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ID1812010800

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 18/120 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 120. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 9. September 2015 Inhalt Tagesordnungspunkt 1 (Fortsetzung): a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes über die Feststellung des Bundes- haushaltsplans für das Haushaltsjahr 2016 (Haushaltsgesetz 2016) Drucksache 18/5500 . . . . . . . . . . . . . . . . . 11603 A b) Beratung der Unterrichtung durch die Bun- desregierung: Finanzplan des Bundes 2015 bis 2019 Drucksache 18/5501 . . . . . . . . . . . . . . . . . 11603 B Einzelplan 04 Bundeskanzlerin und Bundeskanzleramt Dr . Gregor Gysi (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 11603 B Dr . Angela Merkel, Bundeskanzlerin . . . . . . . 11609 A Katrin Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11614 C Thomas Oppermann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 11619 A Volker Kauder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 11622 A Heike Hänsel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 11625 B Volker Kauder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 11625 D Bettina Hagedorn (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 11625 D Gerda Hasselfeldt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 11627 C Martin Gerster (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11630 A Ewald Schurer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11631 C Monika Grütters, Staatsministerin BK . . . . . . 11632 D Sigrid Hupach (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 11634 A Burkhard Blienert (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 11635 A Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 11636 D Rüdiger Kruse (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 11637 D Ulle Schauws (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 11639 B Dr . Eva Högl (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11640 A Einzelplan 05 Auswärtiges Amt Dr . Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister AA 11642 B Michael Leutert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 11645 C Dr . Franz Josef Jung (CDU/CSU) . . . . . . . . . 11646 C Stefan Liebich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 11647 B Heike Hänsel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 11647 D Dr . Frithjof Schmidt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11649 C Niels Annen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11651 A Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) . . . . . . . . . 11652 B Jürgen Hardt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 11653 C Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 11655 C Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 120 . Sitzung . Berlin, Mittwoch, den 9 . September 2015II Dr . Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11655 D Frank Schwabe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11656 C Detlef Seif (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . 11657 C Alois Karl (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . 11659 A Einzelplan 14 Bundesministerium der Verteidigung Dr . Ursula von der Leyen, Bundesministerin BMVg . . . . . . . . . . . . . . 11661 A Michael Leutert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 11663 D Karin Evers-Meyer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 11665 A Dr . Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11666 B Henning Otte (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 11667 D Dr . Alexander S . Neu (DIE LINKE) . . . . . . . 11669 C Rainer Arnold (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11671 B Doris Wagner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11672 D Ingo Gädechens (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 11674 A Lars Klingbeil (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11675 B Bartholomäus Kalb (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 11676 B Dr . Fritz Felgentreu (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 11677 C Einzelplan 23 Bundesministerium für wirtschaftliche Zu- sammenarbeit und Entwicklung Dr . Gerd Müller, Bundesminister BMZ . . . . . 11678 D Michael Leutert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 11681 B Sonja Steffen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11682 C Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11683 D Dagmar G . Wöhrl (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 11685 A Heike Hänsel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 11686 D Dr. Bärbel Kofler (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 11688 B Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11689 D Jürgen Klimke (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 11691 B Gabriela Heinrich (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 11693 A Volkmar Klein (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 11694 C Stefan Rebmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 11696 A Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11697 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . . 11699 A (A) (C) (B) (D) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 120 . Sitzung . Berlin, Mittwoch, den 9 . September 2015 11603 120. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 9. September 2015 Beginn 9 .00 Uhr
  • folderAnlagen
    Stefan Rebmann (A) (C) (B) (D) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 120 . Sitzung . Berlin, Mittwoch, den 9 . September 2015 11699 Anlage zum Stenografischen Bericht Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Amtsberg, Luise BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 09 .09 .2015 Beck (Bremen), Marieluise BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 09 .09 .2015 Becker, Dirk SPD 09 .09 .2015 Brand, Michael CDU/CSU 09 .09 .2015 Brandl, Dr . Reinhard CDU/CSU 09 .09 .2015 De Ridder, Dr . Daniela SPD 09 .09 .2015 Dröge, Katharina BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 09 .09 .2015 Ebner, Harald BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 09 .09 .2015 Groth, Annette DIE LINKE 09 .09 .2015 Hartmann (Wackern- heim), Michael SPD 09 .09 .2015 Hirte, Dr . Heribert CDU/CSU 09 .09 .2015 Irlstorfer, Erich CDU/CSU 09 .09 .2015 Kiziltepe, Cansel SPD 09 .09 .2015 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Klein-Schmeink, Maria BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 09 .09 .2015 Kolbe, Daniela SPD 09 .09 .2015 Lenkert, Ralph DIE LINKE 09 .09 .2015 Mihalic, Irene BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 09 .09 .2015 Mortler, Marlene CDU/CSU 09 .09 .2015 Obermeier, Julia CDU/CSU 09 .09 .2015 Pfeiffer, Sibylle CDU/CSU 09 .09 .2015 Renner, Martina DIE LINKE 09 .09 .2015 Röspel, René SPD 09 .09 .2015 Sarrazin, Manuel BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 09 .09 .2015 Schwarzelühr-Sutter, Rita SPD 09 .09 .2015 Tressel, Markus BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 09 .09 .2015 Satz: Satzweiss.com, Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de http://www.satzweiss.com http://www.printsystem.de http://www.betrifft-gesetze.de 120. Sitzung Inhaltsverzeichnis TOP 1 Einbringung Haushaltsgesetz 2016 – Finanzplan des Bundes 2015 bis 2019 Epl 04 Bundeskanzlerin und Bundeskanzleramt Epl 05 Auswärtiges Amt Epl 14 Verteidigung Epl 23 wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Anlage
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dagmar G. Wöhrl


