Berichtigung
        130 . Sitzung, Seite 12612 C, vierte Spalte: Bei den
        Enthaltungen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ist
        der Name „Omid Nouripour“ durch den Namen „Cem
        Özdemir“ zu ersetzen .
        130 . Sitzung, Seite 12705 A, erster Absatz, erster Satz,
        ist wie folgt zu lesen: „Wann kommen denn die Vorschlä-
        ge, wie man die Instrumente EnEV und Erneuerbare-Ener-
        gien-Wärmegesetz sinnvoll zusammenführt und ganzheit-
        liche Ansätze bei der energetischen Sanierung gesetzlich
        besser verankert?“
        Hiltrud Lotze
        (A) (C)
        (B) (D)
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 131 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 16 . Oktober 2015 12823
        Anlagen zum Stenografischen Bericht
        Anlage 1
        Liste der entschuldigten Abgeordneten
        Abgeordnete(r)
        entschuldigt bis
        einschließlich
        Amtsberg, Luise BÜNDNIS 90/
        DIE GRÜNEN
        16 .10 .2015
        Becker, Dirk SPD 16 .10 .2015
        Beckmeyer, Uwe SPD 16 .10 .2015
        Crone, Petra SPD 16 .10 .2015
        Drobinski-Weiß, Elvira SPD 16 .10 .2015
        Ebner, Harald BÜNDNIS 90/
        DIE GRÜNEN
        16 .10 .2015
        Fabritius, Dr . Bernd CDU/CSU 16 .10 .2015
        Feiler, Uwe CDU/CSU 16 .10 .2015
        Finckh-Krämer, Dr . Ute SPD 16 .10 .2015
        Gambke, Dr . Thomas BÜNDNIS 90/
        DIE GRÜNEN
        16 .10 .2015
        Gleicke, Iris SPD 16 .10 .2015
        Gysi, Dr . Gregor DIE LINKE 16 .10 .2015
        Hasselfeldt, Gerda CDU/CSU 16 .10 .2015
        Henke, Rudolf CDU/CSU 16 .10 .2015
        Heveling , Ansgar CDU/CSU 16 .10 .2015
        Höger, Inge DIE LINKE 16 .10 .2015
        Irlstorfer, Erich CDU/CSU 16 .10 .2015
        Kauder, Volker CDU/CSU 16 .10 .2015
        Kolbe, Daniela SPD 16 .10 .2015
        Kretschmer, Michael CDU/CSU 16 .10 .2015
        Launert, Dr . Silke CDU/CSU 16 .10 .2015
        Ludwig, Daniela CDU/CSU 16 .10 .2015
        Mast, Katja SPD 16 .10 .2015
        Middelberg, Dr . Mathias CDU/CSU 16 .10 .2015
        Mihalic, Irene BÜNDNIS 90/
        DIE GRÜNEN
        16 .10 .2015
        Nietan, Dietmar SPD 16 .10 .2015
        Nord, Thomas DIE LINKE 16 .10 .2015
        Abgeordnete(r)
        entschuldigt bis
        einschließlich
        Pfeiffer, Sibylle CDU/CSU 16 .10 .2015
        Pilger, Detlev SPD 16 .10 .2015
        Schlecht, Michael DIE LINKE 16 .10 .2015
        Steinbach, Erika CDU/CSU 16 .10 .2015
        Strässer, Christoph SPD 16 .10 .2015
        Straubinger, Max CDU/CSU 16 .10 .2015
        Tressel, Markus BÜNDNIS 90/
        DIE GRÜNEN
        16 .10 .2015
        Trittin, Jürgen BÜNDNIS 90/
        DIE GRÜNEN
        16 .10 .2015
        Ulrich, Alexander DIE LINKE 16 .10 .2015
        Wagner, Doris BÜNDNIS 90/
        DIE GRÜNEN
        16 .10 .2015
        Walter-Rosenheimer,
        Beate
        BÜNDNIS 90/
        DIE GRÜNEN
        16 .10 .2015
        Weinberg, Harald DIE LINKE 16 .10 .2015
        Weiß (Emmendingen),
        Peter
        CDU/CSU 16 .10 .2015
        Werner, Katrin DIE LINKE 16 .10 .2015
        Wicklein, Andrea SPD 16 .10 .2015
        Wolff (Wolmirstedt),
        Waltraud
        SPD 16 .10 .2015
        Zdebel, Hubertus DIE LINKE 16 .10 .2015
        Anlage 2
        Erklärung nach § 31 GO
        der Abgeordneten Thomas Jurk, Detlef Müller
        (Chemnitz), Dr. Simone Raatz und Susann
        Rüthrich (alle SPD) zu der namentlichen Abstim-
        mung über den von den Fraktionen der CDU/CSU
        und SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes
        zur Einführung einer Speicherpflicht und Höchst-
        speicherfrist für Verkehrsdaten (Zusatztagesord-
        nungspunkt 5 a)
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 131 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 16 . Oktober 201512824
        (A) (C)
        (B) (D)
        In den Verhandlungen mit dem Koalitionspartner ist
        unserem Justizminister Heiko Maas mit der deutlichen
        Verkürzung der geplanten Speicherfristen ein beeindru-
        ckender Erfolg gelungen . Es wurde jedoch kein Kompro-
        miss erreicht, den wir nach bestem Wissen und Gewissen
        unterstützen könnten. Die Speicherpflicht stellt auch in
        der abgespeckten Form des aktuellen Gesetzesentwurfes
        einen massiven Eingriff in die Grundrechte dar .
        Die Bürgerinnen und Bürger müssen die Möglich-
        keit haben, unbeobachtet miteinander kommunizieren
        zu können . Die anlasslose Speicherung von IP-Adres-
        sen, Standortdaten und anderen Kommunikationsdaten
        gefährdet jedoch ihre Privatsphäre, ohne dabei geeignet
        zu sein, Verbrechen zu verhindern . Sie kann maximal im
        Nachhinein bei der Verfolgung der Täterinnen und Täter
        helfen . Bei der Strafverfolgung bringt diese Speicherung
        kaum messbare Vorteile im Vergleich zur konventionel-
        len Ermittlungsarbeit . Wir zweifeln stark daran, dass das
        allgemeine Wohlbefinden und das Sicherheitsempfinden
        der Bevölkerung durch alltägliche Überwachung ver-
        bessert werden kann . Stattdessen sollten wir uns darum
        bemühen, die Bevölkerung vor dem Missbrauch ihrer
        Daten zu schützen . Doch Missbrauch kann nur völlig
        ausgeschlossen werden, wenn erst gar keine Daten ge-
        sammelt und gespeichert werden .
        Für uns stellt die Einführung der Speicherpflicht einen
        Paradigmenwechsel dar . Wir befürchten, dass wir damit
        eine Entwicklung starten, die zukünftig eher Debatten
        über die Verlängerung der Höchstspeicherfristen statt
        über die Abschaffung der Datenspeicherung bei ausblei-
        bendem Erfolg zulässt . Zu dieser Entwicklung möchten
        wir keinen Beitrag leisten .
        Anlage 3
        Erklärung nach § 31 GO
        der Abgeordneten Lothar Binding (Heidelberg)
        und Svenja Stadler (beide SPD) zu der namentli-
        chen Abstimmung über den von den Fraktionen
        der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurf ei-
        nes Gesetzes zur Einführung einer Speicherpflicht
        und Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten (Zu-
        satztagesordnungspunkt 5 a)
        In der SPD spielen die Grundwerte Freiheit, Gerech-
        tigkeit und Solidarität eine außerordentlich wichtige Rol-
        le . Sie sind Maßstab für die Kultur einer Gesellschaft .
        In der Vergangenheit sind vielen Kolleginnen und
        Kollegen die Abstimmungen über die VDS schwergefal-
        len . Denn trotz verschiedener rechtlicher Restriktionen,
        insbesondere der EU-Richtlinien, und dem Druck vieler
        Bürgerinnen und Bürger, wenigstens „Waffengleichheit“
        zwischen Kriminellen (Terroristen) und den Strafverfol-
        gungsbehörden herzustellen, sind unsere Grundwerte da-
        von unbenommen .
        Die Mitgliedstaaten in Europa wollten mehrheitlich
        Speicherfristen von zwei Jahren . Die ehemalige Bundes-
        justizministerin Brigitte Zypries (SPD) hatte – gegen har-
        ten Widerstand – eine Speicherfrist von maximal sechs
        Monaten in die Richtlinie verhandelt . Das war unser
        Stolz – aber ärgerlich gleichwohl . Ein prima Verhand-
        lungsergebnis – aber unbefriedigend .
        Inzwischen haben sich diese Randbedingungen glück-
        licherweise deutlich verändert – zum Vorteil der Freiheit .
        Im Koalitionsvertrag steht zwar zur Vorratsdatenspei-
        cherung noch: „Wir werden die EU-Richtlinie über den
        Abruf und die Nutzung von Telekommunikationsver-
        bindungsdaten umsetzen . Dadurch vermeiden wir die
        Verhängung von Zwangsgeldern durch den EuGH . Da-
        bei soll ein Zugriff auf die gespeicherten Daten nur bei
        schweren Straftaten und nach Genehmigung durch einen
        Richter sowie zur Abwehr akuter Gefahren für Leib und
        Leben erfolgen . Die Speicherung der deutschen Tele-
        kommunikationsverbindungsdaten, die abgerufen und
        genutzt werden sollen, haben die Telekommunikations-
        unternehmen auf Servern in Deutschland vorzunehmen .
        Auf EU-Ebene werden wir auf eine Verkürzung der Spei-
        cherfrist auf drei Monate hinwirken .“
        Und zu digitaler Sicherheit und Datenschutz: „Ziel
        der Koalition ist es, die Balance zwischen Freiheit und
        Sicherheit auch in der digitalen Welt zu schaffen und zu
        bewahren .“
        Aber inzwischen hat der Europäische Gerichtshof
        (EuGH) am 8 . April 2014 die bestehende EU-Richtlinie
        zur Vorratsdatenspeicherung für rechtswidrig erklärt . Sie
        ist mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Uni-
        on nicht vereinbar . Die Speicherung von Kommunikati-
        onsdaten ohne Verdacht auf Straftaten ist danach nicht
        zulässig .
        Die Richter begründen ihre Entscheidung damit, dass
        die Regelung „einen Eingriff von großem Ausmaß und
        besonderer Schwere in die Grundrechte auf Achtung
        des Privatlebens und auf den Schutz personenbezogener
        Daten, der sich nicht auf das absolut Notwendige be-
        schränkt“, enthalte .
        Damit ist dem Koalitionsvertrag von CDU/CSU und
        SPD hinsichtlich der Vorratsdatenspeicherung die Ge-
        schäftsgrundlage genommen und Deutschland nicht
        mehr zu einer Umsetzung der EU-Richtlinie verpflichtet.
