empathie für das Eingehen auf die individuellen Nöte und Bedürfnisse der hilfeberechtigten Personen . Hilfe und Unterstützung statt Gängelung und Entwürdigung – das ist das Leitmo- tiv von Inge Hannemann, denn Arbeitslosigkeit ist das Ergebnis der strukturellen Probleme des Kapitalismus . Betroffene werden zu Tätern der Arbeitsmarktkrise um- gedeutet . Zudem blendet das Aktivierungskonzept aus, dass Hartz-IV-Leistungsberechtigte bereits jetzt vielfäl- tig aktiv sind – sie gehen bereits Erwerbsarbeit nach (so- genannte Aufstocker), sie leisten Erziehungs- oder Pfle- gearbeit, sie sind ehrenamtlich aktiv . Sie suchen aktiv nach Erwerbsarbeit . Die Bereitschaft zur Erwerbsarbeit muss ihnen nicht aufgezwungen werden . Im Gegenteil: Die Betroffenen empfinden die Erwerbslosigkeit als Ausschluss aus einem wichtigen Aspekt der sozialen Teilhabe . Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE): Ich stimme der Ablehnung der Petition von Inge Hannemann nicht zu . Es gibt gute Gründe, die Sanktionsregelung bei Hartz IV (SGB II) und der Sozialhilfe (SGB XII) abzuschaffen . Mit 90 000 Stimmen für die Petition war das Quorum für eine öffentliche Sitzung des Petitionsausschusses deut- lich überschritten – was die gesellschaftliche Brisanz und das hohe Interesse der Bürgerinnen und Bürger zeigt . Sanktionen bewirken, dass das menschenwürdige Existenz- und Teilhabeminium unterschritten wird und Menschen in Not in noch größere Not gezwungen wer- den, Unterversorgung und drohende Obdachlosigkeit in- klusive . Fast eine Million Sanktionen werden pro Jahr ausgesprochen . Mit Bezug auf das Bundesverfassungs- gericht führt die Petentin mit Recht aus, dass das men- schenwürdige Existenzminimum durch die Menschen- würde und das Sozialstaatsgebot zwingender Auftrag des Staates ist . Auch einer juristischen Prüfung hält die Sanktionspra- xis oft nicht stand, wie kürzlich eine kleine Anfrage der Linken-Abgeordneten Katja Kipping zeigte . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 168 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 29 . April 201616630 (A) (C) (B) (D) Sanktionen entmündigen die von Hartz IV und So- zialhilfe betroffenen Menschen und despektieren deren Würde und Autonomie . Statt Hilfe und Unterstützung er- fahren sie einen bürokratischen Apparat, der sie maßre- gelt und gängelt . Sanktionen führen stärker zu sozialem Rückzug, belasten den gesundheitlichen Zustand und die subjektive Befindlichkeit der Sanktionierten, wie eine unabhängige wissenschaftliche Untersuchung zu Ursa- chen und Auswirkungen von Sanktionen bei Hartz IV und Sozialhilfe aufzeigt, die im Auftrag des Ministeri- ums für Arbeit, Integration und Soziales, NRW, erstellt wurde . Die Sanktionspraxis unterstellt den Menschen in Hartz IV und Sozialhilfe, dass sie durch eigenes falsches Verhalten in diese Hilfebedürftigkeit geraten sind oder verbleiben . Die Sanktionen nehmen den Menschen das Recht, Nein zu sagen – zu unzumutbaren Arbeitsbedingungen, -zeiten oder zu geringen Löhnen, und zermürbt sie . Die Konzessionsbereitschaft – also die Bereitschaft dahin gehend, Zugeständnisse zu machen, steigt. Profiteure dieser Praxis sind bekanntlich die Leiharbeitsfirmen, die die Betroffenen in nicht nachhaltige Jobs und prekäre Le- benssituationen trotz Arbeit zwingen . Wie schon in unserem Antrag „Sanktionen bei Hartz IV und Leistungseinschränkungen bei der Sozial- hilfe abschaffen“ (18/1115) dargelegt, sind Sanktionen nicht nur in Bezug auf Demokratie und Verfassungsrecht abzulehnen, sie sind überdies arbeitsmarktpolitisch gera- dezu sinnlos . Katrin Werner (DIE LINKE): Dem ablehnenden Abschluss der Petition von Frau Hannemann kann ich nicht zustimmen . Die Petentin fordert mit guten Grün- den die Abschaffung der Sanktionsregelungen bei Hartz IV (SGB II) und in der Sozialhilfe (SGB XII) . 90 000 Menschen habe die Petition unterstützt . Damit war das Quorum für eine öffentliche Sitzung des Petiti- onsausschusses deutlich überschritten . Frau Hannemann hat in dieser öffentlichen Sitzung aus ihrer Erfahrung als langjährige Mitarbeiterin in einem Jobcenter in Hamburg deutlich gemacht, dass Sanktionen die Leistungsberech- tigten entwürdigen und im Effekt Elend und Ausschluss statt Hilfe und Unterstützung bedeuten . Dieser Argumen- tation und der Forderung der Petition kann ich mich mit meinen eigenen Erfahrungen nur anschließen . Fast eine Million Sanktionen werden pro Jahr ausge- sprochen . Die Leistung wird im Durchschnitt jeder Sank- tion um über 100 Euro reduziert . Wird mit diesen beiden Eckdaten gerechnet, so spart die öffentliche Hand Jahr für Jahr fast 200 Millionen Euro an vorenthaltenen Leis- tungen . Der Staat spart damit auf Kosten der Ärmsten, auf Kosten der Hartz-IV-Berechtigten und ihrer Kinder . Das Sanktionsregime unterstellt, dass die Erwerbs- losigkeit und die Hilfebedürftigkeit der Betroffenen selbstverschuldet seien . Die falschen Verhaltensweisen, so die Unterstellung weiter, könne durch „Aktivierung“, durch Sanktionsandrohungen korrigiert werden . Diese Vorstellung geht an der Wirklichkeit vorbei . Zunächst ignoriert die Idee der Aktivierung die Tatsache, dass Ar- beitslosigkeit das Ergebnis der strukturellen Probleme des Kapitalismus ist . Stattdessen werden die Betroffe- nen zu den Verantwortlichen der