1) Anlage 12
Berichtigung
151 . Sitzung, Seite 14854 A, letzter Absatz, dritter
Satz, ist wie folgt zu lesen: „Zurzeit kann ich nur so viel
sagen: Die Bundesregierung prüft aktuell die Einstufung
von Marokko und Algerien als sichere Herkunftsstaaten
im Sinne von § 29 a des Asylverfahrensgesetzes in Ver-
bindung mit dem bekannten Artikel 16 a Absatz 3 unse-
res Grundgesetzes .“
Dr. Bärbel Kofler
(A) (C)
(B) (D)
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 152 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . Januar 2016 15033
Anlagen zum Stenografischen Bericht
Anlage 1
Liste der entschuldigten Abgeordneten
Abgeordnete(r)
entschuldigt bis
einschließlich
Albsteiger, Katrin CDU/CSU 28 .01 .2016
Feiler, Uwe CDU/CSU 28 .01 .2016
Fischer (Karlsru-
he-Land), Axel E .
CDU/CSU 28 .01 .2016
Gleicke, Iris SPD 28 .01 .2016
Gohlke, Nicole DIE LINKE 28 .01 .2016
Groth, Annette DIE LINKE 28 .01 .2016
Hardt, Jürgen CDU/CSU 28 .01 .2016
Hitschler, Thomas SPD 28 .01 .2016
Holzenkamp, Franz-
Josef
CDU/CSU 28 .01 .2016
Hübinger, Anette CDU/CSU 28 .01 .2016
Jantz, Christina SPD 28 .01 .2016
Kühn (Tübingen),
Christian
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
28 .01 .2016
Launert, Dr . Silke CDU/CSU 28 .01 .2016
Lühmann, Kirsten SPD 28 .01 .2016
Mattfeldt, Andreas CDU/CSU 28 .01 .2016
Müller, Dr . Gerd CDU/CSU 28 .01 .2016
Nahles, Andrea SPD 28 .01 .2016
Nietan, Dietmar SPD 28 .01 .2016
Pfeiffer, Sibylle CDU/CSU 28 .01 .2016
Radomski, Kerstin CDU/CSU 28 .01 .2016
Rawert, Mechthild SPD 28 .01 .2016
Röring, Johannes CDU/CSU 28 .01 .2016
Scheuer, Andreas CDU/CSU 28 .01 .2016
Abgeordnete(r)
entschuldigt bis
einschließlich
Schlecht, Michael DIE LINKE 28 .01 .2016
Schwabe, Frank SPD 28 .01 .2016
Schwartze, Stefan SPD 28 .01 .2016
Spahn, Jens CDU/CSU 28 .01 .2016
Tank, Azize DIE LINKE 28 .01 .2016
Thönnes, Franz SPD 28 .01 .2016
Timmermann-Fechter,
Astrid
CDU/CSU 28 .01 .2016
Veit, Rüdiger SPD 28 .01 .2016
Wicklein, Andrea SPD 28 .01 .2016
Woltmann, Barbara CDU/CSU 28 .01 .2016
Anlage 2
Erklärung nach § 31 GO
der Abgeordneten Katja Keul, Peter Meiwald, Uwe
Kekeritz, Monika Lazar, Corinna Rüffer, Beate
Müller-Gemmeke, Irene Mihalic und Dr. Wolfgang
Strengmann-Kuhn (alle BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN) zu der namentlichen Abstimmung über die
Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschus-
ses zu dem Antrag der Bundesregierung
Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher
Streitkräfte zur Ausbildungsunterstützung der Si-
cherheitskräfte der Regierung der Region Kurdi-
stan-Irak und der irakischen Streitkräfte (Tages-
ordnungspunkt 8)
Die Ausbildung und Ausrüstung der kurdischen Pe-
schmerga erfolgt nach wie vor ohne verfassungsrecht-
liche Grundlage außerhalb eines Systems kollektiver
Sicherheit . Diesen Bruch mit unserer Verfassung lehnen
wir ab .
Die Entwicklung des letzten Jahres hat außerdem un-
sere Befürchtungen bestätigt, dass dieser verfassungs-
widrige Einsatz auch nicht geeignet ist, Frieden zu för-
dern und Menschenleben zu schützen .
Die Behauptung, dass yesidische Zivilbevölkerung
mit Hilfe deutscher Waffen gerettet worden sei, ist nicht
zu halten . Gerettet wurden diese Menschen allenfalls von
syrischen Kurdenverbänden, die sich mittlerweile in be-
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 152 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . Januar 201615034
(A) (C)
(B) (D)
waffneten Auseinandersetzungen mit den von deutschen
Streitkräften unterstützten Verbänden befinden.
Es gibt nach wie vor kein einheitliches Kommando
über die immer weiter zersplitterten kurdischen Milizen .
Innerhalb dieser Milizen gibt es konträr verlaufende In-
teressen und Auseinandersetzungen .
Die Berichte, nach denen kurdische Gruppierungen
sich untereinander bekämpfen, häufen sich .
Amnesty International erhebt schwere Vorwürfe ge-
gen Peschmergaverbände, die vorsätzlich arabische Dör-
fer zerstören, nachdem sie diese vom IS zurückerobert
haben .
Präsident Barzani regiert seit August 2014 ohne de-
mokratische Legitimation . Ein Parlament existiert quasi
nicht mehr .
Die von Deutschland gelieferten Kleinwaffen werden
inzwischen auf regionalen Schwarzmärkten gehandelt .
Hinzu kommt die Auseinandersetzung mit der irakischen
Zentralregierung in Bagdad, die nach wie vor die ver-
fassungsmäßigen Zahlungen an die Regionalregierung
in Erbil verweigert, sodass diese kurz vor dem Bankrott
steht .
In Anbetracht dieser Gesamtgemengelage ist es nicht
zu verantworten, weitere Kleinwaffen und Ausbildungs-
unterstützung für kämpfende Einheiten in dieser Region
zu gewähren .
Der Einsatz verstößt gegen unsere Verfassung und
wirkt darüber hinaus kontraproduktiv .
Wir lehnen diesen Einsatz daher insgesamt ab .
Anlage 3
Erklärung nach § 31 GO
des Abgeordneten Dr. Hendrik Hoppenstedt (CDU/
CSU) zu der namentlichen Abstimmung über die
Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschus-
ses zu dem Antrag der Bundesregierung
Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher
Streitkräfte zur Ausbildungsunterstützung der Si-
cherheitskräfte der Regierung der Region Kurdi-
stan-Irak und der irakischen Streitkräfte (Tages-
ordnungspunkt 8)
Der internationale Kampf gegen die Terrororganisati-
on IS zeigt auch dank der Lieferung militärischer Aus-
rüstung an die Peschmerga und dem Einsatz deutscher
Soldatinnen und Soldaten zur Ausbildung der kurdischen
Sicherheitskräfte und irakischen Streitkräfte Erfolge . Es
ist gelungen, Flüchtlinge zu schützen, den IS zurückzu-
schlagen und Territorium zurückzugewinnen .
Zur Absicherung und Verstetigung dieser Erfolge halte
ich die Fortsetzung des Einsatzes bewaffneter deutscher
Streitkräfte zur Ausbildungsunterstützung der Sicher-
heitskräfte der Region Kurdistan-Irak und der irakischen
Streitkräfte aufgrund humanitärer Verantwortung für die
in der Region lebenden Menschen und Flüchtlinge, aber
auch aus sicherheitspolitischen Gründen für sinnvoll und
notwendig .
Nachdem der irakische Außenminister alle Mitglied-
staaten der Vereinten Nationen um Unterstützung im
Kampf gegen die Terrororganisation ISIS auch im Wege
militärischer Ausbildung gebeten hat, ist der Einsatz als
sogenannte Intervention auf Einladung völkerrechtlich
zulässig .
Gemäß Artikel 87 a Absatz 2 GG dürfen die Streitkräf-
te außer zur Verteidigung nur eingesetzt werden, soweit
dieses Grundgesetz es ausdrücklich zulässt . Ein Fall, in
dem das Grundgesetz den Einsatz zulässt, ist Artikel 24
Absatz 2 GG, auf den die Bundesregierung ihren Antrag
stützt . Diese verfassungsrechtliche Begründung über-
zeugt mich nicht .
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsge-
richts kann sich die Bundesrepublik Deutschland gemäß
Artikel 24 Absatz 2 GG zur Friedenswahrung an Ent-
scheidungen einer internationalen Organisation binden .
Das umfasst auch die Übernahme der mit der Zugehörig-
keit zu einem kollektiven Sicherheitssystem typischer-
weise verbundenen Aufgaben und damit auch für eine
Verwendung der Bundeswehr zu Einsätzen, die „im Rah-
men und nach den Regeln“ dieses Systems stattfinden.
Unzweifelhaft liegt kein spezielles Mandat des VN-Si-
cherheitsrates vor, das ausdrücklich die Entsendung von
Soldaten zur Friedenssicherung vorsieht und das den
Rahmen und die Regeln des Einsatzes bestimmt .
Aus diesem Grund bezieht sich die Bundesregierung
im Antrag auf die Sicherheitsratsresolution 2170 (2014)
vom 15 . August 2014 und die Resolution 2249 (2015)
vom 20 . November 2015 sowie auf die Erklärung des
Präsidenten des Sicherheitsrates vom 19 . September
2014 . In der Resolution 2170 (2014) wird die Terrororga-
nisation IS als Bedrohung für die internationale Sicher-
heit bezeichnet . Zudem werden darin die durch IS be-
gangenen Menschenrechtsverletzungen verurteilt sowie
Sanktionen gegen einzelne Mitglieder dieser Organisati-
on beschlossen . Ein Mandat für den Einsatz von Streit-
kräften enthält diese Resolution nicht . Gleiches gilt für
die Resolution 2249 (2015) . Auch die Erklärung des Prä-
sidenten des Sicherheitsrates vom 19 . September 2014
reicht meines Erachtens nicht aus, weil sie im Kern le-
diglich den Aufruf enthält, den Irak zu unterstützen, und
es sich dabei zudem im Ergebnis um eine politische Er-
klärung handelt . Daher halte ich Artikel 24 Absatz 2 GG
nicht für die richtige Rechtsgrundlage .
Nach meiner Überzeugung findet der Einsatz der Bun-
deswehr aber eine verfassungsmäßig tragfähige Rechts-
grundlage in Art . 87 a Absatz 2 1 . alt . GG . Der Begriff
der „Verteidigung“ umfasst nach überwiegender Auf-
fassung nicht nur die reine Landesverteidigung, sondern
auch die sogenannte Drittstaaten-Nothilfe im Sinne von
Artikel 51 der VN-Charta . Der Bundeswehreinsatz ist
daher als solcher verfassungsgemäß .
Weil ich den Einsatz der Bundeswehr in dieser Aus-
bildungsmission unabhängig von der seitens der Bundes-
regierung gewählten verfassungsrechtlichen Begründung
für verfassungsgemäß und politisch geboten halte, stim-
me ich dem Einsatz der Bundeswehr zu .
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 152 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . Januar 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 152 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . Januar 2016 15035
(A) (C)
(B) (D)
Anlage 4
Erklärung nach § 31 GO
der Abgeordneten Dr. Nina Scheer (SPD) zu der
namentlichen Abstimmung über die Beschluss-
empfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem
Antrag der Bundesregierung
Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher
Streitkräfte zur Ausbildungsunterstützung der Si-
cherheitskräfte der Regierung der Region Kurdi-
stan-Irak und der irakischen Streitkräfte (Tages-
ordnungspunkt 8)
Wie bereits der vorangegangene Antrag (Entschlie-
ßungsantrag Bundestagsdrucksache 18/2459 vom
1 . September 2014) zur Erteilung eines Bundeswehr-
mandats ist auch der heute zur Abstimmung stehende
Antrag „Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deut-
scher Streitkräfte zur Ausbildungsunterstützung der Si-
cherheitskräfte der Regierung der Region Kurdistan-Irak
und der irakischen Streitkräfte“ von dem Bestreben ge-
tragen, Menschenleben von Verfolgten zu retten, hiermit
auch einen Beitrag zum Schutz der Staatlichkeit des Irak
sowie für die Stabilität der gesamten Region zu leisten,
die angesichts der IS-Terroristen in akuter Gefahr ist .
Auch wenn ich dieses Bestreben teile, halte ich es den-
noch für unverzichtbar, Maßnahmen zu vermeiden, de-
ren Folgewirkungen das friedenschaffende Ziel ihrerseits
erschweren können . Das betreffende Bundeswehrmandat
umfasst im Zuge der Ausbildungsunterstützung – wie be-
reits das vorangegangene – auch Waffenlieferungen an
Sicherheitskräfte im Nord-Irak (Peschmerga) . Als Folge
von Waffenlieferungen, zumal an regionale Sicherheits-
kräfte, sehe ich die Gefahr, dass jene in falsche Hände
geraten und somit das Ziel einer zu stärkenden Selbstver-
teidigung unterwandert wird .
Die heute vorliegenden Informationen lassen vermuten,
dass Waffen, auch aus Deutschland, vor Ort auf Märkten
verkauft wurden . Zudem konnten bislang Berichte nicht
entkräftet werden, dass die Peschmerga massenhafte Zer-
störungen von Häusern arabischer Zivilisten vornahmen,
um eine mutmaßliche Unterstützung der Bewohner für
den IS zu sanktionieren, somit Rache übten . Nach ei-
nem Bericht von Amnesty International seien Tausende
Häuser mit Planierraupen zerstört, in die Luft gesprengt
oder angezündet worden . Der Verdacht von Kriegsver-
brechen durch kurdische Kämpfer steht damit wiederholt
im Raum . Zudem besteht Unklarheit, wie sich eine – mit
Hilfe militärischer Unterstützungsmaßnahmen – gestärkte
Peschmerga jenseits des Kampfes gegen den IS gegenüber
der Zentralregierung des Irak in Bagdad verhalten wird .
Waffenlieferungen der betreffenden Art halte ich vor
diesem Hintergrund für nicht geeignet, den erstrebten
friedenschaffenden Effekt zu erzielen, ohne hierbei zu-
gleich die Gefahr neuer Gewalt und Bedrohung einzuge-
hen . Wo militärische Maßnahmen zum Schutz vor dem
IS und humanitärer Not notwendig sind, sollte neben den
nationalen Streitkräften der betreffenden Staaten auch
die Völkergemeinschaft durch UN-Schutztruppen Ver-
antwortung übernehmen .
Insofern werde ich bei der Abstimmung über die Ver-
längerung des Bundeswehrmandats mit Nein stimmen .
Anlage 5
Erklärung nach § 31 GO
des Abgeordneten Matthias W. Birkwald (DIE
LINKE) zu der Abstimmung über den Entschlie-
ßungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN (Drucksache 18/7377) zur Beratung des
Antrags der Bundesregierung
Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher
Streitkräfte zur Ausbildungsunterstützung der Si-
cherheitskräfte der Regierung der Region Kurdi-
stan-Irak und der irakischen Streitkräfte (Tages-
ordnungspunkt 8)
Das Votum der Fraktion DIE LINKE lautet Ableh-
nung .
Anlage 6
Erklärung nach § 31 GO
des Abgeordneten Matthias W. Birkwald (DIE
LINKE) zu der Abstimmung über den von der
Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Ge-
setzes zu dem Abkommen vom 14. November 2012
zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der
Republik Polen über die Zusammenarbeit im Be-
reich des Eisenbahnverkehrs über die deutsch-pol-
nische Staatsgrenze (Tagesordnungspunkt 29 a)
Das Votum der Fraktion DIE LINKE lautet Zustim-
mung .
Anlage 7
Erklärung nach § 31 GO
der Abgeordneten Ingrid Arndt-Brauer, Bärbel
Bas, Burkhard Blienert, Willi Brase, Marco Bülow,
Petra Crone, Bernhard Daldrup, Martin Dörmann,
Siegmund Ehrmann, Michaela Engelmeier, Dagmar
Freitag, Michael Gerdes, Kerstin Griese, Michael
Groß, Ulrich Hampel, Sebastian Hartmann, Dirk
Hedenblut, Wolfgang Hellmich, Dr. Barbara
Hendricks, Petra Hinz (Essen), Oliver Kaczmarek,
Ralf Kapschack, Ulrich Kelber, Arno Klare, Dr. Hans-
Ulrich Krüger, Dr. Karl Lauterbach, Michelle
Müntefering, Dr. Rolf Mützenich, Dietmar Nietan,
Mahmut Özdemir (Duisburg), Sabine Poschmann,
Joachim Poß, Achim Post (Minden), Andreas
Rimkus, Petra Rode-Bosse, René Röspel, Axel
Schäfer (Bochum), Udo Schiefner, Ulla Schmidt (Aa-
chen), Elfi Scho-Antwerpes, Ursula Schulte, Frank
Schwabe, Stefan Schwartze, Norbert Spinrath, Peer
Steinbrück, Christoph Strässer, Michael Thews, Dirk
Vöpel, Dirk Wiese und Gülistan Yüksel (alle SPD) zu
den Abstimmungen über
– den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und
SPD
Menschen- und umweltgerechten Ausbau der
Rheintalbahn realisieren
und
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 152 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . Januar 201615036
(A) (C)
(B) (D)
– den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und
SPD
Menschen- und umweltgerechte Realisierung
europäischer Schienennetze (Zusatztagesord-
nungspunkte 4 und 5)
Der Deutsche Bundestag beschließt heute zwei Anträ-
ge zum Schutz von Mensch und Umwelt vor Belastungen,
die durch die Realisierung von europäisch bedeutsamen
Schienenprojekten entstehen . Mit dieser persönlichen
Erklärung möchten wir unser Abstimmungsverhalten zu
diesen Anträgen erläutern .
Der Antrag „Menschen- und umweltgerechten Ausbau
der Rheintalbahn realisieren“ sieht vor, dass der Bund
Kosten in Höhe von 1 521,4 Millionen Euro übernimmt,
die durch zusätzlichen Lärmschutz an der Ausbaustrecke
Karlsruhe—Basel im Abschnitt von Offenburg bis nach
Basel entstehen . Wir erkennen die erhebliche bundespo-
litische Bedeutung der Strecke im Rahmen des europä-
ischen TEN-Kernkorridors, die geleistete konstruktive
Arbeit des Projektbeirats Rheintalbahn und das finanzi-
elle Engagement des Landes Baden-Württemberg an und
stimmen dem Antrag daher gemeinsam mit den Kolle-
ginnen und Kollegen der SPD-Bundestagsfraktion zu .
