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ID1812004000

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 18/120 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 120. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 9. September 2015 Inhalt Tagesordnungspunkt 1 (Fortsetzung): a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes über die Feststellung des Bundes- haushaltsplans für das Haushaltsjahr 2016 (Haushaltsgesetz 2016) Drucksache 18/5500 . . . . . . . . . . . . . . . . . 11603 A b) Beratung der Unterrichtung durch die Bun- desregierung: Finanzplan des Bundes 2015 bis 2019 Drucksache 18/5501 . . . . . . . . . . . . . . . . . 11603 B Einzelplan 04 Bundeskanzlerin und Bundeskanzleramt Dr . Gregor Gysi (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 11603 B Dr . Angela Merkel, Bundeskanzlerin . . . . . . . 11609 A Katrin Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11614 C Thomas Oppermann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 11619 A Volker Kauder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 11622 A Heike Hänsel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 11625 B Volker Kauder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 11625 D Bettina Hagedorn (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 11625 D Gerda Hasselfeldt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 11627 C Martin Gerster (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11630 A Ewald Schurer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11631 C Monika Grütters, Staatsministerin BK . . . . . . 11632 D Sigrid Hupach (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 11634 A Burkhard Blienert (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 11635 A Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 11636 D Rüdiger Kruse (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 11637 D Ulle Schauws (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 11639 B Dr . Eva Högl (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11640 A Einzelplan 05 Auswärtiges Amt Dr . Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister AA 11642 B Michael Leutert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 11645 C Dr . Franz Josef Jung (CDU/CSU) . . . . . . . . . 11646 C Stefan Liebich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 11647 B Heike Hänsel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 11647 D Dr . Frithjof Schmidt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11649 C Niels Annen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11651 A Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) . . . . . . . . . 11652 B Jürgen Hardt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 11653 C Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 11655 C Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 120 . Sitzung . Berlin, Mittwoch, den 9 . September 2015II Dr . Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11655 D Frank Schwabe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11656 C Detlef Seif (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . 11657 C Alois Karl (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . 11659 A Einzelplan 14 Bundesministerium der Verteidigung Dr . Ursula von der Leyen, Bundesministerin BMVg . . . . . . . . . . . . . . 11661 A Michael Leutert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 11663 D Karin Evers-Meyer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 11665 A Dr . Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11666 B Henning Otte (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 11667 D Dr . Alexander S . Neu (DIE LINKE) . . . . . . . 11669 C Rainer Arnold (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11671 B Doris Wagner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11672 D Ingo Gädechens (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 11674 A Lars Klingbeil (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11675 B Bartholomäus Kalb (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 11676 B Dr . Fritz Felgentreu (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 11677 C Einzelplan 23 Bundesministerium für wirtschaftliche Zu- sammenarbeit und Entwicklung Dr . Gerd Müller, Bundesminister BMZ . . . . . 11678 D Michael Leutert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 11681 B Sonja Steffen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11682 C Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11683 D Dagmar G . Wöhrl (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 11685 A Heike Hänsel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 11686 D Dr. Bärbel Kofler (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 11688 B Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11689 D Jürgen Klimke (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 11691 B Gabriela Heinrich (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 11693 A Volkmar Klein (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 11694 C Stefan Rebmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 11696 A Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11697 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . . 11699 A (A) (C) (B) (D) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 120 . Sitzung . Berlin, Mittwoch, den 9 . September 2015 11603 120. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 9. September 2015 Beginn 9 .00 Uhr
  • folderAnlagen
    Stefan Rebmann (A) (C) (B) (D) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 120 . Sitzung . Berlin, Mittwoch, den 9 . September 2015 11699 Anlage zum Stenografischen Bericht Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Amtsberg, Luise BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 09 .09 .2015 Beck (Bremen), Marieluise BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 09 .09 .2015 Becker, Dirk SPD 09 .09 .2015 Brand, Michael CDU/CSU 09 .09 .2015 Brandl, Dr . Reinhard CDU/CSU 09 .09 .2015 De Ridder, Dr . Daniela SPD 09 .09 .2015 Dröge, Katharina BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 09 .09 .2015 Ebner, Harald BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 09 .09 .2015 Groth, Annette DIE LINKE 09 .09 .2015 Hartmann (Wackern- heim), Michael SPD 09 .09 .2015 Hirte, Dr . Heribert CDU/CSU 09 .09 .2015 Irlstorfer, Erich CDU/CSU 09 .09 .2015 Kiziltepe, Cansel SPD 09 .09 .2015 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Klein-Schmeink, Maria BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 09 .09 .2015 Kolbe, Daniela SPD 09 .09 .2015 Lenkert, Ralph DIE LINKE 09 .09 .2015 Mihalic, Irene BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 09 .09 .2015 Mortler, Marlene CDU/CSU 09 .09 .2015 Obermeier, Julia CDU/CSU 09 .09 .2015 Pfeiffer, Sibylle CDU/CSU 09 .09 .2015 Renner, Martina DIE LINKE 09 .09 .2015 Röspel, René SPD 09 .09 .2015 Sarrazin, Manuel BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 09 .09 .2015 Schwarzelühr-Sutter, Rita SPD 09 .09 .2015 Tressel, Markus BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 09 .09 .2015 Satz: Satzweiss.com, Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de http://www.satzweiss.com http://www.printsystem.de http://www.betrifft-gesetze.de 120. Sitzung Inhaltsverzeichnis TOP 1 Einbringung Haushaltsgesetz 2016 – Finanzplan des Bundes 2015 bis 2019 Epl 04 Bundeskanzlerin und Bundeskanzleramt Epl 05 Auswärtiges Amt Epl 14 Verteidigung Epl 23 wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Anlage
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Johannes Singhammer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)


