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    Plenarprotokoll 18/103 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 103. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 7. Mai 2015 I n h a l t : Erweiterung und Abwicklung der Tagesord- nung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9779 A Absetzung der Tagesordnungspunkte 19 b und 19 c . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9779 D Nachträgliche Ausschussüberweisung . . . . . . 9780 A Tagesordnungspunkt 3: a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Ge- setzes zur Änderung wasser- und na- turschutzrechtlicher Vorschriften zur Untersagung und zur Risikominimie- rung bei den Verfahren der Fracking- Technologie Drucksache 18/4713 . . . . . . . . . . . . . . . . . 9780 B b) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Ausdehnung der Bergschadens- haftung auf den Bohrlochbergbau und Kavernen Drucksache 18/4714 . . . . . . . . . . . . . . . . . 9780 B c) Antrag der Abgeordneten Hubertus Zdebel, Eva Bulling-Schröter, Caren Lay, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Verbot von Fracking in Deutschland Drucksache 18/4810 . . . . . . . . . . . . . . . . . 9780 B d) Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Wirtschaft und Energie zu dem Antrag der Abgeordneten Annalena Baerbock, Dr. Julia Verlinden, Oliver Krischer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Urteil des Bundesverfassungsgerichts ernst nehmen – Bundesberggesetz un- verzüglich reformieren Drucksachen 18/848, 18/1124 . . . . . . . . . 9780 C Dr. Barbara Hendricks, Bundesministerin BMUB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9780 D Hubertus Zdebel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 9782 C Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU) . . . . . . . . . 9784 B Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9786 B Olaf Lies, Minister (Niedersachsen) . . . . . . . 9787 D Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . . . . 9789 D Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 9791 A Marco Bülow (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 9792 A Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9792 D Dr. Julia Verlinden (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9793 D Dr. Matthias Miersch (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 9795 A Dr. Herlind Gundelach (CDU/CSU) . . . . . . . 9796 A Bernd Westphal (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9797 D Dr. Julia Verlinden (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9798 B Andreas Mattfeldt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 9799 B Frank Schwabe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9800 D Karsten Möring (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 9801 D Tagesordnungspunkt 4: Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD: 50 Jahre diplomatische Beziehungen Inhaltsverzeichnis II Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 103. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Mai 2015 zwischen Deutschland und Israel: Einge- denk der Vergangenheit die gemeinsame Zukunft gestalten Drucksache 18/4803 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9803 D in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 2: Antrag der Abgeordneten Omid Nouripour, Marieluise Beck (Bremen), Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der Frak- tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: 50 Jahre deutsch-israelische diplomatische Bezie- hungen – Einmaligkeit und Herausforde- rung Drucksache 18/4818 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9804 A Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9804 A Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 9805 D Volker Kauder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 9807 D Katrin Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9809 B Achim Post (Minden) (SPD) . . . . . . . . . . . . . 9810 D Gerda Hasselfeldt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 9812 A Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9813 C Kerstin Griese (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9814 D Philipp Mißfelder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 9816 C Dr. Johann Wadephul (CDU/CSU) . . . . . . . . . 9818 A Gitta Connemann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 9819 C Tagesordnungspunkt 5: Antrag der Abgeordneten Ulla Jelpke, Jan Korte, Sigrid Hupach, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Flüchtlinge willkommen heißen – Für einen grundle- genden Wandel in der Asylpolitik Drucksache 18/3839 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9820 C in Verbindung mit Tagesordnungspunkt 19: a) Antrag der Abgeordneten Luise Amtsberg, Ekin Deligöz, Britta Haßelmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Für eine faire fi- nanzielle Verantwortungsteilung bei der Aufnahme und Versorgung von Flücht- lingen Drucksache 18/4694 . . . . . . . . . . . . . . . . . 9820 C Ulla Jelpke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . 9820 D Andrea Lindholz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 9822 B Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9824 A Charles M. Huber (CDU/CSU) . . . . . . . . . 9824 D Dr. Lars Castellucci (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 9826 A Barbara Woltmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 9827 B Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9829 A Barbara Woltmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 9829 C Claudia Roth (Augsburg) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9829 D Matthias Schmidt (Berlin) (SPD) . . . . . . . . . . 9830 D Dagmar G. Wöhrl (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 9832 A Rüdiger Veit (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9833 D Tagesordnungspunkt 23: a) Antrag der Abgeordneten Annette Groth, Inge Höger, Azize Tank, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion DIE LINKE sowie der Abgeordneten Tom Koenigs, Omid Nouripour, Dr. Wolfgang Strengmann- Kuhn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Doppelstandards beenden – Fakultativ- protokoll zum UN-Sozialpakt zeichnen und ratifizieren Drucksache 18/4332 . . . . . . . . . . . . . . . . . 9835 B b) Antrag der Abgeordneten Annette Groth, Inge Höger, Wolfgang Gehrcke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Freiheit für Mumia Abu-Jamal Drucksache 18/4722 . . . . . . . . . . . . . . . . . 9835 C Zusatztagesordnungspunkt 3: Erste Beratung des von den Abgeordneten Annette Groth, Inge Höger, Wolfgang Gehrcke, weiteren Abgeordneten und der Fraktion DIE LINKE sowie den Abgeordne- ten Tom Koenigs, Annalena Baerbock, Marieluise Beck (Bremen), weiteren Abge- ordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Ge- setzes über die Rechtsstellung und Aufga- ben des Deutschen Instituts für Menschen- rechte (DIMRG) Drucksache 18/4798 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9835 C Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 103. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Mai 2015 III Tagesordnungspunkt 24: a) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr und digitale In- frastruktur zu dem Antrag der Abgeordne- ten Matthias Gastel, Sven-Christian Kindler, Dr. Valerie Wilms, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung zur Erhal- tung der Schienenwege jetzt neu ver- handeln Drucksachen 18/3153, 18/3938 . . . . . . . . . 9835 D b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Tourismus zu dem Antrag der Abgeordneten Daniela Ludwig, Barbara Lanzinger, Klaus Brähmig, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion der CDU/ CSU sowie der Abgeordneten Gabriele Hiller-Ohm, Hiltrud Lotze, Burkhard Blienert, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Kulturtourismus in den Regionen weiterentwickeln Drucksachen 18/3914, 18/4731 . . . . . . . . . 9836 A c)–g) Beratung der Beschlussempfehlungen des Petitionsausschusses: Sammelübersich- ten 176, 177, 178, 179 und 180 zu Peti- tionen Drucksachen 18/4696, 18/4697, 18/4698, 18/4699, 18/4700 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9836 B Tagesordnungspunkt 6: a) Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD: Qualität von Studium und Lehre im internationalen Wettbewerb sichern – Den Europäischen Hochschul- raum erfolgreich gestalten Drucksache 18/4801 . . . . . . . . . . . . . . . . . 9836 C b) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht der Bundesregierung über die Umsetzung des Bologna-Prozesses 2012 bis 2015 in Deutschland Drucksache 18/4385 . . . . . . . . . . . . . . . . . 9836 D c) Antrag der Abgeordneten Nicole Gohlke, Sigrid Hupach, Dr. Rosemarie Hein, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Bologna-Prozess grundlegend reformieren Drucksache 18/4802 . . . . . . . . . . . . . . . . . 9836 D d) Antrag der Abgeordneten Kai Gehring, Özcan Mutlu, Beate Walter-Rosenheimer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Bologna 2015 stärken – Den europäischen Hoch- schulraum konsequent verwirklichen Drucksache 18/4815 . . . . . . . . . . . . . . . . . 9836 D Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9837 A Nicole Gohlke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 9838 C Dr. Daniela De Ridder (SPD) . . . . . . . . . . . . . 9839 D Kai Gehring (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9841 B Katrin Albsteiger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 9842 C Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) . . . . . . . . . 9843 C Tankred Schipanski (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 9844 C Tagesordnungspunkt 7: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Infor- mationsweiterverwendungsgesetzes Drucksachen 18/4614, 18/4844. . . . . . . . . . . . 9845 D Brigitte Zypries, Parl. Staatssekretärin BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9846 A Herbert Behrens (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 9847 A Hansjörg Durz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 9848 A Dieter Janecek (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9849 C Matthias Ilgen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9850 D Andreas G. Lämmel (CDU/CSU) . . . . . . . . . 9852 A Tagesordnungspunkt 8: Antrag der Abgeordneten Kordula Schulz- Asche, Tom Koenigs, Peter Meiwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abgeordne- ten Stefan Liebich, Wolfgang Gehrcke, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Der Völker- mord in Ruanda und die deutsche Politik 1990 bis 1994 – Unabhängige historische Aufarbeitung Drucksache 18/4811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9853 A Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9853 A Frank Heinrich (Chemnitz) (CDU/CSU) . . . . 9854 C Stefan Liebich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 9856 C Gabriela Heinrich (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 9857 C Anita Schäfer (Saalstadt) (CDU/CSU) . . . . . . 9858 C Dr. Karamba Diaby (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 9859 C IV Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 103. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Mai 2015 Tagesordnungspunkt 9: Antrag der Bundesregierung: Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der EU-geführten Opera- tion Atalanta zur Bekämpfung der Pirate- rie vor der Küste Somalias auf Grundlage des Seerechtsübereinkommens der Verein- ten Nationen (VN) von 1982 und der Reso- lutionen 1814 (2008) vom 15. Mai 2008, 1816 (2008) vom 2. Juni 2008, 1838 (2008) vom 7. Oktober 2008, 1846 (2008) vom 2. Dezember 2008, 1851 (2008) vom 16. De- zember 2008, 1897 (2009) vom 30. Novem- ber 2009, 1950 (2010) vom 23. November 2010, 2020 (2011) vom 22. November 2011, 2077 (2012) vom 21. November 2012, 2125 (2013) vom 18. November 2013, 2184 (2014) vom 12. November 2014 und nach- folgender Resolutionen des Sicherheitsra- tes der VN in Verbindung mit der Gemein- samen Aktion 2008/851/GASP des Rates der Europäischen Union (EU) vom 10. No- vember 2008, dem Beschluss 2009/907/ GASP des Rates der EU vom 8. Dezember 2009, dem Beschluss 2010/437/GASP des Rates der EU vom 30. Juli 2010, dem Be- schluss 2010/766/GASP des Rates der EU vom 7. Dezember 2010, dem Beschluss 2012/174/GASP des Rates der EU vom 23. März 2012 und dem Beschluss 2014/ 827/GASP vom 21. November 2014 Drucksache 18/4769 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9860 C Niels Annen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9860 D Dr. Alexander S. Neu (DIE LINKE) . . . . . . . 