Mit der Entscheidung zur Rheintalbahn werden aus
unserer Sicht neue Maßstäbe auch für andere Schienen-
verkehrsprojekte gesetzt . Anlieger von Bahnanlagen sind
in ganz Deutschland gleichermaßen von Schienenlärm
betroffen . Der bei der Rheintalbahn angelegte Maßstab
sollte daher für alle schutzbedürftigen Bürgerinnen und
Bürger gelten . Dieser Erkenntnis folgt der Antrag „Men-
schen- und umweltgerechte Realisierung europäischer
Schienennetze“ in Ansätzen . Er sieht vor, dass künftig
auch in anderen Fällen besonderer regionaler Betroffen-
heit durch Schienengüterverkehre ein Schutz von An-
wohnern und Umwelt erreicht werden kann, der über das
gesetzlich vorgegebene Maß hinausgeht .
Wir bedauern sehr, dass die CDU/CSU keine – von uns
wiederholt vorgeschlagenen – weitergehenden Beschlüsse
mitgetragen hat, die bei anderen bundes- und europaweit
bedeutsamen Strecken ein ähnlich hohes Schutzniveau
von Mensch und Umwelt wie bei der Rheintalbahn ver-
bindlich vorsehen . Zur Vermeidung von zahlreichen Kla-
gen und im Sinne eines zügigen Baubeginns halten wir
zusätzliche Lärmschutz- und Sicherheitsmaßnahmen – die
im Vorfeld mit den betroffenen Bürgerinnen und Bürgern
abgestimmt sind – im laufenden Planfeststellungsverfah-
ren des dreigleisigen Ausbaus der Betuwe-Linie zwischen
Emmerich und Oberhausen und beim sechsgleisigen
Ausbau der Strecke Duisburg—Düsseldorf im Zuge des
Rhein-Ruhr-Express für zwingend erforderlich . Darüber
hinaus ist der Lärmschutz an der gesamten Mittelrheintal-
strecke (Köln—Mainz) deutlich zu verbessern . Schließ-
lich wollen wir Kommunen, die an den besonders stark
befahrenen europäischen Güterverkehrskorridoren liegen,
beim Neubau von Bahnunterführungen stärker als bisher
unterstützen, um die Sicherheit zu erhöhen und eine besse-
re Verkehrsabwicklung zu ermöglichen .
Die heute verabschiedeten Anträge können aus unse-
rer Sicht nur ein erster Schritt sein . Die NRW-Landes-
gruppe in der SPD-Bundestagsfraktion wird sich dafür
einsetzen, im Rahmen weiterer parlamentarischer Ver-
fahren einen vergleichbaren Schutz von Mensch und
Umwelt vor Schienenverkehrsbelastungen zu erreichen,
wie er heute für die Rheintalbahn beschlossen wurde .
Anlage 8
Erklärung nach § 31 GO
der Abgeordneten Lothar Binding (Heidelberg),
Bernhard Daldrup, Cansel Kiziltepe und Christian
Petry (alle SPD) zur Abstimmung über den vom
Bundesrat eingebrachten Entwurf eines … Geset-
zes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes
zur Erhöhung des Lohnsteuereinbehalts in der
Seeschifffahrt (Tagesordnungspunkt 16)
Dieses Gesetz ermöglicht eine weitere Subvention
der Seeschifffahrtswirtschaft, denn schon heute haben
Reeder mit Schiffen unter deutscher Flagge erhebliche
Steuervergünstigungen in der Lohnsteuer: 40 Prozent
der Lohnsteuer müssen nicht an das zuständige Finanz-
amt weiterleitgeleitet werden . Die Lohnsteuer erhält also
nicht die Gemeinschaft, sondern der Reeder . Mit die-
sem Gesetz wird der bisherige Satz von 40 Prozent auf
100 Prozent erhöht . Die Lohnsteuer entfällt vollständig .
Die Subvention der Reedereien erreicht ihr bisheriges
Maximum .
Diese Subvention soll Beschäftigung und Know-how
in der deutschen Seeschifffahrt sichern . Es existiert je-
doch keine Verpflichtung, mit den gewonnenen Summen
etwa Arbeit und Ausbildung von Seeleuten in Deutsch-
land zu fördern . Sie erfolgt faktisch bedingungslos . Die
bisherigen Erfahrungen haben gezeigt, dass sich die
Erwartungen im Zusammenhang mit Steuergeschenken
weder bei der Beschäftigung noch bei der Zahl der Schif-
fe unter deutscher Flagge erfüllt haben .
Der Lohnsteuereinbehalt ist ein Steuergeschenk: Die
jährlichen Steuermindereinnahmen belaufen sich laut
Stellungnahme der Bundesregierung auf 50 Millionen
Euro . Derartige Subventionen schaden der Akzeptanz
des Steuersystems, weil gegen den Grundsatz der Steu-
ergerechtigkeit verstoßen wird . Andere Branchen werden
ermuntert, Gleichstellung zu verlangen .
Die Seeschifffahrt ist eine subventionierte Branche
und genießt beispielsweise auch bei der Tonnagebesteue-
rung und der ermäßigten Stromsteuer für den Landstrom
Vorteile . Auch hier sind die Reeder zu keiner konkreten
Gegenleistung verpflichtet. Es ist nicht erkennbar, dass
der aktuelle Trend, unter der Flagge von ,,Niedriglohn-
ländern‘‘ zu fahren, begrenzt würde . Im Gegenteil: Trotz
schon bisheriger Steuersubventionen hat die Zahl der un-
ter deutscher Flagge fahrenden Schiffe auf nur etwa 200
abgenommen .
Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (Verdi) be-
tont, dass das Ziel der Maßnahme in Einklang mit dem
Verständnis der EU-Kommission von staatlichen Bei-
hilfen darin liege, „Steuern sowie sonstige Kosten und
Belastungen von Reedereien und Seeleuten aus der Ge-
meinschaft auf ein Niveau zu senken, das dem allgemei-
nen Weltstandard entspricht“ . In die Praxis des Gesetzes
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 152 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . Januar 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 152 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . Januar 2016 15037
(A) (C)
(B) (D)
übertragen, bedeutet dies: Die bestehende Regel, dass ein
Schiff unter deutscher Flagge mindestens vier EU-See-
leute an Bord haben muss, soll auf zwei EU-Seeleute
abgesenkt werden . Damit widerspricht dieser Geset-
zesvorschlag der Zielsetzung der Regierung, deutsches
Know-how in der Seeschifffahrt abzusichern . Wenn wir
diesen Gedanken beispielsweise in Tarif- bzw . Lohnver-
handlungen fortsetzen, begeben wir uns auf eine interna-
tional getriebene Abwärtsspirale .
Unser Maßstab politischen Handelns ist aber nicht
die Beförderung einer Abwärtsspirale von steuer- und
arbeitsrechtlichen Standards, sondern im Gegenteil das
Streben nach qualifizierten gemeinsamen Standards, fai-
ren Löhnen, gerechter und gleichmäßiger Besteuerung .
Damit lässt sich fachpolitisch eine Zustimmung zu
diesem Gesetz nicht begründen . Wenn wir gleichwohl
zustimmen, so nicht deshalb, weil argumentiert wird, an-
dernfalls ginge es den Reedern noch schlechter – nein,
wir sehen in diesem Gesetz die letzte Möglichkeit, zu be-
obachten, ob sich die Hoffnungen des Bundesrates, der
dieses Gesetz eingebracht hat, erfüllen, und wir wollen
uns nicht dem Vorwurf aussetzen, nicht doch alles ver-
sucht zu haben, die deutsche Seeschifffahrt zu stärken .
Nun ist es an den Reedern, zu zeigen, dass sie es ver-
stehen, die mit den ungewöhnlich hohen Subventionen
verknüpften Ziele auch zu erreichen .
Anlage 9
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des von der Bundesregierung einge-
brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung
der Richtlinie 2014/91/EU des Europäischen Parla-
ments und des Rates vom 23. Juli 2014 zur Ände-
rung der Richtlinie 2009/65/EG zur Koordinierung
der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betref-
fend bestimmte Organismen für gemeinsame Anla-
gen in Wertpapieren (OGAW) im Hinblick auf die
Aufgaben der Verwahrstelle, die Vergütungspolitik
und Sanktionen (Tagesordnungspunkt 14)
Fritz Güntzler (CDU/CSU): Wir beraten heute ab-
schließend den Entwurf des Gesetzes zur Umsetzung der
Richtlinie 2014/91/EU des Europäischen Parlaments und
des Rates vom 23 . Juli 2014 zur Änderung der Richtli-
nie 2009/65/EG zur Koordinierung der Rechts- und Ver-
waltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen
für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) im
Hinblick auf die Aufgaben der Verwahrstelle, die Ver-
gütungspolitik und Sanktionen . Mit diesem Gesetzes-
vorhaben überführen wir die überarbeitete europäische
OGAW-V-Richtlinie in das Kapitalanlagegesetzbuch
(KAGB), also in nationales Recht .
Für unsere Zuschauer und Gäste auf der Tribüne,
die sich vielleicht nicht täglich mit dem Thema Finanz-
marktregulierung beschäftigen, sei kurz erklärt: OGAW
bedeutet Organismen für gemeinsame Anlagen in Wert-
papieren . Dies sind Investmentfonds, die in gesetzlich
definierte Arten von Wertpapieren und andere Finanzin-
strumente investieren .
Die sogenannte OGAW-Richtlinie wurde erstmals am
20 . Dezember 1985 zur Koordinierung der Rechts- und
Verwaltungsvorschriften für diese erlassen . Dies hat zu
einem Abbau von Wettbewerbsunterschieden innerhalb
der EU geführt . Bevor ich auf die Einzelheiten des vor-
liegenden Gesetzentwurfs eingehe, lassen Sie mich noch
kurz einen Blick zurück auf die Entstehung des KAGB
werfen .
Seit etwas mehr als zwei Jahren ist das Gesetz nun in
Kraft . Es bildet die rechtliche Grundlage für offene und
geschlossene Fonds . Mit dem über 300 Paragrafen star-
ken KAGB wurden ein verlässlicher Schutz für Anleger
und ein einheitlicher rechtlicher Standard für die Branche
geschaffen . Ziel ist es, dass kein Finanzmarktakteur, kein
Finanzprodukt und kein Finanzmarkt ohne eine ange-
messene Regulierung bleiben soll .
Heute kann man feststellen, dass dieses Vorhaben ge-
lungen ist . Das KAGB bietet Anlegern angemessenen
Schutz und findet in der Finanzwirtschaft Akzeptanz. Dies
spiegelt sich auch in dem Ergebnis einer Umfrage wider,
die eine der großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften
(pwc) gemeinsam mit zwei Wirtschaftsverbänden (ZIA
und BSI) erstellt hat . Danach sehen die Rechtsanwender
in der Praxis die neuen gesetzlichen Rahmenbedingun-
gen vorwiegend als Chance und weniger als Hindernis .
Die Befragung aus dem Jahr 2014 ergab allerdings
auch, dass noch einige Unklarheiten im KAGB bestan-
den . Auf diese Kritik haben wir schon reagiert und das
KAGB seit Inkrafttreten immer wieder angepasst und
Klarstellungen vorgenommen . Die letzten umfangreiche-
ren Änderungen haben wir 2014 mit dem Finanzmarkt-
anpassungsgesetz vorgenommen .
Heute beraten wir nun eine weitere Novellierung des
KAGB . Diese steht unter dem Stichwort „Weitere Erhö-
hung des Anlegerschutzes“ . Es geht dabei um drei The-
menkomplexe: erstens Verwahrstellenregulierung, zwei-
tens Mitarbeitervergütung, drittens Sanktionen .
Neben den Maßnahmen zur nationalen Umsetzung der
Vorgaben der OGAW-V-Richtlinie schaffen wir auch die
gesetzlichen Voraussetzungen, unter denen Alternative
Investmentfonds Darlehen vergeben dürfen . Auf dieses
Thema komme ich später noch zurück . Die schon an-
gesprochene Anhörung hat gezeigt, dass dies ein wich-
tiges Anliegen des Mittelstandes, vor allem aber von
Start-up-Unternehmen ist .
Ich hatte eingangs gesagt, dass wir mit diesem Gesetz
den Anlegerschutz stärken . So werden die Vergütungs-
systeme von OGAW-Kapitalverwaltungsgesellschaften
künftig keine Anreize für das Eingehen übermäßiger
Risiken mehr enthalten . Sie werden besser auf die lang-
fristigen Interessen der Anleger und das Erreichen der
Anlageziele des OGAW abgestimmt sein .
Außerdem erweitern wir die Haftung der Verwahr-
stellen . Diese haben ja im Wesentlichen zwei Aufga-
ben: Zum einen verwahren sie die Vermögenswerte des
OGAW . Zum anderen überwachen sie die Verwaltungs-
gesellschaften zum Schutze der Anleger . Der Gesetzent-
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 152 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . Januar 201615038
(A) (C)
(B) (D)
wurf sieht vor, dass sich OGAW-Verwahrstellen künftig
nicht mehr exkulpieren können, wenn einem von ihnen
in Anspruch genommenen sogenannten Unterverwahrer
Finanzinstrumente abhandenkommen .
Die Sanktionen bei Rechtsverstößen werden insge-
samt verschärft und neu strukturiert . Lassen Sie mich auf
einige Punkte eingehen, die wir im parlamentarischen
Verfahren diskutiert haben .
Die Darlehensvergabe durch AIF hatte ich schon an-
gesprochen . Mit diesem Gesetz schaffen wir national ei-
nen Rahmen für die Darlehensvergabe durch AIF . Durch
diese nicht bankgestützte Finanzierungsform schaffen
wir einen weiteren Beitrag für die Finanzierung der Re-
alwirtschaft . Wir haben dabei sowohl den Mittelstand als
auch Start-ups und ihre Investoren, zum Beispiel Wag-
niskapitalgeber, im Blick .
Gleichzeitig haben wir mit den getroffenen Regelun-
gen Vorsorge getroffen, um eine uferlose Darlehensver-
gabe zu verhindern (Stichwort: „Schattenbankproblema-
tik“), und somit dem Anlegerschutz Rechnung getragen .
Künftig dürfen geschlossene Spezial-AIF Gesellschaf-
terdarlehen bis zu einem Umfang von 50 Prozent des
Fondsvermögens vergeben . Diese Gesellschafterdarle-
hen werden ihrer Höhe nach nicht das Zweifache der An-
schaffungskosten der jeweiligen Beteiligung überschrei-
ten dürfen .
Anderes gilt für geschlossene Publikums-AIF . Aus
Anlegerschutzgründen soll hier die Vergabe von Gesell-
schafterdarlehen nur bis zu einem Umfang von 30 Pro-
zent des Fondsvermögens erlaubt sein . Gesellschafter-
darlehen sollen bei den geschlossenen Publikums-AIF
ihrer Höhe nach auch nicht das Einfache der Anschaf-
fungskosten der Beteiligung überschreiten dürfen .
Mit Übergangsvorschriften wollen wir sicherstellen,
dass bisher rechtmäßig vergebene Darlehen nicht zurück-
gefordert werden müssen .
Allen AIF, also auch den offenen Spezial-AIF, wird
künftig die Restrukturierung und Prolongation (Verwal-
tung) von erworbenen Darlehensforderungen erlaubt
sein . Diese Flexibilisierung soll, auch wieder im Sinne
der Anleger, dazu beitragen, dass es nicht zu vorschnel-
len Veräußerungen von Darlehen und den damit einher-
gehenden Wertverlusten im Markt kommt .
Wir haben ausführlich die Regulierung von darle-
hensaufkaufenden Spezial-AIF diskutiert . Wesentlicher
Diskussionspunkt war die unterschiedliche Regulierung
für aufkaufende Fonds und vergebende Fonds . Darle-
hensaufkaufende Spezial-AIF unterfallen nicht den Re-
gelungen zur Vergabe von Darlehen durch geschlossene
Spezial-AIF . Diese Regelungen sollen Laufzeiteninkon-
gruenzen und Run-Risiken verhindern .
Die Bundesbank hat in ihrer Stellungnahme gefordert,
darlehensaufkaufende Spezial-AIF auch dieser Regulie-
rung zu unterwerfen . Wir haben uns diese Forderung sehr
genau angeschaut und sind zu dem Ergebnis gekommen,
diese nicht umzusetzen . Folgende Gründe haben uns
dazu bewogen:
Bei der originären Darlehensvergabe durch eine Bank
sind alle Anforderungen einzuhalten, auch wenn das ver-
gebene Darlehen weiterveräußert wird . Man kann also
Regulierungsvorgaben nicht durch den Umweg über eine
„Fronting-Bank“ umgehen .
Darlehensaufkaufende offene Spezial-AIF existieren
bereits . Besondere Risiken sind dabei nicht aufgefallen .
Das Millionenkreditmeldeverfahren und Risikoma-
nagementvorgaben finden Anwendung.
Die Kapitalverwaltungsgesellschaften müssen ein an-
gemessenes Liquiditätsmanagement sicherstellen .
Das Thema ist auf der Agenda des FSB (financial sta-
bility board) . Es ist sinnvoll, die Ergebnisse dieser Arbei-
ten abzuwarten, bevor wir national eine Regelung treffen .
Die Grünen haben in der Anhörung und im Ausschuss
gefordert, auch Zertifikate zu regulieren und möglichst
dem OGAW-Regime zu unterwerfen . Darauf zielt auch
Ihr Entschließungsantrag ab . Es ist festzuhalten: Zerti-
fikate, auch wenn sich ihr Wert beispielsweise an einem
Aktienindex orientiert, sind keine OGAW . Es handelt
sich um Schuldverschreibungen. Zertifikate sind auch
nicht gänzlich unreguliert . Ich nenne hier zum Beispiel
das Produktinformationsblatt und das Wertpapierpros-
pektgesetz .
Wenn Sie also für Veränderungen, Ihrem Antrag nach
für Verschärfungen bei der Regulierung von Zertifikaten
sind, müssten wir darüber bei einer anderen Gelegenheit
sprechen . Wir haben vereinbart, Herr Schick, dass wir
uns zu diesem Thema austauschen . Ich möchte an dieser
Stelle nur vorwegschicken, dass wir weiterhin bestrebt
sind, dafür zu sorgen, dass Finanzprodukte umsichtig re-
guliert werden .
Wir schaffen Rechtssicherheit für Bürgergenossen-
schaften . § 2 Absatz 4 b KAGB soll gestrichen werden .
Nach dieser Regelung sind auf Genossenschaften aus-
nahmsweise nicht alle KAGB-Regelungen anwendbar .
Mit der Streichung dieser Regelung beseitigen wir
eine Unklarheit im KAGB . Damit wird deutlich, dass es
sich bei Genossenschaften nicht um Investmentvermö-
gen im Sinne des KAGB handelt .