    Vielen Dank . – Weitere Wortmeldungen zu diesem

    Einzelplan liegen nicht vor . Wir schließen deshalb die
    Beratungen zu diesem Einzelplan damit ab .

    Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Auswär-
    tigen Amtes, Einzelplan 05.

    Bevor wir damit starten, warten wir noch ein bisschen,
    bis alle Kolleginnen und Kollegen, die an dieser Debatte
    teilnehmen wollen, ihren Platz eingenommen haben . –
    Das Wort erteile ich als erstem Redner dem Bundesmi-
    nister Dr . Frank-Walter Steinmeier .


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister des
    Auswärtigen:

    Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die
    Welt ist aus den Fugen, habe ich vor ungefähr einem Jahr
    hier von diesem Pult aus gesagt . Ich befürchte, davon
    ist nichts zurückzunehmen . Wir bereiten jetzt mit dem
    Haushaltsentwurf das nächste Jahr vor, das, so befürchte

    ich, ein Jahr sein wird, das ähnlich mit Krisen und Kon-
    flikten gefüllt sein wird. Sie werden nicht viel weniger
    werden .

    Damit wir, obwohl wir uns berechtigte Sorgen ma-
    chen, nicht verzweifeln und daran glauben und daran ar-
    beiten, dass eine Veränderung möglich ist, will ich mit ei-
    nem positiven Bild einsteigen – einem Bild, das gerade in
    dieser Krisenzeit Hoffnung macht . Für viele von uns war
    es, wenn ich das sagen darf, ein fast unerwartetes Bild
    von riesiger Anteilnahme und großer Solidarität . Es gibt
    eine Riesenanzahl von Deutschen, die in diesen Tagen
    hinausgehen und mithelfen, Menschen aus den Krisenre-
    gionen bei uns Zuflucht zu geben. Es ist eine große Hilfs-
    bereitschaft vorhanden . Darüber können wir uns freuen .
    Dafür will ich am Anfang allen – ob Freiwilligen oder
    denjenigen, die es von Berufs wegen tun – ganz herzlich
    Dank sagen .


    (Beifall im ganzen Hause)


    Diese Mitmenschlichkeit ist genau die Basis – davon bin
    ich überzeugt –, die wir brauchen, damit wir mit dieser
    riesigen Herausforderung fertigwerden .

    Ich habe letzte Woche in Brüssel gesagt: Man hat im-
    mer den Eindruck, dass die Probleme, an denen man ar-
    beitet, die größten sind, die man zu bewältigen hat . Wir
    haben das bei Griechenland gedacht . Die Herausforde-
    rung Migration wird für uns und für ganz Europa noch
    viel größer sein .

    Damit die Hilfe aber funktioniert, brauchen wir die-
    se Basis von Mitmenschlichkeit, die ich eben gezeich-
    net habe . Uns in der Politik muss aber auch klar sein:
    Diese Bereitschaft und diese Mitmenschlichkeit brau-
    chen einen Rahmen . Wenn die Fragen jetzt noch nicht
    gestellt werden, so werden sie irgendwann – auch von
    denjenigen, die jetzt helfen – gestellt werden: Wie viel
    kann Deutschland leisten? Was muss am Ende gesche-
    hen, damit wir diese Herausforderung auf lange Sicht
    bewältigen werden?

    Ich will versuchen, in meiner Rede drei Antworten zu
    geben bzw . zu beschreiben, welche drei Dinge jetzt zu
    tun sind .

