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    Plenarprotokoll 18/106 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 106. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 21. Mai 2015 I n h a l t : Glückwünsche zum Geburtstag der Abgeord- neten Claudia Roth (Augsburg) und Dr. Egon Jüttner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10033 A Wahl des Abgeordneten Christian Petry als Mitglied des Finanzmarktgremiums . . . . . . 10033 B Erweiterung und Abwicklung der Tagesord- nung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10033 B Absetzung der Tagesordnungspunkte 21, 26 und 33g . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10034 A Nachträgliche Ausschussüberweisungen . . . . 10034 B Begrüßung des Präsidenten des Abgeordne- tenhauses des Parlaments der Tschechischen Republik, Herrn Jan Hamáček . . . . . . . . . . . . 10051 D Tagesordnungspunkt 4: Eidesleistung des Wehrbeauftragten . . . . . 10034 C Präsident Dr. Norbert Lammert . . . . . . . . . . . 10034 C Dr. Hans-Peter Bartels, Wehrbeauftragter des Deutschen Bundestages . . . . . . . . . . . . . . . 10034 D Tagesordnungspunkt 5: Abgabe einer Regierungserklärung durch die Bundeskanzlerin: zum Gipfel Östliche Part- nerschaft am 21./22. Mai 2015 in Riga, zum G-7-Gipfel am 7./8. Juni 2015 in Elmau und zum EU-CELAC-Gipfel am 10./11. Juni 2015 in Brüssel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10035 A Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10035 B Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 10038 D Thomas Oppermann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 10041 D Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10044 C Volker Kauder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 10047 A Franz Thönnes (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10049 A Manfred Grund (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 10050 B Dr. Bärbel Kofler (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 10051 D Florian Hahn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 10052 D Klaus Barthel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10054 C Sibylle Pfeiffer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 10055 C Dr. Andreas Nick (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 10056 D Tagesordnungspunkt 6: Antrag der Abgeordneten Jutta Krellmann, Klaus Ernst, Susanna Karawanskij, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Leiharbeit und Werkverträge eingrenzen und umfassend regulieren Drucksache 18/4839 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10058 B Klaus Ernst (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . 10058 C Karl Schiewerling (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 10059 D Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10061 C Katja Mast (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10062 D Albert Stegemann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 10064 C Klaus Ernst (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 10065 A Jutta Krellmann (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 10066 C Markus Paschke (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 10067 D Dr. Thomas Gambke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10069 C Inhaltsverzeichnis II Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 106. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 21. Mai 2015 Stephan Stracke (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 10071 A Klaus Ernst (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 10071 C Daniela Kolbe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10072 C Wilfried Oellers (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 10074 A Dr. Hans-Joachim Schabedoth (SPD) . . . . . . 10076 A Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU) . . . . 10077 D Tagesordnungspunkt 7: a) Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD: Prinzipien des deutschen Bil- dungswesens stärken – Gleichwertigkeit und Durchlässigkeit der beruflichen und der akademischen Bildung durch- setzen Drucksache 18/4928 . . . . . . . . . . . . . . . . . 10079 C b) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Berufsbildungsbericht 2015 Drucksache 18/4680 . . . . . . . . . . . . . . . . . 10079 D c) Antrag der Abgeordneten Dr. Rosemarie Hein, Sigrid Hupach, Sabine Zimmermann (Zwickau), weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Ausbildungsquali- tät sichern – Gute Ausbildung für alle schaffen Drucksache 18/4931 . . . . . . . . . . . . . . . . . 10079 D d) Antrag der Abgeordneten Beate Walter- Rosenheimer, Brigitte Pothmer, Kai Gehring, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Mit einer echten Ausbildungsgarantie das Recht auf Ausbildung umsetzen Drucksache 18/4938 . . . . . . . . . . . . . . . . . 10080 A Dr. Johanna Wanka, Bundesministerin BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10080 A Dr. Rosemarie Hein (DIE LINKE) . . . . . . . . . 10081 D Willi Brase (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10083 D Beate Walter-Rosenheimer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10085 B Michael Kretschmer (CDU/CSU) . . . . . . . . . 10086 C Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10088 A Dr. Karamba Diaby (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 10088 D Dr. Thomas Feist (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 10089 D Gabriele Katzmarek (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 10090 D Uda Heller (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . 10091 D Tagesordnungspunkt 33: a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Änderung des Fischetikettie- rungsgesetzes und des Tiergesund- heitsgesetzes Drucksache 18/4892 . . . . . . . . . . . . . . . . . 10093 A b) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes über die Rechtsstellung und Aufga- ben des Deutschen Instituts für Menschenrechte (DIMRG) Drucksache 18/4893 . . . . . . . . . . . . . . . . . 10093 A c) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines … Ge- setzes zur Änderung des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Straf- sachen Drucksache 18/4894 . . . . . . . . . . . . . . . . . 10093 B d) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu der Vereinbarung vom 1. April 2015 über die Beteiligung Islands an der gemeinsamen Erfüllung der Ver- pflichtungen der Europäischen Union, ihrer Mitgliedstaaten und Islands im zweiten Verpflichtungszeitraum des Protokolls von Kyoto zum Rahmen- übereinkommen der Vereinten Natio- nen über Klimaänderungen (Vereinba- rung zur gemeinsamen Kyoto-II- Erfüllung mit Island) Drucksache 18/4895 . . . . . . . . . . . . . . . . . 10093 B e) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Abkommen vom 17. Sep- tember 2012 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Vereinigten Repu- blik Tansania über den Fluglinienver- kehr Drucksache 18/4896 . . . . . . . . . . . . . . . . . 10093 B f) Antrag der Abgeordneten Luise Amtsberg, Maria Klein-Schmeink, Beate Walter- Rosenheimer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN: Für eine menschenrechtsorien- tierte Umsetzung der Flüchtlingsauf- nahmerichtlinie der EU Drucksache 18/4691 . . . . . . . . . . . . . . . . . 10093 C h) Antrag der Abgeordneten Omid Nouripour, Dr. Franziska Brantner, Agnieszka Brugger, weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Richtlinien zum Schutz von Schulen und Hochschulen vor militäri- scher Nutzung in einem bewaffneten Konflikt umsetzen Drucksache 18/4939 . . . . . . . . . . . . . . . . . 10093 C Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 106. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 21. Mai 2015 III Zusatztagesordnungspunkt 2: Antrag der Abgeordneten Cornelia Möhring, Sigrid Hupach, Matthias W. Birkwald, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Entgeltgleichheit gesetzlich durch- setzen Drucksache 18/4933 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10094 A Tagesordnungspunkt 34: a) Beratung der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Recht und Verbraucher- schutz: Übersicht 5 – über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfas- sungsgericht Drucksache 18/4962 . . . . . . . . . . . . . . . . . 10094 B b)–j) Beratung der Beschlussempfehlungen des Petitionsausschusses: Sammelübersich- ten 181, 182, 183, 184, 185, 186, 187, 188 und 189 zu Petitionen Drucksachen 18/4827, 18/4828, 18/4829, 18/4830, 18/4831, 18/4832, 18/4833, 18/4834, 18/4835 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10094 C Zusatztagesordnungspunkt 3: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Wirtschaft und Energie zu dem Antrag der Abgeordneten Christian Kühn (Tübingen), Dr. Julia Verlinden, Oliver Krischer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Heiz- kosten sparen – Energiewende im Gebäu- debereich und im Quartier voranbringen Drucksachen 18/575, 18/2715 . . . . . . . . . . . . 10095 B Zusatztagesordnungspunkt 4: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion DIE LINKE: Haltung der Koalitionsfrak- tionen zur Freigabe der NSA-Selektoren- liste im Hinblick auf mögliche Ausspähun- gen von Wirtschaft und Politik . . . . . . . . . . 10095 C Jan Korte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . 10095 C Thomas Strobl (Heilbronn) (CDU/CSU) . . . . 10097 A Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10098 D Christian Flisek (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10100 A Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU) . . . . . 10101 B Dr. André Hahn (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 10102 D Dr. Jens Zimmermann (SPD) . . . . . . . . . . . . . 10103 D Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10105 A Armin Schuster (Weil am Rhein) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10106 B Susanne Mittag (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10108 B Nina Warken (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 10109 C Andrea Lindholz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 10111 B Tagesordnungspunkt 8: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung ei- nes Nachtrags zum Bundeshaushalts- plan für das Haushaltsjahr 2015 (Nach- tragshaushaltsgesetz 2015) Drucksachen 18/4600, 18/4950, 18/4951 . 10112 D b) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung von In- vestitionen finanzschwacher Kommu- nen und zur Entlastung von Ländern und Kommunen bei der Aufnahme und Unterbringung von Asylbewerbern Drucksachen 18/4653 (neu), 18/4975 . . . 10112 D c) Beschlussempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Susanna Karawanskij, Kerstin Kassner, Klaus Ernst, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Bundesverantwortung wahr- nehmen – Kommunen bei Unterbrin- gung von Flüchtlingen und Asylbewer- bern sofort helfen und Kosten der Unterkunft für Hartz-IV-Leistungsbe- rechtigte schrittweise übernehmen Drucksachen 18/3573, 18/4118 . . . . . . . . 10113 A d) Beschlussempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Kerstin Andreae, Katja Dörner, Oliver Krischer, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Heute für morgen inves- tieren – Damit unsere Zukunft nachhal- tig und gerechter wird Drucksachen 18/4689, 18/4974 . . . . . . . . 10113 A Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10113 B Roland Claus (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 10114 B Johannes Kahrs (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10115 D Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10116 D Norbert Brackmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 10118 A Jan Korte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . 10119 A Ulrike Gottschalck (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 10119 B Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU) . . . . 10120 B IV Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 106. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 21. Mai 2015 Tagesordnungspunkt 9: Antrag der Abgeordneten Kai Gehring, Ekin Deligöz, Luise Amtsberg, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Deutschlandstipendium ab- schaffen – Stipendienförderung und Stu- dienfinanzierung stärken Drucksache 18/4692 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10122 A Kai Gehring (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10122 B Sybille Benning (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 10123 C Nicole Gohlke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 10126 C Marianne Schieder (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 10127 C Cemile Giousouf (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 10129 A Martin Rabanus (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10131 A Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10132 B Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) . . . . . . . . . 10133 A Tagesordnungspunkt 10: Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD: zu dem Vorschlag für eine Verord- nung des Europäischen Parlaments und des Rates über den Europäischen Fonds für strategische Investitionen und zur Än- derung der Verordnungen (EU) Nr. 1291/ 2013 und (EU) Nr. 1316/2013 – KOM(2015) 10 endg.; Ratsdok. 5112/15 – hier: Stellung- nahme gegenüber der Bundesregierung ge- mäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgeset- zes – Dem Europäischen Fonds für strategische Investitionen zum Erfolg ver- helfen Drucksache 18/4929 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10133 C in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 5: Antrag der Abgeordneten Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Diether Dehm, Andrej Hunko, Alexander Ulrich und der Fraktion DIE LINKE: Für ein öffentliches sozial- ökologisches Zukunftsinvestitionspro- gramm in Europa Drucksache 18/4932 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10133 D Joachim Poß (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10134 A Alexander Ulrich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 10135 A Ursula Groden-Kranich (CDU/CSU) . . . . . . . 10136 B Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10137 C Ronja Schmitt (Althengstett) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10138 B Christian Petry (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10139 C Katrin Albsteiger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 10140 C Tagesordnungspunkt 11: Erste Beratung des von den Abgeordneten Norbert Müller (Potsdam), Thomas Nord, Caren Lay, weiteren Abgeordneten und der Fraktion DIE LINKE eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes über die Finanzierung der Beseitigung von Rüstungsaltlasten in der Bundesrepublik Deutschland (Rüstungsaltlastenfinanzierungsgesetz – RüstAltFG) Drucksache 18/4841 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10141 C Norbert Müller (Potsdam) (DIE LINKE) . . . . 10141 D Klaus-Dieter Gröhler (CDU/CSU) . . . . . . . . . 10143 A Dr. Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10144 A Dr. Hans-Ulrich Krüger (SPD) . . . . . . . . . . . . 10145 B Alois Karl (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . 10146 C Uwe Feiler (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . 10147 C Norbert Müller (Potsdam) (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10148 A Tagesordnungspunkt 12: – Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung: Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der EU-geführten Ope- ration Atalanta zur Bekämpfung der Piraterie vor der Küste Somalias auf Grundlage des Seerechtsübereinkom- mens der Vereinten Nationen (VN) von 1982 und der Resolutionen 1814 (2008) vom 15. Mai 2008, 1816 (2008) vom 2. Juni 2008, 1838 (2008) vom 7. Okto- ber 2008, 1846 (2008) vom 2. Dezember 2008, 1851 (2008) vom 16. Dezember 2008, 1897 (2009) vom 30. November 2009, 1950 (2010) vom 23. November 2010, 2020 (2011) vom 22. November 2011, 2077 (2012) vom 21. November 2012, 2125 (2013) vom 18. November 2013, 2184 (2014) vom 12. November 2014 und nachfolgender Resolutionen des Sicherheitsrates der VN in Verbin- dung mit der Gemeinsamen Aktion 2008/851/GASP des Rates der Europäi- schen Union (EU) vom 10. November 2008, dem Beschluss 2009/907/GASP des Rates der EU vom 8. Dezember 2009, dem Beschluss 2010/437/GASP des Rates der EU vom 30. Juli 2010, dem Beschluss 2010/766/GASP des Ra- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 106. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 21. Mai 2015 V tes der EU vom 7. Dezember 2010, dem Beschluss 2012/174/GASP des Rates der EU vom 23. März 2012 und dem Be- schluss 2014/827/GASP vom 21. No- vember 2014 Drucksachen 18/4769, 18/4964 . . . . . . . . 10149 B – Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung Drucksache 18/4976 . . . . . . . . . . . . . . . . . 10149 C Dagmar Freitag (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10149 C Kathrin Vogler (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 10150 C Thorsten Frei (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 10151 D Doris Wagner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10153 A Dr. Johann Wadephul (CDU/CSU) . . . . . . . . . 10154 B Wolfgang Hellmich (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 10155 A Dr. Hans-Peter Uhl (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 10156 B Namentliche Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . 10157 B Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10161 C Tagesordnungspunkt 13: Antrag der Abgeordneten Peter Meiwald, Britta Haßelmann, Christian Kühn (Tübin- gen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wertstoffge- setz jetzt vorlegen Drucksache 18/4648 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10157 C Peter Meiwald (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10157 C Dr. Thomas Gebhart (CDU/CSU) . . . . . . . . . 10158 D Ralph Lenkert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 10163 B Michael Thews (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10164 C Tagesordnungspunkt 14: – Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung: Beteiligung be- waffneter deutscher Streitkräfte an der durch die Vereinten Nationen geführten Mission UNMIL in Liberia auf Grund- lage der Resolution 1509 (2003) und nachfolgender Verlängerungsresolutio- nen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen, zuletzt Resolution 2190 (2014) vom 15. Dezember 2014 und der Resolution 2215 (2015) vom 2. April 2015 Drucksachen 18/4768, 18/4965 . . . . . . . . 10166 B – Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung Drucksache 18/4977 . . . . . . . . . . . . . . . . . 10166 B Dr. Bärbel Kofler (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 10166 C Sevim Dağdelen (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 10167 D Roderich Kiesewetter (CDU/CSU) . . . . . . . . 10168 C Agnieszka Brugger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10170 A Dr. Reinhard Brandl (CDU/CSU) . . . . . . . . . 10170 D Namentliche Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . 10171 D Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10173 C Tagesordnungspunkt 15: a) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Menschenrechte und Hu- manitäre Hilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10171 D – zu dem Antrag der Abgeordneten Heike Hänsel, Michael Leutert, Wolfgang Gehrcke, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion DIE LINKE: Menschenrechte in Mexiko schüt- zen, Verhandlungen zum Sicher- heitsabkommen aussetzen – zu dem Antrag der Abgeordneten Tom Koenigs, Uwe Kekeritz, Claudia Roth (Augsburg), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Iguala ist kein Einzelfall – Zur Menschenrechtslage in Mexiko Drucksachen 18/3548, 18/3552, 18/3952 . . . 10172 A b) Beschlussempfehlung und Bericht des In- nenausschusses zu dem Antrag der Abge- ordneten Hans-Christian Ströbele, Irene Mihalic, Uwe Kekeritz, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sicherheitsabkommen brau- chen Standards Drucksachen 18/3553, 18/3933 . . . . . . . . 10172 A Gabriela Heinrich (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 10172 B Heike Hänsel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 10176 A Dr. Egon Jüttner (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 10177 A Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10177 D Anita Schäfer (Saalstadt) (CDU/CSU) . . . . . . 10178 C Tagesordnungspunkt 16: – Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD einge- brachten Entwurfs eines Zweiten Geset- VI Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 106. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 21. Mai 2015 zes zur Änderung des Erneuerbare- Energien-Gesetzes Drucksachen 18/4683, 18/4968 . . . . . . . . 10179 D – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes Drucksachen 18/4891, 18/4968 . . . . . . . . 10179 D in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 6: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Wirtschaft und Energie zu dem Antrag der Abgeordneten Oliver Krischer, Dr. Julia Verlinden, Annalena Baerbock, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Europarechtskon- forme Regelung der Industrievergünsti- gungen auf stromintensive Unternehmen im internationalen Wettbewerb begrenzen und das EEG als kosteneffizientes Instru- ment fortführen Drucksachen 18/291, 18/515 . . . . . . . . . . . . . 10179 D Johann Saathoff (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10180 A Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . . . . . 10181 C Dr. Andreas Lenz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 10182 C Dr. Julia Verlinden (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10184 D Tagesordnungspunkt 17: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe zu dem Antrag der Abgeordneten Tom Koenigs, Cem Özdemir, Annalena Baerbock, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Verfolgt, ver- trieben, vergessen – Völkermord an den Rohingya verhindern Drucksachen 18/2615, 18/3951 . . . . . . . . . . . 10186 C Angelika Glöckner (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 10186 D Annette Groth (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 10188 A Dr. Bernd Fabritius (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 10188 D Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10190 B Jörn Wunderlich (DIE LINKE) . . . . . . . . . 10190 C Tagesordnungspunkt 18: – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung der Un- terhaltssicherung sowie zur Änderung soldatenrechtlicher Vorschriften Drucksachen 18/4632, 18/4851 . . . . . . . . 10191 D – Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung Drucksache 18/4852 . . . . . . . . . . . . . . . . . 10192 A Tagesordnungspunkt 19: Beschlussempfehlung und Bericht des Fi- nanzausschusses – zu dem Antrag der Abgeordneten Niema Movassat, Dr. Axel Troost, Wolfgang Gehrcke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Für ein internatio- nales Staateninsolvenzverfahren – zu dem Antrag der Abgeordneten Uwe Kekeritz, Dr. Gerhard Schick, Annalena Baerbock, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Resolution der Vereinten Nationen für ein multilaterales Rahmenwerk zur Re- strukturierung von Staatsschulden um- setzen – Jetzt aktiv den Arbeitsprozess der Vereinten Nationen mitgestalten Drucksachen 18/3743, 18/3916, 18/4233 . . . 10192 B Tagesordnungspunkt 20: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung des Rechts über das Inver- kehrbringen, die Rücknahme und die um- weltverträgliche Entsorgung von Elektro- und Elektronikgeräten Drucksache 18/4901 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10192 C Tagesordnungspunkt 22: Antrag der Abgeordneten Stephan Albani, Anette Hübinger, Albert Rupprecht, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten René Röspel, Dr. Ernst Dieter Rossmann, Hubertus Heil (Peine), weiterer Abgeordneter und der Frak- tion der SPD: Forschung und Entwicklung für die Bekämpfung von vernachlässigten armutsassoziierten Erkrankungen stärken Drucksache 18/4930 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10192 D Tagesordnungspunkt 23: Zweite und dritte Beratung des von den Frak- tionen CDU/CSU, SPD, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Neunten Gesetzes zur Ände- rung des Bundesverfassungsgerichtsgeset- zes (9. BVerfGGÄndG) Drucksachen 18/2737, 18/4963 . . . . . . . . . . . 10193 A Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 106. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 21. Mai 2015 VII Dr. Matthias Bartke (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 10193 B Richard Pitterle (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 10194 A Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU/CSU) . 10194 D Renate Künast (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10195 D Dr. Katarina Barley (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 10196 D Dr. Volker Ullrich (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 10197 B Tagesordnungspunkt 24: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Internationalen Erbrecht und zur Änderung von Vorschriften zum Erbschein sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften Drucksachen 18/4201, 18/4961. . . . . . . . . . . . 10198 B Tagesordnungspunkt 25: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der Protokollerklärung zum Gesetz zur Anpassung der Abgabenord- nung an den Zollkodex der Union und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschrif- ten Drucksache 18/4902 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10198 C Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10198 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 10199 A Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Christian Kühn (Tübingen), Monika Lazar, Peter Meiwald, Corinna Rüffer und Hans- Christian Ströbele (alle BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zu der namentlichen Abstim- mung über die Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung: Fortsetzung der Beteili- gung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der EU-geführten Operation Atalanta zur Be- kämpfung der Piraterie vor der Küste Soma- lias (Tagesordnungspunkt 12) . . . . . . . . . . . . . 10199 B Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung der Unterhaltssicherung sowie zur Änderung soldatenrechtlicher Vorschriften (Tagesord- nungspunkt 18) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10200 A Wilfried Lorenz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 10200 A Julia Obermeier (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 10201 A Dr. Fritz Felgentreu (SPD) . . . . . . . . . . . . . 10201 C Christine Buchholz (DIE LINKE) . . . . . . . . 10202 B Dr. Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10203 A Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts zu den Anträgen: – Für ein internationales Staateninsolvenz- verfahren – Resolution der Vereinten Nationen für ein multilaterales Rahmenwerk zur Restruktu- rierung von Staatsschulden umsetzen – Jetzt aktiv den Arbeitsprozess der Verein- ten Nationen mitgestalten (Tagesordnungspunkt 19) . . . . . . . . . . . . . . . . 10203 C Dr. Heribert Hirte (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 10203 C Bettina Kudla (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 10205 A Manfred Zöllmer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 10206 A Niema Movassat (DIE LINKE) . . . . . . . . . . 10207 A Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10207 D Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung des Rechts über das Inverkehrbringen, die Rücknahme und die umweltverträgliche Ent- sorgung von Elektro- und Elektronikgeräten (Tagesordnungspunkt 20) . . . . . . . . . . . . . . . . 10208 D Dr. Thomas Gebhart (CDU/CSU) . . . . . . . . 10208 D Dr. Anja Weisgerber (CDU/CSU) . . . . . . . . 10209 C Michael Thews (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 10210 B Ralph Lenkert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 10211 A Peter Meiwald (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10211 D Florian Pronold, Parl. Staatssekretär BMUB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10212 D Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Forschung und Entwicklung für die Bekämpfung von vernachlässigten armuts- assoziierten Erkrankungen stärken (Tagesord- nungspunkt 22) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10213 D Stephan Albani (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 10213 D VIII Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 106. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 21. Mai 2015 Anette Hübinger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 10214 D Dr. Karamba Diaby (SPD) . . . . . . . . . . . . . 10215 D René Röspel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10216 C Niema Movassat (DIE LINKE) . . . . . . . . . . 10217 D Kai Gehring (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10218 C Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zum Interna- tionalen Erbrecht und zur Änderung von Vor- schriften zum Erbschein sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften (Tagesordnungspunkt 24) 10219 C Dr. Hendrik Hoppenstedt (CDU/CSU) . . . . 10219 C Dr. Silke Launert (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 10220 C Dennis Rohde (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10221 D Jörn Wunderlich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . 10222 C Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10223 B Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der Protokollerklärung zum Gesetz zur An- passung der Abgabenordnung an den Zoll- kodex der Union und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (Tagesordnungs- punkt 25) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10224 A Olav Gutting (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 10224 A Dr. Jens Zimmermann (SPD) . . . . . . . . . . . . 10224 D Richard Pitterle (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 10226 A Dr. Thomas Gambke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10226 C Dr. Michael Meister, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10227 C Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 106. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 21. Mai 2015 10033 (A) (C) (D)(B) 106. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 21. Mai 2015 Beginn: 9.00 Uhr