        Bisher war dies ein großes Handicap, denn die Ableh-
        nung der Vorratsdatenspeicherung war eine Verletzung
        einer EU-Richtlinie, außerdem drohte die Zahlung von
        Zwangsgeldern . Das hat im Bundestag zu schwierigsten
        Abwägungen und teilweise in sich widersprüchlichen
        Positionen geführt, führen müssen, denn entweder ver-
        stieß man gegen eine EU-Richtlinie oder gegen seine
        Überzeugung, dass Vorratsdatenspeicherung weder mit
        EU-Recht noch mit der Verfassung vereinbar ist . Des-
        halb sind wir sehr froh über die Entscheidung des Euro-
        päischen Gerichtshofs zur Vorratsdatenspeicherung, ein
        Urteil, das sich in die Grundbewertung des Bundesver-
        fassungsgerichts und dessen Urteil sehr gut einfügt .
        Während die Richtlinie zur Vorratsspeicherung von
        Daten Telekommunikationsbetreibern und Internetanbie-
        tern zwingend vorschrieb, Verbindungs- und Standortda-
        ten für die Strafverfolgung zu speichern, und Deutsch-
        land die Richtlinie mit Wirkung ab 2008 umsetzte, hob
        das Bundesverfassungsgericht die deutschen Regelungen
        zur Vorratsdatenspeicherung schon im Jahr 2010 auf,
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 131 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 16 . Oktober 2015 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 131 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 16 . Oktober 2015 12825
        (A) (C)
        (B) (D)
        weil sie unverhältnismäßig tief in die Grundrechte ein-
        griffen .
        Das Bundesverfassungsgericht führt aus:
        „[Es] handelt … sich bei einer solchen Speicherung
        um einen besonders schweren Eingriff mit einer Streu-
        breite, wie sie die Rechtsordnung bisher nicht kennt:
        Erfasst werden über den gesamten Zeitraum von sechs
        Monaten praktisch sämtliche Telekommunikationsver-
        kehrsdaten aller Bürger ohne Anknüpfung an ein zure-
        chenbar vorwerfbares Verhalten, eine – auch nur abstrak-
        te – Gefährlichkeit oder sonst eine qualifizierte Situation.
        Die Speicherung bezieht sich dabei auf Alltagshandeln,
        das im täglichen Miteinander elementar und für die Teil-
        nahme am sozialen Leben in der modernen Welt nicht
        mehr verzichtbar ist .“
        „[Es] lassen sich schon aus den Daten selbst – und
        erst recht, wenn diese als Anknüpfungspunkte für wei-
        tere Ermittlungen dienen – tiefe Einblicke in das sozia-
        le Umfeld und die individuellen Aktivitäten eines jeden
        Bürgers gewinnen . … aus diesen Daten lassen sich …
        bei umfassender und automatisierter Auswertung bis in
        die Intimsphäre hineinreichende inhaltliche Rückschlüs-
        se ziehen . [Sie lassen] in ihrer Kombination detaillierte
        Aussagen zu gesellschaftlichen oder politischen Zuge-
        hörigkeiten sowie persönlichen Vorlieben, Neigungen
        und Schwächen derjenigen [zu], deren Verbindungsdaten
        ausgewertet werden .“
        „… die anlasslose Speicherung von Telekommunika-
        tionsverkehrsdaten [ist] geeignet, ein diffus bedrohliches
        Gefühl des Beobachtetseins hervorzurufen, das eine un-
        befangene Wahrnehmung der Grundrechte in vielen Be-
        reichen beeinträchtigen kann .“ (BVerfG, Urt . v . 2 . März
        2010–1 BvR 256/08, Rn . 210, 211, 212)
        So weit das Bundesverfassungsgericht (BverfG)
        Im politischen Raum fällt es offensichtlich schwer,
        die Urteile und deren Begründungen mit der gebotenen
        Vorsicht zu lesen . So sieht Bundesinnenminister Thomas
        de Maizière (CDU) in Mindestspeicherfristen alias Vor-
        ratsdatenspeicherung noch immer ein wichtiges Mittel
        für die Aufklärung schwerer Straftaten: „Auch wenn die
        Richtlinie selbst nun aufgehoben wurde, hat die Entschei-
        dung aber Gewissheit gebracht, dass das Instrument der
        Vorratsdatenspeicherung sowohl verfassungsrechtlich
        als auch europarechtlich zulässig ist .“ Und weiter: „Da
        wir dieses Instrument dringend zur Aufklärung schwerer
        Straftaten sowie zur Abwehr akuter Gefahren für Leib
        und Leben benötigen, dränge ich rasch auf eine kluge,
        verfassungsgemäße und mehrheitsfähige Neuregelung .“
        Das sehen wir anders .
        Mit Blick auf die Arbeitsergebnisse im Zusammen-
        hang mit den NSU-Morden, aber auch mit Blick auf die
        Arbeit des BND, der allem Anschein nach fremden Ge-
        heimdiensten geholfen hat, Bürgerinnen und Bürger so-
        wie deutsche und europäische Unternehmen – wer wollte
        wissen, wen außerdem noch – auszuspionieren, scheint
        der Bundesinnenminister hier eine gewagte Idee zu ver-
        folgen . Außerdem hat das Bundesverfassungsgericht ja
        gerade auch zu diesem Sachverhalt erklärt, warum „Die
        bloße Möglichkeit, dass Daten zu Zwecken der Strafver-
        folgung oder der Gefahrenabwehr benötigt werden könn-
        ten“, den Eingriff nicht rechtfertigt .
        Neben de Maizière wird der fachliche Bedarf der Vor-
        ratsdatenspeicherung auch von der Innenministerkonfe-
        renz der Länder und sogar vom Deutschen Richterbund
        als „unerlässliches Instrument gegen die Verbrechens-
        bekämpfung“ gefordert . Das wurde bisher nicht bewie-
        sen, ist aber verständlich, denn es ist viel leichter, sich
        ein neues Werkzeug zu kaufen, als die vorhandenen zu
        schärfen .
        In der Großen Koalition ist es ein Meisterstück von
        Bundesjustizminister Heiko Maas, nun zehn bzw . vier
        Wochen Speicherfrist rausverhandelt zu haben . Bundes-
        innenminister, Polizei und Diensten ist das zu wenig, ob-
        wohl Ermittler auch heute schon auf gespeicherte Daten
        der Telekommunikationsbetreiber zugreifen können –
        Funkzellenabfrage .
        Berücksichtigen wir diese Gemengelage, wird deut-
        lich, wie groß der Verhandlungserfolg von Heiko Maas
        ist . Der Verhandlungserfolg ist maximal . Leider ist aber
        das mit der CDU/CSU maximal Mögliche nicht das Op-
        timale für unsere Gesellschaft .
        Exkurs: Aber es wäre ja auch merkwürdig, wenn sich
        Wahlergebnisse nicht in der konkreten Politik, also der
        Gesetzgebung, wiederfinden würden, und bei der letzten
        Bundestagswahl wurden CDU und CSU mehrheitlich
        gewählt . Solche Wahlen entscheiden auch über die ge-
        sellschaftliche Lage auf einer Skala zwischen Polizei-
        staat und freiheitlicher Demokratie . Mehr Thomas de
        Maizière oder mehr Heiko Maas?
        Am 15 . April 2015 hat Heiko Maas Leitlinien vorge-
        legt, die eine eng begrenzte Pflicht für alle Telekommuni-
        kationsanbieter zur Speicherung von wenigen, genau be-
        zeichneten Verkehrsdaten unter Ausnahme von Diensten
        der elektronischen Post – also E-Mail – enthalten .
        Oberste Richtschnur aller Regelungen sind dabei die
        strengen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes und
        des Europäischen Gerichtshofes . Die genannten Leitlini-
        en sind viel restriktiver als das vom Bundesverfassungs-
        gericht aufgehobene, ehemalige Gesetz zur Vorratsda-
        tenspeicherung, viel restriktiver als die aufgehobene
        europäische Richtlinie und auch viel restriktiver, als es
        CDU und CSU wollen .
        Es müssen nur genau bezeichnete Telekommunikati-
        onsdaten gespeichert werden . Dazu zählen Rufnummer,
        Beginn und Ende des Telefonats sowie im Fall von Inter-
        net-Telefondiensten auch die IP-Adressen . Diese Daten
        sollen zehn Wochen gespeichert werden .
        Eine Speicherfrist von vier Wochen gilt für die Be-
        zeichnung der Funkzellen, die durch den anrufenden und
        den angerufenen Anschluss bei Beginn der Verbindung
        genutzt werden . Diese kurze vierwöchige Speicherfrist
        ist vorgesehen, weil verhindert werden soll, dass mittels
        dieser Daten Bewegungs- und Persönlichkeitsprofile er-
        stellt werden können .
        Zusätzlich muss im richterlichen Anordnungsbe-
        schluss einzelfallbezogen begründet werden, warum der
        Abruf von Funkzellendaten erforderlich und angemessen
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 131 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 16 . Oktober 201512826
        (A) (C)
        (B) (D)
        ist . Anders als etwa in Frankreich dürfen Kommunikati-
        onsinhalte und aufgerufene Internetseiten nicht gespei-
        chert werden .
        Um die Grundrechte der Betroffenen auf Datenschutz
        und Schutz ihrer Privatsphäre zu wahren, ist der Da-
        tenabruf nur zur Verfolgung von schwersten Straftaten
        möglich . Daten von Berufsgeheimnisträgern wie Journa-
        listen, Anwälten oder Ärzten unterliegen einem Verwer-
        tungsverbot . Dies gilt auch bei Zufallsfunden .
        Wichtig ist, dass der Zugriff auf die gespeicherten Da-
        ten transparent und restriktiv geregelt ist: Es gibt einen
        strengen Richtervorbehalt, das heißt, nur auf richterli-
        chen Beschluss hin dürfen Ermittlungsbehörden die Da-
        ten abrufen, und es gibt keine Eilkompetenz der Staats-
        anwaltschaft oder der Polizei .
        Darüber hinaus müssen die Betroffenen grundsätzlich
        über jeden Abruf informiert werden . Nach Ablauf der
        Speicherfrist von zehn bzw . vier Wochen müssen die ge-
        speicherten Daten gelöscht werden . Verstöße gegen die
        Löschpflichten oder die Weitergabe von Daten haben
        strenge Sanktionen für die Dienstanbieter zur Folge .
        Um die Sicherheit der gespeicherten Daten zu ge-
        währleisten, werden die Dienstanbieter zudem verpflich-
        tet, die Daten zu schützen . Auch müssen die Server, auf
        denen die Daten gespeichert werden, innerhalb Deutsch-
        lands stehen . Wenn ein Dienstanbieter mit den gespei-
        cherten Daten Handel treibt und diese unbefugt an Dritte
        weitergibt, ist dies zukünftig eine Straftat nach dem neu
        zu schaffenden Tatbestand der Datenhehlerei .
        Die Leitlinien sind also eine gute Grundlage für die
        weitere Debatte und das anstehende parlamentarische
        Verfahren, und am Ende kann ein ausgewogener politi-
        scher Kompromiss stehen . Und: Deutschland hätte damit
        die strikteste Regelung zur Speicherung von Verkehrsda-
        ten in ganz Europa .
        Gleichwohl werden wir einem Gesetz, das anlasslose
        Vorratsdatenspeicherung – auch Mindestdatenspeiche-
        rung oder Mindest- bzw . Höchstspeicherfrist – von Kom-
        munikationsdaten erlaubt, nicht zustimmen .