    Erstens . In einer Haushaltsdebatte geht es natürlich
    auch um Geld, selbst wenn wir nicht immer nur darüber
    reden . Ich bin froh, dass die Bundesregierung am Wo-
    chenende ein Maßnahmenpaket für Bund, Länder und
    Kommunen verabredet hat . Für das Auswärtige Amt ge-
    hört zu diesem Paket, dass wir eben – insbesondere in
    den Herkunfts- und Transitländern – neue Anstrengun-
    gen unternehmen und dank der Unterstützung auch un-
    ternehmen können .

    Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Migrationswel-
    len beginnen ja nicht am Ostbahnhof in Budapest und
    auch nicht am Strand von Kos – den Eindruck könnte
    man gewinnen, wenn man abends Fernsehen schaut –,
    sondern dort, wo die Konflikte toben, wo schon Nach-
    barländer nicht mehr in der Lage sind, die menschlichen
    Notlagen in den Griff zu bekommen, und wo Schlep-
    perbanden – auch das gehört zur Wahrheit – ihr großes
    Geschäft wittern . Dort setzen wir mit den Möglichkeiten
    des Auswärtigen Amtes an . Wir werden dank der Ver-

    Dr. Eva Högl






    (A) (C)



    (B) (D)


    abredungen im Koalitionsausschuss in diesen Regionen
    helfen können und mehr Stabilität in den Herkunfts- und
    Transitländern – ich nenne die riesigen Flüchtlingslager
    in Jordanien, im Libanon und in der Türkei – schaffen .
    Den Binnenvertriebenen, ob in Syrien oder im Irak, müs-
    sen wir helfen, damit sie in ihren Heimatregionen lang-
    sam wieder eine Perspektive entwickeln können .

    Deshalb kann ich an dieser Stelle erst einmal nur mei-
    nen Dank dafür aussprechen, dass wir schon so weit ge-
    kommen sind . Das wird uns helfen, die Migrationswelle
    besser zu bewältigen . Es wird vor allen Dingen den Men-
    schen in den Regionen helfen, meine Damen und Herrn .


    (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


    Für uns heißt das vor allen Dingen, direkte humanitäre
    Hilfe zu leisten . Das ist aber nur der kleinere Teil . Dazu
    gehört vor allen Dingen auch die Ertüchtigung der inter-
    nationalen Hilfsorganisationen, insbesondere der Verein-
    ten Nationen, deren Hilferufe in den letzten Wochen und
    Monaten auch die Regierungschefs erreicht haben, ohne
    dass der notwendige Erfolg wirklich eingetreten ist .

    Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist ein Skandal,
    dass der UNHCR in diesen Tagen der größten Flücht-
    lingsbewegung so unterfinanziert ist, dass die Essensra-
    tionen in den Flüchtlingslagern im Irak und im Libanon
    halbiert werden müssen . Das können wir so nicht ertra-
    gen und erst recht nicht erdulden .


    (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


    Für die Migration, über die heute Morgen schon viele
    gesprochen haben, heißt das: Wenn es bei dieser Unterfi-
    nanzierung bleibt, hat das nicht nur Folgen für die Men-
    schen, die in den Lagern leben, sondern dann treibt das
    auch eine neue Dynamik in der Migrationsbewegung an .

    Deshalb gibt es einen doppelten Grund, dass wir uns
    beteiligen – und nicht nur wir . Wir müssen eine bessere
    Finanzierung des UNHCR sicherstellen . Denn nur dann,
    wenn wir dies tun, werden wir auch andere glaubwürdig
    auffordern können, sich mit eigenen Mitteln und den ei-
    genen Möglichkeiten an der Hilfe zu beteiligen .

    Ich werde jedenfalls – das mag im Rahmen unserer
    zu Ende gehenden G-7-Präsidentschaft noch möglich
    sein – während der Generalversammlungswoche zu einer
    kurzen Sitzung nicht nur mit den G-7-Staaten, sondern
    auch mit den arabischen Nachbarn einladen, um zu sa-
    gen: Wenn uns das Schicksal dieser Menschen wirklich
    gemeinsam am Herzen liegt, dann sorgt wenigstens da-
    für, dass der UNHCR das notwendige Geld bekommt,
    um ihnen die tägliche Essensration zu geben! Das ist
    notwendig .


    (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


    Zweitens . Wir können, glaube ich, das Problem nicht
    nach dem Muster „Jeder für sich allein“ bewältigen – das
    kann auch der größte und wirtschaftlich stärkste Staat in
    Europa nicht –, sondern wir werden den Verfolgten nur
    dann Schutz gewähren können, wenn dies eine gesam-

    teuropäische Aufgabe ist . Deshalb würde ich zunächst
    einmal allen diejenigen, die darüber zu reden haben, vor-
    schlagen, im Zusammenhang mit Flüchtlingen, die vor
    Verfolgung oder aus einem Bürgerkrieg fliehen, nicht
    von einem Problem und insbesondere nicht von einem
    deutschen Problem zu reden . Denn dies ist nicht ein
    deutsches Problem, sondern es ist zunächst einmal eine
    humanitäre Pflicht. Es ist zudem nicht nur eine deutsche
    Pflicht, sondern es eine europäische Verantwortung.