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    1) Anlage 7 2) Anlage 8 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 106. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 21. Mai 2015 10199 (A) (C) (B) Anlagen zum Stenografischen Bericht (D) Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Amtsberg, Luise BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 21.05.2015 Andreae, Kerstin BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 21.05.2015 Baerbock, Annalena BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 21.05.2015 Dr. Bergner, Christoph CDU/CSU 21.05.2015 Dr. Böhmer, Maria CDU/CSU 21.05.2015 Bülow, Marco SPD 21.05.2015 Dröge, Katharina BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 21.05.2015 Groneberg, Gabriele SPD 21.05.2015 Grundmann, Oliver CDU/CSU 21.05.2015 Hartmann (Wackernheim), Michael SPD 21.05.2015 Hintze, Peter CDU/CSU 21.05.2015 Jarzombek, Thomas CDU/CSU 21.05.2015 Kindler, Sven-Christian BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 21.05.2015 Lach, Günter CDU/CSU 21.05.2015 Mißfelder, Philipp CDU/CSU 21.05.2015 Pflugradt, Jeannine SPD 21.05.2015 Schlecht, Michael DIE LINKE 21.05.2015 Schwabe, Frank SPD 21.05.2015 Spiering, Rainer SPD 21.05.2015 Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Christian Kühn (Tübingen), Monika Lazar, Peter Meiwald, Corinna Rüffer und Hans-Christian Ströbele (alle BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) zu der namentlichen Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung: Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der EU- geführten Operation Atalanta zur Bekämpfung der Piraterie vor der Küste Somalias (Tagesord- nungspunkt 12) Den Antrag der Bundesregierung lehnen wir ab und stimmen mit Nein. Wir halten den Einsatz der Bundes- wehr im Golf von Aden und im ganzen Indischen Ozean politisch für falsch und nicht notwendig zum Schutz der Schiffe des Welternährungsprogramms vor Piraterie. Vor allem war er von Anfang an nicht das letzte mögliche Mittel, die Ultima Ratio, um die Schiffe zu schützen und Piraterie wirksam zu bekämpfen. In der Begründung zum Mandat erklärt die Bundesre- gierung, dass die niedrige Zahl der versuchten Über- griffe auf Handelsschiffe eine Folge der ständigen Prä- senz der Kriegsschiffe im Golf von Aden sei. Wie im Vorjahr wird diese Behauptung nicht belegt. Es ist eine falsche Annahme. Denn zivile Maßnahmen wie das Einhalten der sogenannten Best Management Practices – Fahren im Konvoi oder mit hoher Geschwin- digkeit sowie die Absicherung von Reling und Außen- bord, etwa durch Stacheldraht, und das Anbringen von Scheinwerfern – haben die Piratenangriffe verhindert. Die Bundesregierung hat bestätigt, dass kein einziges Schiff von Piraten aufgebracht wurde, das sich an diese Regeln gehalten hat. Das gilt gerade auch für den Schutz der Schiffe des Welternährungsprogramms. In einem Gutachten des In- stituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik der Universität Hamburg wird empfohlen, den Schutz dieser Transporte von Hilfsgütern und Nahrungsmitteln nach Somalia dadurch zu verbessern, dass das WFP mit bes- seren und schnelleren Schiffen ausgestattet wird. Zum neunten Mal entscheidet sich der Bundestag nun schon für diesen Kriegseinsatz, der aber letztlich nur die Symptome der Piraterie bekämpft. Deren Ursachen hin- gegen, die man nur politisch angehen kann, werden im- mer noch weitgehend ignoriert. In Somalia herrschen Armut, Hunger, Gewalt und politische Unsicherheit. Ein Grund für Hunger und Armut ist die Überfischung der Gewässer vor Somalia. Modern ausgestattete Fangflot- ten aus der EU, Japan oder Taiwan rauben den lokalen Fischern die Existenzgrundlage. Zusätzlich kommt es durch illegale (Gift-)Müllentsorgung vor der Küste So- malias zu massivem Fischsterben, und Menschen er- kranken. Kriegsschiffe und Militäreinsätze sind nicht das rich- tige Mittel, um die Piraterie und ihre Ursachen zu be- kämpfen. Atalanta beeinflusst auch die europäische Debatte da- rum, wie mit der Flüchtlingskatastrophe im Mittelmeer umgegangen werden sollte: Die EU-Kommission schlug jüngst vor, sich dabei an Atalanta zu orientieren. Dies Anlagen 10200 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 106. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 21. Mai 2015 (A) (C) (D)(B) zeigt die drohende Militarisierung der europäischen Flüchtlingspolitik. Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung der Unterhaltssicherung sowie zur Änderung soldatenrechtlicher Vorschriften (Ta- gesordnungspunkt 18) Wilfried Lorenz (CDU/CSU): Auch in der abschlie- ßenden zweiten und dritten Lesung der konstitutiven Neu- fassung des Unterhaltssicherungsgesetzes, USG, komme ich nicht umhin, den Blick auf die Besonderheiten der deutschen Sprache zu lenken, die gelegentlich Irritatio- nen hervorrufen. Die in unserem Sprachraum verbrei- tete, nicht selten mehrere Textzeilen füllende Aneinan- derreihung einer Vielzahl von Substantiven findet sich auch im Wort Bundeswehrattraktivitätssteigerungsge- setz. Von diesem Regelungswerk hat schon jeder gehört. Über das Unterhaltssicherungsgesetz wird dagegen kaum berichtet. Zugegeben, die Wortzusammenstellung lässt auf den ersten Blick eher an Unterhalt für die ge- schiedene Ehefrau oder Alimente für Kinder denken. Doch es liegt nun an uns allen, deutlich zu machen, dass das USG zu Unrecht weniger im Fokus der Öffentlich- keit steht. Denn die Reservedienst- und freiwillige Wehrdienstleistenden, um die es geht, leisten denselben Dienst wie die aktiven Soldatinnen und Soldaten, für die das Attraktivitätssteigerungsgesetz geschaffen wurde. Das Gesetz, das wir heute beschließen, sollte treffen- der Reservedienst- und Freiwilligwehrdienstleistendeun- terhaltssicherungsgesetz – RDLFWDLUSG – heißen. Auf diese Weise wären nicht nur noch mehr Substantive in einem durchaus beachtlichen Wortungetüm unterge- bracht und eine stattliche Abkürzung kreiert. Es würde auch etwas klarer, welche Inhalte sich dahinter verber- gen: Erstens. Regelungen, die spiegelbildlich als logische gesetzgeberische Fortführung des Bundeswehrattraktivi- tätsgesetzes, auch den Dienst von Reservistinnen und Reservistinnen wie freiwilligen Wehrdienstleistenden at- traktiver gestalten sollen. Zweitens. Vorschriften, die die Durchführung des Ge- setzes von den Ländern auf den Bund übertragen und beim Bundesamt für das Personalmanagement der Bun- deswehr in einer Hand zusammenfassen; zuständig sind ab 1. November 2015 also nicht mehr die Unterhaltssi- cherungsstellen auf lokaler Ebene. Drittens. Die Zusammenfassung und Vereinfachung aller Leistungen für Reservedienstleistende, die bislang auch im Wehrsoldgesetz, WSG, geregelt waren, zu ei- nem Anreizsystem. Der gesetzliche Handlungsbedarf erschließt sich be- reits aus der Tatsache, dass das derzeit gültige USG noch aus dem Jahr 1957 stammt und zuletzt 1990 geändert wurde. Vor allem neue demografische Anforderungen an die Bundeswehr machen Änderungen als Teil der Attrak- tivitätsagenda erforderlich. Die deutschen Streitkräfte sind – spätestens seit Aus- setzung der Wehrpflicht – einsatzfähig, wenn genügend qualifizierte Reservedienstleistende aus allen Bereichen der Gesellschaft und aus allen Berufsgruppen gewonnen und gehalten werden können. Bundeswehrattraktivitäts- steigerungsgesetz und Unterhaltssicherungsgesetz sind daher als Gesamtprojekt zur Steigerung von Attraktivität und Leistungsfähigkeit der Bundeswehr zu sehen. Um bisherige Benachteiligungen zu beseitigen, ent- hält das neue USG wesentliche Änderungen: Erstens eine angemessene Erhöhung der Mindestleis- tungen für Reservistinnen und Reservisten auf ein Ni- veau in Höhe mindestens der Nettobesoldung aktiver Soldatinnen und Soldaten gleichen Dienstgrades; Min- destleistungen dienen der Sicherung des Einkommens während des Dienstes – daher die Begrifflichkeit Unter- haltssicherung; durch deren Erhöhung erreichen wir eine Gleichbehandlung von Reservisten und Aktiven. Zweitens können Reservedienstleistende ihren Dienst künftig ohne Gehaltseinbußen tun. Dies gilt auch für Re- servisten mit höherem zivilem Einkommen. Sie erhalten zusätzlich Wehrsold und gegebenenfalls Verpflichtungs- prämien. Reservisten im gleichen Dienstgrad, aber mit unterschiedlicher ziviler Qualifikation erhalten eine un- terschiedliche Entschädigung entsprechend ihrem zivi- len Einkommen. Für Selbstständige werden die Sätze er- höht und der Nachweisaufwand verringert. Drittens wird der Unterhalt von Familienangehörigen freiwillig Wehrdienstleistender durch Nachvollzug von Änderungen im Unterhaltsrecht gesichert, so die Gleich- stellung nichtehelicher und ehelicher Kinder sowie die Aufnahme der Unterhaltsansprüche von Müttern und Vätern nichtehelicher Kinder. Spiegelbildlich zum Bundeswehrattraktivitätssteige- rungsgesetz haben wir mit dem neugefassten USG einen weiteren gesetzlichen Baustein zu mehr Attraktivität des Dienstes in der Bundeswehr – hier vor allem des Reser- vedienstes – geschaffen. Bisherige Benachteiligungen gegenüber aktiven Soldaten sind beseitigt. Und wir haben Anreize geschaffen, sich für den Dienst in der Bundeswehr zu entscheiden, dort zu bleiben und als Multiplikatoren in die Gesellschaft hineinzuwirken. Doch der Mensch lebt bekanntlich nicht vom Brot al- lein. Und so bedeutet mehr Attraktivität des Dienstes her- zustellen auch, mehr Anerkennung und Wertschätzung des Dienstes in den Streitkräften in unserer Gesellschaft zu verankern. Wir werden hier nicht stehen bleiben, son- dern weiter an Verbesserungen arbeiten, wo nötig. Dazu gehört, dass wir – wie beim Attraktivitätssteige- rungsgesetz – auch zusätzliche Haushaltsmittel zur Ver- fügung stellen werden. Für die Erhöhung der Leistungen werden derzeit zusätzliche Mittel in Höhe von jährlich 11,9 Millionen Euro veranschlagt. Für die Gesetzes- durchführung dürften zusätzlich Kosten von 4,25 Millio- nen Euro hinzukommen. Das sind Gesamtkosten von Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 106. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 21. Mai 2015 10201 (A) (C) (D)(B) 16,15 Millionen Euro, die sich für unser aller Sicherheit – immateriell wie materiell – weit mehr als bezahlt ma- chen werden. Denn unsere Soldatinnen und Soldaten, Aktive wie Reservisten, wissen dann endlich, dass wir es ernst meinen, wenn wir sagen: Sie sind uns wichtig! Vor Ihrem Dienst für unser Land stehen wir mit größtem Respekt und werden alles dafür tun, dass Sie diesen un- ter den besten Bedingungen und mit der besten Ausrüs- tung leisten können. Julia Obermeier (CDU/CSU): Seit Beginn dieser Legislaturperiode haben wir eine Häufung krisenhafter Entwicklungen erlebt: Vor eineinhalb Jahren war noch keine Rede von der Ebolaepidemie in Westafrika, dem menschenverachtenden Vormarsch der ISIS-Terrormi- liz, der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim und dem gewaltsamen Konflikt in der Ostukraine oder der dramatischen Situation der Flüchtlinge auf dem Mittel- meer. In ungeahntem Ausmaß haben sich die bedrohli- chen Ereignisse überschlagen. Sie zeigen uns deutlich: Die Herausforderungen, die Deutschland und die Bun- deswehr zu bewältigen haben, können sich schnell und wesentlich ändern. Diese Herausforderungen kann die Bundeswehr nur mit dem Rückhalt einer starken Reserve bewältigen. Die Reservisten sind unverzichtbarer Bestandteil der Bun- deswehr. Aktuell sind fast 33 000 Reservedienstleistende beordert. Sie sind aus der Bundeswehr nicht mehr wegzu- denken: ob bei der Aufrechterhaltung der Einsatzbereit- schaft in der Heimat, der Hilfeleistung im Katastro- phenfall im Inland oder bei der Unterstützung im Auslandseinsatz. Reservedienstleistende nehmen an Übungen teil. Sie helfen auch bei Naturkatastrophen, wie zum Beispiel dem Hochwasser im Frühsommer 2013. Reservisten sind darüber hinaus bei nahezu allen Auslandseinsätzen der Bundeswehr vertreten: Sie unterstützen die KFOR- Truppen im Kosovo, die Mission Atalanta am Horn von Afrika oder die Ausbildungsmission Resolut Support in Afghanistan. Einige Reservisten haben auch Nothilfe im Kampf gegen Ebola geleistet. Bei meinen Truppenbesuchen treffe ich neben Berufs- und Zeitsoldaten auch immer wieder Reservedienstleis- tende. In Bad Reichenhall habe ich einen aktiven Reser- visten getroffen, der den Kommandeur im Sommer ver- treten hat. Besonders beeindruckt war ich von einem Oberstleutnant der Reserve, der in Mali bereits zum zweiten Mal als deutscher Militärattaché diente. Dies zeigt: Die Bundeswehr setzt Reservedienst- leistende entsprechend ihrer speziellen Fähigkeiten auch gezielt auf herausgehobenen Dienstposten ein. Reserve- dienstleistende sind und bleiben ein tragender Bestand- teil unserer Streitkräfte. Ich und meine CDU/CSU-Fraktion danken allen Re- servisten für ihren Einsatz und für ihr Engagement. Wir wollen die Bundeswehr als Arbeitgeber noch attraktiver machen. Die Agenda „Bundeswehr in Füh- rung“ und das Bundeswehrattraktivitätssteigerungs- gesetz waren wichtige Schritte. Das Unterhaltssiche- rungsgesetz ist nun der nächste Schritt. Es ist vor allem auf die Reservedienstleistenden zugeschnitten. Einzelne Verbesserungen betreffen auch die freiwillig Wehr- dienstleistenden. Die Kernidee bleibt erhalten: Den Dienstleistenden wird mindestens der Einkommensver- lust ausgeglichen. Doch der Reservedienst soll attrakti- ver gemacht werden. Dies wird unter anderem durch drei der Verbesserungen erreicht: Erstens. Die Mindestleistungen für Reservedienstleis- tende werden wesentlich erhöht: Die Vergütung wird an die Nettobesoldung von Soldatinnen und Soldaten glei- chen Dienstgrades angeglichen. Zweitens. Es wird ein Anreizsystem für die Reserve- dienstleistung geschaffen. Wer sich vorab verpflichtet, in einem Jahr mindestens 19 bzw. 33 Tage Reservisten- dienst zu leisten, erhält Zulagen. Drittens. Die Antragstellung wird vereinfacht: Die Kompetenzen werden zentral in der Bundeswehrverwal- tung gebündelt. Die Länder werden von dieser Aufgabe entlastet. Mit dem Unterhaltssicherungsgesetz wird der Reser- vedienst attraktiver. Ich bitte Sie um Ihre Unterstützung für den vorliegenden Gesetzentwurf. Dr. Fritz Felgentreu (SPD): Das Unterhaltssiche- rungsgesetz, das wir heute beschließen, regelt umfassend und neu die Versorgung von Reservedienstleistenden und von freiwillig Wehrdienstleistenden der Bundes- wehr sowie von deren Angehörigen. Wir nehmen mit diesem Gesetz die Dienstleistenden erstmals als Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ernst. Das wird auch höchste Zeit. Denn mit dem Wegfall der Wehrpflicht ist Freiwilligkeit das Prinzip nicht nur für Zeit- und Berufssoldaten, sondern auch bei den Nachfol- geformen des Grundwehrdienstes und der Wehrübungen, also bei der freiwilligen und der Reservedienstleistung. Das USG ist zuletzt 1980 grundlegend novelliert wor- den. In seiner bisherigen Form geht es von der Wehr- pflicht aus. Die versorgungsrechtliche Gleichstellung der Wehrpflichtigen mit Zeit- und Berufssoldaten ist darin nicht vorgesehen. Eine Neufassung, die den Bedingun- gen der Freiwilligkeit gerecht wird, ist deshalb zwingend notwendig. Kerngedanke des neuen USG ist es, alle Soldatinnen und Soldaten entsprechend ihrem Dienstgrad gleich zu bezahlen, gleichgültig, in welchem Dienstverhältnis sie stehen. Die neuen Tagessätze führen dazu, dass das Net- toeinkommen von freiwillig Wehrdienstleistenden und Reservedienstleistenden dem von Zeit- und Berufssolda- ten generell entspricht. Reservisten, die im Zivilberuf ein höheres Einkommen haben, werden wie bisher für ihren Verdienstausfall entschädigt. Das neue USG ist zeitgemäß, fair und sozial. Die SPD-Fraktion hätte gerne noch die automatische Anpas- sung der Tagessätze an Tarifsteigerungen im öffentlichen 10202 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 106. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 21. Mai 2015 (A) (C) (D)(B) Dienst eingebaut, damit sich die Nettoeinkommen gar nicht erst wieder auseinanderentwickeln können. Wir werden diesen Punkt wieder ansprechen, wenn die Not- wendigkeit sich bestätigt. Insgesamt aber handelt es sich um ein gutes Gesetz, dem wir gerne zustimmen. Das neue USG dient ausschließlich den sozialen Inte- ressen der Dienstleistenden und ihrer Familien. Seine Ablehnung durch die Fraktion der Linken ist deshalb für uns nicht nachvollziehbar. Im Verteidigungsausschuss hat die Kollegin Buchholz die Position ihrer Fraktion da- mit begründet, dass das neue USG den Wehrdienst at- traktiver mache und daher abzulehnen sei. Die Logik dieser Begründung bedarf der Analyse. Die Linke will also keine attraktive Freiwilligenarmee. Die Wehrpflicht, unter der die Attraktivität des Dienstes möglicherweise zweitrangig bleiben kann, will sie aber auch nicht. Will die Linke also eine unattraktive Freiwil- ligenarmee? Das wäre ein Widerspruch in sich. Wenn die Linke die eigene Argumentation ernst meint, verbirgt sich dahinter folglich die vollständige Ablehnung militä- rischer Landesverteidigung. Das sollte die Linke dann aber auch so offen formulieren und sich nicht hinter ver- schwurbeltem Gerede über einzelne Gesetze verstecken. Dann können die Bürgerinnen und Bürger sich ein klares Urteil über das sicherheitspolitische Credo der Linken bilden. Vollends unverständlich wird die Haltung der Linken aus dem Blickwinkel der Familienpolitik. Das neue USG bezieht nämlich erstmals die gesellschaftlichen Verände- rungen mit ein, die seit 1980 dazu geführt haben, dass unsere Vorstellungen von Familie vielfältiger geworden sind. Nichteheliche Kinder, Lebenspartnerinnen und Le- benspartner werden im neuen USG als Angehörige von Dienstleistenden definiert, die selbstverständlich einen eigenen Anspruch auf Versorgung haben. Dass ausge- rechnet die Linke, die das Bekenntnis zur vollen Gleich- stellung gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften sonst immer lautstark proklamiert, ihre Unterstützung in dem Moment verweigert, in dem es sich um schwule und lesbische Soldatinnen und Soldaten handelt, lässt erheb- liche Zweifel an der allgemeinen Aufrichtigkeit ihrer Gleichstellungspolitik aufkommen. Für die SPD gibt es keine richtigen oder falschen Lebenspartnerschaften – alle verdienen die gleiche Anerkennung. Die Kollegin- nen und Kollegen der Linksfraktion bitte ich daher drin- gend, noch einmal zu prüfen, ob sie diesem guten Gesetz zusammen mit den anderen Fraktionen dieses Hauses nicht doch die angemessene Zustimmung geben sollten. Alle Dienstleistenden der Bundeswehr, alle, die diesen Soldatinnen und Soldaten für ihren Beitrag zur Landes- verteidigung verpflichtet sind, alle, die zwischen Le- benspartnerschaft und Familie keinen Unterschied ma- chen, und alle, denen die Rechte nichtehelich geborener Kinder am Herzen liegen, würden es ihnen danken. Christine Buchholz (DIE LINKE): Der vorliegende Gesetzentwurf der Bundesregierung soll zu einer Kon- zentration der Bearbeitung von Anträgen auf Leistungen durch Reservistinnen und Reservisten sowie von freiwil- ligen Wehrdienstleistenden bei einer vom Bund einzurichtenden Stelle führen. Grundsätzlich ist es begrüßenswert, wenn es durch Straffung administrativer Vorgänge zu einer Entlastung der Länder und einer ra- scheren Bearbeitung von Anträgen kommt. Dennoch lehnt die Linke diesen Gesetzentwurf ab. Wir sind der Auffassung, dass die von der Bundesregie- rung mit dem Gesetz angestrebte Förderung des Reserve- dienstes in die völlig falsche Richtung geht. Es handelt sich um den Versuch, in der Bundeswehr Personallöcher zu stopfen, die durch die unpopuläre Orientierung auf Auslandseinsätze entstanden sind. Reservisten sind längst Teil dieser offensiven Konzeption geworden. Viele wurden auch in Afghanistan eingesetzt. Die Förderung der Reserve leistet darüber hinaus der Militarisierung im Innern Vorschub. So können seit 2012 Reservisten zum „Schutz kritischer Infrastruktur und bei innerem Notstand“ herangezogen werden. Das läuft auf den Waffeneinsatz im Innern gegen nichtmilitärische Ziele hinaus. Einer Reserve mit solchen politischen Vor- gaben darf nicht weiter gefördert werden. Der vorliegende Gesetzentwurf soll die soziale Situa- tion freiwilligen Wehrdienstleistender verbessern. Doch während zu Zeiten der Wehrpflicht Veränderungen für Soldaten immer auch zu analogen Veränderungen bei Zi- vildienstleistenden führten, ist dies heute nicht mehr der Fall. So werden diejenigen, die im Bundesfreiwilligen- dienst arbeiten, in dem Gesetzentwurf nicht berücksich- tigt. Dies, obgleich sie ohnehin schon stark benachteiligt sind. So erhalten freiwilligen Wehrdienstleistende am Ende ihrer Dienstzeit bis zu 1 146 Euro monatlich. Die- jenigen, die im zivilen Bundesfreiwilligendienst arbei- ten, höchstens 363 Euro. Eine solche Diskriminierung ist durch nichts zu rechtfertigen. Dieses Beispiel verdeutlicht, dass es der Bundesregie- rung mit dem vorliegenden Gesetzentwurf nicht um mehr soziale Gerechtigkeit, sondern um die Stärkung des Soldatentums in Deutschland geht. Diese grundlegende Schieflage macht den Gesetzent- wurf inakzeptabel, auch wenn er einzelne begrüßens- werte Aspekte enthält, wie die Gleichstellung von eheli- chen und nichtehelichen Partnerschaften hinsichtlich des Leistungsbezuges von freiwilligen Wehrdienstleisten- den. Im Übrigen hat die mangelnde Attraktivität des frei- willigen Wehrdienstes nichts mit den Fragen der Vergü- tung zu tun. Die Tatsache, dass über 25 Prozent der frei- willigen Wehrdienstleistenden innerhalb der ersten sechs Monate abbrechen, ist Ergebnis des Widerspruchs zwi- schen militärischer Realität und der Schweinwelt, die die Bundeswehr den jungen Menschen in Werbeshows und Adventure-Camps vorspielt. Die Linke lehnt es ab, Reservistinnen und Reservisten sowie Freiwillige in eine Armee zu rekrutieren, für die es – wenn es nach dem Willen der Verteidigungsministe- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 106. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 21. Mai 2015 10203 (A) (C) (D)(B) rin geht – keine räumliche und qualitative Grenze mehr gibt. Dr. Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nach den Beratungen in den Ausschüssen debattieren wir nun abschließend das Gesetz zur Neuregelung der Unterhaltssicherung sowie zur Änderung soldatenrecht- licher Vorschriften. Es geht in diesem Gesetzentwurf da- rum, die Leistungen, die Reservedienstleistende, freiwil- ligen Wehrdienstleistende und deren Angehörige erhalten, an die heutigen Rahmenbedingungen anzupas- sen und zu erhöhen, sie klarer zu strukturieren, deren Verwaltung zu zentralisieren und die Antragsverfahren zu vereinfachen. Das damit verfolgte Ziel, dass freiwillig Dienende eine angemessene Entlohnung erhalten und dass ihr Unterhalt während des vorübergehenden Diens- tes für die Bundeswehr gesichert ist, unterstützen wir ausdrücklich. Wer einen freiwilligen Dienst leistet, soll eine angemessene Vergütung und Versorgung erhalten. Die Anhebung der Mindestsätze der Unterhaltssiche- rung führt dazu, dass Reservedienstleistende für die Zeit, in der sie einen Dienst leisten, auch eine Vergütung er- halten, die dem Einkommen eines Soldaten und einer Soldatin gleichen Ranges nahekommt. Dies ist ein wich- tiger Schritt hin zu dem Grundsatz, dass gleiches Geld für gleiche Leistung gezahlt wird. Wer im zivilen Beruf ein höheres Einkommen erhält, bekommt im Rahmen der Höchstsätze eine höhere Entschädigung durch die Unterhaltssicherung gezahlt. Das ist wichtig, wenn man Menschen für diesen Dienst auch neben ihrer zivilen Karriere gewinnen möchte. Ein signifikanter Verdienst- ausfall würde sicherlich viele davon abhalten, sich als Reservist oder Reservistin zu engagieren. So macht auch die Logik der Entschädigung für Verdienstausfälle aus unserer Sicht weiterhin Sinn. Die Attraktivität der freiwilligen Dienste in der Bun- deswehr ergibt sich nicht nur aus der Höhe der Unter- haltssicherungssätze. In der ersten Lesung hatte ich be- reits darauf hingewiesen, dass Attraktivität vor allem auch eine qualitative Frage ist. Freiwillige Wehrdienst- leistende müssen einen klaren Mehrwert in ihrem Dienst erfahren. Gleiches gilt für Reservistinnen und Reservis- ten, die sich im Rahmen von Reservedienstleistungen, auf beorderten Dienstposten oder im Rahmen der frei- willigen Reservistenarbeit engagieren. Der Aufwand, der hier betrieben wird, muss sich auch für die Bundes- wehr rechnen. Die Umsetzung der Konzeption der Re- serve muss aus unserer Sicht regelmäßig evaluiert wer- den. Auch hier im Bundestag sollten wir uns regelmäßig mit der Frage auseinandersetzen, ob die Reserve ihrem Auftrag, den ihr die Konzeption der Reserve gibt, ge- recht wird. Wir sollten ein Auge darauf haben, dass das Geld und der Aufwand, der betrieben wird, auch zu ei- nem angemessenen Output führt. Dazu bedarf es funk- tionierender Strukturen und Prozesse, die realistische Ziele verfolgen. Diese müssen regelmäßig überprüft werden. Da wir diesen Gesetzentwurf zum jetzigen Zeitpunkt für einen richtigen und wichtigen Schritt halten, stim- men wir ihm zu. Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts zu den Anträgen: – Für ein internationales Staateninsolvenz- verfahren – Resolution der Vereinten Nationen für ein multilaterales Rahmenwerk zur Restruktu- rierung von Staatsschulden umsetzen – Jetzt aktiv den Arbeitsprozess der Vereinten Nationen mitgestalten (Tagesordnungspunkt 19) Dr. Heribert Hirte (CDU/CSU): Auch Staaten kön- nen pleitegehen – und dafür brauchen wir gar nicht auf Griechenland zu schauen, das seit Jahren in besonderer Weise im Rampenlicht steht. Deutschland hat diese Erfahrung schon mehrfach gemacht, Argentinien war ein prominentes Beispiel der jüngeren Zeit, und vor allem in den – kapitalistischen! – Vereinigten Staaten von Ame- rika ist die Insolvenz von Einzelstaaten und vor allem Gemeinden nicht selten – und selbst der Bundesstaat USA stand im letzten Jahr ebenfalls am Rande der Zah- lungsunfähigkeit. Was aber bei Staaten anders ist als bei „normalen“ Schuldnern und insbesondere Unternehmen: Es gibt kein geordnetes und allseits akzeptiertes Verfah- ren, in dem eine solche Insolvenz abgewickelt werden könnte. Bevor wir die Frage näher beleuchten, ob ein solches Verfahren auch für Staaten möglich oder sinnvoll ist, sollte man sich aber erst noch einmal vor Augen führen, was ein Insolvenzverfahren eigentlich will. Drei Ziele stehen im Vordergrund: Einmal sollen die Gläubiger ei- nes Schuldners gemeinschaftlich befriedigt werden, wenn und weil das Unternehmen seine Verbindlichkeiten nicht mehr bedienen kann. Das bedeutet: Alle Gläubiger sitzen vor dem Hintergrund begrenzter Mittel in einem Boot und müssen gleichermaßen eine Kürzung ihrer For- derungen gewärtigen. Zum Zweiten bedeutet dies, dass der Schuldner vor der Inanspruchnahme durch einzelne Gläubiger nach dem Windhundprinzip – wer zuerst kommt, mahlt zuerst – geschützt ist. Und drittens soll dies – wie heute zu Recht immer häufiger betont wird – dazu beitragen, dass der Schuldner saniert wird und an- schließend, typischerweise nach erheblichen Umstruktu- rierungsmaßnahmen, wieder am Wirtschaftsverkehr teil- nehmen kann. Vorsorglich sei aber auch klargestellt, was ein Insol- venzverfahren nicht soll: Weder soll es dem Schuldner eine einseitige, unkontrollierte Möglichkeit geben, sich seinen Zahlungspflichten zu entziehen, noch kommt ein Insolvenzverfahren in Betracht, wenn der Schuldner bloß zahlungsunwillig – und nicht zahlungsunfähig – ist, insbesondere, weil er sich einiger, besonders unliebsa- mer Schulden entziehen möchte. Und schließlich ist mit einem Insolvenzverfahren auch nicht zwingend verbun- den, dass der Schuldner bzw. seine Organe das Ruder 10204 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 106. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 21. Mai 2015 (A) (C) (D)(B) aus der Hand geben müssen. Im privaten Insolvenzver- fahren nennt man dies „Eigenverwaltung“. Ist dies alles bei einem Staat als Schuldner anders? Die einfache Antwort lautet: Nein! Allerdings fragt es sich dann natürlich, warum es ein Insolvenzverfahren, wie es seit Jahrhunderten für private Unternehmer üblich ist, für Staaten nicht gibt. Die Antwort ist recht einfach: Denn es müsste in völkerrechtlich verbindlicher Weise vorab zwischen eben diesen Staaten verabredet werden. Und da glauben die Staaten natürlich, dass eine einsei- tige Interessendurchsetzung oder eine solche in wech- selnden Allianzen mehr Chancen bietet als die Unter- werfung unter verbindliche Regeln: So ist es natürlich charmant, einseitig zu versuchen, seine Zahlungsunfä- higkeit zu erklären und auf ein Einsehen der Gläubiger zu hoffen, wie dies Argentinien getan hat – und wie es jetzt von Griechenland versucht wird. Umgekehrt glaubt jeder Staat im Zweifel für sich, dass er seine Forderun- gen oder die seiner Staatsbürger im Falle der Insolvenz eines anderen Staates besser – sprich mit einer höheren Quote – durchsetzen kann, als andere Staaten dies können. Attraktiv ist es auch, einen Gerichtsstandort – auch für Schiedsgerichte – vorzuhalten, an dem ein solch besserer Schnitt möglich ist. Aber: Jedenfalls in einem System, das wie die Euro- päische Union als Rechtsgemeinschaft angelegt ist, soll- ten solche Möglichkeiten des Trittbrettfahrens ausge- schlossen sein – wie dies etwa auch in den Vereinigten Staaten von Amerika der Fall ist. Das mit den beiden Oppositionsanträgen verfolgte Ziel ist daher durchaus dem Grunde nach berechtigt. Wir sollten in der Tat einen staatlichen Rahmen schaffen, der die Insolvenz eines Staates in einem geordneten staatlichen Verfahren er- möglicht. Das würde zum Beispiel für einen EU-Staat zugleich die Möglichkeit begründen, trotz eines Schul- denschnitts in der Währungsunion zu verbleiben, würde aber – vor allem – den Gläubigern bei ihrer Kreditver- gabe an Staaten auch abverlangen, zu beurteilen, mit welcher Wahrscheinlichkeit denn der Staat seine Ver- bindlichkeiten zurückzahlen kann. Die auch formale Einführung der Möglichkeit eines Insolvenzverfahrens führt möglicherweise auch bei gut gerateten Staaten dazu, dass – allein wegen der theoretischen Möglichkeit einer Insolvenz – höhere Refinanzierungskosten entste- hen; das gilt es gegen das Ausfallrisiko bei den Forde- rungen gegen andere, weniger solvente Staaten abzuwä- gen. Aber – und deshalb werden wir Ihre Anträge ableh- nen –: Dieser Rahmen kann – soweit es sich um Staaten des Euro-Raumes handelt – wegen des Zusammenhangs mit der Währungsunion nur im europäischen Recht lie- gen. Das schließt einen weitergehenden, internationalen Rahmen nicht aus, würde aber einen Konsens über die dabei erforderlichen Rahmenbedingungen voraussetzen, den ich nicht sehe. Zweitens muss der betreffende Staat zahlungsunfähig sein: Da wird man bei der Schuldenlast schon genauer hinschauen müssen. Denn allein, dass Schulden unbe- quem sind, macht sie nicht belastend und heißt noch nicht, dass sie zur Wiederherstellung der Schuldentrag- fähigkeit beschnitten werden müssen. Schulden wie die- jenigen Griechenlands, die praktisch weder bedient noch verzinst werden müssen, müssen auch nicht – weiter – beschnitten werden, und schon gar nicht, um neue Schul- den machen zu können. Wer andererseits die Einnah- men, vor allem in Form von Steuern, – bewusst – gering hält und die Ausgaben nach oben schraubt, kann auch in einem Insolvenzverfahren für Staaten nicht auf Gnade seiner Gläubiger hoffen. Es gibt hier eben anders als bei der Unternehmensinsolvenz keine klar feststehende In- solvenzmasse. Und vor allem: Ein Insolvenzverfahren für Staaten muss auf eine Gleichbehandlung aller Gläu- bigerforderungen ausgerichtet sein – und nicht, wie beide Oppositionsanträge dies tun, zwischen guten und schlechten Forderungen unterscheiden: Wenn Sie auf der einen Seite die Forderungen von bösen Hegdefonds un- ter Verweis auf den Gleichbehandlungsgrundsatz be- schneiden wollen, andererseits aber weitere Forderungen unter Beteiligung einer breiten Öffentlichkeit vollständig aus dem von Ihnen angedachten staatlichen Insolvenz- verfahren ausklammern wollen, führen Sie genau die Differenzierung wieder ein, die Sie eigentlich vermeiden wollen. Es ist – das sei in diesem Zusammenhang dann auch gesagt – auch nicht so, dass die Durchsetzung sol- cher Forderungen vor privaten Schiedsgerichten leichter möglich ist als vor staatlichen Gerichten. Denn erst vor wenigen Wochen hat der deutsche Bundesgerichtshof unter ausdrücklicher Bezugnahme auf das Bundesverfas- sungsgericht festgestellt, dass Forderungen aus argenti- nischen Staatsanleihen auch in Deutschland durchsetz- bar sind. Was ist die Alternative? Ich habe es vor einigen Tagen in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung gesagt: Es liegt nahe, ein Resolvenzverfahren in der Euro-Zone in der Weise einzurichten, dass durch geringfügige Änderun- gen des ESM-Vertrages ein Resolvenzgericht in Paral- lele zum ESM und unter Einbindung in die vorhandene Finanzarchitektur des europäischen Krisenbewältigungs- mechanismus geschaffen wird. Zweck eines solchen mehr die Verhandlungen zwischen Schuldnerstaat und Gläubigern beaufsichtigenden als Streitigkeiten zwi- schen ihnen entscheidenden Gerichts wäre, künftig Handlungsungewissheiten und Handlungsunsicherheiten wie im Falle Griechenlands seit 2010 von vornherein zu unterbinden. Dieses Gericht würde eine Verfahrensord- nung erhalten, in der sämtliche Schritte von der Stellung eines Antrags über die Verhandlungen zwischen Schuld- ner und Gläubiger bis schließlich hin zur Abstimmung über das Verhandlungsergebnis sowie zur Umsetzung der wechselseitigen Verpflichtungen vorgeschrieben wä- ren. Darauf könnten sich sämtliche Betroffenen schon von Anbeginn an vorbereiten; für Transparenz wäre also gesorgt. Festgehalten werden sollte aber auch: Eine solche Regelung wäre neben der gerade eingeführten Banken- union ein – weiterer – Schritt zur Beseitigung von Sys- temfehlern in der Euro-Zone. Dass sie nicht den fehlen- den Gleichlauf von Währungs- und Wirtschaftspolitik herzustellen vermag, liegt auf der Hand. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 106. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 21. Mai 2015 10205 (A) (C) (D)(B) Bettina Kudla (CDU/CSU): Die Fraktion Die Linke und die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen haben für ein internationales Staateninsolvenzverfahren jeweils einen Antrag vorgelegt. In den Anträgen fordern sie, dass die Bundesregierung sich aktiv in die Beratungen der G-77- Staaten bei der UN für ein Staateninsolvenzverfahren einsetzen möge. Die Linke bezieht sich dabei auf eine im September 2014 verabschiedete Resolution der Generalversamm- lung der Vereinten Nationen, in der sich der Staatenbund auf die Einrichtung eines Insolvenzverfahrens für über- schuldete Staaten festgelegt hatte. Elf Staaten, darunter Deutschland, hatten gegen die Resolution gestimmt. Die Bundesregierung hat den Prozess in den Vereinten Na- tionen zur Einrichtung eines Staateninsolvenzverfahrens konstruktiv begleitet, aber im Ergebnis zuletzt auch ge- gen die sogenannte Modalitätenresolution gestimmt. Diese Resolution wurde vonseiten der Europäischen Union konstruktiv verhandelt, letztendlich lehnten aber alle EU-Mitgliedstaaten ein formelles, rechtsverbindli- ches Staateninsolvenzverfahren ab. Die bestehenden Verfahren im Pariser Club und im IWF zum Thema Schuldenentlastung von Ländern mit entsprechendem Bedarf haben sich bewährt. Ein Verfah- ren mit einem für alle Beteiligten, also auch für alle Gläubiger, bindenden Schiedsspruch ist problematisch. Ein derartiges, formelles Staateninsolvenzverfahren er- scheint unverändert verfassungsrechtlich und politisch nicht realisierbar. Insbesondere wären grundlegende par- lamentarische Budgetrechte beeinträchtigt. Die Insolvenz eines Staates hat stets gravierende Fol- gen und ist häufig auch nicht die Lösung wirtschaftlicher Probleme. Laut einer Statistik des IWF gab es seit dem Jahr 1980 allein 90 Insolvenzen von 73 Staaten, einige Staaten sind demnach mehrfach insolvent geworden. Der Staat Chile war siebenmal insolvent, Brasilien sechsmal und Argentinien fünfmal. Eine erneute Insolvenz binnen so kurzer Zeit zeigt, dass weder die finanziellen noch volkswirtschaftlichen Probleme dieses Landes durch eine Staateninsolvenz gelöst wurden. Oberstes politi- sches Ziel muss es daher immer sein, der Überschuldung eines Staates vorzubeugen. Ein Staat muss ein verlässli- cher Partner für Bürger und Unternehmer sein. Gute Handelsbeziehungen und Investitionen mit bzw. in ei- nem Staat hängen wesentlich davon ab, ob in dem Staat verlässliche rechtliche, wirtschaftliche und finanzielle Rahmenbedingen herrschen. Wirtschaftliche Probleme in Entwicklungsländern beruhen häufig nicht auf fehlen- den finanziellen Möglichkeiten, sondern auf strukturel- len Problemen. Die Finanzierungen eines Staates hängen wesentlich von dessen Kapitalmarktfähigkeit ab. Die Finanzierung über Staatsanleihen wird erheblich eingeschränkt, wenn aufgrund eines drohenden Insolvenzverfahrens mit ei- nem Ausfall der Staatsanleihen zu rechnen ist. Die Anle- ger müssen sich auf Zusagen eines Staates verlassen können. Unberührt bleibt davon die Möglichkeit, dass wohlhabende Staaten individuelle Schuldenerlasse ge- genüber überschuldeten Staaten aussprechen. Dabei ist jedoch immer zu berücksichtigen, dass ein Schuldener- lass auch kontraproduktiv wirken kann und die wirt- schaftlichen Möglichkeiten des betroffenen Staates auf- grund eines Vertrauensverlustes einschränkt. Es muss rechtzeitig vorgebeugt werden, dass Staaten nicht in eine Überschuldung geraten. Der Kontrolle durch das Parlament kommt eine zentrale Aufgabe zu. Die mittlerweile in unserem Grundgesetz auf Betreiben der CDU/CSU-Fraktion verankerte Schuldenbremse hat eine 40-jährige Entwicklung einer Anhäufung von Staatsschulden gestoppt und zur Trendumkehr gebracht. Für die Bundesrepublik Deutschland gilt, dass es we- sentlich ist, dass nun auch die Bundesländer bis zum Jahr 2020 die Schuldenbremse einhalten und bereits heute die Weichen für die Einhaltung der Schulden- bremse stellen. Nur ein wirtschaftlich gesunder Staat hat entsprechende Möglichkeiten, über eine zielgerichtete Entwicklungshilfe die Lage in wirtschaftlich schwäche- ren und damit häufig überschuldeten Ländern zu verbes- sern. Was ist nun der Unterschied zwischen den Insolvenz- verfahren des IWF und eines Insolvenzverfahrens durch die UN? Ein Insolvenzverfahren in Anlehnung an den IWF bleibt für staatliche wie für private Gläubiger im Kern freiwillig. Es gibt kein einheitliches Umschul- dungsforum. Die staatlichen Gläubiger verhandeln im Pariser Club, die privaten Gläubiger im Londoner Club. Beide Clubs sind Plattformen für Gespräche über den weiteren Umgang mit den Staatsschulden. Dem IWF fällt eine Katalysatorfunktion zu. Die Bereitschaftserklä- rung des Schuldnerstaates zur Vornahme der notwendi- gen Reformen („Letter of Intent“) ist nicht nur Bedin- gung für den Abschluss eines Standby-Abkommens zwischen IWF und Schuldnerstaat, sondern mit seinem positiven Votum zum Stabilisierungsprogramm signali- siert der IWF den im Pariser Club vereinigten Gläubi- gern den ernsthaften Reformwillen des Schuldnerstaates und gibt damit das Signal für den Beginn der Umschul- dungsverhandlungen. Ich halte dieses Verfahren für die Gläubiger für sicher und für fair und transparent. Bei einem Insolvenzverfahren auf Beschluss der Ver- einten Nationen würde politisch weitgehend in die Rechte der Gläubiger der Staatsschulden und auch in die Rechte von Parlamenten eingegriffen werden. Gleichwohl bedarf es einer Regelung, falls es tatsäch- lich zu einer Insolvenz kommt, damit die Gläubiger best- möglich geschützt werden. Die sogenannten Collective Action Clauses, CAC-Klauseln, regeln in den Anleihe- bedingungen von Staatsanleihen, dass im Falle der Insol- venz eines Staates die Gläubiger nach einem bestimmten Mehrheitsverfahren entscheiden können. Dies hat den Vorteil, dass die Sanierung eines Staates nicht durch ei- nige wenige Gläubiger blockiert werden kann. Die Bundesregierung setzt daher zu Recht auf die be- stehenden Staateninsolvenzverfahren im Pariser Club wie auch im IWF mit Unterstützung der Weltbank. Eine Verlagerung dieser Verfahren, weg vom Internationalen Währungsfonds zu den Vereinten Nationen ist nicht zwangsläufig erfolgreich. Auf die wirtschaftlichen Mög- lichkeiten der Weltbank zur Leistung von Aufbauhilfe möchte ich hinweisen. Zu beachten ist, dass das Verfah- 10206 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 106. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 21. Mai 2015 (A) (C) (D)(B) ren bei den Institutionen bleiben sollte, die es auch er- folgreich durchführen können. Ein formelles Staateninsolvenzverfahren der Verein- ten Nationen wird seitens der Bundesregierung kritisch gesehen; dies entspricht auch der Haltung der EU-Staa- ten. Die Anträge sind daher abzulehnen. Ich begrüße, dass durch die IWF-Empfehlungen zu Collective Action Clauses, CACs, in Staatsanleihen deren verbreitetere Anwendung ermöglicht und vorangetrieben wird. Auf diesen IWF-Arbeiten sollte weiter aufgebaut werden. Manfred Zöllmer (SPD): Wie lange sollte man ein totes Pferd reiten? Diese Frage stellt sich, weil die Ver- einten Nationen nach wie vor versuchen, auf Initiative von Bolivien ein formelles, rechtsverbindliches Staaten- insolvenzverfahren zu entwickeln. Dieser Prozess wurde gegen die Stimmen der EU-Mitgliedstaaten eingeleitet. Hintergrund der Resolution ist eigentlich ein juristi- scher Konflikt Argentiniens mit einem New Yorker Hedgefonds. Infolge der Insolvenz des Landes im De- zember 2001 führte die Regierung in Buenos Aires in den Jahren 2005 und 2010 große Umschuldungsrunden durch. Inhaber von argentinischen Staatsanleihen sollten neue Wertpapiere mit veränderten Konditionen erhalten. Über 90 Prozent nahmen damals das Angebot an, ob- wohl das einen Abschlag von durchschnittlich 50 Pro- zent der ursprünglichen Forderungen bedeutete. Einige Hedgefonds zogen jedoch vor Gericht. Ein US-Gericht verurteilte die Regierung in Buenos Aires dazu, dem Hedgefonds NML Capital und Aurelius 1,47 Milliarden US-Dollar – rund 1,1 Milliarden Euro – auszuzahlen. Der Rechtsstreit wird in den USA ausgetragen, weil ar- gentinische Anleihen unter amerikanischem Recht und in US-Dollar begeben wurden. Aber auch der deutsche Bundesgerichtshof gab im Februar dieses Jahres deutschen Anlegern gegen Argen- tinien Recht, die gegen die Umschuldungsstrategie Ar- gentiniens geklagt hatten. Argentinien hatte die Zahlung seiner Schulden auch in diesem Prozess verweigert und berief sich zum einen darauf, dass die Mehrheit der Gläubiger damals der Umschuldung zugestimmt habe. Zudem gebe es mittlerweile quasi eine völkerrechtliche Gewohnheit, zum Beispiel mit Verweis auf die Rettung des Euro-Landes Griechenland und den damit verbunde- nen Schuldenschnitt. Doch der BGH sieht dies anders: Kein völkerrechtli- cher Grundsatz berechtigt ein Land dazu, die Zahlung fälliger Schulden wegen eines finanziellen Staatsnot- standes oder einer freiwilligen Umschuldung der Gläubi- germehrheit zeitweise zu verweigern. Auch aus der Weltfinanzmarktkrise und der Rettung Griechenlands sei eine derartige völkerrechtliche Regel nicht entstanden. Die Initiatoren des Beschlusses der Vereinten Natio- nen hatten die massiven inhaltlichen und prozeduralen Bedenken vieler Länder einfach ignoriert und einen Be- schluss in der Vollversammlung der Vereinten Nationen gegen diese Bedenken mehrheitlich durchgesetzt. Mit der Bildung eines sogenannten Ad-hoc-Ausschusses wollte man in drei Sitzungen einen förmlichen verbindli- chen Schuldenumstrukturierungsmechanismus beschlie- ßen. Deutschland hat sich immer für sinnvolle Regelungen im Falle einer Staateninsolvenz eingesetzt. Hierfür ist aber ein ergebnisoffener, konsensorientierter Prozess notwendig, der natürlich auch die Gläubiger mit ein- schließen muss. Dies war hier nicht der Fall. Deutsch- land hat daher gegen die Resolution gestimmt und sich nicht an der Arbeitsgruppe beteiligt. Wir bedauern diese Entwicklung, denn die weltweite Verschuldung befindet sich auf einem neuen Höchst- stand. Es ist mehr als sinnvoll, sich damit auseinanderzu- setzen. Aber dieser Prozess muss anders laufen. Ein weiterer Kritikpunkt an der Initiative ist die For- derung der völkerrechtlichen Anerkennung eines Schieds- gerichts, das verbindliche Entscheidungen im Rahmen einer Schuldenrestrukturierung treffen soll. In den vorliegenden Anträgen der Fraktionen Die Linke und der Grünen wird eine solche Forderung nach- drücklich unterstützt. Damit würden haushaltsrelevante Fragen auf eine Institution, die keiner parlamentarischen Kontrolle des Bundestages unterliegt, verlagert. Eine solche Forderung ist für uns aus politischen und verfas- sungsrechtlichen Gründen nicht akzeptabel. Wenn Linke und Grüne in handelsrechtlichen Fragen bei der Diskus- sion um TTIP Schiedsgerichte entschieden ablehnen, hier aber vehement fordern, dann ist dies nicht nachzu- vollziehen. Ein Großteil der Staatsanleihen und weiterer Wertpa- piere wird unter der Gerichtsbarkeit der großen interna- tionalen Finanzmarktplätze USA und Großbritannien be- geben. Ein Verfahren, welches diese Akteure nicht mit einbezieht, ist im Ansatz nicht zielführend. Es war der Kardinalfehler dieser Initiative, die Interessen der Gläu- bigerländer nicht zu berücksichtigen. Ein Durchmarsch mit einer Resolution bei den Vereinten Nationen hilft nicht, die Probleme real zu lösen. Eine Verständigung kann es nur geben, wenn es einen fairen und transparen- ten Prozess unter Einbeziehung der angesprochenen In- stitutionen und der Gläubiger gibt. Ein solcher ergebnis- offener Prozess findet jederzeit unsere Unterstützung. Deutschland hat sich an der gemeinsamen EU-Hal- tung orientiert. Wir unterstützen die IWF-Empfehlungen zu den Collective Action Clauses, CAC. Diese Umschul- dungsklauseln in Staatsanleihen müssen weiterentwi- ckelt werden, und dieser Prozess muss vorangetrieben werden. Die CAC sind gerade nach der Staateninsolvenz Argentiniens eingeführt worden. Das Anliegen ist, staat- liche Schuldenkrisen kontrolliert abwickeln zu können, wenn von großen institutionellen Investoren, Bankkon- sortien bis hin zu weltweit verstreuten privaten Anleihe- gläubigern die Gläubigerinteressen global und kleinteilig verteilt sind. Denn häufig waren wenige nicht zustim- mende Anleihegläubiger der Grund dafür, dass ein Schuldnerstaat an der Durchsetzung einer von der Mehr- heit gebilligten Restrukturierung durch eine ablehnende Minderheit gehindert war. Wir sprechen hier vom „Holdout-Problem“. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 106. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 21. Mai 2015 10207 (A) (C) (D)(B) Solche Klauseln erleichtern Schuldenrestrukturierun- gen und helfen damit bei der Krisenbewältigung. Die Bundesregierung setzt sich deshalb beim IWF dafür ein, die Arbeiten im Bereich vertraglicher Anleiheklauseln fortzusetzen. Ohne eine enge Beteiligung von IWF, Pari- ser Club und eine Berücksichtigung der laufenden Verhandlungen zur Vorbereitung der Financing-for- Development-Konferenz im Juli 2015 kann es keine Verständigung auf ein Schuldenumstrukturierungsver- fahren geben. Letztlich wird der Aspekt der Schuldenprävention von der UN-Initiative leider völlig vernachlässigt. Kre- ditgeber und Kreditnehmer sollten nur im Rahmen der Schuldentragfähigkeit, wie sie im Rahmenwerk von IWF und Weltbank definiert ist, handeln, um übermä- ßige Verschuldung zu verhindern. Das laufende Verfahren, wie es in den Anträgen der Opposition gelobt wird, wird zu keinem befriedigenden Ergebnis führen. Die Opposition setzt auf das falsche Pferd. Dieses Pferd ist tot, damit kommen wir leider nicht ans Ziel. Deshalb sollte man rechtzeitig absteigen. Niema Movassat (DIE LINKE): Eines liegt doch klar auf der Hand: Die Welt braucht ein geregeltes und unabhängiges Insolvenzverfahren für überschuldete Staaten. Im September 2014 hat die Generalversamm- lung der Vereinten Nationen mit überwältigender Mehr- heit beschlossen, ein multilaterales Rahmenwerk zur Re- strukturierung von Staatsschulden einzurichten. Diese Resolution wurde von Bolivien im Namen der Gruppe der 77 und Chinas eingebracht – also von den Ländern, die mehrheitlich am extremsten unter den Schulden- krisen der letzten 30 Jahre zu leiden hatten. Es ist mehr als beschämend, dass Deutschland zur kleinen Minder- heit von elf Staaten gehört, die gegen diese Resolution gestimmt haben. Die Begründung, die die Bundesregie- rung für ihr Abstimmungsverhalten gab, ist mehr als kleinlich: Der Vorstoß der G-77-Staaten sei nicht mit den großen Gläubigerländern abgestimmt gewesen. Das sagt ausgerechnet ein Mitgliedsland der G 7, einem Bündnis, das meint, über globale Menschheits- fragen in einem exklusiven Zirkel entscheiden zu kön- nen – vorbei an den Vereinten Nationen und ohne dass man sich je groß darum scherte, ob diese Beschlüsse vorher mit anderen betroffenen Staaten abgestimmt wären oder nicht. Partizipation hatte für den Westen, diesem Club ehemaliger Kolonialmächte, noch einen besonders hohen Stellenwert. Zurück zur Sache: Die Überschuldung von Staaten hat sich als entscheidendes Hindernis für ihre selbst- bestimmte wirtschaftliche und soziale Entwicklung er- wiesen. Im Schuldendienst werden Mittel gebunden, die dann für Investitionen in Bildung, Gesundheit und Infra- struktur fehlen. Schuldenpolitik war immer auch schon Machtpolitik. Da werden Schulden als koloniales Instrument einge- setzt, um alte Abhängigkeits- und Ausbeutungsverhält- nisse aufrechtzuerhalten oder neu zu erlangen. Viele die- ser Schulden müssen wir zudem als illegitim bewerten. Der globale Süden hat also genügend Gründe, um ge- nug von geberdominierten Verfahren zu haben. Multi- laterale Geberprogramme wie die HIPC-Initiative waren hochgradig ineffizient und sind gescheitert. Fast ein Drittel der 30 Staaten, die diese Verfahren durchlaufen haben, weisen schon jetzt erneut ein hohes Überschul- dungsrisiko auf. Ein Grund dafür ist, dass neben Staaten auf der Ge- berseite auch immer aggressivere und verantwortungs- losere private Spekulanten auftreten. Das jüngste Bei- spiel Argentinien zeigt dies überdeutlich. Hier droht ein skrupelloser Hedgefonds einen ganzen Staat durch seine kompromisslose Haltung im Umschuldungsprozess er- neut an den Rand des Ruins zu treiben. Wenn wir nicht jetzt zu einem verlässlichen, fairen und effizienten Verfahren finden, das künftig für alle Gläubiger verbindlich ist und die Bedürfnisse des Schuldnerstaats angemessen berücksichtigt, sind die nächsten Krisen schon vorprogrammiert. Diese haben dann – wie fast immer – die Ärmsten der Armen auszu- baden. Länder werden um Jahrzehnte in ihrer Entwick- lung zurückgeworfen. Die Linke fordert die Bundesregierung auf, einzulen- ken und den weiteren Prozess in den Vereinten Nationen zur Einrichtung eines fairen, partizipativen und trans- parenten Staateninsolvenzverfahrens nicht weiter zu blo- ckieren, sondern konstruktiv zu unterstützen. Ein solches muss einen für alle Gläubiger bindenden Beschluss eines unabhängigen Schiedsverfahrens, das die Schuldenlast auf ein tragfähiges Niveau senkt, ge- währleisten. Vorrang vor den Ansprüchen der Gläubiger muss die Sicherstellung eines Existenzminimums der Bevölkerung im Sinne der sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Menschenrechte haben. Um dies sicherzu- stellen und auch um die Legitimität der Schulden zu überprüfen, braucht es einen Audit-Prozess unter Betei- ligung einer möglichst breiten Öffentlichkeit. 2013 ist Norwegen mit gutem Beispiel vorangegan- gen und hat als erster Geberstaat einen Bericht über die Legitimität von Staatsschulden vorgelegt und in der Folge auch als illegitim erkannte Schulden erlassen. Denn auch Gläubiger haben eine besondere Verantwor- tung bei der Vergabe von Krediten. Norwegen hat sich hierbei an den UNCTAD-Prinzipien für eine verantwor- tungsvolle Kreditvergabe, die auch Deutschland unter- stützt, orientiert. Strukturelle Probleme brauchen strukturelle Verände- rungen. Auch die Bundesregierung darf sich dem nicht verweigern. Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es gibt zwei gute und zwei schlechte Nachrichten; die guten zuerst: Erstens. Es gibt eine neue Initiative in den Vereinten Nationen zur Schaffung eines fairen und transparenten Entschuldungsverfahrens, die die Staaten des Globalen Südens – durch die Gruppe der 77 und China in den Ver- einten Nationen – in der Generalversammlung zur Ab- 10208 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 106. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 21. Mai 2015 (A) (C) (D)(B) stimmung gestellt haben und die mit großer Mehrheit an- genommen wurde. Dieser Prozess verdient jede Unterstützung aus Politik, Wissenschaft und sozialen Bewegungen in Deutschland und ganz Europa. Schon so lange setzen wir uns fraktionsübergreifend für faire Ent- schuldungsverfahren ein – dieser VN-Prozess muss von uns mitgestaltet werden. Dass aus dem Prozess in den Vereinten Nationen ein rechtsstaatliches Verfahren zum Umgang mit öffentli- cher Entschuldung resultieren könnte, ist sicherlich die beste Nachricht im Blick auf das Thema in den nächsten Monaten. Es gibt aus meiner Sicht noch eine weitere – ich zi- tiere Joseph Stiglitz –: Der Machtwechsel in Griechenland hat die neue Regierung mit dem ausdrücklichen Mandat ausge- stattet, der desaströsen Sparpolitik der letzten fünf Jahre ein Ende zu setzen. Eine Lösung für die ganz und gar untragbaren öffentlichen Schulden und Auslandsschulden ist eine Voraussetzung für jegli- chen wirtschaftlichen Neustart. Die neue Regierung ist bereit, auch unkonventionelle Optionen in Be- tracht zu ziehen, und sie lässt sich von der erfolgrei- chen Entschuldung Deutschlands im Londoner Schuldenabkommen von 1953 inspirieren. Wir kön- nen nicht absehen, ob sie es tatsächlich schaffen wird. Aber der Einsatz ist hoch – nicht nur für Grie- chenland, sondern für uns alle, die wir immer vor der verschuldungsbedingten Ungleichheit innerhalb und zwischen Staaten gewarnt haben. Diese beiden Neuigkeiten zeigen, dass Bewegung in die Frage um Schulden in und zwischen Staaten gekom- men ist, und ich erwarte von der Bundesregierung, dass sie sich aktiv und konstruktiv verhält und nicht in der unerträglichen Neinsagerposition verharrt, die sie bis- lang an den Tag legt. Und damit komme ich zu den schlechten, ja bedrohli- chen Nachrichten: Die erste ist, dass Deutschland und die USA nichts tun, um den Prozess der VN konstruktiv mitzugestalten, und dass sie ihn durch ihre Blockadehaltung ernsthaft ins Stolpern bringen. Ohne eine andere Haltung vonseiten Deutschlands wird sich der Prozess über Jahre oder Jahr- zehnte hinziehen, und eine historische Chance wird ver- tan. Für dieses Verhalten sollten Sie sich schämen, Frau Merkel, und vor allem Herr Schäuble. Es gibt dafür auch keinen Grund. Selbst wenn Sie nicht blockieren und sich einbringen würden, würde nichts gegen Ihren Willen entschieden, und bis Ende des Jahres würden trotzdem keine Fakten geschaffen. Die zweite, noch dramatischere Nachricht lautet: Pro- bleme mit staatlichen Schuldenkrisen könnten in den nächsten Monaten zu einem durchaus noch größeren Problem werden. Seit mehr als drei Jahren leben wir mit historisch niedrigen Zinssätzen auf den internationalen Kapitalmärkten. Deren Folgen für Entwicklungs- und Schwellenländer sind offensichtlich: Wenn Regierungen günstige Kredite bekommen, dann nehmen sie diese auch auf, egal ob sie mit diesen Krediten in die Infra- struktur investieren, Löcher im öffentlichen Haushalt stopfen, zweifelhafte Geschäfte finanzieren oder andere mehr oder weniger edle Ziele verfolgen. Man muss schon die Augen sehr fest verschließen, um nicht zu er- kennen, dass auch diese Kreditwelle zu neuen Staatsplei- ten führen kann, genauso wie die, die zur „Schuldenkrise der Dritten Welt“ in den 1980er-Jahren führte. Damit müssen wir in einigen oder sogar in vielen Ländern ein- fach rechnen. Denn die neue Kreditwelle stößt nicht etwa auf eine schuldenfreie Welt: Die dramatischen Schuldenindikato- ren in einer ganzen Reihe von „kleinen Inselentwick- lungsstaaten“ im Pazifik und in der Karibik sind hierzu- lande kaum wahrgenommen worden. Und die anhaltende Schuldenkrise in der Euro-Zone hat dort zu extrem ho- hen Schuldenindikatoren und zum Risiko der Staats- pleite geführt. Auffallend hoch ist auch die Anzahl dra- matisch hoher Auslandsschuldenindikatoren in Ländern des früheren Ostblocks. Insgesamt hat sich die globale Schuldensituation zwi- schen 2011 und 2013 verschlechtert: 54 Prozent der ge- rade erst von Erlassjahr untersuchten Verschuldungsindi- katoren sind 2013 höher als 2011. 30 Prozent haben sich verbessert, bei 16 Prozent ist die Situation unverändert. Das heißt, dass die Verschuldung von Entwicklungs- und Schwellenländern weniger tragfähig ist als in den Vorjahren. Insgesamt sind Kapitalmarktfinanzierungen als Option der Entwicklungsfinanzierung für Entwick- lungs- und Schwellenländer immer wichtiger geworden: 62 Prozent der Kredite an Entwicklungs- und Schwel- lenländer im Jahr 2013 kamen aus privaten Quellen. In einigen Ländern wird es laut Expertinnen und Experten beim IWF daher in wenigen Jahren wieder zu Schulden- krisen kommen. Aber es steckt in diesen schlechten Nachrichten auch eine Chance: Wenn die Euro-Zone es schafft, umzusteu- ern und die Krise durch eine tiefgreifende und durch- dachte Schuldenpolitik zu bewältigen, und wenn die Beratungen in den Vereinten Nationen zu einem erfolg- reichen Abschluss gebracht werden, dann könnte das Schuldenthema am Anfang einer neuer Ära stehen. Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung des Rechts über das Inverkehr- bringen, die Rücknahme und die umweltver- trägliche Entsorgung von Elektro- und Elektro- nikgeräten (Tagesordnungspunkt 20) Dr. Thomas Gebhart (CDU/CSU): Das Elektro- und Elektronikgerätegesetz ist eines der wichtigsten Gesetz- gebungsvorhaben im Bereich der Abfallwirtschaft in dieser Legislaturperiode. Wir setzen mit diesem Gesetz europäische Vorgaben um. Und wir setzen unseren Ko- alitionsvertrag um. Worum geht es? Ein Großteil der alten Elektrogeräte wird heute nicht zurückgegeben. Die Rücknahmemenge Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 106. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 21. Mai 2015 10209 (A) (C) (D)(B) stagniert in den letzten Jahren. Zu viele alte Elektroge- räte verschwinden im Ausland oder wandern in den Restmüll. Welche Ziele verfolgen wir nun mit dem ElektroG? Erstens. Wir wollen, dass möglichst viele alte Elek- trogeräte, die nicht mehr gebraucht werden, getrennt ge- sammelt und wieder zurückgenommen werden. Und unser Ziel muss es sein, dass möglichst viel davon hoch- wertig recycelt wird. Sekundärrohstoffe sollen zurückge- wonnen werden. Kupfer, Aluminium und Kunststoffe – um nur ein paar Beispiele zu nennen – müssen wieder in den Kreislauf zurück. Das macht umweltpolitisch Sinn, es macht aber gerade für ein rohstoffarmes Land wie Deutschland vor allem wirtschaftlich Sinn. Techno- logisch ist heute schon vieles möglich. Ich habe mir vor kurzem eine Recyclinganlage für Elektrogeräte angese- hen. Das ist absolut faszinierend, zu sehen, welche technologischen Innovationen in den letzten Jahren in Unternehmen stattgefunden haben. Wir wollen, dass von diesem Gesetz weitere Anreize zu technologischer Inno- vation in Deutschland ausgehen. Zweitens. Unser Ziel ist, dass wir für die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land ein möglichst einfaches und verbraucherfreundliches System schaffen. Drittens. Unser Ziel ist es, dass illegale Exporte von Elektroschrott eingedämmt werden. Es ist nicht hin- nehmbar, dass unsere ausgedienten Fernseher, Mikro- wellengeräte und Teile von Kühlschränken in großen Mengen auf Müllhalden in Afrika landen. Es ist nicht hinnehmbar, dass unsere Abfälle dort erhebliche Pro- bleme verursachen, und zwar für die Menschen und die Umwelt. Das dürfen wir nicht zulassen. Was sieht der Gesetzentwurf nun konkret vor? Ich will sechs Kernpunkte nennen: Erstens. Der Anwendungsbereich des bestehenden Gesetzes wird ausgedehnt. Es ist überfällig, dass etwa Fotovoltaikmodule einbezogen werden. Alte Module können künftig zurückgegeben werden. Zweitens. Die Ziele, wieviel Prozent des anfallenden Elektroschrotts in Deutschland zu erfassen sind, werden erhöht: zunächst auf 45 Prozent, 2019 dann auf 65 Pro- zent. Drittens. Die Recycling- und Verwertungsquoten bei den Altgeräten werden erhöht. Viertens. Es kommt zu einer Rücknahmepflicht des Handels. Eine Rücknahme durch den Handel erfolgt heute auf freiwilliger Basis. Wir wissen: Viele Geschäfte nehmen alte Elektrogeräte heute schon zurück. Künftig soll in großen Geschäften mit einer Verkaufsfläche von mehr als 400 Quadratmeter gelten: Kauft jemand ein neues Gerät, kann er im Gegenzug sein altes Gerät im Geschäft zurückgeben. Kleine Altgeräte – mit weniger als 25 Zentimetern Kantenlänge – müssen auch dann zu- rückgenommen werden, wenn kein neues Gerät gekauft wird. Fünftens. Ungeachtet der Rücknahmepflichten des Handels gilt: Bewährte Erfassungs- und Entsorgungs- strukturen werden erhalten und verbessert. Sechstens. Um die illegalen Exporte einzudämmen, wird eine Beweislastumkehr eingeführt: Will jemand alte Elektrogeräte exportieren, muss er künftig nachwei- sen, dass es sich nicht um Abfälle handelt, sondern um funktionstüchtige Geräte. Es handelt sich um ein umfangreiches Gesetz. Und der Teufel steckt im Detail. Es gibt zahlreiche Hinweise von verschiedenen Seiten, wie der Gesetzestext noch verändert und gegebenenfalls verbessert werden kann. Ich sage Ihnen zu: Wir werden uns alle Änderungswün- sche sehr genau ansehen und bewerten. Es wird im Juni im Umweltausschuss zudem eine Sachverständigenan- hörung geben. Wir werden diese genau auswerten und Schlussfolgerungen ziehen. Wir werden vor allem auch darauf achten, dass keine unnötige Bürokratie aufgebaut wird. Das ist mir wichtig. Dr. Anja Weisgerber (CDU/CSU): Jeder kennt die Situation: Das Handy funktioniert nicht mehr, man kauft sich ein neues und das alte, defekte Gerät landet zu Hause in der Schublade. Irgendwann wird es dann ent- sorgt – idealerweise bei einer dafür vorgesehenen Sam- melstelle. Schätzungen zufolge werden jährlich rund 150 000 Tonnen solcher Elektrokleingeräte nicht ent- sorgt, sondern landen in Müllverbrennungsanlagen, wo sie gar nicht hingehören. Betrachtet man alle Elektroge- räte, dann sind es sogar 500 000 Tonnen. Das muss ein Ende haben. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf werden die EU- Richtlinie über Elektronik- und Elektroaltgeräte umge- setzt und das bestehende Elektrogesetz weiterentwickelt. Ziel des Gesetzes ist es, die Sammelquote bei Elektro- und Elektronikaltgeräten zu erhöhen, wertvolle Metalle zurückzugewinnen und die Reststoffe aus den Geräten ordnungsgerecht und umweltschonend zu entsorgen. Auch der Handel muss zur Erreichung der Ziele einen Beitrag leisten. Geschäfte mit einer Verkaufsfläche von über 400 Quadratmetern werden verpflichtet, das Alt- gerät bei Kauf eines vergleichbaren Neugeräts zurück- zunehmen. Bei kleinen Geräten muss die Rücknahme sogar ohne Neukauf erfolgen. Ich begrüße, dass der Ge- setzentwurf den kleinen Strukturen des Mittelstands mit dieser 400-Quadratmeter-Regel Rechnung trägt. Denn: Aus eigener Erfahrung aus dem Familienumfeld kann ich sagen, dass nicht jeder kleine Dorfladen die räumli- chen Möglichkeiten hat, große Geräte wie Wasch- oder Spülmaschinen zurückzunehmen und bis zur Entsorgung zu lagern. Auch der Onlinehandel, der immer weiter an Bedeu- tung gewinnt, wird einbezogen. Online-Händler werden zukünftig verpflichtet sein, Altgeräte zurückzunehmen. Die dafür vorgesehenen Rücknahmestellen müssen in zumutbarer Entfernung zum jeweiligen Endnutzer einge- richtet werden. Wie genau das in der Praxis auszusehen hat, werden wir im weiteren parlamentarischen Verfah- ren noch weiter diskutieren müssen. 10210 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 106. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 21. Mai 2015 (A) (C) (D)(B) Auch diskutieren müssen wir den Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft. Die EU-Richtlinie reduziert die An- zahl der Produktkategorien von ursprünglich zehn auf sechs Kategorien. Dadurch sind die Hersteller verpflich- tet, ihre Produkte neu in die Kategorien einzusortieren, was wiederum Umsetzungskosten in Höhe von rund 1 Milliarde Euro im Jahr 2018 entspricht. Auch wenn der Normenkontrollrat hier keine Bedenken angemeldet hat, so ist dies aus meiner Sicht problematisch und muss ebenfalls im weiteren Verfahren genau hinterfragt und geprüft werden. Rohstoffe und Sekundärrohstoffe sind etwas Wertvol- les – vor allem für uns Deutsche, da unser Land wenige Rohstoffe hat. Künftig sollen nur noch überprüfte, funk- tionsfähige Geräte als Nichtabfall exportiert werden. Durch eine Beweislastumkehr, nach der der Exporteur belegen muss, dass es sich um gebrauchsfähige Geräte und nicht um Elektroschrott handelt, verleihen wir dieser Regelung Nachdruck. Damit schieben wir der illegalen Verbringung von Rohstoffen, insbesondere in Entwick- lungsländer, einen Riegel vor, und das ist auch gut so. Bei all der Diskussion um die Umsetzung der EU- Richtlinie dürfen wir aber nicht vergessen, dass Deutsch- land die europäischen Zielvorgaben schon heute über- trifft. Auch bei der Produktverantwortung im Elektroge- rätebereich sind wir sehr weit. Die Hersteller haben eine gemeinsame Stelle, die Stiftung ear gegründet. Die Her- steller holen so bereits heute die Altgeräte analog zu ihrem Marktanteil bei den öffentlich-rechtlichen Sam- melstellen ab und sorgen für eine umweltgerechte Ent- sorgung und Verwertung der Rohstoffe. Von dieser Produktverantwortung können wir in wei- teren Bereichen lernen. Ich denke hier zum Beispiel an das geplante Wertstoffgesetz, über das wir vorhin hier diskutiert haben. Durch eine Produktverantwortung für stoffgleiche Nichtverpackungen wie die Quietscheente oder den Kleiderbügel würden wir zum einen den Anreiz setzen, möglichst nachhaltige gut rezyklierbare Materia- lien bei der Herstellung zu verwenden, und zum anderen die stoffliche Verwertung gegenüber der thermischen Verwertung fördern. Ein Ansatz, der sich – wie ich finde – lohnt weitergesponnen zu werden. Es sind noch einige Fragen offen. Zusammenfassend möchte ich jedoch sagen, dass das Gesetz ein wichtiger Baustein zum Schließen von Stoffkreisläufen ist, die stoff- liche Verwertung von Elektroabfällen verbessert und da- für sorgt, dass wertvolle Rohstoffe in der Wertschöp- fungskette bleiben. Michael Thews (SPD): 41,8 Millionen Tonnen Elek- troschrott sind im vergangenen Jahr weltweit angefallen. Das sind 2 Millionen Tonnen mehr als im Jahr davor. Etwa 4 Prozent des weltweiten Aufkommens stammen aus Deutschland. Wissenschaftler der United Nations University schät- zen den Wert der in den Elektroaltgeräten enthaltenen Materialen für 2014 auf 48 Milliarden Euro. Allein der Wert des enthaltenen Kupfers wird auf 10,6 Milliarden Euro geschätzt und der des Goldes auf 10,4 Milliarden. Man könnte also meinen, bei dem heute debattierten Ge- setz zum Umgang mit Elektroaltgeräten geht es gar nicht in erster Linie um Umweltpolitik, sondern eigentlich um Wirtschaftspolitik. Das stimmt natürlich so nicht. Natürlich wollen wir mehr Elektroaltgeräte sammeln, um die in ihnen enthal- tenen Wertstoffe wieder in den Wirtschaftskreislauf zu- rückzubringen, aber es geht eben auch darum, unsere natürlichen Ressourcen zu schonen. Wir müssen die so- zialen und ökologischen Folgen des zunehmenden Roh- stoffabbaus eingrenzen. Wir wollen, dass die Geräte sachgerecht recycelt werden. Wir wollen verhindern, dass es durch nichtfachgerechte Entnahme der Wert- stoffe in Deutschland oder im Ausland zu Schadstoff- emissionen kommt und zu illegaler Deponierung der Reststoffe. Deshalb ist dieses Gesetz eben doch in erster Linie ein umweltpolitisch bedeutsames. Natürlich hat aber der Marktwert der in den Altgerä- ten enthaltenen Wertstoffe wie Metalle und seltenen Er- den trotzdem Auswirkungen. Die Wissenschaftler haben nämlich festgestellt, dass trotz der wirtschaftlichen Be- deutung des Elektroschrotts weltweit weniger als ein Sechstel sachgemäß recycelt wird. Das liegt natürlich auch daran, dass wegen des Marktwertes die Entnahme von Kupfer und Gold auch außerhalb der offiziellen Re- cyclingwege stattfindet. Eine aktuelle Studie des Um- weltprogramms der Vereinten Nationen schätzt den Wert des auf inoffiziellen Wegen entsorgten und teilweise ge- handelten Elektroschrotts auf 11 bis 16,5 Milliarden Euro im Jahr. Diese Art der Entsorgung hat unter Um- ständen verheerende Auswirkungen auf die Umwelt und besonders den Menschen. Denken wir an die Bilder aus Afrika, wo Menschen in meterhohen Lagen Elektro- schrott wühlen. Messungen dort haben ergeben, dass die Schadstoffbelastung in Luft und Boden die zulässigen Grenzwerte um das 50-Fache überschreitet. Das ist auch die Folge unserer Sucht nach modernster Elektronik mit immer kürzerer Nutzungsdauer. Deshalb ist ein ganz wichtiges Ziel dieser Novelle die Eindämmung des ille- galen Exports. Gleichzeitig müssen wir hier aufpassen, dass wir damit nicht den grenzüberschreitenden Trans- port zum Zweck der Reparatur unmöglich machen. Das wären dann ökologisch ebenfalls unerwünschte Neben- folgen. Stärken wollen wir auch die Wiederverwendung von Geräten. Immer mehr Kommunen setzen diesen Weg mit lokalen karitativen und sozialen Betrieben um. Aber es geht bei diesem Gesetz auch darum, den Ver- lust der in den Elektro- und Elektronikaltgeräten enthal- tenen Wertstoffe in Deutschland einzudämmen und den Rücklauf in den Wirtschaftskreislauf sicherzustellen. Denn bei uns landen immer noch zu viele Geräte in der grauen Tonne oder schlummern – wie zum Beispiel alte Handys – in Schreibtischschubladen oder landen manch- mal auch in den Händen illegaler Entsorger. Deshalb soll das Sammelnetz verdichtet werden, der Handel und auch der Onlinehandel stärker in die Sammlung einbezogen werden, die Sammlung insgesamt verbraucherfreundli- cher gestaltet werden, ohne dass dabei Schlupflöcher für illegale Entsorgung entstehen. So hoffen wir, das von der zugrunde liegenden EU-Richtlinie und der hier vorlie- genden Novelle für 2016 vorgegebene Sammelziel von Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 106. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 21. Mai 2015 10211 (A) (C) (D)(B) 45 Prozent, bezogen auf das durchschnittliche Gewicht der in den letzten drei Jahren in Verkehr gebrachten Ge- räte, zu erreichen. Ich möchte hier aber auch dafür plädieren, schon wei- terzudenken. Wir müssen bei den Elektrogeräten auch den nächsten Schritt gehen und versuchen, Einfluss auf die Produktion der Geräte zu nehmen. So wie es in der Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates auch schon anklingt, müssen wir uns auf europäischer Ebene dafür einsetzen, dass Maßnah- men für die Langlebigkeit von Elektrogeräten getroffen werden und darüber hinaus auch für die Recycling- freundlichkeit der Geräte. Ralph Lenkert (DIE LINKE): Die Bundesregierung will mit einem neuen Gesetz zur Entsorgung von Elek- trogeräten genannt ElektroG, deutlich mehr Elektroaltge- räte ordnungsgemäß und umweltfreundlich entsorgen lassen und damit einen Beitrag zur Ressourcenschonung leisten. So weit die Theorie, denn in der Praxis werden heute selbst über Abfall oder Sperrmüll entsorgte Geräte später ordnungsgemäß erfasst, weil das Gewinne ab- wirft – das ist Marktwirtschaft. Wäre das neue ElektroG gut, würde es wenigstens nicht schaden, aber es hat ei- nige gravierende Fehler. Woran es im Punkte Ressourcenschutz in der Logik des Gesetzes bereits mangelt, ist, dass anstatt auf Ver- meidung auf das Prinzip des Neukaufs eines Elektro- gerätes nach Ablauf einer dreijährigen Nutzungszeit ge- setzt wird. Das spiegelt zwar die Realität wieder, aber die ist alles andere als ressourcenschonend. Denn es ver- stärkt den Eindruck gewollter Obsoleszenz bei den Elek- trogeräten, die direkt nach der Gewährleistungszeit ihren Geist aufgeben, und die Regierung akzeptiert dies. Auch die permanente Suggestion, wer seinen Fernseher oder Laptop länger als drei Jahre in Gebrauch hat oder sein Mobiltelefon oder Tablet nach einem Jahr noch nicht ausgetauscht hat, sei nicht mehr auf der Höhe der Zeit, wirkt definitiv nicht ressourceneffizient. Aber zurück zum Gesetzentwurf: Nehmen wir den Grünen Punkt, der von zehn im Wettbewerb stehenden dualen Systemen für alle bestätigten Verpackungen vergeben wird. Die zehn dualen Systeme, diese zehn Fir- men, streiten um ihren Anteil an der jeweiligen Verpa- ckungssorte. Bringt die Verwertung einer Verpackungs- sorte Geld, will jede der Firmen einen großen Anteil. Kostet die Verwertung einer Verpackung Geld, dann will diese keiner bestätigt haben. Jeder der Zehn verhandelt mit den Firmen, die Verpa- ckungen einsammeln, mit Firmen, die Verpackungen be- nötigen, und schließt seine Verträge und rechnet ab. Aber in einem Gebiet sammelt nur eine Firma alle Verpackungen ein, aber die muss mit allen zehn dualen Systemen abrechnen. Jede Verwertungsanlage verarbei- tet für alle zehn Firmen Verpackungen und muss mit jeder einzelnen abrechnen. Das beschreibt ganz kurz die Funktionsweise der dualen Systeme, die größere Mengen an Geld für Bürokratie verschlingen, als für die eigentliche Entsorgung der Abfälle gebraucht wird. Mit dem neuen vorliegenden ElektroG wird wohl das nächste duale System geschaffen werden, mit ähnlichen Wirkungen, genauso schlecht funktionierend. Dieses Gesetz benachteiligt Kommunen. Die Kom- munen werden verpflichtet, die Flächen für die Samm- lung alter Elektrogeräte kostenlos zur Verfügung zu stel- len und das Erfassungssystem kostenlos zu betreiben. Die Kommunen müssen auf ihre Kosten Bürgerinnen und Bürger umfassend zum ElektroG informieren. Elektronikgeräte sollen grundsätzlich nicht bei Haus- halten abgeholt werden müssen, können es aber. Wenn ein Hersteller Geräte abholt, darf er Geld dafür verlan- gen. Wenn ein kommunales Abfallunternehmen das tut, darf es kein Geld fordern. Nett, dass die Bundesregierung zulasten der Kommu- nen versucht, zu verhindern, dass die Menschen ihre Alt- geräte aus Kostengründen einfach in den Hausmüll oder die Natur werfen. Da ist zumindest der Anschein einer kostenlosen Entsorgungsoption besser. Sie geben mit diesem Gesetzentwurf den Herstellern und Vertreibern eine Lizenz zum Gelddrucken in die Hand, indem sie bei Abholung auch noch Geld verlan- gen dürfen. Weiterhin dürfen die Inverkehrbringer von Elektro- geräten zwischen mehreren Entsorgungspfaden wählen; das bedeutet mehr Bürokratie. Nicht umsonst schätzt die Bundesregierung Bürokratiekosten von 83 Millionen Euro je Jahr. Wir kommen nicht umhin: Wenn dieser Gesetzent- wurf sozial gerecht werden soll, muss das Verursacher- prinzip real und nicht scheinbar durchgesetzt werden. Die Hersteller zahlen eine Ressourcenabgabe. Aus ei- nem Teil dieser Ressourcenabgabe wird das kommunale Rücknahmesystem finanziert. Durch die Ressourcen- abgabe würde der Gesetzentwurf außerdem ressourcen- schonend. Denn wenn Produkte gut reparierbar oder aufrüstbar sind oder wenn sie ressourceneffizient und gut recycelbar konstruiert wurden, zahlt der Hersteller weniger Ressourcenabgabe. Dann hat er einen Anreiz, so ökologisch und effizient wie möglich zu produzieren. Damit eine möglichst vollständige Sammlung und Wiederverwendung ermöglicht und bestmögliches Recy- cling garantiert wird, bräuchte es nur eine Pfandpflicht auf Elektrogeräte. Das Prinzip der Pfandpflicht ist nichts Neues, und es ist effektiv und garantiert hohe Rückgabe- quoten. Nahezu kein Elektrogerät wird mehr im Haus- müll oder im Wald landen. Schade, das, was die Bundesregierung hier vorgelegt hat, kommt erstens zu spät, löst zweitens nicht existie- rende Probleme und schafft neue Baustellen. Dieses ElektroG bedeutet Mehrkosten für die Ver- braucher und verwirrt diese. Kurz gesagt: Es wird ein Remake der dualen Systeme und genauso versagen. Peter Meiwald (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Deutschen werfen pro Jahr 600 000 Tonnen Handys, PCs, Föhne, Herde und Toaster weg. Alte und kaputte 10212 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 106. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 21. Mai 2015 (A) (C) (D)(B) Elektro- und Elektronikgeräte gehören aber nicht in den Restmüll, egal wie klein sie sind. Sie enthalten wichtige und wertvolle Rohstoffe, die bei der richtigen Behand- lung zurückgewonnen werden können. Diese zu ver- brennen ist reine Ressourcenverschwendung. Elektroschrott enthält außerdem viele Schadstoffe, etwa Blei und Kadmium in Akkus, Quecksilber in Leuchtstofflampen, Flammschutzmittel in Kunststoffen. Diese gelangen nur bei der richtigen Behandlung nicht in die Umwelt. Deshalb ist eine funktionierende, separate Sammlung von Elektroschrott enorm wichtig; da sind wir uns alle einig. Doch der Verbleib von zu vielen Elektrogeräten ist unklar. Deshalb hat die EU neue Vorschriften verabschie- det, um die Sammlung und die Verwertung zu verbessern. Die Bundesregierung legt heute mit dem aktualisierten ElektroG eine reine 1:1-Umsetzung der europäischen Vorgaben vor. Das ist reine Pflichterfüllung, bleibt aber umweltpolitisch weit hinter dem zurück, was möglich gewesen wäre, um die Ressourcenpolitik in Deutschland wirklich voranzubringen. Handys, Laptops, Tablets, es kommen immer mehr Elektrogeräte auf den Markt, vor allem in den Kommu- nikationstechnologien. Die Rückläufe, was also über- haupt ins Recycling gelangen kann, sind viel zu niedrig. Schätzungen zufolge landet in Deutschland nur etwa die Hälfte aller elektronischen Geräte vorschriftsgemäß auf dem Recyclinghof, bei kleinen Geräten ist die Zahl ver- mutlich noch viel niedriger. Etwa ein Viertel unseres Elektroschrotts, circa 150 000 Tonnen jährlich, wird dann illegal nach Afrika und Asien exportiert. Dem soll jetzt ein Riegel vorge- schoben werden durch die Beweislastumkehr beim Ex- port. Dieses ist richtig und wichtig, um die illegalen Elektroschrottexporte in die Länder des Südens einzu- dämmen. Bis zu 20 000 Kinder sollen in Ghana, Nigeria oder der Elfenbeinküste auf Halden arbeiten und aus Elektroschrott seltene Metalle und andere wiederver- wertbare Bestandteile herausholen und dabei giftigen Dämpfen ausgesetzt sein. Nun müssen Exporteure von Altelektrogeräten nachweisen, dass diese noch funktio- nieren. Somit haben Behörden nun erstmals europaweit eine Möglichkeit, den illegalen Export effektiv zu ahn- den. Eine weitere wichtige Verbesserung ist die Rück- nahme von Altgeräten im Handel. Hier hat die Regie- rung mit dem jetzt vorgelegten Gesetz allerdings nur den ganz großen Läden – ab 400 Quadratmetern Verkaufs- fläche von Elektrogeräten – die Pflicht auferlegt, Elek- trokleingeräte wieder zurückzunehmen. Wir setzen uns dafür ein, dass die Rückgabemöglichkeiten für Bürgerin- nen und Bürger noch einfacher werden, indem jeder, der Elektrogeräte verkauft, diese auch zurücknehmen muss. Das trifft dann nicht nur die ganz großen Elektromärkte, sondern auch Discounter, über deren Ladentisch mehr und mehr Geräte verkauft werden. Wir Grüne sind davon überzeugt, dass finanzielle An- reize den Anteil zurückgegebener Geräte deutlich erhö- hen könnten und längere Verwendung und ein besseres Recycling dadurch möglich wird. Vor allem kleine Ge- räte landen vielfach in der Restmülltonne. Wir fordern die Einführung eines „Handypfandes“ als Test, ob dieses tatsächlich zu deutlich höheren Rückläufen führt, wie wir es annehmen. Wenn dieses erfolgreich ist, sollten solche finanzielle Anreize für Rückgaben auch auf an- dere Elektronikgeräte wie Tablets und Spielekonsolen ausgeweitet werden. Ein solches Pfandsystem sollte ins neue Elektrogesetz aufgenommen werden. Eine verpasste Chance ist es auch, dass keinerlei Vor- gaben für das Produktdesign im jetzigen Entwurf enthal- ten sind, die die Reparaturfähigkeit und Langlebigkeit von Produkten fördern. Das Umweltbundesamt hat kürz- lich erste Studienergebnisse veröffentlicht, die belegen, dass viele Geräte heute immer schneller kaputt gehen. Besonders Elektrogeräte sind hiervon betroffen. Dieses führt zu unnötigen Kosten, Umweltschäden durch Res- sourcenverschwendung und viel Ärger bei Verbrauche- rinnen und Verbrauchern. Warum wird dieses Thema von Ihnen nicht im neuen Gesetz aufgegriffen? Dazu gehört auch die Vorgabe, dass Ersatzteile über einen gewissen Zeitraum vorgehalten werden und den unabhängigen Reparateuren auch zur Verfügung gestellt werden müssen. Verklebte Gehäuse oder fest verbaute Batterien und Akkus führen aber dazu, dass Reparaturen immer mehr erschwert werden. Das ist aus unserer Sicht nicht akzeptabel, dieses Themas hätten Sie sich anneh- men müssen. Ein weiteres, bisher leider unberücksichtigtes Thema ist der Zugriff von Weiterverwendern auf die Altgeräte – denn laut europäischer Abfallhierarchie ist Weiternut- zung zu fördern. Aber genau das tun Sie mit Ihrem Ge- setz nicht, indem Sie die Weiternutzung der Altgeräte ausschließen. Dies kritisieren auch alle Umweltverbände und die Reparaturwerkstätten und Repair-Cafés, die sich derzeit überall im Land gründen. Wir hoffen, dass es im weiteren Beratungsverfahren hier im Parlament und im Bundesrat noch zu deutlichen Umweltverbesserungen kommt. Dies betrifft vor allem die Nutzungsdauer von Elektrogeräten, Vorgaben für ökologischeres Design, die Langlebigkeit und Repara- turfähigkeit von Geräten. Liebe Kolleginnen und Kolle- gen der Koalitionsfraktionen, wenn Sie bereit sind, an diesen Stellen nachzubessern, sind wir bereit, diese not- wendigen Änderungen mit Ihnen zusammen vorzuneh- men. Florian Pronold, Parl. Staatssekretär bei der Bun- desministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reak- torsicherheit: Alte Elektrogeräte gehören nicht in die Restmülltonne, denn sie enthalten sowohl wertvolle Rohstoffe wie seltene Erden, aber auch Schadstoffe. Das weiß im Grunde jeder und jede, und den allermeisten ist eine fachgerechte Entsorgung ein wichtiges Anliegen. Ob es dann auch umgesetzt wird, hängt im Alltag oft davon ab, wie groß der Aufwand ist. Dennoch werden auch heute schon viele Elektroaltgeräte erfasst, und von den erfassten Geräten 85 Prozent recycelt. Trotzdem gilt Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 106. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 21. Mai 2015 10213 (A) (C) (D)(B) es, zukünftig noch deutlich mehr Altgeräte zu erfassen und zu recyceln. Mit der Novellierung des Elektro- und Elektronikge- rätegesetzes, das vor zehn Jahren in Kraft getreten ist, sollen deshalb vor allem die Weichen dafür gestellt wer- den, dass Verbraucherinnen und Verbraucher ihre alten Geräte einfach und unkompliziert zurückgeben können. Das heißt, dass wir für ein dichtes Netz an Sammel- stellen sorgen müssen – und das kann am besten der Handel. Er ist nah an den Verbraucherinnen und Ver- brauchern. Satt auf Freiwilligkeit setzt der Gesetzentwurf auf Pflichten zur Rücknahme von Elektroaltgeräten. Große Vertreiber werden verpflichtet, alte Geräte beim Neu- kauf eines gleichwertigen Geräts zurückzunehmen. Bei kleinen Geräten müssen die großen Vertreiber die Altge- räte sogar ohne Kauf eines entsprechenden Neugeräts zurücknehmen. Als „große Vertreiber“ gelten Geschäfte mit mehr als 400 Quadratmetern Verkaufsfläche, und auch Internethändler, die einen immer größeren Anteil am Umsatz haben, gehören dazu. Kleine und mittelstän- dische Händler dagegen sind ausgenommen. Grundsätzlich halten wir am Konzept der geteilten Produktverantwortung, in dessen Rahmen die Kommu- nen eine zentrale Rolle haben, bei der Rücknahme und Entsorgung von Elektro- und Elektronikaltgeräten fest, denn es ist erfolgreich. Dies zeigen sowohl die Sammelleistungen als auch die in Deutschland erreichten Recycling- und Verwer- tungsquoten. Mit durchschnittlich 8,11 Kilogramm ge- sammelter Menge pro Einwohner und Jahr in den ver- gangenen sieben Jahren wird die europäische Vorgabe von 4 Kilogramm deutlich überschritten. Auch die Recy- cling- und Verwertungsquoten müssen den europäischen Vergleich nicht scheuen. Dennoch bietet die Novellierung die Chance, ehrgei- zigere Ziele zu erreichen, Strukturen weiterzuentwickeln und praktische Erfahrungen aufzugreifen, um erstens den zukünftigen Vorgaben der EU mit Blick auf die Sammlung und das Recycling zu entsprechen – die Sam- melziele steigen 2016 auf 45 Prozent, 2019 auf 65 Pro- zent –, zweitens die Ressourceneffizienz unserer Wirt- schaft weiter zu verbessern. Bei der Novellierung des Elektrogesetzes geht es des- halb darum, einen größeren Anteil wertvoller Metalle, die immer seltener und teurer werden, aus den Altgerä- ten zurückzugewinnen, die Sammelmenge von Altgerä- ten weiter zu steigern und eine möglichst hochwertige Verwertung sicherzustellen und den illegalen Export von Altgeräten ins Ausland zu unterbinden. Wir haben in den letzten Jahren auf nationaler wie in- ternationaler Ebene an Lösungen gearbeitet, illegale Ex- porte von Altgeräten zu verhindern: Erstens konkretisieren wir mit dem Gesetzentwurf die Kriterien für die Abgrenzung von gebrauchten Geräten und Altgeräten, die Abfall sind. Zweitens führen wir eine Beweislastumkehr ein. Zu- künftig muss der Exporteur belegen, dass es sich bei den zu exportierenden Geräten um funktionsfähige Ge- brauchtgeräte und nicht um Altgeräte handelt. Drittens ist es uns in der letzten Woche bei der Ver- tragsstaatenkonferenz zum Basler Übereinkommen ge- lungen, internationale Leitlinien zu verabschieden, die ebenfalls solche Instrumente enthalten. Damit weniger Altgeräte im Restmüll landen, sind vor allem die Bürgerinnen und Bürger gefragt. Dafür wollen wir bessere Rahmenbedingungen schaffen. Bei den nun folgenden Diskussionen im Bundestag und seinen Ausschüssen ist es aus Sicht der Bundesre- gierung unabdingbar, im Blick zu behalten, dass die zu treffenden Regelungen natürlich mit den europarechtli- chen Vorgaben in Einklang stehen müssen. Zudem gilt es zu verhindern, dass die bestehenden, effizienten Struktu- ren zur Erfassung und Entsorgung von Elektro- und Elektronikaltgeräten konterkariert werden. Die Bundesregierung hat in ihrem Entwurf viele Vor- schläge abgewogen und ist der Auffassung, dass der vor- liegende Entwurf einen ausgewogenen Kompromiss zwischen den unterschiedlichen Interessen und Erforder- nissen darstellt. Ich bitte daher um Ihre Unterstützung für die im Gesetzentwurf der Bundesregierung enthalte- nen Regelungen. Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Forschung und Ent- wicklung für die Bekämpfung von vernachläs- sigten armutsassoziierten Erkrankungen stär- ken (Tagesordnungspunkt 22) Stephan Albani (CDU/CSU): Infolge der Kürze der Zeit und der fortgeschrittenen Stunde gleich zum Kern des Themas: Weltweit existieren viele Krankheiten, für die bislang noch keine bzw. nur unzureichende Impfstoffe und auf- wendige bzw. teilweise auch keine Therapien existieren. Hierzu zählen zum Beispiel „die großen Drei“ – HIV/ Aids, Tuberkulose, Malaria – ebenso wie das Dengue- Fieber, die Schlafkrankheit und verschiedene andere Tropenkrankheiten, um nur ein paar dieser Erkrankun- gen zu nennen. Bis heute ist es uns allen nicht gelungen, diese Krankheiten in den Griff zu bekommen, bis heute leidet eine riesige Anzahl von Menschen an diesen Er- krankungen. Allein im Fall Tuberkulose sind weltweit 2,5 Milliarden Menschen infiziert, jährlich kommen nach Angaben der WHO 9 Millionen Neuinfektionen hinzu, und weit über 1 Million Menschen sterben daran. Es ist schon schlimm, wenn eine dieser Krankheiten getrennt allein auftritt. Doch dort, wo bereits eine Im- munschwäche etwa durch HIV/Aids besteht, haben wei- tere Erkrankungen ein nur allzu leichtes Spiel. 