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)


    Liebe Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kolle-

    gen! Wir wissen, die Haushaltsdebatte, die diese Woche
    läuft, ist hauptsächlich von einem Thema beherrscht . Uns
    allen sind die schrecklichen Bilder von im Mittelmeer
    ertrunkenen Menschen vor Augen – inzwischen sind es
    über 2 600 –, von Menschen, die in Europa in Lastwagen
    erstickt sind, Flüchtlinge, die mit ihren Familien versu-
    chen, an der ungarischen Grenze Stacheldrahtzäune zu
    überwinden .

    Ein Drittel davon sind Kinder und Jugendliche .

    Es sind Bilder, die uns allen nicht mehr aus dem Kopf
    gehen . Vielen von uns standen die Tränen in den Augen,
    als wir das Bild von Aylan gesehen haben . Aber es sind
    auch Bilder, die uns zum Handeln zwingen und die uns
    sagen: Wir müssen umdenken . Wir müssen in diesem
    Zusammenhang wieder verstärkt das Heft in die Hand
    nehmen .

    Wir haben gehört, dass über 60 Millionen Menschen
    auf der Flucht sind, darunter 38 Millionen Binnenflücht-
    linge . 86 Prozent der Menschen, die aus ihrem Heimat-
    land fliehen, leben in Entwicklungsländern. Das heißt,
    jeder 122 . Mensch auf der Welt ist auf der Flucht . Hier
    sind auch wir gefordert, und zwar in vielfältiger Art und
    Weise . Gefordert, dass wir verhindern müssen, dass es
    in den Ländern, in die die Flüchtlinge vor allem flie-
    hen – wie Jordanien oder den Libanon, wo inzwischen
    25 Prozent der Bevölkerung Flüchtlinge sind –, zu einer
    Destabilisierung kommt .

    Ich bin froh, dass wir auch schon in der Vergangenheit
    mit 170 verschiedenen Projekten im Rahmen der Syri-
    en-Krise aktiv gewesen sind . Ich möchte nicht wissen,
    wo wir heute stünden, wenn wir nicht in der Vergangen-
    heit schon so aktiv unsere Entwicklungszusammenarbeit
    gestaltet hätten .