Arbeitsmarktkrise um- gedeutet . Zudem blendet das Aktivierungskonzept aus, dass Hartz-IV-Leistungsberechtigte bereits jetzt viel- fältig aktiv sind – sie gehen bereits Erwerbsarbeit nach (sogenannte Aufstocker), sie leisten Erziehungs- oder Pflegearbeit, sie sind ehrenamtlich aktiv, sie suchen aktiv nach Erwerbsarbeit . Die Bereitschaft zur Erwerbsarbeit muss ihnen nicht aufgezwungen werden . Im Gegenteil: Die Betroffenen empfinden die Erwerbslosigkeit als Aus- schluss aus einem wichtigen Aspekt der sozialen Teilha- be . Die Vorstellung einer „Hängemattenmentalität“ bei den Betroffenen, die quasi mit Gewalt ausgetrieben wer- den müsse, geht an der Wirklichkeit vorbei und befördert soziale Diskriminierung und Stigmatisierung . Birgit Wöllert (DIE LINKE): Dem ablehnenden Abschluss der Petition von Frau Hannemann – mit der Forderung, die Normen im Zweiten Buch Sozialgesetz- buch und im Zwölften Buch Sozialgesetzbuch ersatzlos zu streichen, die Möglichkeiten von Sanktionen bzw . Leistungseinschränkungen vorsehen – kann ich nicht zustimmen . Die Petentin fordert mit guten Gründen die Abschaffung der Sanktionsregelungen bei Hartz IV (SGB II) und in der Sozialhilfe (SGB XII) . 91 500 Menschen haben die Petition unterstützt . Frau Hannemann hat in einer öffentlichen Sitzung des Petiti- onsausschusses aus ihrer Erfahrung als langjährige Mit- arbeiterin in einem Jobcenter in Hamburg deutlich ge- macht, dass Sanktionen die Leistungsberechtigten nicht nur entwürdigen, sondern auch Elend und Ausschluss statt Hilfe und Unterstützung bedeuten . Sanktionen stellen eine Unterschreitung des men- schenwürdigen Existenzminimums dar . Es ist nicht zu akzeptieren, wenn in einem reichen Land wie Deutsch- land Menschen – trotz anerkannter Hilfebedürftigkeit – existentieller Not bis hin zu Obdachlosigkeit ausgesetzt werden . Mit Bezug auf das Bundesverfassungsgericht wird ausgeführt, dass die Garantie des menschenwürdi- gen Existenzminimums durch die Menschenwürde und das Sozialstaatsgebot ein zwingender Auftrag an den Staat ist . Das Existenzminimum ist stets und zu jeder Zeit zu garantieren, so die Urteile . Mit diesem Grundrecht ist eine Unterschreitung des menschenwürdigen Existenz- minimums durch Sanktionen nicht zu vereinbaren . Diese Einschätzung der Petentin wird mittlerweile auch vom Sozialgericht Gotha (S 15 AS 5157/14) geteilt . Das So- zialgericht führt die verfassungsrechtlichen Bedenken an den Sanktionsregeln bei Hartz IV aus und hat die Frage dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorge- legt . Zudem sind Hartz-IV-Sanktionen grundrechtswid- rig, weil sie das ohnehin zu geringe Existenzminimum kürzen . Sie verletzen das Recht auf Berufsfreiheit, weil schon die Sanktionsandrohung einen faktischen Zwang ausübt, einer nicht frei gewählten Arbeitstätigkeit nach- zugehen . Hinzu kommt, dass jedem dritten Widerspruch und 40 Prozent aller Klagen gegen Hartz-IV-Sanktionen stattgegeben wird . Hier entstehen hohe Kosten, die bei Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 168 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 29 . April 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 168 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 29 . April 2016 16631 (A) (C) (B) (D) Abschaffung der Sanktionen wirksamen arbeitsmarktpo- litischen Maßnahmen zugutekommen könnten . Statt Hilfe und Unterstützung bei ihren eigenen An- strengungen erfahren die Menschen in den Jobcentern einen bürokratischen Apparat, der sie entwürdigt und maßregelt . Es fehlt den Mitarbeiterinnen und Mitarbei- tern der Jobcenter massiv an Zeit, um auf die individuel- len Nöte und Bedürfnisse der hilfeberechtigten Personen einzugehen . Menschen, die von Sanktionen betroffen sind, haben nur selten die Möglichkeit, die finanziellen Einbußen zu überbrücken . Die Folgen sind abzusehen und belegt: Durch Leistungskürzungen werden Betroffene in die so- ziale Isolation getrieben, der Weg zurück auf den Arbeits- markt und in die Mitte der Gesellschaft wird erschwert oder gar verhindert . Viele, besonders junge Erwerbslose, brechen nach Sanktionserfahrungen ihren Kontakt zu den zuständigen Behörden ab und verschwinden damit sowohl aus der Statistik als auch aus den öffentlichen Unterstützungssystemen . Positive Effekte auf den Ar- beitsmarkt sind dagegen nicht spürbar . Aus den vorgenannten Gründen stimme ich gegen die Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses, das Peti- tionsverfahren abzuschließen . Sabine Zimmermann (Zwickau) (DIE LINKE): Die Petition von Frau Hannemann verfolgt ein richtiges Ziel . Der Hartz-IV-Regelsatz soll das Existenzminimum sichern . Der Regelsatz ist ohnehin schon viel zu knapp bemessen . Davon sollen Menschen das bezahlen, was sie zu ihrer Existenz, also zum Nötigsten, brauchen . Von diesem Geld darf grundsätzlich nichts mehr weggekürzt werden . Denn das bedeutet, Menschen staatlicherseits in existentielle Not zu stoßen . Die Jobcenter verhängen Sanktionen für geringfügig- ste Regelverletzungen, in den meisten Fällen dafür, dass Termine versäumt wurden . Wir wissen von Mitarbeite- rinnen und Mitarbeitern der Jobcenter, dass Sanktionen eingesetzt werden, um die Ausgaben der Jobcenter zu reduzieren . Das führt zusätzlich zu einer exzessiven An- wendung von Sanktionen . Dass diese