Wir sind auch in Gesprächen mit der BaFin zu der
Auffassung gelangt, dass Genossenschaften Gesellschaf-
ten sind, deren Zweck darauf gerichtet ist, den Erwerb
oder die Wirtschaft ihrer Mitglieder oder deren soziale
oder kulturelle Belange zu fördern . Diese zwingende
Ausrichtung auf einen besonderen Förderzweck schließt
eine im Vordergrund stehende fondstypische reine Ge-
winnerzielungsabsicht aus . Die genossenschaftlichen
Prüfungsverbände schließen durch ihre regelmäßigen
Prüfungen aus, dass es zu Missbrauch kommt . Sollte sich
eine Genossenschaft doch zu einem Investmentvermö-
gen entwickeln, ist es der BaFin weiterhin unbenommen,
einzugreifen .
Damit schaffen wir auch Erleichterungen und Rechts-
sicherheit für die rund 900 Bürgerenergiegenossenschaf-
ten in Deutschland .
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 152 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . Januar 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 152 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . Januar 2016 15039
(A) (C)
(B) (D)
Susanna Karawanskij (DIE LINKE): Der einheitli-
che Binnenmarkt in Europa für Investmentfonds schrei-
tet mithilfe von OGAW V voran . Hinter der kryptischen
Bezeichnung „OGAW“ verbergen sich „Organismen für
gemeinsame Anlagen in Wertpapieren“, wobei „Orga-
nismen“ hier mitnichten etwas mit kleinen krabbelnden
Tierchen zu tun haben .
Doch damit nicht genug: In dem Gesetzentwurf fin-
den sich auch noch AIF; das sind im Gegensatz zu den
offenen, jederzeit handelbaren OGAW-Investmentfonds
Alternative Investmentfonds wie zum Beispiel Geschlos-
sene Fonds, die unter anderem in Immobilien investieren
können . Bei den AIF gibt es dann noch Publikums-AIF
für die „breite Masse“ sowie Spezial-AIF für Professi-
onelle . Diese unterteilen sich jeweils wieder in offene
und geschlossene AIF . Vergessen darf man auch nicht
die ELTIF, die europäischen langfristigen geschlossenen
Investmentfonds, die vor allem Infrastrukturinvestition-
en im Blick haben . Wie man merkt, keine ganz einfache
Materie . Von Transparenz und Verständlichkeit für einen
durchschnittlichen Anleger ganz zu schweigen .
Doch ich möchte kurz für die Verbraucherinnen und
Verbraucher, für die Menschen außerhalb der Finanzwis-
senschaft erläutern, warum diese Investmentfondsregu-
lierung keine reine Spaßveranstaltung für Finanz-Nerds
ist, sondern durchaus für viele Menschen in diesem
Land von Belang ist . Denn viele Menschen wurden ge-
zwungen, nachdem die vergangenen Bundesregierungen
die gesetzliche Rente Stück für Stück geschleift hatten,
privat für ihr Alter vorzusorgen, und dies geschah und
geschieht oft in Form von Renten- oder Lebensversiche-
rungen, die Kundengelder in Investmentfonds investie-
ren (fondsgebundene Renten-/Lebensversicherungen) .
Für diese Altersvorsorgeprodukte gilt gerade kein Garan-
tiezins wie bei der klassischen Lebensversicherung . Die
Verbraucher sind vollends auf die Entwicklung des bzw .
der Investmentfonds angewiesen, in die eingezahlt wird .
Fahren diese Fonds Verluste ein und stürzen ab, ist ganz
schnell auch das angesparte Vermögen fürs Alter futsch .
Daneben wurden zahlreiche Verbraucher aufgrund der
Warnungen vor der Niedrigzinsphase in angeblich ren-
diteträchtigere Anlagen getrieben, wodurch viele Men-
schen ihr Geld in geschlossene Investmentfonds, also in
der Regel hochriskante unternehmerische Beteiligungen,
steckten . Nimmt man dies alles zusammen, ist es für Ver-
braucher durchaus von Belang, wie nun die Investment-
fonds reguliert werden .
Den höheren Bußgeldrahmen sowie die Haftungsver-
schärfung für die Verwahrstellen dieser Fonds begrüßen
wir ohne Weiteres . Doch wir sehen im Gesetzentwurf
auch eine Reihe von Regelungen, die zu Problemen füh-
ren können .
Beispielsweise ist es bedenklich, dass Alternative
Investmentfonds, die AIF, nun großflächiger Kredite
vergeben dürfen. Wir finden es falsch, dass sogar Publi-
kums-AIF, also Fonds, die auch an Kleinanleger verkauft
werden, in großem Maße Kredite vergeben dürfen . Den
OGAW ist dies jedenfalls bis jetzt untersagt .
Darlehen sollten von Fonds beispielsweise nicht an
Beteiligungsunternehmen vergeben werden dürfen . Denn
da habe ich die Sorge, dass die AIF davon Gebrauch ma-
chen werden, um Unternehmen, an denen sie beteiligt
sind, künstlich am Leben zu erhalten . So kann dezent ein
Fehlinvestment vertuscht werden . Dies wollen wir als
Linke nicht zulassen .
Mit der erweiterten Kreditvergabe holt man sich zu-
meist ein unnötiges Risiko ins Boot, das bei einem Ken-
tern letztlich nur die Privatanleger als Leichtmatrosen
nass werden lässt . Denn wie oben bereits erwähnt: Ge-
hen die Fonds in höheres Risiko, winken nicht unbedingt
nur höhere Renditen, es drohen auch höhere Verluste, die
am Ende voll auf die Altersvorsorge der breiten Bevöl-
kerung durchschlagen . Wir sollten wirklich mal weiter-
denken, wie es unter anderem die Verbraucherzentralen
angeregt haben, ob diese Publikums-AIF, die geschlosse-
nen Fonds, überhaupt an Privat-/Kleinanleger vertrieben
werden dürfen . Aus linker Sicht sind diese Fonds nicht
sinnvoll für die Altersvorsorge .
Die Bundesregierung sieht hier wie so oft keinerlei
Risiken; Risiken seien noch nicht einmal „bekannt“,
wie wir gestern im Finanzausschuss hören mussten .
Geschickt will Schwarz-Rot den Eindruck vermitteln,
man begrenze allenthalben das Risiko . Da passt es ins
Bild, dass regelmäßig betont wird, man will den Schat-
tenbankensektor stärker regulieren . Doch bisher ist das
nicht mehr als ein bloßes Lippenbekenntnis . Viel schlim-
mer: Durch die Möglichkeiten exzessiver Kreditvergabe
werden ohne Not Türen geöffnet für regulatorische Un-
gleichgewichte und leider auch für eine weitere Verlage-
rung von Geschäften in den Schattenbankbereich .
Ein Beispiel für das regulatorische Gefälle ist die un-
gleiche Behandlung kreditaufkaufender und kreditver-
gebender Fonds, obwohl beide den gleichen Risiken am
Markt unterliegen . Stellen Sie sich vor, ein beliebiger
Fonds kauft spanische Immobilienanleihen, ausgehend
davon, dass der versprochene Wirtschaftsaufschwung
endlich – trotz der Troika-Politik – eintritt und die Im-
mobilienwerte wieder steigen . Das geschieht aber nicht;
die Werte bleiben im Keller, und die Immobilienpapie-
re liegen wie Blei in den Regalen . Anleger, die in die-
se Fonds investiert haben, werden natürlich in Krisen-
situationen schnellstmöglich versuchen, aus diesem
Fonds auszusteigen . Ein Wettrennen wird einsetzen,
wer seine Schäfchen als Erster ins Trockene bringt . An-
dererseits behandelt der Gesetzentwurf kreditvergeben-
de Fonds vollkommen anders; dort ist die Vergabe klar
begrenzt (30 Prozent), wenn auch nach unserer Ansicht
zu schwach . Und ein Wettrennen zum Schafstall ist auch
deshalb unwahrscheinlicher, weil die allgemeine Kredit-
vergabe geschlossenen Fonds vorbehalten bleibt . Das ist
nicht nur eine klare Öffnung von Bankgeschäften für den
weniger regulierten Schattenbankenbereich, das ist auch
die klare Aufforderung an gewitzte Finanzmarktakteure,
hier eine schnelle Mark zu machen .
Die schon erwähnten ELTIF befördern die weitere Ge-
schäftsverlagerung ins Schattenbanking . Denn was viele
nicht wissen: Diese Fonds dürfen auch in Nachrangdarle-
hen, stille Beteiligungen, Kredite oder Genussrechte in-
vestieren . Das heißt: Diese Fonds dürfen in Produkte des
Grauen Kapitalmarkts investieren, die Anlegern bereits
massive Verluste in Millionenhöhe beschert haben . Und
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 152 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . Januar 201615040
(A) (C)
(B) (D)
diese Fonds übernehmen zugleich Bereiche des klassi-
schen Bankgeschäfts wie das Kreditgeschäft, was weiter
in den „Schatten“ führt .
Gerade bezüglich des Anlagespektrums und der An-
lagemöglichkeiten kann man schon einen Hang zur Dere-
gulierung feststellen . Ich hoffe, Sie von der Regierungs-
bank gehen dabei nicht dem Überregulierungsgejammer
so manches Branchenvertreters auf den Leim . Die Linke
möchte riskantes Anlageverhalten in Finanzprodukten
für Privatanleger eindämmen, die Finanzmärkte ent-
schlacken und transparenter machen, um für mehr Fi-
nanzstabilität zu sorgen, und wir wollen Kleinanleger
bzw . Altersvorsorgesparer vor Verlusten schützen .
Vielleicht gelingt es der Bundesregierung in der nächs-
ten OGAW-Runde, bei OGAW VI, auf Regulierungskurs
zu bleiben und Verbraucher stärker zu schützen . Dann
können wir das nächste Mal dem Gesetzentwurf auch
zustimmen . An dieser Stelle geht das für die Linke nicht .
Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Die mit dem vorgelegten Gesetzentwurf erfolgende Um-
setzung der europäischen Vorgaben zu Verwahrstellen,
Vergütungs- und Sanktionsregeln bei Investmentfonds ist
grundsätzlich zu begrüßen . Leider lässt sich jedoch am
vorliegenden Gesetzentwurf auch exemplarisch aufzei-
gen, wie die Interessen der Finanzbranche die Gesetzge-
bung der Bundesregierung negativ beeinflussen. Risiken
für die Finanzstabilität und den Anlegerschutz erkennen
Sie zwar . Sie beseitigen diese aber nicht wirksam . Das ist
unser Hauptkritikpunkt bezüglich des Gesetzentwurfes .
Deswegen werden wir dem Gesetz nicht zustimmen .
So haben Sie zwar – was grundsätzlich zu begrüßen
ist – die Umsetzung der OGAW-V-Richtlinie zum An-
lass genommen, die Kreditaufnahme und -vergabe durch
Alternative Investmentfonds und damit einen Teil des
Schattenbankensektors zu regulieren . Jedoch scheuen
Sie eine konsistente Regulierung der Vorschriften für
die Kreditvergabe und für den Aufkauf unverbriefter
Kreditforderungen . Zukünftig können Kredite nur von
geschlossenen Spezial-AIF vergeben werden . Das Kre-
ditportfolio muss dabei diversifiziert sein, und die He-
belung der Kreditvergabe wird beschränkt . Diese aus Fi-
nanzstabilitätssicht sinnvollen Regeln können die Fonds
jedoch einfach umgehen . Anstatt einen Kredit zu verge-
ben, müssen sie nur unverbriefte Kreditforderungen auf-
kaufen . Dann gelten keine vergleichbaren Vorgaben zur
Risikostreuung, keine vergleichbaren Vorgaben zur He-
belung der Verschuldung . Und den Kreditaufkauf können
sie sogar – anders als die Kreditvergabe – auch in offenen
Fonds strukturieren . Dabei hatte das Bundesministerium
der Finanzen in seinem Referentenentwurf noch zutref-
fend darauf hingewiesen, dass die Fristentransformation
eine der Hauptwurzeln der Finanzkrise war . Daher sollte
nach dem Referentenentwurf der Aufkauf von unver-
brieften Kreditforderungen durch offene Spezial-AIF
limitiert werden . Auch die Deutsche Bundesbank hat
im Rahmen der Anhörung zum Gesetzentwurf deutlich
darauf hingewiesen, dass sich darlehensaufkaufende
und darlehensvergebende Fonds im Risiko nicht unter-
scheiden . Der Rat der Deutschen Bundesbank lautete
daher, beide Anlageformen vergleichbar zu regulieren .
Von Ihrem eigenen Regulierungsansatz und dem Rat der
Deutschen Bundesbank weichen Sie aus einem einzigen
Grund ab: Sie schaffen es nicht, dem Druck der Finanz-
branche standzuhalten .
Auch an anderer Stelle – beim Anlegerschutz – nimmt
Ihre Politik zu oft auf Brancheninteressen Rücksicht .
So gelingt es der Bundesregierung seit 2008 nicht, bei
Zertifikaten ein vergleichbares Schutzniveau wie bei
Investmentfonds zu schaffen. Dabei sind Zertifikate in
Deutschland in Form der Lehman-Zertifikate zum Sinn-
bild für die Finanzkrise des Jahres 2008 geworden . Da-
mals hatten unerfahrene Kleinanlegerinnen und Klein-
anleger in Zertifikate mit Bezug zur Investmentbank
Lehman Brothers investiert . Als diese pleiteging, waren
die Ersparnisse und die private Altersvorsorge Tausender
Kleinanlegerinnen und Kleinanleger betroffen . Auch hier
werfe ich Ihnen nicht vor, dass Sie das Problem nicht er-
kennen. Im Gegenteil: Der finanzpolitische Sprecher der
CDU, Otto Bernhardt, ließ sich 2009 von der Presse da-
mit zitieren, dass das Verbot von bestimmten Zertifikaten
geprüft werde . Vorzuwerfen ist Ihnen jedoch, dass Sie
bis heute weder für Kleinanlegerinnen und Kleinanleger
ungeeignete Zertifikate vom Markt genommen noch eine
produktspezifische Regulierung von Zertifikaten vorge-
legt haben .
Die mit Zertifikaten verbundenen Risiken und Pro-
bleme haben sich seit 2008 hingegen nicht wesentlich
verändert. Der deutsche Zertifikatemarkt ist mit rund
70 Milliarden Euro weiterhin mit Abstand der größte
Zertifikatemarkt in der EU. Die Hälfte des ausstehenden
Emissionsvolumens entfällt auf Landesbanken und die
Spitzeninstitute des Sparkassen- und Genossenschafts-
sektors und damit auf Vertriebsverbünde, die in wesent-
lichem Umfang auf Kleinanlegerinnen und Kleinanleger
ausgerichtet sind .
Auch die Bezeichnungen von Zertifikaten sind zum
Teil weiterhin irreführend . So stuft der Deutsche Deri-
vate Verband knapp 50 Prozent des Marktvolumens als
Anlagezertifikate mit Kapitalgarantie ein. Trotz des da-
mit offensichtlichen erheblichen Sicherheitsbedürfnisses
der Anleger fallen diese Zertifikate weiterhin weder unter
die Einlagensicherung, noch sind sie, ähnlich wie Invest-
mentfonds, als Sondervermögen vor der Insolvenz des
Emittenten geschützt .
Das Versagen Ihres vertriebsbezogenen Regulierungs-
ansatzes bei Finanzinstrumenten zeigt sich insbesonde-
re auch bei der Produktgestaltung von Zertifikaten. Für
Kleinanleger ungeeignete Zertifikatestrukturen sind im-
mer noch am Markt verbreitet . So weisen Bonitätsanlei-
hen, die bei der Insolvenz von Lehman Brothers zu emp-
findlichen Verlusten geführt haben, auch heute noch ein
erhebliches Marktvolumen auf .
Gleichzeitig besteht mit dem für Investmentfonds
geltenden Kapitalanlagegesetzbuch eine Blaupause für
die Regulierung von Zertifikaten. Beide Produktgruppen
sind bezüglich der Anlageidee in wesentlichen Teilen
austauschbar . So kann zum Beispiel die Entwicklung des
deutschen Aktienindex DAX sowohl über ein Zertifikat
als auch über einen Investmentfonds nachvollzogen wer-
den .
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 152 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . Januar 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 152 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . Januar 2016 15041
(A) (C)
(B) (D)
Ihnen ist daher an dieser Stelle auch vorzuwerfen,
dass Sie die Novellierung des KAGB nicht genutzt ha-
ben, um Zertifikaten endlich den Rahmen zu geben, den
der Anlegerschutz gebietet .
Anlage 10
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des von der Bundesregierung einge-
brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Novellierung
des Rechts der Unterbringung in einem psychia-
trischen Krankenhaus gemäß § 63 des Strafgesetz-
buches und zur Änderung anderer Vorschriften
(Tagesordnungspunkt 17)
Reinhard Grindel (CDU/CSU): Der vorliegende Ge-
setzentwurf ist keine „Lex Mollath“ . Für das Parlament
verbietet es sich geradezu, allein aus Gründen eines Ein-
zelfalls gesetzgeberische Maßnahmen zu ergreifen . Die
Koalition reagiert mit dieser Reform des Maßregelvoll-
zugs vielmehr auf eine Vielzahl von berechtigten Mah-
nungen aus der Rechtswissenschaft und dem Gesund-
heitswesen .
Es trifft zu: Immer mehr Menschen werden immer
länger gemäß § 63 des Strafgesetzbuchs in die geschlos-
sene Psychiatrie eingewiesen . Das sind jetzt keine Mas-
senphänomene, aber der Anstieg von rund 4 000 Perso-
nen im Jahr 2000 auf heute gut 6 500 Personen ist doch
eine beachtliche Steigerung .
Deshalb ist der Gesetzgeber jetzt wirklich veranlasst,
darüber zu entscheiden, in welcher Weise wir dem Ver-
hältnismäßigkeitsgrundsatz bei der Abwägung zwischen
der Schutzpflicht des Staates gegenüber der Allgemein-
heit, also potenziellen Opfern, und den Freiheitsrechten
der Täter noch stärker als bisher Geltung verschaffen
können . Das ist im Kern das Ziel des Gesetzentwurfs .
Dabei können wir aufbauen auf den sehr konstrukti-
ven Vorschlägen der Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur
Novellierung des Rechts der Unterbringung in einem
psychiatrischen Krankenhaus, die im März 2014 gebildet
wurde .