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Deswegen auch vielen herzlichen Dank an die vielen, die
    auch in der Vergangenheit mit aktiv gewesen sind! Ich
    bin froh, dass wir jetzt durch das Aufstocken des Etats
    die Möglichkeit haben, in diesem Bereich noch stärker
    aktiv zu werden .

    Wir leben in einer Zeit zunehmender Gewalt . Krisen
    und Konflikte spitzen sich immer mehr zu. Es gibt im-
    mer mehr Vertreibung durch Terrorismus und ethnische
    Probleme, und vor allem auch immer mehr bittere Ar-
    mut und Hunger, die die Menschen fliehen lassen. Das
    Flüchtlingsthema hat also eine neue Dimension erreicht .

    Ich bin froh, dass wir die drei Sonderinitiativen haben,
    die von unserem Minister auf den Weg gebracht worden
    sind, nämlich „EineWelt ohne Hunger“, „Fluchtursachen
    bekämpfen – Flüchtlinge reintegrieren“ und „Stabilisie-
    rung und Entwicklung in Nordafrika und Nahost“, die es
    schon vorher gab, und dass wir die Mittel von 200 Milli-
    onen Euro auf 400 Millionen Euro verdoppeln konnten .
    Vielen Dank auch an die Haushälter über die Fraktions-
    grenzen hinweg! Aber wir wissen, es wirkt immer alles
    wie ein Tropfen auf den heißen Stein . Wir würden uns in
    diesem Rahmen natürlich mehr wünschen .

    Fluchtursachen bekämpfen: Das ist zurzeit in al-
    ler Munde . Aber was sind Fluchtursachen? Ich habe es
    schon angesprochen: Wie würden wir dastehen, wenn
    wir in diesem Zusammenhang bisher nicht aktiv gewe-
    sen wären?

    Für uns ist es wichtig, dass wir im Rahmen unserer
    Entwicklungszusammenarbeit es schaffen, Lebenspers-
    pektiven in den Entwicklungsländern bzw . in den krisen-
    geschüttelten Ländern zu verbessern . Das sind Länder,
    die eine sehr junge Bevölkerung haben . In Afrika leben
    jetzt 1,2 Milliarden Menschen . 2100 soll Afrika 4,4 Mil-
    liarden Einwohner haben . Das ist fast das Vierfache . Über
    50 Prozent sind junge Leute, die eine Perspektive brau-
    chen . Das sind junge Leute, die in ihrer Heimat bleiben
    wollen . Es ist schließlich nicht so, dass sie ihre Heimat
    gerne verlassen . Sie möchten zu Hause bei ihrer Familie
    bleiben: bei ihrer Schwester, bei ihrem Bruder oder bei
    ihren Kindern . Wir müssen ihnen eine Chance geben . Sie
    brauchen unsere Unterstützung, damit sie in ihrem Hei-
    matland und in ihrem Heimatort etwas bewegen können .
    Sonst werden sich viele von ihnen in Bewegung setzen .

    Ich hoffe, dass wir auf dem Gipfeltreffen in Malta
    im Herbst geschlossen mit einer Stimme sprechen . Die
    Europäische Union ist eine Macht, aber nur dann, wenn
    sie auch zukünftig mit einer Stimme spricht . Die Staaten
    müssen umdenken . Sie müssen mehr gemeinsam agieren
    und auch einmal gegenüber den Regierenden in den af-
    rikanischen Ländern mit der Faust auf den Tisch hauen,
    nach dem Motto „So geht es nicht weiter“ . Sie müssen
    wissen, dass sie in die Pflicht genommen werden, sie
    müssen wissen, dass sie selbst den Exodus der Einwoh-
    ner ihrer Länder verhindern müssen und dass sie aktiver
    sein müssen als bisher .


    (Beifall des Abg . Martin Patzelt [CDU/CSU])


    Nichtsdestoweniger ist es für uns wichtig, auch wei-
    terhin für die Ernährungssicherung zu sorgen, was wir
    auch schon in der Vergangenheit gemacht haben: durch
    ländliche Entwicklung und Aufklärung der Frauen, damit
    sie ihre Kinder ernähren können, und durch viele andere
    Maßnahmen mehr .