9861 D Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9863 A Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9864 B Philipp Mißfelder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 9865 C Dirk Vöpel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9866 C Florian Hahn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 9867 B Tagesordnungspunkt 10: Antrag der Abgeordneten Nicole Gohlke, Sigrid Hupach, Sabine Zimmermann (Zwi- ckau), weiterer Abgeordneter und der Frak- tion DIE LINKE: Gute Arbeit in der Wis- senschaft – Stabile Ausfinanzierung statt Unsicherheiten auf Kosten der Beschäftig- ten und Wissenschaftszeitvertragsgesetz grunderneuern Drucksache 18/4804 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9868 B Nicole Gohlke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 9868 C Alexandra Dinges-Dierig (CDU/CSU) . . . . . . 9870 A Kai Gehring (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9871 D Dr. Simone Raatz (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 9873 C Dr. Claudia Lücking-Michel (CDU/CSU) . . . 9875 B Martin Rabanus (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9877 A Tagesordnungspunkt 11: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Recht und Verbraucherschutz: zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Eu- ropäischen Parlaments und des Rates über Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit einem einzigen Gesellschafter – KOM(2014) 212 endg.; Ratsdok. 8842/14 – hier: Stel- lungnahme gegenüber der Bundesregie- rung gemäß Artikel 23 Absatz 2 des Grund- gesetzes Drucksachen 18/1524 Nr. A.4, 18/4843 9878 A Dr. Johannes Fechner (SPD) . . . . . . . . . . . . . 9878 B Richard Pitterle (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 9879 A Dr. Stephan Harbarth (CDU/CSU) . . . . . . . . . 9879 D Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9880 D Dr. Volker Ullrich (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 9881 D Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (SPD) . . . . . . . 9882 C Tagesordnungspunkt 12: Antrag der Abgeordneten Nicole Maisch, Friedrich Ostendorff, Harald Ebner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Transparenz schaf- fen – Tierhaltungskennzeichnung für Fleisch einführen Drucksache 18/4812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9883 B Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9883 B Alois Rainer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . 9884 B Karin Binder (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 9885 B Christina Jantz (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9886 B Johannes Röring (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 9887 C Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9888 C Tagesordnungspunkt 13: Antrag der Bundesregierung: Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der durch die Vereinten Nationen geführten Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 103. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Mai 2015 V Mission UNMIL in Liberia auf Grundlage der Resolution 1509 (2003) und nachfol- gender Verlängerungsresolutionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen, zuletzt Resolution 2190 (2014) vom 15. De- zember 2014 und der Resolution 2215 (2015) vom 2. April 2015 Drucksache 18/4768 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9889 A Gabi Weber (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9889 B Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . 9890 C Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9891 C Dr. Frithjof Schmidt (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9892 C Philipp Mißfelder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 9893 D Tagesordnungspunkt 22: Antrag der Abgeordneten Jan Korte, Dr. André Hahn, Sigrid Hupach, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion DIE LINKE: Unabhängige Historikerkommission zur Geschichte des Bundeskanzleramtes einset- zen Drucksache 18/3049 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9894 B Jan Korte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . 9894 C Dr. Philipp Lengsfeld (CDU/CSU) . . . . . . . . 9895 D Jan Korte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . 9897 C Dr. Philipp Lengsfeld (CDU/CSU) . . . . . . . . 9897 D Ulle Schauws (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9898 B Martin Dörmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 9899 C Dr. Astrid Freudenstein (CDU/CSU) . . . . . . . 9900 D Tagesordnungspunkt 15: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Rind- fleischetikettierungsgesetzes Drucksachen 18/4615, 18/4800. . . . . . . . . . . . 9901 D Tagesordnungspunkt 16: Antrag der Abgeordneten Corinna Rüffer, Maria Klein-Schmeink, Markus Kurth, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Empfehlungen der Vereinten Nationen zur Behindertenrechts- konvention zügig umsetzen Drucksache 18/4813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9902 A Corinna Rüffer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9902 B Uwe Schummer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 9903 A Katrin Werner (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 9904 B Kerstin Tack (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9905 A Dr. Astrid Freudenstein (CDU/CSU) . . . . . . . 9906 C Corinna Rüffer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9906 D Zusatztagesordnungspunkt 4: Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD: zum Grünbuch – Schaffung einer Ka- pitalmarktunion – KOM(2015) 63 endg.; Ratsdok. 6408/15 – hier: Stellungnahme im Rahmen eines Konsultationsverfahrens der Europäischen Kommission Drucksachen 18/4375 Nr. A.4, 18/4807 9908 A Tagesordnungspunkt 17: Antrag der Abgeordneten Heike Hänsel, Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: EU-Lateinamerika-Gipfel – Beziehungen auf gegenseitigem Respekt begründen Drucksache 18/4799 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9908 C Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9908 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 9909 A Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Ände- rung des Rindfleischetikettierungsgesetzes (Tagesordnungspunkt 15) . . . . . . . . . . . . . . . . 9909 C Ingrid Pahlmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 9909 C Rita Stockhofe (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 9910 B Elvira Drobinski-Weiß (SPD) . . . . . . . . . . . . 9911 A Karin Binder (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 9912 A Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9912 C Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: zum Grünbuch – Schaffung ei- VI Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 103. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Mai 2015 ner Kapitalmarktunion – KOM(2015) 63 endg.; Ratsdok. 6408/15 – hier: Stellung- nahme im Rahmen eines Konsultationsver- fahrens der Europäischen Kommission (Zu- satztagesordnungspunkt 4) . . . . . . . . . . . . . . . 9913 B Dr. Heribert Hirte (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 9913 B Alexander Radwan (CDU/CSU) . . . . . . . . . 9914 B Christian Petry (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 9915 C Manfred Zöllmer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 9916 C Susanna Karawanskij (DIE LINKE) . . . . . . 9917 B Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9918 C Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: EU-Lateinamerika-Gipfel – Be- ziehungen auf gegenseitigem Respekt begrün- den (Tagesordnungspunkt 17) . . . . . . . . . . . . 9919 D Dr. Georg Kippels (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 9919 D Waldemar Westermayer (CDU/CSU) . . . . . . 9921 A Dr. Sascha Raabe (SPD). . . . . . . . . . . . . . . . 9923 A Heike Hänsel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 9924 A Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9925 A Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 103. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Mai 2015 9779 (A) (C) (D)(B) 103. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 7. Mai 2015 Beginn: 9.00 Uhr
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    2) Anlage 4 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 103. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Mai 2015 9909 (A) (C) (B) Anlagen zum Stenografischen Bericht (D) Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Amtsberg, Luise BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 07.05.2015 Beck (Bremen), Marieluise BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 07.05.2015 Becker, Dirk SPD 07.05.2015 Dr. Bergner, Christoph CDU/CSU 07.05.2015 Ehrmann, Siegmund SPD 07.05.2015 Dr. Fabritius, Bernd CDU/CSU 07.05.2015 Hartmann (Wackern- heim), Michael SPD 07.05.2015 Hintze, Peter CDU/CSU 07.05.2015 Dr. Jüttner, Egon CDU/CSU 07.05.2015 Dr. Kofler, Bärbel SPD 07.05.2015 Lotze, Hiltrud SPD 07.05.2015 Motschmann, Elisabeth CDU/CSU 07.05.2015 Müntefering, Michelle SPD 07.05.2015 Nietan, Dietmar SPD 07.05.2015 Pflugradt, Jeannine SPD 07.05.2015 Rawert, Mechthild SPD 07.05.2015 Dr. Rosemann, Martin SPD 07.05.2015 Roth (Heringen), Michael SPD 07.05.2015 Sarrazin, Manuel BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 07.05.2015 Schlecht, Michael DIE LINKE 07.05.2015 Steinbrück, Peer SPD 07.05.2015 Strothmann, Lena CDU/CSU 07.05.2015 Dr. Terpe, Harald BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 07.05.2015 Zertik, Heinrich CDU/CSU 07.05.2015 Zimmermann (Zwickau), Sabine DIE LINKE 07.05.2015 Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung ein- gebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Rindfleischetikettierungsgeset- zes (Tagesordnungspunkt 15) Ingrid Pahlmann (CDU/CSU): Vor 15 Jahren ver- setzten Bilder von an BSE erkrankten Rindern die Ver- braucherinnen und Verbraucher in ganz Europa in Angst und Schrecken. Der sogenannte Rinderwahnsinn, der in torkelnden, aggressiven oder stürzenden Kühen auf grausam anschauliche Weise sichtbar wurde, und insbe- sondere der Verdacht des Auslösens der Creutzfeldt- Jakob-Krankheit beim Menschen, verunsicherte nach Auftreten der ersten BSE-Fälle auch in Deutschland die Bevölkerung erheblich. Maßnahmen wurden schnell er- griffen. Eine Folge der BSE-Krise ist, dass seit dem 1. September 2000 in allen Mitgliedstaaten der EU die Verpflichtung zur Rindfleischetikettierung besteht, um die Herkunft des Rindfleischs transparent zu machen. Von der Ladentheke über sämtliche Stufen der Vermark- tung bis hin zum Einzeltier bzw. einer Gruppe von Tie- ren sollte jedes Stück Rindfleisch zurückverfolgbar sein. Dazu werden die Tiere seither gleich nach der Geburt mit zwei identischen Lebendohrmarken gekennzeichnet und mit einer Ohrenmarkennummer registriert, über die das lebende Rind jederzeit identifiziert werden kann. Nach der Schlachtung dann wird die Rückverfolgbarkeit über die Etikettierung gewährleistet, die vom Schlacht- hof bis zum Einzelhandel auf frischem, gekühltem oder gefrorenem Rindfleisch sowie Hackfleisch, für verpack- tes oder unverpacktes Fleisch erfolgt. Obligatorisch müssen dabei angegeben werden: eine Referenznummer oder ein Referenzcode, mit dem die Verbindung zwi- schen Fleisch und Tier gewährleistet wird, die Zulas- sungsnummer des Schlachthofs sowie der Staat, in dem der Schlachthof liegt, die Zulassungsnummer des Zerle- gebetriebes sowie der Name des Staates, in dem der Be- trieb liegt, und der Staat bzw. die Staaten, in denen Ge- burt und Mast des Rindes erfolgten. Darüber hinaus konnten bisher zusätzlich freiwillige Angaben, zum Beispiel zu regionaler Herkunft, Rasse, Kategorie oder Bedingungen der Erzeugung des Flei- sches gemacht werden, wenn durch die Bundesanstalt für Ernährung und Landwirtschaft das eigene Etikettie- rungssystem genehmigt wurde, oder in einer Organisa- tion, deren Etikettierungssystem genehmigt wurde eine Mitgliedschaft bestand. Mit der Gesetzesänderung, die wir heute Abend beschließen, wird das System der fa- kultativen Etikettierung von Rindfleisch abgeschafft. Freiwillige Angaben der Marktbeteiligten zum Rind- fleisch bleiben zwar möglich, müssen künftig aber nicht mehr im Vorhinein genehmigt werden. Sie müssen künf- tig lediglich den horizontalen, allgemein geltenden Vor- schriften entsprechen. Wir setzen damit 1:1 geändertes EU-Recht in nationales Recht um. Anlagen 9910 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 103. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Mai 2015 (A) (C) (D)(B) Die Verpflichtung zur obligatorischen Herkunfts- kennzeichnung von Rindfleisch dagegen bleibt unverän- dert bestehen. Die Kontrollzuständigkeit wird zukünftig aber vollständig auf den Bund übertragen und von der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung wahr- genommen. Damit verbessern wir die Funktionsfähig- keit der Kontrollen. Die bisher zwischen Bund und Län- dern geteilte Zuständigkeit hat sich aufgrund größerer Reibungsverluste bei der Feststellung der Zuständigkeit nicht bewährt. Die Mehrzahl der Betriebe wird zudem bereits jetzt durch den Bund kontrolliert. Gleichzeitig werden die Aufgaben des Bundes ver- schlankt, da dieser dann keine privaten Kontrollstellen mehr anerkennen muss, die bisher von den Ländern be- auftragt wurden. Dies vereinfacht zum einen den Ver- waltungsaufwand und stärkt zum anderen die Effektivi- tät. Darüber hinaus entspricht die Vereinfachung der Rechtsvorschriften übrigens auch einer nachhaltigen Entwicklung. Zudem wird es in Zukunft leichter möglich sein, länder- übergreifende Betrugsfälle im Bereich der Rindfleischeti- kettierung zu bekämpfen. Schnelle Überprüfungen kön- nen nunmehr auch über Ländergrenzen hinweg erfolgen. Insgesamt wird dadurch der gesundheitliche Verbrau- cherschutz gestärkt und dazu beigetragen, dass sich die Verbraucherinnen und Verbraucher gesund ernähren können. Es ist daher gut, dass dieses bewährte und er- folgreiche Transparenz- und Überwachungssystem, wel- ches das Vertrauen der Konsumentinnen und Konsumen- ten in Rindfleisch nach der BSE-Krise wiederhergestellt hat, durch die gesetzliche Anpassung noch effektiver und effizienter wird. Rita Stockhofe (CDU/CSU): Das Vierte Gesetz zur Änderung des Rindfleischetikettierungsgesetzes setzt geändertes EU-Recht in nationales Recht um. Die Ver- pflichtung zur obligatorischen Herkunftskennzeichnung von Rindfleisch bleibt unverändert bestehen. Die Zu- ständigkeit für die Kontrolle der obligatorischen Anga- ben sollen vollständig dem Bund übertragen und von der Bundesanstalt für Ernährung und Landwirtschaft wahr- genommen werden. Durch eine Verwaltungsvereinfa- chung und Effektivitätsvereinfachung wird das Bürokra- tieabbaugebot umgesetzt. Die Rückverfolgbarkeit von Rindfleisch gibt es ja schon lange. Die wenigsten Verbraucher und somit Ge- nießer wissen, wie das gewährleistet wird: Schon wenn ein Kalb geboren wird, erhält es den sogenannten Tier- pass. Gleichzeitig wird in jedes Ohr eine Ohrmarke ein- gezogen, auf der ein Strichcode und eine Nummer ange- geben sind. Wenn eine dieser Ohrmarken verloren wird, muss sie umgehend ersetzt werden. Gleichzeitig müssen alle wichtigen Angaben wie Geburtstag, Geschlecht und Mutter in eine Datenbank eingegeben werden. Wenn die- ses Kalb dann irgendwann den Betrieb verlässt, muss dieser Vorgang als Abgang in dieser Datenbank ver- merkt werden, genauso wie jeder Zugang. Auch die Viehhändler und Schlachthöfe müssen diese Datenbank pflegen. Auch innerhalb des Schlachthofes muss jedes Fleischstück zu jeder Zeit den entsprechenden Daten zu- geordnet werden können. Diese Kette wird bis zur Fleischtheke weitergeführt. Von einigen Seiten werden immer noch weitere Kenn- zeichnungsvorschriften gefordert. Wenn man sich im Detail mit solchen Forderungen auseinandersetzt, wird allerdings häufig klar, dass viele Verbraucher sich nicht umfassend informiert fühlen. Häufig wissen sie aber auch nicht, welche Vorgaben bereits bestehen. Der Verbraucher hat einen Anspruch auf Wahrheit und Klarheit. Beim Gang durch den Supermarkt kann dem Verbraucher schwindelig werden angesichts der Vielzahl an Produkten und Werbeversprechen. Um es sich einfach zu machen und ein gutes Gewis- sen beim Einkauf zu haben, greifen viele Verbraucher gerne zu den Bioprodukten. Doch Fakt ist, was alles un- ter dem Biosiegel in den Regalen zu finden ist, hat oft nichts mit ländlicher, reiner, handwerklicher Herstellung zu tun, die so gerne suggeriert wird. Lassen Sie mich ein Beispiel nennen: Immer wieder gerne wird der Begriff der Massentierhaltung angeführt, wenn über die konven- tionelle Tierhaltung gesprochen wird. Zum einen gibt es bislang keine abgestimmte Definition für eine soge- nannte Massentierhaltung. In Umfragen empfinden Verbraucher häufig schon Ställe mit 100 Tieren als „Massentierhaltung“. Dennoch erlaubt die EU-Biover- ordnung erstaunlich große Herden, beispielsweise dür- fen bis zu 3 000 Legehennen zusammen gehalten wer- den, bis zu sechs Hühner teilen sich einen Quadratmeter. Als Auslauffläche genügen vier Quadratmeter pro Tier, aber der Bauer hat einen großen Ermessensspielraum: Er muss die Tiere auf diese Fläche nur schicken, wenn „die klimatischen Verhältnisse es zulassen“. Das Tierwohl hängt nicht davon ab, ob ein Landwirt 10, 500 oder 2 000 Tiere hält. Entscheidend ist das Tier- wohl jedes einzelnen Tieres, nicht in erster Linie die Ge- samtzahl. Hierfür ist maßgeblich, wie der Betrieb geführt wird, ob Tiere regelmäßig versorgt werden und wie sich die Qualität der Stallanlagen darstellt, und nicht, ob es ein Biohof oder ein konventionell betriebener Hof ist. Für mehr Transparenz sorgt auch die im Dezember 2014 auf den Weg gebrachte Lebensmittelinformations- verordnung mit mehr Klarheit bei Klebeschinken, Trans- parenz bei Allergenen, Hinweise auf Energydrinks, Infos zu Einfrierdatum und Nanomaterialien sowie einheitli- che Bedingungen für den freien Warenverkehr. Dies ist ein weiterer Meilenstein für mehr Klarheit und Wahrheit bei der Aufmachung und Kennzeichnung von Lebensmitteln und sorgt an vielen Stellen dafür, dass die Menschen besser erkennen, was in den Lebens- mitteln enthalten ist. Ab Dezember 2016 wird auch die einheitliche Angabe von Nährwerten für vorverpackte Lebensmittel verpflichtend. Wir haben schon viel auf den Weg gebracht und wer- den noch mehr zur besseren Information der Verbraucher tun, beispielsweise will das Europäische Parlament, dass Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 103. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Mai 2015 9911 (A) (C) (D)(B) auch die Ursprungskennzeichnung von Fleisch in verar- beiteten Lebensmitteln vorgeschrieben wird. Aufpassen müssen wir allerdings auch, dass die Ver- braucher nicht mit Informationen überladen werden. Ich halte es deshalb für eine gute Idee, alle Informationen zu einem Produkt in einem QR-Code aufzulisten. Schon im Supermarkt könnten Kunden sich dann per Smartphone über das jeweilige Produkt informieren. Hierfür müssten sie einfach den Code auf der Verpackung einscannen. Idealerweise bietet jeder Supermarkt zukünftig einen Scanner für die Kunden an, die kein Smartphone besit- zen. Ich bin Mitglied im Petitionsausschuss und lese dort häufig Forderungen von Petenten, die seit Jahren umge- setzt werden. Deshalb appelliere ich hier an dieser Stelle. Wenden Sie sich bei Fragen, aber auch bei Forderungen, an die Praktiker. Gehen Sie zum Erzeuger, fragen Sie beim Fleischer, auf Bauernhöfen oder Wochenmärkten. Dort kann man Ihnen berichten, wie die Praxis aussieht. Nur wenn wir im Dialog zwischen Verbrauchern und Herstellern bleiben, kann auch ein guter Informations- austausch stattfinden. Und das ist die Basis für ein gutes Miteinander und beugt Misstrauen, das häufig durch Nichtwissen, aber auch durch fehlgeleitete Informatio- nen besteht, vor. Elvira Drobinski-Weiß (SPD): „Viertes Gesetz zur Änderung des Rindfleischetikettierungsgesetzes“. Ich weiß: Man möchte erst einmal spontan einschlafen, wenn man das hört. Aber halt! Bei der Rindfleischetiket- tierung handelt es sich um ein System der Herkunfts- kennzeichnung für Fleisch. Und das ist ein Thema, das uns und die Verbraucherinnen und Verbraucher mächtig bewegt. Die Menschen wollen zu Recht wissen, wo ihr Fleisch herkommt. Leider erfahren sie das im Moment nur, wenn sie es als Steak oder Hackfleisch kaufen, nicht aber, wenn es bereits zu Lasagne oder Fleischsalat verar- beitet wurde. Das muss sich ändern. Und die Technik, die von Unternehmen aufgebaut wurde, um die Vorga- ben des Rindfleischetikettierungsgesetzes zu erfüllen – die kann das möglich machen. Aber eins nach dem anderen. Warum gibt es das Gesetz überhaupt, über das wir heute reden? Die BSE-Krise Anfang der 2000er erschütterte das Vertrauen der Verbraucherinnen und Verbraucher in Rindfleisch massiv. Daraufhin ist EU-weit ein transpa- rentes System der Herkunftskennzeichnung für Rind- fleisch eingeführt worden. Die Ohrmarkennummer der Tiere werden in Datenbanken eingegeben, und fortan ist nachvollziehbar, wo die Tiere geboren, gemästet, ge- schlachtet und zerlegt worden sind. Diese Angaben sind Pflicht. Über die Verpackung können das deshalb auch Verbraucherinnen und Verbraucher nachvollziehen. Wei- tere freiwillige Angaben – zum Beispiel zur Herkunfts- region – dürfen ebenfalls gemacht werden. Was ändert sich jetzt? Wir müssen das Rindfleischetikettierungsgesetz an geänderte EU-Vorgaben anpassen. Die freiwilligen Angaben mussten bisher von der Bundesanstalt für Ernährung, kurz BLE, genehmigt wer- den. Die Betriebe mussten bisher auch die Systeme, die sie zur Rückverfolgung installiert haben, von der BLE zertifizieren lassen. Beides entfällt jetzt. Das ist auch in Ordnung, denn die Systeme sind inzwischen installiert und erprobt. Beides wird aber selbstverständlich weiter- hin von der Lebensmittelüberwachung überprüft. Alle Angaben auf der Verpackung müssen nach wie vor stim- men und objektiv nachvollziehbar sein. Die Stellen, die bei der BLE dadurch frei werden, ge- hen in die Überwachung. Denn die dritte wichtige Neue- rung ist, dass die Kontrolle der Rindfleischetikettierung und Rückverfolgbarkeit nun vollständig auf die BLE, also den Bund, übergeht. Vorher teilte der Bund sie mit Ländern und privaten Kontrollstellen. Damit ist die Überwachung in einer Hand. Reibereien um Zuständig- keiten haben ein Ende. So viel zum Rindfleisch. Es wird viele Verbraucherin- nen und Verbraucher beruhigen, dass es gut überwacht ist und sie an der Fleischtheke nachvollziehen können, wo es herkommt. Das können sie seit April dieses Jahres übrigens auch bei Schweine-, Schaf-, Geflügel- und Ziegenfleisch. Sie können es aber – ich sagte es eingangs – leider immer noch nicht beim schon panierten Schnitzel, Hühnchen- burger oder Fleischsalat. Die Kolleginnen und Kollegen im EU-Parlament haben die Kommission im Februar aufgefordert, endlich einen Gesetzesvorschlag vorzule- gen, der die Herkunftsangabe auch bei verarbeitetem Fleisch vorschreibt. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten im Bundestag unterstützen diese Forderung. Wir haben im Koalitionsvertrag auch vereinbart, dass sich unsere Bun- desregierung dafür in Brüssel einsetzen soll. Noch war- ten wir darauf, dass das passiert. Minister Schmidt – übernehmen Sie! Dabei zeigt die Rindfleischetikettierung: Es geht. Die Unternehmen sind – selbstverständlich – in der Lage, Systeme aufzubauen, mit deren Hilfe sie Fleisch lücken- los zurückverfolgen können. Diese Technik, diese Sys- teme und auch die Erfahrungen aus der Überwachung können und müssen wir nutzen, um endlich umfassende Transparenz über die Herkunft von Fleisch zu schaffen. Dass das Lasagne und Co. massiv verteuern würde, ist eine Ausrede. Die Zahlen, auf denen diese Ausrede basiert, stammen von der Lebensmittelwirtschaft. Eine französische Verbraucherorganisation hat dagegen aus- gerechnet, dass es nur zu Preissteigerungen von ein bis zwei Prozent kommen würde. Das ist zu verkraften. Schon allein deshalb, weil es wirklich alle Unternehmen zwingt, funktionierende Systeme der Rückverfolgbarkeit aufzubauen. Mehr Transparenz bedeutet mehr Lebens- mittelsicherheit. Verbraucherinnen und Verbraucher wollen wissen, wo das Fleisch in der Lasagne herkommt. Wir müssen dafür 9912 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 103. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Mai 2015 (A) (C) (D)(B) sorgen, dass sie diese Informationen endlich auch be- kommen. Karin Binder (DIE LINKE): Mit dem hier vorliegen- den Gesetz zur Änderung der Etikettierung von Rind- fleisch wird im Wesentlichen eine Vereinfachung für die Betriebe vorgenommen. Das ist sinnvoll und findet un- sere Unterstützung. Die dafür erforderlichen Kontrollaufgaben sollen vollständig auf den Bund übertragen werden. Auch das ist überaus sinnvoll. Die Linksfraktion fordert seit lan- gem, dass der Bund mehr Verantwortung bei der behörd- lichen Überwachung im Lebensmittelbereich über- nimmt. Der Grund liegt auf der Hand: Das Lebensmittelrecht ist fast vollständig EU-einheitlich geregelt. Doch in Deutschland sind über 400 Kontrollbehörden zuständig, zersplittert und verteilt auf Bundesländer und Kommu- nen. Dem gegenüber stehen globalisierte Lebensmittel- konzerne, die Zutaten weltweit zusammenkaufen und europaweit vermarkten. Hinzu kommt: Lebensmittel werden zunehmend im Internet angeboten. Ich frage Sie: Welche Gemeinde und welcher örtliche Lebensmittel- kontrolleur soll hier zuständig sein? Die Linke sagt: Der Bund muss bei überregionalen und internationalen Un- ternehmen die Verantwortung für die Lebensmittelüber- wachung haben. Ärgerlich ist, dass sich diese Bundesregierung einmal mehr um eine vollständige Ursprungskennzeichnung bei Fleisch herumdrückt. Denn dabei geht es um ein Kern- anliegen des Verbraucherschutzes und um die Glaubwür- digkeit der ganzen Fleischbranche. 