Die Ziele des Gesetzentwurfs sind die stärkere Be-
schränkung der Anordnung der Unterbringung auf gravie-
rende Fälle, die zeitliche Begrenzung der Unterbringung
bei weniger schwer wiegenden Gefahren und der Ausbau
der prozessualen Sicherungen, um unverhältnismäßig
lange Unterbringungen zu vermeiden . Die Schwelle der
Erheblichkeit wird heraufgesetzt, indem es sich bei den
künftig zu erwartenden Taten um solche handeln muss,
durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheb-
lich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder
schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird . Al-
lerdings verbieten sich hier schematische Lösungen nach
dem Motto: Alles, was unter einer Höchststrafe von fünf
Jahren liegt, ist nicht erheblich . Auch etwa die perma-
nente Bedrohung, man werde jemanden umbringen, kann
zu solchen seelischen Belastungen für das Opfer führen,
dass es sich um eine erhebliche Tat handelt . Die Gerichte
haben nach wie vor auf die besonderen Umstände des
Einzelfalls abzustellen . Der Gesetzentwurf bietet inso-
fern eine Reihe von Leitplanken, anhand derer sich die
Gerichte bei der Beachtung des Verhältnismäßigkeits-
grundsatzes orientieren können .
Was die Anordnungsvoraussetzungen angeht, sollen
zunächst die Voraussetzungen angehoben werden, wenn
es nur um die Vermeidung wirtschaftlicher Schäden geht .
Der permanente Ladendiebstahl scheint dabei nicht in
Betracht zu kommen, wohl aber die fortgesetzte Beschä-
digung von Kunstgegenständen, wie wir sie von den so-
genannten Säureattentätern kennen .
Nicht erforderlich ist hingegen, dass Straftaten zu
erwarten sind, durch die Opfer seelisch oder körperlich
schwer geschädigt werden . Das ist erst für die Fortdauer
eines Maßregelvollzugs nach sechs Jahren erforderlich
oder einer Unterbringung, die der der Sicherungsverwah-
rung nach zehn Jahren entspricht .
Neu ist die Einführung einer Darlegungspflicht, die
verlangt wird, wenn aus nichterheblichen Anlasstaten auf
die Gefahr künftiger erheblicher Gefahren für die Allge-
meinheit geschlossen wird . Der Gesetzentwurf sieht vor,
dass besondere Umstände vorliegen müssen, die trotz
einer nichterheblichen Anlasstat auf eine positive Ge-
fährlichkeitsprognose schließen lassen . Die Feststellung
dieser besonderen Umstände zwingt das anordnende Ge-
richt auch in dieser Hinsicht zu einer besonderen Beach-
tung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes . Es wird im
Ergebnis darauf ankommen, zu prüfen, ob es besondere
Anhaltspunkte in der Person des Täters oder den Tatum-
ständen gibt, dass er bei nächster Gelegenheit etwa ein
deutlich höheres Maß an Gewaltanwendung an den Tag
legen würde .
In prozessualer Hinsicht geht es darum, dass mit
dem Gesetzentwurf die Anforderungen an die jährli-
chen Gutachten konkretisiert werden . Wir wollen auch
dem Vorwurf der Fließband- oder Gefälligkeitsgutachten
entgegenwirken . So wird die zeitliche Frequenz deutlich
erhöht, in der externe Gutachter eingeschaltet werden
müssen, und auch bei diesen externen Gutachtern soll es
öfter als bisher zu einem personellen Wechsel kommen .
Im ersten Durchgang im Bundesrat hat der Justizmi-
nister des Landes Bayern, der sich bei diesem Thema in
besonderer Weise auch schon bei unseren Koalitionsver-
handlungen engagiert hat, für eine Beteiligung der Öf-
fentlichkeit bei den mündlichen Anhörungen des Unter-
gebrachten geworben . Dadurch solle bei diesem Thema
vor allem für mehr Transparenz gesorgt werden, um dem
Eindruck entgegenzuwirken, hinter den hohen Mauern
der psychiatrischen Krankenhäuser seien die Menschen
hilflos den Gutachtern und Richtern ausgesetzt.
Ich bin dafür, dass wir über den übrigens aus meiner
Sicht bisher einzigen gravierenden Kritikpunkt am Ge-
setzentwurf in der öffentlichen Anhörung intensiv disku-
tieren, weil ich mir schon vorstellen kann, dass es auch
zum Schutz der Persönlichkeitsrechte der Untergebrach-
ten und möglicherweise auch potenzieller Opfer Argu-
mente geben mag, die gegen eine solche Öffnung der
Anhörungen sprechen .
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 152 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . Januar 201615042
(A) (C)
(B) (D)
Alexander Hoffmann (CDU/CSU): Wir als Gesetz-
geber haben, wenn wir heute erstmals über die Novel-
lierung des Rechts der Unterbringung in einem psychia-
trischen Krankenhaus debattieren, die folgenden beiden
Aspekte zu beachten: den Schutz der Öffentlichkeit vor
möglichen Gefahren, die von einzelnen untergebrachten
Personen ausgehen könnten, aber auch den Schutz des
einzelnen Untergebrachten vor eventuellen Fehleinschät-
zungen durch Behörden und Gerichte .
Die anstehende Gesetzesänderung stärkt die thera-
peutischen Erfolgsmöglichkeiten und ermöglicht einen
zielgenaueren und effizienteren Einsatz der begrenzten
Ressourcen im Bereich der Entziehungseinrichtungen .
Ziel der Änderungen der §§ 63 ff . StGB ist es, die stei-
genden Zahlen der in einem psychiatrischen Kranken-
haus oder einer Entzugsklinik untergebrachten Personen
zu senken und die Voraussetzungen einer Unterbringung
und ihrer Dauer zu regulieren .
Der kontinuierliche Anstieg und die wachsende Dauer
der untergebrachten Personen haben den Anlass geboten,
eine Gesetzesänderung herbeizuführen: Im Jahr 2000
waren 4 089 Personen in solchen Einrichtungen unter-
gebracht; diese Zahl ist bis zum Jahr 2013 um mehr als
50 Prozent auf 6 652 Personen angestiegen . Auch die
durchschnittliche Unterbringungsdauer hat sich von
6,2 Jahren in 2008 auf acht Jahre in 2012 erhöht .
Für die Unterbringung in einer Entziehungsklinik ist
eine hinreichend konkrete Aussicht auf Erfolg erforder-
lich . Es ist daher von Bedeutung, dass der Betroffene
durch die Behandlung geheilt wird oder über einen er-
heblichen Zeitraum von Rückfällen abgehalten wird . Für
diese Anordnung ist daher eine präzise Prognose erfor-
derlich, wie lange eine solche Unterbringung erforderlich
ist .
Durch das Anfügen der Frist aus § 67 d I 1 und 3 StGB
wird der Therapie eine zeitliche Grenze von zwei Jahren
gesetzt, soweit keine Freiheitsstrafe verhängt wurde, da
sich der Täter durch seine Sucht in einem schuldunfähi-
gen Zustand befand . Dies hat den Zweck, den Streit in
der Rechtsprechung über die Dauer solcher Maßnahmen
zu beenden . Diese Höchstdauer ist meiner Meinung nach
vernünftig, da eine sinnvolle Prognose über die Dauer
von drei Jahren nicht wirklich möglich ist .
Wurde eine freiheitsentziehende Maßnahme verhängt,
kann die Therapiedauer auch auf diese Zeit verlängert
werden . Dies ist besonders bei Straftätern, die über die
Suchtmittelabhängigkeiten hinaus an weiteren psychi-
schen Erkrankungen leiden, erforderlich, da in diesen
Fällen eine Entwöhnung durchaus länger dauern kann .
Die Behandlungsdauer soll dadurch nicht verlängert wer-
den; diese Verlängerung gilt nur für besonders schwieri-
ge Fälle .
Durch die Erweiterung des § 67 StGB um einen Ab-
satz 6 soll eine wichtige Entscheidung des BGH umge-
setzt werden, wonach die Zeit des Maßregelvollzugs in
Härtefällen auf eine verfahrensfremde Freiheitsstrafe
anzurechnen ist . Durch diese Änderung wird bei einer
Gesamtstrafe der Maßregelvollzug berücksichtigt .
Wie wir wissen, verfolgen Freiheitstrafen und frei-
heitsentziehende Maßnahmen unterschiedliche Zwecke,
weswegen sie grundsätzlich auch nebeneinander ange-
ordnet werden können . Geschieht dies, ist jedoch gebo-
ten, sie einander so zuzuordnen, dass die Zwecke bei-
der Maßnahmen möglichst weitgehend erreicht werden,
ohne dabei in das Freiheitsgrundrecht aus Artikel 2 II
2 GG mehr als notwendig einzugreifen . Diese genannten
Vorgaben sind nicht schematisch zu sehen, sondern die-
nen nur als Kriterien für die Abwägung im Einzelfall . Im
Vordergrund muss immer die Verhältnismäßigkeit zwi-
schen dem Freiheitsgrundrecht des Untergebrachten und
dem Maßregelvollzug stehen . Dies setzt eine schonende
Anwendung der staatlichen Gewalt gegenüber dem Bür-
ger und nur eine Anwendung bei einer wirklichen Dring-
lichkeit voraus . Der Vollzug der anderen Freiheitsstrafe
muss zu einer unbilligen Härte für den Untergebrachten
führen . Ein wesentliches Kriterium dafür sind vor allem
der erzielte Therapieerfolg und eine anschließende Ge-
fährdung durch eine Vollstreckung der Freiheitsstrafe .
Diese Kriterien sind für jeden Fall einzeln abzuwägen
und unter dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu be-
leuchten . Dabei spielt auch und vor allem das Verhalten
des Untergebrachten während der Therapie eine erhebli-
che Rolle . Im vorgelegten Gesetzentwurf gibt es auch ein
Regelbeispiel, bei welchem es nicht zu einer Anrechnung
der Zeit in der Einrichtung auf die Freiheitsstrafe kom-
men soll . Dies soll die präventive Wirkung der Strafan-
drohung untermauern .
§ 67 d VI StGB setzt für die Dauer der Entziehungs-
maßnahme eine Höchstfrist von sechs Jahren voraus,
welche nur unter besonderen Umständen verlängert wer-
den kann . Durch diese Regelung soll auch der Grundsatz
der Verhältnismäßigkeit in den Fortdauerentscheidungen
gewahrt werden . Eine längere Unterbringung ist daher
nicht mehr verhältnismäßig, wenn nicht die Gefahr be-
steht, dass durch den Untergebrachten Taten begangen
werden, durch die dem Opfer schwere seelische oder
körperliche Schädigungen zugefügt werden . Nach zehn
Jahren gilt Absatz 3 entsprechend . Diese Vorschrift gilt
für § 63 und § 64 StGB gleichermaßen . Diese erhebliche
Beeinträchtigung, die gefordert wird, setzt den Rahmen
für die Angemessenheit der Fortdauer erheblich höher,
um den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Bezug auf
das Freiheitsgrundrecht aus Artikel 2 II 2 GG zu wahren .
Ob solche erheblichen Straftaten drohen, hat das Gericht
nach der Neufassung in einer umfassenden Einzelfall-
prüfung und unter Berücksichtigung aller Umstände zu
bewerten . Je länger die Unterbringung andauert, desto
eingehender hat das zuständige Gericht die einzelnen
Umstände zu prüfen und zu würdigen .
In § 67 d VI 2 und 3 StGB werden die Verhältnis-
mäßigkeitsgrundsätze speziell für die Unterbringung
in einer psychiatrischen Einrichtung dargelegt . Da eine
Unterbringung in einer solchen Einrichtung auch „le-
benslänglich“ erfolgen kann, sind an die Verhältnismä-
ßigkeit große Anforderungen zu stellen . Dabei sind auch
wieder die konkret zu erwartenden Straftaten zu beach-
ten und in die Abwägung einzubeziehen . Die Vorausset-
zungen an die Verhältnismäßigkeit sind umso strenger,
je länger der Untergebrachte in einer psychiatrischen
Einrichtung untergebracht wurde . Die Fortsetzung der
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 152 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . Januar 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 152 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . Januar 2016 15043
(A) (C)
(B) (D)
Unterbringung wird nach sechs und nach zehn Jahren an
erhöhte Voraussetzungen geknüpft .
Wir haben hier einen umfangreichen Entwurf vorlie-
gen, der die von mir eingangs genannten beiden Aspekte
„Schutz der Öffentlichkeit“ und „Schutz der einzelnen
untergebrachten Person“ ausreichend würdigt .
Ich freue mich auf die weiteren Beratungen und be-
danke mich für die Aufmerksamkeit .
Dirk Wiese (SPD): Über die letzten Jahre ist eine
stetig steigende Anzahl von Unterbringungen in psychi-
atrischen Krankenhäusern gemäß § 63 des Strafgesetz-
buches zu verzeichnen . Auch die Unterbringungsdauer
selbst ist deutlich gestiegen .
Dem entgegen steht die Tatsache, dass es keine kon-
kreten Belege für einen parallelen Anstieg der Gefähr-
lichkeit der Untergebrachten gibt . Darüber hinaus wur-
den durch die Medien Fälle bekannt, die auf Missstände
bei der Einweisung und vor allem bei der stetigen Be-
gutachtung der Eingewiesenen hinweisen . Dies alles gab
Anlass für den heute hier vorliegenden Gesetzentwurf,
der dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bei der Un-
terbringung nach § 63 StGB eine wesentlich stärkere Be-
deutung verleihen wird .
Unverhältnismäßige, insbesondere unverhältnismäßig
lange Unterbringungen werden hiermit künftig besser
vermieden werden können . Hervorheben möchte ich wie
meine Vorredner, dass der Gesetzentwurf auf dem Ergeb-
nis einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Novellierung
des Rechts der Unterbringung in einem psychiatrischen
Krankenhaus basiert . Diese wurde in Umsetzung einer
Vorgabe des Koalitionsvertrags und einer entsprechen-
den Bitte der Konferenz der Justizministerinnen und
Justizminister vom Bundesministerium der Justiz und für
Verbraucherschutz eingesetzt und geleitet .
Die mit Vertretern der Landesjustizverwaltungen, der
AG Psychiatrie der Länder sowie des Bundesministe-
riums für Gesundheit besetzte Arbeitsgruppe nahm am
14 . März 2014 ihre Arbeit auf . In insgesamt fünf Sitzun-
gen wurde ein Diskussionsentwurf erarbeitet, auf dem
der vorliegende Gesetzentwurf basiert . Ich denke, dass
dies ein hervorragendes Beispiel für die gute Zusammen-
arbeit zwischen Bund und Ländern ist .
Der Kollege Christian Lange hat die wichtigsten Punk-
te des Entwurfs bereits dargestellt; ich verzichte daher auf
Wiederholungen . Lassen Sie mich aber kurz klarstellen,
dass wir uns natürlich der Verantwortung gegenüber der
Bevölkerung bewusst sind . Die Vermeidung von unver-
hältnismäßig langen Unterbringungen hat nicht zwangs-
weise eine Senkung des Schutzes der Allgemeinheit vor
Straftätern zur Folge . Gewalt- oder Sexualstraftäter, bei
denen die Gefahr besteht, dass sie aufgrund ihres Zustan-
des auch zukünftig erhebliche Straftaten begehen, durch
welche die potenziellen Opfer seelisch oder körperlich
schwer geschädigt werden, können zum Schutz der All-
gemeinheit weiterhin unbefristet untergebracht werden .
Es geht vielmehr darum, Fälle zu vermeiden, die wir
auch aus den Medien kennen, also Fälle, in denen Men-
schen zu wenig rechtliches Gehör geschenkt wird und
diese sich womöglich in Unterbringung befinden, ob-
wohl kein Grund mehr dazu besteht .
Hier bin ich auch schon beim nächsten Thema: Ich
möchte mich bei den verschiedenen Verbänden für die
bereits jetzt erfolgte Zusendung der Stellungnahmen zum
Thema bedanken . Es sei Ihnen versichert, dass wir uns
dem Thema mit der gebotenen Sorgfalt annehmen wer-
den und selbstverständlich auch Ihre Stellungnahmen in
die Arbeit mit einfließen lassen werden.
Um zwei Punkte zu nennen, wo ich schon jetzt denke,
dass wir sie uns genauer anschauen sollten:
Erstens die Bestellung von Pflichtverteidigern. Die-
ser Punkt ist mir auch bei diversen Veranstaltungen zum
Thema sowohl von ärztlicher als auch von juristischer
Seite genannt worden .
Zweitens denke ich, dass es auch sinnvoll sein wird,
sich das Zusammenspiel von § 63 und § 64 StGB bei der
Anrechenbarkeit von Freiheitsstrafen genau anzuschau-
en, um zu verhindern, dass Straftäter hier durch Taktieren
und beispielsweise vorsätzlichen Verbleib im Maßregel-
vollzug Vorteile bei der Haftanrechnung erlangen .
Ich freue mich jedenfalls auf die bevorstehende Sach-
verständigenanhörung und die Beratungen im Rechtsaus-
schuss .
Halina Wawzyniak (DIE LINKE): Wenn wir heute
in der ersten Lesung über ein Gesetz zur Novellierung
des Rechts der Unterbringung in einem psychiatrischen
Krankenhaus gemäß § 63 StGB reden, will ich zunächst
grundsätzlich werden . Auch das muss manchmal sein .
Die Unterbringung in einem psychiatrischen Kran-
kenhaus trifft Personen, die eine rechtswidrige Tat im
Zustand der Schuldfähigkeit oder verminderten Schuld-
fähigkeit begangen haben . Eine Unterbringung in einem
psychiatrischen Krankenhaus kommt in Betracht, wenn
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt,
dass von ihm infolge dieses Zustandes erhebliche rechts-
widrige Taten zu erwarten sind und er deshalb für die All-
gemeinheit gefährlich ist .
Es handelt sich also um eine Prognoseentscheidung .
Diese ist – wir haben das bei der Sicherungsverwahrung
immer wieder diskutiert – immer problematisch, wenn
sie am Ende zu einer Freiheitsentziehung führt . Wir Lin-
ken haben die Sicherungsverwahrung abgelehnt, und ich
verhehle nicht, dass mir Initiativen für die Abschaffung
des § 63 StGB durchaus sympathisch sind . Dennoch
kann ich mich diesen Initiativen nicht ganz anschließen .
Das Problem liegt in der sogenannten Zweispurigkeit
im Strafsystem . Im Unterschied zur Sicherungsverwah-
rung, die zusätzlich zu einer Freiheitsstrafe verhängt
wird, geht es bei der Unterbringung nach § 63 StGB aber
eben gerade um Menschen, die nicht oder nur bedingt un-
ter das Strafrecht fallen . Das ist der zentrale Unterschied
zum Recht der Sicherungsverwahrung, welche nach der
Verbüßung einer Freiheitsstrafe verhängt wird .