    Ich glaube, hier wird sich beweisen – wir streiten nicht
    umsonst so hartnäckig darüber wie in der vergangenen
    Woche beim europäischen Außenministertreffen in Brüs-
    sel –, ob Europa in Fragen, in denen es nicht nur um Geld
    geht, in der Lage ist, nicht nur von gemeinsamen Werten
    zu reden, sondern den Schutz vor Verfolgung auch als
    gemeinsamen europäischen Wert anzuerkennen und da-
    nach zu handeln . Hier muss sich Europa beweisen und
    zeigen, dass in dieser Situation nicht nur Zusammenhalt,
    sondern auch Handlungsfähigkeit gewährleistet ist . Wir
    arbeiten daran, und dies ist unter Beweis zu stellen, liebe
    Kolleginnen und Kollegen .


    (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Ich darf noch eines zu Europa sagen – Frau Bundes-
    kanzlerin, ich glaube, das ist Ihnen auch nicht anders ge-
    gangen -: Im Sommer gab es Situationen, da waren wir
    alle nicht sehr amused, dass wir auf der einen Seite Bil-
    der von Flüchtlingen in Griechenland sahen, die keinen
    Schluck Wasser hatten, und auf der anderen Seite euro-
    päische Unterstützung – jedenfalls zu diesem Zeitpunkt
    -nicht sichtbar geworden ist . Deshalb haben wir von
    deutscher Seite aus sehr frühzeitig in den Sommermo-
    naten Vorschläge unterbreitet, weil zu ahnen war, dass
    danach gefragt würde, wie europäische Antworten auf
    diese Herausforderung aussehen .

    Ich glaube, wir dürfen von unserer Seite, vonseiten der
    deutschen Regierung, durchaus sagen, dass die Vorschlä-
    ge, die wir dazu öffentlich gemacht haben, inzwischen in
    das europäische Handeln eingeflossen sind. Wer die Rede
    von Kommissionspräsident Juncker verfolgt hat, hat ge-
    merkt, dass vieles von dem, was von hier ausgegangen
    und in das gemeinsame deutsch-italienisch-französische
    Papier vom vergangenen Wochenende eingeflossen ist,
    sich in Junckers Rede vor dem Europäischen Parlament
    wiederfindet, auch die Passagen über eine fairere und ge-
    rechtere Verteilung von Flüchtlingen .

    Lassen Sie es mich noch einmal sagen: Es kann nicht
    sein, dass weniger als eine Handvoll Länder in Europa
    das gesamte Flüchtlingsproblem bewältigen, sondern
    hier müssen sich alle beteiligen . Hier müssen Europäer
    zusammenstehen .

    Selbst wenn wir im Augenblick noch weit entfernt
    von der Akzeptanz einer Quote sind, so zeigen die De-
    batten, die am vergangenen Wochenende geführt wur-
    den, und die sichtbaren öffentlichen Reaktionen, die wir
    aus Großbritannien vernehmen – es gibt auch ein wenig
    Bewegung in Polen und Frankreich –, dass man einfach
    nicht aufgeben darf, dass sich auch in diesem Punkt Be-
    harrlichkeit lohnt . Selbst wenn wir nicht zu einer Quote

    Bundesminister Dr. Frank-Walter Steinmeier






    (A) (C)



    (B) (D)


    und damit zu einer vollkommen gerechten Verteilung
    kommen, glaube ich, dass wir uns auf eine gerechtere
    Verteilung beim Flüchtlingsproblem hinbewegen, als das
    in der jüngeren Vergangenheit der Fall war . Die gerechte
    Verteilung bleibt ein dickes Brett . Aber ich verspreche
    für die Bundesregierung: Wir werden es weiter bohren .


    (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


    Drittens . Es geht um die Lösung der Krisen . Das ist
    vielleicht das Zentrale; denn die Flüchtlingsströme, über
    die wir zu Beginn geredet haben, werden kein Ende neh-
    men, wenn wir das Übel nicht an der Wurzel packen und
    wenn es nicht endlich mehr Sicherheit und Stabilität in
    den Regionen gibt, aus denen Menschen flüchten. Das
    betrifft den ganzen Krisenbogen, beginnend in Afgha-
    nistan bis hin nach Libyen . Die Lage ist schwierig und
    verfahren – das ist keine Frage –, gerade in Syrien – viele
    von Ihnen haben das angesprochen –, wo der Bürgerkrieg
    im fünften Jahr ist, was bislang zu 12 Millionen Flücht-
    lingen und Vertriebenen sowie mehr als 250 000 Toten
    geführt hat . Genauso schwierig ist die Lage in Libyen,
    wo die staatliche Funktionsfähigkeit völlig zerstört ist .
    An weiteren Beispielen fehlt es leider nicht .