90 Prozent der Ver- braucher halten eine Ursprungsangabe bei allen Fleischprodukten für notwendig, damit sie eine selbstbe- stimmte Kaufentscheidung treffen können. Auch das EU-Parlament fordert deshalb eine ver- pflichtende Herkunftskennzeichnung von verarbeitetem Fleisch. Das ist unverzichtbar für glaubwürdige Verbrau- cherinformationen. Nach zahlreichen Verstößen und Skandalen ist dieser Schritt das Mindeste, um das Ver- trauen der Verbraucher – auch in die Behörden – wieder- herzustellen. Ein konsequentes Rückverfolgbarkeitssystem trägt maßgeblich dazu bei, Verstöße gegen Lebensmittelvor- schriften aufzudecken und zu verhindern. Im Vergleich zu diesem Nutzen sind die zusätzlichen Kosten von etwa 2 Prozent zu vernachlässigen. Abschließend noch ein Hinweis zur Frage, ob das Rindfleischetikettierungsgesetz „nachhaltig“ ist. Der Parlamentarische Beirat für nachhaltige Entwicklung weist in seiner Stellungnahme zu diesem Gesetz darauf hin, dass der Nachhaltigkeitsbegriff durch die Bundesre- gierung gern und häufig und nicht immer sinnvoll ver- wendet wird. Die Bundesregierung erklärt dann auch, dass dieses Gesetz einer nachhaltigen Entwicklung dient, weil Vorschriften vereinfacht werden. Das Zusam- menstreichen von Rechtsvorschriften an sich ist keine Maßnahme der Nachhaltigkeit. Gerade im Tierschutz, im Umweltschutz und im Verbraucherschutz geht es da- rum, wirksame Vorschriften zu erlassen – auch wenn sie für die Wirtschaft nicht immer zu Vereinfachungen füh- ren. Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Torkelnde, stürzende Kühe, brennende Rinderka- daver und zerfressene Gehirne, verunsicherte Verbrau- cher, bestürzte Politiker – der Rinderwahnsinn vom Jahre 2000 ist uns allen noch gut im Gedächtnis geblie- ben. Eine der vielen Sofortmaßnahmen damals war der Beschluss des Rindfleischetikettierungsgesetzes, wel- ches ein System der Herkunftssicherung für Rindfleisch schaffen sollte. Rindfleisch sollte EU-weit von der Be- dientheke über alle Vermarktungs- und Erzeugungsstu- fen bis zu einer Gruppe von Tieren zurückverfolgt werden können. Das war damals ein Gewinn für den Verbraucherschutz und schuf Transparenz über die Her- stellung von tierischen Erzeugnissen. Vor allem war es notwendig angesichts der Situation und der Gefahren, die mit dem System der Haltung und Fütterung von Tie- ren verbunden waren. Ein System, in dem Tiere zu den Abfallverwertern der industriellen Schlachtkörperver- wertung und anderer industrieller Abfälle degradiert wurden. Für das damalige Problem wurden so Lösungen ge- funden, die sinnvoll waren. Was damals gut war, gilt heute als nicht schlecht. Aber wo stehen wir heute? Hat sich an dem System, in dem Tiere gehalten werden, etwas verändert? Hat sich die Transparenz über die Her- kunft tierischer Erzeugnisse verbessert? Hat die Etiket- tierung zum Beispiel verhindert, dass wir 2013 in unse- rer Lasagne Pferdefleisch kosten durften oder dass die fleißigen Ikea-Gänger auf die schwedischen Köttbullar verzichten mussten? Nein, das nicht. Aber ich denke, zu- mindest hat sich ein Bewusstsein gebildet, zumindest hat sich eine Offenheit entwickelt, über Probleme zu spre- chen und nach Lösungen zu suchen. Die Herausforderungen vor 15 Jahren waren andere als heute. Heute führen wir eine Debatte, die sich weiter- entwickelt hat. Heute müssen wir weiter gehen. Das Gut- achten des wissenschaftlichen Beirates für Agrarpolitik hat das gezeigt. Gestern haben wir im Agrarausschuss mit Herrn Professor Grethe über die Konsequenzen da- raus gesprochen. Dabei hat sich gezeigt, dass sich der gesellschaftliche Konsens über die Notwendigkeit von Änderungen in der Tierhaltung weiterentwickelt hat. Die Gräben, die vorhanden waren, beginnen sich zu schlie- ßen. Die Herausforderungen sind groß. Es gibt viel zu tun. Eine reine Etikettierung reicht heute deshalb nicht mehr aus. Notwendig ist eine hundertprozentige Transparenz über die Art und Weise der Haltung von Tieren, damit der Verbraucher eine Orientierung hat und nach eigenem Wissen und Gewissen entscheiden kann und entscheiden soll. Außerdem darf der Weg vom Produzenten über Händler und Weiterverarbeiter hin zum Endverbraucher keine Lücken oder Möglichkeiten des Betrugs zulassen. Wir begrüßen die Weiterentwicklung des Rindfleisch- etikettierungsgesetzes. Es führt zu einer Effektivitätsstei- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 103. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Mai 2015 9913 (A) (C) (D)(B) gerung und verhindert landesgrenzenüberschreitende Betrugsfälle. Doch wir fordern mehr: Wir brauchen eine Kennzeichnung von frischem und auch verarbeitetem Fleisch: Es muss klar nachvollzieh- bar sein, woher jedes Fleisch kommt, das sich im Handel befindet, egal ob Frischfleisch oder Raviolifüllung – oder in der Lasagne. „Nur wer gut informiert ist, kann bewusst entscheiden“, mit dieser Devise hat Bundes- minister Christian Schmidt im Rahmen der Infokampa- gne zur Lebensmittelkennzeichnung agiert. Doch wie, verehrter Herr Schmidt, soll der Otto Normalverbrau- cher an der Ladentheke entscheiden können? Da hilft auch Ihr nettes, kleines Broschürchen „Kennzeichnung von Lebensmitteln“ nicht wirklich weiter, wenn es um die Herkunft und Haltungsverfahren geht. Um dem Verbraucher einen guten und vor allem ein- fachen Überblick zu geben und die Wahlmöglichkeit zwischen unterschiedlichen Qualitäten und Herkünften zu ermöglichen, braucht es ein Gesetz zur klaren Defini- tion von Haltungsverfahren bei Rindfleisch, um die Ent- scheidung beim Kauf zumindest von Rindfleisch wieder nachvollziehbarer und strukturierter zu gestalten. Es braucht ein Konzept mit der Kennzeichnung 0 bis 3, so wie meine Kollegin Nicole Maisch es just erläutert hat. Den Erfolg dieses Konzepts zeigt die vor einigen Jahren eingeführte Eierkennzeichnung. Wir sind mit unserer Idee nicht alleine – die Länder arbeiten seit Monaten an einem Modell. Im Gegensatz zur Tierwohl-Initiative hielte unser Konzept auch tatsächlich das, was es ver- spräche. Dieses Thema könnte man sehr leicht unter „eine Frage der Haltung“ stecken. Und wer war das noch mal, der diesen Ansatz so lauthals vertritt? Ach ja, der Herr Minister Schmidt. Wollen wir mal schauen, ob er nur mal wieder Großes ankündigt, was dann versandet, oder tatsächlich mal die richtige Haltung einnimmt. Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: zum Grünbuch – Schaffung einer Kapitalmarktunion – KOM(2015) 63 endg.; Ratsdok. 6408/15 – hier: Stellungnahme im Rahmen eines Konsultations- verfahrens der Europäischen Kommission (Zusatztagesordnungspunkt 4) Dr. Heribert Hirte (CDU/CSU): Erstens. Wenn man die zahlreichen europäischen Richtlinien und Verord- nungen vor Augen hat, die in den letzten Jahren zur Ver- einheitlichung des Kapitalmarkts in Europa verabschie- det wurden, hat man den Eindruck, dass es einen einheitlichen europäischen Kapitalmarkt längst geben müsste. Das ist – leider – nicht der Fall, weil – wie so oft – der „Teufel im Detail“ liegt. Das von der Europäischen Kommission am 18. Februar 2015 vorgelegte Grünbuch „Schaffung einer Kapitalmarktunion“ zielt daher durch- aus zu Recht darauf ab, diese noch vorhandenen Defizite zu beseitigen. Was dabei leider fehlt, ist eine klare Prio- risierung der verschiedenen in den Raum gestellten Vor- schläge. Zweitens. Andererseits ist bei manchen Vorschlägen leicht absehbar, dass es Widerstand aus den Mitglied- staaten geben wird. Denn die aus der Sicht der Kommis- sion wünschenswerte größere Rolle für die europäischen Aufsichtsbehörden wird sich nur erreichen lassen, wenn die Mitgliedstaaten davon überzeugt werden, dass dies per Saldo zu deutlichen (!) Effizienzgewinnen für die Marktteilnehmer – und auch für die Mitgliedstaaten selbst – führt. Ein einheitliches Genehmigungsverfahren für Prospekte wäre hier sicher denkbar. Aber „mehr europäische Regulierung“ ist beileibe kein Selbstläufer. Drittens. Die Kommission führt für ihr Ziel die Paral- lele zur Bankenunion ins Feld, für die wir in diesem Haus vor wenigen Monaten die letzten Weichen gestellt haben. Diese Parallele ist freilich nur halb richtig: Denn bei der Bankenunion stand die Vermeidung von „Sys- temrisiken“ – also Dominoeffekten – im Vordergrund, insbesondere im Zusammenhang mit der Währungs- union, während es hier um die Schaffung bzw. Verbesse- rung des Marktzugangs auch für die einzelnen Marktteil- nehmer geht. Deshalb wird, wenn die Kommission sich – zu Recht – für eine verbesserte grenzüberschreitende Eigenkapitalfinanzierung ausspricht, ebenso berechtigt die Frage gestellt, ob denn wirklich bereits ein funktio- nierender grenzüberschreitender Kreditmarkt existiert. Was hier als Kreditsicherheit in Betracht kommt, unter- liegt beträchtlichen nationalen Unterschieden: Zu nennen sind etwa die verschiedenen Wege der Hypothekenfinan- zierung einerseits und die Möglichkeit der Unterneh- menshypothek – „floating charge“ – andererseits. Das gehört durchaus auch in den Kontext der von der Kom- mission anvisierten Maßnahmen zu Kreditinformationen über kleine und mittlere Unternehmen, KMU, und zur Wiederbelebung der Märkte für Verbriefungen. Viertens. Zu Recht bezieht die Kommission auch die indirekt den europäischen Kapitalmarkt berührenden Rechtsbereiche in ihre Überlegungen ein, vor allem das Gesellschafts-, das Insolvenz- und das Steuerrecht. Im Insolvenzrecht seien zwei Hürden genannt, die durchaus einer europäischen Regelung harren: So stellt sich die Frage, ob im Rahmen von Sanierungen die Prospektkon- trolle auch in das Insolvenzverfahren – insbesondere das Planverfahren – integriert werden kann. Zum Zweiten ist im Übernahmerecht zu prüfen, ob der systematische Aufkauf von Forderungen mit dem Ziel einer „Umwand- lung“ in Eigenkapital – „loan to own“ – im Rahmen ei- nes Insolvenzverfahrens nicht auch den übernahmerecht- lichen Schutzmechanismen zu unterwerfen ist. Große Probleme bei der grenzüberschreitenden Finanzierung be- reitet die konzerninterne Finanzierung – Stichwort: Cash Pooling. Hier wäre Rechtssicherheit durch Adressierung in der geplanten „Konzernrichtlinie“ nachdrücklich wünschenswert. Gerade was die Eigenkapitalseite an- geht, bleibt im Übrigen das Thema „Grenzüberschrei- tende Stimmrechtsausübung“ auf der Agenda. 9914 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 103. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Mai 2015 (A) (C) (D)(B) Fünftens. Stichwort Rechnungslegung: Rechnungsle- gung ist heute nicht mehr nur ein Thema des Gesell- schaftsrechts, sondern – jedenfalls auch – des Kapital- marktrechts, geht es doch darum, die Vergleichbarkeit der verschiedenen am Kapitalmarkt gehandelten Emit- tenten zu gewährleisten. Die Internationalen Rechnungs- legungsstandards, IFRS, haben hier einen bedeutenden Beitrag zur – auch über Europa hinausgehenden – Ver- einheitlichung der Kapitalmärkte geleistet. Geht es aber um nicht börsennotierte Unternehmen, insbesondere also KMU, tritt dieser Gesichtspunkt zurück. Die Bedeutung des Rechnungslegungsrechts als Ordnungsrahmen für die gesellschaftsinternen Beziehungen, insbesondere auch die Ausschüttungsbemessung und allgemeiner der Gläubigerschutz, tritt in den Vordergrund. Bestrebungen, auch hier eine zwingende Bilanzierung nach den IFRS vorzusehen, halten wir daher nicht für gerechtfertigt. Denn ganz unabhängig davon, ob der theoretische An- satz der IFRS auch für die eher gesellschaftsrechtlichen Zwecke der KMU passend ist, lässt er sich nur mit einem beträchtlichen zusätzlichen Kostenaufwand verwirkli- chen. Das von uns favorisierte Festhalten an der Bilan- zierung nach HGB ist daher auch eine Maßnahme der Bürokratievermeidung. Das schließt freilich nicht aus – und darüber wird man im Einzelfall nachzudenken haben –, dass nicht auch einzelne Elemente der IFRS in das HGB übernommen werden, wie wir das auch in der Vergangenheit schon ge- tan haben. Ebenso kann es Situationen geben, wo auch für KMU eine internationale Vergleichbarkeit notwendig ist. Ihnen fakultativ eine Bilanzierung nach IFRS oder einem dritten Standard zu ermöglichen, wäre daher si- cher denkbar. Sechstens. Ein letzter Blick soll dem Thema Steuern gelten – zweifellos vermintes Gelände: Hier besteht – vor allem aus der Sicht des Insolvenzrechtlers – das Grundproblem bereits im Ansatz – nämlich, dass Eigen- kapital im Verhältnis zu Fremdkapital steuerlich benach- teiligt wird. Zu diesem allgemeinen Problem kommt aber im europäisch-grenzüberschreitenden Kontext hinzu, dass das System des Quellensteuereinbehalts sehr unterschiedlich praktiziert wird – vor allem was die Be- messungsgrundlage und das Anrechnungs- und Erstat- tungssystem angeht. Die Lösung dieser Fragen auf der Grundlage der Grundfreiheiten sollte nicht allein dem EuGH überlassen werden. Alexander Radwan (CDU/CSU): Die Europäische Kapitalmarktunion ist das Projekt in der Finanzmarkt- regulierung in der Verantwortung von Kommissar Hill. Derzeit findet die Grünbuchkonsultation der Europäi- schen Kommission statt, zu der die CDU/CSU-Fraktion und die SPD-Fraktion die Initiative ergriffen haben, dass der Deutsche Bundestag sich beteiligt. Brüssel soll vom gewählten Parlament nicht erst hören, wenn schon alles entschieden ist und nur noch implementiert werden soll. Mit diesem Antrag wollen wir uns frühzeitig einbrin- gen und der Kommission, insbesondere dem Engländer Lord Jonathan Hill und natürlich dem BMF, unsere wichtigen Punkte mit auf den Weg geben – mit der nach- drücklichen Bitte um Berücksichtigung. Die Idee eines integrierten Binnenmarktes für Finanz- dienstleistungen ist nicht neu, bereits im Jahr 1999 gab es die Initiative für den FSAP, den Aktionsplan für Finanzdienstleistungen. Doch lassen sie mich zunächst kurz das Vorhaben der Kapitalmarktunion schildern, bevor ich unsere Punkte vertiefe. Die Kommission ist der Ansicht, die europäische Un- ternehmensfinanzierung gestalte sich zu wenig über den Kapitalmarkt und zu sehr über die reine Bankenfinanzie- rung. Hier setzt Hill an und komplettiert damit Junckers Beschäftigungs- und Wachstumsinitiative, die aufseiten der Investitionen im Juncker-Plan, dem 315-Milliarden- Euro-Paket, verankert ist. Auch sieht die Kommission kritisch, dass der europäi- sche Finanzmarkt seit der globalen Finanzkrise 2007/ 2008 zu sehr an nationalen Grenzen haltmache. Durch die Kapitalmarktunion soll das Angebot an al- ternativen Finanzierungsoptionen für Unternehmen ver- breitert werden, um Kapitalmarktfinanzierung insbeson- dere zugunsten von kleinen und mittelständischen Unternehmen zu diversifizieren und zusätzliche Alterna- tiven zur klassischen Bankenfinanzierung zu ermögli- chen. Auch soll die Kapitalmarktunion für mehr Investitio- nen aus Drittstaaten attraktiver werden und das Finanz- system durch die Erschließung einer breiteren Palette an Finanzierungsquellen stabilisieren. Immer wieder betont Hill, auch zuletzt hier im Bun- destag in einem Gespräch mit dem Finanzausschuss, die Kapitalmarktfinanzierung könne für Deutschland nur er- gänzend sein. Lassen Sie mich nun erläutern, welche Punkte wir hier kritisch sehen und uns auch im Antrag dementspre- chend äußern. Bei all den Reformen, die Hill hier anstrebt, dürfen vor allem der deutsche Schuldschein- und Pfandbrief- markt nicht leiden. Auch muss Hill sich Gedanken dazu machen, welche Maßnahmen für die Eigenkapitalfinanzierung ergriffen werden können – hier muss es vor allem grenzüber- schreitende Lösungen geben, damit Risiken verantwor- tungsvoll gestreut werden. Zwingend, und das ist mein Hauptpunkt, darf der Zu- gang zur Bankenfinanzierung als Folge der Kapitalmarkt- union nicht erschwert werden. Seit Jahrzehnten bewährt sich das deutsche Drei-Säu- len-Modell, insbesondere in Krisenzeiten, wie die letzten Jahre zeigen. Die Sparkassen und Genossenschaftsban- ken haben sich tapfer durch die Krise geschlagen und sie sicher nicht verursacht. Kleine und mittlere Unterneh- men vertrauen seit jeher auf die verlässliche Finanzie- rung bei ihrer Hausbank, mit der sie eine Vertrauensbe- ziehung eingegangen sind – aus gutem Grund. Hier ist Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 103. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Mai 2015 9915 (A) (C) (D)(B) jemand greifbar, man kennt sich, man kennt die Um- stände, weiß, mit wem man es zu tun hat. Die Vertrau- ensbeziehung droht in der Kapitalmarktfinanzierung kaputtzugehen – und ich sehe kein kleines oder mittel- ständisches Unternehmen in meinem Wahlkreis in Bay- ern, das nun Prospekte anfertigen lässt und Anleihen ausgibt. Hier kann die Rede nur von einem sehr geringen Anteil an den kleinen und mittelständischen Unterneh- men sein, die davon Gebrauch machen würden – und wohl auch zu Recht. Viel eher müssen wir hier darüber sprechen, wie klei- nen Unternehmen der Zugang zur Bankenfinanzierung erleichtert werden kann – und hier dürfen wir nicht nur an deutsche Unternehmen und Kreditinstitute denken, sondern auch an die von der Kreditklemme bedrohten Unternehmen und Banken in den europäischen Mitglied- staaten. Hier erwarte ich von der Kommission, dass sie sich mit gleichem Elan dafür einsetzt, in diesen Staaten eine leistungsfähige Bankenstruktur, insbesondere Re- gionalbanken, zu etablieren. Den Proportionalitätsgrundsatz bei Regulierung und Finanzierungsauflagen dürfen wir nicht aus den Augen verlieren, das heißt, keine Finanzierungsform darf be- vorzugt oder benachteiligt werden. Insgesamt müssen hier Wirkungen und Wechselwirkungen bestehender und noch nicht in Kraft getretener Finanz- und Kapitalmarkt- regelungen umfassend analysiert und evaluiert werden, bevor neue Vorhaben kommen. Strukturen lokal und regional ausgerichteter Kreditin- stitute müssen europaweit verankert und gefördert wer- den. Die Kapitalmarktunion ersetzt in keinem Falle not- wendige Investitionen und Strukturreformen. Hier müssen wir trotz des Hill-Vorhabens zusehen, dass sowohl Investitionen europaweit als auch Struktur- reformen endlich kommen und durchgesetzt werden. Dazu gehört natürlich auch die konsequente Anwendung des Stabilitäts- und Wachstumspakts – hier müsste die Kommission viel strikter sein. Wichtig ist uns auch, im Antrag zu verdeutlichen, dass wir für KMU eine Bilanzierungspflicht nach IFRS vehement ablehnen. In Deutschland hat sich die Rech- nungslegung nach HGB bewährt, sie funktioniert. Auch die hohe Qualität der Verbriefungen muss gesi- chert sein, gerade nach der Erfahrung der Finanzkrise! Lassen Sie mich zusammenfassen: Jeder Mitgliedstaat der EU besitzt sein ganz eigenes, historisch gewachsenes Finanzsystem. Wie und wo Menschen Geld anlegen, wie hoch ihre Sparquote ist und welchen Partnern sie bei ihren Finanzierungsentschei- dungen vertrauen, beruht auf individuellen Erfahrungen und ist oft auch eine Mentalitätsfrage. Prägend für Deutschland sind die hohe Mittelstands- quote und der große Anteil an Kreditfinanzierungen, ge- tragen vom Drei-Säulen-Modell der Kreditwirtschaft. Diese Strukturen haben sich insbesondere in der Finanzkrise als robust erwiesen. Mehr Kapitalmarkt kann allenfalls eine sinnvolle Ergänzung sein. Ich er- warte von der Kommission, dass sie sich für eine effi- ziente Bankenfinanzierung mit starken Regionalbanken mit gleichem Elan einsetzt wie für den Kapitalmarkt. Aus meiner Sicht, und das machen wir im Antrag deutlich, müssen die Rahmenbedingungen für kleine und mittlere Kreditinstitute und KMU gestärkt werden. Wir haben es hier mit einer gesunden Symbiose zu tun, die, wenn wir nicht aufpassen, in Parasitismus umschla- gen kann, wenn erst dubiose Unternehmen Anleihen emit- tieren, die möglicherweise ahnungslose Verbraucher kau- fen. Dann ist nichts gewonnen. Im Gegenteil, dann heißt es: „Zurück auf Los!“ Christian Petry (SPD): Im Februar 2015 hat EU- Finanzmarktkommissar Jonathan Hill sein Grünbuch zur Schaffung einer europäischen Kapitalmarktunion vor- gestellt. Kern dieser Vorschläge ist eine stärkere Har- monisierung der europäischen Kapitalmärkte, um so zu- sätzliche, grenzüberschreitende Finanzierungsquellen für kleine und mittlere Unternehmen zu schaffen. Durch diese neuen Finanzierungsmöglichkeiten sollen Wirt- schaftswachstum und Beschäftigungszuwachs generiert werden. Die europäische Kapitalmarktunion ist damit vor al- lem eines: ein weiterer Schritt hin zu mehr Europa und einer noch engeren Verflechtung mit unseren europäi- schen Nachbarn. Mehr als 50 Jahre nach Unterzeichnung der Römischen Verträge ist es an der Zeit, den freien Ka- pitalverkehr in der EU endlich umzusetzen. Ich denke, dass dieses Ziel grundsätzlich sehr unterstützenswert ist. Gerade im südlichen Europa ist die Kreditfinanzie- rung durch Banken für Unternehmen oftmals schwierig. Trotz der anhaltenden Niedrigzinsphase werden dort nur wenige Bankkredite zur Unternehmensfinanzierung ver- geben. Eine europäische Kapitalmarktunion kann hierbei zusätzliche Finanzierungsquellen für Unternehmen schaffen. Mit Blick auf die Schaffung einer europäischen Kapi- talmarktunion ist die entscheidende Frage, was wir ge- nau unter einer solchen Kapitalmarktunion verstehen und welche Einzelmaßnahmen aus dem Grünbuch der Kommission in welchem Umfang umgesetzt werden. Es ist wichtig, dass sich der Deutsche Bundestag mit dem vorliegenden Antrag am Konsultationsverfahren der Kommission beteiligt und zum Grünbuch klar Stellung bezieht. Das enge Zeitfenster zur parlamentarischen An- tragsberatung ist der Tatsache geschuldet, dass der Kon- sultationsprozess der Kommission bereits Mitte Mai 2015 endet. In dieser Wahlperiode haben wir viele europäische Vorgaben umgesetzt. Ich denke da beispielsweise an die einheitliche Bankenaufsicht, den Bankenabwicklungs- mechanismus oder an die neuen Vorgaben für die euro- päischen Einlagensicherungssysteme. Ein Ziel stand für uns Parlamentarier dabei immer im Zentrum unseres Handelns: die Verbesserung des Ver- braucher- und Anlegerschutzes. Es ist kaum eine Debatte 9916 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 103. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Mai 2015 (A) (C) (D)(B) vergangen, in der wir nicht auf die Lehren aus der letzten Finanzmarktkrise eingegangen sind und die damit ein- hergehende Notwendigkeit besserer und transparenterer Regulierung der Finanzmärkte. Hinter diesen Anspruch dürfen wir in der Debatte um die Schaffung einer europäischen Kapitalmarktunion nun nicht zurückfallen. Wenn die Kommission etwa die Novellierung der Prospektrichtlinie ins Spiel bringt, dann dürfen Vereinfachungen zur besseren Handhabbar- keit der Vorgaben nicht mit einem niedrigeren Standard beim Anlegerschutz einhergehen. Laut Grünbuch sollen darüber hinaus Anreize für pri- vate Haushalte geschaffen werden, verfügbares Geld verstärkt in Wertpapiermärkten anzulegen. Die Kommis- sion zieht diesen Schluss aus ihrer Analyse, wonach Pri- vathaushalte ihr Vermögen einseitig und wenig ertrag- reich auf Bankkonten halten. An dieser Stelle teile ich die Ansicht der Kommission nicht. Ich glaube, dass viele Kunden in Europa die Sicherheit von Bankkonten be- wusst wählen und risikoreichere Investitionen am Kapi- talmarkt scheuen. Anlageformen, die ein hohes finan- zielles Verlustrisiko bergen, sind für Kleinanleger oftmals nicht geeignet. Die von der Kommission in die- sem Zusammenhang vorgeschlagenen Maßnahmen müs- sen daher sehr genau geprüft werden. Das gilt auch für die im Grünbuch angesprochenen „hochwertigen“ Ver- briefungen. Neben dem Aspekt des Verbraucherschutzes darf die Umsetzung der Kapitalmarktunion auch nicht zur Schwächung etablierter Strukturen in Deutschland füh- ren. Bei den anstehenden Verhandlungen auf europäi- scher Ebene werden wir uns daher dafür einsetzen, dass das in der Bundesrepublik etablierte bankbasierte Sys- tem der Unternehmensfinanzierung durch die Schaffung eines europäischen Binnenmarktes für Kapital nicht ge- schwächt wird. Die Kommission regt ferner an, den Markt für Privat- platzierungen zu erleichtern. Auch dies ist ein interes- santer Vorschlag, um ruhendes Kapital, das zurzeit au- ßerhalb Europas investiert wird, wieder nach Europa zurückzuholen. Richtig ist auch das langfristige Ziel der Kommission, weitere Rechtsgebiete wie etwa das Wertpapier-, das In- solvenz- oder das Steuerrecht europaweit anzugleichen. Die höchsten Standards müssen dabei der Maßstab für jegliche Angleichung sein. Das aktuelle Konsultationsverfahren der Kommission sowie die anschließende Analyse und Priorisierung der umzusetzenden Maßnahmen sind wichtig, um die