Wichtig finden wir aber vor diesem Hintergrund –
und das ist meine erste Kritik am vorliegenden Gesetz-
entwurf –, dass die Unterbringung nach § 63 StGB auf
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 152 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . Januar 201615044
(A) (C)
(B) (D)
diejenigen Personen beschränkt wird, die schuldunfähig
sind . Denn hier handelt es sich um Menschen, die, wenn
sie eine Straftat in einem Zustand der Schuldfähigkeit
begangen hätten, mit Freiheitsentzug bestraft werden
würden . Wir schlagen also konkret vor, die Menschen,
die bedingt schuldfähig sind, aus dem Anwendungsbe-
reich des § 63 StGB herauszunehmen . Dies würde auch
wesentliche Folgeprobleme bei den Regelungen zur Rei-
henfolge der Vollstreckung (§ 67 StGB) verhindern .
Nun verlangt der § 62 StGB, dass Maßregeln der Bes-
serung und Sicherung nur angeordnet werden dürfen,
„wenn sie zur Bedeutung der vom Täter begangenen und
zu erwartenden Taten“ sowie zum Grad der vom Täter
ausgehenden Gefahr außer Verhältnis stehen . Und hier
komme ich zur zweiten Kritik am Gesetzentwurf: Wir
glauben, dass diesem Grundsatz mit dem Gesetzentwurf
nicht ganz Rechnung getragen wird . Aus ganz grundsätz-
lichen Erwägungen finden wir es falsch, in den Anwen-
dungsbereich des § 63 StGB auch Taten aufzunehmen,
die schwere wirtschaftliche Schäden anrichten . Am Ende
ist eben auch die Unterbringung in einem psychiatrischen
Krankenhaus eine Freiheitsentziehung, und diese ist aus
unserer Sicht unverhältnismäßig, wenn es um wirtschaft-
liche Schäden geht, erst recht, wenn es um die Prognose
für zukünftige Straftaten geht .
Darüber hinaus sind wir wegen des Verhältnismäßig-
keitsprinzips für eine Höchstgrenze der Unterbringung in
einem psychiatrischen Krankenhaus .
Nun sehen auch wir aber auch, dass der Gesetzent-
wurf nicht unwesentliche Verbesserungen im Bereich
des Rechtes der Unterbringung in einem psychiatrischen
Krankenhaus enthält . Jenseits der grundsätzlichen Kritik
sehen wir durchaus das Bemühen, Verbesserungen vor-
zunehmen, vor allem im Hinblick auf die Vorschläge in
der Strafprozessordnung zur Begutachtung durch ärztli-
che oder psychologische Sachverständige. Diese finden
wir tatsächlich unterstützenswert .
Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN): Ich bin froh, dass wir endlich über eine Reform
der Unterbringung in psychiatrischen Krankenhäusern
nach § 63 StGB diskutieren; denn der Änderungsbedarf
ist groß und eine Reform schon lange überfällig . Das
Schicksal von Gustl Mollath oder von Ilona Haslbauer
hat bundesweit für Aufsehen gesorgt . Sie haben deutlich
gemacht, dass es strukturelle Defizite im Maßregelvoll-
zug gibt, die zu unverhältnismäßigen Eingriffen in die
Freiheitsrechte Einzelner führen . Dazu gehören nicht nur
eine fälschliche Einstufung als psychisch krank und ge-
fährlich, sondern auch, dass vermindert Schuldfähige oft
sehr lange und ohne zeitliche Begrenzung festgehalten
werden .
Die Zahl der Menschen, die auf Grundlage des
§ 63 StGB in psychiatrischen Krankenhäusern unterge-
bracht werden, hat in den letzten Jahren erheblich zuge-
nommen . Oft sind sie jahrelang eingesperrt und mit Me-
dikamenten „versorgt“, ohne dass ein dementsprechendes
Anlassverhalten dies rechtfertigen könnte. Häufig wird
ihnen auf entwürdigende Weise viel länger die Freiheit
entzogen, als dies bei einer strafrechtlichen Verurteilung
wegen derselben Tat der Fall gewesen wäre . Eine Maßre-
gel aber darf für den betroffenen Menschen nicht grund-
rechtsverletzender sein als eine Kriminalstrafe .
Der vorliegende Gesetzentwurf versucht diese Unver-
hältnismäßigkeit etwas zu korrigieren . Das ist ein Schritt
in die richtige Richtung . Leider ist dieser Schritt aber
viel zu kleinteilig . Das sehen auch viele Fachverbände
und Juristen so, die befürchten, dass die vorgeschlagenen
Änderungen sich kaum auf die Praxis auswirken werden .
Die Bundesregierung ist gefragt, ein Gesamtkonzept
zum Umgang mit vermindert schuldfähigen oder in Kri-
sensituationen gewaltbereiten Patientinnen und Patienten
vorzulegen, in dessen Mittelpunkt die individuelle Un-
terstützung und Versorgung besonders schwer psychisch
kranker Menschen stehen . Der beste Schutz der Allge-
meinheit besteht aus frühzeitiger Hilfe, Therapie und
Krisenintervention, denn jede psychische Erkrankung,
jede Suchterkrankung und jede psychische Auffälligkeit
hat eine Vorgeschichte . Dazu gehören stationsersetzende
Behandlungsmöglichkeiten, eine flexible und wohnort-
nahe Versorgung zwischen ambulanter und stationärer
Behandlung, ausreichend ambulante Krisenintervention
und -begleitung sowie die Einbeziehung von Psychothe-
rapie und psychosozialer Unterstützung vor Ort . Insge-
samt müssen die Angebotsformen sich verstärkt am indi-
viduellen Bedarf der Erkrankten und ihrer Angehörigen
orientieren . Nach einer forensischen Behandlung braucht
es eine gute und intensive in die Gemeindepsychiatrie
eingebettete Nachsorge .
Im Vergleich zur Allgemeinpsychiatrie hat der Maßre-
gelvollzug in den letzten Jahren viel weniger von patien-
tenorientierten Reformen profitiert. Daher ist es dringend
notwendig, dass wir in diesem Gesetzgebungsverfahren
auch über eine Öffnung des § 63 StGB für ambulante
Behandlungen und damit die Beachtung des – auch vom
Bundesverfassungsgericht betonten – Ultima-Ratio-Ge-
bots bezüglich der Unterbringung diskutieren . Es muss
möglich sein, dass in jedem Fall weniger einschneiden-
de, nicht freiheitsentziehende Maßnahmen geprüft wer-
den und, wenn nötig, angeordnet werden . Dafür müssen
natürlich auch geeignete ambulante Therapieangebote
ausgebaut werden . In dem Eckpunktepapier aus dem
BMJ aus dem Jahr 2013 heißt es noch: „erforderlich ist
ggf . eine Stärkung der ambulanten Versorgung vor Ort,
da eine Unterbringung immer nur das letzte Mittel sein
darf .“ Warum dieser Punkt in dem vorliegenden Entwurf
völlig ausgeklammert wird, ist unverständlich . Nur so
kann wirklich eine ausgewogene Gewichtung zwischen
dem Freiheitsentzug des Einzelnen einerseits und dem
Sicherheitsbedürfnis der Gesellschaft andererseits ge-
schaffen werden . Es ist jedenfalls wenig hilfreich, wenn
die gesetzlichen Änderungen sich darauf beschränken,
dass Betroffene zwar ein paar Jahre früher aus der Unter-
bringung entlassen werden, sie aber mangels ambulanter
Therapieangebote und Unterstützung im Alltag nach kur-
zer Zeit in eine geschlossene Abteilung der Allgemein-
psychiatrie eingewiesen werden .
Wir sehen auch großen Änderungsbedarf hinsichtlich
des gesamten Gutachterwesens – dieses muss grundle-
gend auf den Prüfstand .
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 152 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . Januar 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 152 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . Januar 2016 15045
(A) (C)
(B) (D)
Der Gesetzentwurf sieht erhöhte Anforderungen an
(externe) Sachverständigengutachten bei der Überprü-
fung der Unterbringung nach § 67 e StGB vor, die aus un-
serer Sicht jedoch nicht ausreichend sind . Insbesondere
ist fraglich, ob nichtapprobierte Rechtspsychologen für
die notwendige Begutachtung ausreichend Fachkenntnis
haben . Die Bundespsychotherapeutenkammer schlägt in-
sofern vor, als Sachverständige nur Psychologische Psy-
chotherapeuten oder Fachärzte für Psychiatrie bzw . Psy-
chosomatische Medizin zuzulassen, die zusätzlich über
ausreichend Erfahrung in der forensischen Psychiatrie
sowie entsprechende Fachkenntnisse in der Gutachten-
erstellung verfügen .
Die vorgeschlagene Regelung zur externen Begut-
achtung sollte aber aus weiteren Gründen nochmals
hinterfragt werden . Insbesondere dahin gehend, ob wir
hier mit wenig den Einzelfall berücksichtigenden Rege-
lungen hinsichtlich Begutachtungsintervallen sowie der
zu benennenden Gutachter tatsächlich unverhältnismä-
ßiger Unterbringung entgegenwirken können . Möglich
wäre auch, eine flexible Lösung im Gesetz vorzusehen.
Diskussionswürdig ist zum Beispiel der Vorschlag, Ver-
fahrensbeteiligten die Möglichkeiten einzuräumen, beim
Vollstreckungsgericht anlass- und anliegenbezogen die
Einleitung eines externen Gutachtens anzuregen .
Die Bundesregierung adressiert wichtige Punkte –
bleibt aber halbherzig, wenn es konkret wird . Sie benennt
engere Anordnungsvoraussetzungen, um die Schwelle zur
Unterbringung zu erhöhen . Dabei geht sie jedoch nicht
weit genug . Die neuen Voraussetzungen berücksichtigen
längst nicht ausreichend den Grundsatz der Verhältnis-
mäßigkeit . Taten mit nur wirtschaftlichem Schaden soll-
ten keine unbefristete Unterbringung rechtfertigen . Nicht
verhältnismäßig ist, dass bei Vorliegen von „besonderen
Umständen“ auch leichtere Ausgangstaten für eine Un-
terbringung ausreichen sollen .
Ich erwarte, dass die Koalitionsfraktionen die vielsei-
tige Kritik ernst nehmen und den Gesetzentwurf nach-
bessern, um eine verhältnismäßige Gewichtung zwi-
schen dem Freiheitsentzug des Einzelnen einerseits und
dem Sicherheitsbedürfnis der Gesellschaft andererseits
zu schaffen .
Christian Lange, Parl . Staatssekretär beim Bun-
desminister der Justiz und für Verbraucherschutz: Die
geplante Novellierung des Rechts der Unterbringung ge-
mäß § 63 des Strafgesetzbuches soll besser als bislang
unverhältnismäßige Unterbringungen vermeiden hel-
fen . Denn die Statistiken zeigen uns, dass in den letzten
Jahren die Zahl der Untergebrachten und vor allem die
Dauer ihrer Unterbringung immer weiter gestiegen sind,
ohne dass es zugleich Belege für einen entsprechenden
Anstieg der Gefährlichkeit der Untergebrachten gibt . Zu-
gleich wollen wir mit dem Entwurf auch das Vertrauen
der Öffentlichkeit in die Richtigkeit justizieller Entschei-
dungen stärken, das nicht zuletzt durch den Fall Mollath
in jüngerer Zeit gelitten hat .
Lassen Sie mich kurz anhand von drei Punkten auf un-
seren Regierungsentwurf eingehen . Wie Sie wissen, sieht
er insbesondere folgende Änderungen zur Vermeidung
unverhältnismäßiger und vor allem unverhältnismäßig
langer Unterbringungen vor:
Erstens . Nach dem Entwurf soll § 63 StGB nur noch
bei drohenden Taten angeordnet werden können, „durch
welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich ge-
schädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer
wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird“ . Die blo-
ße Gefahr von Vermögensdelikten mit vergleichsweise
geringen Schäden soll also nicht mehr ausreichen . Die
Zeiten, in denen Schadenswerte von 100 Euro zu Unter-
bringungen führten, wären damit vorbei . Zugleich wird
durch die genannte Formulierung konkretisiert, wann
bei der Verletzung höchstpersönlicher Rechtsgüter von
erheblichen Straftaten auszugehen ist . Und schließlich
soll ausdrücklich normiert werden, dass das Gericht er-
höhten Darlegungsanforderungen unterliegt, wenn es aus
lediglich nicht erheblichen Anlasstaten dennoch auf die
zukünftige Gefahr erheblicher Taten schließen und die
Unterbringung daher anordnen will .
Zweitens . Für die Fortdauer der Unterbringung sieht
der Entwurf vor, dass eine Fortdauer über sechs Jahre in
der Regel nur noch möglich sein soll, wenn Taten drohen,
durch die die Opfer körperlich oder seelisch „schwer“ ge-
schädigt werden oder in die Gefahr einer schweren see-
lischen oder körperlichen Schädigung gebracht werden .
Die bloße Gefahr rein wirtschaftlicher Schäden soll also
für eine Unterbringung über sechs Jahre hinaus grund-
sätzlich nicht mehr ausreichen .
Die Fortdauer über zehn Jahre hinaus soll – ebenso
wie bei der Sicherungsverwahrung – schließlich nur noch
möglich sein bei der Gefahr von Taten, durch welche die
Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt wer-
den .
Und schließlich – drittens – sieht unser Entwurf beim
Ausbau der prozessualen Sicherungen Neuerungen für
die regelmäßige Überprüfung der Fortdauer der Unter-
bringung vor . Zum einen soll klargestellt werden, dass
es bei jeder jährlichen Überprüfung einer gutachterlichen
Stellungnahme der Klinik bedarf . Zum anderen soll die
Frequenz für die Notwendigkeit eines externen Gutach-
tens von fünf auf drei Jahre und für Unterbringungen ab
sechs Jahren auf zwei Jahre erhöht werden . Zudem darf
der externe Gutachter in der Regel nicht das jeweils vo-
rangegangene Gutachten erstellt haben . Damit soll vor
allem der Gefahr sich selbst bestätigender Routinebegut-
achtungen begegnet werden . Schließlich ist die zwingen-
de mündliche Anhörung des Untergebrachten auch bei
der Entscheidung über die Erledigung der Unterbringung
vorgesehen .
Darüber hinaus sieht der Entwurf zwei weitere Än-
derungen vor: Zum einen setzen wir mit ihm eine Ent-
scheidung des Bundesverfassungsgerichts um, wonach
in Härtefällen Zeiten des Maßregelvollzugs auch auf ver-
fahrensfremde Freiheitsstrafe angerechnet werden kön-
nen müssen . Zum anderen soll klargestellt werden, dass
eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt, neben
der zugleich eine Freiheitsstrafe verhängt werden soll,
auch dann in Betracht kommt, wenn die Behandlung vo-
raussichtlich mehr als zwei Jahre in Anspruch nehmen
wird .
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 152 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . Januar 201615046
(A) (C)
(B) (D)
Insgesamt schlägt der Ihnen vorliegende Entwurf
maßvolle Änderungen vor, um den bereits vom Bundes-
verfassungsgericht vorgegebenen Grundsatz der Verhält-
nismäßigkeit im Maßregelrecht zu stärken, insbesondere
bei der Unterbringung nach § 63 StGB, ohne dabei – und
auch dies ist mir wichtig – die berechtigten Sicherheits-
interessen der Allgemeinheit vor psychisch gestörten
Straftätern zu vernachlässigen .
Dass wir hier die grundsätzlich richtige Balance
zwischen Freiheits- und Sicherheitsinteressen gefun-
den haben, liegt sicher auch daran, dass der Entwurf in
einer vom Bundesministerium der Justiz und für Ver-
braucherschutz geleiteten Bund-Länder-Arbeitsgruppe
vorbereitet und dabei frühzeitig auch der Sachverstand
der Gesundheitsseite einbezogen wurde . Die breite und
grundsätzliche Unterstützung, die der Entwurf dort und
im Bundesrat gefunden hat, erhoffe und wünsche ich mir
natürlich auch in diesem Hohen Haus .
Anlage 11
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umset-
zung der prüfungsbezogenen Regelungen der
Richtlinie 2014/56/EU sowie zur Ausführung der
entsprechenden Vorgaben der Verordnung (EU)
Nr. 537/2014 im Hinblick auf die Abschlussprü-
fung bei Unternehmen von öffentlichem Interesse
(Abschlussprüfungsreformgesetz – AReG) (Tages-
ordnungspunkt 18)
Dr. Heribert Hirte (CDU/CSU): Erstens . Der hier zu
diskutierende Gesetzentwurf der Bundesregierung will
im Wesentlichen zahlreiche Vorschriften des Rechts der
Abschlussprüfung geänderten europäischen Vorgaben
anpassen . Im Mittelpunkt steht dabei die Umsetzung der
prüfungsbezogenen Vorgaben der überarbeiteten Ab-
schlussprüferrichtlinie; andere Vorgaben wurden schon
durch das inzwischen in Kraft getretene APAReG um-
gesetzt . Aber es geht nicht nur um die Anpassung deut-
schen Rechnungslegungsrechts an geänderte europäische
Richtlinien . Es geht auch darum, nationale Vorschrif-
ten so zu gestalten, dass keine Konflikte mit der diesen
Bereich regelnden, aber unmittelbar geltenden neuen
EU-Verordnung 537/2014 auftreten .
Die Bundesregierung hatte zu diesem Gesetz schon
vor Monaten einen Referentenentwurf bekannt gemacht,
der Gegenstand intensiver Diskussion in Fachkreisen
war und den auch wir mit zahlreichen Betroffenen erör-
tert haben . Das Ergebnis dieser Überlegungen hatten wir
bereits dem Bundesministerium der Justiz und für Ver-
braucherschutz mitgeteilt, und ich möchte ausdrücklich
Dank sagen dafür, dass das BMJV zahlreiche der in die-
ser Phase angesprochenen Kritikpunkte im jetzt vorge-
legten Regierungsentwurf bereits berücksichtigt hat . Im
europäischen Recht eingeräumte Mitgliedstaatenwahl-
rechte werden dabei in weitem Umfang ausgeübt, sodass
insgesamt die im deutschen Recht verankerten Grund-
prinzipien so weit wie möglich unverändert bleiben kön-
nen (Stichwort: Eins-zu-eins-Umsetzung) .