rechtlich oft nicht gerechtfertigt sind, beweist die hohe Zahl von erfolgrei- chen Widersprüchen und Klagen . Und dabei kennen bei Weitem nicht alle Betroffenen ihre Rechte und wissen, dass sie Einspruch erheben können . Das Sanktionsregime bedeutet deshalb andauernde Rechtsbrüche durch eine staatliche Einrichtung . Es soll Menschen Angst machen und sie gefügig machen, damit sie jeden noch so schlechten Job annehmen, der ihnen an- geboten wird . Dieses Vorgehen ist einer Demokratie un- würdig . Es ist ein dauernder Angriff auf die Menschen- würde . Frau Hannemann hat mit ihrem Anliegen daher vollkommen Recht . Hartz IV und sein Sanktionsregime gehören abgeschafft . Wir brauchen eine sanktionsfreie soziale Mindestsicherung, die ein Leben in Würde er- möglicht . Es stünde dem Bundestag gut zu Gesicht, sich für die Grundrechte von Millionen Bürgerinnen und Bürgern un- seres Landes einzusetzen, die unter dem Hartz-IV-Sank- tionsregime existenziell zu leiden haben . Anlage 3 Amtliche Mitteilungen ohne Verlesung Der Bundesrat hat in seiner 944 . Sitzung am 22 . April 2016 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzu- stimmen bzw . einen Antrag gemäß Artikel 77 Absatz 2 des Grundgesetzes nicht zu stellen: – Gesetz zur Umsetzung der prüfungsbezoge- nen Regelungen der Richtlinie 2014/56/EU so- wie zur Ausführung der entsprechenden Vor- gaben der Verordnung (EU) Nr. 537/2014 im Hinblick auf die Abschlussprüfung bei Unternehmen von öffentlichem Interesse (Abschlussprüfungsreformgesetz – AReG) – Gesetz zu dem Vertrag vom 28. April 2015 zwi- schen der Bundesrepublik Deutschland und der Tschechischen Republik über die polizeiliche Zu- sammenarbeit und zur Änderung des Vertrages vom 2. Februar 2000 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Tschechischen Republik über die Ergänzung des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen vom 20. April 1959 und die Erleichterung seiner Anwendung – Gesetz zu dem Vertrag vom 24. Oktober 2014 zwi- schen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande über die Nutzung und Verwaltung des Küstenmeers zwischen 3 und 12 Seemeilen – … Gesetz zur Änderung des Bundeswahlgesetzes Die folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, dass sie gemäß § 80 Absatz 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absehen: Auswärtiger Ausschuss – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über die Tätigkeit des Europarats im Zeitraum vom 1. Januar bis 30. Juni 2015 Drucksachen 18/7983, 18/8129 Nr. 1.1 – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über die Tätigkeit des Europarats im Zeitraum vom 1. Juli bis 31. Dezem- ber 2015 Drucksachen 18/7984, 18/8129 Nr. 1.2 Innenausschuss – Unterrichtung durch die Bundesregierung Zwölfter Bericht der Bundesregierung nach § 5 Absatz 3 des Bundesstatistikgesetzes für die Jahre 2009 und 2010 Drucksachen 17/6236, 18/641 Nr. 1 16632 (A) (C) (B) (D) Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 168 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 29 . April 2016 – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung nach § 5 Absatz 3 des Bundesstatistikgesetzes für die Jahre 2011 und 2012 Drucksachen 17/14424, 18/641 Nr. 22 – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung nach § 5 Absatz 3 des Bundesstatistikgesetzes für die Jahre 2013 und 2014 Drucksachen 18/4532, 18/4732 Nr. 2 Ausschuss für Wirtschaft und Energie – Unterrichtung durch die Bundesregierung Erfahrungsbericht zum Erneuerbare-Energi- en-Wärmegesetz (EEWärmeG-Erfahrungsbericht) Drucksachen 17/11957, 18/770 Nr. 15 – Unterrichtung durch die Bundesregierung Zweiter Erfahrungsbericht zum Erneuerba- re-Energien-Wärmegesetz (2. EEWärmeG-Erfah- rungsbericht) Drucksachen 18/6783, 18/6933 Nr. 1.5 Verteidigungsausschuss – Unterrichtung durch die Bundesregierung Vierter Erfahrungsbericht der Bundesregierung zum Soldatinnen- und Soldatengleichstellungsgesetz (Berichtszeitraum 1. Januar 2011 bis 31. Dezember 2014) Drucksachen 18/7410, 18/7605 Nr. 4 Ausschuss für Verkehr und digitale Agenda – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über ÖPP-Projekte im Betrieb Drucksachen 18/6898, 18/7116 Nr. 2 Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reak- torsicherheit – Unterrichtung durch die Bundesregierung Umweltbericht 2015 Auf dem Weg zu einer modernen Umweltpolitik Drucksachen 18/6470, 18/6605 Nr. 1.7 Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden Uni- onsdokumente zur Kenntnis genommen oder von einer Beratung abgesehen hat . Auswärtiger Ausschuss Dokumentennummer Drucksache 18/7733 Nr . A .1 Ratsdokument 5801/16 Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur Dokumentennummer Drucksache 18/7612 Nr . A .30 Ratsdokument 14992/15 Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Ent- wicklung Dokumentennummer Drucksache 18/7934 Nr . A .26 Ratsdokument 5857/16 168. Sitzung Inhaltsverzeichnis TOP 24, ZP 6 u. 7 Tschernobyl und Fukushima – Risiken der Atomkraft TOP 25 Kultur und Geschichte der Deutschen in Osteuropa TOP 26 Petitionen zum Thema „Arbeitslosengeld II“ TOP 27 Vergabe von Wegenutzungsrechten zur Energieversorgung TOP 28 Weiterentwicklung des Bundesverkehrswegeplans Anlagen Anlage 1 Anlage 2 Anlage 3
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Sigrid Hupach