    Die Lage ist schwierig . Trotzdem weigere ich mich
    gleichzeitig, anzunehmen, dass alle außenpolitischen
    Bemühungen aussichtslos oder vergeblich sind. Ich fin-
    de – Frau Merkel, Sie haben das heute Morgen angespro-
    chen –, gerade das Beispiel Iran zeigt, dass man selbst
    über zehn Jahre nicht die Geduld und vor allen Dingen
    nicht die Beharrlichkeit verlieren darf . Man braucht ein
    Fenster der Geschichte, in dem nicht neue Vorschläge
    plötzlich die Wende bringen, sondern in dem veränderte
    Interessenkonstellationen in Zusammenhang mit schon
    auf dem Tisch liegenden Vorschlägen ein Abkommen
    wie das mit dem Iran ermöglichen . Dieses Abkommen
    schließt nicht nur den Griff des Iran nach der Atombom-
    be dauerhaft und nachprüfbar aus . Vielmehr weise ich
    darauf hin, dass dieses Abkommen, wenn es gut geht,
    eine völlig neue Perspektive in die Gesamtarchitektur
    des Mittleren Ostens und in die Verhältnisse der dortigen
    Staaten zueinander bringen kann .

    Als wir in Wien die Unterschrift unter das Abkommen
    setzen konnten, habe ich gesagt: Mit dieser Unterschrift
    endet nicht die Verantwortung der E3+3 bzw . der Fünf-
    plus-eins-Staaten . Das Wiener Abkommen ist nicht das
    Ende unserer Diplomatie, sondern im Grunde genommen
    erst der Anfang .

    Ich bitte, in diesem Sinne meine erste Reise in den
    Iran, die gerade vorbereitet wird, zu verstehen . Auf die-
    ser Reise geht es nicht darum, irgendetwas abzufeiern .
    Sie dient vielmehr der Prüfung, ob der Iran bereit ist,
    eine neue verantwortliche Rolle in dieser friedlosen Re-
    gion des Mittleren Ostens tatsächlich anzunehmen und
    Verantwortung zu übernehmen . Entscheidend ist: Es
    muss sich zeigen, ob das Modell, das geholfen hat, den
    Iran-Konflikt zu lösen, tauglich ist, einen der nächsten
    größeren Konfliktherde anzugehen.

    Ohne allzu optimistisch zu sein, bin ich, ehrlich ge-
    sagt, der Meinung, dass die letzten Entwicklungen in
    Libyen die kleine Hoffnung begründen, dass wir doch
    einen Schritt weitergekommen sind . Wir in Deutschland

    dürfen ein bisschen stolz darauf sein, dass wir Gehhilfe
    auf dem letzten Wegstück leisten konnten, indem wir die
    verfeindeten Konfliktparteien aus Libyen – Sie dürfen
    nicht vergessen, dass diese noch nie an einem Tisch ge-
    sessen hatten – nach Berlin eingeladen und anderthalb
    Tage mit ihnen gesprochen und verhandelt haben .

    Ich glaube, wir sind gerade hier in Berlin natürlich
    dank der unermüdlichen Arbeit des EU-Sonderbeauf-
    tragten Bernardino León ein entscheidendes Stück wei-
    tergekommen. Wir haben den Konfliktparteien hier in
    Berlin immer wieder gesagt: Nur wenn ihr mithelft – am
    Anfang muss eine Regierung der nationalen Einheit ste-
    hen –, diesen zerstörten Staat mit erodierenden admi-
    nistrativen Strukturen, mit gegeneinander kämpfenden
    Milizen – manche sprechen von Hunderten – wieder auf-
    zubauen, dann haben auch wir, Deutsche und Europäer,
    einen Ansatzpunkt, diesen Aufbauprozess tatsächlich zu
    unterstützen und funktionierende Staatlichkeit langsam
    wieder aufzubauen .

    Ich glaube, dass wir ein Stück vorangekommen sind .
    Ich würde mich wirklich freuen, wenn wir es innerhalb
    der nächsten vier Wochen zustande brächten, trotz dieser
    völlig zerfahrenen, völlig verworrenen Lage, in der täglich
    viele sterben und über die nur wenig berichtet wird, we-
    nigstens den Rumpf dieser Regierung der nationalen Ein-
    heit aufzustellen . Ich spreche über Libyen, und ich müsste
    eigentlich viel mehr zu Syrien sagen, zu einem Land, bei
    dem wir ja nicht nur aus politischen, sondern mit Blick auf
    die Zahlen, die ich vorher genannt habe, auch aus morali-
    schen Gründen verpflichtet sind und in der Verantwortung
    stehen, dem Morden dort ein Ende zu setzen .