        Unser Hauptargument findet sich in der Begründung
        der Beschwerdeführer, die gegen die Vorratsdatenspei-
        cherung vor das BVerfG gezogen sind:
        „Die Vorratsdatenspeicherung beeinträchtige die …
        Unbefangenheit der Kommunikation . Der Schutz der
        Menschenwürde verlange ein gewisses Maß an unbe-
        obachteter Kommunikation …“ In den USA sehen viele
        Menschen das Sammeln und Speichern von Daten als
        unproblematisch an, dort ist allein wichtig, was mit den
        Daten geschieht . Demgegenüber gibt es in Deutschland
        die Tendenz, die missbräuchliche Verwendung von Da-
        ten dadurch zu verhindern, dass Daten schon gar nicht
        gesammelt oder gespeichert werden . Insofern bereitet die
        Erlaubnis der Vorratsdatenspeicherung auch einen Kul-
        turwandel vor, dem wir nicht Vorschub leisten möchten .
        Die Ablehnung der Vorratsdatenspeicherung birgt na-
        türlich Risiken . Falls es zu terroristischen Anschlägen
        kommen sollte oder andere Gefahren nicht rechtzeitig
        erkannt würden, könnte stets der Vorwurf gemacht wer-
        den, mit der Vorratsdatenspeicherung hätte diese oder
        jene Gefahr abgewendet werden können . Aber erstens ist
        keinesfalls gesichert, dass Vorratsdatenspeicherung über-
        haupt der Gefahrenabwehr dienen kann, was der grausa-
        me Anschlag im Januar dieses Jahres in Frankreich zeigt .
        Zweitens würde das für unsere Gesellschaft bedeuten,
        dass das Wohlbefinden durch permanente Überwachung
        stärker bedroht wäre als durch terroristische Gefahren .
        Diese Terroristen hätten ihr Ziel erreicht: die Einschrän-
        kung unserer Freiheit durch Angst und permanente Über-
        wachung .
        Leider macht auch die Ablehnung der Vorratsdaten-
        speicherung nicht nur Freude . Wenn wir die Häme in so
        manchem Blog von Leuten lesen, die sich einem sensib-
        len Abwägungsprozess hinsichtlich der Vorratsdatenspei-
        cherung verschließen, erreichen uns ähnliche Bedenken,
        die uns den Überwachungsstaat ablehnen lassen . Noch
        verwunderter sind wir über Aktivisten im Web, die zwar
        Vorratsdatenspeicherung – und sei sie staatlich noch so
        gut reguliert – vehement ablehnen, aber keinen Schmerz
        damit haben, jede Menge persönlicher Daten bzw . Ver-
        haltensprofile in die Hände von privaten aus den USA
        gesteuerten Konzernen zu geben .
        Anlage 4
        Erklärungen nach § 31 GO
        zu der namentlichen Abstimmung über den von
        den Fraktionen der CDU/CSU und SPD einge-
        brachten Entwurf eines Gesetzes zur Einführung
        einer Speicherpflicht und Höchstspeicherfrist für
        Verkehrsdaten (Zusatztagesordnungspunkt 5 a)
        Angelika Glöckner (SPD): Dem Gesetzesentwurf
        der Bundesregierung zur Einführung einer Speicher-
        pflicht und Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten am
        Freitag, 16 .10 .2015 stimme ich, nach Abwägung aller für
        mich relevanten Gesichtspunkte, nicht zu .
        Die Fraktionen von CDU/CSU und SPD haben sich
        im Koalitionsvertrag dazu verpflichtet, die europäische
        Datenschutzrichtlinie über den Abruf und die Nutzung
        von Telekommunikationsverbindungsdaten umzusetzen .
        Diese wurde jedoch durch den EuGH mit dem Urteil vom
        8 . April 2014 wegen Verstoßes gegen die in Artikel 7 und
        8 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union
        verankerten Grundrechte für ungültig erklärt . Damit ist
        die im Koalitionsvertrag festgehaltene Verpflichtung
        einer nationalen Regelung zur Vorratsdatenspeicherung
        für mich obsolet . In dem nun vorliegenden Gesetzesent-
        wurf kann ich im Vergleich zur EU-Richtlinie zur Vor-
        ratsdatenspeicherung zudem keine grundsätzlichen Ver-
        besserungen in Bezug auf die Wahrung grundsätzlicher
        Rechte erkennen . Ohne Zweifel wurde es geschafft, den
        Gesetzesentwurf im Vergleich zur Europäischen Daten-
        schutzrichtlinie zu verbessern – das ist ein Verdienst der
        Sozialdemokratie, allen voran des Justizministers Heiko
        Maas –; dennoch sehe ich dieses Gesetz als grundlegen-
        den Eingriff in die Freiheitsrechte und die informationel-
        le Selbstbestimmung jedes einzelnen Bürgers .
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 131 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 16 . Oktober 2015 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 131 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 16 . Oktober 2015 12827
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        Wie leicht solche Zugriffsrechte missbraucht werden
        können, erlebten wir in den letzten Jahren mehrfach . Zu-
        dem fehlt für mich der Nachweis, dass durch eine Ver-
        schärfung eine tatsächlich effektivere Strafverfolgung –
        geschweige denn Strafvereitelung – erfolgen kann .
        Gerade die Fälle von Utøya, Paris und London zeigen,
        nach meiner Auffassung, dass Gefahren von Einzeltätern
        auch auf diese Weise nicht ausgeschlossen werden kön-
        nen .
        Die technische Umsetzbarkeit und die Nutzbarkeit
        von neuen Technologien stellt für mich kein Argument
        dar, grundlegende Freiheitsrechte einzuschränken und
        damit die Möglichkeit zu schaffen die gesamte Bevöl-
        kerung unter Generalverdacht zu stellen . Grundlegende
        Rechte dürfen meines Erachtens nach nicht aufgrund von
        unbestimmten Ängsten opfern – hier verbietet sich eine
        Abwägung von Freiheit und vermeintlicher Sicherheit .
        Aus diesem Grund lehne ich den Gesetzesentwurf ab .
        Sebastian Hartmann (SPD): An dem Gesetzentwurf
        zur Verkehrsdatenspeicherung ist im Vorfeld der heuti-
        gen Beschlussfassung deutliche Kritik geübt worden .
        Diese Kritik nehme ich ernst . Gleichwohl versichert die
        Bundesregierung, die Kritikpunkte des Europäischen
        Gerichtshofs und des Bundesverfassungsgerichts auf-
        genommen und rechtsförmlich im vorliegenden Gesetz
        so umgesetzt zu haben, dass es auch zukünftigen juristi-
        schen Überprüfungen standhält .
        Ich kann das bezweifeln, aber nicht widerlegen . Dem
        Gesetzentwurf stimme ich als Mitglied der Regierungs-
        koalition deshalb zu .
        Meine Skepsis bezüglich dieses Gesetzgebungsvorha-
        ben habe ich seit Vorlage des ersten Referentenentwurfs
        immer wieder geäußert . Auch vor dem Hintergrund der
        letzten Fassung, über die heute abgestimmt wird, bleibe
        ich skeptisch .
        Eine anlasslose, verdachtsunabhängige, massenhafte
        Speicherung von Verkehrsdaten ist ein Eingriff in das
        Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung . Sie
        begegnet vor dem Hintergrund der Verhältnismäßigkeit
        erheblichen Bedenken . Diesen Bedenken versucht der
        Entwurf zu begegnen, indem er Kommunikationsmedien
        von der Speicherpflicht ausschließt, eine Höchstspeicher-
        frist vorsieht sowie den Zugriff auf die Daten durch die
        Ermittlungsbehörden an einen konkreten Verdacht und
        einen Richtervorbehalt koppelt . Zudem statuiert er eine
        Informationspflicht über die Abrufe. Diese Maßnahmen
        sowie die Aussicht auf eine gerichtliche Überprüfung
        geben für mich letztlich den Ausschlag, dem Votum der
        Fraktionsmehrheit zu folgen und dem Gesetzesentwurf
        trotz erheblicher Bedenken zustimmen zu können .
        Es wird vorgetragen, dass die Verkehrsdatenspeiche-
        rung ein ungeeignetes Instrument sei, um Schaden von
        der Gesellschaft abzuwenden . Sie ist demnach weder
        zur Prävention noch zur Strafverfolgung, weder bei der
        Beweissicherung noch ermittlungstaktisch brauchbar,
        nützlich oder gar unverzichtbar . Für behauptete Ermitt-
        lungserfolge aus Vorratsdatenspeicherungen ist jeder
        stichhaltige Praxisnachweis unterblieben . Um genau die-
        se Frage adäquat und klar nachvollziehbar aufklären zu
        können, haben wir eine umfangreiche Evaluierung des
        Gesetzes durchgesetzt . Ich werde auf diese Bewertung
        und Evaluierung streng achten und dringen, um die auf-
        geworfenen Zweifel auszuräumen .
        Ich erwarte, dass auf dieser gesetzlichen Grundlage
        zwischen den Telekommunikationsunternehmen und den
        Strafverfolgungsbehörden eine Praxis etabliert wird, die
        auf Basis der verfügbaren Daten und erweiterten Befug-
        nisse für den konkreten Ermittlungsfall effektiv vorgeht .
        Die verantwortlichen Stellen müssen die Sicherheit
        von solchen Daten vor Missbrauch und unbefugtem Zu-
        griff im Sinne der Datenschutzanforderungen gewähr-
        leisten, die das Bundesverfassungsgericht in seinem Ur-
        teil vom 2 . März 2010 gestellt hat . Aktuell verfügbare,
        asymmetrische Verschlüsselungsverfahren, wie sie die
        Bundesrichter für den gesamten Datenbestand aus Vor-
        ratsdatenspeicherung explizit forderten, sind für den
        Umgang mit den zu erwartenden Datenmengen sowohl
        bezüglich der Verarbeitungsgeschwindigkeit als auch
        Handhabbarkeit vermutlich untauglich . Dieses Problem
        muss im Vollzug des Gesetzes zwingend gelöst werden .
        Der Bundesnetzagentur fällt die Rolle zu, die tech-
        nischen Richtlinien zur Umsetzung des Gesetzes zu er-
        stellen . Die Aufgabe ist vor dem Hintergrund der Erwar-
        tungen der Strafverfolgungsbehörden, den tatsächlich
        umsetzbaren Maßnahmen und den technischen Rahmen-
        bedingungen bei den Providern eine hohe Hürde, auch in
        dem großzügig gesteckten Zeitraum eines ganzen Jahres
        nach Inkrafttreten des Gesetzes .
        Den Telekommunikationsunternehmen erwächst aus
        der Datensammlung und -speicherung eine Bürde, die
        sich immerhin beziffern lässt . Ob die Schätzungen mit
        200 oder 600 Millionen Euro näher an der Wahrheit sind,
        kann ich nicht beurteilen . Klar ist, dass Aufwand und
        Nutzen stets im Verhältnis stehen müssen, das heißt, dass
        dieser Aufwand sich wenigstens lohnt .