euro- päische Kapitalmarktunion innerhalb des anvisierten Zeitfensters umsetzen zu können. Als zuständiger Be- richterstatter meiner Fraktion werde ich diese Konsulta- tionen kritisch begleiten. Bis Herbst 2015 erwarten wir den Aktionsplan der Kommission, die Kapitalmarkt- union soll dann bis 2019 umgesetzt werden. Das ist sehr ambitioniert und wird uns noch viele Gelegenheiten zur Diskussion in den parlamentarischen Gremien bieten. Die Krise der vergangenen Jahre hat eines ganz deut- lich gemacht: Perspektivisch muss die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion durch die Harmonisie- rung weiterer Politikbereiche weiterentwickelt werden. Nur so können wir unsere Ziele bei Wirtschaftswachs- tum und Beschäftigung erreichen. Klar ist: Die Europäische Union profitiert von der Angleichung weiterer, bislang national geregelter Poli- tikbereiche. Mit der Harmonisierung der europäischen Kapitalmärkte sind wir hier auf einem guten Weg hin zu mehr Europa. Manfred Zöllmer (SPD): Die Europäische Kommis- sion hat im Februar dieses Jahres das Grünbuch „Schaf- fung einer Kapitalmarktunion“ veröffentlicht. Bis zum 13. Mai läuft hierzu eine öffentliche Konsultation. Die Koalitionsfraktionen legen deshalb den vorliegenden Entschließungsantrag vor, der sich auf das Verhand- lungsmandat der Bundesregierung bezieht und die deut- sche Position zu diesem Vorhaben beschreibt. Mit dem Grünbuch verfolgt die Europäische Kom- mission das Ziel, durch einen integrierten Kapitalbin- nenmarkt den Zugang zu Finanzmitteln für alle Unter- nehmen in ganz Europa – insbesondere für KMU – zu verbessern, die Finanzierungsquellen für Anleger aus der EU und dem Rest der Welt auszuweiten und zu di- versifizieren sowie effizientere Märkte zu schaffen, die Anleger und Unternehmen mit Finanzierungsbedarf so- wohl innerhalb der Mitgliedstaaten als auch grenzüber- greifend wirksamer und kostengünstiger zusammenzu- bringen. Das Ziel, für mehr Wachstum und Beschäftigung in Europa unter anderem durch erleichterte Finanzierungs- möglichkeiten zu sorgen, wird von uns sehr begrüßt. Es geht darum, zu analysieren, welche Strukturen bewährt sind und wo Reformen notwendig sind, um die Finan- zierungsmöglichkeiten für Unternehmen zu verbessern. Die im Grünbuch von der Europäischen Kommission geäußerte Kritik an der zu starken Abhängigkeit der Un- ternehmensfinanzierung von Banken und die daraus re- sultierende Forderung nach mehr ergänzenden Kapital- marktfinanzierungen können wir für Deutschland nicht teilen. Wir haben zu 80 Prozent eine Bankenfinanzie- rung. Das deutsche Bankensystem kann die Unterneh- men ausreichend mit Krediten versorgen. Wir haben deshalb im Antrag darauf hingewiesen, dass der Zugang zur Bankenfinanzierung als Folge einer Kapitalmarktunion zukünftig nicht erschwert werden darf. Das deutsche Drei-Säulen-Modell hat sich bei der Kreditversorgung bewährt. Es gibt in Deutschland keine Kreditklemme. Insbesondere KMU werden weiterhin auf Finanzierung durch ihre Hausbank vertrauen. Eine erweiterte Finanzierung über die Kapitalmärkte kann deshalb nur eine Ergänzung sein. Wir sollten daher nicht nur einseitig nach neuen Finanzierungsmöglichkeiten durch den Kapitalmarkt schauen, sondern auch über Verbesserungen der Banken- finanzierung für kleine Unternehmen nachdenken. So kann die Kreditversorgung des Mittelstands durch kleine Banken erleichtert werden, wenn ein auf sie zugeschnit- tenes regulatorisches Regime genügend Freiräume lässt Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 103. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Mai 2015 9917 (A) (C) (D)(B) und der Proportionalitätsgrundsatz in der Regulierung zukünftig noch stärkere Beachtung findet. Darüber hi- naus darf eine Reform die Finanzmarktstabilität nicht gefährden. Darüber hinaus darf der Verbraucher- und Anlegerschutz nicht ausgehöhlt werden. Ein weiterer wichtiger Punkt betrifft die vorgeschla- gene Wiederbelebung des Verbriefungsmarktes. Durch Verbriefungen hoher Qualität kann ein Finanzierungs- spielraum bei den Banken geschaffen werden, der den KMU zugutekommen könnte. Wir erinnern uns aber gleichzeitig und sehr ungern an die Finanzmarktkrise, bei der Verbriefungen eine un- rühmliche Rolle gespielt haben. Das gilt jedenfalls für die USA. Sicherlich ermöglicht die Verbriefung den Banken, die Kreditrisiken nicht bis zur Endfälligkeit zu tragen, sondern an diejenigen Marktteilnehmer zu übertragen, die die besseren Voraussetzungen zur Risikotragfähig- keit mitbringen. Dies gilt aber nur, wenn sie einfach und transparent sind. Nur dann kann der Markt die Qualität und damit die Risiken dieser Produkte bewerten. Nur dann ergeben sich keine neuen Risiken für die Finanz- marktstabilität. Aus unserer Sicht müssen deshalb die von der Kom- mission als prioritär eingestuften Maßnahmen zur Wie- derbelebung eines qualitätsorientierten und nachhaltigen europäischen Verbriefungsmarktes intensiv geprüft wer- den. Zudem wollen wir an der bewährten Rechnungsle- gung für den deutschen Mittelstand nach dem Handels- gesetzbuch festhalten und lehnen für kleine und mittlere Unternehmen eine Bilanzierungspflicht nach den Inter- national Financial Reporting Standards oder nach einem neu zu schaffenden dritten vermittelnden Standard ab. Insgesamt begrüßen wir die Initiative der Europäi- schen Union, mit der Schaffung einer Kapitalmarktunion die Finanzierungsmöglichkeiten für Unternehmen durch eine breitere Produktpalette, mehr Transparenz und mehr Wettbewerb zu verbreitern, damit zusätzliches Wachs- tum und Beschäftigung in Europa entstehen. Susanna Karawanskij (DIE LINKE): Mit dem Grünbuch zur Schaffung einer Kapitalmarktunion liegt nun eine Diskussionsgrundlage vor, mit der die Harmo- nisierung der Kapitalmärkte innerhalb der Europäischen Union skizziert wird. Nachdem sich im Zuge der Finanz- und Staatsfinanzierungskrise die Finanzmärkte wieder ein Stück nationalisiert hatten, sollen diese wieder stär- ker integriert werden. Mit dem Mehr an Harmonisierung sollten aber gleichzeitig die europäischen Aufsichtsbe- hörden EBA, ESMA und EIOPA gestärkt werden. Wichtig ist ebenfalls, klein- und mittelständischen Unternehmen, KMU, sichere und vielfältige Finanzie- rungswege zu bieten. Bei der Gesamtbetrachtung sollte man sich die zwei vorherrschenden Motive für die geplante Kapitalmarkt- union vor Augen führen: Zum einen sollen zusätzliche Finanzmittel freige- schaufelt werden, um Investitionen von Unternehmen anzukurbeln, verbunden mit der Hoffnung, mehr Wachs- tum zu schaffen. Das ist insoweit verständlich, als Ban- ken in der Krise weniger Kredite vergaben, da sie bei- spielsweise mehr Eigenmittel aufbauen mussten. Diese Probleme sind aber hausgemacht, weil der Bankensektor nicht neu geordnet wurde und weil Kürzungsdiktate dazu führten, dass nicht mehr so viele Bankkredite nach- gefragt wurden. Doch darf dies nicht dazu genutzt wer- den, wichtige Regulierungen wieder zurückzufahren – solche Stimmen sind leider schon wieder allzu häufig zu vernehmen. Zum anderen ist der deutliche Trend zu beobachten, dass die althergebrachte starke Abhängigkeit von der einlagenbasierten Kreditwirtschaft bzw. von der Ban- kenfinanzierung gebrochen werden soll. Die Folge ist eine viel stärker kapitalmarktfinanzierte, kaum regulierte und intransparentere Wirtschaft, mit einer hervorgehobe- nen Rolle von spekulativen Investmentfonds beispiels- weise. Wir brauchen jedoch keinen Shareholder-Value- Kapitalmarkt, sondern einfache, wirtschaftliche und so- ziale Kriterien erfüllende, langfristig orientierte Finanz- instrumente. Daher klingt es im Antrag der Koalitionsfraktionen wie ein Lippenbekenntnis, wenn Sie schreiben, dass „der Zugang zur Bankenfinanzierung als Folge der Kapital- marktunion nicht erschwert“ und das deutsche Drei-Säu- len-Modell bewahrt werden soll. Das wird lediglich als windelweiche Erwartung an die Kommission formuliert, wobei deutlich mehr Druck und entschiedenes Handeln angesagt wären. Lippenbekenntnis auch deswegen, weil Sie mehrmals unverhohlen „alternative kapitalmarktba- sierte Unternehmensfinanzierung“ oder „Alternative zur klassischen Bankenfinanzierung“ schreiben, womit Sie Ihre eigenen Erwartungen konterkarieren. Die Linke wird weiterhin kein Bankenschwächungs- programm zugunsten von wild wuchernden, anonymen Kapitalmärkten und Riesenfonds durchwinken. Wir wer- den es nicht zulassen, dass durch strikte Abhängigkeit vom Kapitalmarkt noch mehr die Finanzstabilität ge- schwächt wird. Ein weiterer Punkt ist, dass vielfältigere Finanzie- rungsmittel vor allem dann effektiv wirken, wenn unter anderem der Schattenbanksektor in der EU reguliert ist. Hier ist der Antrag der Koalition bemerkenswert, weil Sie schreiben, dass die Kapitalmarktunion nicht dazu führen darf, dass rein spekulative Anlagemöglichkeiten gefördert werden. Das unterstützen wir. Doch damit er- teilen Sie Ihrer eigenen Regierung eine gewaltige Schelte. Auf EU-Ebene wurde bisher lediglich ein zwei- felhafter Verordnungsvorschlag zur Regulierung von Geldmarktfonds vorgelegt. Daneben gab es bislang nichts. Es ist nicht ersichtlich, dass sich die Bundesregie- rung ernsthaft für eine strenge Regulierung des Schatten- banksektors einsetzt. Insofern unterstützen wir als Linke diese Kritik der Koalition an der Bundesregierung. Das Grünbuch Kapitalmarktunion regt an, die Ver- briefung von Krediten wieder anzufeuern und damit den Markt für wertpapierbesicherte Verbriefungen wiederzu- 9918 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 103. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Mai 2015 (A) (C) (D)(B) beleben. Auch wenn die Koalition in ihrem Antrag von Verbriefungen mit „hoher Qualität“ spricht, so ist diese Betrachtung zu unkritisch. Obwohl Verbriefungen ersten Grades – und gerade nicht das Bündeln und Wiederver- packen – realwirtschaftlich sinnvoll sein können, sollten Sie Giftpapiere und das ganze Finanzmonopoly lieber unterm Tisch lassen, damit niemand sagen kann „Nicht aus der Krise gelernt, gehen Sie zurück auf Los“. Sie sollten die Kommission besser dahin drängen, das Si- cherheitsbedürfnis der Menschen zu befriedigen, anstatt sie in waghalsige Abenteuer zu locken. Wir unterstützen es, wenn die Prospektrichtlinie tat- sächlich streng unter Verbraucherschutzaspekten überar- beitet wird. Neben einer Standardisierung der Prospekte ist es dringend notwendig, dass ein Prospekt vollständig in die Sprache des Zielstaates, also des Staates, wo das Produkt vertrieben werden darf, übersetzt werden muss und der Anleger in seinem Heimatstaat klagen kann. Sie wollen es doch nicht länger zulassen, dass der Anleger auf eigene Kosten den Prospekt übersetzen lassen muss, falls er einen Schaden erleidet und prüfen möchte, ob der Pros- pekt fehlerhaft ist? Das kostet locker mal 20 000 Euro. Aus unserer Sicht muss der Emittent für die Übersetzun- gen und deren Kosten geradestehen. Auch hier darf der Verbraucherschutz nicht zugunsten des Binnenmarktes geopfert werden. Abschließend möchte ich noch darauf zu sprechen kommen, dass im Grünbuch vorgeschlagen wird, Inves- titionen in öffentliche Infrastrukturprojekte insbesondere privaten Investoren – Versicherungen und Banken – leichter zu machen. Hier in Deutschland wurden durch die sogenannte Fratzscher-Kommission unter anderem die „öffentlichen Infrastrukturfonds“ vorgestellt. Was wir vergangene Sitzungswoche in der Aktuellen Stunde in Bezug auf Deutschland kritisiert haben, wird auf euro- päischer Ebene nicht besser: Die Linke sieht die Gefahr, dass eine große Welle an Privatisierung öffentlicher In- frastruktur auf uns zurollt. Gewinner werden zum Beispiel Versicherungen sein, die leichter und mehr in solche Projekte investieren kön- nen. Dabei investieren sie primär Kundengelder. Für diese Investments ist nun laut Grünbuch sogar geplant, Infrastrukturinvestitionen, insbesondere in den Eigenka- pitalvorschriften für Banken und Versicherungen, weni- ger streng regulatorisch zu behandeln. Dadurch werden diese zweifellos riskanteren Investments weniger abgesi- chert, wodurch noch schneller Kundengeld weg sein kann. Da der Staat ein öffentliches Projekt aber kaum fallen lassen wird, wird er einspringen. Die Zeche wer- den die Steuerzahler, also erneut die Bürger, zahlen – in doppelter Weise –, während sich Versicherungen genüss- lich die fast risikolose Zusatzrendite einverleiben. Diese Öffentlichen Privaten Partnerschaften begünstigen ein- seitig Versicherungen und Banken und schaden letztlich uns allen. So wird man auf lange Sicht gerade nicht die Investitionsbremse lockern und für nachhaltiges Wachs- tum sorgen. Daher sollten wir uns dringend dafür einsetzen, dass die Anregungen aus dem Grünbuch in dieser Art nicht Wirklichkeit werden und wir eine Kapitalmarktunion schaffen, die herkömmliche Kreditvergabe nicht behin- dert und Verbraucher nicht hinters Licht führt. Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Gestatten Sie mir eine Bemerkung vorab: Das Grünbuch der Europäischen Kommission zur Kapitalmarktunion wurde am 18. Februar dieses Jahres veröffentlicht. Seit- dem läuft das Konsultationsverfahren. Eigentlich genü- gend Zeit, um sich eine Meinung zu bilden. Schade, dass die Koalition ihre Stellungnahme in Form des nun vor- liegenden Antrags erst vorgestern angekündigt hat. Wir hätten hier als Deutscher Bundestag die Chance gehabt, gemeinsam ein starkes Signal nach Brüssel zu senden. Dies hätte ich schon für möglich gehalten, denn es ist ja nicht alles schlecht, was im Antrag der Koalition steht. Wir Grüne begrüßen, dass der Antrag der Koalition so großen Wert auf das Proportionalitätsprinzip legt. Kleine Banken müssen regulatorisch anders behandelt werden als große. Auch die Senkung von Markteintrittsbarrie- ren, um regionale Bankgründungen in Europa voranzu- bringen, ist richtig. Zurück zum Bankgeschäft, das der Realwirtschaft dient, sozusagen zum Boring Banking, das ist der richtige Ansatz. Wir sollten in der Tat dafür sorgen, dass das klassische Einlagen- und Kreditge- schäft, betrieben von lokal agierenden Banken mit regio- nalem Wissen und intensiver Beziehung zu ihren Kredit- nehmern, wieder Kern der Finanzintermediation wird. Ein anonymer Kapitalmarkt kann diese individuellen Finanzierungsmodelle für einen Großteil der Unterneh- men gar nicht bereitstellen, und der bürokratische Auf- wand für die Unternehmen wäre viel zu hoch. Richtig an dem Antrag ist auch die Aussage, dass die Förderung von Kapitalmarktfinanzierungen nicht auf Kosten der Finanzstabilität geschehen darf. Deshalb ist das Problem der Regulierung des Schattenbankenbe- reichs zu Recht angesprochen. Die Regulierung muss verhindern, dass sich die Risiken aus dem Bankbereich schlicht in das Schattenbanksystem verlagern lassen. Wir als Gesetzgeber müssen außerdem verhindern, auch das ist in dem Antrag der Koalition adressiert, dass wir Begehrlichkeiten aus der Branche nachgeben und Regu- lierungsvorschriften wieder auf Kosten der Finanzstabi- lität lockern. Die Stärkung des Marktes für Beteiligungen am Ei- genkapital erachten wir für zentral, da es Risiken streut und den Finanzmarkt durch gestärkte Verlustabsorption stabilisiert. Hier bleibt der Antrag der Koalition leider unkonkret. Ich halte es für wichtig, dass die steuerpoli- tisch unsinnige Bevorzugung von Fremdkapital gegen- über Eigenkapital ernsthaft angegangen wird. Die Ab- schaffung der Abgeltungsteuer ist dafür ein wichtiger Schritt, den wir Grünen seit Jahren fordern. In der Gesamtbetrachtung können wir dem Antrag je- doch nicht zustimmen, weil er ganz wesentliche Dinge schlicht nicht anspricht. An den Finanzmärkten sind der- zeit teilweise immer noch, teilweise erneut extreme Risi- ken zu beobachten. Dies bestätigen auch die Analysen des Internationalen Währungsfonds, der im April in sei- nem Finanzstabilitätsbericht dargestellt hat, wie diese Risiken im letzten halben Jahr noch einmal gestiegen sind. Auch aus den Analysen des Europäischen System- risikorats und dem Ausschuss für Finanzstabilität schließe ich, dass es fatal wäre, aus den zahlreichen Ge- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 103. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Mai 2015 9919 (A) (C) (D)(B) setzen zur Finanzmarktregulierung, die wir in den letz- ten Jahren verabschiedet haben, zu schließen, dass die Märkte sicherer oder stabiler geworden sind. Das lässt sich nicht belegen. Es bauen sich im Finanzmarktsystem vielmehr Risiken auf, die schwer zu kontrollieren sind. Die globalen Ungleichgewichte sind teilweise größer als vor Ausbruch der Finanzmarktkrise. Insofern sind wir mit der Regulierung nicht am Ziel. Dennoch wäre ein „Mehr desselben“ falsch. Europa braucht nicht noch mehr Regulierung, sondern Europa braucht eine andere Regulierung. Finanzmärkte sind in Relation zur Real- wirtschaft in den letzten Jahrzehnten in einem schwin- delerregenden Ausmaß gewachsen. Das gilt nicht nur, aber auch im Bankensektor. Hier schlummern noch im- mense Risiken in Europa: Die Höhe der notleidenden Kredite ist weiterhin besorgniserregend hoch, laut IWF bei 900 Milliarden Euro allein in der Euro-Zone. Auch spricht der IWF von einer Verschiebung der Risiken vom Bank- in den sogenannten Schattenbankenbereich. Die Kapitalmarktunion löst keines dieser Probleme. Die Koalition hat recht, wenn sie im Antrag fordert, dass Europa bei der Regulierung des sogenannten Schatten- bankenbereichs vorankommen muss, da sich genau hier neue Risiken aufbauen. Aber auch der Antrag der Koali- tion springt zu kurz. Ein Grünbuch, das das Aushänge- schild eines Kommissars sein soll, der für Finanzstabili- tät zuständig ist, das nicht auf die wesentlichen Stabilitätsprobleme des europäischen Finanzmarktes eingeht, muss aus unserer Sicht grundsätzlicher ange- gangen werden, als Sie es in Ihrem Antrag tun. Wir müs- sen die Finanzmärkte endlich an die Leine legen und die Risiken in den Griff bekommen. Zudem fehlt mir in Ihrem Antrag Kritik an der Kom- mission zu einigen Punkten, die ich im Grünbuch ver- misse. Die Kapitalmarktunion hat das anspruchsvolle Ziel, Investitionen in Europa und damit Beschäftigung und Wachstum zu fördern. Dabei vernachlässigt die Europäische Kommission jedoch den Aspekt der Nach- haltigkeit – eigentlich doch eine Priorität der Kommis- sion! Ein Finanzsystem, das die Erhaltung unserer Le- bensgrundlagen außer Acht lässt, ist nicht stabil. Gerade Reformen, die langfristige Investitionen erleichtern, sind ein zentrales Vehikel, die grüne Transformation unserer Volkswirtschaften voranzutreiben. Mit dem Green New Deal streiten wir Grüne seit Jahren für eine nachhaltige und soziale Ausrichtung der Finanzmärkte. Die spekula- tiven Exzesse der Branche müssen gestutzt werden, um realwirtschaftliche, insbesondere „grüne“ Investitionen zu ermöglichen. Hier wünschen wir uns eine klarere Positionierung im Grünbuch als in Ihrem Antrag, damit zukunftsweisende Infrastrukturen wie erneuerbare Ener- gien oder nachhaltige Geschäftsmodelle auf adäquate Finanzierungen zurückgreifen können. Diese Chance darf im Zuge der Errichtung einer Kapitalmarktunion nicht vertan werden. Wir stehen der Wiederbelebung des Marktes für hoch- wertige Verbriefungen nicht prinzipiell skeptisch gegen- über. Allerdings bemängeln wir, dass das Grünbuch hier sehr unkonkret bleibt. Bei der Auslagerung von Kredit- portfolios aus Bankbilanzen muss dringend darauf ge- achtet werden, dass Risiken für alle Marktteilnehmer transparent bleiben. Eine Verbriefung, die lediglich Kre- dite in Zweckgesellschaften zusammenbringt und durch Pooling der Risiken die Marktfähigkeit erhöht, ist durch- aus sinnvoll. Wenn allerdings durch intransparente Strukturierungen Risiken verschleiert werden, dann schlittern wir in ähnliche Verhältnisse wie diejenigen, die zur Subprime-Krise 2007 und letztendlich zur schlimmsten Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Welt- krieg geführt haben. Außerdem fehlt uns an dem Antrag der Koalition die Kritik, dass die Kommission zum Teil mit ihren Vor- schlägen lediglich öffentlichkeitswirksame Symptombe- kämpfung betreibt. So richtig es ist, dass wir angebots- seitig einen Kapitalüberhang und Überschussliquidität beobachten können, so entscheidend ist es, die zugrunde liegenden Ursachen für die mangelnde Investitionstätig- keit zu analysieren und politisch gegenzusteuern. Die Investitionsschwäche liegt nicht primär, wie von der Kommission suggeriert, in mangelndem Zugang zu Finanzierungsmitteln, sondern zuvorderst an einer stag- nierenden gesamtwirtschaftlichen Nachfrage. Dies hat auch der Internationale Währungsfonds jüngst in seinem Frühjahrsbericht gezeigt. In den europäischen Krisenlän- dern ächzen Unternehmen und Privathaushalte unter ex- zessiver Verschuldung und investieren nicht, die Staaten dürfen es aufgrund der Vorgaben des Fiskalpakts oder der Strukturanpassungsprogramme nicht. Richtig ist, dass kleine und mittlere Unternehmen ins- besondere in Krisenstaaten nur noch erschwert an Bank- kredite kommen, da die Institute unter dem großen An- teil notleidender Kredite in den Büchern ächzen und daher risikoavers agieren. Aber auch hier wäre eine grundsätzlichere Sanierung des Bankensektors die ziel- führendere Alternative. Bis 2016 müssen die europäi- sche Richtlinie zur Bankensanierung und -abwicklung, BRRD, und die darin enthaltenen Instrumente der Gläu- bigerbeteiligung in nationales Recht umgesetzt werden. Dieses neue Regime zur Bankenrestrukturierung muss dann auch genutzt werden, um endlich Klarheit zu schaf- fen und die schlummernden Lasten in den Bankbilanzen auf die Eigentümer und Gläubiger zu verteilen. Europa muss endlich aufwachen und ehrlich die Probleme auf den Bankbilanzen und hinsichtlich der schwachen gesamtwirtschaftlichen Nachfrage anpa- cken, anstatt endlos an Symptomen auf der Angebots- seite herumzudoktern. Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: EU-Lateinamerika- Gipfel – Beziehungen auf gegenseitigem Re- spekt begründen (Tagesordnungspunkt 17) Dr. Georg Kippels (CDU/CSU): Bei diesem Antrag der verehrten Kollegen der Linken drängt sich doch die Frage auf, ob man sich nicht einfach torschlusspanikar- tig genötigt sah, auf eine Entwicklung in Kuba zu reagie- 9920 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 103. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Mai 2015 (A) (C) (D)(B) ren, die man nicht vorhergesehen hat, und auch noch jetzt nicht dazu bereit ist, zu konzedieren, dass das sozia- listische System vor den Realitäten kapituliert hat. Ich kann ja durchaus nachvollziehen, dass es schon sehr schmerzlich sein muss, mit anzusehen, dass 50 Jahre ideologische Diskussion einfach nicht in der Lage wa- ren, die realen Lebensverhältnisse der Menschen in Kuba und auch in den sozialistisch regierten Staaten La- teinamerikas in funktionierende Gemeinwohlsysteme umzuformen. Der Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit hatte offenbar in einer weisen Voraussicht oder Einge- bung schon vor über einem Jahr eine Reise nach Kuba in den Reiseplan aufgenommen, die nun im April 2015 durchgeführt wurde – wenige Monate, nachdem es zu denkwürdigen Öffnungen und Begegnungen gekommen war bzw. kommen sollte. Eigentlich gehört es zur politi- schen Ehrlichkeit, bei diesem Ablauf nicht ernsthaft dem BMZ und Minister Müller den Vorhalt zu machen, dass dieser Prozess noch nicht im neuen Lateinamerika-Pro- gramm verarbeitet worden ist. Es gehört schon viel Fan- tasie dazu, diese Entwicklung als Akt der Befreiung von hegemonialer Beherrschung durch die USA zu bezeich- nen. Wie sehen denn die Realitäten in Kuba aus? 70 Prozent der Ackerflächen sind nicht bearbeitet. 