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DIE LINKE.)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE LINKE.)


    Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Lie-

    be Kolleginnen und Kollegen! Gegenstand dieser um-
    fangreichen und zu prominenter Zeit angesetzten Debat-
    te ist ein dünnes Papier der Bundesregierung . Unter der
    Überschrift: „Erinnerung bewahren – Brücken bauen –
    Zukunft gestalten“ wollen Sie die im Jahr 2000 verfasste
    Konzeption zur Kultur und Geschichte der Deutschen
    im östlichen Europa weiterentwickeln . Ich bin gespannt,
    womit Sie, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der
    Koalitionsfraktionen, diese Debatte füllen wollen . Mit
    dem unkonkreten Inhalt des vorliegenden Papiers kann
    Ihnen das eigentlich nicht gelingen .

    Worin besteht der Fortschritt und worin die Weiterent-
    wicklung? Zunächst einmal fallen einige Unterschiede
    auf . Im Titel ist nicht mehr nur von der „Erforschung“
    und „Präsentation“ deutscher Kultur und Geschich-
    te die Rede, sondern außerdem von „Bewahrung“ und
    „Vermittlung“ . Im Unterschied zur Konzeption aus dem
    Jahr 2000 tauchen Begriffe wie „transnational“, „multi-
    kulturell“, „multireligiös“ und „multiethnisch“ auf . Auch
    die kulturelle Vielfalt hat Eingang in die Konzeption ge-
    funden . 2000 war das Stichwort „Vielfalt“ noch negativ
    belegt . Damals galt es nämlich – ich zitiere –, die „Viel-
    falt und Vielzahl vom Bund geförderter Einrichtungen“
    zu reduzieren und regional neu zu strukturieren .

    Auch findet sich in der Einleitung schon ein Verweis
    auf den historischen Kontext, in den Flucht und Vertrei-
    bung einzuordnen sind, nämlich das verbrecherische
    NS-Regime mit seiner Expansions- und Vernichtungspo-

    Staatsministerin Monika Grütters






    (A) (C)



    (B) (D)


    litik . Und etwas nebensächlich, aber immerhin, wird bei
    der Projektförderung auch die Erforschung und Vermitt-
    lung des jüdisch-deutschen Erbes im östlichen Europa
    genannt . Diese Änderungen waren längst überfällig .


    (Beifall bei der LINKEN – Dr . Christoph Bergner [CDU/CSU]: Das ist aber nicht inhaltsleer!)


