Berichtigung
130 . Sitzung, Seite 12612 C, vierte Spalte: Bei den
Enthaltungen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ist
der Name „Omid Nouripour“ durch den Namen „Cem
Özdemir“ zu ersetzen .
130 . Sitzung, Seite 12705 A, erster Absatz, erster Satz,
ist wie folgt zu lesen: „Wann kommen denn die Vorschlä-
ge, wie man die Instrumente EnEV und Erneuerbare-Ener-
gien-Wärmegesetz sinnvoll zusammenführt und ganzheit-
liche Ansätze bei der energetischen Sanierung gesetzlich
besser verankert?“
Hiltrud Lotze
(A) (C)
(B) (D)
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 131 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 16 . Oktober 2015 12823
Anlagen zum Stenografischen Bericht
Anlage 1
Liste der entschuldigten Abgeordneten
Abgeordnete(r)
entschuldigt bis
einschließlich
Amtsberg, Luise BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
16 .10 .2015
Becker, Dirk SPD 16 .10 .2015
Beckmeyer, Uwe SPD 16 .10 .2015
Crone, Petra SPD 16 .10 .2015
Drobinski-Weiß, Elvira SPD 16 .10 .2015
Ebner, Harald BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
16 .10 .2015
Fabritius, Dr . Bernd CDU/CSU 16 .10 .2015
Feiler, Uwe CDU/CSU 16 .10 .2015
Finckh-Krämer, Dr . Ute SPD 16 .10 .2015
Gambke, Dr . Thomas BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
16 .10 .2015
Gleicke, Iris SPD 16 .10 .2015
Gysi, Dr . Gregor DIE LINKE 16 .10 .2015
Hasselfeldt, Gerda CDU/CSU 16 .10 .2015
Henke, Rudolf CDU/CSU 16 .10 .2015
Heveling , Ansgar CDU/CSU 16 .10 .2015
Höger, Inge DIE LINKE 16 .10 .2015
Irlstorfer, Erich CDU/CSU 16 .10 .2015
Kauder, Volker CDU/CSU 16 .10 .2015
Kolbe, Daniela SPD 16 .10 .2015
Kretschmer, Michael CDU/CSU 16 .10 .2015
Launert, Dr . Silke CDU/CSU 16 .10 .2015
Ludwig, Daniela CDU/CSU 16 .10 .2015
Mast, Katja SPD 16 .10 .2015
Middelberg, Dr . Mathias CDU/CSU 16 .10 .2015
Mihalic, Irene BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
16 .10 .2015
Nietan, Dietmar SPD 16 .10 .2015
Nord, Thomas DIE LINKE 16 .10 .2015
Abgeordnete(r)
entschuldigt bis
einschließlich
Pfeiffer, Sibylle CDU/CSU 16 .10 .2015
Pilger, Detlev SPD 16 .10 .2015
Schlecht, Michael DIE LINKE 16 .10 .2015
Steinbach, Erika CDU/CSU 16 .10 .2015
Strässer, Christoph SPD 16 .10 .2015
Straubinger, Max CDU/CSU 16 .10 .2015
Tressel, Markus BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
16 .10 .2015
Trittin, Jürgen BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
16 .10 .2015
Ulrich, Alexander DIE LINKE 16 .10 .2015
Wagner, Doris BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
16 .10 .2015
Walter-Rosenheimer,
Beate
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
16 .10 .2015
Weinberg, Harald DIE LINKE 16 .10 .2015
Weiß (Emmendingen),
Peter
CDU/CSU 16 .10 .2015
Werner, Katrin DIE LINKE 16 .10 .2015
Wicklein, Andrea SPD 16 .10 .2015
Wolff (Wolmirstedt),
Waltraud
SPD 16 .10 .2015
Zdebel, Hubertus DIE LINKE 16 .10 .2015
Anlage 2
Erklärung nach § 31 GO
der Abgeordneten Thomas Jurk, Detlef Müller
(Chemnitz), Dr. Simone Raatz und Susann
Rüthrich (alle SPD) zu der namentlichen Abstim-
mung über den von den Fraktionen der CDU/CSU
und SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes
zur Einführung einer Speicherpflicht und Höchst-
speicherfrist für Verkehrsdaten (Zusatztagesord-
nungspunkt 5 a)
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 131 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 16 . Oktober 201512824
(A) (C)
(B) (D)
In den Verhandlungen mit dem Koalitionspartner ist
unserem Justizminister Heiko Maas mit der deutlichen
Verkürzung der geplanten Speicherfristen ein beeindru-
ckender Erfolg gelungen . Es wurde jedoch kein Kompro-
miss erreicht, den wir nach bestem Wissen und Gewissen
unterstützen könnten. Die Speicherpflicht stellt auch in
der abgespeckten Form des aktuellen Gesetzesentwurfes
einen massiven Eingriff in die Grundrechte dar .
Die Bürgerinnen und Bürger müssen die Möglich-
keit haben, unbeobachtet miteinander kommunizieren
zu können . Die anlasslose Speicherung von IP-Adres-
sen, Standortdaten und anderen Kommunikationsdaten
gefährdet jedoch ihre Privatsphäre, ohne dabei geeignet
zu sein, Verbrechen zu verhindern . Sie kann maximal im
Nachhinein bei der Verfolgung der Täterinnen und Täter
helfen . Bei der Strafverfolgung bringt diese Speicherung
kaum messbare Vorteile im Vergleich zur konventionel-
len Ermittlungsarbeit . Wir zweifeln stark daran, dass das
allgemeine Wohlbefinden und das Sicherheitsempfinden
der Bevölkerung durch alltägliche Überwachung ver-
bessert werden kann . Stattdessen sollten wir uns darum
bemühen, die Bevölkerung vor dem Missbrauch ihrer
Daten zu schützen . Doch Missbrauch kann nur völlig
ausgeschlossen werden, wenn erst gar keine Daten ge-
sammelt und gespeichert werden .
Für uns stellt die Einführung der Speicherpflicht einen
Paradigmenwechsel dar . Wir befürchten, dass wir damit
eine Entwicklung starten, die zukünftig eher Debatten
über die Verlängerung der Höchstspeicherfristen statt
über die Abschaffung der Datenspeicherung bei ausblei-
bendem Erfolg zulässt . Zu dieser Entwicklung möchten
wir keinen Beitrag leisten .
Anlage 3
Erklärung nach § 31 GO
der Abgeordneten Lothar Binding (Heidelberg)
und Svenja Stadler (beide SPD) zu der namentli-
chen Abstimmung über den von den Fraktionen
der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurf ei-
nes Gesetzes zur Einführung einer Speicherpflicht
und Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten (Zu-
satztagesordnungspunkt 5 a)
In der SPD spielen die Grundwerte Freiheit, Gerech-
tigkeit und Solidarität eine außerordentlich wichtige Rol-
le . Sie sind Maßstab für die Kultur einer Gesellschaft .
In der Vergangenheit sind vielen Kolleginnen und
Kollegen die Abstimmungen über die VDS schwergefal-
len . Denn trotz verschiedener rechtlicher Restriktionen,
insbesondere der EU-Richtlinien, und dem Druck vieler
Bürgerinnen und Bürger, wenigstens „Waffengleichheit“
zwischen Kriminellen (Terroristen) und den Strafverfol-
gungsbehörden herzustellen, sind unsere Grundwerte da-
von unbenommen .
Die Mitgliedstaaten in Europa wollten mehrheitlich
Speicherfristen von zwei Jahren . Die ehemalige Bundes-
justizministerin Brigitte Zypries (SPD) hatte – gegen har-
ten Widerstand – eine Speicherfrist von maximal sechs
Monaten in die Richtlinie verhandelt . Das war unser
Stolz – aber ärgerlich gleichwohl . Ein prima Verhand-
lungsergebnis – aber unbefriedigend .
Inzwischen haben sich diese Randbedingungen glück-
licherweise deutlich verändert – zum Vorteil der Freiheit .
Im Koalitionsvertrag steht zwar zur Vorratsdatenspei-
cherung noch: „Wir werden die EU-Richtlinie über den
Abruf und die Nutzung von Telekommunikationsver-
bindungsdaten umsetzen . Dadurch vermeiden wir die
Verhängung von Zwangsgeldern durch den EuGH . Da-
bei soll ein Zugriff auf die gespeicherten Daten nur bei
schweren Straftaten und nach Genehmigung durch einen
Richter sowie zur Abwehr akuter Gefahren für Leib und
Leben erfolgen . Die Speicherung der deutschen Tele-
kommunikationsverbindungsdaten, die abgerufen und
genutzt werden sollen, haben die Telekommunikations-
unternehmen auf Servern in Deutschland vorzunehmen .
Auf EU-Ebene werden wir auf eine Verkürzung der Spei-
cherfrist auf drei Monate hinwirken .“
Und zu digitaler Sicherheit und Datenschutz: „Ziel
der Koalition ist es, die Balance zwischen Freiheit und
Sicherheit auch in der digitalen Welt zu schaffen und zu
bewahren .“
Aber inzwischen hat der Europäische Gerichtshof
(EuGH) am 8 . April 2014 die bestehende EU-Richtlinie
zur Vorratsdatenspeicherung für rechtswidrig erklärt . Sie
ist mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Uni-
on nicht vereinbar . Die Speicherung von Kommunikati-
onsdaten ohne Verdacht auf Straftaten ist danach nicht
zulässig .
Die Richter begründen ihre Entscheidung damit, dass
die Regelung „einen Eingriff von großem Ausmaß und
besonderer Schwere in die Grundrechte auf Achtung
des Privatlebens und auf den Schutz personenbezogener
Daten, der sich nicht auf das absolut Notwendige be-
schränkt“, enthalte .
Damit ist dem Koalitionsvertrag von CDU/CSU und
SPD hinsichtlich der Vorratsdatenspeicherung die Ge-
schäftsgrundlage genommen und Deutschland nicht
mehr zu einer Umsetzung der EU-Richtlinie verpflichtet.
Bisher war dies ein großes Handicap, denn die Ableh-
nung der Vorratsdatenspeicherung war eine Verletzung
einer EU-Richtlinie, außerdem drohte die Zahlung von
Zwangsgeldern . Das hat im Bundestag zu schwierigsten
Abwägungen und teilweise in sich widersprüchlichen
Positionen geführt, führen müssen, denn entweder ver-
stieß man gegen eine EU-Richtlinie oder gegen seine
Überzeugung, dass Vorratsdatenspeicherung weder mit
EU-Recht noch mit der Verfassung vereinbar ist . Des-
halb sind wir sehr froh über die Entscheidung des Euro-
päischen Gerichtshofs zur Vorratsdatenspeicherung, ein
Urteil, das sich in die Grundbewertung des Bundesver-
fassungsgerichts und dessen Urteil sehr gut einfügt .