Zweitens . Die Abschlussprüfung – das sei vor den
weiteren Detailüberlegungen zur Sache betont – spielt
eine hervorragende Rolle bei der Überwachung vor allem
großer Unternehmen bzw ., worauf zurückzukommen ist,
solcher von „öffentlichem Interesse“ . Denn sie versucht
in ebendiesem öffentlichen Interesse sicherzustellen,
dass die Rechenschaftslegung dieser Unternehmen kor-
rekt ist – weil eine fehlerhafte Rechnungslegung nicht
nur die Interessen der aktuellen Gesellschafter, Mitarbei-
ter und Geschäftspartner berührt, sondern eben auch der
zukünftigen . Insoweit stellt sie auch einen Baustein des
Kapitalmarktrechts dar .
Angesichts dieser zentralen Rolle des Abschlussprü-
fers kommen seiner Qualifikation (die nicht Gegenstand
dieses Gesetzgebungsverfahrens ist), seiner Auswahl
durch die zuständigen Gesellschaftsorgane und der Art
und Weise, wie er seine Tätigkeit erbringt, entscheiden-
de Bedeutung zu . Im Kern geht es dabei darum, dass er
ein bestimmtes Maß an Unabhängigkeit gegenüber den
Gesellschaftsorganen aufweisen muss, die ja bei der
„gewöhnlichen“ Gesellschaft sonst selbst die entspre-
chenden Kontrollen durchführen könnten . Sichergestellt
werden soll dies – soweit hier relevant – einerseits da-
durch, dass ein Abschlussprüfungsmandat nur eine be-
stimmte Höchstlaufzeit haben soll (nach Artikel 17 Ab-
satz 1 der erwähnten EU-Verordnung im Grundsatz zehn
Jahre), und andererseits durch das Verbot von oder die
Offenlegungspflicht in Bezug auf Tätigkeiten, die mit der
Prüfungstätigkeit in Konflikt stehen könnten. Allerdings
ist Vorsicht geboten: Kürzere Mandatslaufzeiten mögen
zwar nach dem Motto „Neue Besen kehren gut“ die Prü-
fungsintensität erhöhen; das ist aber nur um den Preis
eines erhöhten Einarbeitungsaufwands in das neue Man-
dat möglich, der wiederum mit höheren Prüferhonoraren
kompensiert werden muss .
Drittens . Von daher ist es richtig, wenn der deutsche
Gesetzgeber von der durch Artikel 17 Absatz 4 der Ver-
ordnung eingeräumten Möglichkeit Gebrauch machen
will, die Höchstlaufzeiten des Mandats zu verlängern .
Nicht recht einleuchten will dabei aber, dass Banken und
Versicherungen nach § 318 Absatz 1 a HGB-RegE nicht
von der maximalen Verlängerung der Rotationsdauer
profitieren sollen – obwohl doch gerade hier der erwähn-
te Einarbeitungsaufwand besonders hoch ist .
Was schließlich den Bereich der Vermeidung von Inte-
ressenkonflikten angeht, will § 319 a Absatz 1 Nummer 2
HGB-RegE konkretisieren, welche Steuerberatungsleis-
tungen neben dem Prüfungsmandat nicht erbracht wer-
den dürfen . Abgesehen davon, dass die derzeit gewählte
Formulierung nicht wirklich klar ist (geht es um Steuer-
beratung oder um Steuerplanung?), dürfte die insoweit
vorgesehene Genehmigungspflicht der Erbringung sol-
cher Leistungen durch den Aufsichtsrat wohl auch über
die EU-Vorgaben hinausgehen .
Viertens . Ein anderer Punkt betrifft die in § 171 Ab-
satz 2 AktG-RegE vorgeschlagene Berichtspflicht des
Aufsichtsrats an die Hauptversammlung, wenn es keinen
Prüfungsausschuss gibt . Das ist widersinnig und system-
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 152 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . Januar 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 152 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . Januar 2016 15047
(A) (C)
(B) (D)
fremd – und möglicherweise eine Folge der Orientierung
der zugrunde liegenden EU-Richtlinie am (in Deutsch-
land nur im Rahmen der Europäischen Aktiengesell-
schaft möglichen) monistischen Governance-System (ein
Punkt, der möglicherweise auch noch an weiteren Stellen
des Entwurfs bei der Auslegung zu berücksichtigen ist) .
Fünftens . Nachbesserungsbedarf besteht wohl auch
bei der Übergangsregelung, wo die „Kurzläuferproble-
matik“ nicht vollständig erfasst ist: Ab wann beginnt hier
der Rotationszeitraum zu laufen? Beginnt die Zehnjah-
resfrist mit der letzten Bestellung des Abschlussprüfers
oder erst mit Inkrafttreten des Gesetzes? Wird es zum
Beispiel auch möglich sein, in 2016 die Verlängerungs-
option wahrzunehmen, wenn der Abschlussprüfer für
2005 bestellt wurde?
Bei der erstmaligen Erstreckung der Regelungen auf
nicht kapitalmarktorientierte Banken und Versicherun-
gen als „Unternehmen von öffentlichem Interesse“ (Pu-
blic Interest Entities – PIE) müsste darüber hinaus noch
klargestellt werden, ob der relevante Zeitraum schon
ab Inkrafttreten der europäischen Richtlinie läuft, da
Deutschland nur eine Ausnahme genutzt hat, oder erst ab
Inkrafttreten des AReG .
Sechstens . Schließlich und abschließend frage ich
mich, ob nach den europäischen Vorgaben (Notwendig-
keit „wirksamer“ Sanktionen bei Verstößen gegen euro-
päisches Recht) wirklich auch strafrechtliche Sanktionen
erforderlich sind . Jedenfalls sollte klargestellt werden,
worauf sich die Sanktionierung bezieht – um zu vermei-
den, dass auch Einzelheiten der (laufenden) Buchfüh-
rung als Grundlage solcher Sanktionen gegenüber dem
Abschlussprüfer dienen können .
Ich freue mich auf die weiteren Beratungen!
Metin Hakverdi (SPD): Die Reform der Abschluss-
prüfung ist ein weiterer wichtiger Baustein, um künfti-
gen Finanzkrisen vorzubeugen . Die Abschlussprüferin-
nen und Abschlussprüfer haben bei der Entstehung der
Finanzkrise keine glückliche Rolle gespielt .
Ich war Mitglied des Untersuchungsausschusses der
Hamburgischen Bürgerschaft für die HSH Nordbank . Ich
habe in meiner Tätigkeit viel über Abschlussprüfer ge-
lernt . Zum Beispiel habe ich gelernt, dass eine Prüfungs-
gesellschaft der HSH Nordbank hinsichtlich der Bilanz
eine Unbedenklichkeitsbescheinigung erteilt hat und
dann nur wenige Monate später eine andere Prüfungs-
gesellschaft zu einem ganz anderen Ergebnis kam . Die-
se zweite Gesellschaft hat in der Bilanz eklatante Fehler
festgestellt . Diese Fehler waren mitursächlich dafür, dass
die Krise der Bank zu spät erkannt wurde . Fatal war aber
auch, dass mit einem falschen Prüfungsergebnis die Auf-
sichtsmöglichkeiten des Aufsichtsrates unterlaufen wur-
den . Mit dem falschen Prüfungsergebnis trat der Vorstand
vor den Aufsichtsrat und sagte, alles sei in Ordnung .
Die Aufsichtsratsmitglieder, die wir fragten, warum
sie die kommende Krise der HSH Nordbank nicht gese-
hen haben, haben sich alle mit Verweis auf die Prüfungs-
ergebnisse entschuldigt . Wie hätten sie als Mitglieder des
Aufsichtsrates Fehler sehen können, die nicht einmal die
Prüfungsgesellschaften aufgedeckt haben?
In Zukunft darf uns so etwas nicht noch einmal passie-
ren . In diesem Bereich müssen die richtigen Schlüsse aus
der Krise gezogen werden .
Erstens . Die Zwangsrotation bei den ausgewählten
Wirtschaftsprüfungsgesellschaften ist notwendig . Es darf
nicht sein, dass zwischen der zu prüfenden Gesellschaft
und der Prüfungsgesellschaft eine Partnerschaft auf
Lebenszeit entsteht . Ein solches Verhältnis kann – aus
welchen Gründen auch immer – blindmachen und dazu
führen, dass wichtige Probleme der zu prüfenden Gesell-
schaft nicht erkannt werden . Deshalb ist es wichtig, dass
in einem angemessenen zeitlichen Abstand andere Ab-
schlussprüferinnen und Abschlussprüfer das betroffene
Unternehmen auf Fehler und Probleme überprüfen . Wel-
che Zeiträume dafür richtig sind, müssen wir noch klären .
Ich bin der Meinung, dass hier ein differenzierter Ansatz
gerechter ist . Es ist legitim, Banken und Versicherungen,
aber auch Schattenbanken, die eine wichtige Rolle in un-
serem Finanzsystem spielen, anders zu behandeln als die
übrigen Betroffenen . Ich erhoffe mir von der öffentlichen
Anhörung mehr Aufschluss zu diesem Punkt .
Zweitens . Wichtig ist auch die Frage, in welchem Um-
fang wir Prüfungsgesellschaften gestatten wollen, das zu
prüfende Unternehmen gleichzeitig steuerlich zu bera-
ten . Mag sein, dass Prüfungsgesellschaften ein Interesse
an diesem Geschäft haben . Das darf aber am Ende nicht
bedeuten, dass Prüfungsgesellschaften die Bilanz prüfen,
deren Gestaltung sie durch Steuerberatung bewirkt ha-
ben. Der entstehende Interessenkonflikt ist aus meiner
Sicht evident . Die eigene Steuerberatungsleistung darf
nicht zum Prüfungsgegenstand werden . Auch hier kann
die öffentliche Anhörung wichtige Hinweise liefern .
Ein dritter wichtiger Punkt betrifft die Rolle der un-
ternehmerischen Aufsichtsorgane bei der Begleitung der
Abschlussprüfung . Der vorgelegte Gesetzentwurf macht
Vorgaben für die Tätigkeit der Aufsichtsräte und Prü-
fungsausschüsse in den zu prüfenden Unternehmen . Ver-
stöße werden stärker sanktioniert . Ich gehe davon aus,
dass die Aufsichtsorgane der Unternehmen hinsichtlich
der Prüfung sorgfältiger agieren werden . Die Aufsichts-
tätigkeit wird künftig ernster genommen werden müssen .
Als Aufsichtsrat wird man sich künftig nicht auf ein-
wandfreie Prüfungsergebnisse berufen können, wie wir
es im Falle der HSH Nordbank erlebt haben . In Zukunft
muss auch der Nachweis geführt werden, dass der Prü-
fungsprozess ordnungsgemäß beaufsichtigt wurde . Den
Aufsichtsrat hier weiter in die Pflicht zu nehmen, ist rich-
tig .
Inwieweit wir bezüglich des Regierungsentwurfs Än-
derungsbedarf haben, können wir nach der öffentlichen
Anhörung besser einschätzen .
Für mich steht eines fest: Wir müssen auch in Zukunft
wachsam sein für Entwicklungen, die zu großen Verwer-
fungen auf dem Finanzmarkt führen können . Wir dürfen
nicht den Fehler der Vergangenheit wiederholen und uns
zu sicher fühlen . Wir sollten stets kritisch bleiben – bei
jedem Gesetz .
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 152 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . Januar 201615048
(A) (C)
(B) (D)
Ich freue mich auf die Beratungen im Ausschuss .
Richard Pitterle (DIE LINKE): In der Finanzkrise
ab 2007 kämpften urplötzlich Unternehmen und Banken
mit existenzbedrohenden Verlusten und Risiken, die sich
in den Jahresabschlüssen und Lageberichten zuvor nicht
oder nicht in diesem Umfang widergespiegelt haben . Da-
mit kam auch eine Berufsgruppe in den Fokus der Ursa-
chenforschung, die nur selten im Rampenlicht steht: die
Abschlussprüfer . Fast ausnahmslos jedes größere Unter-
nehmen muss seine Bücher von diesen Spezialisten un-
tersuchen lassen . Ziel ist der Bestätigungsvermerk, mit
dem der Abschlussprüfer die Einhaltung der kaufmänni-
schen Buchführungsregeln und eine richtige Darstellung
der Geschäftsentwicklung testiert .
Diese Pflicht dient dem Schutz von Gesellschaftern,
Gläubigern und auch der Öffentlichkeit . Eine seriöse
Kontrolle setzt aber voraus, dass die Untersuchung un-
abhängig vom Unternehmen und objektiv erfolgt . Fi-
nanzielle und geschäftliche Interessen, die das Urteil der
Prüfer beeinflussen können, müssen vermieden werden.
Die zunehmende Komplexität der Prüfung bei großen
Unternehmen und das dafür erforderliche Maß an Spe-
zialisierung haben zu einer Konzentration des Marktes
auf wenige global agierenden Prüfungsgesellschaften
geführt . In einem milliardenschweren Markt sind Unab-
hängigkeit und Objektivität aber rare Güter .
Der europäische Gesetzgeber hat nach Konsultation
der Öffentlichkeit 2010 mit dem Grünbuch „Weiteres
Vorgehen im Bereich der Abschlussprüfung: Lehren aus
der Krise“ mit einer reformierten Abschlussprüferrichtli-
nie (RL 2014/56/EU) sowie der Abschlussprüferverord-
nung (VO 537/2014) reagiert .
Nachdem kürzlich mit dem Abschlussprüferauf-
sichtsreformgesetz – kurz APAReG – die berufs- und
aufsichtsrechtlichen Regelungen verabschiedet wurden,
soll mit dem vorliegenden Entwurf eines Abschlussprü-
fungsreformgesetzes – kurz AReG – die Umsetzung der
europäischen Normen zur Art und Weise der Prüfung er-
folgen .
Der Entwurf erreicht an wesentlichen Stellen das Ziel
einer objektiveren und unabhängigeren Abschlussprü-
fung nicht . Dazu nutzt er entgegen der Ankündigung,
eine Eins-zu-eins-Umsetzung vorzunehmen, die mit-
gliedstaatlichen Spielräume extensiv aus, um den Status
quo zu erhalten .
So sieht Artikel 17 der Abschlussprüferverordnung
vor, dass eine externe Rotation, also der Wechsel der
Abschlussprüfer, nach zehn Jahren erfolgen muss . Die
Begrenzung ist nachvollziehbar . Bereits die Aussicht auf
eine möglichst langfristige, lukrative Geschäftsbezie-
hung birgt die Gefahr, den Prüfauftrag nicht allzu kritisch
zu erfüllen . Je länger der Prüfauftrag andauert, desto grö-
ßer wird die wechselseitige Abhängigkeit . Dabei nimmt
die Wahrscheinlichkeit zu, dass Fehler und Nachlässig-
keiten übersehen werden . Es ist aber gerade der kritische
Blick des Unvoreingenommenen, der Fehler erkennt .
Der Entwurf nutzt die Möglichkeit, die Höchstdauer auf
24 Jahre auszudehnen, und konterkariert damit den Sinn
der Pflichtrotation vollständig.
Auch die Erlaubnis, neben der Prüfungstätigkeit an-
dere sogenannte Nichtprüfungsleistungen für das Unter-
nehmen zu erbringen, schränkt der Entwurf nicht in dem
Umfang ein, wie es nach Artikel 5 Absatz 2 der Verord-
nung möglich wäre . Stattdessen reizt er auch an dieser
Stelle die Grenzen der Verordnung maximal aus .
Ein wesentlicher Teil des Entwurfes regelt Straf- und
Bußgeldtatbestände für Mitglieder des Prüfungsaus-
schusses . Es ist zwar grundsätzlich richtig, auch Fehl-
verhalten aufseiten der Unternehmensverantwortlichen
bei der Auswahl- und Überwachung der Abschlussprü-
fer zu sanktionieren . Ob dafür überhaupt eigenständige
Regelungen im Hinblick auf den jüngst reformierten
§ 299 StGB erforderlich sind, ist schon fraglich . Kon-
krete Vorgaben dazu gibt es jedenfalls nicht in den euro-
päischen Regelungen . Kritisch ist aber in jedem Fall die
Unbestimmtheit der Vorschriften . In der Strafrechtslite-
ratur höchst umstrittene Begriffe wie „beharrlich“ zu ver-
wenden, ist genauso problematisch, wie die Strafbarkeit
einzelner Mitglieder des Prüfungsausschusses aufgrund
der Verletzung von Pflichten des gesamten Ausschusses
begründen zu wollen, indem undifferenziert ohne klare
Tatbestandsdefinition auf Artikel der Verordnung verwie-
sen wird .
Nicht zuletzt dürfte sich die obligatorische Veröf-
fentlichung von Strafurteilen auf der Internetseite der
Abschlussprüferaufsichtsstelle nicht im Einklang mit
geltendem Datenschutzrecht, dessen Anwendung die
Abschlussprüferrichtlinie explizit anmahnt, realisieren
lassen .
Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
So sieht ein glatter Sieg der Lobby aus . Gestartet war
die Reform der Abschlussprüfung einmal mit richtigen
Erkenntnissen und hehren Zielen . Als Lehre aus der Fi-
nanzkrise sollte die Reform eigentlich die Unabhängig-
keit der Wirtschaftsprüfer verbessern und das Oligopol
der vier großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften auf-
brechen . Was Sie als Bundesregierung hier vorlegen,
ist aber ein Big-Four-Protektionsgesetz . Sie nutzen alle
Wahlklauseln, die das EU-Recht zulässt, um die großen
Prüfgesellschaften zu schützen .
Auf dem Höhepunkt der Finanzkrise gab es große
Einigkeit darüber, dass mangelnde Qualität und fehlen-
de Unabhängigkeit der Wirtschaftsprüfer erheblich zum
Crash beigetragen haben . In der Finanzkrise haben wir
nämlich schmerzlich erfahren, dass die gängigen Prüf-
vermerke der namenhaften Wirtschaftsprüfer nahezu
wertlos waren . Wie konnte es dazu kommen, dass zahl-
reiche Banken von 2007 bis 2009 sowohl bei Bilanz-
posten als auch bei außerbilanziellen Positionen gewal-
tige Verluste verzeichnet haben, obwohl namenhafte
Prüfgesellschaften den Banken für diese Zeiträume ein
„sauberes“ Prüfsiegel ausgestellt haben? Das war eine
entscheidende Frage, die man als Lehre aus der Kri-
se angehen wollte . Die unabhängige Abschlussprüfung
soll die Nachvollziehbarkeit und Richtigkeit der Bilan-
zen sicherstellen, um frühzeitig Fehlentwicklungen und
Schieflagen bei einem Unternehmen sichtbar zu machen.
Genau dies hat die Abschlussprüfung nicht geleistet; das
hat die Finanzkrise uns schonungslos vor Augen geführt .