    Bei Syrien ist die Lage eigentlich nicht anders als bei
    Libyen . Eigentlich schafft das Abkommen mit dem Iran
    hier auch eine Chance . Wenn sich der Iran aus der Rolle
    zurückziehen würde, Konfliktparteien finanziell und mit
    Waffen zu unterstützen, und andere es gleichtäten, dann
    eröffnete sich zum ersten Mal eine Chance, auch in Syri-
    en weiterzukommen .

    Der Sonderbeauftragte der Vereinten Nationen Staf-
    fan de Mistura, mit dem ich heute Morgen telefoniert
    habe, hat in Genf und an anderen Stellen 42 Gespräche
    mit unterschiedlichen Parteien geführt, um zu sondieren,
    wo der kleinste gemeinsame Nenner liegt, von dem aus
    man die Plattform zimmert, auf der der gemeinsame Weg
    Richtung Entschärfung des Konfliktes und dann nach
    und nach hin zu politischen Lösungen möglich ist . Wir
    sind nicht weit; aber wir waren noch nie so weit wie im
    Augenblick . Deshalb sehe ich, ganz ehrlich gesagt, mit
    einiger Bestürzung die Nachrichten der letzten Tage: dass
    Großbritannien, dass Frankreich sich stärker militärisch
    engagieren werden und dass vor allen Dingen Russland,
    so sagen jedenfalls die Pressemeldungen, im Augenblick
    dabei ist, mehr Militärmaterial nach Syrien zu schaffen
    als in der Vergangenheit, mit welchem Zweck auch im-
    mer .

    Ich habe gestern mit dem amerikanischen Außenmi-
    nister gesprochen; ich werde heute mit dem russischen
    Außenminister sprechen . Es kann nicht sein, dass in
    dieser Situation, in der wir vielleicht zum ersten Mal ei-
    nen Ansatzpunkt haben, mit dem Syrien-Konflikt anders

    Bundesminister Dr. Frank-Walter Steinmeier






    (A) (C)



    (B) (D)


    umzugehen, wichtige Partner, die wir brauchen, auf die
    militärische Karte setzen und Verhandlungslösungen, die
    zum ersten Mal möglich sind, zerstören .


    (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg . Stefan Liebich [DIE LINKE])


    Dieser Syrien-Konflikt ist wirklich eine Geschichte der
    ausgelassenen Chancen, die ich jetzt nicht referieren will .
    Aber ich sage noch einmal: Aus politischen und morali-
    schen Gründen dürfen wir diese Chance nicht auslassen .

    Letzter Punkt: Ukraine-Krise . Auch hier könnte ich
    sagen: Das Minsker Abkommen, über das wir Stunden
    und Tage verhandelt haben, ist auch nicht das Ende von
    Diplomatie, sondern der Anfang von etwas Neuem, der
    Anfang von Verantwortung . Wenn der Waffenstillstand
    offensichtlich gebrochen wird – vorletzte Woche gab es
    entsprechende Bilder in den Medien –, wenn es zu unser
    aller Bedauern wieder zu Toten und Verletzten kommt,
    dann kann ich verstehen, wenn angesichts der damit ver-
    bundenen Bilder viele sagen und schreiben: Minsk ist
    zu Ende . Noch einmal: Ich kann das verstehen . Aber ich
    kann es nicht wiederholen; denn meine Aufgabe ist nicht,
    einen Konflikt zu beschreiben, sondern meine Aufgabe
    besteht darin, einen Zustand, der außer Kontrolle gerät,
    möglichst wieder unter Kontrolle zu bringen .

    Wir haben deshalb sozusagen nicht eingestimmt in
    den Versuch, Minsk als gescheitert zu erklären, sondern
    wir haben schlicht und einfach mit den Beteiligten inten-
    siv gesprochen, sie gemahnt und gedrängt, Einfluss zu
    nehmen und die Gewaltsamkeit wieder zurückzuführen .
    Ich habe mit den Außenministern gesprochen, Frau Bun-
    deskanzlerin mit ihren Kollegen .

    Jetzt mag man sagen: Was sind das schon für Instru-
    mente? Aber immerhin: Seit dem 1 . September haben
    wir einen Waffenstillstand, der weitgehend respektiert
    wird . Deshalb sage ich: Das Scheitern ist leicht erklärt .
    Nur, ich rate aus eigener Erfahrung dazu, Instrumente
    nicht für gescheitert zu erklären, solange man keine an-
    deren in der Hand hat . Deshalb sage ich für die Bundes-
    regierung: Wir werden auf diesem Weg weiterarbeiten .