    Bildung und Beschäftigungsförderung sind genauso
    wichtige Themen wie die Rückkehr von Flüchtlingen .

    Anja Hajduk






    (A) (C)



    (B) (D)


    Gesundheitszentren, die vernichtet wurden, müssen wie-
    der aufgebaut werden . Des Weiteren steht die Förderung
    von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie im Vordergrund .
    In diesem Zusammenhang möchte ich mich besonders
    bei unseren politischen Stiftungen bedanken, die hier
    hervorragende Arbeit leisten . Ich bin daher froh, dass es
    möglich war, den Etatansatz in diesem Bereich zu erhö-
    hen .


    (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Wichtig ist für uns, in Zukunft mithilfe präventiver
    Ansätze noch mehr dafür zu sorgen, dass Konflikte erst
    gar nicht zustande kommen; das ist unsere primäre Auf-
    gabe . Wir dürfen nicht erst dann aktiv werden, wenn das
    Kind schon in den Brunnen gefallen ist . Vielmehr müs-
    sen wir zukünftig noch mehr Präventionsmaßnahmen er-
    greifen . Dass wir uns um die Ausbildung von Richtern
    und kommunalen Verwaltungsbeamten kümmern . Dass
    wir funktionierende Justizsysteme in den betreffenden
    Ländern aufbauen, damit die Menschen Gerechtigkeit
    einfordern können und so nicht mehr zur Flucht gezwun-
    gen sind . In den betreffenden Ländern müssen freie und
    pluralistische Medienlandschaften entstehen, damit kor-
    rupte politische Führungen kontrolliert werden können .
    Wir müssen Maßnahmen zu Versöhnungsprozessen er-
    greifen, um Konflikte zwischen verfeindeten Gruppen
    und Ethnien zu beseitigen .

    Ich möchte noch ein Wort zum Westbalkan sagen . Wir
    wissen alle, dass es für die Flucht der Migranten vom
    Westbalkan andere Ursachen gibt als für die Flucht der
    Menschen aus Syrien oder Eritrea, wo eine Militärdikta-
    tur herrscht, oder aus Nigeria, wo Boko Haram sein Un-
    wesen treibt . Aber wir müssen dafür sorgen, dass auch
    die Menschen vom Westbalkan eine wirtschaftliche und
    soziale Entwicklung erfahren und eine Zukunft haben,
    und zwar unter klaren Bedingungen . Wenn man einmal
    gesehen hat, unter welchen Bedingungen die Roma auf
    dem Westbalkan leben, dann weiß man, dass das kein
    Leben ist . Das ist menschenunwürdig . Man glaubt, im
    schlimmsten Entwicklungsland in Afrika zu sein . Die
    Roma haben keinen Zugang zu Arbeit und Gesundheits-
    systemen, teilweise keinen Zugang zu Schulen . Ange-
    sichts dessen frage ich mich, was aus der EU-Konven-
    tion geworden und wohin das Geld geflossen ist, das die
    betreffenden Länder für die Roma bekommen haben . Ich
    glaube, in diesem Zusammenhang müssen wir den Fin-
    ger noch viel stärker auf die Wunde legen .


    (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


    Ich bin dem Minister dankbar, dass er mit der GIZ
    das DIMAK im Kosovo geöffnet hat . Das ist eine sehr
    gute Einrichtung, zu der die Menschen vor Ort hingehen
    und von der sie sich Hilfe und Beratung erbeten können .
    Für die Verbesserung ihrer beruflichen Chancen in ihrem
    Land . Dort werden ihnen aber auch legale Möglichkei-
    ten der Arbeitsvermittlung nach Deutschland aufgezeigt .
    Ich würde mich freuen, wenn wir auch in Albanien und
    anderen Ländern des Westbalkans nach Abschluss der Pi-
    lotphase dieses Projekt installieren könnten .