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 152 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . Januar 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 152 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . Januar 2016 15049
(A) (C)
(B) (D)
Ohne eine unabhängige und gute Abschlussprüfung kann
der Finanzmarkt nicht funktionieren . Es kommt zu fata-
len Fehlallokationen des Kapitals . Am Ende musste und
muss der Steuerzahler die Zeche zahlen, auch weil die
Abschlussprüfer ihren Job schlecht gemacht haben .
Eine unabhängige und solide Abschlussprüfung
schützt Eigentümer, Investoren, aber auch die Ge-
sellschaft vor zu hohen Kosten einer Insolvenz . Die
EU-Kommission veröffentlichte 2010 ein Grünbuch zur
Abschlussprüfung, das Lehren aus der Finanzkrise für
die Abschlussprüfer zusammenfasste . Jahrzehntelange
Prüfmandate ein und derselben Prüfgesellschaft wurden
darin als Grundübel der mangelnden Unabhängigkeit der
Abschlussprüfer erkannt . Im ersten Verordnungsentwurf
der Kommission war deshalb eine maximale Laufzeit der
Prüfungsmandate von sechs Jahren vorgesehen; für den
Fall des Joint Audits sah der Entwurf eine Obergrenze
von neun Jahren vor . Auf EU-Ebene hat der Druck der
Lobby offensichtlich dazu geführt, dass die Verordnung
als Obergrenze nicht mehr sechs Jahre, sondern zehn Jah-
re vorschreibt . Darüber hinaus lässt die Verordnung den
Mitgliedstaaten aber das Wahlrecht, die zeitliche Ober-
grenze für die Prüfmandate abzusenken oder zu erhöhen .
Die Bundesregierung vervielfacht mit ihrem Gesetzent-
wurf die maximale Laufzeit auf sage und schreibe 20
bzw . 24 Jahre! Für Banken und Versicherungen bleibt es
nach dem Gesetzentwurf zwar bei einer Rotation nach
einem Jahrzehnt, auch das ist aber deutlich zu lange . Der
von der Kommission ursprünglich vorgeschlagene Zeit-
raum von sechs Jahren ist bereits länger als jede Wahl-
periode einer Regierung auf Bundes- oder Landeseben
und berücksichtigt doch bereits, dass eine gewisse Dauer
des Prüfmandats auch zur Qualität der Prüfleistung bei-
trägt . Ihre 20 bzw . 24 Jahre sind hingegen nichts ande-
res als ein Geschenk an die Big Four . Sie handeln hier
gegen den gesunden Menschenverstand; Sie ignorieren
die Lehren aus der Finanzkrise! Das Wohlergehen einiger
weniger mächtiger Wirtschaftsakteure ist Ihnen offenbar
wichtiger als ein stabiler Finanzmarkt .
Die zweite wichtige Erkenntnis, die das Grünbuch der
Kommission im Jahr 2010 als Lehre der Finanzkrise er-
kannte, bezieht sich auf die Nichtprüfungsleistungen der
Prüfgesellschaften. Wirtschaftliche Verflechtungen des
Abschlussprüfers zum geprüften Unternehmen hebeln
die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers aus . Wer sich
als Abschlussprüfer eines Unternehmens auch um ande-
re Beratungsmandate desselben Unternehmens bewirbt
oder sogar selbst Steuerberatungs- und Bewertungsleis-
tungen für das zu prüfende Unternehmen erbringt, ist ei-
nes gerade nicht: unabhängig . Genau diese fatale Interes-
senverquickung ist bei Wirtschaftsprüfern aber bis heute
gang und gäbe . Die Konsequenz aus dieser Erkenntnis ist
einfach: Abschlussprüfer sollten für dasselbe Unterneh-
men keine prüfungsfremden Leistungen erbringen dür-
fen . Genau dies sieht die EU-Verordnung als Grundregel
vor. Leider eröffnet die Verordnung ein Schlupfloch. Mit-
gliedstaaten dürfen die klare und notwendige Regel näm-
lich abwählen . Genau dies tut die Bundesregierung in
ihrem Gesetzentwurf . Die Grundregel wird für Deutsch-
land weitestgehend außer Kraft gesetzt . Prüfungsfremde
Bewertungs- und Steuerberatungsleistungen bleiben in
Deutschland bis zum maximal zulässigen Rahmen er-
laubt . Lassen Sie uns diese Entscheidung der Koalition
als das bezeichnen, was sie ist: Es ist eine Entscheidung
gegen die Unabhängigkeit der Abschlussprüfer und für
unheilvolle Interessenkonflikte der Wirtschaftsprüfer.
Dasselbe gilt für die Aufweichung der Honorargrenze
für prüfungsfremde Leistungen der Prüfgesellschaften .
Die Verordnung sieht eine Begrenzung des Gesamthono-
rars für anderweitige Beratungsmandate des Abschluss-
prüfers beim selben Unternehmen von 70 Prozent vor,
bezogen auf das durchschnittliche Abschlussprüfungsho-
norar . Auch hier konterkarieren Sie die Wirkung des
Gesetzes durch eine Ausnahme: Die Aufsichtsstelle
für Abschlussprüfer kann die Schwelle auf Antrag auf
140 Prozent erhöhen .
Wir sehen: Die Bundesregierung nutzt alle Umset-
zungsspielräum der EU-Verordnung, um das Ziel, die
unheilvolle Marktmacht der Big Four zu brechen und die
Abschlussprüfungen wirklich unabhängig zu machen, zu
torpedieren . Der Gesetzentwurf ist damit ein Musterbei-
spiel für die Machtwirtschaft: die Verdrängung des Ge-
meinwohlinteresses durch die Lobbyinteressen kleiner
einflussreicher Gruppen.
Indem die Bundesregierung die notwendige Rotation
bei der Abschlussprüfung und ein konsequentes Verbot
von prüfungsfremden Beratungsmandaten bis zur Wir-
kungslosigkeit verwässert, schreibt sie ein System fort,
in dem zwischen Kontrolleuren, kontrollierten Indus-
triekonzernen und Banken die notwendige Distanz durch
eine symbiotische Beziehung ersetzt wird . Erinnern Sie
sich bitte an die Bilanzskandale, die wir in Deutschland
gesehen haben . Ob FlowTex, Siemens, HRE, IKB oder
Sachsen LB: In all diesen Fällen sind Betrug, Korrupti-
on bzw . giftige Kredite auch deshalb nicht rechtzeitig
entdeckt worden, weil Wirtschaftsprüfer fehlerhafte Bi-
lanzen testiert haben . Auch aktuell bei Volkswagen stellt
sich die Frage, ob Wirtschaftsprüfer nicht so genau hin-
geschaut haben .
Die Abschlussprüfung ist zum Vehikel der großen
Wirtschaftsprüfer verkommen, um andere, lukrativere
Dienstleistungen für Großkonzerne und Banken zu er-
bringen . Die Big Four haben sich zu einer organisierten
Steuervermeidungsindustrie entwickelt . Die Abschluss-
prüfung verschafft den Zugang und das notwendige
Wissen, um transnationale Steuersparmodelle für Groß-
konzerne zu entwickeln, mit denen der Fiskus in vielen
Ländern geschädigt wird . Das müsste dringend durch
harte und klare Regeln für die Laufzeit der Prüfmandate
und die Unvereinbarkeit der Abschlussprüfung mit an-
derweitigen Beratungsleistungen geändert werden . Der
Gesetzentwurf der Bundesregierung leistet das nicht . Es
bleibt zu hoffen, liebe Kolleginnen und Kollegen der Re-
gierungskoalitionen, dass der Gesetzentwurf an diesen
Stellen hier im Bundestag substanzielle Veränderungen
erfährt und nicht einfach durchgewunken wird .
Christian Lange, Parl . Staatssekretär beim Bun-
desminister der Justiz und für Verbraucherschutz: Die
Abschlussprüfung der Unternehmensabschlüsse ist ein
zentrales Element, um das Vertrauen der Finanzmärkte
zu stärken .
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 152 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . Januar 201615050
(A) (C)
(B) (D)
Mit dem Gesetzentwurf, der Ihnen jetzt vorliegt, wird
die überarbeitete EU-Abschlussprüferrichtlinie in deut-
sches Recht umgesetzt . Gleichzeitig wird das deutsche
Recht so geändert, dass die unmittelbar geltende Ab-
schlussprüferverordnung problemlos ab dem 17 . Juni
2016 angewandt werden kann .
Wir nehmen dieses Vorhaben einmal mehr zum An-
lass, EU-Vorgaben eins zu eins umzusetzen . Darüber hi-
naus nutzen wir weitgehend die Spielräume, die uns das
EU-Recht bietet, das heißt dort, wo wir es für sachgerecht
halten, um das bewährte deutsche Recht aufrechtzuer-
halten . Wir nehmen dabei etwa Rücksicht darauf, dass
beispielsweise bei Banken und Versicherungen aufgrund
ihrer Bedeutung für den Finanzmarkt strengere Regeln
gelten sollen, damit sie ihren Abschlussprüfer häufiger
als andere Unternehmen wechseln .
Häufig nicht angesprochen wurde bisher in der öffent-
lichen Diskussion um die Reform der Abschlussprüfung
ein Aspekt, den ich hier besonders hervorheben möchte .
Es geht um die stärkere Rolle und Verantwortung, die die
Reform dem Aufsichtsrat und dem Prüfungsausschuss
etwa in börsennotierten Unternehmen zumisst . Diesen
Punkt sollten wir nicht unterschätzen . Die unternehmens-
internen Gremien müssen sich in Zukunft noch mehr als
bisher mit der Begleitung der Abschlussprüfung und
deren Ergebnissen auseinandersetzen . Das begrüße ich
sehr, auch weil damit die Corporate Governance der Un-
ternehmen gestärkt wird .
Mit dem Gesetzentwurf nehmen wir auch die nur
punktuelle Kritik am Referentenentwurf auf und geben
den bisherigen Grundsatz des sogenannten einheitli-
chen Bestätigungsvermerks auf . Heute kennen wir in
Deutschland ein einheitliches Konzept dessen, was der
Abschlussprüfer bei jeder Abschlussprüfung sagen muss .
Das wird sich in Zukunft ändern . Bei Unternehmen von
öffentlichem Interesse wird erheblich mehr gesagt wer-
den müssen . Wie sich diese neue Berichterstattung ent-
wickeln wird, ist sicher „work in progress“ . Wir haben
daher vorgeschlagen, die Anwendung der Verordnung
zunächst zu beobachten und uns dann erneut mit der Fra-
ge des einheitlichen Berichtsformats zu beschäftigen .
Wir haben uns bei diesem Gesetzentwurf darauf kon-
zentriert, das EU-Recht so eng wie möglich umzusetzen
und Entlastungsmöglichkeiten zu nutzen . Ich weiß, dass
es noch andere Reformwünsche gibt . Aber es gibt auch
eine klare Vorgabe, bis wann wir diese Richtlinie umset-
zen müssen .
Deshalb sollten wir diesen Gesetzentwurf jetzt zügig
beraten .
Anlage 12
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des von der Bundesregierung einge-
brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Anpassung
der Zuständigkeiten von Bundesbehörden an die
Neuordnung der Wasser- und Schifffahrtsverwal-
tung des Bundes (WSV-Zuständigkeitsanpassungs-
gesetz – WSVZuAnpG) (Tagesordnungspunkt 20)
Hans-Werner Kammer (CDU/CSU): Die Reform
der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung ist auf dem rich-
tigen Weg . Das Zuständigkeitsanpassungsgesetz, das
wir heute debattieren, ist dabei ein kleiner Baustein . Es
schafft rechtliche Klarheit bezüglich der neuen Führungs-
struktur in der WSV . Dieses Gesetz bedarf eigentlich kei-
ner Debatte bei der ersten Lesung . Deshalb befasst sich
die Stellungnahme des Bundesrates auch an keiner Stelle
mit dem Gesetzentwurf selbst . Offensichtlich hat aber
auch die Opposition grundsätzlichen Redebedarf zur
WSV-Reform . Gleich werden wir die altbekannten Argu-
mente hören, die uns seit langer Zeit begleiten .
Herr Behrens wird über die Anliegen der Beschäftig-
ten sprechen . Wie überall im linken Weltbild sollen be-
stehende Probleme mit mehr Planstellen gelöst werden .
Das ist jedoch kein wirksames Rezept für eine effiziente
moderne Verwaltung . Wer glaubt, mit einer Rückkehr zu
den Beschäftigtenzahlen von vor 30 Jahren sei die WSV
fit für die Zukunft, ist gewaltig auf dem Holzweg. Es
stimmt zwar, dass die WSV an einigen Stellen durchaus
Personalbedarf hat, insbesondere im Planungsbereich .
Bei dieser Frage sind wir jedoch längst aktiv .
In den Haushaltsberatungen der vergangenen Jahre
hat die Koalition hier bereits wichtige Tatsachen geschaf-
fen . Bei den Kolleginnen und Kollegen im Haushaltsaus-
schuss, insbesondere bei Eckhardt Rehberg, hat die WSV
einen dicken Stein im Brett . Gezielt wurden daher wich-
tige Stellen genehmigt, um die WSV zu stärken . Aber
linke Personalpolitik mit der Gießkanne hilft der WSV
nicht weiter .
Das wissen übrigens auch die Beschäftigten der WSV .
Denen ist der Reformbedarf durchaus bewusst . Nach al-
lem, was ich aus den Gesprächen vor Ort mitnehme, kön-
nen die Beschäftigten mit dem aktuellen Reformkurs gut
leben . Es ist gelungen, auf die Bedürfnisse der Beschäf-
tigten einzugehen und sie bei der Reform zu beteiligen .
Viele Bedenken konnten ausgeräumt werden . Natürlich
bleiben Differenzen . Aber, Kollege Behrens, bei der Re-
form der WSV geht es auch nicht um ein Wunschkonzert
der diversen Personalvertreter, sondern darum, die WSV
endlich auf Vordermann zu bringen . Die Vorwürfe der
Linken laufen daher ins Leere . Ich würde mir von dieser
Seite konstruktivere Vorschläge wünschen .
Die Kritik der Grünen sieht anders aus . Frau Dr . Wilms
dauert alles viel zu lange . Das Ministerium hätte dieses,
die GDWS jenes tun müssen . Stünde hingegen sie in der
Verantwortung, wäre die WSV längst ein Musterbeispiel
an Effizienz, und die Bundeswasserstraßen wären in bes-
tem Zustand . Aber das ist Seemannsgarn . Die Wahrheit
ist nämlich eine andere .
Auch die Grünen haben vor sehr langer Zeit einmal
Regierungsverantwortung getragen . In dieser Zeit ist
sehr viel über eine Reform der WSV geredet worden . Wir
wissen auch, was damals passiert ist – nämlich nichts!
Der Zustand der WSV unter grüner Regierungsbeteili-
gung wurde zusehends schlechter . Gegenmaßnahmen?
Fehlanzeige! Für die WSV waren die Jahre 1998 bis
2005 verlorene Jahre . Fahrt aufgenommen hat die drin-
gend notwendige Modernisierung der WSV erst unter
den Verkehrsministern Ramsauer und Dobrindt .
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 152 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . Januar 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 152 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . Januar 2016 15051
(A) (C)
(B) (D)
Zwar ist es richtig, dass es noch viel zu tun gibt . Ich
denke da zum Beispiel an die Frage der Reviergrenzen,
die Ausgestaltung der Aufgabenbereiche der Wasser- und
Schifffahrtsämter und die Personalstruktur . Ein dicker
Pott wie die WSV beschleunigt nun einmal langsamer als
ein Sportboot . Außerdem reden wir nicht über ein paar
Einzelmaßnahmen . Über die Jahre ist bei der WSV viel
Reformbedarf entstanden . Mit einem neuen Anstrich ist
es da nicht getan .
Schon die Schaffung der Generaldirektion für Wasser-
straßen und Schifffahrt ist ein großer Wurf . Bei Beginn
der Reform vor einigen Jahren war keinesfalls absehbar,
dass eine derart tiefgreifende Reform folgen würde . Die
beteiligten Verkehrsminister haben an dieser Stelle Mut
bewiesen . Denn es war klar, dass gerade die Zusam-
menfassung der Direktionen zu einer Generaldirektion
großen Widerspruch ernten würde . Dennoch ist das der
richtige Schritt .
Schließlich schaffen wir mit dem Gesetz Klarheit . Ex-
emplarisch für zahlreiche sinnvolle Gesetzesänderungen
nenne ich hier die Anpassungen des Bundeswasserstra-
ßengesetzes, des Verkehrsleistungsgesetzes oder auch
des Telekommunikationsgesetzes .
Durch die Möglichkeiten der modernen Kommunika-
tion, insbesondere des digitalen Datenaustauschs, ist es
möglich, die Verwaltung zu zentralisieren und zugleich
in der Fläche präsent zu sein . Es wäre fahrlässig gewe-
sen, nicht an dieser Stelle anzusetzen und die sieben Di-
rektionen zusammenzufassen .
Diese unnötigen Parallelstrukturen haben nun ein
Ende . Die WSV wird straffer organisiert und unabhängi-
ger vom Ministerium, das sich künftig auf die zentralen
Steuerungsaufgaben konzentrieren kann . Dieser Reform-
prozess ist aber noch nicht abgeschlossen . Denn eine
über Jahrzehnte gewachsene Struktur umzubauen, geht
nicht von heute auf morgen . Schließlich muss die Ar-
beitsfähigkeit durchgehend gewährleistet sein . Wir brau-
chen eben keinen Schnellschuss, Frau Kollegin Wilms,
sondern eine Reform für die kommenden Jahrzehnte .
Der Unterstützung durch die Unionsfraktion kann sich
unser Minister Alexander Dobrindt dabei sicher sein .
Gustav Herzog (SPD): Wir beraten heute mit der
Drucksache 18/7316 in erster Lesung den Entwurf ei-
nes Gesetzes zur Anpassung der Zuständigkeiten von
Bundesbehörden an die Neuordnung der Wasser- und
Schifffahrtsverwaltung des Bundes, kurz: WSV-Zustän-
digkeitsanpassungsgesetz .
Als Kontrapunkt zu diesem unglaublich sperrigen
Titel möchte ich den Slogan der Wasserstraßen- und
Schifffahrtsverwaltung (WSV) setzen: „Wir machen
Schifffahrt möglich .“ Diese knappe und dabei zutref-
fende Selbstbeschreibung möchte ich in den Mittelpunkt
meiner Rede stellen, denn das Gesetz an sich bietet außer
Gesetzestechnik wenig politischen Inhalt . Als Folge wer-
den dabei vor allem Adressen neu zugeordnet, Türschil-
der ausgetauscht, Briefköpfe und Visitenkarten neu ge-
druckt . Die tatsächlichen Veränderungen erfolgen durch
Weisungen des Ministeriums .