    (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg . Stefan Liebich [DIE LINKE])


    Ich darf Ihnen ganz herzlich danken, meine Damen
    und Herren, und bitte Sie mit Blick auf ein Jahr, das vor
    uns liegt und nicht einfacher werden wird, um Zustim-
    mung zu unserem Haushalt .

    Ganz herzlichen Dank .


    (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)




Rede von Johannes Singhammer
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

Für die Fraktion Die Linke spricht jetzt der Kollege

Michael Leutert .


(Beifall bei der LINKEN)



  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Michael Leutert


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DIE LINKE.)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE LINKE.)


    Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

    Sehr geehrter Herr Minister, der Haushaltsvorschlag, den
    Sie vorgelegt haben, ist leider nicht ausreichend . Er ist
    keine angemessene Antwort auf die vor uns liegenden
    Probleme . Damit meine ich im Übrigen nicht bloß die
    finanzielle Ausstattung des Auswärtigen Amts, sondern
    ich meine auch die inhaltliche Dimension . Es fehlen ein-
    fach die Konzepte hinter den Zahlen .

    Wir haben – Sie haben das alles angesprochen – noch
    immer die Ukraine-Krise . Wir haben Krieg in Syrien .
    Wir haben Krieg im Irak, in Libyen . In Afghanistan herr-
    schen katastrophale Zustände . Die vielen destabilisierten
    Staaten in Afrika sind zu nennen . Diese Krisenherde sind
    der Grund für die enorme Flüchtlingsbewegung, die wir
    derzeit erleben .

    Aber Antworten darauf, wie wir mit diesen Krisen
    umgehen wollen, kann man in diesem Haushalt nicht
    finden. Was sind die Konzepte des Auswärtigen Amts zu
    diesen Krisen? Mit welchen Instrumenten wollen wir die
    Not der Flüchtlinge lindern? Welche Idee hat die Bun-
    desregierung zur Beendigung des Bürgerkriegs in Syrien
    und des Terrors im Irak? Wie geht es eigentlich weiter
    mit Afghanistan?

    Herr Minister, ich weiß, Sie sind unermüdlich und mit
    vollem Einsatz an den meisten Brennpunkten der Welt .
    Aber Sie sind immer nur als Feuerwehr im Einsatz . Wenn
    wir hier 4,3 Milliarden Euro beschließen sollen, dann
    müssen wir schon wissen, mit welchen Konzepten Sie
    die Krisen lösen oder wenigstens eindämmen wollen .

    Vor einem Jahr haben wir hier den Haushalt 2015
    beraten . Wir alle haben damals betont, dass die vielen
    Konflikte in der Welt, mit denen wir konfrontiert sind,
    nicht irgendwo weit weg sind, sondern dass sie direkt
    vor unserer Haustür stattfinden, nicht weit entfernt von
    den Stränden, an denen auch deutsche Touristen so gern
    Urlaub machen . Niemand wäre damals auf die Idee ge-
    kommen, dass sich die Lage so dramatisch zuspitzt, wie
    wir es heute erleben . Heute haben sich die Menschen aus
    diesen Krisengebieten zu Tausenden als Flüchtlinge auf
    den Weg gemacht und sind jetzt bei uns, auch in unserem
    Alltag, angekommen .

    Liebe Kolleginnen und Kollegen, spätestens seit letz-
    ter Woche Mittwoch hat das unendliche Leid dieser Men-
    schen auch einen Namen und ein Gesicht . Es ist Aylan
    Kurdi . Der kleine dreijährige kurdische Junge aus Koba-
    ne lag an einem der Strände, wo normalerweise Touris-
    ten sind – ertrunken, gemeinsam ertrunken mit seinem
    fünfjährigen Bruder und seiner Mutter . Das Bild, welches
    von diesem kleinen leblosen Körper um die Welt ging, ist
    so unfassbar grausam, dass es einen nicht einfach kalt-
    lassen kann. Ich finde, wir sollten alles dafür tun, dass
    solche Bilder nicht mehr entstehen können .


    (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg . Dr . Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


    Aus diesem Grund müssen wir jetzt anfangen, grund-
    legend umzudenken . Wir müssen jetzt anfangen, andere
    Schwerpunkte zu setzen, und wir müssen jetzt auch an-

    Bundesminister Dr. Frank-Walter Steinmeier






    (A) (C)



    (B) (D)


    fangen, unmenschlichen Worten und Taten entgegenzu-
    treten .