        Dem Bundesjustizminister ist zu verdanken, dass eine
        Höchstspeicherfrist von zehn beziehungsweise vier Wo-
        chen als absolute Obergrenze festgelegt wird . Dies ist
        gegen die sehr viel weiter reichenden Forderungen der
        Strafverfolgungsbehörden und des Bundesinnenministe-
        riums durchgesetzt worden. Die Pflicht zur Löschung der
        Daten nach diesem kurzen Zeitraum, der Richtervorbe-
        halt für Zugriffe und die Informationspflicht über jeden
        Abruf sind wichtige Verschärfungen der bisherigen Re-
        gelungen, auch im internationalen Vergleich .
        Gabriele Hiller-Ohm (SPD): Ich lehne das Gesetz
        zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchst-
        speicherfrist für Verkehrsdaten ab .
        In der SPD spielen die Grundwerte Freiheit, Gerech-
        tigkeit und Solidarität eine außerordentlich wichtige Rol-
        le . Sie sind Maßstab für die Kultur einer Gesellschaft .
        In der Vergangenheit sind vielen Kolleginnen und
        Kollegen die Abstimmungen über die Vorratsdatenspei-
        cherung schwergefallen . Denn trotz verschiedener recht-
        licher Restriktionen, insbesondere der EU-Richtlinien,
        und dem Druck vieler Bürgerinnen und Bürger, wenigs-
        tens „Waffengleichheit“ zwischen Kriminellen (Terro-
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 131 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 16 . Oktober 201512828
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        risten) und den Strafverfolgungsbehörden herzustellen,
        sind unsere Grundwerte davon unbenommen .
        Die Mitgliedstaaten in Europa wollten mehrheitlich
        Speicherfristen von zwei Jahren . Der ehemaligen Bun-
        desjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) war es dabei
        zumindest gelungen, gegen harten Widerstand eine Spei-
        cherfrist von maximal sechs Monaten in die Richtlinie zu
        verhandeln .
        Inzwischen haben sich diese Randbedingungen glück-
        licherweise deutlich verändert – zum Vorteil der Freiheit .
        Im Koalitionsvertrag steht zwar zur Vorratsdatenspei-
        cherung noch: „Wir werden die EU-Richtlinie über den
        Abruf und die Nutzung von Telekommunikationsver-
        bindungsdaten umsetzen . Dadurch vermeiden wir die
        Verhängung von Zwangsgeldern durch den EuGH . Da-
        bei soll ein Zugriff auf die gespeicherten Daten nur bei
        schweren Straftaten und nach Genehmigung durch einen
        Richter sowie zur Abwehr akuter Gefahren für Leib und
        Leben erfolgen . Die Speicherung der deutschen Tele-
        kommunikationsverbindungsdaten, die abgerufen und
        genutzt werden sollen, haben die Telekommunikations-
        unternehmen auf Servern in Deutschland vorzunehmen .
        Auf EU-Ebene werden wir auf eine Verkürzung der Spei-
        cherfrist auf drei Monate hinwirken .“
        Und zu digitaler Sicherheit und Datenschutz: „Ziel
        der Koalition ist es, die Balance zwischen Freiheit und
        Sicherheit auch in der digitalen Welt zu schaffen und zu
        bewahren .“
        Aber inzwischen hat der Europäische Gerichtshof
        (EuGH) am 8 . April 2014 die bestehende EU-Richtlinie
        zur Vorratsdatenspeicherung für rechtswidrig erklärt . Sie
        ist mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Uni-
        on nicht vereinbar . Die Speicherung von Kommunikati-
        onsdaten ohne Verdacht auf Straftaten ist danach nicht
        zulässig .
        Die Richter begründen ihre Entscheidung damit, dass
        die Regelung „einen Eingriff von großem Ausmaß und
        besonderer Schwere in die Grundrechte auf Achtung
        des Privatlebens und auf den Schutz personenbezogener
        Daten, der sich nicht auf das absolut Notwendige be-
        schränkt“, enthalte .
        Damit ist dem Koalitionsvertrag von CDU/CSU und
        SPD hinsichtlich der Vorratsdatenspeicherung die Ge-
        schäftsgrundlage genommen und Deutschland nicht
        mehr zu einer Umsetzung der EU-Richtlinie verpflichtet.
        Bisher war dies ein großes Handicap, denn die Ableh-
        nung der Vorratsdatenspeicherung war eine Verletzung
        einer EU-Richtlinie, außerdem drohte die Zahlung von
        Zwangsgeldern . Das hat im Bundestag zu schwierigsten
        Abwägungen und teilweise in sich widersprüchlichen
        Positionen geführt, führen müssen, denn entweder ver-
        stieß man gegen eine EU-Richtlinie oder gegen seine
        Überzeugung, dass Vorratsdatenspeicherung weder mit
        EU-Recht noch mit der Verfassung vereinbar ist . Deshalb
        bin ich sehr froh über die Entscheidung des Europäischen
        Gerichtshofs zur Vorratsdatenspeicherung, ein Urteil, das
        sich in die Grundbewertung des Bundesverfassungsge-
        richts und dessen Urteil sehr gut einfügt .
        Während die Richtlinie zur Vorratsspeicherung von
        Daten Telekommunikationsbetreibern und Internetanbie-
        tern zwingend vorschrieb, Verbindungs- und Standortda-
        ten für die Strafverfolgung zu speichern, und Deutsch-
        land die Richtlinie mit Wirkung ab 2008 umsetzte, hob
        das Bundesverfassungsgericht die deutschen Regelungen
        zur Vorratsdatenspeicherung schon im Jahr 2010 auf,
        weil sie unverhältnismäßig tief in die Grundrechte ein-
        griffen .
        Das Bundesverfassungsgericht führt aus:
        „[Es] handelt … sich bei einer solchen Speicherung
        um einen besonders schweren Eingriff mit einer Streu-
        breite, wie sie die Rechtsordnung bisher nicht kennt:
        Erfasst werden über den gesamten Zeitraum von sechs
        Monaten praktisch sämtliche Telekommunikationsver-
        kehrsdaten aller Bürger ohne Anknüpfung an ein zure-
        chenbar vorwerfbares Verhalten, eine – auch nur abstrak-
        te – Gefährlichkeit oder sonst eine qualifizierte Situation.
        Die Speicherung bezieht sich dabei auf Alltagshandeln,
        das im täglichen Miteinander elementar und für die Teil-
        nahme am sozialen Leben in der modernen Welt nicht
        mehr verzichtbar ist .“
        „[Es] lassen sich schon aus den Daten selbst – und erst
        recht, wenn diese als Anknüpfungspunkte für weitere
        Ermittlungen dienen – tiefe Einblicke in das soziale
        Umfeld und die individuellen Aktivitäten eines jeden
        Bürgers gewinnen . … aus diesen Daten lassen sich …
        bei umfassender und automatisierter Auswertung bis in
        die Intimsphäre hineinreichende inhaltliche Rückschlüs-
        se ziehen . [Sie lassen] in ihrer Kombination detaillierte
        Aussagen zu gesellschaftlichen oder politischen Zuge-
        hörigkeiten sowie persönlichen Vorlieben, Neigungen
        und Schwächen derjenigen [zu], deren Verbindungsdaten
        ausgewertet werden .“
        „… die anlasslose Speicherung von Telekommuni-
        kationsverkehrsdaten [ist] geeignet, ein diffus bedroh-
        liches Gefühl des Beobachtetseins hervorzurufen, das
        eine unbefangene Wahrnehmung der Grundrechte in
        vielen Bereichen beeinträchtigen kann .“ (BVerfG, Urt . v .
        2 . März 2010–1 BvR 256/08, Rn . 210, 211, 212)
        Im politischen Raum fällt es offensichtlich schwer,
        die Urteile und deren Begründungen mit der gebotenen
        Vorsicht zu lesen . So sieht Bundesinnenminister Thomas
        de Maizière (CDU) in Mindestspeicherfristen alias Vor-
        ratsdatenspeicherung noch immer ein wichtiges Mittel
        für die Aufklärung schwerer Straftaten: „Auch wenn die
        Richtlinie selbst nun aufgehoben wurde, hat die Entschei-
        dung aber Gewissheit gebracht, dass das Instrument der
        Vorratsdatenspeicherung sowohl verfassungsrechtlich
        als auch europarechtlich zulässig ist .“ Und weiter: „Da
        wir dieses Instrument dringend zur Aufklärung schwerer
        Straftaten sowie zur Abwehr akuter Gefahren für Leib
        und Leben benötigen, dränge ich rasch auf eine kluge,
        verfassungsgemäße und mehrheitsfähige Neuregelung .“
        Das sehe ich anders .
        Mit Blick auf die Arbeitsergebnisse im Zusammen-
        hang mit den NSU-Morden, aber auch mit Blick auf
        die Arbeit des BND, der allem Anschein nach fremden
        Geheimdiensten geholfen hat, Bürgerinnen und Bürger
        sowie deutsche und europäische Unternehmen – wer
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 131 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 16 . Oktober 2015 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 131 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 16 . Oktober 2015 12829
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        (B) (D)
        wollte wissen, wen außerdem noch – auszuspionieren,
        scheint der Bundesinnenminister hier eine gewagte Idee
        zu verfolgen . Außerdem hat das Bundesverfassungsge-
        richt ja gerade auch zu diesem Sachverhalt erklärt, war-
        um „Die bloße Möglichkeit, dass Daten zu Zwecken der
        Strafverfolgung oder der Gefahrenabwehr benötigt wer-
        den könnten …“, den Eingriff nicht rechtfertigt .
        Neben de Maizière wird der fachliche Bedarf der Vor-
        ratsdatenspeicherung auch von der Innenministerkonfe-
        renz der Länder und sogar vom Deutschen Richterbund
        als „unerlässliches Instrument gegen die Verbrechens-
        bekämpfung“ gefordert . Das wurde bisher nicht bewie-
        sen, ist aber verständlich, denn es ist viel leichter, sich
        ein neues Werkzeug zu kaufen, als die vorhandenen zu
        schärfen .
        In der Großen Koalition ist es Bundesjustizminister
        Heiko Maas gelungen, geringere Speicherfristen von
        zehn bzw . vier Wochen in das Gesetz zu verhandeln .
        Bundesinnenminister, Polizei und Diensten ist das zu we-
        nig, obwohl Ermittler auch heute schon auf gespeicherte
        Daten der Telekommunikationsbetreiber zugreifen kön-
        nen – Funkzellenabfrage .
        Berücksichtigen wir diese Gemengelage, wird deut-
        lich, wie groß der Verhandlungserfolg von Heiko Maas
        ist . Der Verhandlungserfolg ist maximal . Leider ist aber
        das mit der CDU/CSU maximal Mögliche nicht das Op-
        timale für unsere Gesellschaft .
        Exkurs: Aber es wäre ja auch merkwürdig, wenn sich
        Wahlergebnisse nicht in der konkreten Politik, also der
        Gesetzgebung, wiederfinden würden, und bei der letzten
        Bundestagswahl wurden CDU und CSU mehrheitlich
        gewählt . Solche Wahlen entscheiden auch über die ge-
        sellschaftliche Lage auf einer Skala zwischen Polizei-
        staat und freiheitlicher Demokratie . Mehr Thomas de
        Maizière oder mehr Heiko Maas?