    Allerdings muss sich nun noch erweisen, dass das nicht
    nur Worthülsen und leere Versprechungen bleiben . Ange-
    sichts der unkonkreten Ausführungen sind hier Zweifel
    mehr als angebracht . Ich glaube nicht, dass das alles aus-
    reicht, um die Kulturförderung nach § 96 Bundesvertrie-
    benengesetz wirklich weiterzuentwickeln und sie an die
    aktuellen Herausforderungen anzupassen .

    Sie wollen die Landsmannschaften und Organisatio-
    nen der Heimatvertriebenen wieder verstärkt einbinden


    (Zuruf von der CDU/CSU: Das ist auch richtig so!)


    und erhoffen sich davon „zukunftsweisende Maßnah-
    men und Kooperationsoptionen“ . Im Jahr 2000 wollten
    Sie eine Professionalisierung gerade durch eine Zurück-
    nahme der Landsmannschaften erreichen . Nun sollen
    diese wieder gestärkt werden . Wenn man sich die letzten
    Tweets von Erika Steinbach in Erinnerung ruft, so fragt
    man sich wirklich, was mit dem – ich zitiere aus der Kon-
    zeption – „fortdauernden Beitrag zu einer gelingenden
    Integration, den der Bund der Vertriebenen … und seine
    Landesverbände leisten“, gemeint sein soll. Ich finde, das
    ist bloß noch zynisch .


    (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Zweitens sind Zweifel angebracht, weil Sie in Ihrem
    Papier ein rosarotes Bild von Europa zeichnen, das so gar
    nicht mit der aktuellen Situation übereinstimmt . Man darf
    doch nicht die Augen davor verschließen, dass wir es in
    Europa angesichts der aktuellen Flucht- und Migrations-
    bewegungen mit einer verheerenden Abschottungspolitik
    und mit einer erschreckenden, rückwärtsgewandten Re-
    nationalisierung zu tun haben . Der von Ihnen beschrie-
    bene Dialog seit 1953 hat ja offenbar gerade nicht dazu
    geführt, dass es gegenwärtig in Europa ein übergreifen-
    des Verständnis für das Schicksal und das Leid von Ge-
    flüchteten gibt – abgesehen natürlich vom solidarischen
    Handeln vieler Einzelner .


    (Dr . Christoph Bergner [CDU/CSU]: Wem machen Sie da jetzt den Vorwurf?)


    – Hören Sie doch weiter zu . – Das hat auch damit zu tun,
    dass Flucht und Vertreibung durch das Bundesvertriebe-
    nengesetz immer noch national thematisiert werden .

    Damit bin ich beim dritten Punkt: Das Bundesvertrie-
    benengesetz ist über 60 Jahre alt, atmet den Geist seiner
    Entstehungszeit und geht eben vom Nationalen aus, von
    der deutschen Kultur und Geschichte . So zieht es sich
    eben auch durch die Kulturförderung nach § 96 . Bis auf
    den bereits erwähnten Spiegelstrich zum jüdisch-deut-
    schen Erbe unter dem Punkt „Projektförderung“ ist in
    der gesamten Konzeption an keiner Stelle von anderen
    Opfergruppen die Rede, insbesondere nicht von Sinti

    und Roma . Angesichts der europäischen Dimension von
    Flucht und Vertreibung im Zuge des Zweiten Weltkrieges
    ist das aber ein völlig überholter Ansatz .


    (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Meine Fraktion hat sich bereits vor zehn Jahren in der
    Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ für ein
    Ende dieser speziellen Kulturförderung ausgesprochen .
    Gemeint ist damit nicht eine Einkassierung der bereitge-
    stellten Mittel, sondern eine Eingliederung in die allge-
    meine Kulturförderung, sodass dieser Teil der deutschen,
    der europäischen Geschichte und Kultur als selbstver-
    ständlicher Teil der allgemeinen Arbeit der Institutionen
    definiert werden kann.


    (Beifall bei der LINKEN)


    Gerade auch in Osteuropa haben wir gut funktionie-
    rende Strukturen und Förderprogramme: vom Deutschen
    Akademischen Austauschdienst über die östlichen Part-
    nerschaften, das Institut für Auslandsbeziehungen und
    die Goethe-Institute . Es gibt seitens des Bundes viele
    verschiedene, aber leider parallel verlaufende Ansätze .
    Wäre es nicht klug gewesen, dies alles in einer wirkli-
    chen Weiterentwicklung zusammenzubringen?

    Warum haben Sie nach den Querelen um die Stiftung
    Flucht, Vertreibung, Versöhnung und nach der Kritik an
    der Einführung des Vertriebenengedenktages nicht eine
    wirklich zukunftsweisende Idee entwickelt? Erst recht
    angesichts der globalen Herausforderungen durch aktuel-
    le Migrationsbewegungen wäre das mehr als angebracht
    gewesen .


    (Beifall bei der LINKEN sowie der Abg . Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


    Ich bin überzeugt, dass in den aktuellen Bezügen
    das eigentliche Potenzial steckt, um auch bei denen, die
    nicht mehr zur Erlebnisgeneration gehören, Interesse an
    der Vergangenheit zu wecken und um Flucht und Ver-
    treibung in einem viel größeren, allgemeineren Kontext
    zu thematisieren, als das in der nationalen Nabelschau je
    gelingen kann .