Während die Richtlinie zur Vorratsspeicherung von
Daten Telekommunikationsbetreibern und Internetanbie-
tern zwingend vorschrieb, Verbindungs- und Standortda-
ten für die Strafverfolgung zu speichern, und Deutsch-
land die Richtlinie mit Wirkung ab 2008 umsetzte, hob
das Bundesverfassungsgericht die deutschen Regelungen
zur Vorratsdatenspeicherung schon im Jahr 2010 auf,
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 131 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 16 . Oktober 2015 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 131 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 16 . Oktober 2015 12825
(A) (C)
(B) (D)
weil sie unverhältnismäßig tief in die Grundrechte ein-
griffen .
Das Bundesverfassungsgericht führt aus:
„[Es] handelt … sich bei einer solchen Speicherung
um einen besonders schweren Eingriff mit einer Streu-
breite, wie sie die Rechtsordnung bisher nicht kennt:
Erfasst werden über den gesamten Zeitraum von sechs
Monaten praktisch sämtliche Telekommunikationsver-
kehrsdaten aller Bürger ohne Anknüpfung an ein zure-
chenbar vorwerfbares Verhalten, eine – auch nur abstrak-
te – Gefährlichkeit oder sonst eine qualifizierte Situation.
Die Speicherung bezieht sich dabei auf Alltagshandeln,
das im täglichen Miteinander elementar und für die Teil-
nahme am sozialen Leben in der modernen Welt nicht
mehr verzichtbar ist .“
„[Es] lassen sich schon aus den Daten selbst – und
erst recht, wenn diese als Anknüpfungspunkte für wei-
tere Ermittlungen dienen – tiefe Einblicke in das sozia-
le Umfeld und die individuellen Aktivitäten eines jeden
Bürgers gewinnen . … aus diesen Daten lassen sich …
bei umfassender und automatisierter Auswertung bis in
die Intimsphäre hineinreichende inhaltliche Rückschlüs-
se ziehen . [Sie lassen] in ihrer Kombination detaillierte
Aussagen zu gesellschaftlichen oder politischen Zuge-
hörigkeiten sowie persönlichen Vorlieben, Neigungen
und Schwächen derjenigen [zu], deren Verbindungsdaten
ausgewertet werden .“
„… die anlasslose Speicherung von Telekommunika-
tionsverkehrsdaten [ist] geeignet, ein diffus bedrohliches
Gefühl des Beobachtetseins hervorzurufen, das eine un-
befangene Wahrnehmung der Grundrechte in vielen Be-
reichen beeinträchtigen kann .“ (BVerfG, Urt . v . 2 . März
2010–1 BvR 256/08, Rn . 210, 211, 212)
So weit das Bundesverfassungsgericht (BverfG)
Im politischen Raum fällt es offensichtlich schwer,
die Urteile und deren Begründungen mit der gebotenen
Vorsicht zu lesen . So sieht Bundesinnenminister Thomas
de Maizière (CDU) in Mindestspeicherfristen alias Vor-
ratsdatenspeicherung noch immer ein wichtiges Mittel
für die Aufklärung schwerer Straftaten: „Auch wenn die
Richtlinie selbst nun aufgehoben wurde, hat die Entschei-
dung aber Gewissheit gebracht, dass das Instrument der
Vorratsdatenspeicherung sowohl verfassungsrechtlich
als auch europarechtlich zulässig ist .“ Und weiter: „Da
wir dieses Instrument dringend zur Aufklärung schwerer
Straftaten sowie zur Abwehr akuter Gefahren für Leib
und Leben benötigen, dränge ich rasch auf eine kluge,
verfassungsgemäße und mehrheitsfähige Neuregelung .“
Das sehen wir anders .
Mit Blick auf die Arbeitsergebnisse im Zusammen-
hang mit den NSU-Morden, aber auch mit Blick auf die
Arbeit des BND, der allem Anschein nach fremden Ge-
heimdiensten geholfen hat, Bürgerinnen und Bürger so-
wie deutsche und europäische Unternehmen – wer wollte
wissen, wen außerdem noch – auszuspionieren, scheint
der Bundesinnenminister hier eine gewagte Idee zu ver-
folgen . Außerdem hat das Bundesverfassungsgericht ja
gerade auch zu diesem Sachverhalt erklärt, warum „Die
bloße Möglichkeit, dass Daten zu Zwecken der Strafver-
folgung oder der Gefahrenabwehr benötigt werden könn-
ten“, den Eingriff nicht rechtfertigt .
Neben de Maizière wird der fachliche Bedarf der Vor-
ratsdatenspeicherung auch von der Innenministerkonfe-
renz der Länder und sogar vom Deutschen Richterbund
als „unerlässliches Instrument gegen die Verbrechens-
bekämpfung“ gefordert . Das wurde bisher nicht bewie-
sen, ist aber verständlich, denn es ist viel leichter, sich
ein neues Werkzeug zu kaufen, als die vorhandenen zu
schärfen .
In der Großen Koalition ist es ein Meisterstück von
Bundesjustizminister Heiko Maas, nun zehn bzw . vier
Wochen Speicherfrist rausverhandelt zu haben . Bundes-
innenminister, Polizei und Diensten ist das zu wenig, ob-
wohl Ermittler auch heute schon auf gespeicherte Daten
der Telekommunikationsbetreiber zugreifen können –
Funkzellenabfrage .
Berücksichtigen wir diese Gemengelage, wird deut-
lich, wie groß der Verhandlungserfolg von Heiko Maas
ist . Der Verhandlungserfolg ist maximal . Leider ist aber
das mit der CDU/CSU maximal Mögliche nicht das Op-
timale für unsere Gesellschaft .
Exkurs: Aber es wäre ja auch merkwürdig, wenn sich
Wahlergebnisse nicht in der konkreten Politik, also der
Gesetzgebung, wiederfinden würden, und bei der letzten
Bundestagswahl wurden CDU und CSU mehrheitlich
gewählt . Solche Wahlen entscheiden auch über die ge-
sellschaftliche Lage auf einer Skala zwischen Polizei-
staat und freiheitlicher Demokratie . Mehr Thomas de
Maizière oder mehr Heiko Maas?
Am 15 . April 2015 hat Heiko Maas Leitlinien vorge-
legt, die eine eng begrenzte Pflicht für alle Telekommuni-
kationsanbieter zur Speicherung von wenigen, genau be-
zeichneten Verkehrsdaten unter Ausnahme von Diensten
der elektronischen Post – also E-Mail – enthalten .
Oberste Richtschnur aller Regelungen sind dabei die
strengen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes und
des Europäischen Gerichtshofes . Die genannten Leitlini-
en sind viel restriktiver als das vom Bundesverfassungs-
gericht aufgehobene, ehemalige Gesetz zur Vorratsda-
tenspeicherung, viel restriktiver als die aufgehobene
europäische Richtlinie und auch viel restriktiver, als es
CDU und CSU wollen .
Es müssen nur genau bezeichnete Telekommunikati-
onsdaten gespeichert werden . Dazu zählen Rufnummer,
Beginn und Ende des Telefonats sowie im Fall von Inter-
net-Telefondiensten auch die IP-Adressen . Diese Daten
sollen zehn Wochen gespeichert werden .
Eine Speicherfrist von vier Wochen gilt für die Be-
zeichnung der Funkzellen, die durch den anrufenden und
den angerufenen Anschluss bei Beginn der Verbindung
genutzt werden . Diese kurze vierwöchige Speicherfrist
ist vorgesehen, weil verhindert werden soll, dass mittels
dieser Daten Bewegungs- und Persönlichkeitsprofile er-
stellt werden können .
Zusätzlich muss im richterlichen Anordnungsbe-
schluss einzelfallbezogen begründet werden, warum der
Abruf von Funkzellendaten erforderlich und angemessen
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 131 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 16 . Oktober 201512826
(A) (C)
(B) (D)
ist . Anders als etwa in Frankreich dürfen Kommunikati-
onsinhalte und aufgerufene Internetseiten nicht gespei-
chert werden .
Um die Grundrechte der Betroffenen auf Datenschutz
und Schutz ihrer Privatsphäre zu wahren, ist der Da-
tenabruf nur zur Verfolgung von schwersten Straftaten
möglich . Daten von Berufsgeheimnisträgern wie Journa-
listen, Anwälten oder Ärzten unterliegen einem Verwer-
tungsverbot . Dies gilt auch bei Zufallsfunden .
Wichtig ist, dass der Zugriff auf die gespeicherten Da-
ten transparent und restriktiv geregelt ist: Es gibt einen
strengen Richtervorbehalt, das heißt, nur auf richterli-
chen Beschluss hin dürfen Ermittlungsbehörden die Da-
ten abrufen, und es gibt keine Eilkompetenz der Staats-
anwaltschaft oder der Polizei .
Darüber hinaus müssen die Betroffenen grundsätzlich
über jeden Abruf informiert werden . Nach Ablauf der
Speicherfrist von zehn bzw . vier Wochen müssen die ge-
speicherten Daten gelöscht werden . Verstöße gegen die
Löschpflichten oder die Weitergabe von Daten haben
strenge Sanktionen für die Dienstanbieter zur Folge .
Um die Sicherheit der gespeicherten Daten zu ge-
währleisten, werden die Dienstanbieter zudem verpflich-
tet, die Daten zu schützen . Auch müssen die Server, auf
denen die Daten gespeichert werden, innerhalb Deutsch-
lands stehen . Wenn ein Dienstanbieter mit den gespei-
cherten Daten Handel treibt und diese unbefugt an Dritte
weitergibt, ist dies zukünftig eine Straftat nach dem neu
zu schaffenden Tatbestand der Datenhehlerei .
Die Leitlinien sind also eine gute Grundlage für die
weitere Debatte und das anstehende parlamentarische
Verfahren, und am Ende kann ein ausgewogener politi-
scher Kompromiss stehen . Und: Deutschland hätte damit
die strikteste Regelung zur Speicherung von Verkehrsda-
ten in ganz Europa .
Gleichwohl werden wir einem Gesetz, das anlasslose
Vorratsdatenspeicherung – auch Mindestdatenspeiche-
rung oder Mindest- bzw . Höchstspeicherfrist – von Kom-
munikationsdaten erlaubt, nicht zustimmen .