        Am 15 . April 2015 hat Heiko Maas Leitlinien vorge-
        legt, die eine eng begrenzte Pflicht für alle Telekommuni-
        kationsanbieter zur Speicherung von wenigen, genau be-
        zeichneten Verkehrsdaten unter Ausnahme von Diensten
        der elektronischen Post – also E-Mail – enthalten .
        Oberste Richtschnur aller Regelungen sind dabei die
        strengen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes und
        des Europäischen Gerichtshofes . Die genannten Leitlini-
        en sind viel restriktiver als das vom Bundesverfassungs-
        gericht aufgehobene, ehemalige Gesetz zur Vorratsda-
        tenspeicherung, viel restriktiver als die aufgehobene
        europäische Richtlinie und auch viel restriktiver, als es
        CDU und CSU wollen .
        Es müssen nur genau bezeichnete Telekommunikati-
        onsdaten gespeichert werden . Dazu zählen Rufnummer,
        Beginn und Ende des Telefonats sowie im Fall von Inter-
        net-Telefondiensten auch die IP-Adressen . Diese Daten
        sollen zehn Wochen gespeichert werden .
        Eine Speicherfrist von vier Wochen gilt für die Be-
        zeichnung der Funkzellen, die durch den anrufenden und
        den angerufenen Anschluss bei Beginn der Verbindung
        genutzt werden . Diese kurze vierwöchige Speicherfrist
        ist vorgesehen, weil verhindert werden soll, dass mittels
        dieser Daten Bewegungs- und Persönlichkeitsprofile er-
        stellt werden können .
        Zusätzlich muss im richterlichen Anordnungsbe-
        schluss einzelfallbezogen begründet werden, warum der
        Abruf von Funkzellendaten erforderlich und angemessen
        ist . Anders als etwa in Frankreich dürfen Kommunikati-
        onsinhalte und aufgerufene Internetseiten nicht gespei-
        chert werden .
        Um die Grundrechte der Betroffenen auf Datenschutz
        und Schutz ihrer Privatsphäre zu wahren, ist der Da-
        tenabruf nur zur Verfolgung von schwersten Straftaten
        möglich . Daten von Berufsgeheimnisträgern wie Journa-
        listen, Anwälten oder Ärzten unterliegen einem Verwer-
        tungsverbot . Dies gilt auch bei Zufallsfunden .
        Wichtig ist, dass der Zugriff auf die gespeicherten Da-
        ten transparent und restriktiv geregelt ist: Es gibt einen
        strengen Richtervorbehalt, das heißt, nur auf richterli-
        chen Beschluss hin dürfen Ermittlungsbehörden die Da-
        ten abrufen, und es gibt keine Eilkompetenz der Staats-
        anwaltschaft oder der Polizei .
        Darüber hinaus müssen die Betroffenen grundsätzlich
        über jeden Abruf informiert werden . Nach Ablauf der
        Speicherfrist von zehn bzw . vier Wochen müssen die ge-
        speicherten Daten gelöscht werden . Verstöße gegen die
        Löschpflichten oder die Weitergabe von Daten haben
        strenge Sanktionen für die Dienstanbieter zur Folge .
        Um die Sicherheit der gespeicherten Daten zu ge-
        währleisten, werden die Dienstanbieter zudem verpflich-
        tet, die Daten zu schützen . Auch müssen die Server, auf
        denen die Daten gespeichert werden, innerhalb Deutsch-
        lands stehen . Wenn ein Dienstanbieter mit den gespei-
        cherten Daten Handel treibt und diese unbefugt an Dritte
        weitergibt, ist dies zukünftig eine Straftat nach dem neu
        zu schaffenden Tatbestand der Datenhehlerei .
        Die Leitlinien sind also eine gute Grundlage für die
        weitere Debatte und das anstehende parlamentarische
        Verfahren, und am Ende kann ein ausgewogener politi-
        scher Kompromiss stehen . Und: Deutschland hätte damit
        die strikteste Regelung zur Speicherung von Verkehrsda-
        ten in ganz Europa .
        Gleichwohl werde ich einem Gesetz, das anlasslose
        Vorratsdatenspeicherung – auch Mindestdatenspeiche-
        rung oder Mindest- bzw . Höchstspeicherfrist – von Kom-
        munikationsdaten erlaubt, nicht zustimmen .
        Mein Hauptargument findet sich in der Begründung
        der Beschwerdeführer, die gegen die Vorratsdatenspei-
        cherung vor das Bundesverfassungsgericht gezogen sind:
        „Die Vorratsdatenspeicherung beeinträchtige die …
        Unbefangenheit der Kommunikation . Der Schutz der
        Menschenwürde verlange ein gewisses Maß an unbeob-
        achteter Kommunikation …“ . In den USA sehen viele
        Menschen das Sammeln und Speichern von Daten als
        unproblematisch an, dort ist allein wichtig, was mit den
        Daten geschieht . Demgegenüber gibt es in Deutschland
        die Tendenz, die missbräuchliche Verwendung von Da-
        ten dadurch zu verhindern, dass Daten schon gar nicht
        gesammelt oder gespeichert werden . Insofern bereitet die
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 131 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 16 . Oktober 201512830
        (A) (C)
        (B) (D)
        Erlaubnis der Vorratsdatenspeicherung auch einen Kul-
        turwandel vor, dem ich nicht Vorschub leisten möchte .
        Die Ablehnung der Vorratsdatenspeicherung birgt na-
        türlich Risiken . Falls es zu terroristischen Anschlägen
        kommen sollte oder andere Gefahren nicht rechtzeitig
        erkannt würden, könnte stets der Vorwurf gemacht wer-
        den, mit der Vorratsdatenspeicherung hätte diese oder
        jene Gefahr abgewendet werden können . Aber erstens ist
        keinesfalls gesichert, dass Vorratsdatenspeicherung über-
        haupt der Gefahrenabwehr dienen kann, was der grausa-
        me Anschlag im Januar dieses Jahres in Frankreich zeigt .
        Zweitens würde das für unsere Gesellschaft bedeuten,
        dass das Wohlbefinden durch permanente Überwachung
        stärker bedroht wäre als durch terroristische Gefahren .
        Diese Terroristen hätten ihr Ziel erreicht: Die Einschrän-
        kung unserer Freiheit durch Angst und permanente Über-
        wachung .
        Hilde Mattheis (SPD): Im Koalitionsvertrag haben
        sich CDU/CSU und SPD darauf verständig, die Vorrats-
        datenspeicherung in Deutschland nach Vorgabe durch
        europäisches Recht umzusetzen . Aber inzwischen hat der
        Europäische Gerichtshof (EuGH) am 8 . April 2014 die
        bestehende EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung
        für rechtswidrig erklärt . Sie ist mit der Charta der Grund-
        rechte der Europäischen Union nicht vereinbar . Die Spei-
        cherung von Kommunikationsdaten ohne Verdacht auf
        Straftaten ist danach nicht zulässig . Die Richter begrün-
        den ihre Entscheidung damit, dass die Regelung „einen
        Eingriff von großem Ausmaß und besonderer Schwere in
        die Grundrechte auf Achtung des Privatlebens und auf
        den Schutz personenbezogener Daten, der sich nicht auf
        das absolut Notwendige beschränkt“, enthalte .
        Damit ist dem Koalitionsvertrag von CDU/CSU und
        SPD hinsichtlich der Vorratsdatenspeicherung die Ge-
        schäftsgrundlage genommen und Deutschland nicht
        mehr zu einer Umsetzung der EU-Richtlinie verpflichtet.
        Es besteht also keine rechtliche Notwendigkeit aufseiten
        der EU, dieses Instrument einzuführen . Im Gegenteil:
        Auch das höchste europäische Gericht hat festgestellt,
        dass die VDS nicht mit den Grundrechten vereinbar ist .
        Ähnliches hat bereits das Bundesverfassungsgericht
        2010 zur damaligen nationalen Regelung zur Vorratsda-
        tenspeicherung geurteilt . Das Gericht hob die deutschen
        Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung auf, weil sie
        unverhältnismäßig tief in die Grundrechte eingriffen .
        Trotz dieses Urteils hält Bundesinnenminister
        de Maizière an der Vorratsdatenspeicherung fest . Er
        meint, dass dieses Instrument „zur Aufklärung schwerer
        Straftaten sowie zur Abwehr akuter Gefahren für Leib
        und Leben“ benötigt wird .
        Diese These konnte fachlich nie bestätigt werden . In-
        folge des Verfassungsgerichtsentscheides 2010 kamen
        sowohl der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages
        als auch andere namhafte Einrichtungen zu dem Schluss,
        dass das Instrument nicht dazu beiträgt, die Aufklärungs-
        quote von Straftaten signifikant zu erhöhen. Es ist somit
        unverständlich, warum nun wieder ein Instrument einge-
        führt soll, um erneut wissenschaftlich festzustellen, dass
        es überflüssig ist.
        Die von der SPD herausgehandelten Verbesserun-
        gen – wie die Reduzierung der Speicherfrist – sind nur
        ein schwacher Trost und ändern nichts am grundsätzli-
        chen Problem: Die Vorratsdatenspeicherung verkehrt
        die Unschuldsvermutung ins Gegenteil: Alle Bürgerin-
        nen und Bürger werden ohne Anlass überwacht, da ihre
        Kommunikationsdaten gespeichert und, bei Bedarf, ab-
        gerufen werden . Dieses Prinzip birgt das massive Risiko
        eines Missbrauchs der in großem Umfang gespeicherten
        Daten .
        Es ist daher nicht nachzuvollziehen, warum wir die
        Vorratsdatenspeicherung brauchen . Sie kann nicht gesi-
        chert helfen, schweren Straftaten vorzubeugen oder bei
        deren Aufklärung zu helfen . Das belegt der grausame
        Anschlag in Frankreich im Januar 2015 . Die Vorratsda-
        tenspeicherung bringt kaum mehr Sicherheit, aber defi-
        nitiv weniger Freiheit für den Einzelnen, der in seiner
        Menschenwürde eingeschränkt wird . Zu dieser gehört
        nämlich auch ein gewisses Maß an unbeobachteter Kom-
        munikation, wie das Bundesverfassungsgericht festge-
        stellt hat .
        Aus diesem Grund lehne ich die Vorratsdatenspeiche-
        rung und damit auch den vorliegenden Gesetzesentwurf
        ab .
        Bettina Müller (SPD): In der SPD spielen die Grund-
        werte Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität eine außer-
        ordentlich wichtige Rolle . Sie sind Maßstab für die Kul-
        tur einer Gesellschaft .
        In der Vergangenheit sind vielen Kolleginnen und
        Kollegen die Abstimmungen über die VDS schwergefal-
        len . Denn trotz verschiedener rechtlicher Restriktionen,
        insbesondere der EU-Richtlinien, und dem Druck vieler
        Bürgerinnen und Bürger, wenigstens „Waffengleichheit“
        zwischen Kriminellen (Terroristen) und den Strafverfol-
        gungsbehörden herzustellen, sind unsere Grundwerte da-
        von unbenommen .