10214 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 106. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 21. Mai 2015 (A) (C) (D)(B) Keiner auf unserer heute durch die Globalisierung im- mer „kleiner“ werdenden Welt darf sich noch der Illu- sion hingeben, dass Krankheiten weit weg sind, für ihn oder sie keine Bedeutung haben, wenn wir sie nicht überall und für alle in den Griff bekommen. So wurde es wahrgenommen in Sachen Ebola, und zwischen 2010 und 2013 verdoppelte sich hierzulande die – wenn auch insgesamt noch kleine – Fallzahl der multiresistenten Tuberkulose. One World – One Health – wir sind eine Welt und wir haben eine Gesundheit! In diesem Sinne möchte ich Sie, meine Damen und Herren, hier daran erinnern, dass solche Krankheiten keine Grenzen kennen und wir auch am Beispiel von Ebola und auch der Tuberkulose spüren, dass ein weite- rer Handlungsbedarf dringend notwendig ist. Heilmittel sowie Impfstoffe werden in der Industrie nachfrageorientiert und für strategisch wichtige Märkte entwickelt. Die Ärmsten der Armen stehen mangels Kaufkraft hier zunächst nicht im Fokus. Wirtschaftlich agierende Unternehmen dürfen und müssen so verfah- ren. Jedoch kann und muss unsere Gesellschaft hier an- ders entscheiden und den Fokus eben auch auf diese Erkrankungen lenken und öffentliche Gelder dort einset- zen, wo diese dringend benötigt werden, aber bislang fehlen, um die notwendige Forschungsleistung für Dia- gnostika, Impfstoffe und Therapien zu leisten. Wir in Deutschland können dies, die forschenden Köpfe dazu gibt es hier! Die Bundesregierung hat dies bereits 2011 erkannt und das Förderkonzept „Vernachlässigte und armuts- assoziierte Krankheiten“ im Bundesministerium für Bil- dung und Forschung auf den Weg gebracht, um die For- schungsförderung zu fokussieren und Forschung hier über alle Akteure – aus Wissenschaft und Wirtschaft – hinweg zu bündeln. Allein 2010 bezifferten sich die vom BMBF geförder- ten Forschungsprojekte und Maßnahmen auf rund 11 Millionen Euro. 2011 wurden diese Mittel durch eine Fördermaßnahme für die sogenannten Produktentwick- lungspartnerschaften – englisch: PDPs – mit einem Vo- lumen von 20 Millionen Euro ergänzt. Zusammenge- nommen wurden 2012 von öffentlicher Seite etwa 47 Millionen Euro investiert – laut Internationalem Währungsfonds stand Deutschland damit an vierter Stelle im internationalen Vergleich. Dabei sind die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten PDPs ein besonders wichti- ges öffentliches „Investment“: Sie schließen eine Versor- gungslücke im globalen Gesundheitssystem und bauen eine Brücke zwischen denen, die ihren forschenden Bei- trag leisten können, und denen, die es brauchen. Denn diese international agierenden Non-Profit-Orga- nisationen entwickeln wichtige Heilmittel, Impfstoffe und Diagnostika gemeinsam mit Pharmaunternehmen und Forschungseinrichtungen. Sie entwickeln auch Prä- ventionsmethoden gemeinsam mit der Zivilgesellschaft, um die Betroffenen später auch mit diesen Produkten zu versorgen. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung unterstützt bereits vier Produktentwicklungspartner- schaften, dies sind: erstens „Drugs for Neglected Disea- ses, DNDi,“ mit Medikamentenentwicklungen gegen die Afrikanische Schlafkrankheit, Viszerale Leishmaniose, die Chagas-Krankheit und Wurmerkrankungen, zweitens die „Foundation for innovative new diagnostics, FIND,“ mit der Entwicklung einer Diagnoseplattform für vier parasitäre Erkrankungen: Afrikanische Schlafkrankheit, Chagas, Leishmaniose und Malaria, drittens, die „Euro- pean Vaccine Initiative, EVI“ mit der Entwicklung eines Malariaimpfstoffes für Schwangere und viertens die „Dengue Vaccine Initiative, DVI“ zur Entwicklung eines multivalenten Impfstoffes gegen das Dengue-Virus. Diese Förderung endet in diesem Jahr. Wir haben die Aufgabe, diese elementar wichtige Fördermaßnahme fortzuführen, thematisch zu erweitern und finanziell stärker auszustatten. Dies ist Konsens aller Beteiligten, und dies findet Ausdruck in dem Antrag, den wir hier und heute debattieren. Mir sei erlaubt mich anlässlich dieses, meines ersten Antrages zum einen bei der Kollegin Frau Annette Hübinger und ihrem Team ganz herzlich zu bedanken, die mich bei der Einarbeitung immens unterstützt haben. Und ebenso gilt mein Dank meinem Co-Berichterstatter, Herrn René Röspel, und seinem Team für die gute und konstruktive Zusammenarbeit. Zum Abschluss: Es gibt nur eine Welt-Gesundheit, sie geht uns alle an, wir stehen gemeinsam in der Verant- wortung. Durch die Zusammenarbeit von Industrie und Wissenschaft in den PDPs ist sicherzustellen, dass For- schungslücken bei der Bekämpfung von Infektions- krankheiten geschlossen werden und schlussendlich die Versorgung weltweit verbessert wird. Als einen Beitrag zur Weltgesundheit gilt es, die Fort- setzung des Förderkonzeptes „Bekämpfung vernachläs- sigter armutsbedingter Erkrankungen“ auch über das Ende 2015 hinaus sicherzustellen, es auszubauen, zu stärken und – so sollte es unser Anspruch sein – schluss- endlich auch zu verstetigen. Anette Hübinger (CDU/CSU): Vernachlässigte, ar- mutsassoziierte Krankheiten – ein Thema und ein Ge- sundheits- bzw. Forschungsbereich, dem in Deutschland meist wenig Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit ge- schenkt wird. Ab und zu liest man von Krankheiten, die eigentlich in den europäischen Gebieten nicht auftau- chen dürften – zum Beispiel, dass seit fast drei Jahren in Griechenland wieder Menschen an Dengue-Fieber er- kranken. Ein mediales Ereignis ist dies nicht. Bei der Ebolaepidemie war es anders. Die Angst ging um, dass die Epidemie sich auch nach Europa ausbreiten könnte, schließlich leben wir in einer globalisierten Welt. Rufe nach Schutzzonen und Sicherheitsmaßnahmen an euro- päischen Flughäfen wurden laut. Neben Maßnahmen zur Eindämmung der Epidemie vor Ort und Behandlung der Kranken wurden zu Recht Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 106. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 21. Mai 2015 10215 (A) (C) (D)(B) die Forschungsanstrengungen verstärkt. Nach wenigen Wochen flaute dann das mediale Interesse wieder ab, ob- wohl die aktuelle Ebolaepidemie bis heute nicht endgül- tig eingedämmt ist. Circa 26 000 Menschen erkrankten am Ebolafieber, über 10 500 von ihnen sind gestorben, so die WHO. Eine katastrophale Bilanz. Aber was ist mit all den anderen vernachlässigten tro- pischen Krankheiten? Jährlich infizieren sich 50 bis 100 Millionen Men- schen weltweit mit Dengue-Fieber. An Leishmaniose, eine durch Parasiten hervorgerufene Infektionskrankheit, erkranken 1,5 bis 2 Millionen Menschen jährlich; pro Jahr versterben daran weltweit circa 70 000 Menschen. An Chagas, einer infektiösen Erkrankung, übertragen durch Raubwanzen, erkranken jährlich circa 50 000 Men- schen, 15 000 der Fälle enden tödlich. Da fragt man sich: Wo ist da der mediale Aufschrei, der so ein bedeutsames Thema in das öffentliche Bewusstsein rückt? Aus dem politischen Bewusstsein sind diese Krank- heiten glücklicherweise nie verschwunden. Bereits 2010 hat sich das BMBF zur Erforschung von vernachlässig- ten, armutsassoziierten Krankheiten strategisch neu auf- gestellt und ein neues Förderkonzept erarbeitet. Dies ist deshalb so bedeutsam, da die pharmazeutische Industrie sich aus vielen Bereichen der Erforschung dieser Krank- heiten wegen fehlender Gewinnmargen herausgezogen hat. Unser staatliches Engagement muss diese Lücke fül- len. Deutschland muss und kann mehr tun. Nicht nur aus humanitärer Verantwortung, sondern auch, damit den be- troffenen Entwicklungs- und Schwellenländern durch die Folgen dieser Krankheiten nicht noch zusätzliche Entwicklungshemmnisse langfristig aufgebürdet wer- den und nicht zuletzt, weil einige dieser Krankheiten verstärkt in Europa auftreten. In einer globalisierten Welt, mit vernetzten Wertschöpfungsketten, zunehmen- dem Reise- und Warenverkehr und wachsenden Flücht- lingsströmen, machen Krankheiten nicht an Ländergren- zen halt. Eine klare Tendenz ist erkennbar: Tropische Krank- heiten schwappen insbesondere auf unseren Kontinent hinüber. Derzeit sind vor allem südeuropäische Urlaubs- länder wie Spanien, Portugal oder Griechenland betrof- fen. Doch bereits 2014 entdeckte man die Sandmücke – das Überträgertier von Leishmaniose – in Hessen, der bislang nördlichste Fund. Aus Verantwortung gegenüber den Menschen weltweit, aber auch gegenüber unseren Bürgerinnen und Bürgern, stellen wir heute erneut einen Antrag zur Verstärkung der Forschung und Entwicklung im Bereich vernachlässigter, armutsassoziierter Krank- heiten. Das neue Förderinstrument, die sogenannten Pro- duktentwicklungspartnerschaften, PDPs, des Bundes- ministeriums für Bildung und Forschung, ist eine wich- tige Säule des bestehenden Förderkonzepts. Hierfür sind seit 2011 circa 21 Millionen Euro an Fördergeldern sei- tens des BMBF ausgegeben worden. Ich bin glücklich darüber, dass die erste Förderrunde in der aktuellen Eva- luierung von März 2015 positiv bewertet wurde. Der Evaluationsbericht betont die außerordentliche Bedeu- tung der PDPs bei der Entwicklung und dem Einsatz besserer und neuer Therapien für die Behandlung ver- nachlässigter Infektionskrankheiten. Er stellt aber auch deutlich heraus, dass PDPs ihre Arbeit fortsetzen müssen und vor allem auch eine langfristig gesicherte Unterstüt- zung benötigen. Für mich ist ganz klar, dass mit der positiven Evaluation der ersten Förderperiode eine An- schlussförderung mit höherer Finanzmittelausstattung eine zwingende Folge ist. Daher fordern wir auch die Bundesregierung auf, eine zweite Förderrunde für PDPs festzuschreiben und die Förderung auch auf Medikamente zur Diagnose und Prä- vention, inklusive Impfstoffe für TB und HIV/Aids aus- zuweiten. Für diese wichtige Forschung fordern wir als Koalition eine signifikante Erhöhung der Mittel. Damit kann die Bundesregierung ein Zeichen setzen, um das bestehende Engagement zu verstetigen und sich noch klarer zu ihrer Verantwortung für die globale Gesundheit zu bekennen. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist der Ausbau der Ca- pacity-Building-Maßnahmen im Allgemeinen sowie im Rahmen der PDPs, als auch die Förderung des Wissens- transfers mit Forschern aus den betroffenen Regionen. Nur so kann eine Stärkung der regionalen Forschungsin- frastrukturen und eine qualitativ angemessene Langzeit- beobachtung der neu eingesetzten Medikamente sinnvoll implementiert werden. Ich habe bereits in früheren Reden erwähnt, dass das BMBF mit der Förderung von PDPs einen neuen und strategisch richtigen Weg gegangen ist. Angesichts der bereits bestehenden und zukünftig wachsenden Heraus- forderungen in diesem Bereich brauchen wir aber wei- tere Partner. Deshalb ist es sehr gut, dass unter der deutschen G-7-Präsidentschaft 2015 vernachlässigte, ar- mutsassoziierte Krankheiten ein Schwerpunktthema sein werden und vor allem die Forschung zu diesen Krank- heiten neben der globalen Gesundheits- und Entwick- lungspolitik in den Mittelpunkt gerückt wird. Dies ist dringend notwendig, da gegen viele dieser Infektions- krankheiten seit Jahrzehnten keine wirksamen Medika- mente existieren. Vielleicht bringt ja der G-7-Gipfel ein neues Bewusst- sein für dieses Thema. Ich hoffe jedenfalls nicht, dass eine nächste Epidemie uns wieder für ein paar Monate in Atem hält, sondern dass neue Forschungsergebnisse vie- len Menschen neue Hoffnung und Zuversicht schenken werden. Auch wenn die Erforschung neuer Wirkstoffe kostspielig ist und einen langen Atem benötigt, lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, Forschung zu ermög- lichen, die zum Wohle vieler Millionen Menschen ist und einen wichtigen Schritt zur Erreichung der Millen- niums-Entwicklungsziele darstellt. Dr. Karamba Diaby (SPD): 1,4 Milliarden Men- schen! Mit unserem Antrag gehen wir einen wichtigen Schritt, um weltweit circa 1,4 Milliarden Menschen zu helfen, die von den vernachlässigten Tropenkrankheiten betroffen sind. 10216 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 106. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 21. Mai 2015 (A) (C) (D)(B) Wir alle erinnern uns an die Bilder der schrecklichen Ebolaepidemie. Bisher forderte sie mehr als 11 000 Op- fer – und sie ist noch nicht ausgestanden. Wir wissen: Diese Tragödie wäre vermeidbar gewesen, wenn es Fol- gendes gegeben hätte: ein Gesundheitssystem, Medika- mente und Impfstoffe, medizinische Versorgung sowie Zugang zu Wasser, Strom und Bildung. Ein weiteres Beispiel: Stellen Sie sich vor, dass ein Großteil Ihrer Bekannten bereits als Kinder an Malaria erkrankt. Zum Vergleich: In Deutschland liegt die Sterblichkeit bei circa drei Kindern auf 1 000 Gebur- ten. In Subsahara-Afrika liegt sie durchschnittlich bei über 100 Kindern auf 1 000 Geburten. Eine der häufigs- ten Todesursachen ist nach wie vor Malaria. Das sind Beispiele für das milliardenfache Leid, das Krankheiten wie HIV, Malaria und Tuberkulose und die Tropenkrankheiten hervorrufen. Die Folgen dieser Krankheiten sind für den Einzelnen aber nicht nur physi- scher und psychischer Natur. Oft werden Betroffene so- zial ausgegrenzt; oft nimmt Armut aufgrund von Ar- beitslosigkeit zu. Die Kosten für die Gesellschaft gehen in die Milliar- den. Allein für die Zeit April bis September 2015 schätzt die UN den Bedarf zur Bekämpfung der Ebolaepidemie auf weitere 1,5 Milliarden US-Dollar. Und im Übrigen irrt derjenige, der denkt, dass wir über Krankheiten sprechen, die ausschließlich in Ent- wicklungsländern auftreten oder mit denen man sich höchstens während eines Abenteuerurlaubs infizieren kann. Viren und Bakterien kennen keine Grenzen. Die Zahl der Tuberkulosefälle steigt auch in Deutschland wieder. Das Robert-Koch-Institut registrierte im Jahr 2013 über 4 000 Fälle. Auch die Industrienationen ste- hen einer der tödlichsten Krankheiten zunehmend machtlos gegenüber: veraltete Impfstoffe, veraltete The- rapien, unwirksame Antibiotika. Es ist deshalb erforderlich, dass sich unser Land die- ser großen Herausforderung stärker stellt. Unser Antrag zeigt, wo Handlungsbedarf ist. Zwei spreche ich an die- ser Stelle an: Zum einen müssen wir die Forschung zur Bekämp- fung der Krankheiten stärken. Das schließt die Erfor- schung von Impfstoffen, Antibiotika und therapeutischen Maßnahmen mit ein. Die Partnerschaften zur Entwick- lung der Medikamente sind eine wirksame Strategie. Sie müssen wir ausbauen. Zum anderen: Es nützt das beste Medikament nichts, wenn es den Patienten nicht erreicht. Die internationale wirtschaftliche Zusammenarbeit muss einen Schwer- punkt auf den Aufbau der lokalen Gesundheitssysteme legen. Verantwortungsübernahme heißt für uns: Forschung dauerhaft fördern, den Aufbau der Gesundheitssysteme unterstützen, Kooperation bei der Ausbildung des medi- zinischen und wissenschaftlichen Personals. Diese Punkte müssen Hand in Hand gehen. Es ist deshalb auch das richtige Signal, dass der G-7- Gipfel in Elmau dieses bedeutende Thema aufgreift. Wir sind uns unserer Verantwortung gegenüber den 1,4 Mil- liarden Betroffen bewusst. René Röspel (SPD): Leider zu einem sehr späten Zeitpunkt am Donnerstagabend behandeln wir ein Thema, das viele 100 Millionen Menschen unmittelbar betrifft und sie in ihrer Gesundheit oder sogar ihrem Le- ben bedroht: vernachlässigte Krankheiten. Als „vernach- lässigt“ werden solche Krankheiten bezeichnet, nicht etwa, weil sie „vernachlässigbar“ wären und bedeu- tungslos selten auftreten, sondern weil die damit verbun- dene Not in der Regel nicht an unsere Ohren in der wohlhabenden Welt dringt. Weil diese Krankheiten meistens gemeinsam mit Armut auftreten oder das Ent- stehen durch Armut begünstigt wird, schließt sich ein Teufelskreis: Es gibt kein kommerzielles Interesse bezie- hungsweise keine Möglichkeit, Medikamente zur Behand- lung dieser Krankheiten zu entwickeln. Die Folge dieses „Marktversagens“ ist ein Forschungs- und Entwick- lungsdefizit bei der (Weiter-)Entwicklung von Wirkstof- fen, die den Betroffenen Heilung und Linderung ver- sprechen könnten. Es ist mir daher eine besondere Freude, auch heute und in dieser Regierungskoalition einen Antrag der Re- gierungsfraktionen zur Stärkung der Forschung für ver- nachlässigte und armutsassoziierte Krankheiten zu de- battieren. Der vorliegende Antrag ist nicht nur als ein klares Be- kenntnis zur weiteren Förderung von Produktentwick- lungspartnerschaften im Bereich der vernachlässigten und armutassoziierten Erkrankungen zu verstehen, er soll die auch die anstehenden G-7-Verhandlungen auf Schloss Elmau flankieren. Wie bereits seitens der Bun- desregierung angekündigt, sollen Fragen der Globalen Gesundheit auf diesem Gipfel explizit adressiert werden. Vor diesem Hintergrund möchte ich auch nochmals die Arbeit der Leopoldina lobend hervorheben, die in Vorbe- reitung dieses Gipfels deutlich auf Handlungsbedarfe – nicht nur in der Forschung – zur Bekämpfung dieser Krankheiten hingewiesen hat und in diesem Kontext auch eine umfassende wissenschaftliche Bestandsauf- nahme zu diesem Themenkomplex erarbeitet hat. Dass die Bundesregierung das Thema auf die Agenda von El- mau gesetzt hat, begrüße ich ausdrücklich. Es zeigt, dass sich die langjährige Arbeit gelohnt hat und es einen kla- ren Lernprozess gegeben hat hinsichtlich der Bewertung des Gefahrenpotenzials dieser Erkrankungen für die glo- bale Stabilität. So bringen diese Erkrankungen nicht nur unendliches Leid für die betroffenen Individuen und de- ren Familien mit sich, sie sind auch eine große Bürde für die Länder, deren Bevölkerung eine hohe Prävalenz – also eine hohe Krankheitshäufigkeit – aufweist. Die di- rekten und indirekten Folgen für die Volkswirtschaften dieser Länder lassen sich nicht immer genau quantifizie- ren, die Experten sind sich jedoch weitestgehend einig, dass diese Krankheiten die Wirtschaftsleistung eines Landes verschlechtern und einen nicht zu unterschätzen- den Einfluss auf die Stabilität der betroffenen Länder und Regionen haben. Von den circa 1,4 Milliarden welt- weit betroffenen Menschen leben – und leiden – viele in Subsahara-Afrika – einer Region, die ihrerseits durch Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 106. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 21. Mai 2015 10217 (A) (C) (D)(B) wiederkehrende Krisen und Instabilität gezeichnet ist. Wer daher künftig globale Stabilität garantieren will, wird an Fragen der globalen Gesundheit nicht vorbei- kommen. Ergänzend möchte ich an dieser Stelle noch einen Hinweis geben: Grundsätzlich sollte sich die Bundesre- gierung die Frage stellen, ob sie sich bei diesem G-7- Agenda-Punkt ausschließlich auf die 17 von der WHO gelisteten NTDs beschränken will. Denn es gibt auch weitere vernachlässigte Krankheiten, die zwar nicht von der WHO gelistet werden, jedoch das Potenzial haben, verheerende Folgen mit sich zu bringen. Beispielhaft ist an dieser Stelle Ebola zu nennen: Obwohl nicht in der WHO 17er-Liste aufgeführt, hält uns diese vernachläs- sigte Viruserkrankung in Atem. Die mehr als 10 000 To- ten des letzten Ausbruches in Westafrika haben uns deut- lich unsere Grenzen vor Augen geführt – im Übrigen auch die begrenzte Handlungsfähigkeit der westlichen Welt, adäquat auf solche Krisenszenarien zu reagieren. Es soll auch ein Appell sein, sich nicht in Sicherheit zu wiegen, sondern sich eben auch den Themen bezie- hungsweise Krankheiten zu widmen, die als gerade nicht bedeutend angesehen werden. Ich möchte an dieser Stelle noch einmal lobend die wichtige und notwendige Arbeit der Nichtregierungs- organisation Ärzte ohne Grenzen hervorheben, deren schnelle und unermüdliche Arbeit während des Aufkom- mens der letzten Ebolakrise eine umgehende Krisenant- wort Deutschlands überhaupt möglich gemacht hat. Die Krisenreaktionsfähigkeit Deutschlands in diesem Szena- rio – nicht nur in wissenschaftlicher Hinsicht – sollte uns allen zu denken geben. Ich sehe unseren Antrag aber nicht nur als unterstüt- zende Maßnahme für die G-7-Regierungskonsultatio- nen, sondern auch als Appell an uns alle: Globale Ge- sundheit kann und wird es nicht zu Discountpreisen geben. Die in diesem Antrag geforderte Öffnung des PDP-Förderprogramms für armutsassoziierte Erkran- kungen wie HIV/Aids und Tuberkulose muss sich auch in einer entsprechend adäquaten Aufstockung der dafür bereitzustellenden Haushaltsmittel widerspiegeln. Wir haben aus den Koalitionsvereinbarungen noch For- schungsmittel zur Verfügung. Auch wenn es für den Ei- nen oder Anderen vielleicht schwer nachvollziehbar ist, so lassen sich Viren, Bakterien, Protozoen und Parasiten in ihrer fatalen Wirkung nicht durch vom Bundesfinanz- ministerium gesetzte Haushaltsziele beeindrucken. Die erfolgreiche und nachhaltige Bekämpfung dieser Erreger und Parasiten ist eine Verantwortung der reichen Welt und kann nur durch eine ausreichende Bereitstellung von Haushaltmitteln für die Forschung gesichert werden, zu- mal bei objektiver Betrachtung Deutschland, dank seiner ökonomischen Potenz, hierzu durchaus in der Lage ist. In einem Zeitungsartikel hat der Bundesrichter und Vorsitzende des 2. Strafsenats des BGH, Thomas Fischer, die Bundesrepublik jüngst als „Fettauge auf dem Ozean der globalen Auszehrungen“ bezeichnet. Man muss sich diesem drastischen Bild vielleicht nicht anschließen, dennoch hilft der Blick über den Tellerrand und der Vergleich mit anderen, weniger begünstigten Nationen und Volkswirtschaften, das eigene Maß und die Prioritäten neu zu ordnen. Um ihre globale Verant- wortung wird die Bundesrepublik sich nicht drücken können – nicht nur in der Außenpolitik, sondern eben auch in der internationalen Gesundheitspolitik und der Forschung für vernachlässigte und armutsassoziierte Er- krankungen. Lassen Sie mich abschließend noch einen kurzen Rückblick auf das bisher Erreichte geben: Dieser Antrag ist das Ergebnis eines langen – fast zehn Jahre dauern- den – Prozesses, der viel parlamentarische Anstrengung – auch überparteilich – erfordert hat. Vor circa einem Jahrzehnt noch hat die Forschungsförderung für ver- nachlässigte und armutsassoziierte Erkrankungen keine wesentliche Projektförderung durch das BMBF erhalten. Durch gemeinsame überfraktionelle Anstrengungen konnte bereits in der letzten Legislatur darauf hingewirkt werden, dass sich das BMBF der Förderung von Pro- duktentwicklungspartnerschaften in diesem Bereich an- nimmt. Eine erste Förderphase, die in diesem Jahr aus- läuft, hat es bereits gegeben. Jetzt gilt es, auf dem bisher Erreichten aufzubauen und die Förderung weiter auszu- bauen. Genau hier setzt der vorliegende Antrag an: So soll nicht nur die bisherige Förderrichtlinie für vernach- lässigte tropische Krankheiten fortgesetzt, sondern auch der Fokus der Förderung erweitert werden. Richtete sich die erste Fördermaßnahme noch ausschließlich an Pro- jektmittelnehmer, die Forschung für vernachlässigte Tro- penkrankheiten betreiben, so sollen künftig zusätzlich Forschungsprojekte für armutsassoziierte Krankheitsbil- der wie zum Beispiel die Tuberkulose oder HIV/Aids förderfähig sein. Ich hoffe, dass wir als Regierungsfraktionen mit die- sem Antrag einen substanziellen Beitrag in der For- schung zur Bekämpfung dieser Krankheiten und somit einen kleinen, aber vielleicht essenziellen Beitrag zur Weltgesundheit und globalen Stabilität leisten können. Weitere Schritte aber werden folgen müssen. Niema Movassat (DIE LINKE): „Vernachlässigte armutsassoziierte Krankheiten“ ist im doppelten Sinne ein schreckliches Wortkonstrukt. Millionen von Men- schen leiden auch im 21. Jahrhundert überall auf der Welt nur deshalb an Krankheit, weil der globale Wohl- stand völlig ungerecht verteilt ist. Das alleine ist schon schlimm genug und eine Schande. Dass es dann aber aufgrund der kapitalistischen Wirtschaftslogik schlicht zu wenig finanzielle Anreize für die Pharmaindustrie gibt, wirksame Medikamente gegen die typischen armuts- assoziierten Krankheiten zu entwickeln, ist eine doppelte Ungerechtigkeit. Der wohlhabende Teil der Menschheit enthält den Ärmsten der Armen so nicht nur einen Anteil an den weltweiten Reichtümern vor, sondern, wenn sie an den Folgen erkranken, auch eine adäquate medizini- sche Behandlung. Nur eine andere, gerechtere Weltwirt- schaftsordnung kann dieses Problem grundsätzlich lö- sen. Dennoch möchte ich auch einige kurzfristig praktikable Vorschläge nennen, mit deren Hilfe sich die Situation verbessern ließe. 10218 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 106. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 21. Mai 2015 (A) (C) (D)(B) Vor vier Jahren haben wir einen Bundestagsantrag eingebracht mit dem Titel „Forschungsförderung zur Bekämpfung vernachlässigter Krankheiten ausbauen – Zugang zu Medikamenten für arme Regionen ermögli- chen“. Leider haben sich seitdem weder die grundlegen- den Probleme geändert noch haben sich die vorgeschla- genen Forderungen überholt. Nach wie vor investiert die Bundesregierung viel zu wenig in öffentliche Forschung. Welche fatalen Folgen das haben kann, hat die Ebola- epidemie erst kürzlich gezeigt. Vor vier Jahren hatten wir die Bundesregierung bereits aufgefordert, die nicht- kommerzielle klinische Forschung mit 500 Millionen Euro jährlich zu fördern und einen Förderschwerpunkt für vernachlässigte Krankheiten einzurichten. In einer Antwort auf eine Kleine Anfrage stellte sich heraus, dass 2014 gerade einmal etwas mehr als 500 000 Euro öffent- liche Gelder in die Ebolaforschung flossen. Mit solchen Summen ist natürlich nichts zu erreichen in der Pharma- forschung. Sogenannte Produktentwicklungspartnerschaften aus Wissenschaft, Industrie und Zivilgesellschaft, die auf Non-Profit-Basis an vernachlässigten Krankheiten for- schen, haben sich als erfolgreich erwiesen. In der letzten Förderrunde von 2011 bis 2015 hat die Bundesregierung dafür insgesamt 20 Millionen Euro zur Verfügung ge- stellt. Auch das bleibt weit hinter dem zurück, was Deutschland gemessen an seiner Wirtschaftskraft beitra- gen könnte. Im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt lag Deutschland 2012 in puncto öffentlicher Investition in Forschung und Entwicklung vernachlässigter und ar- mutsindizierter Krankheiten hinter Kolumbien und In- dien auf Rang 12. Wieviel die Bundesregierung in der nächsten Förderrunde für Entwicklungspartnerschaften zur Verfügung stellen wird, ist trotz des bereits vorlie- genden Evaluationsberichts bisher leider nicht genau be- kannt. Wenn die Bundeskanzlerin sich jetzt beim G-7-Gipfel und der Weltgesundheitsversammlung als Vorkämpferin gegen vernachlässigte Krankheiten in Szene setzt, kann dies über die krassen Versäumnisse der Vergangenheit nicht wegtäuschen. Wenn sie jetzt endlich die Wichtig- keit des Aufbaus von öffentlichen Gesundheitssystemen in den Ländern des globalen Südens erkannt hat, ist das zwar ein Fortschritt. Die Forderung von Nichtregie- rungsorganisationen, mehr Geld für globale Gesundheit auszugeben, hat sie aber seit Jahren ignoriert. 0,1 Pro- zent des Bruttoinlandsproduktes sollen reiche Staaten dafür aufwenden. Die Ausgaben für globale Gesundheit betrugen seitens Deutschlands zuletzt aber nur 0,03 Pro- zent. Das ist selbst im europäischen Vergleich nur abso- lutes Mittelmaß. Außerdem hat Deutschland seinen Fi- nanzierungsbeitrag für die Weltgesundheitsorganisation WHO immer weiter zurückgefahren: von 33 Millionen Euro 2006 auf heute noch 24 Millionen Euro. Diese Bundesregierung ist mitverantwortlich dafür, dass die globale Gesundheitskrisenreaktion bei Ebola so schlecht aufgestellt war. Es bleibt zu hoffen, dass diese Bundesregierung auch über wichtige Konferenzen und Gipfel hinaus langfristig endlich einen angemessenen Beitrag zur Bekämpfung vernachlässigter Krankheiten leistet. Am Ende ist und bleibt aber das beste Mittel gegen armutsinduzierte Krankheiten der erfolgreiche Kampf gegen die Armut selbst. Die Bundesregierung jedoch betreibt sowohl na- tional als auch international eine Politik der Umvertei- lung von unten nach oben. Sie bleibt deshalb trotz aller wohlklingenden Maßnahmen und Gipfelankündigungen Teil des Problems, nicht der Lösung. Der vorliegende Antrag beschränkt sich leider nur auf Detailfragen, ohne auf den grundsätzlichen Zusammen- hang zwischen Armut und Krankheit näher einzuge- hen. Strategien, die den Kern der Problematik zu lösen suchen, enthält er leider nicht. Stattdessen macht er sehr viele Vorschläge zur Behandlung der Symptome. Da diese in weiten Teilen nicht falsch sind, werden wir mit Enthaltung stimmen. Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Durch schlimme und bedrückende Ereignisse wie zuletzt die Ebolaepidemie in Westafrika rücken vernachlässigte und armutsassoziierte Krankheiten in das öffentliche Inte- resse. Auch ohne tägliche Schreckensmeldungen muss klar sein: Wir dürfen nicht nachlassen bei der Bekämp- fung von Ebola, HIV/Aids, Tuberkulose, Malaria und anderer Tropenkrankheiten, von denen die Ärmsten der Armen besonders betroffen sind. Es gilt, die internatio- nale Zusammenarbeit massiv zu verbessern und zu ver- stetigen, damit den Milliarden betroffenen Menschen weltweit geholfen werden kann. Die Stärkung von Forschung und Entwicklung für die Bekämpfung dieser Erkrankungen ist dabei eine wich- tige politische und humanitäre Daueraufgabe. Sie muss mit aller Entschiedenheit fortgesetzt werden, wenn das Auftreten zahlreicher Neuinfektionen einer armuts- assoziierten Krankheit aus den akuten Schlagzeilen ver- schwunden ist. Unsere Haushaltsanträge wurden leider erst vor wenigen Monaten von der Koalition schroff ab- gelehnt: Wir hatten zu diesem Zweck für das Haushalts- jahr 2015 beantragt, den Titel Gesundheitsforschung um 20 Millionen Euro aufzustocken, wobei wir speziell für die Initiative European and Developing Countries Clini- cal Trials Partnership, EDCTP, einen Aufwuchs in Höhe von 1 Million Euro vorgesehen haben. Sie von der Koalition müssen sich hier deshalb die Frage gefallen lassen, warum Sie erst jetzt, noch dazu zu nachtschlafender Zeit, einen solchen Antrag einbringen und noch dazu ohne vorherige Beteiligung der Fachaus- schüsse sofort abstimmen lassen wollen. Wir könnten je- denfalls viel weiter sein, wenn Sie unseren parlamentari- schen Initiativen zugestimmt hätten. Die Vorschläge der Koalition sind nicht neu. Sie fin- den überwiegend unsere Zustimmung. Wenn das hier al- lerdings mehr sein soll als ein folgenloser Schaufenster- antrag, dürfen Sie sich bei der Umsetzung der hehren Worte nicht noch mehr Zeit lassen. Die Diagnose der strukturellen Mängel fällt zunächst nicht schwer: Kurzsichtige wirtschaftliche Abwägungen insbesondere der großen Pharmakonzerne verhinderten bisher oft medizinische Innovationen und Versorgung, weil sich Gewinne mit Medikamenten für armutsasso- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 106. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 21. Mai 2015 10219 (A) (C) (D)(B) ziierte Krankheitsbilder schwerer realisieren lassen – das ist zynisch und unmenschlich. Eine Alternative sind Produktentwicklungspartnerschaften, die durch gemein- wohlorientierte Forschungsanreize und Entwicklungs- prämien zu besseren und erschwinglicheren Medikamen- ten für Menschen in ärmeren Ländern führen. Es ist gut, dass Sie eine Verstärkung der anwendungs- orientierten Grundlagenforschung fordern und europäi- sche Programme wie Horizon 2020 loben. Dann dürfen Sie aber nicht gleichzeitig die Kürzung und Umwid- mung gerade dieser Mittel durch die EU-Kommission Junckers zulassen, sondern müssen sich ihr in Brüssel und Berlin beherzt entgegenstellen. Nicht nur die Wirksamkeit von Medikamenten darf hinterfragt werden, sondern es geht auch um die Wirk- samkeit und den nachhaltigen Nutzen bestimmter Hilfs- instrumente: Damit Prävention und Behandlung verbes- sert werden, muss die langfristige Zusammenarbeit mit den Akteurinnen und Akteuren vor Ort im Mittelpunkt stehen. Das betrifft Aufklärungs- und Informationsakti- vitäten über Risikofaktoren und die Vorbeugung von In- fektionskrankheiten durch Verhaltensänderungen. Und das betrifft die dauerhafte und systematische regionale Versorgung mit Medikamenten, die wichtiger wären als plakative Verteilaktionen für die Kameras der interna- tionalen Öffentlichkeit. Deshalb muss sich die Bundes- regierung auch international für nachhaltige, durch- dachte und umsetzbare Strategien einsetzen. Forschungs- und gesundheitspolitische Zusammenar- beit darf nicht von oben herab erfolgen, sondern muss sich an der Lebenswelt vor Ort orientieren. Wenn sie keine Einbahnstraße ist, kann sie zu gemeinsamen Lern- effekten beitragen. Es klingt beispielsweise zunächst sehr ehrgeizig, wenn die Koalition in ihrem Antrag an- regt, durch „Errichtung von Versichertendatenbanken“ in den betroffenen Regionen zur „Etablierung eines Ge- sundheitssystems und zur verbesserten Erhebung von medizinischen Statistiken“ beizutragen. Aber es ist doch überaus zweifelhaft, wie sinnvoll und wirksam dieses Instrument ist. Sie selbst schaffen es seit Jahren nicht einmal in Deutschland, eine elektronische Gesundheits- karte einzuführen. Also ein Vorschlag, der nicht trägt und den Ärmsten der Armen nicht weiterhilft. Sowohl Akzeptanz als auch Realisierbarkeit müssen generell beachtet werden. Und es geht auch um Prioritä- tensetzung: Besonders dringliche Maßnahmen müssen zuerst angegangen und der Ausbau von Infrastrukturen mit den internationalen Partnern koordiniert werden, etwa durch einen globalen Fonds. Wir brauchen substanzielle Verbesserungen, damit Menschenleben gerettet und Zukunftschancen weltweit gesichert werden. Meine Fraktion unterstützt deshalb alle sinnvollen Forderungen, aber wir mahnen vor allem konkretes, schnelles und dauerhaft verlässliches Han- deln der Regierung an. Denn nur so können endlich mehr Menschen vor Neuinfektionen geschützt und er- krankte gerettet werden. Deswegen darf die Bundesre- gierung keine Zeit verlieren. Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zum Internationalen Erbrecht und zur Änderung von Vorschriften zum Erbschein sowie zur Än- derung sonstiger Vorschriften (Tagesordnungs- punkt 24) Dr. Hendrik Hoppenstedt (CDU/CSU): Niemand beschäftigt sich gerne mit seinem eigenen Tod. Aber der Tod gehört unausweichlich zum Leben dazu. Will man aber beeinflussen, was nach dem eigenen Tod mit den fi- nanziellen Werten geschieht, die man erarbeitet hat, will man das Schicksal seines Nachlasses selbst bestimmen, dann muss man sich zu Lebzeiten mit der Planung des eigenen Nachlasses beschäftigen. Durch die EU-Erbrechtsverordnung und das beglei- tende Gesetz, das wir heute in zweiter und dritter Lesung beraten, wird diese Planung des Nachlasses und dessen Abwicklung in Erbfällen mit Auslandsbezug erheblich vereinfacht. Das Erbschaftsteuerrecht wird durch den Gesetzentwurf nicht geändert. Bisher unterliegt nach deutschem Recht die Rechts- nachfolge von Todes wegen dem Recht des Staates, dem der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes angehörte. War der Erblasser Deutscher, galt also deutsches Erb- recht. Dies ändert sich durch die EU-Erbrechtsverord- nung. Ausländisches Erbrecht kann erheblich von den deut- schen erbrechtlichen Regelungen abweichen. Wenn deutsche Staatsbürger über Vermögen in einem anderen Land verfügen oder wenn sie nicht in ihrem Heimatland leben, können im Erbfall verschiedene Rechtsordnungen auf den Nachlass Anwendung finden. Dies kann zu ge- gensätzlichen Ergebnissen und unvereinbaren Gerichts- entscheidungen führen, die die Erben möglicherweise vor unlösbare Konflikte stellten. Folge können mehrfa- che Nachlassverfahren sein. Das wird mit der Erbrechts- verordnung geändert: Die EU-Erbrechtsverordnung lässt das materielle Erbrecht der einzelnen Mitgliedstaaten unberührt. Sie bestimmt aber, dass nur das Erbrecht eines Staates auf den gesamten Nachlass Anwendung findet, egal in wel- chem Staat sich das Vermögen des Verstorbenen befin- det. Das führt zu mehr Rechtssicherheit, und für die Er- ben wird die Verwaltung und Auseinandersetzung des Nachlasses deutlich vereinfacht. Das spart viel Ärger, Zeit und Kosten. Sofern der Erblasser dies testamentarisch nicht anders festgelegt hat, richtet sich künftig die gesamte Rechts- nachfolge von Todes wegen nach dem Recht des Staates, in dem der Verstorbene im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Ab dem 17. August 2015 werden Bürgerinnen und Bürger ihre Rechte bei grenzüberschreitenden Erbfällen leichter durchsetzen können. 10220 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 106. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 21. Mai 2015 (A) (C) (D)(B) Der Gesetzentwurf ist politisch nicht brisant. Er dient vor allem der rechtstechnischen Anpassung des nationa- len Rechts an die EU-Erbrechtsverordnung, die ab dem 17. August 2015 in Deutschland unmittelbar gilt. An- wendbar ist das neue Recht für Todesfälle ab dem 17. August. Eine zuvor getroffene Rechtswahl bleibt aber auch danach wirksam. Mit dem Gesetzentwurf, den wir heute abschließend beraten, werden für das Europäische Nachlasszeugnis eigene Verfahrensregeln vorgesehen. Ziel ist es, die Zu- ständigkeit für das Verfahren zur Erteilung eines deut- schen Erbscheins und über die Ausstellung eines Euro- päischen Nachlasszeugnisses möglichst bei einem Gericht zu bündeln. Weiterhin erfolgt eine Anpassung des deutschen Rechts: Der Erbrechtsverordnung entgegenstehende nationale Regelungen werden aufgehoben, es werden einige Durch- führungsvorschriften erlassen, damit die Erbrechtsver- ordnung in der Praxis problemlos angewendet werden kann, und es werden die nationalen Vorschriften zum Erbschein an die Vorgaben der Erbrechtsverordnung zum Europäischen Nachlasszeugnis angepasst sowie ge- setzessystematische Mängel beseitigt. Im Rahmen der Berichterstattergespräche haben wir uns im Wesentlichen mit zwei Aspekten befasst. Mit dem Ziel, den Gestaltungsspielraum für Erblasser zu erweitern, haben wir diskutiert, ob es sinnvoll ist, die Bindungswirkung einer wechselseitigen Verfügung in ei- nem gemeinschaftlichen Testament bzw. in einem Erb- vertrag auch auf die Anordnung einer Testamentsvoll- streckung auszudehnen. Weil die Erbrechtsverordnung bereits ab dem 17. August 2015 gilt und das Gesetzge- bungsverfahren rechtzeitig davor abgeschlossen werden musste, haben wir uns mit dem Koalitionspartner darauf verständigt, dass die Frage der Möglichkeit einer bin- denden Anordnung der Testamentsvollstreckung in einem gemeinschaftlichen Testament oder Erbvertrag durch das Bundesjustizministerium ergebnisoffen geprüft wird. Das BMJV wird dazu kurzfristig eine Umfrage bei den Län- dern und den betroffenen Verbänden durchführen mit ei- ner Frist zur Stellungnahme bis Ende September. Damit wird etwa im Oktober ein Ergebnis vorliegen, und eine entsprechende Regelung kann im Zusammenhang mit dem notariellen Nachlassverzeichnis getroffen werden. Aufgrund der Stellungnahme des Bundesrates haben wir vertieft geprüft, ob wir in Deutschland eine Rege- lung erlassen können, die nicht nur die Änderung und den Widerruf, sondern auch die körperliche Einziehung eines unrichtigen Nachlasszeugnisses ermöglicht. Das BMJV hat deutlich gemacht, dass die Kommission ur- sprünglich eine Einziehungsmöglichkeit vorgeschlagen hatte. Dieser Vorschlag fand aber im Gesetzgebungspro- zess auf europäischer Ebene keine Mehrheit und wurde bewusst nicht aufgegriffen. Weil die Erbrechtsverord- nung insoweit also eine abschließende Regelung trifft, wäre eine entsprechende nationale Regelung nicht euro- parechtskonform. Das Struck’sche Gesetz gilt aber auch für diesen Ge- setzentwurf: Im parlamentarischen Verfahren wurden handwerkliche Fehler behoben. Im ursprünglichen Ge- setzentwurf wurde § 2270 BGB geändert, also der Spe- zialfall. Es wurde aber versäumt, die Grundvorschrift des § 1941 BGB an die Erbrechtsverordnung anzupas- sen. Weil nur die in § 1941 BGB genannten Verfügungen an der den Erbvertrag kennzeichnenden Bindungswir- kung teilhaben, war eine Ergänzung erforderlich. Mit dem Gesetzentwurf stellen wir sicher, dass das grenzüberschreitende Erben und Vererben in Europa ein- facher wird, und schaffen Rechtssicherheit für die Um- setzung der Nachlassplanung. Dr. Silke Launert (CDU/CSU): In dem Gesetzent- wurf, über den wir heute sprechen, heißt es, es sei jähr- lich von circa 30 000 Todesfällen von EU-Ausländern in Deutschland auszugehen. Etwa genauso viele Deutsche würden jedes Jahr im europäischen Ausland versterben. Von diesen Zahlen nicht erfasst sind die Todesfälle von Nicht-EU-Bürgern. Gelangen diese Sterbefälle vor ein deutsches Gericht, müssen sich Richter und Rechtspfleger in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit oder in streitigen Erbrechts- verfahren zunächst fragen: Bin ich bzw. ist mein Gericht überhaupt zuständig? Und wenn ja: Darf ich hier deut- sches Recht anwenden? Stirbt beispielsweise ein deutscher Rentner in der Toskana, wo er seinen Lebensabend in einer kleinen Villa verbracht hat, und entstehen nach seinem Tod Erbstreitigkeiten unter den in Deutschland lebenden Kindern über das Häuschen in Deutschland, die Villa in Italien und das Konto in der Schweiz, kann sich ein deut- sches Gericht nicht per se für zuständig erklären und deutsches Erbrecht anwenden. Es stellen sich vielmehr konkret immer zwei Fragen, nämlich die nach der inter- nationalen Zuständigkeit und die nach dem anwendbaren Recht. Bislang gibt es für das Erbrecht im Internationalen Zivilverfahrensrecht keine und im Internationalen Pri- vatrecht kaum Regelungen internationalen Ursprungs. Die nationalen Gerichte müssen daher immer entspre- chend dem Lex-fori-Grundsatz auf ihr eigenes, nationa- les Recht zurückgreifen. In Deutschland gelangt man so bislang anhand der Vorschriften der ZPO zur internationalen Zuständigkeit und mittels des EGBGB zum anwendbaren Recht. Selbst- verständlich sieht es in den anderen Mitgliedstaaten nicht anders aus, auch diese greifen auf ihr nationales Recht zurück. Und da alle 28 Staaten verschiedene Rechts- ordnungen haben, kann es durchaus sein, dass derselbe Fall zu unterschiedlichen Ergebnissen führt, je nachdem, in welchem Staat ein Gericht angerufen wird. Darüber hinaus kann die aktuelle Gesetzeslage mitun- ter schon einmal dazu führen, dass ein Gericht eine fremde Rechtsordnung anwenden muss. Dass also bei- spielsweise ein deutsches Gericht ausländisches Erb- recht anzuwenden hat oder sogar teilweise deutsches, teilweise ausländisches, wenn Vermögen auch im Aus- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 106. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 21. Mai 2015 10221 (A) (C) (D)(B) land belegen ist. Es versteht sich von selbst, dass hierbei große Rechtsunsicherheiten entstehen können. Ab dem 17. August dieses Jahres wird das anders. Denn ab dann ist die Erbrechtsverordnung auf alle ein- tretenden Erbfälle anzuwenden, die in den Mitgliedstaa- ten einheitlich insbesondere die Zuständigkeit und das anzuwendende Recht regelt. Fortan entscheiden also alle Gerichte in der EU anhand derselben Rechtsvorschrif- ten, welches Gericht im Einzelfall zuständig und wel- ches Recht anwendbar ist. Sie werden im konkreten Ein- zelfall alle zur Zuständigkeit desselben Gerichts und zur Anwendung desselben Rechts kommen. Die Zeiten des Forum-Shoppings im Erbrecht sind damit passé. Anknüpfungsmoment wird bei der Zuständigkeit und beim anwendbaren Recht nach Artikel 4 bzw. Arti- kel 21 Absatz 1 EuErbVO jeweils der gewöhnliche Auf- enthalt sein. Das heißt, entscheidend ist der Ort bzw. das Land, in dem der Schwerpunkt der familiären oder be- ruflichen Bindungen des Erblassers zuletzt lagen. Es wird also eine Gesamtbeurteilung der Lebensumstände des Erblassers in den Jahren vor seinem Tod und im Zeitpunkt seines Todes vorzunehmen sein, wobei alle re- levanten Tatsachen berücksichtigt werden müssen, ins- besondere die Dauer und die Regelmäßigkeit des Auf- enthalts in dem betreffenden Staat sowie die damit zusammenhängenden Umstände und Gründe. Vorteil desselben Anknüpfungsmoments bei Zustän- digkeit und anwendbarem Recht ist, dass nun das zustän- dige Gericht – mit wenigen Ausnahmen – sein eigenes materielles Erbrecht anwenden können wird. Mit der Verankerung des Aufenthaltsprinzips wird das dem deutschen Recht vertraute Staatsangehörigkeits- prinzip des Artikel 25 EGBGB endlich abgelöst. Vor dem Hintergrund der zunehmenden Mobilität der euro- päischen Bürger findet sich darin nun endlich eine zeit- gemäße und praktikable Regelung, wie sie in den Haager Übereinkommen im Übrigen schon längst praktiziert wird. Die Verordnung gewährleistet damit eine ord- nungsgemäße Rechtspflege innerhalb der Union und eine wirkliche Verbindung zwischen dem Nachlass und dem Mitgliedstaat, in dem die Erbsache abgewickelt wird. Um das Ganze nun ein wenig anschaulicher zu ma- chen, möchte ich auf mein eingangs genanntes Beispiel zurückkommen: Ab August wird es nun nicht mehr relevant sein, wel- che Staatsangehörigkeit der Erblasser hatte oder wo sein Nachlass belegen ist. Zuständig ist ein italienisches Ge- richt und der Erblasser wird nach italienischem Erbrecht beerbt. Will der Erblasser – aus unserem Beispielsfall – nicht, dass sich seine Erbfolge nach italienischem Recht rich- tet, kann er nach Artikel 22 Absatz 1 im Testament re- geln, dass im Todesfall das Recht des Staates Anwen- dung findet, dem er bei der Rechtswahl oder bei seinem Tod angehört. In unserem Fall kann er also deutsches Recht wählen. Auch das ist neu. Nach bisherigem deut- schen Recht war die Rechtswahl beschränkt auf Grund- stücke und auch da nur zugunsten deutschen Rechts möglich. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang darauf, dass Großbritannien, Irland und Dänemark auch diese Verordnung nicht übernommen haben. Das nach der Ver- ordnung maßgebliche Recht ist jedoch auch dann anzu- wenden, wenn es sich um das Recht eines Drittstaates handelt. Die Europäische Erbrechtsverordnung bean- sprucht somit universelle Geltung. Der vorliegende Gesetzentwurf sieht nun Regelungen vor, dieser Verordnung ab August zur Anwendung zu verhelfen. Gebündelt hat er sie in einem neu zu schaffen- den Gesetz, dem sogenannten Internationalen Erbrechts- verfahrensgesetz. Dessen Anwendbarkeit beschränkt sich konsequenterweise auf die Fälle, in denen die EuErbVO gelten wird. Es regelt insbesondere die örtliche Zustän- digkeit, die Zulassung von Zwangsvollstreckungen aus ausländischen erbrechtlichen Titeln sowie die Entgegen- nahme von Erklärungen der Annahme oder Ausschla- gung einer Erbschaft. Schließlich enthält der Gesetzentwurf bzw. das Inter- nationale Erbrechtsverfahrensgesetz auch Vorschriften zum von der ErbVO neu eingeführten Europäischen Nachlasszeugnis. Dieses Zeugnis soll, einem Erbschein vergleichbar, zur Umschreibung öffentlicher Register verwendet werden und Erben, Vermächtnisnehmer und Testamentsvollstrecker in allen Mitgliedstaaten, in de- nen die Verordnung gilt, zu Legitimationszwecken die- nen. Voraussetzung für die Erteilung ist, dass das Zeug- nis in mehreren Mitgliedstaaten Anwendung findet und nicht nur innerstaatliche Sachverhalte betrifft. Der Gesetzentwurf wird das Europäische Nachlass- zeugnis dem deutschen Erbschein in seinen Rechtswir- kungen gleichstellen. Gleichzeitig gleicht er die Vor- schriften zum Erbschein an die Vorgaben der ErbVO zum Europäischen Nachlasszeugnis an. Ziel ist es, die Zuständigkeit für das Verfahren zur Erteilung eines deut- schen Erbscheins und über die Ausstellung eines Euro- päischen Nachlasszeugnisses möglichst bei demselben Gericht zu bündeln. Bezweckt wird auch hier eine erhebliche Vereinfa- chung bei grenzüberschreitenden Erbfällen. Abschließend lässt sich sagen, dass die Verordnung und das vorliegende umzusetzende Gesetz einen weite- ren wichtigen Baustein liefern, um die Freizügigkeit im europäischen Rechtsraum zu erleichtern. Dennis Rohde (SPD): Europa wächst zusammen. Die alten Grenzen der Nationalstaaten, die die Struktur unseres Kontinents lange Zeit bestimmt haben, existie- ren weiter – aber sie haben einiges ihrer traditionellen Bedeutung eingebüßt. Wir können in unseren Nachbar- staaten reisen, arbeiten, wohnen – und all dies ohne die bürokratischen Maßregelungen, die für die Generation unserer Eltern noch selbstverständlich waren und deren Abschaffung man sich nicht träumen ließ. Auch wenn reaktionäre Nationalstaatsnostalgiker das nicht einsehen mögen: Diese Einigung ist ein hohes Gut. Sie zu bewah- ren und weiter voranzutreiben, ist für Europas Zukunft 10222 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 106. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 21. Mai 2015 (A) (C) (D)(B) unerlässlich – und damit auch für Deutschland. Denn ohne ein starkes, friedliches, geeinigtes Europa fehlen die Voraussetzungen für den Zusammenhalt und den Wohlstand unseres Landes. Durch das Schwinden der nationalen Gegensätze ha- ben sich auch die Lebensentwürfe geändert. Bestimmten vor einigen Jahrzehnten noch Grenzen unsere Lebens- welten, so genießen wir jetzt ungeahnte Freiheiten. Wir studieren im europäischen Ausland, ziehen ungehindert dorthin oder verlagern unseren Lebensmittelpunkt – und können doch jederzeit nach Deutschland zurückkehren. Auch Freundschaft, Ehe und Familie haben die alten Grenzen hinter sich gelassen. Die Europäerinnen und Europäer messen einander nicht mehr vornehmlich an der Staatsangehörigkeit – die europäische Integration hat ganz neue Möglichkeiten des Miteinanders geschaffen, die unseren Kontinent friedlicher, verzahnter und offener machen. Dazu gehört aber auch, dass eine zunehmende Zahl von Menschen in einem anderen Land stirbt als dem, dessen Staatsbürger sie sind. Sei es, weil sie sich im Ru- hestand das ersehnte Haus im Süden geleistet haben, oder einfach, weil sich der Lebensmittelpunkt irgendwann verlagert hat – die Gründe sind vielfältig. Unbestritten da- gegen ist, dass das Zusammenspiel unterschiedlicher Erbrechtssysteme Schwierigkeiten aufwerfen kann – und eine klare Regelung daher überfällig war. Die EU-Erbrechtsverordnung, der wir heute mit dem vorliegenden Gesetzentwurf den Weg auch in Deutsch- land ebnen, schafft hier Klarheit. Künftig gilt bei inter- nationalen Erbfällen – diese liegen zum Beispiel vor, wenn ein Deutscher im Ausland stirbt und sein dortiges Haus vererbt – das Erbrecht des Landes, in dem der Ver- storbene seinen letzten gewöhnlichen Wohnsitz hatte. Entscheidend ist also nicht mehr die Staatsbürgerschaft, sondern der Wohnort. Damit trägt auch das Erbrecht endlich dem Prinzip der Bewegungsfreiheit Rechnung, das zu einer bedeutenden Entwicklung des Zusammenle- bens in Europa beigetragen hat – und das wir entschie- den gegen regelmäßig wiederkehrende Bestrebungen, es aufzuweichen oder zu unterlaufen, verteidigen müssen. Zur Einigung in Europa gehört auch, dass Vorschrif- ten und Regularien vereinheitlicht werden, um den ge- genseitigen Austausch zu vereinfachen. Der zweite wich- tige Aspekt des vorliegenden Gesetzentwurfes ist daher folgerichtig die Eingliederung des Europäischen Nach- lasszeugnisses in deutsches Recht. Nicht viel anders als beim Erbschein sollen deutsche Amtsgerichte nun auch europaweit gültige und einheitlich verständliche Nach- lasszeugnisse sowie beglaubigte Abschriften ausstellen – damit in Bezug auf Erbfälle in ganz Europa Rechtssi- cherheit herrscht. Der vorliegende Gesetzentwurf mag im großen Be- trieb der Politik auf den ersten Blick nicht besonders be- deutsam erscheinen. Aber er ist stellvertretend für eine Politik der europäischen Einigung, die auch und ganz besonders wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokra- ten immer vorangetrieben haben. Und er steht für eine überlegte, ruhige Sachpolitik, in der man sich auch zwi- schen Regierungs- und Oppositionsfraktionen verstän- digt, um gemeinsam vernünftige Gesetze voranzubrin- gen. In diesem Sinne ist der heutige Gesetzentwurf nicht nur bedeutsam, sondern hoffentlich sogar richtungswei- send. Jörn Wunderlich (DIE LINKE): Sehr geehrter Le- ser, wenn ich hier möglicherweise die Argumente mei- nes „Vorredners“ wiederhole, bitte ich um Nachsicht, da ich diese infolge der vereinbarten Protokollreden ja nicht kennen kann. Also: Anlass für diesen Gesetzent- wurf ist vor allem die Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 650/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 über die Zuständigkeit, das anzu- wendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstre- ckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses (ABl. L 201 vom 27. Juli 2012, S. 107; L 344 vom 14. Dezember 2012, S. 3; L 41 vom 12. Februar 2013, S. 16; L 60 vom 2. März 2013, S. 140 – ErbVO), welche ab dem 17. August 2015 anzuwenden ist. Die ErbVO gilt für alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union mit Ausnahme des Vereinigten Königreichs, Irlands und Dä- nemarks. Als Verordnung ist sie in der Bundesrepublik Deutschland unmittelbar anzuwenden mit der Folge, dass sie in ihrem Anwendungsbereich das bislang gel- tende Recht verdrängt. Gleichwohl bedarf es einiger Durchführungsvorschriften für die Umsetzung. Die Schaffung der notwendigen Verfahrensregelun- gen zum Europäischen Nachlasszeugnis wurde hier zum Anlass genommen, auch entsprechend sinnvolle Rege- lungen zum Erbschein zu ändern. Zum einen werden punktuell Vorschriften zum Erb- schein an die Vorgaben der ErbVO zum Europäischen Nachlasszeugnis angepasst mit dem Ziel, die Zuständig- keit für das Verfahren zur Erteilung eines deutschen Erb- scheins und über die Ausstellung eines Europäischen Nachlasszeugnisses möglichst bei demselben Gericht zu bündeln. Zum anderen werden die Anpassungen beim Erbschein zum Anlass genommen, derzeit im Bürgerli- chen Gesetzbuch, BGB, enthaltene, rein verfahrens- rechtliche Vorschriften zum Erbschein aus systemati- schen Gründen in das Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwil- ligen Gerichtsbarkeit, FamFG, zu übertragen und dabei zugleich überflüssige Doppelregelungen in BGB und FamFG zu bereinigen. Im Übrigen soll insbesondere eine Regelungslücke im Bereich der Gebühren in Grund- buchsachen geschlossen werden, um die Höhe der bei der Eintragung von Veränderungen eines Gesamtrechts bei verschiedenen Grundbuchämtern zu erhebenden Ge- bühren auf ein angemessenes Maß zu begrenzen. Bislang herrschte in grenzüberschreitenden Erb- schaftsfällen eine große Unsicherheit, welches nationale Recht Anwendung findet. Mit der EU-Verordnung wird dahingehend Rechtssicherheit geschaffen, als dass nun- mehr das Recht desjenigen Staates Anwendung findet, in dem der Erblasser seinen letzten Wohnsitz hatte. Dies würde dann aber auch dazu führen, dass zum Beispiel Deutsche, die ihren Lebensabend im Ausland verbrin- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 106. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 21. Mai 2015 10223 (A) (C) (D)(B) gen, nicht mehr nach deutschem Recht beerbt werden. Dennoch ist diese Regelung vor dem Hintergrund der Rechtssicherheit zu begrüßen, zumal ein Erblasser testa- mentarisch nach wie vor die Anwendbarkeit deutschen Rechts festlegen kann. Auch für Erben bringt die Verordnung eine Erleichte- rung. Denn das durch die Verordnung neu geschaffene Europäische Nachlasszeugnis stellt eine Art internatio- nalen Erbschein dar, der in der gesamten EU Geltung be- sitzt mit der Folge, dass der Erbe nicht mehr in all den Ländern, in denen der Erblasser Vermögen hinterlassen hat, separat Erbscheine beantragen muss. Das internationale Nachlasszeugnis kann – wie der bisherige Erbschein – beim Notar beantragt werden. Die Konzentrierung der Zuständigkeit für das Verfah- ren zur Erteilung eines deutschen Erbscheins und über die Ausstellung eines Europäischen Nachlasszeugnisses bei demselben Gericht stellt ebenfalls eine Erleichterung dar und ist zu unterstützen. Die Übertragung der derzeit noch im BGB enthalte- nen rein verfahrensrechtlichen Vorschriften zum Erb- schein in das FamFG ist ebenfalls vor dem rechtssyste- matischen Hintergrund zu begrüßen. Damit führt die Verordnung im Ergebnis zu deutli- chen Erleichterungen bei Erblassern und Erben und zu mehr Rechtssicherheit und einer besseren rechtssystema- tischen Ordnung. Da der vorliegende Gesetzentwurf letztlich nur der Durchführung der Verordnung im deutschen Recht dient und darüber hinaus die Rege- lungslücke im Bereich der Gebühren in Grundbuchsa- chen zugunsten der Betroffenen schließt, sollte diesem zugestimmt werden. In dem Änderungsantrag geht es im Wesentlichen le- diglich um redaktionelle Korrekturen, Klarstellungen und Folgeänderungen, auf die hier nicht näher eingegan- gen werden muss. Es wird außerdem noch eine Begren- zung der Zusatzgebühr für die Beurkundung in einer fremden Sprache auf 5 000 Euro eingeführt. Wahrscheinlich sind diese Gründe, wie eingangs er- wähnt, auch von meinem „Vorredner“ angeführt werden, was ich jedoch leider in Anbetracht der Protokollreden nicht beurteilen kann. Ich gehe jedoch gesichert davon aus, zumal wir uns im Berichterstattergespräch einig wa- ren, dass dem Gesetz zugestimmt werden kann. Alles in allem stimmt die Linke dem Gesetz, wie be- reits im Ausschussprotokoll dokumentiert, daher auch in der zweiten und dritten Lesung zu. Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir wol- len keine Grenzen mehr in Europa. Wir wollen europa- weit wohnen, arbeiten, leben und sterben und deswegen am Ende auch europaweit erben. Aber keine Sorge: das materielle Erbrecht wird jetzt nicht europäisiert. Wer von wem in welcher Reihenfolge und in wel- chem Umfang erbt, bleibt, wie es ist. Allerdings ändert sich das Verfahrensrecht. Durch die Vereinheitlichung der Verfahrensregeln und die Möglichkeit der Rechtswahl wird es für Hinter- bliebene aber jetzt einfacher, zum Beispiel in Fällen, in denen der Erblasser oder die Erblasserin zuletzt in einem anderen europäischen Land lebte oder in denen Paare mit unterschiedlichen Staatsangehörigkeiten ein gemein- sames Testament errichten. Denn ab dem 17. August 2015 gelten im Erbrecht in fast allen EU-Mitgliedstaaten einheitliche Verfahrensre- geln. Die Hinterbliebenen müssen sich beispielsweise nicht mehr um die Anerkennung ausländischer Gerichts- urteile kümmern, sondern wenden sich an das Gericht am letzten gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers bzw. der Erblasserin. Auch ist es nun möglich, durch eine Rechtswahl die Nachlassspaltung zu vermeiden. Es ist nur noch ein Recht anwendbar für den gesamten Nachlass und nicht mehr unterschiedliches Recht, je nachdem, ob es sich um Grund und Boden oder um bewegliches Vermögen han- delt, wie es derzeit in einigen europäischen Rechtsord- nungen der Fall ist. Die Einführung des Europäischen Nachlasszeugnis- ses vereinfacht und vereinheitlicht den Nachweis im Rechtsverkehr. Der deutsche Erbschein bleibt aber erhal- ten. Das ist gut; denn er ist anders als das Europäische Nachlasszeugnis von seiner Gültigkeitsdauer nicht be- grenzt. Beantragt wird das Europäische Nachlasszeugnis beim Gericht am letzten gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers oder der Erblasserin. Somit ist es für die Er- ben einfacher, zu wissen, an wen sie sich wenden müs- sen, wenn sie ihr Erbe antreten möchten. Bei aller Vereinfachung bleiben aber auch Unsicher- heiten: Bei gemeinschaftlichen Testamenten, wie dem Berliner Testament, muss man jetzt darauf achten, dass eine Bindung des überlebenden Ehegatten anderswo oft so nicht möglich ist. Gleiches gilt für die Testaments- vollstreckung. Auch das Pflichtteilsrecht kann sehr un- terschiedlich sein. Hier wird es nach wie vor gut sein, sich beraten zu lassen. Schutzlücken gibt es bei gleichgeschlechtlichen Paa- ren. Denn nicht in allen EU-Mitgliedstaaten werden Le- benspartnerschaften gesetzlich anerkannt, sodass sich hieraus eine mögliche Diskriminierung ergeben kann und die Rechtswahl beispielsweise bei gemeinschaftli- chen Testamenten faktisch ins Leere läuft, wenn der hin- terbliebene Partner oder die hinterbliebene Partnerin die Nachlassbeteiligung nicht durchsetzen kann. Denn die Frage, ob eine Partnerschaft überhaupt besteht, richtet sich nicht nach der Erbrechtsverordnung, sondern nach dem Recht, das an dem Ort des letzten gewöhnlichen Aufenthalts gilt. Zwar können auch hier die Partner oder Partnerinnen von der Möglichkeit der Rechtswahl Ge- brauch machen, doch kann es sein, dass Pflichtteilan- sprüche anderer Angehöriger bestehen bleiben. Eine Lösung für diese Fragen des Personenstands- rechts hätte eigentlich schon auf europäischer Ebene gefunden werden sollen, doch wurden auch bei den Durchführungsbestimmungen auf nationaler Ebene die 10224 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 106. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 21. Mai 2015 (A) (C) (D)(B) verbleibenden, kleinen Gestaltungsspielräume leider nicht genutzt. Es gibt sicher noch viele weitere Baustellen im Erb- recht, über die es sich lohnen würde zu debattieren. Ich denke zum Beispiel an die Berücksichtigung von Pflege- leistungen beim Pflichtteilsrecht. Mit dem heutigen Gesetz wird das Erbrecht zwar nicht revolutioniert, aber eine sinnvolle Anpassung von Verfahrensvorschriften an die europäische Verordnung vorgenommen. Dem wird auch die grüne Fraktion ihre Zustimmung erteilen. Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der Protokollerklärung zum Gesetz zur Anpassung der Abgabenordnung an den Zollkodex der Union und zur Änderung weite- rer steuerlicher Vorschriften (Tagesordnungs- punkt 25) Olav Gutting (CDU/CSU): Wir beraten heute in ers- ter Lesung einen Gesetzentwurf, welcher 13 Maßnah- men aufgreift, die der Bundesrat im Zollkodex-Anpas- sungsgesetz vorgeschlagen hatte und die nach der zugesagten fachlichen Prüfung umgesetzt werden kön- nen. Gleichzeitig wollen wir aber auch andere, aus unse- rer Sicht notwendige Änderungen mit diesem Gesetz vornehmen. Ganz glücklich bin ich mit dem aktuellen Gesetzent- wurf noch nicht. Das fängt schon bei der Namensgebung an. Während die jährlichen notwendigen Anpassungen an das Steuerrecht in der Vergangenheit in den jeweili- gen Jahressteuergesetzen vorgenommen wurden, geschieht dies nunmehr zunehmend in Trägergesetzen, die nicht zwingend im Titel auf den steuerlichen Bezug, wie zum Beispiel im Kroatiengesetz, dem Zollkodex-Anpas- sungsgesetz oder wie in dem hier beratenen Protokoll- erklärungsumsetzungsgesetz hinweisen. Mit diesem Gesetz werden nun vorrangig Wünsche des Bundesrates umgesetzt. Wir geben damit auch ein Signal an die Länder, dass wir bereit sind, sinnvolle steu- erliche Anpassungswünsche des Bundesrates aufzugrei- fen. Dies ist jedoch keine Einbahnstraße, und ich appel- liere an den Bundesrat, bei anderen Gesetzgebungsvor- haben des Bundestages auch einzulenken und die immer wieder gefahrene Blockadepolitik aufzuheben. Ich denke dabei insbesondere an zwei wichtige Ge- setzgebungsverfahren – steuerliche Absetzbarkeit der energetischen Sanierung und Abbau der kalten Progres- sion – der letzten Legislaturperiode, die aufgrund der Blockade des von Rot-Grün dominierten Bundesrates scheiterten. Auch wenn der vorliegende Gesetzentwurf überwie- gend unproblematische Maßnahmen enthält, bedürfen einige Regelungen bei den zukünftigen Beratungen be- sonderer Aufmerksamkeit. Klärungsbedarf gibt es für uns beispielsweise bei der geplanten Schließung von Lücken im Umwandlungs- steuergesetz, explizit beim § 20 Absatz 2 UmwStG. Wir halten die vorgesehene Änderung des UmwStG nicht für zwingend erforderlich, da eine systemwidrige Lücke – die geschlossen werden muss – überhaupt nicht vorliegt. Nun ist die Änderung im Koalitionsvertrag ver- einbart, wir sollten aber nochmals prüfen, ob tatsächlich ein reales Bedürfnis hierfür besteht. Gerade bei diesem Thema bin ich auf eine Anhörung der Sachverständigen gespannt, zumal die Maßnahme allein aufgrund eines prominenten Einzelfalls Einzug in die politische Diskussion und die vermeintliche Notwen- digkeit einer Lückenschließung gefunden hat. Weiterhin werden wir über eine Anhörung und die Beratungen klären müssen, ob wir mit der vermeintli- chen Lückenschließung gestaltende steuerfreie Umstruk- turierungen tatsächlich verhindern können. In den zukünftigen Beratungen ist von uns ebenfalls zu klären, ob die vorgesehene Mittelstandskomponente ausreichend für Umstrukturierungen im Mittelstand ist. Bedeutend ist unter Steuervereinfachungsaspekten auch der Wegfall des Funktionsbenennungserfordernis- ses. Wir von der Union setzen uns seit Jahren für Steuer- vereinfachung und Entbürokratisierung ein. Wir wollen mit dieser Regelung bei den Unternehmen Anwendungs- unsicherheiten nehmen und gegebenenfalls Erleichterun- gen bei der Finanzierung zukünftiger Anschaffungen er- reichen. Leider haben sich die Länder zu dieser Steuerverein- fachung bereits negativ geäußert. Das Gesetzgebungsverfahren steht jedoch noch ganz am Anfang, und auch die Länder haben in ihrer Stellung- nahme weitere 27 Maßnahmen gefordert, die überwie- gend auch schon im Zollkodex-Anpassungsgesetz gefor- dert und bereits geprüft wurden. Es gibt daher zwischen allen Beteiligten noch genügend Gesprächsbedarf. Der Gesetzentwurf ist deshalb in den Finanzaus- schuss zu überweisen. Ich freue mich dort auf eine aufschlussreiche Sach- verständigenanhörung und auf eine erfolgreiche Bera- tung. Dr. Jens Zimmermann (SPD): Wir beraten heute in erster Lesung das Gesetz zur Umsetzung des Protokolls zum Gesetz zur Anpassung der Abgabenordnung an den Zollkodex der Union und zur Änderung weiterer steuer- licher Vorschriften. Der Name des Gesetzentwurfes sagt es schon: Viele der im vorliegenden Gesetzentwurf for- mulierten Maßnahmen enthielt schon das Zollkodex-An- passungsgesetz, das Jahressteuergesetz 2015. Mit vorlie- gendem Gesetzentwurf wird die Protokollerklärung der Bundesregierung zum Zollkodex-Anpassungsgesetz um- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 106. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 21. Mai 2015 10225 (A) (C) (D)(B) gesetzt und viele der Länderanträge aus diesem Verfah- ren nach Prüfung durch die Bundesregierung in einem eigenen Steuergesetz aufgegriffen. Wie im Jahresssteuergesetz 2015 finden sich auch in diesem Vorschlag wieder eine Reihe an redaktionellen Änderungsvorschlägen durch das deutsche Steuerrecht hindurch, die politisch unstrittig sind. Es ist deshalb nicht nötig, auf jeden einzelnen Änderungsvorschlag einzugehen. Auch die unstrittigen Änderungen sind al- lerdings wichtig, um den Finanzbehörden in den Län- dern ihre Arbeit zu erleichtern. Auch wenn das Protokollumsetzungsgesetz einen nicht ganz so umfangreichen Maßnahmenkatalog enthält wie das Zollkodex-Anpassungsgesetz: Hier gibt es eben- falls wieder einige wichtige inhaltliche Punkte, über die wir im Gesetzgebungsverfahren sicherlich intensiv mit unserem Koalitionspartner, mit den Ländern und mit den Sachverständigen diskutieren werden. Einige dieser Punkte möchte ich kurz ansprechen. Bereits in den Verhandlungen zum Kroatien-Anpas- sungsgesetz und zum Zollkodex-Anpassungsgesetz ha- ben wir als SPD-Bundestagsfraktion gezeigt, dass wir es ernst meinen damit, den Missbrauch des Steuerrechts zu verhindern und der Ausnutzung von Regelungslücken im deutschen Steuerrecht einen Riegel vorzuschieben. Steuersparmodelle, mit denen jeder ehrliche Steuerzah- ler verhöhnt wird, können und wollen wir nicht länger tolerieren. Deshalb werden auch in diesem Gesetzge- bungsverfahren die vorgeschlagenen Änderungen zur Schließung von Lücken im Umwandlungssteuerrecht für uns als SPD-Bundestagfraktion eine wichtige Rolle spie- len. Der im Jahre 2012 abgelaufene „Porsche-Deal“ kann als Musterbeispiel für solche Steuervermeidungsmodelle gelten. Im Jahre 2012 hat Volkswagen den Automobil- hersteller Porsche übernommen, und zwar dadurch, dass VW eine einzelne Stammaktie auf die Porsche Holding SE übertragen hat. Das Finanzamt Stuttgart hat den Erwerb nicht als Kauf bewertet, bei dem die üblichen Steuern angefallen wären. Stattdessen wurde dies als Umstrukturierung nach dem Umwandlungssteuergesetz eingestuft. Dies hatte eine Steuerbefreiung zur Folge. Auch wenn diese Gestaltung nach geltendem Recht legal war: Gewünscht ist sie nicht. Denn bei dieser ge- zielten Steuervermeidung sind dem Staat 1,5 Milliarden Euro vorenthalten worden. Wir müssen solche Fälle zu- künftig vermeiden. In den Berichterstattergesprächen zum Zollkodex- Anpassungsgesetz konnten wir uns mit unserem Koali- tionspartner bereits auf konkrete Eckwerte für eine Neu- regelung bei Einbringungen nach dem Umwandlungs- steuerrecht einigen. Der jetzige Vorschlag sieht vor, dass die Gegenleistungen bei Einbringungen auf 25 Prozent oder 300 000 Euro des Buchwerts des eingebrachten Be- triebsvermögens begrenzt werden sollen. Ich erwarte, dass es bei diesem Punkt nur noch um Detailfragen gehen wird. Auch unser Koalitionspartner sollte ein großes Interesse daran haben, dass ein An- teilstausch wie im Falle des VW-Porsche-Deals nicht mehr systemwidrig steuerfrei gestaltet werden kann. Ich freue mich in dieser Frage auf konstruktive Verhandlun- gen. Denn Bund und Länder können hier gemeinsam ein wichtiges Zeichen gegen Steuervermeidung und Steuer- hinterziehung setzen. Hier gilt unverändert die Devise: Je früher, desto besser. Dieser Grundsatz gilt auch für andere gesetzgeberi- sche Schritte gegen Steuertricks: Im Gesetzgebungsver- fahren zum Zollkodex-Anpassungsgesetz haben sich die Regierungskoalitionen gemeinsam mit den Ländern da- rauf geeinigt, eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe einzu- richten, die konkrete Vorschläge für einen Gesetzentwurf zur Umsetzung des BEPS-Maßnahmenpaketes der OECD erarbeitet. Wir begrüßen die Einrichtung der Arbeits- gruppe ausdrücklich. Wir teilen aber auch die kritischen Hinweise der Län- der in ihren Empfehlungen zu dem vorliegenden Gesetz- entwurf. Denn bisher hat die Bund-Länder-Arbeits- gruppe schlicht nicht oft genug getagt, um eine Vorlage für einen Gesetzentwurf auszuarbeiten. In der Protokoll- erklärung zum Zollkodex-Anpassungsgesetz ist aber festgehalten, dass die Arbeitsgruppe zeitnah einen Vor- schlag vorlegt. Das war eine der Bedingungen für die SPD-Bundestagfraktion und die SPD-geführten Länder, auf eine Regelung gegen hybride Finanzierungen im Steuerrecht im Verfahren zum Zollkodex-Anpassungs- gesetz zu verzichten. Jetzt muss die Arbeitsgruppe auch liefern. Und das funktioniert nur, wenn diese regelmäßig tagt. Sicherlich intensiv diskutieren werden wir innerhalb der Regierungskoalition über eine Maßnahme im Ge- setzentwurf, die die Abschaffung des Investitionsbenen- nungserfordernisses beim Investitionsabzugsbetrag – ge- regelt im § 7 g im Einkommensteuergesetz – vorsieht. Bisher war es für den Abzugsbetrag notwendig, dass die Funktion des begünstigenden Wirtschaftsgutes ange- geben werden musste. Auf diese Angabe soll nunmehr verzichtet werden. Das hätte zur Folge, dass der Steuer- pflichtige zukünftig ohne weitere Angaben Abzugsbe- träge für künftige Investitionen bis zu einem unveränder- ten Höchstbetrag von 200 000 Euro gewinnmindernd abziehen könnte. Auch wenn sich an den sonstigen Regelungen zum Investitionsabzugsbetrag nichts ändert: Es gibt gute Gründe dafür, die in der Gesetzesbegründung angegebe- nen steuerlichen Mindereinnahmen von 40 Millionen Euro jährlich anzuzweifeln. Dass die Angabe der Inves- titionsabsicht wegfällt, birgt die Gefahr, dass Investi- tionsabzugsbeträge missbräuchlich in Anspruch genom- men werden, um beispielsweise Steuerzahlungen um bis zu drei Jahre hinauszuzögern. Wir teilen hier deshalb die Bedenken der Länder. Bei der Anwendung der 44-Euro-Freigrenze für Sach- bezüge wird es auch weiterhin bei der bisherigen Praxis bleiben. Der Bundesrat schlägt hier erneut – wie im Ver- fahren zum Zollkodex-Anpassungsgesetz – vor, die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes bei der Abgren- zung von Sachbezügen und Geldleistungen einzuschrän- 10226 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 106. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 21. Mai 2015 (A) (C) (D)(B) ken. Dieser hat mit einigen Urteilen Gutscheine, die dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber gestellt werden, den Sachbezügen zugeordnet. Damit sind diese Leistungen bis 44 Euro monatlich für den Arbeitnehmer steuerfrei. Viele Beschäftigte freuen sich über diese kleine finan- zielle Entlastung. Diese Steuerfreiheit wieder abzuschaf- fen, würde Arbeitnehmer unnötig belasten. Hier teilen wir die Einschätzung der Bunderegierung uneingeschränkt. Diesen Antrag des Bundesrates werden wir deshalb er- neut ablehnen. Ich bin zuversichtlich, dass wir am Ende der Verhand- lungen zu einer guten Lösung kommen werden. Richard Pitterle (DIE LINKE): Hinter diesem „Ent- wurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Protokollerklä- rung zum Gesetz zur Anpassung der Abgabenordnung an den Zollkodex der Union und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften“ verbirgt sich ein weiteres Jah- ressteuergesetz. Leider scheut sich die Bundesregierung mal wieder, das Kind dann auch beim Namen zu nennen und wählt stattdessen diesen umständlichen Namen. Aber auch das lenkt nicht davon ab, dass die Steuerpoli- tik der Großen Koalition ein einziges Chaos ist. Meine Damen und Herren von der Bundesregierung, Sie schleppen sich von Jahressteuergesetz zu Jahressteuer- gesetz, ohne dass Sie nennenswert vorankämen – das ist eine Flickschusterei sondergleichen! Diese Flickschusterei geht zudem zum Teil auf einen traurigen Zweikampf zwischen Bundestag und Bundes- rat zurück. Mit seinem Entwurf eines Steuervereinfa- chungsgesetzes hat der Bundesrat bereits 2013 verschie- dene Vorschläge in den Bundestag eingebracht. Doch die Große Koalition im Bundestag hat sich bisher sehr schwergetan, angemessen darauf einzugehen, und auch dieser Gesetzentwurf ist da ein eher halbherziger Ver- such. Zu Recht hat sich der Bundesrat beschwert, dass seine Vorlage in verfassungsrechtlich fragwürdiger Weise einfach ignoriert wurde. Denn nach Artikel 76 des Grundgesetzes hat der Bundestag über Vorlagen in ange- messener Frist zu beraten und Beschluss zu fassen. An dieser Stelle möchte ich Ihnen, meine Damen und Her- ren von Union und SPD, raten, vielleicht etwas öfter ei- nen Blick ins Grundgesetz zu werfen; Sie scheinen da stets ein wenig unsicher zu sein, wenn es um dessen Ein- haltung geht. Von diesem chaotischen Verfahrensgang einmal abge- sehen, erscheint Ihr Gesetzentwurf, meine Damen und Herren von der Bundesregierung, bislang auch inhaltlich wenig überzeugend. Auffallend ist vor allem, dass Sie Maßnahmen gegen Steuerumgehung mal wieder ver- schieben, anstatt hier endlich Handfestes zu liefern. Zum Beispiel versäumen Sie es, sich endlich der Neutralisie- rung der Effekte hybrider Gestaltungen anzunehmen und ermöglichen es grenzüberschreitend tätigen Unterneh- men, auf diese Weise weiterhin eine doppelte Nichtbe- steuerung oder einen doppelten Betriebsausgabenabzug zu erreichen. Stattdessen errichten Sie zu diesem Thema erst mal eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe, die bisher noch keine nennenswerten Ergebnisse hervorgebracht hat. Auch die Steuerpflicht für Veräußerungsgewinne aus Streubesitzanteilen haben Sie auf die lange Bank ge- schoben, obwohl hier ein bekanntes Steuerschlupfloch besteht. Ob Sie Ihre Ankündigung, dies dann in der Re- form des Investmentsteuergesetzes anzugehen, auch wahrmachen, bleibt noch abzuwarten. An dieser Stelle müssen Sie sich mal wieder fragen lassen, meine Damen und Herren von der Bundesregie- rung, für wen Sie eigentlich Politik machen in diesem Land? Für die vielen ehrlichen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler oder für grenzüberschreitend tätige Kon- zerne, denen Sie weiterhin Zeit geben, um weiter auf Kosten der Allgemeinheit Kasse zu machen. Damit ist die Liste Ihrer Versäumnisse leider noch nicht am Ende. Auch um eine Befassung mit der vom Bundesrat wiederholt angemahnten Erhöhung des Ar- beitnehmer-Pauschbetrages und der Pauschbeträge für behinderte Menschen haben Sie sich gedrückt. Meine Damen und Herren von der Großen Koalition, bei den Beratungen haben Sie die Gelegenheit, meine Kritik durch Taten zu widerlegen. Daher bin ich auf die kommenden Beratungen bereits gespannt. Dr. Thomas Gambke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Hinter dem Namen Zollkodex-Anpassungsgesetz verbirgt sich das Jahressteuergesetz der Bundesregie- rung aus dem letzten Jahr, in dem verschiedene steuerli- che Änderungen vorgenommen wurden. Dieses Gesetz hat mal wieder bestätigt, dass die Bundesregierung steu- erpolitisch keinerlei Ambitionen hat. Dabei sind eine Reihe von wichtigen Themen längst überfällig, auf die wir auch in unserem Entschließungsantrag hingewiesen hatten: zum Beispiel bei der Umsatzsteuer die unsinni- gen Branchensubventionen abzuschaffen oder bei den Unternehmensteuern die Bevorzugung großer Konzerne zulasten der kleinen und mittleren Unternehmen zu be- seitigen. Es ist schon bemerkenswert, wie untätig der Fi- nanzminister sich hier gibt. Auch die Bundesländer sahen zu Recht viele ihrer wichtigen Anliegen, insbesondere zur Bekämpfung von Steuergestaltung, nicht berücksichtigt und wollten daher den Vermittlungsausschuss anrufen. Dazu kam es aber nicht. Anstelle von zeitgerechten und wichtigen Korrek- turen einigte man sich nach langem Hin und Her darauf, dass die Bundesregierung in einer Protokollerklärung versprach, noch offene und zu prüfende Ländervor- schläge Anfang 2015 in einem Steuergesetz aufzugrei- fen. Über dieses Projekt diskutieren wir heute. Es heißt „Gesetz zur Umsetzung der Protokollerklärung zum Ge- setz zur Anpassung der Abgabenordnung an den Zollko- dex der Union und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften“ – man muss sich dieses Wortungetüm ein- mal auf der Zunge zergehen lassen. Die zentrale Bot- schaft dieser Überschrift ist: Nur etwas für Spezialisten, nichts für den normalen Bürger. Wir Grünen erwarten jetzt, dass die Bundesregierung den Kampf gegen Steuergestaltung nicht länger ver- schleppt, sondern gute Vorschläge vorlegt. Aber ist dies der Fall? Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 106. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 21. Mai 2015 10227 (A) (C) (D)(B) Die Gestaltungsmöglichkeiten im Umwandlungssteu- errecht werden mit diesem Gesetz eingeschränkt. Dies begrüßen wir; damit ist eine unserer Forderungen umge- setzt worden. Ein zweiter wichtiger offener Punkt war, hybride Ge- staltungen endlich zu besteuern. Auch hierauf haben wir in unserem Entschließungsantrag Ende letzten Jahres hingewiesen. Aktuell werden diese Finanzinstrumente vielfach nicht besteuert, weil die Steuersysteme der ein- zelnen Länder sehr unterschiedlich sind. So ist zum Bei- spiel in einem Land eine Zinszahlung eine abziehbare Betriebsausgabe und in dem anderen Land wird diese als Dividendenertrag freigestellt. Diese Unterschiede bei der Qualifizierung bestimmter Zahlungen sind seit vie- len Jahren bekannt. Die Lösung ist, sogenannte Korres- pondenzregelungen einzuführen, das heißt die unter- schiedlichen Regelungen der Länder zu verzahnen. Hierzu hat die OECD im Rahmen des BEPS-Projektes Vorschläge gemacht. Das würde bedeuten, den Betriebs- ausgabenabzug von Zahlungen ins Ausland zu versagen, wenn diese Zahlung beim Empfänger steuerfrei gestellt ist. So wird verhindert, dass Unternehmen in keinem der beiden Länder Steuern zahlen. Die Bundesregierung hatte in ihrer Protokollerklä- rung versprochen, Anfang 2015 eine Bund-Länder-Ar- beitsgruppe ins Leben zu rufen. Wenn wir hier etwas misstrauisch sind, dann aus gutem Grund: In den Bund- Länder-Arbeitsgruppen wurde in der Vergangenheit der politische Prozess nicht unbedingt beschleunigt, zudem war die Arbeitsweise oft intransparent. Es verstreichen Wochen und Monate – und das Ziel gerät aus dem Blick- feld. Dies scheint auch hier wieder die Taktik zu sein. Die Arbeitsgruppe wurde zwar einberufen, tagte allerdings erst ein Mal, und zwar am 16. Januar – ohne irgendwel- che inhaltlichen Ergebnisse zu erzielen. Zeitnah sollte ein Gesetzentwurf erarbeitet werden – dieser liegt bisher nicht vor. Das ist ein untragbarer Zustand und ein wei- teres Indiz dafür, dass diese Bundesregierung und ins- besondere Bundesfinanzminister Schäuble bei der Ein- dämmung von Steuergestaltung und Steuervermeidung keineswegs eine Vorreiterrolle einnimmt, sondern im ab- soluten Schneckentempo dahinschleicht. Wir fordern die Bundesregierung auf, das Thema Ein- dämmung von Steuergestaltung endlich anzugehen und Korrespondenzregelungen zur Vermeidung von hybriden Gestaltungen nun zeitnah umzusetzen, um weitere Steu- erausfälle zu verhindern, und diese Maßnahmen nicht wieder zu verschleppen. Der Bundesrat hat in das vorliegende Gesetz in seiner Stellungnahme sein Steuervereinfachungspaket von 2013 eingebracht. Dieses wurde bisher nicht im Bundestag parlamentarisch beraten. Es enthält einige begrüßens- werte Vorschläge. Herausgreifen möchte ich dabei heute die Nachbesse- rungen bei der Gewerbesteuerzerlegung bei Erneuer- bare-Energien-Anlagen. Hier geht es darum, die Stand- ortgemeinden von Wind- oder Sonnenenergieanlagen angemessen an der Gewerbesteuer des Betreibers zu beteiligen. Es zeigte sich, dass die Regelungen der Ge- werbesteuerzerlegung nicht sachgerecht sind und die Zielsetzung einer angemessenen Beteiligung der Stand- ortkommunen am Steueraufkommen mit der bisherigen Regelung nicht erreicht wird. Die Bundesländer schla- gen deshalb vor, statt des Buchwertes des Sachanlage- vermögens künftig die installierte Leistung als Maßstab zu nehmen. Dies soll zu einer gerechteren Verteilung des Steueraufkommens zwischen den Gemeinden führen. Wir halten das für einen guten Ansatz, der aber im weiteren Verlauf der Beratungen noch einmal sorgfältig geprüft werden muss. Wir sollten uns bei diesem wichti- gen Detail, das zu einer höheren Akzeptanz der Kommu- nen in Hinblick auf die Belastungen durch den Betrieb von Erneuerbare-Energie-Erzeugung führen soll, wirk- lich vergewissern, dass die vom Bundesrat vorgeschla- gene Regelung sachgerecht ist. Wenn wir uns die Unsi- cherheit anschauen, die die CSU bei den Kommunen mit ihrem unsäglichen Zirkus um Trassen und die Abstands- regelung bei Windrädern – Stichwort 10 Horst – entfacht hat, so ist hier Sorgfalt und Augenmaß gefragt. Wir Grünen werden bei dem vorliegenden Gesetz sorgfältig darauf achten, dass längst überfällige Maßnah- men zur Verhinderung von Steuergestaltung auch auf na- tionaler Ebene umgesetzt werden. Darum wird es in den anstehenden Beratungen zu diesem Gesetz gehen. Dr. Michael Meister, Parl. Staatssekretär beim Bun- desminister der Finanzen: Mit dem vorliegenden Ge- setzentwurf soll die Protokollerklärung der Bundesregie- rung vom 19. Dezember 2014 gegenüber dem Bundesrat zum Zollkodex-Anpassungsgesetz umgesetzt werden. Der Gesetzentwurf enthält insbesondere Maßnahmen, die der Bundesrat bereits im Rahmen des Zollkodex-An- passungsgesetzes vorgeschlagen hatte, deren fachliche Prüfung zum Abschluss des damaligen Gesetzgebungs- verfahrens noch andauerte. Nachdem die von der Bun- desregierung zugesagte Prüfung nunmehr abgeschlossen ist, werden diese Maßnahmen – wie in der Protokoll- erklärung angekündigt – jetzt umgesetzt. Dies betrifft unter anderem folgende Maßnahmen: Erstens. Schließung von Lücken im Umwandlungs- steuergesetz (§ 20 Absatz 2, § 21 Absatz 1, § 24 Absatz 2 und § 27 Absatz 11 UmwStG): Das Umwandlungssteu- ergesetz verfolgt den Zweck, betriebswirtschaftlich sinn- volle Umstrukturierungen nicht durch steuerliche Folgen zu behindern. In einzelnen Punkten ist das Umwand- lungssteuergesetz aber nicht folgerichtig ausgestaltet. Es hat sich gezeigt, dass die daraus resultierenden Gesetzes- lücken gezielt für Steuergestaltungen ausgenutzt werden. Vor diesem Hintergrund hatten wir in unserem Koali- tionsvertrag vereinbart, zu prüfen, wie verhindert werden kann, dass im Umwandlungssteuerrecht Anteilstausch und Umwandlungen mit finanziellen Gegenleistungen systemwidrig steuerfrei gestaltet werden können. Mit der Änderung des Umwandlungssteuergesetzes wird die bisherige Möglichkeit, sonstige Gegenleistun- gen in Höhe des Buchwerts des eingebrachten Wirt- schaftsguts erbringen zu können, ohne die Steuerneutra- 10228 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 106. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 21. Mai 2015 (A) (C) lität der Einbringung zu gefährden, eingeschränkt. Dabei wird die Zuzahlungsmöglichkeit auf 25 Prozent des Buchwerts des eingebrachten Betriebsvermögens oder auf maximal 300 000 Euro begrenzt. Die Änderungen greifen ein Petitum des Bundesrates zum Entwurf des Gesetzes zur Anpassung der Abgaben- ordnung an den Zollkodex der Union und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften auf und setzen einen Vorschlag um, den eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe er- arbeitet hat. Zweitens. Verlustabzugsbeschränkung bei Körper- schaften; Ausdehnung der Konzernklausel (§ 8 c Ab- satz 1 Satz 5 KStG): Mit der Neuregelung wird die Konzernklausel – das heißt die Ausnahme von der Ver- lustverrechnungsbeschränkung – unter anderem auf Fall- konstellationen ausgedehnt, in denen die Konzernspitze Erwerber oder Veräußerer ist. Außerdem wird generell auch eine Personenhandelsgesellschaft als Konzern- spitze zugelassen. Die Änderung entspricht der bereits bei Einführung der Ausnahmeregelung bestehenden ge- setzgeberischen Intention, Verlustvorträge bei konzern- internen Umstrukturierungsmaßnahmen zu erhalten. Drittens. Grunderwerbsteuer bei Änderungen im Ge- sellschafterbestand (§ 1 Absatz 2 a Satz 2 bis 4 GrEStG): Die Regelung präzisiert den für die Tatbestandserfüllung der Grunderwerbsteuer notwendigen Umfang einer mit- telbaren Änderung der Beteiligungsverhältnisse. Die Änderung des § 1 Absatz 2 a GrEStG erfolgt zur Schlie- ßung der bestehenden Regelungslücke und zur Anpas- Offsetdruc Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Te sung an die BFH-Rechtsprechung. Damit wird die für den Rechtsanwender dringend erforderliche Rechts- sicherheit geschaffen. In begrenztem Umfang werden außerdem auch Rege- lungen umgesetzt, die nicht bereits Gegenstand der Be- ratungen zum Zollkodex-Anpassungsgesetz waren. Dies betrifft beispielsweise die Abschaffung des Funktionsbe- nennungserfordernisses beim Investitionsabzugsbetrag (§ 7 g EStG): Investitionsabzugsbeträge nach § 7 g EStG ermöglichen die Vorverlagerung von Abschreibungsvo- lumen in ein Wirtschaftsjahr vor Anschaffung oder Her- stellung eines begünstigten Wirtschaftsgutes. Durch die vorgesehene Neuregelung ist es künftig nicht mehr erforderlich, dass bei der Anwendung des § 7 g EStG das Wirtschaftsgut, für das der Abzugsbetrag in Anspruch genommen werden soll, seiner Funktion nach zu benennen ist. Kurz: Das Funktionsbenennungs- erfordernis beim Investitionsabzugsbetrag wird abge- schafft. Dadurch wird die Wettbewerbssituation kleiner und mittlerer Betriebe verbessert, deren Liquidität und Eigenkapitalbildung unterstützt und die Investitions- und Innovationskraft gestärkt. Insgesamt wird die Anwendung der Vorschrift verein- facht: Dies wird daran deutlich, dass sich der Erfüllungs- aufwand für die Wirtschaft durch die Abschaffung des Funktionsbenennungserfordernisses um jährlich rund 162 000 Euro verringert. Ich möchte Sie daher ganz herzlich um Unterstützung dieses Gesetzentwurfs bitten. (B) (D) kerei, Bessemerstraße 83–91, 1 lefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de 22 106. Sitzung Inhaltsverzeichnis TOP 4 Eidesleistung des Wehrbeauftragten TOP 5 Regierungserklärung zu Gipfeln Östliche Partnerschaft, G7- sowie EU-CELAC TOP 6 Leiharbeit und Werkverträge TOP 7 Berufliche und akademische Bildung TOP 33, ZP 2 Überweisungen im vereinfachten Verfahren TOP 34, ZP 3 Abschließende Beratungen ohne Aussprache ZP 4 Aktuelle Stunde zur Freigabe der NSA-Selektoren-Liste TOP 8 Nachtragshaushalt und Unterstützung von Kommunen TOP 9 Studienförderung und Studienfinanzierung TOP 10, ZP 5 Europäischer Fonds für strategische Investitionen TOP 11 Finanzierung der Beseitigung von Rüstungsaltlasten TOP 12 Bundeswehreinsatz Operation Atalanta TOP 13 Rückführung von Wertstoffen in den Abfallkreislauf TOP 14 Bundeswehreinsatz UNMIL in Liberia TOP 15 Menschenrechte in Mexiko TOP 16, ZP 6 Erneuerbare-Energien-Gesetz TOP 17 Völkermord an den Rohingya TOP 18 Änderung soldatenrechtlicher Vorschriften TOP 19 Internationales Staateninsolvenzverfahren TOP 20 Entsorgung von Elektrogeräten TOP 22 Vernachlässigte armutsassoziierte Erkrankungen TOP 23 Bundesverfassungsgerichtsgesetz TOP 24 Gesetz zum Internationalen Erbrecht TOP 25 Anpassung der Abgabenordnung an den EU-Zollkodex Anlagen
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Gabriele Katzmarek