Unser Hauptargument findet sich in der Begründung
der Beschwerdeführer, die gegen die Vorratsdatenspei-
cherung vor das BVerfG gezogen sind:
„Die Vorratsdatenspeicherung beeinträchtige die …
Unbefangenheit der Kommunikation . Der Schutz der
Menschenwürde verlange ein gewisses Maß an unbe-
obachteter Kommunikation …“ In den USA sehen viele
Menschen das Sammeln und Speichern von Daten als
unproblematisch an, dort ist allein wichtig, was mit den
Daten geschieht . Demgegenüber gibt es in Deutschland
die Tendenz, die missbräuchliche Verwendung von Da-
ten dadurch zu verhindern, dass Daten schon gar nicht
gesammelt oder gespeichert werden . Insofern bereitet die
Erlaubnis der Vorratsdatenspeicherung auch einen Kul-
turwandel vor, dem wir nicht Vorschub leisten möchten .
Die Ablehnung der Vorratsdatenspeicherung birgt na-
türlich Risiken . Falls es zu terroristischen Anschlägen
kommen sollte oder andere Gefahren nicht rechtzeitig
erkannt würden, könnte stets der Vorwurf gemacht wer-
den, mit der Vorratsdatenspeicherung hätte diese oder
jene Gefahr abgewendet werden können . Aber erstens ist
keinesfalls gesichert, dass Vorratsdatenspeicherung über-
haupt der Gefahrenabwehr dienen kann, was der grausa-
me Anschlag im Januar dieses Jahres in Frankreich zeigt .
Zweitens würde das für unsere Gesellschaft bedeuten,
dass das Wohlbefinden durch permanente Überwachung
stärker bedroht wäre als durch terroristische Gefahren .
Diese Terroristen hätten ihr Ziel erreicht: die Einschrän-
kung unserer Freiheit durch Angst und permanente Über-
wachung .
Leider macht auch die Ablehnung der Vorratsdaten-
speicherung nicht nur Freude . Wenn wir die Häme in so
manchem Blog von Leuten lesen, die sich einem sensib-
len Abwägungsprozess hinsichtlich der Vorratsdatenspei-
cherung verschließen, erreichen uns ähnliche Bedenken,
die uns den Überwachungsstaat ablehnen lassen . Noch
verwunderter sind wir über Aktivisten im Web, die zwar
Vorratsdatenspeicherung – und sei sie staatlich noch so
gut reguliert – vehement ablehnen, aber keinen Schmerz
damit haben, jede Menge persönlicher Daten bzw . Ver-
haltensprofile in die Hände von privaten aus den USA
gesteuerten Konzernen zu geben .
Anlage 4
Erklärungen nach § 31 GO
zu der namentlichen Abstimmung über den von
den Fraktionen der CDU/CSU und SPD einge-
brachten Entwurf eines Gesetzes zur Einführung
einer Speicherpflicht und Höchstspeicherfrist für
Verkehrsdaten (Zusatztagesordnungspunkt 5 a)
Angelika Glöckner (SPD): Dem Gesetzesentwurf
der Bundesregierung zur Einführung einer Speicher-
pflicht und Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten am
Freitag, 16 .10 .2015 stimme ich, nach Abwägung aller für
mich relevanten Gesichtspunkte, nicht zu .
Die Fraktionen von CDU/CSU und SPD haben sich
im Koalitionsvertrag dazu verpflichtet, die europäische
Datenschutzrichtlinie über den Abruf und die Nutzung
von Telekommunikationsverbindungsdaten umzusetzen .
Diese wurde jedoch durch den EuGH mit dem Urteil vom
8 . April 2014 wegen Verstoßes gegen die in Artikel 7 und
8 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union
verankerten Grundrechte für ungültig erklärt . Damit ist
die im Koalitionsvertrag festgehaltene Verpflichtung
einer nationalen Regelung zur Vorratsdatenspeicherung
für mich obsolet . In dem nun vorliegenden Gesetzesent-
wurf kann ich im Vergleich zur EU-Richtlinie zur Vor-
ratsdatenspeicherung zudem keine grundsätzlichen Ver-
besserungen in Bezug auf die Wahrung grundsätzlicher
Rechte erkennen . Ohne Zweifel wurde es geschafft, den
Gesetzesentwurf im Vergleich zur Europäischen Daten-
schutzrichtlinie zu verbessern – das ist ein Verdienst der
Sozialdemokratie, allen voran des Justizministers Heiko
Maas –; dennoch sehe ich dieses Gesetz als grundlegen-
den Eingriff in die Freiheitsrechte und die informationel-
le Selbstbestimmung jedes einzelnen Bürgers .
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 131 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 16 . Oktober 2015 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 131 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 16 . Oktober 2015 12827
(A) (C)
(B) (D)
Wie leicht solche Zugriffsrechte missbraucht werden
können, erlebten wir in den letzten Jahren mehrfach . Zu-
dem fehlt für mich der Nachweis, dass durch eine Ver-
schärfung eine tatsächlich effektivere Strafverfolgung –
geschweige denn Strafvereitelung – erfolgen kann .
Gerade die Fälle von Utøya, Paris und London zeigen,
nach meiner Auffassung, dass Gefahren von Einzeltätern
auch auf diese Weise nicht ausgeschlossen werden kön-
nen .
Die technische Umsetzbarkeit und die Nutzbarkeit
von neuen Technologien stellt für mich kein Argument
dar, grundlegende Freiheitsrechte einzuschränken und
damit die Möglichkeit zu schaffen die gesamte Bevöl-
kerung unter Generalverdacht zu stellen . Grundlegende
Rechte dürfen meines Erachtens nach nicht aufgrund von
unbestimmten Ängsten opfern – hier verbietet sich eine
Abwägung von Freiheit und vermeintlicher Sicherheit .
Aus diesem Grund lehne ich den Gesetzesentwurf ab .
Sebastian Hartmann (SPD): An dem Gesetzentwurf
zur Verkehrsdatenspeicherung ist im Vorfeld der heuti-
gen Beschlussfassung deutliche Kritik geübt worden .
Diese Kritik nehme ich ernst . Gleichwohl versichert die
Bundesregierung, die Kritikpunkte des Europäischen
Gerichtshofs und des Bundesverfassungsgerichts auf-
genommen und rechtsförmlich im vorliegenden Gesetz
so umgesetzt zu haben, dass es auch zukünftigen juristi-
schen Überprüfungen standhält .
Ich kann das bezweifeln, aber nicht widerlegen . Dem
Gesetzentwurf stimme ich als Mitglied der Regierungs-
koalition deshalb zu .
Meine Skepsis bezüglich dieses Gesetzgebungsvorha-
ben habe ich seit Vorlage des ersten Referentenentwurfs
immer wieder geäußert . Auch vor dem Hintergrund der
letzten Fassung, über die heute abgestimmt wird, bleibe
ich skeptisch .
Eine anlasslose, verdachtsunabhängige, massenhafte
Speicherung von Verkehrsdaten ist ein Eingriff in das
Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung . Sie
begegnet vor dem Hintergrund der Verhältnismäßigkeit
erheblichen Bedenken . Diesen Bedenken versucht der
Entwurf zu begegnen, indem er Kommunikationsmedien
von der Speicherpflicht ausschließt, eine Höchstspeicher-
frist vorsieht sowie den Zugriff auf die Daten durch die
Ermittlungsbehörden an einen konkreten Verdacht und
einen Richtervorbehalt koppelt . Zudem statuiert er eine
Informationspflicht über die Abrufe. Diese Maßnahmen
sowie die Aussicht auf eine gerichtliche Überprüfung
geben für mich letztlich den Ausschlag, dem Votum der
Fraktionsmehrheit zu folgen und dem Gesetzesentwurf
trotz erheblicher Bedenken zustimmen zu können .
Es wird vorgetragen, dass die Verkehrsdatenspeiche-
rung ein ungeeignetes Instrument sei, um Schaden von
der Gesellschaft abzuwenden . Sie ist demnach weder
zur Prävention noch zur Strafverfolgung, weder bei der
Beweissicherung noch ermittlungstaktisch brauchbar,
nützlich oder gar unverzichtbar . Für behauptete Ermitt-
lungserfolge aus Vorratsdatenspeicherungen ist jeder
stichhaltige Praxisnachweis unterblieben . Um genau die-
se Frage adäquat und klar nachvollziehbar aufklären zu
können, haben wir eine umfangreiche Evaluierung des
Gesetzes durchgesetzt . Ich werde auf diese Bewertung
und Evaluierung streng achten und dringen, um die auf-
geworfenen Zweifel auszuräumen .
Ich erwarte, dass auf dieser gesetzlichen Grundlage
zwischen den Telekommunikationsunternehmen und den
Strafverfolgungsbehörden eine Praxis etabliert wird, die
auf Basis der verfügbaren Daten und erweiterten Befug-
nisse für den konkreten Ermittlungsfall effektiv vorgeht .
Die verantwortlichen Stellen müssen die Sicherheit
von solchen Daten vor Missbrauch und unbefugtem Zu-
griff im Sinne der Datenschutzanforderungen gewähr-
leisten, die das Bundesverfassungsgericht in seinem Ur-
teil vom 2 . März 2010 gestellt hat . Aktuell verfügbare,
asymmetrische Verschlüsselungsverfahren, wie sie die
Bundesrichter für den gesamten Datenbestand aus Vor-
ratsdatenspeicherung explizit forderten, sind für den
Umgang mit den zu erwartenden Datenmengen sowohl
bezüglich der Verarbeitungsgeschwindigkeit als auch
Handhabbarkeit vermutlich untauglich . Dieses Problem
muss im Vollzug des Gesetzes zwingend gelöst werden .
Der Bundesnetzagentur fällt die Rolle zu, die tech-
nischen Richtlinien zur Umsetzung des Gesetzes zu er-
stellen . Die Aufgabe ist vor dem Hintergrund der Erwar-
tungen der Strafverfolgungsbehörden, den tatsächlich
umsetzbaren Maßnahmen und den technischen Rahmen-
bedingungen bei den Providern eine hohe Hürde, auch in
dem großzügig gesteckten Zeitraum eines ganzen Jahres
nach Inkrafttreten des Gesetzes .
Den Telekommunikationsunternehmen erwächst aus
der Datensammlung und -speicherung eine Bürde, die
sich immerhin beziffern lässt . Ob die Schätzungen mit
200 oder 600 Millionen Euro näher an der Wahrheit sind,
kann ich nicht beurteilen . Klar ist, dass Aufwand und
Nutzen stets im Verhältnis stehen müssen, das heißt, dass
dieser Aufwand sich wenigstens lohnt .