        Die Mitgliedstaaten in Europa wollten mehrheitlich
        Speicherfristen von zwei Jahren . Die ehemalige Bun-
        desjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) hatte – ge-
        gen harten Widerstand – eine Speicherfrist von maximal
        sechs Monaten in die Richtlinie verhandelt . Das war un-
        ser Stolz – aber ärgerlich gleichwohl . Ein prima Verhand-
        lungsergebnis – aber unbefriedigend .
        Inzwischen haben sich diese Randbedingungen glück-
        licherweise deutlich verändert – zum Vorteil der Freiheit .
        Im Koalitionsvertrag steht zwar zur Vorratsdatenspei-
        cherung noch: „Wir werden die EU-Richtlinie über den
        Abruf und die Nutzung von Telekommunikationsver-
        bindungsdaten umsetzen . Dadurch vermeiden wir die
        Verhängung von Zwangsgeldern durch den EuGH . Da-
        bei soll ein Zugriff auf die gespeicherten Daten nur bei
        schweren Straftaten und nach Genehmigung durch einen
        Richter sowie zur Abwehr akuter Gefahren für Leib und
        Leben erfolgen . Die Speicherung der deutschen Tele-
        kommunikationsverbindungsdaten, die abgerufen und
        genutzt werden sollen, haben die Telekommunikations-
        unternehmen auf Servern in Deutschland vorzunehmen .
        Auf EU-Ebene werden wir auf eine Verkürzung der Spei-
        cherfrist auf drei Monate hinwirken .“
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 131 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 16 . Oktober 2015 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 131 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 16 . Oktober 2015 12831
        (A) (C)
        (B) (D)
        Und zu digitaler Sicherheit und Datenschutz: „Ziel
        der Koalition ist es, die Balance zwischen Freiheit und
        Sicherheit auch in der digitalen Welt zu schaffen und zu
        bewahren .“
        Aber inzwischen hat der Europäische Gerichtshof
        (EuGH) am 8 . April 2014 die bestehende EU-Richtlinie
        zur Vorratsdatenspeicherung für rechtswidrig erklärt . Sie
        ist mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Uni-
        on nicht vereinbar . Die Speicherung von Kommunikati-
        onsdaten ohne Verdacht auf Straftaten ist danach nicht
        zulässig .
        Die Richter begründen ihre Entscheidung damit, dass
        die Regelung „einen Eingriff von großem Ausmaß und
        besonderer Schwere in die Grundrechte auf Achtung
        des Privatlebens und auf den Schutz personenbezogener
        Daten, der sich nicht auf das absolut Notwendige be-
        schränkt“, enthalte .
        Damit ist dem Koalitionsvertrag von CDU/CSU und
        SPD hinsichtlich der Vorratsdatenspeicherung die Ge-
        schäftsgrundlage genommen und Deutschland nicht
        mehr zu einer Umsetzung der EU-Richtlinie verpflichtet.
        Bisher war dies ein großes Handicap, denn die Ableh-
        nung der Vorratsdatenspeicherung war eine Verletzung
        einer EU-Richtlinie, außerdem drohte die Zahlung von
        Zwangsgeldern . Das hat im Bundestag zu schwierigsten
        Abwägungen und teilweise in sich widersprüchlichen
        Positionen geführt, führen müssen, denn entweder ver-
        stieß man gegen eine EU-Richtlinie oder gegen seine
        Überzeugung, dass Vorratsdatenspeicherung weder mit
        EU-Recht noch mit der Verfassung vereinbar ist . Deshalb
        bin ich sehr froh über die Entscheidung des Europäischen
        Gerichtshofs zur Vorratsdatenspeicherung, ein Urteil, das
        sich in die Grundbewertung des Bundesverfassungsge-
        richts und dessen Urteil sehr gut einfügt .
        Während die Richtlinie zur Vorratsspeicherung von
        Daten Telekommunikationsbetreibern und Internetanbie-
        tern zwingend vorschrieb, Verbindungs- und Standortda-
        ten für die Strafverfolgung zu speichern und Deutschland
        die Richtlinie mit Wirkung ab 2008 umsetzte, hob das
        Bundesverfassungsgericht die deutschen Regelungen zur
        Vorratsdatenspeicherung schon im Jahr 2010 auf, weil
        sie unverhältnismäßig tief in die Grundrechte eingriffen .
        Das Bundesverfassungsgericht führt aus:
        „[Es] handelt … sich bei einer solchen Speicherung
        um einen besonders schweren Eingriff mit einer Streu-
        breite, wie sie die Rechtsordnung bisher nicht kennt:
        Erfasst werden über den gesamten Zeitraum von sechs
        Monaten praktisch sämtliche Telekommunikationsver-
        kehrsdaten aller Bürger ohne Anknüpfung an ein zure-
        chenbar vorwerfbares Verhalten, eine – auch nur abstrak-
        te – Gefährlichkeit oder sonst eine qualifizierte Situation.
        Die Speicherung bezieht sich dabei auf Alltagshandeln,
        das im täglichen Miteinander elementar und für die Teil-
        nahme am sozialen Leben in der modernen Welt nicht
        mehr verzichtbar ist .“
        „[Es] lassen sich schon aus den Daten selbst – und
        erst recht, wenn diese als Anknüpfungspunkte für wei-
        tere Ermittlungen dienen – tiefe Einblicke in das sozia-
        le Umfeld und die individuellen Aktivitäten eines jeden
        Bürgers gewinnen . … aus diesen Daten lassen sich …
        bei umfassender und automatisierter Auswertung bis in
        die Intimsphäre hineinreichende inhaltliche Rückschlüs-
        se ziehen . [Sie lassen] in ihrer Kombination detaillierte
        Aussagen zu gesellschaftlichen oder politischen Zuge-
        hörigkeiten sowie persönlichen Vorlieben, Neigungen
        und Schwächen derjenigen [zu], deren Verbindungsdaten
        ausgewertet werden .“
        „… die anlasslose Speicherung von Telekommuni-
        kationsverkehrsdaten [ist] geeignet, ein diffus bedroh-
        liches Gefühl des Beobachtetseins hervorzurufen, das
        eine unbefangene Wahrnehmung der Grundrechte in
        vielen Bereichen beeinträchtigen kann .“ (BVerfG, Urt . v .
        2 . März 2010–1 BvR 256/08, Rn . 210, 211, 212)
        So weit das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) .
        Im politischen Raum fällt es offensichtlich schwer,
        die Urteile und deren Begründungen mit der gebotenen
        Vorsicht zu lesen . So sieht Bundesinnenminister Thomas
        de Maizière (CDU) in Mindestspeicherfristen alias Vor-
        ratsdatenspeicherung noch immer ein wichtiges Mittel
        für die Aufklärung schwerer Straftaten: „Auch wenn die
        Richtlinie selbst nun aufgehoben wurde, hat die Entschei-
        dung aber Gewissheit gebracht, dass das Instrument der
        Vorratsdatenspeicherung sowohl verfassungsrechtlich
        als auch europarechtlich zulässig ist .“ Und weiter: „Da
        wir dieses Instrument dringend zur Aufklärung schwerer
        Straftaten sowie zur Abwehr akuter Gefahren für Leib
        und Leben benötigen, dränge ich rasch auf eine kluge,
        verfassungsgemäße und mehrheitsfähige Neuregelung .“
        Das sehe ich anders .
        Mit Blick auf die Arbeitsergebnisse im Zusammen-
        hang mit den NSU-Morden, aber auch mit Blick auf die
        Arbeit des BND, der allem Anschein nach fremden Ge-
        heimdiensten geholfen hat, Bürgerinnen und Bürger so-
        wie deutsche und europäische Unternehmen – wer wollte
        wissen, wen außerdem noch – auszuspionieren, scheint
        der Bundesinnenminister hier eine gewagte Idee zu ver-
        folgen . Außerdem hat das Bundesverfassungsgericht ja
        gerade auch zu diesem Sachverhalt erklärt, warum „Die
        bloße Möglichkeit, dass Daten zu Zwecken der Strafver-
        folgung oder der Gefahrenabwehr benötigt werden könn-
        ten“, den Eingriff nicht rechtfertigt .
        Neben de Maizière wird der fachliche Bedarf der Vor-
        ratsdatenspeicherung auch von der Innenministerkonfe-
        renz der Länder und sogar vom Deutschen Richterbund
        als „unerlässliches Instrument gegen die Verbrechens-
        bekämpfung“ gefordert . Das wurde bisher nicht bewie-
        sen, ist aber verständlich, denn es ist viel leichter, sich
        ein neues Werkzeug zu kaufen, als die vorhandenen zu
        schärfen .
        In der Großen Koalition ist es ein Meisterstück von
        Bundesjustizminister Heiko Maas, nun zehn bzw . vier
        Wochen Speicherfrist rausverhandelt zu haben . Bundes-
        innenminister, Polizei und Diensten ist das zu wenig, ob-
        wohl Ermittler auch heute schon auf gespeicherte Daten
        der Telekommunikationsbetreiber zugreifen können –
        Funkzellenabfrage .
        Berücksichtigen wir diese Gemengelage, wird deut-
        lich, wie groß der Verhandlungserfolg von Heiko Maas
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 131 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 16 . Oktober 201512832
        (A) (C)
        (B) (D)
        ist . Der Verhandlungserfolg ist maximal . Leider ist aber
        das mit der CDU/CSU maximal Mögliche nicht das Op-
        timale für unsere Gesellschaft .
        Ich werde daher einem Gesetz, das anlasslose Vorrats-
        datenspeicherung – auch Mindestdatenspeicherung oder
        Mindest- bzw . Höchstspeicherfrist – von Kommunikati-
        onsdaten erlaubt, nicht zustimmen .
        Mein Hauptargument findet sich in der Begründung
        der Beschwerdeführer, die gegen die Vorratsdatenspei-
        cherung vor das BVerfG gezogen sind:
        „Die Vorratsdatenspeicherung beeinträchtige die …
        Unbefangenheit der Kommunikation . Der Schutz der
        Menschenwürde verlange ein gewisses Maß an unbeob-
        achteter Kommunikation …“ . In den USA sehen viele
        Menschen das Sammeln und Speichern von Daten als
        unproblematisch an, dort ist allein wichtig, was mit den
        Daten geschieht . Demgegenüber gibt es in Deutschland
        die Tendenz, die missbräuchliche Verwendung von Da-
        ten dadurch zu verhindern, dass Daten schon gar nicht
        gesammelt oder gespeichert werden . Insofern bereitet die
        Erlaubnis der Vorratsdatenspeicherung auch einen Kul-
        turwandel vor, dem ich nicht Vorschub leisten möchte .
        Die Ablehnung der Vorratsdatenspeicherung birgt na-
        türlich Risiken . Falls es zu terroristischen Anschlägen
        kommen sollte oder andere Gefahren nicht rechtzeitig
        erkannt würden, könnte stets der Vorwurf gemacht wer-
        den, mit der Vorratsdatenspeicherung hätte diese oder
        jene Gefahr abgewendet werden können . Aber erstens ist
        keinesfalls gesichert, dass Vorratsdatenspeicherung über-
        haupt der Gefahrenabwehr dienen kann, was der grausa-
        me Anschlag im Januar dieses Jahres in Frankreich zeigt .