    Ich weiß, wir stehen in Europa vor schwierigen Auf-
    gaben und dürfen kein Öl ins Feuer gießen . Aber wenn
    ich, das Bild von dem Jungen vor Augen, aus Ungarn
    Sätze höre wie „Das sind keine Flüchtlinge; das ist eine
    Invasion“, dann macht mich das wütend . Wenn ich höre,
    dass Orban überlegt, die Armee gegen Flüchtlinge einzu-
    setzen, dann macht mich das nicht nur wütend, sondern
    auch ratlos . Was will er denn tun? Auf Flüchtlingsfamili-
    en schießen lassen?

    Liebe Kolleginnen und Kollegen, das sind Worte und
    Gedanken, die im Europa des 21 . Jahrhunderts nichts
    verloren haben .


    (Beifall bei der LINKEN)


    Herr Außenminister, ich bitte Sie dringend, das so deut-
    lich gegenüber der ungarischen Regierung zu formulie-
    ren und dem im Zweifelsfall auch Taten folgen zu lassen .

    Wenn der sozialdemokratische Ministerpräsident der
    Slowakei meint, sein Land hätte die humanitäre Kata-
    strophe nicht zu verantworten, weil sein Land in den
    Staaten keinen Krieg geführt hätte, weshalb es keine
    Verantwortung für die Flüchtlinge übernehmen müsste,
    dann ist das unterirdisch . Ich bitte Sie, ihn freundschaft-
    lich daran zu erinnern, dass die Slowakei sehr wohl mit
    Soldaten an der Koalition der Willigen beteiligt gewe-
    sen ist, als in den Irak einmarschiert wurde . Und wenn
    Tschechiens Präsident sagt, man hätte die Flüchtlinge
    nicht eingeladen, dann ist das an Zynismus nicht mehr
    zu überbieten . Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist
    geistige Brandstiftung, die den europäischen Gedanken
    nachhaltig beschädigt . Dem müssen Sie, Herr Minister,
    und wir alle mit aller Kraft entgegentreten .


    (Beifall bei der LINKEN)


    Europa muss eine solidarische Gemeinschaft sein .
    Das ist klar . Aber Solidarität ist keine Einbahnstraße .
    Wenn wir uns in der Europäischen Union untereinander
    noch nicht einmal über solch simple Dinge wie beispiels-
    weise die Flüchtlingsfrage einigen können: Wie wollen
    wir dann eine Abstimmung mit Russland zu noch viel
    schwierigeren Fragen bewerkstelligen? Auch zur Lösung
    des Syrien-Konfliktes – Sie haben es angesprochen –
    werden wir Russland brauchen . Putin unterstützt, so die
    Pressemeldungen, derzeit in aller Ruhe militärisch das
    Assad-Regime, also den Hauptverantwortlichen für diese
    Katastrophe . Nur weil vor vier Jahren Jugendliche Paro-
    len gegen sein Regime an Hauswände gesprüht haben,
    hat Assad sein Land in Not und Elend gebombt . Jetzt sind
    von 21 Millionen Syrer 12 Millionen auf der Flucht .

    Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist nur ein klei-
    ner Ausschnitt der Realität, dem sich unsere Außenpoli-
    tik heute stellen muss . Sie haben es selbst angesprochen,
    Herr Minister, und dafür bin ich Ihnen sehr dankbar: Das
    Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen, UNHCR,
    ist derzeit an seiner Belastungsgrenze angelangt . Wir
    müssen das UNHCR als zentralen Akteur stärken und mit
    den notwendigen Mitteln ausstatten .

    Aber nicht nur das: Ich würde mich sehr freuen, wenn
    sich Deutschland endlich auch mit einer verbindlichen
    Quote dauerhaft am Resettlement-Programm des UNHCR
    beteiligen würde . In diesem Programm werden besonders
    schutzbedürftige Flüchtlinge, zum Beispiel Familien mit
    Kindern, die auch in ihrem Fluchtland keine Perspektive
    mehr haben, in dem jeweiligen Programmland aufgenom-
    men . Wir könnten uns jährlich mit 7,2 Prozent – das ist die
    Prozentzahl, mit der wir uns normalerweise an UN-Frie-
    denseinsätzen finanziell beteiligen – am Resettlement-Pro-
    gramm beteiligen und Plätze zur Verfügung stellen . Der-
    zeit verfügt UNHCR nur über 80 000 Plätze . Der Bedarf
    liegt allerdings bei 800 000 Plätzen . So, liebe Kollegin-
    nen und Kollegen, lieber Herr Minister, könnte Deutsch-
    land international mit gutem Beispiel vorangehen, und so
    könnten wir auch mehr Verantwortung auf internationaler
    Ebene übernehmen .


    (Beifall bei der LINKEN)