Dem Bundesjustizminister ist zu verdanken, dass eine
Höchstspeicherfrist von zehn beziehungsweise vier Wo-
chen als absolute Obergrenze festgelegt wird . Dies ist
gegen die sehr viel weiter reichenden Forderungen der
Strafverfolgungsbehörden und des Bundesinnenministe-
riums durchgesetzt worden. Die Pflicht zur Löschung der
Daten nach diesem kurzen Zeitraum, der Richtervorbe-
halt für Zugriffe und die Informationspflicht über jeden
Abruf sind wichtige Verschärfungen der bisherigen Re-
gelungen, auch im internationalen Vergleich .
Gabriele Hiller-Ohm (SPD): Ich lehne das Gesetz
zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchst-
speicherfrist für Verkehrsdaten ab .
In der SPD spielen die Grundwerte Freiheit, Gerech-
tigkeit und Solidarität eine außerordentlich wichtige Rol-
le . Sie sind Maßstab für die Kultur einer Gesellschaft .
In der Vergangenheit sind vielen Kolleginnen und
Kollegen die Abstimmungen über die Vorratsdatenspei-
cherung schwergefallen . Denn trotz verschiedener recht-
licher Restriktionen, insbesondere der EU-Richtlinien,
und dem Druck vieler Bürgerinnen und Bürger, wenigs-
tens „Waffengleichheit“ zwischen Kriminellen (Terro-
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 131 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 16 . Oktober 201512828
(A) (C)
(B) (D)
risten) und den Strafverfolgungsbehörden herzustellen,
sind unsere Grundwerte davon unbenommen .
Die Mitgliedstaaten in Europa wollten mehrheitlich
Speicherfristen von zwei Jahren . Der ehemaligen Bun-
desjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) war es dabei
zumindest gelungen, gegen harten Widerstand eine Spei-
cherfrist von maximal sechs Monaten in die Richtlinie zu
verhandeln .
Inzwischen haben sich diese Randbedingungen glück-
licherweise deutlich verändert – zum Vorteil der Freiheit .
Im Koalitionsvertrag steht zwar zur Vorratsdatenspei-
cherung noch: „Wir werden die EU-Richtlinie über den
Abruf und die Nutzung von Telekommunikationsver-
bindungsdaten umsetzen . Dadurch vermeiden wir die
Verhängung von Zwangsgeldern durch den EuGH . Da-
bei soll ein Zugriff auf die gespeicherten Daten nur bei
schweren Straftaten und nach Genehmigung durch einen
Richter sowie zur Abwehr akuter Gefahren für Leib und
Leben erfolgen . Die Speicherung der deutschen Tele-
kommunikationsverbindungsdaten, die abgerufen und
genutzt werden sollen, haben die Telekommunikations-
unternehmen auf Servern in Deutschland vorzunehmen .
Auf EU-Ebene werden wir auf eine Verkürzung der Spei-
cherfrist auf drei Monate hinwirken .“
Und zu digitaler Sicherheit und Datenschutz: „Ziel
der Koalition ist es, die Balance zwischen Freiheit und
Sicherheit auch in der digitalen Welt zu schaffen und zu
bewahren .“
Aber inzwischen hat der Europäische Gerichtshof
(EuGH) am 8 . April 2014 die bestehende EU-Richtlinie
zur Vorratsdatenspeicherung für rechtswidrig erklärt . Sie
ist mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Uni-
on nicht vereinbar . Die Speicherung von Kommunikati-
onsdaten ohne Verdacht auf Straftaten ist danach nicht
zulässig .
Die Richter begründen ihre Entscheidung damit, dass
die Regelung „einen Eingriff von großem Ausmaß und
besonderer Schwere in die Grundrechte auf Achtung
des Privatlebens und auf den Schutz personenbezogener
Daten, der sich nicht auf das absolut Notwendige be-
schränkt“, enthalte .
Damit ist dem Koalitionsvertrag von CDU/CSU und
SPD hinsichtlich der Vorratsdatenspeicherung die Ge-
schäftsgrundlage genommen und Deutschland nicht
mehr zu einer Umsetzung der EU-Richtlinie verpflichtet.
Bisher war dies ein großes Handicap, denn die Ableh-
nung der Vorratsdatenspeicherung war eine Verletzung
einer EU-Richtlinie, außerdem drohte die Zahlung von
Zwangsgeldern . Das hat im Bundestag zu schwierigsten
Abwägungen und teilweise in sich widersprüchlichen
Positionen geführt, führen müssen, denn entweder ver-
stieß man gegen eine EU-Richtlinie oder gegen seine
Überzeugung, dass Vorratsdatenspeicherung weder mit
EU-Recht noch mit der Verfassung vereinbar ist . Deshalb
bin ich sehr froh über die Entscheidung des Europäischen
Gerichtshofs zur Vorratsdatenspeicherung, ein Urteil, das
sich in die Grundbewertung des Bundesverfassungsge-
richts und dessen Urteil sehr gut einfügt .
Während die Richtlinie zur Vorratsspeicherung von
Daten Telekommunikationsbetreibern und Internetanbie-
tern zwingend vorschrieb, Verbindungs- und Standortda-
ten für die Strafverfolgung zu speichern, und Deutsch-
land die Richtlinie mit Wirkung ab 2008 umsetzte, hob
das Bundesverfassungsgericht die deutschen Regelungen
zur Vorratsdatenspeicherung schon im Jahr 2010 auf,
weil sie unverhältnismäßig tief in die Grundrechte ein-
griffen .
Das Bundesverfassungsgericht führt aus:
„[Es] handelt … sich bei einer solchen Speicherung
um einen besonders schweren Eingriff mit einer Streu-
breite, wie sie die Rechtsordnung bisher nicht kennt:
Erfasst werden über den gesamten Zeitraum von sechs
Monaten praktisch sämtliche Telekommunikationsver-
kehrsdaten aller Bürger ohne Anknüpfung an ein zure-
chenbar vorwerfbares Verhalten, eine – auch nur abstrak-
te – Gefährlichkeit oder sonst eine qualifizierte Situation.
Die Speicherung bezieht sich dabei auf Alltagshandeln,
das im täglichen Miteinander elementar und für die Teil-
nahme am sozialen Leben in der modernen Welt nicht
mehr verzichtbar ist .“
„[Es] lassen sich schon aus den Daten selbst – und erst
recht, wenn diese als Anknüpfungspunkte für weitere
Ermittlungen dienen – tiefe Einblicke in das soziale
Umfeld und die individuellen Aktivitäten eines jeden
Bürgers gewinnen . … aus diesen Daten lassen sich …
bei umfassender und automatisierter Auswertung bis in
die Intimsphäre hineinreichende inhaltliche Rückschlüs-
se ziehen . [Sie lassen] in ihrer Kombination detaillierte
Aussagen zu gesellschaftlichen oder politischen Zuge-
hörigkeiten sowie persönlichen Vorlieben, Neigungen
und Schwächen derjenigen [zu], deren Verbindungsdaten
ausgewertet werden .“
„… die anlasslose Speicherung von Telekommuni-
kationsverkehrsdaten [ist] geeignet, ein diffus bedroh-
liches Gefühl des Beobachtetseins hervorzurufen, das
eine unbefangene Wahrnehmung der Grundrechte in
vielen Bereichen beeinträchtigen kann .“ (BVerfG, Urt . v .
2 . März 2010–1 BvR 256/08, Rn . 210, 211, 212)
Im politischen Raum fällt es offensichtlich schwer,
die Urteile und deren Begründungen mit der gebotenen
Vorsicht zu lesen . So sieht Bundesinnenminister Thomas
de Maizière (CDU) in Mindestspeicherfristen alias Vor-
ratsdatenspeicherung noch immer ein wichtiges Mittel
für die Aufklärung schwerer Straftaten: „Auch wenn die
Richtlinie selbst nun aufgehoben wurde, hat die Entschei-
dung aber Gewissheit gebracht, dass das Instrument der
Vorratsdatenspeicherung sowohl verfassungsrechtlich
als auch europarechtlich zulässig ist .“ Und weiter: „Da
wir dieses Instrument dringend zur Aufklärung schwerer
Straftaten sowie zur Abwehr akuter Gefahren für Leib
und Leben benötigen, dränge ich rasch auf eine kluge,
verfassungsgemäße und mehrheitsfähige Neuregelung .“
Das sehe ich anders .
Mit Blick auf die Arbeitsergebnisse im Zusammen-
hang mit den NSU-Morden, aber auch mit Blick auf
die Arbeit des BND, der allem Anschein nach fremden
Geheimdiensten geholfen hat, Bürgerinnen und Bürger
sowie deutsche und europäische Unternehmen – wer
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 131 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 16 . Oktober 2015 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 131 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 16 . Oktober 2015 12829
(A) (C)
(B) (D)
wollte wissen, wen außerdem noch – auszuspionieren,
scheint der Bundesinnenminister hier eine gewagte Idee
zu verfolgen . Außerdem hat das Bundesverfassungsge-
richt ja gerade auch zu diesem Sachverhalt erklärt, war-
um „Die bloße Möglichkeit, dass Daten zu Zwecken der
Strafverfolgung oder der Gefahrenabwehr benötigt wer-
den könnten …“, den Eingriff nicht rechtfertigt .
Neben de Maizière wird der fachliche Bedarf der Vor-
ratsdatenspeicherung auch von der Innenministerkonfe-
renz der Länder und sogar vom Deutschen Richterbund
als „unerlässliches Instrument gegen die Verbrechens-
bekämpfung“ gefordert . Das wurde bisher nicht bewie-
sen, ist aber verständlich, denn es ist viel leichter, sich
ein neues Werkzeug zu kaufen, als die vorhandenen zu
schärfen .
In der Großen Koalition ist es Bundesjustizminister
Heiko Maas gelungen, geringere Speicherfristen von
zehn bzw . vier Wochen in das Gesetz zu verhandeln .
Bundesinnenminister, Polizei und Diensten ist das zu we-
nig, obwohl Ermittler auch heute schon auf gespeicherte
Daten der Telekommunikationsbetreiber zugreifen kön-
nen – Funkzellenabfrage .
Berücksichtigen wir diese Gemengelage, wird deut-
lich, wie groß der Verhandlungserfolg von Heiko Maas
ist . Der Verhandlungserfolg ist maximal . Leider ist aber
das mit der CDU/CSU maximal Mögliche nicht das Op-
timale für unsere Gesellschaft .
Exkurs: Aber es wäre ja auch merkwürdig, wenn sich
Wahlergebnisse nicht in der konkreten Politik, also der
Gesetzgebung, wiederfinden würden, und bei der letzten
Bundestagswahl wurden CDU und CSU mehrheitlich
gewählt . Solche Wahlen entscheiden auch über die ge-
sellschaftliche Lage auf einer Skala zwischen Polizei-
staat und freiheitlicher Demokratie . Mehr Thomas de
Maizière oder mehr Heiko Maas?