        Zweitens würde das für unsere Gesellschaft bedeuten,
        dass das Wohlbefinden durch permanente Überwachung
        stärker bedroht wäre als durch terroristische Gefahren .
        Diese Terroristen hätten ihr Ziel erreicht: Die Einschrän-
        kung unserer Freiheit durch Angst und permanente Über-
        wachung .
        Markus Paschke (SPD): In der SPD spielen die
        Grundwerte Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität eine
        außerordentlich wichtige Rolle . Sie sind Maßstab für die
        Kultur einer Gesellschaft .
        Im Koalitionsvertrag steht zur Vorratsdatenspeiche-
        rung: „Wir werden die EU-Richtlinie über den Abruf und
        die Nutzung von Telekommunikationsverbindungsdaten
        umsetzen . Dadurch vermeiden wir die Verhängung von
        Zwangsgeldern durch den EuGH . Dabei soll ein Zugriff
        auf die gespeicherten Daten nur bei schweren Straftaten
        und nach Genehmigung durch einen Richter sowie zur
        Abwehr akuter Gefahren für Leib und Leben erfolgen .
        Die Speicherung der deutschen Telekommunikationsver-
        bindungsdaten, die abgerufen und genutzt werden sollen,
        haben die Telekommunikationsunternehmen auf Servern
        in Deutschland vorzunehmen . Auf EU-Ebene werden wir
        auf eine Verkürzung der Speicherfrist auf drei Monate
        hinwirken .“
        Und zu digitaler Sicherheit und Datenschutz: „Ziel
        der Koalition ist es, die Balance zwischen Freiheit und
        Sicherheit auch in der digitalen Welt zu schaffen und zu
        bewahren .“
        Aber inzwischen hat der Europäische Gerichtshof
        (EuGH) am 8 . April 2014 die bestehende EU-Richtlinie
        zur Vorratsdatenspeicherung für rechtswidrig erklärt . Sie
        ist mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Uni-
        on nicht vereinbar . Die Speicherung von Kommunikati-
        onsdaten ohne Verdacht auf Straftaten ist danach nicht
        zulässig .
        Die Richter begründen ihre Entscheidung damit, dass
        die Regelung „einen Eingriff von großem Ausmaß und
        besonderer Schwere in die Grundrechte auf Achtung
        des Privatlebens und auf den Schutz personenbezogener
        Daten . der sich nicht auf das absolut Notwendige be-
        schränkt“, enthalte .
        Während die Europäische Richtlinie zur Vorratsspei-
        cherung von Daten Telekommunikationsbetreibern und
        Internetanbietern zwingend vorschrieb . Verbindungs-
        und Standortdaten für die Strafverfolgung zu speichern,
        und Deutschland die Richtlinie mit Wirkung ab 2008
        umsetzte, hob das Bundesverfassungsgericht die deut-
        schen Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung schon
        im Jahr 2010 auf, weil sie unverhältnismäßig tief in die
        Grundrechte eingriffen .
        Das Bundesverfassungsgericht führt aus:
        „[Es] handelt . . . sich bei einer solchen Speicherung
        um einen besonders schweren Eingriff mit einer Streu-
        breite, wie sie die Rechtsordnung bisher nicht kennt:
        Erfasst werden über den gesamten Zeitraum von sechs
        Monaten praktisch sämtliche Telekommunikationsver-
        kehrsdaten aller Bürger ohne Anknüpfung an ein zure-
        chenbar vorwerfbares Verhalten, eine – auch nur abstrak-
        te – Gefährlichkeit oder sonst eine qualifizierte Situation.
        Die Speicherung bezieht sich dabei auf Alltagshandeln,
        das im täglichen Miteinander elementar und für die Teil-
        nahme am sozialen Leben in der modernen Welt nicht
        mehr verzichtbar ist .“
        „[Es] lassen sich schon aus den Daten selbst – und
        erst recht, wenn diese als Anknüpfungspunkte für wei-
        tere Ermittlungen dienen – tiefe Einblicke in das sozia-
        le Umfeld und die individuellen Aktivitäten eines jeden
        Bürgers gewinnen . . . . aus diesen Daten lassen sich . . . bei
        umfassender und automatisierter Auswertung bis in die
        Intimsphäre hineinreichende inhaltliche Rückschlüs-
        se ziehen . [Sie lassen] in ihrer Kombination detaillierte
        Aussagen zu gesellschaftlichen oder politischen Zuge-
        hörigkeiten sowie persönlichen Vorlieben, Neigungen
        und Schwächen derjenigen [zu], deren Verbindungsdaten
        ausgewertet werden .“
        „ . . . die anlasslose Speicherung von Telekommuni-
        kationsverkehrsdaten [ist] geeignet, ein diffus bedroh-
        liches Gefühl des Beobachtetseins hervorzurufen, das
        eine unbefangene Wahrnehmung der Grundrechte in
        vielen Bereichen beeinträchtigen kann .“ (BVerfG, Urt . v .
        2 . März 2010–1 BvR 256/08, Rn . 210, 211, 212)
        So weit das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) .
        In der Großen Koalition ist es ein Meisterstück von
        Bundesjustizminister Heiko Maas, nun zehn bzw .
        vier Wochen Speicherfrist rausverhandelt zu haben . Bun-
        desinnenminister, Polizei und Diensten ist das zu wenig,
        obwohl Ermittler auch heute schon auf gespeicherte Da-
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 131 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 16 . Oktober 2015 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 131 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 16 . Oktober 2015 12833
        (A) (C)
        (B) (D)
        ten der Telekommunikationsbetreiber, u . a . Funkzellen-
        abfragen, zugreifen können .
        Berücksichtigen wir diese Gemengelage, wird deut-
        lich, wie groß der Verhandlungserfolg von Heiko Maas
        ist . Der Verhandlungserfolg ist maximal .
        Am 15 . April 2015 hat Heiko Maas Leitlinien vorge-
        legt, die eine eng begrenzte Pflicht für alle Telekommuni-
        kationsanbieter zur Speicherung von wenigen, genau be-
        zeichneten Verkehrsdaten unter Ausnahme von Diensten
        der elektronischen Post – also E-Mail – enthalten .
        Oberste Richtschnur aller Regelungen sind dabei die
        strengen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes und
        des Europäischen Gerichtshofes . Die genannten Leitlini-
        en sind viel restriktiver als das vom Bundesverfassungs-
        gericht aufgehobene, ehemalige Gesetz zur Vorratsda-
        tenspeicherung, viel restriktiver als die aufgehobene
        europäische Richtlinie und auch viel restriktiver, als es
        CDU und CSU wollen .
        Es müssen nur genau bezeichnete Telekommunikati-
        onsdaten gespeichert werden . Dazu zählen Rufnummer,
        Beginn und Ende des Telefonats sowie im Fall von Inter-
        net-Telefondiensten auch die IP-Adressen . Diese Daten
        sollen zehn Wochen gespeichert werden .
        Eine Speicherfrist von vier Wochen gilt für die Be-
        zeichnung der Funkzellen, die durch den anrufenden und
        den angerufenen Anschluss bei Beginn der Verbindung
        genutzt werden . Diese kurze vierwöchige Speicherfrist
        ist vorgesehen . weil verhindert werden soll, dass mittels
        dieser Daten Bewegungs- und Persönlichkeitsprofile er-
        stellt werden können .
        Zusätzlich muss im richterlichen Anordnungsbe-
        schluss einzelfallbezogen begründet werden, warum der
        Abruf von Funkzellendaten erforderlich und angemessen
        ist . Anders als etwa in Frankreich dürfen Kommunikati-
        onsinhalte und aufgerufene Internetseiten nicht gespei-
        chert werden .
        Um die Grundrechte der Betroffenen auf Datenschutz
        und Schutz ihrer Privatsphäre zu wahren, ist der Da-
        tenabruf nur zur Verfolgung von schwersten Straftaten
        möglich . Daten von Berufsgeheimnisträgern wie Journa-
        listen, Anwälten oder Ärzten unterliegen einem Verwer-
        tungsverbot . Dies gilt auch bei Zufallsfunden .
        Wichtig ist, dass der Zugriff auf die gespeicherten Da-
        ten transparent und restriktiv geregelt ist: Es gibt einen
        strengen Richtervorbehalt, das heißt, nur auf richterli-
        chen Beschluss hin dürfen Ermittlungsbehörden die Da-
        ten abrufen, und es gibt keine Eilkompetenz der Staats-
        anwaltschaft oder der Polizei .
        Darüber hinaus müssen die Betroffenen grundsätzlich
        über jeden Abruf informiert werden . Nach Ablauf der
        Speicherfrist von zehn bzw . vier Wochen müssen die ge-
        speicherten Daten gelöscht werden . Verstöße gegen die
        Löschpflichten oder die Weitergabe von Daten haben
        strenge Sanktionen für die Dienstanbieter zur Folge .
        Um die Sicherheit der gespeicherten Daten zu ge-
        währleisten, werden die Dienstanbieter zudem verpflich-
        tet, die Daten zu schützen . Auch müssen die Server, auf
        denen die Daten gespeichert werden, innerhalb Deutsch-
        lands stehen, Wenn ein Dienstanbieter mit den gespei-
        cherten Daten Handel treibt und diese unbefugt an Dritte
        weitergibt, ist dies zukünftig eine Straftat nach dem neu
        zu schaffenden Tatbestand der Datenhehlerei .
        Die Leitlinien sind also eine gute Grundlage für die
        weitere Debatte und das anstehende parlamentarische
        Verfahren, und am Ende kann ein ausgewogener politi-
        scher Kompromiss stehen . Und: Deutschland hätte damit
        die strikteste Regelung zur Speicherung von Verkehrsda-
        ten in ganz Europa .
        Deshalb werde ich dem Gesetz in Abwägung der Vor-
        und Nachteile zustimmen .
        Wenn ich die Häme in so manchem Blog von Leuten
        lese, die sich einem sensiblen Abwägungsprozess hin-
        sichtlich der Vorratsdatenspeicherung verschließen, habe
        ich ähnliche Bedenken, wie bei denen, die einen Über-
        wachungsstaat fordern, Noch verwunderter bin ich über
        Aktivisten im Web, die zwar Vorratsdatenspeicherung –
        und sei sie staatlich noch so gut reguliert – vehement ab-
        lehnen, aber kein Problem damit haben, jede Menge per-
        sönlicher Daten bzw. Verhaltensprofile in die Hände von
        privaten aus den USA gesteuerten Konzernen zu geben .
        Mechthild Rawert (SPD): Mit dem Gesetz zur Ein-
        führung einer Speicherpflicht und Höchstspeicherfrist
        für Verkehrsdaten wird die Grundlage geschaffen, dass
        anlasslos und flächendeckend Telekommunikations- und
        hochsensible Ortungsdaten über Wochen bzw . Monate
        gespeichert werden. Diese anlasslose und flächendecken-
        de Vorratsdatenspeicherung ist ein undifferenziertes und
        rechtlich unverhältnismäßiges Überwachungsinstrument,
        das die Grundrechte in unzumutbarer Art einschränkt
        und alle BürgerInnen unter einen Generalverdacht stellt .