    Die von Ihnen in der Konzeption genannten Heraus-
    forderungen für die Erinnerungskultur ohne Zeitzeugen
    und in einer vielfältiger werdenden Gesellschaft sind kei-
    neswegs ein Spezifikum der Vertriebenen. Wenn Sie da-
    für wirklich zeitgemäße Ansätze suchen, dann empfehle
    ich Ihnen, sich Rat bei den NS-Gedenkstätten zu holen .
    Diese haben sich von Orten des Gedenkens immer stär-
    ker hin zu zeitgeschichtlichen Museen entwickelt . Neben
    Forschung und Bildung erfüllen sie auch weiterhin hu-
    manitäre Aufgaben und bemühen sich um den baulichen
    Erhalt der authentischen Orte . Ich habe meine Zweifel,
    ob die Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung mit dem
    zukünftigen Deutschlandhaus eine vergleichbare zu-
    kunftsweisende Funktion zu erfüllen vermag .

    In der vorliegenden Konzeption wird der Stiftung eine
    Rolle für den grenzüberschreitenden Austausch und Di-
    alog zugeschrieben . Vor acht Jahren ist die Stiftung ge-
    gründet worden, und im Ergebnis sind die Gräben bisher

    Sigrid Hupach






    (A) (C)



    (B) (D)


    eher vertieft worden . Es hat gerade keine Versöhnung
    stattgefunden .

    Vor vier Wochen hat Frau Dr . Bavendamm ihr Amt
    als Direktorin angetreten . Jetzt sollte man ihr erst einmal
    Zeit lassen, ihre Ideen zu entwickeln und vorzustellen .


    (Dr . Bernd Fabritius [CDU/CSU]: Sehr richtig!)


    Einige hoffnungsvolle Signale gab es bereits . Im In-
    terview mit Deutschlandradio Kultur hat sie einen grund-
    legenden Richtungswechsel in der Stiftung angekündigt .
    Sie hat in diesem Gespräch erneut klargestellt, dass sie
    sich nicht als Dienstleisterin des Bundes der Vertriebenen
    versteht .

    Dennoch: Die bisherigen Querelen um die Stiftung
    haben nicht nur etwas mit Personen zu tun, sondern sie
    hatten vor allem auch strukturelle Ursachen – bedingt
    durch den Stiftungsrat, der unserer Ansicht nach völlig
    falsch zusammengesetzt ist . In diesem hat der Bund der
    Vertriebenen fast ein Drittel aller Sitze inne,


    (Dr . Bernd Fabritius [CDU/CSU]: Lernen Sie einmal rechnen!)


    und aus dem parlamentarischen Raum ist die Opposition
    gar nicht vertreten . Wir halten das nach wie vor für ein
    falsches Signal .


    (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Wir hoffen sehr, dass es Frau Dr . Bavendamm gelingt,
    Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler insbesondere
    aus Osteuropa zu finden, die die Stiftungsarbeit im Be-
    raterkreis begleiten . Aus diesem Grunde möchte ich zum
    Schluss an einen weiteren Vorschlag der Linken erin-
    nern, den wir damals in die Enquete-Kommission „Kul-
    tur in Deutschland“ eingebracht hatten: die Gründung
    von multinationalen Stiftungen nämlich, in denen neben
    Bund und Ländern auch die osteuropäischen Staaten und
    auch die Opfergruppen als gleichberechtigte Partner ver-
    treten wären .


    (Beifall bei der LINKEN)


    Diese Stiftungen könnten in multi- und bilateralen Pro-
    jekten das soziokulturelle Zusammenleben der deutsch-
    sprachigen Bewohner Osteuropas mit denen anderer
    Kultur und Sprache erforschen und im Kontext heutiger
    Probleme in Erinnerung halten. Ich finde, das ist auch
    heute, fast zehn Jahre später, noch ein bestechender und
    überzeugender Vorschlag . Schade, dass Sie es nicht ge-
    wagt haben, eine wirkliche Neukonzipierung anzugehen,
    und sich leider vor den aktuellen Herausforderungen
    wegducken .

    Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit .


    (Beifall bei der LINKEN)




Rede von Dr. Norbert Lammert
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

Nächste Rednerin ist die Kollegin Jantz-Herrmann für

die SPD-Fraktion .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Christina Jantz


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)


    Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

    ren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eingangs möchte
    ich die Gelegenheit nutzen und herzliche Grüße und Ge-
    nesungswünsche an meine liebe Kollegin Hiltrud Lotze
    aus unserem Haus übermitteln, die heute aus Krankheits-
    gründen leider nicht persönlich hier stehen kann .


    (Beifall)


    Sie hat sich in den vergangenen Monaten unermüdlich
    für das so wichtige Thema, über das wir heute reden, ein-
    gesetzt .


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    In weniger als zehn Jahren feiern wir den 300 . Ge-
    burtstag von Immanuel Kant . Sein Werk gehört zum
    Schwierigsten und Klügsten, was die Philosophie jemals
    hervorgebracht hat . Immanuel Kant hat auf Deutsch ge-
    schrieben . Er wurde in Königsberg geboren, dem heuti-
    gen Kaliningrad, einer Stadt, die einmal in Ostpreußen
    lag und heute zu Russland gehört . Immanuel Kant war
    Deutscher, aber in erster Linie war Immanuel Kant Eu-
    ropäer .