Am 15 . April 2015 hat Heiko Maas Leitlinien vorge-
legt, die eine eng begrenzte Pflicht für alle Telekommuni-
kationsanbieter zur Speicherung von wenigen, genau be-
zeichneten Verkehrsdaten unter Ausnahme von Diensten
der elektronischen Post – also E-Mail – enthalten .
Oberste Richtschnur aller Regelungen sind dabei die
strengen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes und
des Europäischen Gerichtshofes . Die genannten Leitlini-
en sind viel restriktiver als das vom Bundesverfassungs-
gericht aufgehobene, ehemalige Gesetz zur Vorratsda-
tenspeicherung, viel restriktiver als die aufgehobene
europäische Richtlinie und auch viel restriktiver, als es
CDU und CSU wollen .
Es müssen nur genau bezeichnete Telekommunikati-
onsdaten gespeichert werden . Dazu zählen Rufnummer,
Beginn und Ende des Telefonats sowie im Fall von Inter-
net-Telefondiensten auch die IP-Adressen . Diese Daten
sollen zehn Wochen gespeichert werden .
Eine Speicherfrist von vier Wochen gilt für die Be-
zeichnung der Funkzellen, die durch den anrufenden und
den angerufenen Anschluss bei Beginn der Verbindung
genutzt werden . Diese kurze vierwöchige Speicherfrist
ist vorgesehen, weil verhindert werden soll, dass mittels
dieser Daten Bewegungs- und Persönlichkeitsprofile er-
stellt werden können .
Zusätzlich muss im richterlichen Anordnungsbe-
schluss einzelfallbezogen begründet werden, warum der
Abruf von Funkzellendaten erforderlich und angemessen
ist . Anders als etwa in Frankreich dürfen Kommunikati-
onsinhalte und aufgerufene Internetseiten nicht gespei-
chert werden .
Um die Grundrechte der Betroffenen auf Datenschutz
und Schutz ihrer Privatsphäre zu wahren, ist der Da-
tenabruf nur zur Verfolgung von schwersten Straftaten
möglich . Daten von Berufsgeheimnisträgern wie Journa-
listen, Anwälten oder Ärzten unterliegen einem Verwer-
tungsverbot . Dies gilt auch bei Zufallsfunden .
Wichtig ist, dass der Zugriff auf die gespeicherten Da-
ten transparent und restriktiv geregelt ist: Es gibt einen
strengen Richtervorbehalt, das heißt, nur auf richterli-
chen Beschluss hin dürfen Ermittlungsbehörden die Da-
ten abrufen, und es gibt keine Eilkompetenz der Staats-
anwaltschaft oder der Polizei .
Darüber hinaus müssen die Betroffenen grundsätzlich
über jeden Abruf informiert werden . Nach Ablauf der
Speicherfrist von zehn bzw . vier Wochen müssen die ge-
speicherten Daten gelöscht werden . Verstöße gegen die
Löschpflichten oder die Weitergabe von Daten haben
strenge Sanktionen für die Dienstanbieter zur Folge .
Um die Sicherheit der gespeicherten Daten zu ge-
währleisten, werden die Dienstanbieter zudem verpflich-
tet, die Daten zu schützen . Auch müssen die Server, auf
denen die Daten gespeichert werden, innerhalb Deutsch-
lands stehen . Wenn ein Dienstanbieter mit den gespei-
cherten Daten Handel treibt und diese unbefugt an Dritte
weitergibt, ist dies zukünftig eine Straftat nach dem neu
zu schaffenden Tatbestand der Datenhehlerei .
Die Leitlinien sind also eine gute Grundlage für die
weitere Debatte und das anstehende parlamentarische
Verfahren, und am Ende kann ein ausgewogener politi-
scher Kompromiss stehen . Und: Deutschland hätte damit
die strikteste Regelung zur Speicherung von Verkehrsda-
ten in ganz Europa .
Gleichwohl werde ich einem Gesetz, das anlasslose
Vorratsdatenspeicherung – auch Mindestdatenspeiche-
rung oder Mindest- bzw . Höchstspeicherfrist – von Kom-
munikationsdaten erlaubt, nicht zustimmen .
Mein Hauptargument findet sich in der Begründung
der Beschwerdeführer, die gegen die Vorratsdatenspei-
cherung vor das Bundesverfassungsgericht gezogen sind:
„Die Vorratsdatenspeicherung beeinträchtige die …
Unbefangenheit der Kommunikation . Der Schutz der
Menschenwürde verlange ein gewisses Maß an unbeob-
achteter Kommunikation …“ . In den USA sehen viele
Menschen das Sammeln und Speichern von Daten als
unproblematisch an, dort ist allein wichtig, was mit den
Daten geschieht . Demgegenüber gibt es in Deutschland
die Tendenz, die missbräuchliche Verwendung von Da-
ten dadurch zu verhindern, dass Daten schon gar nicht
gesammelt oder gespeichert werden . Insofern bereitet die
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 131 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 16 . Oktober 201512830
(A) (C)
(B) (D)
Erlaubnis der Vorratsdatenspeicherung auch einen Kul-
turwandel vor, dem ich nicht Vorschub leisten möchte .
Die Ablehnung der Vorratsdatenspeicherung birgt na-
türlich Risiken . Falls es zu terroristischen Anschlägen
kommen sollte oder andere Gefahren nicht rechtzeitig
erkannt würden, könnte stets der Vorwurf gemacht wer-
den, mit der Vorratsdatenspeicherung hätte diese oder
jene Gefahr abgewendet werden können . Aber erstens ist
keinesfalls gesichert, dass Vorratsdatenspeicherung über-
haupt der Gefahrenabwehr dienen kann, was der grausa-
me Anschlag im Januar dieses Jahres in Frankreich zeigt .
Zweitens würde das für unsere Gesellschaft bedeuten,
dass das Wohlbefinden durch permanente Überwachung
stärker bedroht wäre als durch terroristische Gefahren .
Diese Terroristen hätten ihr Ziel erreicht: Die Einschrän-
kung unserer Freiheit durch Angst und permanente Über-
wachung .
Hilde Mattheis (SPD): Im Koalitionsvertrag haben
sich CDU/CSU und SPD darauf verständig, die Vorrats-
datenspeicherung in Deutschland nach Vorgabe durch
europäisches Recht umzusetzen . Aber inzwischen hat der
Europäische Gerichtshof (EuGH) am 8 . April 2014 die
bestehende EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung
für rechtswidrig erklärt . Sie ist mit der Charta der Grund-
rechte der Europäischen Union nicht vereinbar . Die Spei-
cherung von Kommunikationsdaten ohne Verdacht auf
Straftaten ist danach nicht zulässig . Die Richter begrün-
den ihre Entscheidung damit, dass die Regelung „einen
Eingriff von großem Ausmaß und besonderer Schwere in
die Grundrechte auf Achtung des Privatlebens und auf
den Schutz personenbezogener Daten, der sich nicht auf
das absolut Notwendige beschränkt“, enthalte .
Damit ist dem Koalitionsvertrag von CDU/CSU und
SPD hinsichtlich der Vorratsdatenspeicherung die Ge-
schäftsgrundlage genommen und Deutschland nicht
mehr zu einer Umsetzung der EU-Richtlinie verpflichtet.
Es besteht also keine rechtliche Notwendigkeit aufseiten
der EU, dieses Instrument einzuführen . Im Gegenteil:
Auch das höchste europäische Gericht hat festgestellt,
dass die VDS nicht mit den Grundrechten vereinbar ist .
Ähnliches hat bereits das Bundesverfassungsgericht
2010 zur damaligen nationalen Regelung zur Vorratsda-
tenspeicherung geurteilt . Das Gericht hob die deutschen
Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung auf, weil sie
unverhältnismäßig tief in die Grundrechte eingriffen .
Trotz dieses Urteils hält Bundesinnenminister
de Maizière an der Vorratsdatenspeicherung fest . Er
meint, dass dieses Instrument „zur Aufklärung schwerer
Straftaten sowie zur Abwehr akuter Gefahren für Leib
und Leben“ benötigt wird .
Diese These konnte fachlich nie bestätigt werden . In-
folge des Verfassungsgerichtsentscheides 2010 kamen
sowohl der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages
als auch andere namhafte Einrichtungen zu dem Schluss,
dass das Instrument nicht dazu beiträgt, die Aufklärungs-
quote von Straftaten signifikant zu erhöhen. Es ist somit
unverständlich, warum nun wieder ein Instrument einge-
führt soll, um erneut wissenschaftlich festzustellen, dass
es überflüssig ist.
Die von der SPD herausgehandelten Verbesserun-
gen – wie die Reduzierung der Speicherfrist – sind nur
ein schwacher Trost und ändern nichts am grundsätzli-
chen Problem: Die Vorratsdatenspeicherung verkehrt
die Unschuldsvermutung ins Gegenteil: Alle Bürgerin-
nen und Bürger werden ohne Anlass überwacht, da ihre
Kommunikationsdaten gespeichert und, bei Bedarf, ab-
gerufen werden . Dieses Prinzip birgt das massive Risiko
eines Missbrauchs der in großem Umfang gespeicherten
Daten .
Es ist daher nicht nachzuvollziehen, warum wir die
Vorratsdatenspeicherung brauchen . Sie kann nicht gesi-
chert helfen, schweren Straftaten vorzubeugen oder bei
deren Aufklärung zu helfen . Das belegt der grausame
Anschlag in Frankreich im Januar 2015 . Die Vorratsda-
tenspeicherung bringt kaum mehr Sicherheit, aber defi-
nitiv weniger Freiheit für den Einzelnen, der in seiner
Menschenwürde eingeschränkt wird . Zu dieser gehört
nämlich auch ein gewisses Maß an unbeobachteter Kom-
munikation, wie das Bundesverfassungsgericht festge-
stellt hat .
Aus diesem Grund lehne ich die Vorratsdatenspeiche-
rung und damit auch den vorliegenden Gesetzesentwurf
ab .
Bettina Müller (SPD): In der SPD spielen die Grund-
werte Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität eine außer-
ordentlich wichtige Rolle . Sie sind Maßstab für die Kul-
tur einer Gesellschaft .
In der Vergangenheit sind vielen Kolleginnen und
Kollegen die Abstimmungen über die VDS schwergefal-
len . Denn trotz verschiedener rechtlicher Restriktionen,
insbesondere der EU-Richtlinien, und dem Druck vieler
Bürgerinnen und Bürger, wenigstens „Waffengleichheit“
zwischen Kriminellen (Terroristen) und den Strafverfol-
gungsbehörden herzustellen, sind unsere Grundwerte da-
von unbenommen .