    Europa sollte – ich sage absichtlich: sollte – beim
    Flüchtlingsthema eine Rolle spielen . Als die Euro-Krise
    akut wurde, wurde ein Gipfel nach dem anderen – fast im
    Tagesrhythmus – einberufen . Aber wo sind den jetzt die
    Gipfel und Zusammenkünfte im Tagesrhythmus, wenn
    es um Flüchtlinge geht? Europa muss beweisen, dass es
    in der Lage ist, nicht nur von Werten zu reden, sondern
    auch den Schutz von Flüchtlingen als gemeinsamen Wert
    anzuerkennen .


    (Beifall bei der CDU/CSU)


    Europa hat den Friedensnobelpreis bekommen . Es muss
    jetzt aber beweisen, dass es diesen Friedensnobelpreis
    tatsächlich verdient hat . Europa muss hier langsam in die
    Puschen kommen .


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Ich bedanke mich ganz herzlich bei unserem Minister,
    der das Ministerium sehr gut aufgestellt hat . Er ist au-
    thentisch und ein Vordenker, der erkannt hat, dass sein
    Haus das Zukunftsministerium ist und noch mehr im
    Fokus der öffentlichen Wahrnehmung stehen wird . Wir,
    die wir im exklusiven Wohlstand leben, sitzen in einem
    Boot und haben gemeinsam Verantwortung . Ich möch-
    te in diesem Zusammenhang auch das Auswärtige Amt
    einbeziehen, das sich in vielen Bereichen in die richtige
    Richtung neu aufgestellt hat . Vielleicht schaffen wir es,
    die Kräfte noch mehr zu bündeln und insbesondere bei
    der Verzahnung von humanitärer Hilfe und Übergangs-
    hilfe noch besser zusammenzuarbeiten . Ich glaube, das
    wäre in diesem Zusammenhang sehr gut .

    Wir alle sind gefragt, ob es die Industrieländer sind, ob
    es die Schwellenländer sind . Aber vor allem müssen hier
    die Entwicklungsländer selbst aktiv werden . Wir haben
    unterschiedliche Verantwortlichkeiten entlang der jewei-
    ligen Leistungsfähigkeit . Das ist ganz klar; das wissen
    wir alle . Entweder sind wir bereit, unseren Wohlstand
    mit anderen zu teilen, oder wir teilen mit anderen deren
    Schicksal .

    In diesem Sinne: Vielen Dank für die Aufmerksam-
    keit .


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)




Rede von Claudia Roth
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Dagmar Wöhrl . – Nächste Rednerin:

Heike Hänsel für die Linke .


(Beifall bei der LINKEN)



  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Heike Hänsel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE LINKE.)


    Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

    Die Entwicklungspolitik ist ja jetzt plötzlich in aller
    Munde . In jedem Beitrag heute kam irgendwie das The-
    ma Entwicklungspolitik vor . Auch die Kanzlerin hat an
    prominenter Stelle im Zusammenhang mit den Fluchtur-
    sachen die Entwicklungszusammenarbeit genannt . Man
    kann sich also schon fast nicht mehr retten, wenn man
    nicht wahrnehmen möchte, dass der Fokus auf die Ent-
    wicklungszusammenarbeit gerichtet wird .

    Dagmar G. Wöhrl






    (A) (C)



    (B) (D)


    Ich möchte gleich dazusagen und auch warnen: Die
    Entwicklungszusammenarbeit ist zwar ein wichtiges
    Element, aber sie kann nicht der Reparaturdienst für eine
    absolut verfehlte Politik sein .


    (Beifall bei der LINKEN)


    Wenn zum Beispiel einem afrikanischen Kleinbauern in
    Äthiopien das Land genommen wird, wenn er vertrieben
    wird, weil ein europäischer Konzern dort Palmöl an-
    bauen will, dann nützt es ihm nichts, wenn er von der
    deutschen Entwicklungszusammenarbeit einen Traktor
    bekommt . Deshalb müssen wir an die Ursachen dieser
    verfehlten Politik herangehen,


    (Beifall bei der LINKEN)


    und wir dürfen nicht annehmen, wir könnten durch Pro-
    jekte diese Strukturen grundsätzlich ändern .