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)


    Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten

    Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
    Berufliche Bildung made in Germany ist ein Markenzei-
    chen und ein Erfolgsfaktor der Wirtschaft. Sie ist Garant
    für gut ausgebildete Facharbeiter und Facharbeiterinnen
    und für Akademiker und Akademikerinnen. Deutschland
    hat – und manchmal scheint man, wenn man die Reden
    heute hier gehört hat, zu glauben oder es vergessen zu
    haben – die geringste Jugendarbeitslosigkeit in der EU.
    Mehr als 520 000 Ausbildungsverträge wurden 2014 ab-
    geschlossen.


    (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


    Ich denke, es ist richtig, dies zu erwähnen.

    Ja, richtig ist auch – das müssen wir ebenfalls erwäh-
    nen; wir müssen darüber nachdenken, wie wir hier wei-





    Gabriele Katzmarek


    (A) (C)



    (D)(B)

    ter vorgehen wollen –, dass 20 000 Jugendliche – dies
    konnten wir dem Bericht entnehmen – unversorgt sind.
    50 000 Jugendliche verlassen Jahr für Jahr die Schule
    ohne Schulabschluss. 1,3 Millionen junge Menschen
    zwischen 20 und 29 Jahren haben keine abgeschlossene
    Berufsausbildung; auch das ist richtig. Das verheimli-
    chen wir nicht. Das ist erkennbar und ist dem Berufsbil-
    dungsbericht zu entnehmen. Das ist der Iststand.

    Meine Damen und Herren, und wir stehen heute hier
    und das nicht nur heute, sondern wir haben dazu schon
    verschiedene Beschlüsse gefasst und Maßnahmen verab-
    redet, die dazu dienen, dies zu verändern im Interesse
    der jungen Menschen, um ihnen eine Perspektive für ihr
    weiteres Leben zu geben, und um dem Fachkräfteman-
    gel entgegenzuwirken.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Denn die Zukunft des Wirtschaftsstandortes Deutsch-
    land wird entscheidend davon abhängen, inwieweit es
    uns gerade auch vor dem Hintergrund des demografi-
    schen Wandels gelingt, Bildung, Weiterbildung und
    Qualifikation der Fachkräfte zu sichern und auszubauen.


    (Dr. Karamba Diaby [SPD]: Richtig!)


    Wir müssen uns mit den Folgen des dramatischen Ge-
    burtenrückgangs auseinandersetzen; denn entsprechend
    wird das Fachkräfteangebot zurückgehen. Wenn wir
    nicht rechtzeitig und entschieden reagieren, werden
    Wachstumseinbußen unvermeidbar sein. Aber wir sind
    in der Lage, diesem Trend entgegenzusteuern.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Im ersten Schritt müssen wir die vorhandenen Potenziale
    besser nutzen, die wir im Inland haben. Aber klar ist
    auch: Alleine aus dem eigenen Arbeitsmarkt heraus wer-
    den wir die Folgen des demografischen Wandels nicht
    abfedern. Wir müssen uns dazu bekennen, ein Einwan-
    derungsland zu sein, nicht nur rhetorisch, sondern durch
    die Schaffung eines modernen Einwanderungsrechts.


    (Beifall bei der SPD)


    Wir reden heute über Gleichwertigkeit und Durchläs-
    sigkeit der beruflichen und der akademischen Bildung
    sowie über den Berufsbildungsbericht der Bundesregie-
    rung. Wie die im Berufsbildungsbericht dargelegten
    Zahlen zeigen – Frau Pothmer, da haben Sie recht –, sind
    weitere Anstrengungen notwendig. Unser Ziel ist und
    bleibt, keinen Jugendlichen nach der Schule zurückzu-
    lassen. Aber Sie müssen auch zur Kenntnis nehmen, dass
    wir, seitdem wir in der Regierung sind, verschiedenste
    Maßnahmen auf den Weg gebracht haben und heute
    nicht zum ersten Mal darüber reden. Ein Teil der Maß-
    nahmen wurde schon genannt. Da Sie aber noch immer
    mäkeln, dass es nicht genug ist, will ich sie gerne noch
    einmal erwähnen – vielleicht merken Sie sich das dann –:
    20. Mai 2014, was haben wir dort gemacht? Das
    Modellprojekt „Jobstarter plus“, dann das Programm
    „Aufstieg durch Bildung“, die Initiative „Abschluss und
    Anschluss“, Ausbau der Berufsorientierung und am
    26. Januar dieses Jahres die assistierte Ausbildung sowie
    die Ausweitung der ausbildungsbegleitenden Hilfen. –
    Dieses, meine Damen und Herren, muss man nun einmal
    zur Kenntnis nehmen, wenn man hier redet.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Unser Ziel wird es weiterhin bleiben – deshalb führen
    wir diese Maßnahmen ein –, keinen Jugendlichen zu-
    rückzulassen.


    (Dr. Rosemarie Hein [DIE LINKE]: Es geht aber nicht um Quantität, sondern um Qualität! – Gegenruf des Abg. Dr. Karamba Diaby [SPD])


    – Gut, wenn es Ihnen hilft, können Sie das gern ausdis-
    kutieren. Es ist nur ärgerlich, dass es dann, wenn ich
    Ihnen zuhören will, von meiner Redezeit abgeht. Des-
    halb verzeihen Sie es mir. – Aber ich will Ihnen gern
    noch einmal sagen, warum wir angetreten sind, was wir
    getan haben und was wir mit dem Antrag, der jetzt vor-
    liegt, machen: Wir stärken die duale Berufsausbildung.

    Meine sehr geehrten Damen und Herren, zum Schluss
    lassen Sie mich eines noch einmal ganz klar sagen: Wir
    stehen für akademische Bildung, wir stehen für die duale
    Bildung. Wir verschließen jedoch die Augen nicht, wir
    sehen die Herausforderungen und arbeiten an Lösungen.
    Wir haben dies in den letzten anderthalb Jahren mit vie-
    len, vielen Maßnahmen, die erwähnt worden sind, getan.
    Sie können gewiss sein, meine sehr geehrten Damen und
    Herren der Opposition, wir werden weiter daran arbei-
    ten. Denn unser Ziel ist es, junge Menschen in Ausbil-
    dung zu bringen, dem Fachkräftemangel aktiv entgegen-
    zutreten und dieses nicht aus den Augen zu verlieren.

    Herzlichen Dank.


    (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)




Rede von Ulla Schmidt
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

Vielen Dank. – Letzte Rednerin zu diesem Tagesord-

nungspunkt ist die Kollegin Uda Heller, CDU/CSU-
Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Uda Heller


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)


    Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

    Kollegen! Es ist schön, wiederholt zu einem Thema zu
    sprechen, das viele Bürger interessiert – ob jung, ob alt –
    und mit dem jeder seine eigenen Erfahrungen gemacht
    hat. Für uns gehört das zu den wichtigsten Aufgaben der
    nächsten Jahre: die Stärkung der beruflichen Bildung.

    Meine Damen und Herren von den Grünen, eigentlich
    hatte auch ich vor, einige Passagen in Ihrem Antrag zu
    loben, aber angesichts Ihrer Schwarz-Weiß-Malerei
    heute kann ich das leider nicht tun.


    (Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach!)


    Von den Linken hatte ich nichts anderes als Kritik erwar-
    tet. Aber ich denke, an der Qualität können wir ja ge-
    meinsam arbeiten.





    Uda Heller


    (A) (C)



    (D)(B)

    Fakt ist: Für mehr als 500 000 Jugendliche bedeutete
    im Jahr 2014 eine duale Ausbildung den Einstieg in eine
    qualifizierte berufliche Zukunft. Dennoch steht das deut-
    sche Bildungssystem – wie es viele schon gesagt haben –
    vor großen Herausforderungen, die wir natürlich nicht
    allein durch die Politik lösen können. Hier bedarf es der
    Zusammenarbeit aller Partner der beruflichen Bildung.

    Ich bin der Meinung, der Ausbildungsmarkt ist in ers-
    ter Linie ein regionaler Markt. Das bedeutet: Eine
    rechtskreisübergreifende Zusammenarbeit aller Partner
    vor Ort ist ganz entscheidend, besonders beim Übergang
    von der Schule zum Beruf.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


    Hier denke ich beispielsweise an die Jugendberufsagen-
    turen; auch die wurden schon erwähnt. In meinem
    Heimatkreis Mansfeld-Südharz konnte ich den Aufbau
    eines solchen Bildungsbüros mit unterstützen.

    Für einen fließenden Übergang bedarf es neben einer
    zentralen Anlaufstelle – das habe ich auch schon mehr-
    fach betont – einer frühen, gleichwertigen und praxis-
    nahen Berufs- und Studienorientierung. Diese sollte als
    Querschnittsthema in den Lehrplänen verankert werden.
    Gute Ansätze für eine systematische Berufsorientierung
    gibt das BMBF-Programm „Bildungsketten“.

    Ganz entscheidende Partner in der Berufsberatung
    sind nach wie vor die Eltern. Sie haben noch immer den
    größten Einfluss auf die Berufswahl unserer Jugendli-
    chen und sollten daher bei allen Berufsorientierungs-
    maßnahmen mitgenommen werden.

    Auch der Bund ist sich seiner Verantwortung mehr als
    bewusst. Mit einem 1,3 Milliarden Euro teuren Berufs-
    einstiegs- und Berufsberatungsprogramm wollen wir zu
    einer stärkeren betrieblichen Ausbildung beitragen. Es
    ist wichtig, die Chancen, die eine Ausbildung bietet, so-
    wie die sich daran anknüpfenden Aufstiegsperspektiven
    in der beruflichen Bildung deutlich zu machen.

    Gerade an Gymnasien gibt es in Sachen Berufsorien-
    tierung noch Nachholbedarf. Es ist wichtig, dass die
    Schüler gleichwertig über die Möglichkeiten einer aka-
    demischen und einer beruflichen Laufbahn beraten wer-
    den. Es kann nicht sein, dass sich Abiturienten aus reiner
    Unwissenheit über betriebliche Karrierechancen für ein
    Studium entscheiden, wobei dann jeder Vierte abbricht
    bzw. das Studienfach wechselt.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Weiterhin gehören qualitativ hochwertige Orientie-
    rungspraktika sowie eine Übersicht der regionalen An-
    gebote des Ausbildungsmarktes und ausreichend – ich
    betone: ausreichend – geschulte Ansprechpartner zu den
    entscheidenden Instrumenten der Berufsorientierung.

    Wie schon mehrfach erwähnt, sinkt die Zahl der Aus-
    bildungsbetriebe. Besonders kleinen Betrieben fehlt oft-
    mals die Ausbildereignung. In Halle wurde 2009 bei-
    spielsweise von Unternehmen eine Initiative zum
    vernetzten Engagement für gute Bildung und Ausbil-
    dung ins Leben gerufen. Hier werden Projekte initiiert,
    Lehrer weitergebildet sowie Messen, wie beispielsweise
    die MINT-Messe, organisiert. Die Kooperation zwischen
    Unternehmen und Schulen ist umso erfolgreicher, je
    praxisnäher sie angelegt und je offener ein Schulleiter
    für diese Zusammenarbeit ist.

    Dennoch können Betriebe die Ausbildungsplätze häu-
    fig nicht besetzen. Daher ist es wichtig, auch schwäche-
    ren Jugendlichen mit einem niedrigen oder sogar ohne
    Schulabschluss eine Chance zu geben.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


    Verschiedene Instrumente und Maßnahmen, wie bei-
    spielsweise die 10 000 assistierten Ausbildungsplätze
    oder die ausbildungsbegleitenden Hilfen, unterstützen
    die Unternehmen und die Jugendlichen auf diesem ge-
    meinsamen Weg.

    Seit Jahren steigt die Zahl der Ausbildungsplätze, bei
    denen ein Abitur vorausgesetzt wird. Auf zwei von drei
    Ausbildungsplätzen braucht sich ein Hauptschüler gar
    nicht erst zu bewerben; denn bei 62 Prozent aller Lehr-
    stellen wird mindestens ein Realschulabschluss erwartet.

    Eine weitere wichtige Zielgruppe sind Jugendliche
    mit Migrationshintergrund. Deutschland hat mit 7,4 Pro-
    zent die niedrigste Jugendarbeitslosigkeit innerhalb der
    Europäischen Union. Wir sind eine Industrienation, die
    durch ihren demografischen Wandel vor einem steigen-
    den Fachkräftemangel steht. Deshalb sollten wir mit ei-
    ner dualen Aus- und Weiterbildung allen Menschen, die
    es möchten – ich betone: die es möchten –, eine Chance
    geben. Der Kollege Brase und andere haben hier die
    Zahlen genannt. Insbesondere können wir so motivierten
    und leistungsbereiten Flüchtlingen aus akuten Krisenge-
    bieten eine neue Lebensperspektive bieten.

    Der jährlich erstellte Berufsbildungsbericht zeigt uns
    die Herausforderungen für die Zukunft auf. Er ist eine
    hilfreiche Arbeitsgrundlage für uns Bildungspolitiker,
    den die Bundesregierung in unserem Auftrag erstellt hat.
    Ich möchte als letzte Rednerin die Gelegenheit nutzen,
    mich für diese detaillierte Ausarbeitung auf knapp
    130 Seiten bei den Fachleuten recht herzlich zu bedan-
    ken.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


    Das gilt auch für unsere Ministerin. Sie hat auf diesen
    Bericht nicht mit Selbstzufriedenheit geschaut, sondern
    die künftigen Herausforderungen benannt. Dafür danke
    ich ihr ganz herzlich.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)