    Was hat Kant mit der Kulturförderung nach § 96 des
    Bundesvertriebenengesetzes zu tun, über dessen Wei-
    terentwicklung wir heute hier debattieren? Nun, so wie
    Immanuel Kant und Königsberg sind auch andere Orte
    und Geschichten in den Regionen Osteuropas, in denen
    seit Jahrhunderten Deutsche leben, ein Erbe, mit dem
    sich alle dort lebenden Völker auseinandersetzen, des-
    sen Geschichte zunehmend angenommen, erforscht und
    weiterentwickelt wird . Kant gehört ebenso dazu, wie er
    zu unserer deutschen Geschichte gehört . Indem wir diese
    gemeinsame Vergangenheit aufarbeiten und miteinander
    darüber diskutieren, schaffen wir etwas sehr Wertvolles,
    und zwar ein gemeinsames europäisches Identitätsbe-
    wusstsein . Indem wir diese einzigartigen Kulturland-
    schaften, in denen Deutsche jahrhundertelang gelebt
    haben, im Sinne ihrer früheren und heutigen Bewohner
    bewahren, sie in Erinnerung rufen und das Erbe pflegen
    und weiterentwickeln, leisten wir einen wertvollen Bei-
    trag für Europa insgesamt .


    (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


    Und das genau ist die Aufgabe des § 96 des Bundesver-
    triebenengesetzes .

    Verehrte Kolleginnen und Kollegen, diese Förderung
    von Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen
    Europa ist eine Erfolgsgeschichte . Für dieses Thema inte-
    ressieren sich nicht mehr nur die Betroffenen, die damals
    geflüchteten und vertriebenen Menschen, sondern der
    Interessentenkreis geht mittlerweile weit darüber hinaus .
    Schüler, Studierende, Wissenschaftler, auch Menschen
    ohne einen familiären Vertriebenenhintergrund fragen
    nach, interessieren sich genau für diese Geschichte, die
    wir zwar deutsch nennen, die aber vielmehr multikultu-
    rell, multiethnisch und multikonfessionell ist .

    Die derzeitige Fördergrundlage, die diese Erfolgs-
    geschichte mitbegründete, ist die sogenannte Konzepti-
    on 2000, die von der damaligen rot-grünen Bundesregie-

    Sigrid Hupach






    (A) (C)



    (B) (D)


    rung im Jahr 2000 verabschiedet wurde . Die Konzeption
    setzt auf Professionalisierung, Regionalisierung und die
    Öffnung für eine europäische Ausrichtung der Förde-
    rung . All diese Ansätze haben sich durchaus bewährt .
    Die Mitarbeiter in den geförderten Museen und wissen-
    schaftlichen Instituten leisten eine hervorragende Arbeit .
    Gerade die wissenschaftliche Basis hat die Wege zu einer
    vertrauensvollen Zusammenarbeit vieler unterschiedli-
    cher Partnereinrichtungen im östlichen Europa geebnet .

    Aber seit dem Jahr 2000, in dem wir die Förderkon-
    zeption geschrieben haben, hat sich einiges verändert .
    Europa hat sich verändert: 2004 sind alle drei baltischen
    Staaten, Polen, die Slowakei, Slowenien, Tschechien und
    Ungarn, 2007 dann Rumänien und Bulgarien und 2013
    auch Kroatien der EU beigetreten . Die Kulturförderung
    nach § 96 findet damit innerhalb der EU statt. Die Erzäh-
    lung von deutscher Kultur und Geschichte im östlichen
    Europa muss in diesen neuen europäischen Kontext ge-
    bettet werden . Deswegen haben wir uns im Koalitions-
    vertrag gemeinsam mit der Union darauf verständigt, die
    Förderkonzeption des § 96 weiterzuentwickeln mit dem
    Ziel, die europäische Integration zu stärken .


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Noch etwas hat sich in den mehr als 15 Jahren, die seit
    2000 vergangen sind, verändert: die Zielgruppen, die wir
    mit der Konzeption ansprechen . Ich erwähnte es bereits:
    Das Interesse an der Thematik weist schon lange über
    den Kreis der eigentlich Betroffenen hinaus . Das ist ein
    großer Erfolg; denn überall in der geschichtlichen Aufar-
    beitung stehen wir vor der Herausforderung, dass die Er-
    lebnisgeneration schwindet . Von denjenigen, die Heimat-
    verlust und eine oftmals traumatische Flucht verarbeiten
    mussten, leben leider nur noch wenige .

    Es sind die Landsmannschaften, die durch ihre erfolg-
    reiche Arbeit, durch ihre Projekte viele Verbindungen in
    ihre Heimatregionen pflegen und aufrechterhalten und
    damit einen wichtigen Teil zum Erhalt und zur Bewah-
    rung der deutschen Kultur in den Ländern Osteuropas
    leisten .