    Ich möchte auf das verweisen, was ich auf dem Trans-
    parent einer Flüchtlingsinitiative gelesen habe . Diese
    Initiative hat im August vor dem Sitz von Rüstungskon-
    zernen in Baden-Württemberg, genauer: am Bodensee,
    demonstriert . Auf diesem Transparent stand: „Wer Inst-
    rumente der Gewalt produziert oder die Wirtschaft eines
    Landes ausbeutet, erntet Flüchtlinge.“ Ich finde, man hat
    es damit auf den Punkt gebracht .


    (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Deshalb kann es bei den Rüstungsexporten in alle Welt
    kein Weiter-so geben; ich habe heute mehrfach zu die-
    sem Thema nachgefragt . Es kann kein Weiter-so bei der
    Beteiligung an Militärinterventionen der NATO geben .
    Wenn wir uns Länder wie Irak, Afghanistan, Libyen an-
    schauen, dann stellen wir fest: Das sind zerschlagene
    Länder . Auch eine Friedenslösung in Syrien wird leider
    schon sehr lange vor allem von den USA verhindert, weil
    sie keine Beteiligung des Irans an solch einer Initiative
    wollten .


    (Beifall bei der LINKEN)


    Vielleicht tut sich für eine Friedenslösung ein neues Zeit-
    fenster auf . Wir müssen schauen, was passiert .

    Es kann auch bei der Rohstoffausbeutung kein Wei-
    ter-so geben . Wie viele Länder auf dem afrikanischen
    Kontinent haben Rohstoffkonflikte und führen Rohstoff-
    kriege! Kongo, Mali, Zentralafrikanische Republik – es
    gibt so viele Rohstoffkriege . Wenn wir darauf nicht wirk-
    lich Antworten geben und nicht unsere Politik ändern,
    dann bleibt es bei schönen Worten hier, und es ändert sich
    nichts an der Bekämpfung von Fluchtursachen .

    Das betrifft auch die Nahrungsmittelspekulation . Es
    kann doch nicht wahr sein, dass sich nach wie vor zum
    Beispiel die Deutsche Bank eine goldene Nase an den
    steigenden Nahrungsmittelpreisen verdient, die in ande-
    ren Ländern zu Hunger und Elend führen .


    (Beifall bei der LINKEN)


    Nahrungsmittelspekulation muss verboten werden; sie ist
    verbrecherisch . Das müssen wir so auch benennen .

    Die Weltbank, Herr Minister Müller, wird dafür ver-
    antwortlich gemacht, dass sie mit ihrer Politik in den

    letzten Jahren zur Vertreibung von insgesamt 3,4 Millio-
    nen Menschen beigetragen hat . Ein Vertreter der Bundes-
    regierung sitzt im Executive Board der Weltbank . Dort
    muss er doch darauf reagieren . Wir haben dazu von Ihnen
    bis heute nichts gehört, was Sie da eigentlich anders ma-
    chen wollen . Das betrifft auch die Freihandelsabkommen
    und die Freihandelspolitik . Ich habe von Ihnen gehört –
    das fand ich sehr gut; anscheinend haben Sie unseren
    Reden oft zugehört –: Fairer Handel statt Freihandel . –
    Bravo, sage ich nur .


    (Beifall bei der LINKEN)


    Wo ist denn dann, bitte schön, Ihr Protest gegen TTIP,
    CETA, TiSA, gegen sämtliche Freihandelsabkommen
    mit Afrika und Lateinamerika? Diese Abkommen bewir-
    ken doch das genaue Gegenteil .