Daher nutze ich die Gelegenheit, um den vielen Mitar-
beiterinnen und Mitarbeitern der WSV nicht nur für ihren
Einsatz und ihr Engagement zu danken, sondern auch da-
für, dass sie der WSV und der Schifffahrt in Deutschland
nach wie vor treu zur Seite stehen .
Der politische Reformwille übt seit vielen Jahren gro-
ßen Druck auf die Verwaltung aus; nicht immer war er
jedoch stringent ausgerichtet und konstruktiv in der Sa-
che . Seit Jahren wird das Personal reduziert, die Ausga-
ben vermehrten sich, um dann mit weniger Mitteln mehr
Leistung und Projekte durchzusetzen .
Der „ganz große Hammer“ erfolgte jedoch im Okto-
ber 2010 – dem „Herbst der Entscheidungen“ – , als die
schwarz-gelbe Regierungsmehrheit mit Unterstützung
der Grünen und Linken aus der 35 . Sitzung des Haus-
haltsausschusses heraus die Axt an die WSV gelegt hat .
Die Maßgabebeschlüsse des Haushaltsausschusses lassen
sich auf einige Punkte zusammenfassen: Personalabbau,
Schrumpfung des Netzes durch eine hochumstrittene
Kategorisierung, Privatisieren und Ausschreibungsver-
pflichtungen selbst ureigener Aufgaben. Hier hat die FDP
sich verewigt, und mit den Folgen kämpfen wir noch
heute . Mit der Gründung der Generaldirektion Wasser-
straßen und Schifffahrt (GDWS) und der Abwicklung der
sieben Direktionen wurde die sogenannte Reform mit der
Brechstange vorangetrieben, ohne Hinterlegung mit in-
haltlichen Strukturen, ohne Mitnahme der Beschäftigten
und gegen die im eigenen Hause vorhandene fachliche
Kompetenz . Selbst gegen die Wirtschaft und auch gegen
alle Bundesländer .
Am Ende kam es, wie es kommen muss, wenn man
im laufenden Betrieb groben Kies ins Getriebe wirft .
Verwaltungsschritte wurden unterbrochen, neue Schnitt-
stellen brachten viel Unruhe hinein, die Beschäftigten
wurden zum Streik gezwungen, und die WSV hat sich
vor allem als Arbeitgeber nicht gerade attraktiv gemacht .
Mit der Folge, dass uns heute umso mehr die Ingenieure
fehlen, die unsere Investitionsmaßnahmen der Zukunft
planen und bauen sollen . Eine knappe Milliarde Euro
Mittel im Haushalt für die Wasserstraßen konnten wir in
den vergangenen fünf Jahren nicht verbauen, weil nicht
ausreichend geplant und verbaut werden konnte . So or-
ganisiert man keine Daseinsvorsorge! Die verkehrliche
Infrastruktur – gerade die der Wasserstraße – braucht
langfristig Verlässlichkeit und Planungssicherheit .
Mit dem Koalitionsvertrag haben wir den Dampfer
WSV wieder auf Kurs gebracht . Wir konnten als SPD
durchsetzen, den weiteren Reformprozess in enger Ab-
stimmung mit den Beschäftigten einzuleiten . Nur um
eines klarzustellen: Die Beschäftigten und ihre Personal-
vertretungen waren nie die Blockierer; sie selber wollten
eine Strukturreform, weil die bisherige Struktur von den
tatsächlichen Bedingungen und Aufgaben überholt wur-
de . Sie wollten nur mit ihrem Know-how mitgenommen
werden .
Wir wollen die Kompetenz dorthin verlagern, wo
sie hingehört; Aufgaben sollen vom Ministerium in die
GDWS und von der GDWS in die Reviere abgeschich-
tet werden . Wir bauen Personal auf, wo wir es brauchen,
um unsere Wasserstraßeninfrastruktur nachhaltig planen
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 152 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . Januar 201615052
(A) (C)
(B) (D)
und Investitionen zügig umsetzen zu können . Regionale
Entscheidungen sollen regional entschieden und Quer-
schnittsentscheidungen zentral in der GDWS getroffen
werden . Die WSV muss wieder ein attraktiver Arbeitge-
ber werden und die hohen Ausbildungsquoten der Ver-
gangenheit auch in Zukunft umsetzen . Dazu braucht es
attraktive Angebote, die wir mit dem neuen Reformkurs
ermöglicht haben .
Herrn Minister Dobrindt möchte ich an dieser Stelle
noch einmal ausdrücklich persönlich danken . Die zügi-
ge Umsetzung der Vorgaben des Koalitionsvertrages, die
klaren Vorgaben für den 6 . Bericht und damit der dau-
erhafte und lebensfähige Erhalt aller Standorte waren
ganz wichtige Signale! Nicht nur in die Verwaltung hi-
nein wurde damit klar, dass wir einen Kurswechsel vor-
genommen haben, sondern auch die Wirtschaft begrüßte
das Handeln .
Unzufrieden bin ich als Berichterstatter jedoch mit
dem weiteren Umsetzungstempo . Der 1 . Fortschrittsbe-
richt aus dem Sommer 2015 ist trotz Fristverlängerung
mehr eine Sammlung von Dingen, die gemacht werden
müssen und weniger ein Bericht, der strukturiert auf-
zeigt, was bereits selbstbewusst umgesetzt wurde .
Selbst heute liegen weder die konkreten Grenzen der
18 – oder werden es 17? – Reviere vor, noch gibt es die
ausgearbeitete und abgestimmte innere Struktur der Äm-
terebene auf dem Tisch des Verkehrsausschusses . Das
geht mir alles viel zu langsam, und ich erhoffe mir vom
Ministerium und der GDWS, dass hier schneller Ergeb-
nisse erzielt werden . Hilfreich wäre hier zum Beispiel
die ein oder andere Vollzugsmeldung vor Abschluss der
zweiten und dritten Lesung!
Wobei festzuhalten ist, dass nicht das Parlament für
die jüngsten Verzögerungen verantwortlich zeichnet . Mir
kam zu Ohren, dass ein aufgeregter Unionsministerprä-
sident hier wieder einmal mit eigenen Interessen auf der
Bremse stand . Das geht nicht . Es ist eine Bundesverwal-
tung, und bei allem Respekt vor den Belangen einzelner
Länder: Die Entscheidungen trifft der Bund . Die Länder
sind stets aufgefordert und ja auch gerne bereit, den Re-
formprozess im konstruktiven Dialog zu begleiten; er
darf aber nicht im föderalen Dickicht stecken bleiben .
Herbert Behrens (DIE LINKE): Im Mai 2013 wurde
offiziell die Bonner Zentrale der neuen Generaldirektion
Wasserstraßen und Schifffahrt eingerichtet . Es musste
kurz vor Auslaufen der letzten Wahlperiode wenigstens
der Anschein des Fortschritts bei der bereits 20 Jahre an-
gekündigten Reform der WSV erweckt werden .
Doch zweieinhalb Jahre später wird immer noch daran
herumgedoktert, die Generaldirektion Wasserstraßen und
Schifffahrt in Gang zu bringen . Offensichtlich läuft in
der Bonner Zentrale noch gar nichts . Seit mehr als einem
Jahr versucht mein Büro, die Bonner Zentrale telefonisch
zu erreichen . Doch niemals hat dort jemand das Telefon
abgenommen . Die Generaldirektion in Bonn ist eher eine
Art Briefkastenfirma als eine arbeitende Behörde, die in
der Lage ist, die ihr übertragenen Aufgaben zu bewerk-
stelligen .
Also steht die Umsetzung der WSV-Reform immer
noch in den Startlöchern . Sieben Berichte hat es bedurft,
um über den Stand des WSV-Reformprozesses zu berich-
ten . Wir haben mindestens 20 Debatten hier im Plenum
und im Ausschuss dazu geführt . Doch im Wesentlichen
ist nichts passiert . Die Gewerkschaft Verdi schreibt zu
Recht, dass das Verkehrsministerium es nach der Zer-
schlagung der Direktionen offenbar nicht mehr eilig hat-
te, eine funktionierende Verwaltung aufzubauen .
Der eigentliche Grund für den fehlenden Fortschritt
ist jedoch, dass frühere Regierungen mit der Reform
ganz andere Absichten hatten, als die, die heutzutage
aufgeführt werden . Mit dem Auftrag, die WSV umzu-
bauen, ist folgende Androhung verbunden gewesen: Wir
machen aus der WSV als einer Ausführungsverwaltung
eine Gewährleistungsverwaltung . Auf Wunsch der letz-
ten schwarz-gelben Regierung sollten nur noch wenige
Zuständigkeiten in den Händen der WSV-Beschäftigten
bleiben .
Die Vergabe von Ausführungsaufgaben sollte einen
massiven Personalabbau ermöglichen: Nachdem seit
1993 die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung bereits jede
dritte Stelle verlor, sollte zusätzlich jede fünfte Stelle
verschwinden . Bei der Planung blieben die Beschäftig-
tenvertretungen außen vor . Glücklicherweise haben die
Beschäftigten diese Kahlschlagpläne im Jahr 2013 mit
ihrem Arbeitskampf weitgehend abwehren können . Die
Große Koalition nahm den Umbau zur reinen Auftrags-
vergabestelle und den weiteren Personalabbau zurück .
Die WSV-Reform wurde im Koalitionsvertrag und dem
sechsten Bericht zur reinen Verwaltungsreform umge-
tauft . Aus dem Abbau der Schifffahrtsämter wurde eine
verpfuschte Verwaltungsreform .
Doch die Personalengpässe aufgrund des Abbaus der
letzten Jahrzehnte und die damit verbundenen Engpäs-
se für die Binnenschifffahrt bleiben . Das bestätigt Eddi
Weinert vom Wasser- und Schifffahrtsamt Berlin: „Wenn
einer Urlaub hat oder krank wird, können wir nur dicht-
machen . Wie soll es anders funktionieren, wenn eine
Schleuse nur mit drei Personen besetzt ist, die Schleuse
aber im Sommer von 6 bis 20 Uhr geöffnet sein soll? Frü-
her waren hier noch sechs Beschäftigte tätig, dann wurde
Personal eingespart .“ Tatsächlich waren zur Wende beim
Wasser- und Schifffahrtsamt Berlin etwa 900 Beschäftig-
te eingestellt . Jetzt sind es nur noch 403 fertig ausgebil-
dete Kräfte, die aber die gleiche Arbeit erledigen müssen .
Die Folgen des Personalabbaus für den Schiffsverkehr
wurden am Beispiel des Berliner Raums im vergangenen
Jahr wieder deutlich . Seit dem 1 . April 2015 schließt die
WSV die Schleusen Neue Mühle, Kummersdorf, Stor-
kow und Wendisch Rietz im Osten Brandenburgs im
Sommer schon um 18 Uhr statt wie bisher um 22 Uhr .
Morgens fangen die Schichten außerdem erst ab 8 .30
statt ab 7 Uhr an . Da die Schleusen Kummersdorf, Stor-
kow und Wendisch Rietz ebenfalls um 18 Uhr schließen,
sind Wochenendausflüge für Berufstätige in Berlin nahe-
zu unmöglich gemacht worden .
Auch fehlen den Neubauämtern etwa 100 Ingenieu-
re, die für Erhalt- und Ausbaumaßnahmen an den Was-
serstraßen dringend erforderlich sind . Der andauernde
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 152 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . Januar 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 152 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 28 . Januar 2016 15053
(A) (C)
(B) (D)
Mangel an qualifiziertem Personal hat in den letzten
Jahren dazu geführt, dass Hunderte Millionen Euro für
an Um- und Ausbaumaßnahmen nicht abgerufen werden
konnten . Auch relativ „kleine“ Investitionen mit großer
Kapazitätswirkung bleiben auf der Strecke, wie zum
Beispiel der Ausbau der Schleusen in Fürstenwalde und
Kleinmachnow .
Die Bundesregierung hat bis heute nichts unternom-
men, um die Personalengpässe, die aufgrund der Alters-
struktur der Belegschaft der WSV noch einmal erschwert
werden, zu verringern .
Herr Minister, es genügt nicht, den Umbau der Was-
serstraßen und Schifffahrtsverwaltung auf Papier zu be-
schließen und Namen in den Gesetzen und Verordnun-
gen zu ändern . Wenn Sie die eigentlichen Engpässe für
die Binnenschifffahrt beheben wollen, müssen Sie die
Schifffahrtsämter wieder zu attraktiven und verlässlichen
Arbeitgebern machen . Fangen Sie endlich damit an .
Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Die Reform der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwal-
tung (WSV) ist eine nicht enden wollende Geschichte .
1994 im damaligen Koalitionsvertrag erstmals erwähnt,
wurden immer wieder neue – leider meist glücklose –
Reformversuche gestartet . Es dauerte oft nicht lange, bis
sie wieder scheiterten . So erging es auch dem jetzigen
Reformvorhaben, das BM Ramsauer 2012 vorstellte .
Es geht um die Reform einer verkrusteten Verwaltung,
die seit dem Kaiserreich überdauert hat . Bei der Wasser-
straßen- und Schifffahrtsverwaltung müssen dringend
die Aufgaben überprüft und neue Strukturen geschaffen
werden . Nur dann können wir Herausforderungen wie
den Abbau des gewaltigen Sanierungsstaus meistern .
Deshalb brauchen wir dringend ein Umdenken bei der
WSV und die konsequente Fortsetzung der Reform .
Kernpunkte der Reform von 2012 sollten sein:
– Zusammenführung der bis dahin sieben Direktionen
auf nur noch eine Generaldirektion in Bonn;
– Kategorisierung der Wasserstraßen, in für den Aus-
bau wichtige und weniger wichtige Streckenabschnitte;
– Anpassung der Ämterstruktur;
– Ermittlung, wie viel Personal benötigt wird;
– Einführung bzw . Ausbau von Kosten- und Leis-
tungsrechnung und Controllingsystemen;
– Zeithorizont damals: bis 2020 .
Mit blumigen Worten stellte Herr Ramsauer das Vor-
haben der Presse vor: Die Verwaltung werde „schlanker
und schlagkräftiger“ . Doch schon kurz danach war die
Luft wieder raus: Anscheinend möchte es die heutige
Bundesregierung dabei belassen .
Denn nur wenig später, mit Herrn Dobrindt, hieß es
schon gleich: Das „enorme Reformprojekt“ stünde „kurz
vor dem Abschluss“ . Das spricht von geringer Sach-
kenntnis des Ministers . Denn mit der großen Stillstands-
koalition kam auch eine Verlängerung der inzwischen
stark verwässerten Reformschritte bis 2025 . Der Weg
scheint also noch weiter und steiniger zu werden – von
einem Abschluss der Reform kann keine Rede sein .
Die einzelnen Reformziele stehen seit 2012 nur auf
dem Papier, aber umgesetzt und gelebt werden sie nicht .
Vor allem die Sozialdemokraten haben sich einem Re-
formprozess verweigert und sind seit 2013 voll auf die
Bremse getreten .
Darunter leiden heute die Beschäftigten der WSV .
Eigentlich müssten die Mitarbeiterinnen und Mitarbei-
ter motiviert und für gute Ideen belohnt werden . Aber
mit dem Beamtenapparat und den preußischen Verwal-
tungsstrukturen bleibt erst einmal alles beim Alten . Was
wir dringend brauchen, ist mehr Verantwortung in den
Ämtern vor Ort; nur dann kann die WSV ihre Aufgaben
auch ordentlich erfüllen . Was wir nicht brauchen, ist eine
überbordende neue Verwaltungsebene in der Generaldi-
rektion GDWS, die für viel Parallelarbeit verantwortlich
ist. Effiziente Verwaltung sieht anders aus.
Die Kommunen machen es vor . So ist es sehr sinn-
voll, die geschaffenen Werte in einem Anlagevermögen
auszuweisen, wie uns das die kommunalen Verwaltun-
gen bereits vormachen . Nur dann haben wir auch einen
Überblick, wie sich die Werte der Bundeswasserstraßen
verändern – und an welchen Stellen Bedarf besteht, Er-
satzinvestitionen zu tätigen . Aber, werte Kollegen der
Koalition, nachhaltige Investitionspolitik haben Sie noch
nicht verstanden .
Der vorliegende Gesetzentwurf kommt reichlich spät .
Denn schon bei Schwarz-Gelb sollte die Reform in ei-
nem Gesetz festgeschrieben werden; aber das hat sich
damals niemand getraut .
Die große Stillstandskoalition legt jetzt zwar den Ge-
setzentwurf endlich vor – aber die wirklich wichtigen
Reformschritte bleiben weiter auf der Strecke .
Ankündigungsminister Dobrindt, packen Sie die Re-
form jetzt endlich an!
Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de
Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de
152. Sitzung
Inhaltsverzeichnis
TOP 3 Regierungserklärung – Chancen des digitalen Wandels und Jahreswirtschaftsbericht 2016
TOP 4 Mietpreisentwicklung
TOP 6 Bundeswehreinsatz in Mali (MINUSMA)
TOP 8 Bundeswehreinsatz Kurdistan-Irak
TOP 28, ZP 2 Überweisungen im vereinfachten Verfahren
TOP 29, ZP 3 Abschließende Beratungen ohne Aussprache
TOP 7 Menschenrechte in Saudi-Arabien
TOP 5 Arbeitsprogramm der EU-Kommission 2016
TOP 9 Erziehungsleistung von Adoptiveltern in der Rente
ZP 4 - 6 Ausbau der Rheintalbahn
TOP 11 Programm für Klima- und Klimafolgenforschung
TOP 10 Änderung des Hochschulstatistikgesetzes
TOP 13 Offenlegung der Herkunft von Konfliktrohstoffen
TOP 12 Elektronische Zigaretten und Shishas
TOP 15 Sport- und Fankultur
TOP 14 EU-Richtlinie zur Anlegersicherheit (OGAW-V)
TOP 16 Lohnsteuereinbehalt in der Seeschifffahrt
TOP 17 Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus
TOP 18 Abschlussprüfungsreformgesetz
TOP 19 UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung – 2030-Agenda
TOP 20 Wasser- und Schifffahrtsverwaltung
Anlagen
Anlage 1
Anlage 2
Anlage 3
Anlage 4
Anlage 5
Anlage 6
Anlage 7
Anlage 8
Anlage 9
Anlage 10
Anlage 11
Anlage 12