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Allein schon ihr Wissen, die Geschichten der Heimat
    und die Geschichte ihrer Flucht – all das muss uns im
    Gedächtnis bleiben . Das, was mündlich erzählt werden
    kann, muss lesbar werden und für die Zukunft bewahrt
    werden . Wir müssen dafür Sorge tragen, dass dieser Teil
    unserer Geschichte in unseren Erinnerungskanon gehört,
    dass er gewürdigt und erinnert wird . Die geplante Dauer-
    ausstellung der Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung
    wird dies als einen elementaren Teil aufgreifen .

    Es muss aber auch diejenigen geben, die sich für diese
    Geschichte interessieren, ohne sie miterlebt zu haben . Es
    liegt daher in unser aller Interesse, dass sich auch Men-
    schen ohne Vertriebenenhintergrund für die deutsche
    Kultur und Geschichte im östlichen Europa interessieren .


    (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


    Die Kulturförderung muss auch diese Menschen, vor al-
    lem auch die jungen Menschen, ermuntern, unsere Ge-
    schichte zu erforschen, auf Spurensuche zu gehen und
    unsere Verbindungen ins östliche Europa zu stärken .

    Für uns ist die jetzt vorliegende Weiterentwicklung
    des § 96 Bundesvertriebenengesetz tragbar, jedoch nicht
    unbedingt überzeugend . Die Förderkonzeption hält an
    den Grundzügen der gewachsenen Förderstruktur fest .
    Weiterhin werden sechs Museen und vier Forschungs-
    einrichtungen institutionell gefördert; gleichzeitig hat die
    Weiterentwicklung der Förderkonzeption den Anspruch,
    zukunftsweisende Maßnahmen und Kooperationsoptio-
    nen zu entwickeln .

    Aber statt den Fokus zu weiten, verengt die vorliegen-
    de Konzeption den Blick dabei stark auf die Rolle der
    Landsmannschaften und den Bund der Vertriebenen . Um
    es nochmals deutlich zu sagen und nicht missverstanden
    zu werden: Die Perspektive der Vertriebenen und ihrer
    Nachkommen bleibt weiterhin von zentraler Bedeutung .
    Aber unser Ziel sollte doch auch sein, das Interesse von
    Menschen ohne persönlichen Vertriebenenhintergrund
    aufzunehmen .

    Es ist ein Versäumnis der vorliegenden Konzeption,
    dass gerade bei der Ansprache der jüngeren Generation
    nur das Interesse bei den Nachkommen der Erlebnisge-
    neration von Flucht, Vertreibung und Aussiedlung gese-
    hen wird und dass explizit in der Förderkonzeption nur
    die Jugendorganisationen der Landsmannschaften als
    junge Interessengruppen genannt werden .


    (Beifall der Abg . Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


    Verständlich ist der Blick zurück . Das Vergangene ist
    zu vergewissern, aber bei der Weiterentwicklung der För-
    derkonzeption sollte die Zukunft im Vordergrund stehen .


    (Beifall bei der SPD sowie der Abg . Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


    Die Zielausrichtung sollte auch in Richtung Europa ge-
    hen . Eine richtungs- und zukunftsweisende Konzeption
    mit den Worten zu beginnen: „Unter großen Opfern ha-
    ben bis zu 14 Millionen Deutsche als Vertriebene und
    Flüchtlinge ihre Heimat verlassen .“, wie im Entwurf des
    Hauses BKM zunächst vorgeschlagen, lenkt den Blick in
    die Vergangenheit .

    Wir als SPD-Bundestagsfraktion begrüßen daher aus-
    drücklich, dass unsere Anmerkung aufgenommen wurde,
    den Grund für eine Weiterentwicklung, nämlich die ver-
    stärkte europäische Integration, an den Anfang zu stellen
    und damit das richtige Signal auszusenden .


    (Beifall bei der SPD)


    Damit wird keinesfalls das große Leid negiert, das
    insbesondere die deutschen Vertriebenen und Flüchtlin-
    ge gegen und nach Ende des Zweiten Weltkriegs tragen
    mussten .

    Neben der leider starken Fokussierung auf eine be-
    stimmte Interessengruppe beinhaltet das Papier aber be-
    sonders in den Fördergrundsätzen gute Punkte, wie wir
    finden. So muss die Erforschung und Vermittlung des

    Christina Jantz-Herrmann






    (A) (C)



    (B) (D)


    jüdisch-deutschen Erbes im östlichen Europa in die För-
    derkonzeption aufgenommen werden – ein längst fälliger
    Schritt .

    Auch zeitgemäße mediale Vermittlungs- und Arbeits-
    formen – ich nenne dabei das Stichwort „Social Media“ –
    sind nun Kriterien der Förderung . Wichtig für die SPD
    ist, dass die exzellente wissenschaftliche Basis mit der
    Weiterentwicklung bestehen bleibt und weiter ausgebaut
    wird . Genau das ist hierbei der Fall .

    Es wäre aber auch möglich gewesen, das große Po-
    tenzial, das in der Kulturförderung nach § 96 Bundes-
    vertriebenengesetz steckt, mit einer Weiterentwicklung
    noch stärker auszuschöpfen, die breite Öffentlichkeit an-
    zusprechen und dieses interessante Themenfeld für viele
    Interessierte, ob nun mit oder ohne Vertriebenenhinter-
    grund, zu stärken . Das Interesse ist da .

    Bei der handwerklich guten Förderkonzeption – –