Die Mitgliedstaaten in Europa wollten mehrheitlich
Speicherfristen von zwei Jahren . Die ehemalige Bun-
desjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) hatte – ge-
gen harten Widerstand – eine Speicherfrist von maximal
sechs Monaten in die Richtlinie verhandelt . Das war un-
ser Stolz – aber ärgerlich gleichwohl . Ein prima Verhand-
lungsergebnis – aber unbefriedigend .
Inzwischen haben sich diese Randbedingungen glück-
licherweise deutlich verändert – zum Vorteil der Freiheit .
Im Koalitionsvertrag steht zwar zur Vorratsdatenspei-
cherung noch: „Wir werden die EU-Richtlinie über den
Abruf und die Nutzung von Telekommunikationsver-
bindungsdaten umsetzen . Dadurch vermeiden wir die
Verhängung von Zwangsgeldern durch den EuGH . Da-
bei soll ein Zugriff auf die gespeicherten Daten nur bei
schweren Straftaten und nach Genehmigung durch einen
Richter sowie zur Abwehr akuter Gefahren für Leib und
Leben erfolgen . Die Speicherung der deutschen Tele-
kommunikationsverbindungsdaten, die abgerufen und
genutzt werden sollen, haben die Telekommunikations-
unternehmen auf Servern in Deutschland vorzunehmen .
Auf EU-Ebene werden wir auf eine Verkürzung der Spei-
cherfrist auf drei Monate hinwirken .“
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 131 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 16 . Oktober 2015 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 131 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 16 . Oktober 2015 12831
(A) (C)
(B) (D)
Und zu digitaler Sicherheit und Datenschutz: „Ziel
der Koalition ist es, die Balance zwischen Freiheit und
Sicherheit auch in der digitalen Welt zu schaffen und zu
bewahren .“
Aber inzwischen hat der Europäische Gerichtshof
(EuGH) am 8 . April 2014 die bestehende EU-Richtlinie
zur Vorratsdatenspeicherung für rechtswidrig erklärt . Sie
ist mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Uni-
on nicht vereinbar . Die Speicherung von Kommunikati-
onsdaten ohne Verdacht auf Straftaten ist danach nicht
zulässig .
Die Richter begründen ihre Entscheidung damit, dass
die Regelung „einen Eingriff von großem Ausmaß und
besonderer Schwere in die Grundrechte auf Achtung
des Privatlebens und auf den Schutz personenbezogener
Daten, der sich nicht auf das absolut Notwendige be-
schränkt“, enthalte .
Damit ist dem Koalitionsvertrag von CDU/CSU und
SPD hinsichtlich der Vorratsdatenspeicherung die Ge-
schäftsgrundlage genommen und Deutschland nicht
mehr zu einer Umsetzung der EU-Richtlinie verpflichtet.
Bisher war dies ein großes Handicap, denn die Ableh-
nung der Vorratsdatenspeicherung war eine Verletzung
einer EU-Richtlinie, außerdem drohte die Zahlung von
Zwangsgeldern . Das hat im Bundestag zu schwierigsten
Abwägungen und teilweise in sich widersprüchlichen
Positionen geführt, führen müssen, denn entweder ver-
stieß man gegen eine EU-Richtlinie oder gegen seine
Überzeugung, dass Vorratsdatenspeicherung weder mit
EU-Recht noch mit der Verfassung vereinbar ist . Deshalb
bin ich sehr froh über die Entscheidung des Europäischen
Gerichtshofs zur Vorratsdatenspeicherung, ein Urteil, das
sich in die Grundbewertung des Bundesverfassungsge-
richts und dessen Urteil sehr gut einfügt .
Während die Richtlinie zur Vorratsspeicherung von
Daten Telekommunikationsbetreibern und Internetanbie-
tern zwingend vorschrieb, Verbindungs- und Standortda-
ten für die Strafverfolgung zu speichern und Deutschland
die Richtlinie mit Wirkung ab 2008 umsetzte, hob das
Bundesverfassungsgericht die deutschen Regelungen zur
Vorratsdatenspeicherung schon im Jahr 2010 auf, weil
sie unverhältnismäßig tief in die Grundrechte eingriffen .
Das Bundesverfassungsgericht führt aus:
„[Es] handelt … sich bei einer solchen Speicherung
um einen besonders schweren Eingriff mit einer Streu-
breite, wie sie die Rechtsordnung bisher nicht kennt:
Erfasst werden über den gesamten Zeitraum von sechs
Monaten praktisch sämtliche Telekommunikationsver-
kehrsdaten aller Bürger ohne Anknüpfung an ein zure-
chenbar vorwerfbares Verhalten, eine – auch nur abstrak-
te – Gefährlichkeit oder sonst eine qualifizierte Situation.
Die Speicherung bezieht sich dabei auf Alltagshandeln,
das im täglichen Miteinander elementar und für die Teil-
nahme am sozialen Leben in der modernen Welt nicht
mehr verzichtbar ist .“
„[Es] lassen sich schon aus den Daten selbst – und
erst recht, wenn diese als Anknüpfungspunkte für wei-
tere Ermittlungen dienen – tiefe Einblicke in das sozia-
le Umfeld und die individuellen Aktivitäten eines jeden
Bürgers gewinnen . … aus diesen Daten lassen sich …
bei umfassender und automatisierter Auswertung bis in
die Intimsphäre hineinreichende inhaltliche Rückschlüs-
se ziehen . [Sie lassen] in ihrer Kombination detaillierte
Aussagen zu gesellschaftlichen oder politischen Zuge-
hörigkeiten sowie persönlichen Vorlieben, Neigungen
und Schwächen derjenigen [zu], deren Verbindungsdaten
ausgewertet werden .“
„… die anlasslose Speicherung von Telekommuni-
kationsverkehrsdaten [ist] geeignet, ein diffus bedroh-
liches Gefühl des Beobachtetseins hervorzurufen, das
eine unbefangene Wahrnehmung der Grundrechte in
vielen Bereichen beeinträchtigen kann .“ (BVerfG, Urt . v .
2 . März 2010–1 BvR 256/08, Rn . 210, 211, 212)
So weit das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) .
Im politischen Raum fällt es offensichtlich schwer,
die Urteile und deren Begründungen mit der gebotenen
Vorsicht zu lesen . So sieht Bundesinnenminister Thomas
de Maizière (CDU) in Mindestspeicherfristen alias Vor-
ratsdatenspeicherung noch immer ein wichtiges Mittel
für die Aufklärung schwerer Straftaten: „Auch wenn die
Richtlinie selbst nun aufgehoben wurde, hat die Entschei-
dung aber Gewissheit gebracht, dass das Instrument der
Vorratsdatenspeicherung sowohl verfassungsrechtlich
als auch europarechtlich zulässig ist .“ Und weiter: „Da
wir dieses Instrument dringend zur Aufklärung schwerer
Straftaten sowie zur Abwehr akuter Gefahren für Leib
und Leben benötigen, dränge ich rasch auf eine kluge,
verfassungsgemäße und mehrheitsfähige Neuregelung .“
Das sehe ich anders .
Mit Blick auf die Arbeitsergebnisse im Zusammen-
hang mit den NSU-Morden, aber auch mit Blick auf die
Arbeit des BND, der allem Anschein nach fremden Ge-
heimdiensten geholfen hat, Bürgerinnen und Bürger so-
wie deutsche und europäische Unternehmen – wer wollte
wissen, wen außerdem noch – auszuspionieren, scheint
der Bundesinnenminister hier eine gewagte Idee zu ver-
folgen . Außerdem hat das Bundesverfassungsgericht ja
gerade auch zu diesem Sachverhalt erklärt, warum „Die
bloße Möglichkeit, dass Daten zu Zwecken der Strafver-
folgung oder der Gefahrenabwehr benötigt werden könn-
ten“, den Eingriff nicht rechtfertigt .
Neben de Maizière wird der fachliche Bedarf der Vor-
ratsdatenspeicherung auch von der Innenministerkonfe-
renz der Länder und sogar vom Deutschen Richterbund
als „unerlässliches Instrument gegen die Verbrechens-
bekämpfung“ gefordert . Das wurde bisher nicht bewie-
sen, ist aber verständlich, denn es ist viel leichter, sich
ein neues Werkzeug zu kaufen, als die vorhandenen zu
schärfen .
In der Großen Koalition ist es ein Meisterstück von
Bundesjustizminister Heiko Maas, nun zehn bzw . vier
Wochen Speicherfrist rausverhandelt zu haben . Bundes-
innenminister, Polizei und Diensten ist das zu wenig, ob-
wohl Ermittler auch heute schon auf gespeicherte Daten
der Telekommunikationsbetreiber zugreifen können –
Funkzellenabfrage .
Berücksichtigen wir diese Gemengelage, wird deut-
lich, wie groß der Verhandlungserfolg von Heiko Maas
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 131 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 16 . Oktober 201512832
(A) (C)
(B) (D)
ist . Der Verhandlungserfolg ist maximal . Leider ist aber
das mit der CDU/CSU maximal Mögliche nicht das Op-
timale für unsere Gesellschaft .
Ich werde daher einem Gesetz, das anlasslose Vorrats-
datenspeicherung – auch Mindestdatenspeicherung oder
Mindest- bzw . Höchstspeicherfrist – von Kommunikati-
onsdaten erlaubt, nicht zustimmen .
Mein Hauptargument findet sich in der Begründung
der Beschwerdeführer, die gegen die Vorratsdatenspei-
cherung vor das BVerfG gezogen sind:
„Die Vorratsdatenspeicherung beeinträchtige die …
Unbefangenheit der Kommunikation . Der Schutz der
Menschenwürde verlange ein gewisses Maß an unbeob-
achteter Kommunikation …“ . In den USA sehen viele
Menschen das Sammeln und Speichern von Daten als
unproblematisch an, dort ist allein wichtig, was mit den
Daten geschieht . Demgegenüber gibt es in Deutschland
die Tendenz, die missbräuchliche Verwendung von Da-
ten dadurch zu verhindern, dass Daten schon gar nicht
gesammelt oder gespeichert werden . Insofern bereitet die
Erlaubnis der Vorratsdatenspeicherung auch einen Kul-
turwandel vor, dem ich nicht Vorschub leisten möchte .
Die Ablehnung der Vorratsdatenspeicherung birgt na-
türlich Risiken . Falls es zu terroristischen Anschlägen
kommen sollte oder andere Gefahren nicht rechtzeitig
erkannt würden, könnte stets der Vorwurf gemacht wer-
den, mit der Vorratsdatenspeicherung hätte diese oder
jene Gefahr abgewendet werden können . Aber erstens ist
keinesfalls gesichert, dass Vorratsdatenspeicherung über-
haupt der Gefahrenabwehr dienen kann, was der grausa-
me Anschlag im Januar dieses Jahres in Frankreich zeigt .