    Wir müssen unser Wirtschaftssystem und auch die Fi-
    nanzstruktur, die wir nach wie vor stützen, grundsätzlich
    infrage stellen . Das wurde vorhin auch von der Kollegin
    von den Grünen bereits angesprochen . Ich möchte dazu
    noch eine Zahl nennen . Es wird weltweit doppelt so viel
    Geld aus dem Süden Richtung Norden abgezogen, wie
    an Entwicklungsgeldern aus dem Norden in den Süden
    fließt. Das heißt, auf 1 Dollar in der Entwicklungszu-
    sammenarbeit kommen 2 Dollar an legalen und illegalen
    Geldströmen, die wieder in den Norden zurückfließen.
    Wenn wir an diesen Strukturen nicht grundsätzlich etwas
    ändern, dann brauchen wir nicht vom Bekämpfen von
    Fluchtursachen zu sprechen .


    (Beifall bei der LINKEN)


    Hier haben Sie, Herr Müller, leider die völlig falsche
    Entscheidung getroffen . Dass Sie sich der Initiative
    der Länder des Südens, die internationale Steuerpolitik
    endlich bei den UN anzusiedeln, verweigert haben, das,
    muss ich sagen, spricht wirklich nicht für Sie als Ent-
    wicklungsminister .


    (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN sowie des Abg . Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


    Was gibt es jetzt an konkreten Vorstellungen der Bundes-
    regierung? Ich habe dazu nicht viel gehört . Ich habe heute
    nur einen ganz abstrusen Vorschlag gelesen . Er kommt von
    Ihren Kollegen der CDU/CSU-Fraktion, von der Frau Weiss
    und dem Herrn Strobl . Diese fordern, dass Entwicklungs-
    ländern, die keine Flüchtlinge zurücknehmen, die Entwick-
    lungsgelder gestrichen werden sollen . Da frage ich mich
    doch, Herr Müller: Unterstützen Sie tatsächlich einen derart
    abstrusen Vorschlag, eine solche Forderung, die Ursache
    und Wirkung vertauscht und die die ganze Verantwortung
    jetzt den Ländern des Südens zuschiebt?

    Wer ist denn verantwortlich zum Beispiel für Kli-
    maflüchtlinge, für den Klimawandel? Wer ist denn ver-
    antwortlich für alle diese Vertreibungen, die in den Län-
    dern des Südens stattfinden? Da können Sie doch nicht
    allen Ernstes jetzt auch noch anfangen, eine Politik der
    Erpressung gegenüber den Ländern des Südens anzudro-
    hen . Es ist wirklich, muss ich sagen, unanständig, was
    Sie hier vorschlagen .


    (Beifall bei der LINKEN)


    Heike Hänsel






    (A) (C)



    (B) (D)


    Sie schlagen auch noch vor, Flüchtlinge militärisch zu
    bekämpfen, bzw .


    (Henning Otte [CDU/CSU]: Was?)


    die Boote der Flüchtlinge sollen militärisch bekämpft
    werden .


    (Henning Otte [CDU/CSU]: Dann müssen Sie es differenzieren! Was reden Sie denn da?)


    Mir hat bis heute niemand die Frage beantwortet, wie er
    eigentlich Fischerboote, Flüchtlingsboote und Schlep-
    perboote unterscheiden will .


    (Henning Otte [CDU/CSU]: Ja, Schlepperboote! Das ist ja unerhört! – Sabine Weiss – Was passiert denn, wenn die Schlepperboote zerstört werden? Haben Sie einen anderen Vorschlag, wie Flüchtlinge hierherkommen können? Machen Sie doch mal einen Vorschlag, wie zum Beispiel die 30 000 Menschen, die derzeit auf der Insel Lesbos festsitzen, dann noch hierherkommen können! (Henning Otte [CDU/CSU]: Die armen Kinder, die in den Booten umkommen! Das ist unglaublich!)


    (Wesel I) [CDU/CSU]: Du überziehst!)


    Da gibt es überhaupt keinen Vorschlag von der Bundes-
    regierung, weil Sie Ihre Politik nach wie vor darauf aus-
    richten, Flüchtlinge im Grunde von diesem reichen Land
    abzuhalten,


    (Henning Otte [CDU/CSU]: Sie verrennen sich jetzt völlig! – Sabine Weiss [CDU/CSU]: Das ist eine Unverschämtheit!)


    und diese Politik werden wir nicht mitmachen .


    (Beifall bei der LINKEN)