        Die Speicherung von Telekommunikationsdaten birgt
        durch die dabei entstehenden Datenmengen ein unver-
        hältnismäßiges Risiko, das keineswegs mit vermeintli-
        chen, aber objektiv nicht zu belegenden Vorteilen bei der
        Strafverfolgung aufgewogen werden kann . Zur Aufklä-
        rung von Straftaten müssen alle vorhandenen rechtlichen
        Mittel ausgeschöpft werden und Ermittlungsbehörden
        ausreichend personell und technisch ausgestattet sein .
        Ein Gutachten des Max-Planck-Instituts für ausländi-
        sches und internationales Strafrecht im Auftrag des Bun-
        desjustizministeriums kam 2011 zu dem Ergebnis, dass
        keine Schutzlücke durch das Fehlen der Vorratsdaten-
        speicherung existiert .
        Ich sehe mit Sorge, dass mit diesem Gesetzentwurf
        der Staat einen Paradigmenwechsel hin zu einer anlass-
        losen und flächendeckenden Speicherung von Daten der
        Bürgerinnen und Bürger anordnet . Hier wird Freiheit ge-
        gen eine vermeintliche Sicherheit, von der ich noch nicht
        einmal überzeugt bin, dass wir sie damit erreichen, in
        überzogener Weise eingeengt .
        Ungeklärt ist für mich auch, welche Beweiskraft die
        gespeicherten und gegebenenfalls ausgelesenen Daten
        haben werden . Da Gesprächsinhalte – und das ist gut
        so – nicht gespeichert werden dürfen, kann eine Person
        ins Visier der Ermittlungsbehörden gelangen, die zwar
        Kontakt mit einem Tatverdächtigen hat, aber mit den
        mutmaßlichen Taten nichts zu tun hat .
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 131 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 16 . Oktober 201512834
        (A) (C)
        (B) (D)
        Mich treibt auch die Sorge um die Sicherheit der ge-
        speicherten Daten um . Nicht zuletzt der Hackerangriff
        auf das Datennetz des Deutschen Bundestages zeigt, dass
        nichts und niemand davor geschützt ist, dass seine oder
        ihre Daten von fremden, unbefugten Menschen „abge-
        griffen“ werden können und ein Missbrauch der gespei-
        cherten Daten niemals ausgeschlossen werden kann .
        Die BefürworterInnen der Vorratsdatenspeicherung be-
        gründen ihr Votum mit besserer Erkenntnisgewinnung für
        die Strafverfolgungsbehörden . Diese könnten bislang nicht
        auf alle Verbindungsdaten zugreifen und so entscheidende
        Verknüpfungen nicht nachvollziehen, um schwere Straf-
        taten zu verhindern . Dieser Argumentation kann ich nicht
        folgen . Sicherlich ist es für alle Strafverfolgungsbehör-
        den – und auch für mich – von Interesse, schwere Straftaten
        aufzuklären und das Begehen schwerer Straftaten zu ver-
        hindern . Mir ist aber nach wie vor nicht klar, wie aus dem
        entstehenden Datenwust die entsprechenden Verbindungs-
        daten herausgefiltert werden können, ohne Unbescholtene
        in die Ermittlungen zu verwickeln . Ich glaube außerdem
        nicht, dass mutmaßliche TäterInnen so unbedarft agieren
        und auf Telekommunikationsanbieter zurückgreifen, die
        zur Speicherung der Daten verpflichtet sind.
        Der Gesetzentwurf sieht eine Evaluation nach 36 Mo-
        naten vor . Das begrüße ich . Ich bezweifele jedoch, ob
        wir mit einer Evaluation den realen Nutzen der Vorrats-
        datenspeicherung bewerten können . Denn – wo soll der
        Erfolgsmaßstab ansetzen? Wie schwer wiegt die erfolg-
        reiche Ermittlung oder Verhinderung einer schweren
        Straftat gegenüber der Überwachung aller BürgerInnen?
        Ich habe darüber hinaus Sorge, dass auch dieser Ge-
        setzentwurf gegen europäisches Recht verstößt . Denn der
        Europäische Gerichtshof fordert, dass Daten weder kom-
        plett noch anlasslos gesammelt werden dürfen . Wenn Ver-
        bindungs- und Standortdaten jedoch von jeder/m BürgerIn
        für einen gewissen Zeitraum von den Telekommunikati-
        onsanbietern gespeichert werden müssen, sind sie meiner
        Überzeugung nach komplett und anlasslos gespeichert .
        Der Europäische Gerichtshof urteilte, dass die damalige
        EU-Richtlinie 2006/24/EG zur Einführung einer Vorrats-
        datenspeicherung nicht mit der Charta der Grundrechte
        der Europäischen Union vereinbar ist . Auch das Bundes-
        verfassungsgericht entschied, dass die damalige Vorrats-
        datenspeicherung gegen Artikel 10 Absatz 1 des Grund-
        gesetzes (Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis) verstieß .
        Aus diesen Gründen werde ich mit Nein abstimmen .
        Anlage 5
        Erklärung nach § 31 GO
        des Abgeordneten Dr. Matthias Zimmer (CDU/
        CSU) zu der namentlichen Abstimmung über den
        von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD einge-
        brachten Entwurf eines Gesetzes zur Einführung
        einer Speicherpflicht und Höchstspeicherfrist für
        Verkehrsdaten (Zusatztagesordnungspunkt 5 a)
        In der Ergebnisliste zu der namentlichen Abstimmung
        ist mein Name nicht aufgeführt .
        Mein Votum lautet: Ja .
        Anlage 6
        Erklärung nach § 31 GO
        des Abgeordneten Dr. Karamba Diaby (SPD) zu
        den namentlichen Abstimmungen über den von den
        Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten
        Entwurf eines Asylverfahrensbeschleunigungsge-
        setzes (130. Sitzung, Tagesordnungspunkt 5 a)
        In den Ergebnislisten zu den fünf namentlichen Abstim-
        mungen Top 5 a „Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz“
        am 15 .10 .2015, zu den Drucksachen: 18/6185, 18/6386,
        18/6387, 18/3839, 18/6190, 18/4694, 18/6386, 18/6172,
        18/6381, 18/5921, 18/6289 und 18/6392 – ist mein Votum
        nicht aufgeführt . Mein Votum lautet jeweils „Enthaltung“ .
        Anlage 7
        Erklärung nach § 31 GO
        des Abgeordneten Christoph Strässer (SPD) zu den
        namentlichen Abstimmungen über den von den
        Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten
        Entwurf eines Asylverfahrensbeschleunigungsge-
        setzes (130. Sitzung, Tagesordnungspunkt 5 a)
        Zu den namentlichen Abstimmungen über den von den
        Fraktionen CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurf
        eins Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes Drucksa-
        chen 18/6185, 18/6386 und 18/6387 – in der Plenarsit-
        zung am 15 . Oktober 2015 sind meine Voten für die für
        die ersten drei namentlichen Abstimmungen, über
        – Artikel 1 Nr . 15, 16 und 19 des Gesetzentwurfs;
        Änderung des Asylverfahrensgesetzes (u . a . Ver-
        längerung der Aufenthaltshöchstdauer in Erstauf-
        nahmeeinrichtungen von drei auf sechs Monate)
        – Artikel 1 Nr . 35 des Gesetzentwurfs; Neufassung
        der Anlage II zu § 29 a des Asylverfahrensgesetzes
        (Erweiterung der Liste der Sicheren Herkunftsstaa-
        ten um Albanien, Kosovo und Montenegro)
        – Artikel 2 des Gesetzentwurfs; Änderung des Asyl-
        bewerberleistungsgesetzes (u . a . Sachleistungen)
        nicht aufgeführt .
        Mein Votum lautet:
        – 1 . Abstimmung zu Art . 1 Nr . 15, 16 und 19: Enthal-
        tung .
        – 2 . Abstimmung zu Art . 1, Nr . 35: Nein .
        – 3 . Abstimmung zu Art . 2: Enthaltung .
        Anlage 8
        Erklärung nach § 31 GO
        des Abgeordneten Kerstin Tack (SPD) zu den na-
        mentlichen Abstimmungen über den von den Frak-
        tionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Ent-
        wurf eines Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes
        (130. Sitzung, Tagesordnungspunkt 5 a)
        Hiermit erkläre ich, dass ich an der zweiten namentli-
        chen Abstimmung nicht teilgenommen habe .
        Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 131 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 16 . Oktober 2015 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 131 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 16 . Oktober 2015 12835
        (A) (C)
        (B) (D)
        Anlage 9
        Amtliche Mitteilung
        Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben
        mitgeteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden Uni-
        onsdokumente zur Kenntnis genommen oder von einer
        Beratung abgesehen hat .
        Finanzausschuss
        Drucksache 18/419 Nr . A .60
        Ratsdokument 12044/13
        Drucksache 18/419 Nr . A .69
        Ratsdokument 16918/13
        Drucksache 18/419 Nr . C .32
        Ratsdokument 9270/11
        Drucksache 18/419 Nr . C .33
        Ratsdokument 15938/11
        Drucksache 18/419 Nr . C .34
        Ratsdokument 15939/11
        Drucksache 18/5982 Nr . A .18
        Ratsdokument 11283/15
        Haushaltsausschuss
        Drucksache 18/5286 Nr . A .7
        Ratsdokument 9000/15
        Drucksache 18/5459 Nr . A .10
        Ratsdokument 9403/15
        Drucksache 18/5982 Nr . A .20
        KOM(2015)326 endg .
        Drucksache 18/5982 Nr . A .23
        Ratsdokument 10405/15
        Drucksache 18/5982 Nr . A .24
        Ratsdokument 10882/15
        Drucksache 18/5982 Nr . A .26
        Ratsdokument 11113/15
        Drucksache 18/6146 Nr . A .8
        Ratsdokument 11496/15
        Ausschuss für Wirtschaft und Energie
        Drucksache 18/5982 Nr . A .30
        Ratsdokument 11012/15
        Drucksache 18/5982 Nr . A .31
        Ratsdokument 11016/15
        Drucksache 18/5982 Nr . A .32
        Ratsdokument 11017/15
        Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft
        Drucksache 18/6240 Nr . A .2
        Ratsdokument 11675/15
        Ausschuss für Bildung, Forschung und
        Technikfolgenabschätzung
        Drucksache 18/5286 Nr . A .15
        EP P8_TA-PROV(2015)0107
        Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
        Entwicklung
        Drucksache 18/3898 Nr . A .16
        Ratsdokument 17001/14
        Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
        Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de
        Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de
        131. Sitzung
        Inhaltsverzeichnis
        ZP 5 a) Einführung einer Speicherpflicht für Verkehrsdaten
        TOP 26 Krankenhausfinanzierung
        TOP 27 Kinder in Entwicklungs- und Schwellenländern
        TOP 28 Gesetz zur Modernisierung des Vergaberechts
        TOP 29 Rückstellungen der Atomkraftwerksbetreiber
        Anlagen
        Anlage 1
        Anlage 2
        Anlage 3
        Anlage 4
        Anlage 5
        Anlage 6
        Anlage 7
        Anlage 8
        Anlage 9