Zweitens würde das für unsere Gesellschaft bedeuten,
dass das Wohlbefinden durch permanente Überwachung
stärker bedroht wäre als durch terroristische Gefahren .
Diese Terroristen hätten ihr Ziel erreicht: Die Einschrän-
kung unserer Freiheit durch Angst und permanente Über-
wachung .
Markus Paschke (SPD): In der SPD spielen die
Grundwerte Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität eine
außerordentlich wichtige Rolle . Sie sind Maßstab für die
Kultur einer Gesellschaft .
Im Koalitionsvertrag steht zur Vorratsdatenspeiche-
rung: „Wir werden die EU-Richtlinie über den Abruf und
die Nutzung von Telekommunikationsverbindungsdaten
umsetzen . Dadurch vermeiden wir die Verhängung von
Zwangsgeldern durch den EuGH . Dabei soll ein Zugriff
auf die gespeicherten Daten nur bei schweren Straftaten
und nach Genehmigung durch einen Richter sowie zur
Abwehr akuter Gefahren für Leib und Leben erfolgen .
Die Speicherung der deutschen Telekommunikationsver-
bindungsdaten, die abgerufen und genutzt werden sollen,
haben die Telekommunikationsunternehmen auf Servern
in Deutschland vorzunehmen . Auf EU-Ebene werden wir
auf eine Verkürzung der Speicherfrist auf drei Monate
hinwirken .“
Und zu digitaler Sicherheit und Datenschutz: „Ziel
der Koalition ist es, die Balance zwischen Freiheit und
Sicherheit auch in der digitalen Welt zu schaffen und zu
bewahren .“
Aber inzwischen hat der Europäische Gerichtshof
(EuGH) am 8 . April 2014 die bestehende EU-Richtlinie
zur Vorratsdatenspeicherung für rechtswidrig erklärt . Sie
ist mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Uni-
on nicht vereinbar . Die Speicherung von Kommunikati-
onsdaten ohne Verdacht auf Straftaten ist danach nicht
zulässig .
Die Richter begründen ihre Entscheidung damit, dass
die Regelung „einen Eingriff von großem Ausmaß und
besonderer Schwere in die Grundrechte auf Achtung
des Privatlebens und auf den Schutz personenbezogener
Daten . der sich nicht auf das absolut Notwendige be-
schränkt“, enthalte .
Während die Europäische Richtlinie zur Vorratsspei-
cherung von Daten Telekommunikationsbetreibern und
Internetanbietern zwingend vorschrieb . Verbindungs-
und Standortdaten für die Strafverfolgung zu speichern,
und Deutschland die Richtlinie mit Wirkung ab 2008
umsetzte, hob das Bundesverfassungsgericht die deut-
schen Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung schon
im Jahr 2010 auf, weil sie unverhältnismäßig tief in die
Grundrechte eingriffen .
Das Bundesverfassungsgericht führt aus:
„[Es] handelt . . . sich bei einer solchen Speicherung
um einen besonders schweren Eingriff mit einer Streu-
breite, wie sie die Rechtsordnung bisher nicht kennt:
Erfasst werden über den gesamten Zeitraum von sechs
Monaten praktisch sämtliche Telekommunikationsver-
kehrsdaten aller Bürger ohne Anknüpfung an ein zure-
chenbar vorwerfbares Verhalten, eine – auch nur abstrak-
te – Gefährlichkeit oder sonst eine qualifizierte Situation.
Die Speicherung bezieht sich dabei auf Alltagshandeln,
das im täglichen Miteinander elementar und für die Teil-
nahme am sozialen Leben in der modernen Welt nicht
mehr verzichtbar ist .“
„[Es] lassen sich schon aus den Daten selbst – und
erst recht, wenn diese als Anknüpfungspunkte für wei-
tere Ermittlungen dienen – tiefe Einblicke in das sozia-
le Umfeld und die individuellen Aktivitäten eines jeden
Bürgers gewinnen . . . . aus diesen Daten lassen sich . . . bei
umfassender und automatisierter Auswertung bis in die
Intimsphäre hineinreichende inhaltliche Rückschlüs-
se ziehen . [Sie lassen] in ihrer Kombination detaillierte
Aussagen zu gesellschaftlichen oder politischen Zuge-
hörigkeiten sowie persönlichen Vorlieben, Neigungen
und Schwächen derjenigen [zu], deren Verbindungsdaten
ausgewertet werden .“
„ . . . die anlasslose Speicherung von Telekommuni-
kationsverkehrsdaten [ist] geeignet, ein diffus bedroh-
liches Gefühl des Beobachtetseins hervorzurufen, das
eine unbefangene Wahrnehmung der Grundrechte in
vielen Bereichen beeinträchtigen kann .“ (BVerfG, Urt . v .
2 . März 2010–1 BvR 256/08, Rn . 210, 211, 212)
So weit das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) .
In der Großen Koalition ist es ein Meisterstück von
Bundesjustizminister Heiko Maas, nun zehn bzw .
vier Wochen Speicherfrist rausverhandelt zu haben . Bun-
desinnenminister, Polizei und Diensten ist das zu wenig,
obwohl Ermittler auch heute schon auf gespeicherte Da-
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 131 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 16 . Oktober 2015 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 131 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 16 . Oktober 2015 12833
(A) (C)
(B) (D)
ten der Telekommunikationsbetreiber, u . a . Funkzellen-
abfragen, zugreifen können .
Berücksichtigen wir diese Gemengelage, wird deut-
lich, wie groß der Verhandlungserfolg von Heiko Maas
ist . Der Verhandlungserfolg ist maximal .
Am 15 . April 2015 hat Heiko Maas Leitlinien vorge-
legt, die eine eng begrenzte Pflicht für alle Telekommuni-
kationsanbieter zur Speicherung von wenigen, genau be-
zeichneten Verkehrsdaten unter Ausnahme von Diensten
der elektronischen Post – also E-Mail – enthalten .
Oberste Richtschnur aller Regelungen sind dabei die
strengen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes und
des Europäischen Gerichtshofes . Die genannten Leitlini-
en sind viel restriktiver als das vom Bundesverfassungs-
gericht aufgehobene, ehemalige Gesetz zur Vorratsda-
tenspeicherung, viel restriktiver als die aufgehobene
europäische Richtlinie und auch viel restriktiver, als es
CDU und CSU wollen .
Es müssen nur genau bezeichnete Telekommunikati-
onsdaten gespeichert werden . Dazu zählen Rufnummer,
Beginn und Ende des Telefonats sowie im Fall von Inter-
net-Telefondiensten auch die IP-Adressen . Diese Daten
sollen zehn Wochen gespeichert werden .
Eine Speicherfrist von vier Wochen gilt für die Be-
zeichnung der Funkzellen, die durch den anrufenden und
den angerufenen Anschluss bei Beginn der Verbindung
genutzt werden . Diese kurze vierwöchige Speicherfrist
ist vorgesehen . weil verhindert werden soll, dass mittels
dieser Daten Bewegungs- und Persönlichkeitsprofile er-
stellt werden können .
Zusätzlich muss im richterlichen Anordnungsbe-
schluss einzelfallbezogen begründet werden, warum der
Abruf von Funkzellendaten erforderlich und angemessen
ist . Anders als etwa in Frankreich dürfen Kommunikati-
onsinhalte und aufgerufene Internetseiten nicht gespei-
chert werden .
Um die Grundrechte der Betroffenen auf Datenschutz
und Schutz ihrer Privatsphäre zu wahren, ist der Da-
tenabruf nur zur Verfolgung von schwersten Straftaten
möglich . Daten von Berufsgeheimnisträgern wie Journa-
listen, Anwälten oder Ärzten unterliegen einem Verwer-
tungsverbot . Dies gilt auch bei Zufallsfunden .
Wichtig ist, dass der Zugriff auf die gespeicherten Da-
ten transparent und restriktiv geregelt ist: Es gibt einen
strengen Richtervorbehalt, das heißt, nur auf richterli-
chen Beschluss hin dürfen Ermittlungsbehörden die Da-
ten abrufen, und es gibt keine Eilkompetenz der Staats-
anwaltschaft oder der Polizei .
Darüber hinaus müssen die Betroffenen grundsätzlich
über jeden Abruf informiert werden . Nach Ablauf der
Speicherfrist von zehn bzw . vier Wochen müssen die ge-
speicherten Daten gelöscht werden . Verstöße gegen die
Löschpflichten oder die Weitergabe von Daten haben
strenge Sanktionen für die Dienstanbieter zur Folge .
Um die Sicherheit der gespeicherten Daten zu ge-
währleisten, werden die Dienstanbieter zudem verpflich-
tet, die Daten zu schützen . Auch müssen die Server, auf
denen die Daten gespeichert werden, innerhalb Deutsch-
lands stehen, Wenn ein Dienstanbieter mit den gespei-
cherten Daten Handel treibt und diese unbefugt an Dritte
weitergibt, ist dies zukünftig eine Straftat nach dem neu
zu schaffenden Tatbestand der Datenhehlerei .
Die Leitlinien sind also eine gute Grundlage für die
weitere Debatte und das anstehende parlamentarische
Verfahren, und am Ende kann ein ausgewogener politi-
scher Kompromiss stehen . Und: Deutschland hätte damit
die strikteste Regelung zur Speicherung von Verkehrsda-
ten in ganz Europa .
Deshalb werde ich dem Gesetz in Abwägung der Vor-
und Nachteile zustimmen .
Wenn ich die Häme in so manchem Blog von Leuten
lese, die sich einem sensiblen Abwägungsprozess hin-
sichtlich der Vorratsdatenspeicherung verschließen, habe
ich ähnliche Bedenken, wie bei denen, die einen Über-
wachungsstaat fordern, Noch verwunderter bin ich über
Aktivisten im Web, die zwar Vorratsdatenspeicherung –
und sei sie staatlich noch so gut reguliert – vehement ab-
lehnen, aber kein Problem damit haben, jede Menge per-
sönlicher Daten bzw. Verhaltensprofile in die Hände von
privaten aus den USA gesteuerten Konzernen zu geben .
Mechthild Rawert (SPD): Mit dem Gesetz zur Ein-
führung einer Speicherpflicht und Höchstspeicherfrist
für Verkehrsdaten wird die Grundlage geschaffen, dass
anlasslos und flächendeckend Telekommunikations- und
hochsensible Ortungsdaten über Wochen bzw . Monate
gespeichert werden. Diese anlasslose und flächendecken-
de Vorratsdatenspeicherung ist ein undifferenziertes und
rechtlich unverhältnismäßiges Überwachungsinstrument,
das die Grundrechte in unzumutbarer Art einschränkt
und alle BürgerInnen unter einen Generalverdacht stellt .
Die Speicherung von Telekommunikationsdaten birgt
durch die dabei entstehenden Datenmengen ein unver-
hältnismäßiges Risiko, das keineswegs mit vermeintli-
chen, aber objektiv nicht zu belegenden Vorteilen bei der
Strafverfolgung aufgewogen werden kann . Zur Aufklä-
rung von Straftaten müssen alle vorhandenen rechtlichen
Mittel ausgeschöpft werden und Ermittlungsbehörden
ausreichend personell und technisch ausgestattet sein .
Ein Gutachten des Max-Planck-Instituts für ausländi-
sches und internationales Strafrecht im Auftrag des Bun-
desjustizministeriums kam 2011 zu dem Ergebnis, dass
keine Schutzlücke durch das Fehlen der Vorratsdaten-
speicherung existiert .
Ich sehe mit Sorge, dass mit diesem Gesetzentwurf
der Staat einen Paradigmenwechsel hin zu einer anlass-
losen und flächendeckenden Speicherung von Daten der
Bürgerinnen und Bürger anordnet . Hier wird Freiheit ge-
gen eine vermeintliche Sicherheit, von der ich noch nicht
einmal überzeugt bin, dass wir sie damit erreichen, in
überzogener Weise eingeengt .
Ungeklärt ist für mich auch, welche Beweiskraft die
gespeicherten und gegebenenfalls ausgelesenen Daten
haben werden . Da Gesprächsinhalte – und das ist gut
so – nicht gespeichert werden dürfen, kann eine Person
ins Visier der Ermittlungsbehörden gelangen, die zwar
Kontakt mit einem Tatverdächtigen hat, aber mit den
mutmaßlichen Taten nichts zu tun hat .
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 131 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 16 . Oktober 201512834
(A) (C)
(B) (D)
Mich treibt auch die Sorge um die Sicherheit der ge-
speicherten Daten um . Nicht zuletzt der Hackerangriff
auf das Datennetz des Deutschen Bundestages zeigt, dass
nichts und niemand davor geschützt ist, dass seine oder
ihre Daten von fremden, unbefugten Menschen „abge-
griffen“ werden können und ein Missbrauch der gespei-
cherten Daten niemals ausgeschlossen werden kann .
Die BefürworterInnen der Vorratsdatenspeicherung be-
gründen ihr Votum mit besserer Erkenntnisgewinnung für
die Strafverfolgungsbehörden . Diese könnten bislang nicht
auf alle Verbindungsdaten zugreifen und so entscheidende
Verknüpfungen nicht nachvollziehen, um schwere Straf-
taten zu verhindern . Dieser Argumentation kann ich nicht
folgen . Sicherlich ist es für alle Strafverfolgungsbehör-
den – und auch für mich – von Interesse, schwere Straftaten
aufzuklären und das Begehen schwerer Straftaten zu ver-
hindern . Mir ist aber nach wie vor nicht klar, wie aus dem
entstehenden Datenwust die entsprechenden Verbindungs-
daten herausgefiltert werden können, ohne Unbescholtene
in die Ermittlungen zu verwickeln . Ich glaube außerdem
nicht, dass mutmaßliche TäterInnen so unbedarft agieren
und auf Telekommunikationsanbieter zurückgreifen, die
zur Speicherung der Daten verpflichtet sind.
Der Gesetzentwurf sieht eine Evaluation nach 36 Mo-
naten vor . Das begrüße ich . Ich bezweifele jedoch, ob
wir mit einer Evaluation den realen Nutzen der Vorrats-
datenspeicherung bewerten können . Denn – wo soll der
Erfolgsmaßstab ansetzen? Wie schwer wiegt die erfolg-
reiche Ermittlung oder Verhinderung einer schweren
Straftat gegenüber der Überwachung aller BürgerInnen?
Ich habe darüber hinaus Sorge, dass auch dieser Ge-
setzentwurf gegen europäisches Recht verstößt . Denn der
Europäische Gerichtshof fordert, dass Daten weder kom-
plett noch anlasslos gesammelt werden dürfen . Wenn Ver-
bindungs- und Standortdaten jedoch von jeder/m BürgerIn
für einen gewissen Zeitraum von den Telekommunikati-
onsanbietern gespeichert werden müssen, sind sie meiner
Überzeugung nach komplett und anlasslos gespeichert .
Der Europäische Gerichtshof urteilte, dass die damalige
EU-Richtlinie 2006/24/EG zur Einführung einer Vorrats-
datenspeicherung nicht mit der Charta der Grundrechte
der Europäischen Union vereinbar ist . Auch das Bundes-
verfassungsgericht entschied, dass die damalige Vorrats-
datenspeicherung gegen Artikel 10 Absatz 1 des Grund-
gesetzes (Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis) verstieß .
Aus diesen Gründen werde ich mit Nein abstimmen .
Anlage 5
Erklärung nach § 31 GO
des Abgeordneten Dr. Matthias Zimmer (CDU/
CSU) zu der namentlichen Abstimmung über den
von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD einge-
brachten Entwurf eines Gesetzes zur Einführung
einer Speicherpflicht und Höchstspeicherfrist für
Verkehrsdaten (Zusatztagesordnungspunkt 5 a)
In der Ergebnisliste zu der namentlichen Abstimmung
ist mein Name nicht aufgeführt .
Mein Votum lautet: Ja .
Anlage 6
Erklärung nach § 31 GO
des Abgeordneten Dr. Karamba Diaby (SPD) zu
den namentlichen Abstimmungen über den von den
Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten
Entwurf eines Asylverfahrensbeschleunigungsge-
setzes (130. Sitzung, Tagesordnungspunkt 5 a)
In den Ergebnislisten zu den fünf namentlichen Abstim-
mungen Top 5 a „Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz“
am 15 .10 .2015, zu den Drucksachen: 18/6185, 18/6386,
18/6387, 18/3839, 18/6190, 18/4694, 18/6386, 18/6172,
18/6381, 18/5921, 18/6289 und 18/6392 – ist mein Votum
nicht aufgeführt . Mein Votum lautet jeweils „Enthaltung“ .
Anlage 7
Erklärung nach § 31 GO
des Abgeordneten Christoph Strässer (SPD) zu den
namentlichen Abstimmungen über den von den
Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten
Entwurf eines Asylverfahrensbeschleunigungsge-
setzes (130. Sitzung, Tagesordnungspunkt 5 a)
Zu den namentlichen Abstimmungen über den von den
Fraktionen CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurf
eins Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes Drucksa-
chen 18/6185, 18/6386 und 18/6387 – in der Plenarsit-
zung am 15 . Oktober 2015 sind meine Voten für die für
die ersten drei namentlichen Abstimmungen, über
– Artikel 1 Nr . 15, 16 und 19 des Gesetzentwurfs;
Änderung des Asylverfahrensgesetzes (u . a . Ver-
längerung der Aufenthaltshöchstdauer in Erstauf-
nahmeeinrichtungen von drei auf sechs Monate)
– Artikel 1 Nr . 35 des Gesetzentwurfs; Neufassung
der Anlage II zu § 29 a des Asylverfahrensgesetzes
(Erweiterung der Liste der Sicheren Herkunftsstaa-
ten um Albanien, Kosovo und Montenegro)
– Artikel 2 des Gesetzentwurfs; Änderung des Asyl-
bewerberleistungsgesetzes (u . a . Sachleistungen)
nicht aufgeführt .
Mein Votum lautet:
– 1 . Abstimmung zu Art . 1 Nr . 15, 16 und 19: Enthal-
tung .
– 2 . Abstimmung zu Art . 1, Nr . 35: Nein .
– 3 . Abstimmung zu Art . 2: Enthaltung .
Anlage 8
Erklärung nach § 31 GO
des Abgeordneten Kerstin Tack (SPD) zu den na-
mentlichen Abstimmungen über den von den Frak-
tionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Ent-
wurf eines Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes
(130. Sitzung, Tagesordnungspunkt 5 a)
Hiermit erkläre ich, dass ich an der zweiten namentli-
chen Abstimmung nicht teilgenommen habe .
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 131 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 16 . Oktober 2015 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 131 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 16 . Oktober 2015 12835
(A) (C)
(B) (D)
Anlage 9
Amtliche Mitteilung
Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben
mitgeteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden Uni-
onsdokumente zur Kenntnis genommen oder von einer
Beratung abgesehen hat .
Finanzausschuss
Drucksache 18/419 Nr . A .60
Ratsdokument 12044/13
Drucksache 18/419 Nr . A .69
Ratsdokument 16918/13
Drucksache 18/419 Nr . C .32
Ratsdokument 9270/11
Drucksache 18/419 Nr . C .33
Ratsdokument 15938/11
Drucksache 18/419 Nr . C .34
Ratsdokument 15939/11
Drucksache 18/5982 Nr . A .18
Ratsdokument 11283/15
Haushaltsausschuss
Drucksache 18/5286 Nr . A .7
Ratsdokument 9000/15
Drucksache 18/5459 Nr . A .10
Ratsdokument 9403/15
Drucksache 18/5982 Nr . A .20
KOM(2015)326 endg .
Drucksache 18/5982 Nr . A .23
Ratsdokument 10405/15
Drucksache 18/5982 Nr . A .24
Ratsdokument 10882/15
Drucksache 18/5982 Nr . A .26
Ratsdokument 11113/15
Drucksache 18/6146 Nr . A .8
Ratsdokument 11496/15
Ausschuss für Wirtschaft und Energie
Drucksache 18/5982 Nr . A .30
Ratsdokument 11012/15
Drucksache 18/5982 Nr . A .31
Ratsdokument 11016/15
Drucksache 18/5982 Nr . A .32
Ratsdokument 11017/15
Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft
Drucksache 18/6240 Nr . A .2
Ratsdokument 11675/15
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Drucksache 18/5286 Nr . A .15
EP P8_TA-PROV(2015)0107
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Drucksache 18/3898 Nr . A .16
Ratsdokument 17001/14
Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de
Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de
131. Sitzung
Inhaltsverzeichnis
ZP 5 a) Einführung einer Speicherpflicht für Verkehrsdaten
TOP 26 Krankenhausfinanzierung
TOP 27 Kinder in Entwicklungs- und Schwellenländern
TOP 28 Gesetz zur Modernisierung des Vergaberechts
TOP 29 Rückstellungen der Atomkraftwerksbetreiber
Anlagen
Anlage 1
Anlage 2
Anlage 3
Anlage 4
Anlage 5
Anlage 6
Anlage 7
Anlage 8
Anlage 9