80 Prozent der benötigten Nahrungsmittel werden im- portiert und werden mit 2 Milliarden Dollar aus Erlösen venezuelanischer Öllieferungen refinanziert. Die Misere der Nahrungsmittelversorgung kann nun aber keines- wegs der Blockadepolitik der USA angelastet werden. Vielmehr sieht man die Perspektive in einer akademi- schen Ausbildung, die durchaus auch beachtliche Leis- tungen in der medizinischen Ausstattung hervorbringt. Doch diese Errungenschaft wird in Exporte medizini- scher Leistung gegen Devisen umgesetzt. Die von Ihnen verurteilte Privatwirtschaft bahnt sich demgegenüber selbst ihre Bahn und mündet nun in zaghaften Entwicklungen von Handel, Tourismus und Gastronomie. Privatwirtschaft war nicht die Knute, sondern ist nun die Basis für eine wirtschaftliche Entwicklung der Ge- sellschaft und die Bildung selbstständiger Strukturen. Das sozialistische System der Geschlossenheit und der staatlichen Daseinsvorsorge ohne Refinanzierung hat den Niedergang des Systems vorprogrammiert. Kuba braucht nun Hilfe zur Strukturbildung und zur Nutzung der unzweifelhaft vorhandenen Ressourcen und Rah- menbedingungen für Landwirtschaft und Handwerk. Ein Wirtschaftssystem kann nicht direkt in reine dienstleis- tungsorientierte Strukturen überführt werden. Wenn sie im Antrag von Verdrängungswettbewerb bzw. Privatisierungs- und Liberalisierungsforderungen sprechen und diese verurteilen, wird dies durch die jet- zige Entwicklung exakt widerlegt. Privatisierung hat mit Sicherheit keinen Schaden angerichtet, wie Sie im An- trag vorwerfen, sondern ist der notwendige Weg in die Selbstverantwortung der Bürgerinnen und Bürger und damit in eine wirtschaftliche Belebung. Dies ist bereits jetzt im Tagesgeschehen auf den Straßen Kubas zu se- hen, und es ist schon bedauerlich, liebe Frau Kollegin Hänsel, als Mitreisende der Delegation, dass Sie vor ei- nem solchen Aufbruch wider besseres Wissen die Augen verschließen und uneinsichtig der Ideologie das Wort re- den wollen. Das kubanische Volk hat lange genug darun- ter gelitten. Es hat nun verdient, dass seine Bemühungen auch in persönliches Wohlergehen münden. Natürlich weist Lateinamerika durch die besondere Bevölkerungsstruktur, durch die indigenen Bevölke- rungsanteile und den historisch dramatischen Anteil an Gewalt und Rechtlosigkeit eine schwierige Ausgangs- lage auf, die auch eine besondere Vorgehensweise erfor- dert. Gerade deshalb weist das Lateinamerika-Programm des BMZ den richtigen Ansatz auf, die Gesellschaft durch Bildung zu stabilisieren und vor allem bei der wirtschaftlichen Entwicklung die Verpflichtung zur Nachhaltigkeit zu beachten. Dabei geht aber keineswegs die Augenhöhe mit den Staaten verloren. Lateinamerika sieht sich kulturell sehr mit Europa verbunden, und wir wissen seine besonderen Natur- schätze zu würdigen und arbeiten an deren Erhalt mit. Dies bedeutet Unterstützung zum Schutz gegen den Kli- mawandel und dies bedeutet auch die zur Verfügungstel- lung von modernem Know-how. Dies bedeutet aber auch die Einbindung der Wirtschaft. Subsistenzwirtschaft ist keine Entwicklungspolitik, sondern Stillstand und Resi- gnation. Die Bildung von Sozialsystemen funktioniert nur bei wirtschaftlichem Aufschwung. Dies haben die Erfolge der Schwellenländer Mexiko und Brasilien vor- geführt, auch wenn dort sicher noch viel Arbeit vor uns liegt. Die wirtschaftlichen Ansätze sind in der Region mit Mexiko und Brasilien durchaus erkennbar. Auch dort be- stehen aber in eklatantem Maße Rechtsstaatsdefizite, die nur durch Stärkung der staatlichen Rechtssysteme besei- tigt werden können. Ausbildung von Justizsystemen, Be- seitigung der Straflosigkeit und vor allem Bekämpfung der Korruption sowie des organisierten Verbrechens sind vorrangige Ziele, die der Bevölkerung die Möglichkeit eröffnen, sich in wirtschaftlichen Betätigungen eine Le- bensgrundlage zu verschaffen. Hier zeigt das Konzept des BMZ ebenfalls wertvolle Ansätze und Kooperationen. Gerade die Thematik Bil- dung – vor allem für Mädchen und junge Frauen – führt zu einer massiven Zurückdrängung der Gewaltexzesse und zur Stabilisierung des Gesellschaftssystems. Die sehr geschätzte und nachgefragte Duale Ausbildung setzt aber zwingend die Zusammenarbeit mit der Wirt- schaft voraus. Dieses Konzept muss auf die besonderen Lebens- und Produktionsverhältnisse zugeschnitten wer- den. Genau dies leistet ebenfalls unsere Wirtschaft, weil sie weiß, wie Produktivität zu optimieren ist. Dies ist entgegen Ihrer Meinung kein Fluch und auch keine Aus- beutung, sondern geboten. Der Aufruf zur Bildung von Wirtschaftspartnerschaften ist das effektivste und sogar kostengünstigste Entwicklungsmittel, mit dem gerade auch der Gefahr der Korruption entgegengewirkt werden kann. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 103. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Mai 2015 9921 (A) (C) (D)(B) Dabei ist dann aber auch die Wahrung von wirtschaft- lichen Interessen unserer Unternehmen nicht schädlich, sondern konsequent und legitim. Wirtschaftliche Zusam- menarbeit bedeutet den angemessenen Austausch von Leistung und Gegenleistung – auch in der Form von Handelsabkommen. Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen der Linken, die Entwicklung in Kuba als exemplarischer Aufbruch aus dem Sozialismus als Auslaufmodell heraus ist die konsequente Antwort der Menschen auf natürliche Be- dürfnisse nach Versorgung und Lebensqualität, nach Ge- sundheit und gesunder und ausreichender Ernährung, nach Bildung und Gleichberechtigung. Die ideologische Predigt Ihres Antrags wird der Würde dieser Menschen nicht gerecht. Waldemar Westermayer (CDU/CSU): Der Bot- schafter von Honduras hat es erst kürzlich gut auf den Punkt gebracht. Er sagte in einem Interview: CELAC ist ein Forum des politischen Dialogs – wir tauschen uns über bewährte Kooperations- und Handelsverfahren aus. … Wenn wir mit Einzelstaa- ten, oder auch der EU, an den Verhandlungstisch treten, wird Honduras nicht mehr als ein einzelnes Land wahrgenommen, sondern eher als Teil einer aufstrebenden Wirtschaftsregion, deren dynami- sches Wirtschaftswachstum ein ungeheures Poten- zial birgt. Die Gemeinschaft der Lateinamerikanischen und Ka- ribischen Staaten, CELAC, und die Europäische Union werden sich in diesem Sinn dieses Jahr in Brüssel am 10. und 11. Juni zum achten EU-CELAC-Gipfel versam- meln. Die Regierungen werden genau diesen Dialog weiter pflegen und das angesprochene Potenzial in ihren Regionen gegenseitig weiter fördern. Das Format des internationalen Austauschs zwischen 61 teilnehmenden Staaten hat sich bewährt. Der Gipfel bietet ein Forum, um die strategische Partnerschaft bei- der Regionen fortzusetzen. Er bietet Raum für kontro- verse Diskussionen, politische Erklärungen und Abkom- men. Dieser Dialog ist nicht zu unterschätzen. Die EU ist in der CELAC-Region der größte auslän- dische Investor. Und sie ist zweitgrößter Handelspartner der CELAC. Zwischenstaatliche Bündnisstrukturen in Lateiname- rika, wie die Pazifik-Allianz, können durch solche inter- nationalen Formate gestärkt werden. Wie Sie wissen, ist die Pazifik-Allianz eine Initiative der Staaten Peru, Me- xiko, Chile und Kolumbien, welche sich im Bereich Handel und Integration und bei der Entwicklung stabiler demokratischer Strukturen unterstützen. Besonders in Zeiten vielfältiger Krisen und teilweise bedrohlicher Entwicklungen von fragilen und sich im Zerfall befindlichen Staaten ist so ein friedlicher und re- gelmäßiger menschenrechtsbasierter Dialog auf interna- tionaler Ebene zentral. Die Folgen von fehlender Rechts- staatsförderung, von fehlenden strukturellen Reformen und fehlender sozialer Wirtschaftsförderung müssen wir aktuell in Venezuela beobachten. Ein Mittel der Gewaltprävention sind stabile Bünd- nisstrukturen. Sie schaffen Transparenz und Sicherheit. Sie sind die Grundlage für eine friedliche und nachhal- tige Entwicklung von Gesellschaften auf der sozialen, ökologischen und ökonomischen Ebene. Die EU und CELAC sind gleichberechtigte Partner, die sich zum großen Teil auf dem gleichen Werteparkett bewegen. Sie begegnen sich trotz vorhandener Kontro- versen in ihren Verhandlungen respektvoll und handeln und lernen im gegenseitigen Interesse. Der Gipfel trägt den Titel: „Gestaltung unserer ge- meinsamen Zukunft: Für eine prosperierende, durch Zu- sammenhalt geprägte und nachhaltige Gesellschaft für unsere Bürger“. Gefördert werden soll eine gemeinsame Identität, die auf gemeinsamen Werten basiert. Teil des Gipfels ist der Dialog über „bürgerorientierte Initiati- ven“ und Innovationen im Bereich „nachhaltiges Wachs- tum, Bildung, Sicherheit und Klimaschutz“. Identität geschieht durch Dialog und Förderung von Entwicklung. Die wirtschaftliche Entwicklung eines Landes berührt auch alle anderen Entwicklungsbereiche einer Gesellschaft. Wenn wirtschaftliche Entwicklung ganzheitlich ge- fördert wird, berücksichtigt sie die sozialen, ökologi- schen und menschenrechtlichen Dimensionen. So sind soziale marktwirtschaftliche Strukturen ein wesentlicher Motor für Stabilität und Frieden. Das ist es, was wir wol- len und begleiten. Staatliche Überregulierung und das Abbrechen von internationalen Verhandlungen tragen nicht zu einer freien, ganzheitlichen und nachhaltigen Entwicklung von Gesellschaften bei. Ganzheitliche Förderung von wirtschaftlicher Ent- wicklung bedeutet im konkreten Fall auch, dass die Be- reiche Bildung, Demokratieförderung, Förderung von sozialen, ökologischen und menschenrechtlichen Stan- dards Teil des politischen Dialogs mit nationalen, euro- päischen und internationalen Akteuren sein müssen. Genau das geschieht im Bereich der nachhaltigen Entwicklungszusammenarbeit mit Lateinamerika immer mehr. Natürlich sind die Themen der Armutsbekämp- fung und Reduzierung von sozialer Ungleichheit in die- sem Kontext zentral. Sie sind Teil eines beschwerlichen Entwicklungswegs. Das Bewusstsein für die Einhaltung der sozialen und menschenrechtlichen Standards wächst mit dem Be- wusstsein des betroffenen Staats und seiner von Unrecht betroffenen Gemeinschaften. Das Thema der Landver- treibungen im Zusammenhang mit der Rohstoffförde- rung ist uns aus vielen lateinamerikanischen Staaten be- kannt. Sichtbarer werden auch die erhöhten Anstrengungen deutscher Unternehmen, um für Transparenz in ihren Lieferketten und im Umgang mit ihren internationalen Zuliefererfirmen zu sorgen. 9922 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 103. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Mai 2015 (A) (C) (D)(B) Vor wenigen Wochen sind die neuen Leitlinien für Lateinamerika vom BMZ veröffentlicht worden. Auch dort liegt der Fokus auf der Förderung der gemeinsamen Werte und Interessen der Regionen diesseits und jenseits des Atlantiks. Lateinamerikanische Staaten wollen, dass europäische Unternehmen in ihren Ländern nachhaltig investieren, und sie wollen im Bereich Klimaschutz und Umweltschutz zusammenarbeiten. Damit verbunden ist der Bedarf an stärkerem Know-how-Transfer. Denn es ist bekannt, dass das Duale System in Deutschland eine entscheidende Grundlage für wirtschaftlichen Erfolg war und ist. Daher sollten die Anfragen aus mehreren latein- amerikanischen Ländern im Bereich des Exports von dualen Ausbildungsstrukturen noch stärker berücksich- tigt werden. Deutschlands Entwicklungszusammenarbeit legt in Abstimmung mit der EU ihren Fokus auf die Bereiche Umweltschutz, Klimaschutz, Schutz von Regenwald und Meeren sowie auf die nachhaltige Bekämpfung des Kli- mawandels. Exzellenzzentren für erneuerbare Energien und Geothermie-Entwicklungsfazilität sollen geschaffen werden. Außerdem sind die Themen Dezentralisierung, Strukturpolitik, Ordnungspolitik und Rechtsstaatsförde- rung besonders in den Andenländern, aber auch in Zen- tralamerika weiterhin ein Schwerpunkt. Auch die Gewaltprävention, die Stärkung von Menschenrechtsin- stitutionen und besonders die Unterstützung beim Frie- densprozess in Kolumbien sind wichtige Anliegen deut- scher EZ. Die gemeinsame Bearbeitung dieser Themen und die Begleitung durch uns Parlamentarier tragen zur friedlichen Entwicklung der Regionen bei. Mit 1 Milliarde Euro jährlich fördert Deutschland seine EZ in Lateinamerika und fördert dabei auch immer mehr das Modell der Dreieckskooperationen, um den Einsatz von Eigenmitteln aus den Partnerländern zu ver- stärken. Das unterstreicht das Prinzip der Hilfe zu Selbsthilfe und die Stärkung der Zusammenarbeit der Akteure vor Ort. Denn Staaten wie Mexiko und Brasi- lien sind als Schwellenländer bereits selbst in der Lage, andere lateinamerikanische Staaten zu unterstützen, und tun es auch. Natürlich ist es entscheidend, dass auch bekannte und aktuelle Probleme auf dem Gipfel angegangen werden. Lateinamerika ist immer noch eine Region, in der ex- treme Unterschiede in der Einkommensverteilung inner- halb der Gesellschaften existieren. Auch der Zugang zu Bildung, zu Gesundheitssystemen und zum Arbeits- markt ist nicht für jeden Bürger gleich garantiert. Starke Defizite in der Armutsbekämpfung und damit auch im Bereich Kriminalitätsbekämpfung und Korruptionsbe- kämpfung müssen noch mehr thematisiert und bearbeitet werden. Auch soziale Teilhabe und das Einfordern von sozia- len und ökologischen Rechten ist in einigen Ländern La- teinamerikas noch immer sehr gefährlich. Regierungen in Guatemala, Mexiko, Kolumbien und Honduras müs- sen hier noch viel mehr tun und unterstützt werden. Vor allem die Regierungen selbst müssen die Rechte ihrer Bürger schützen – und das heißt konkret, die Menschen vor dem gewaltsamen Tod, der sozialen Diskriminie- rung, der Folter, Erpressung und dem systematischen Verschwinden schützen. Die strukturelle Korruptionsbe- kämpfung stellt hier sicherlich ein Schlüsselthema dar. Darauf gehen Sie in Ihrem Antrag nicht ein, sondern konzentrieren sich – das war ja nicht anders zu erwarten – auf die Aufhebung der TTIP-Verhandlungen und die an- gebliche positive Wirkung der staatlichen Regulierung. Wichtiger als die Verdammung der aktuellen Han- delspolitik ist im Rahmen der aktuellen Dialoge und Ver- handlungen eine Sensibilisierung für die vielfältigen Be- dürfnisse und Rechte der einzelnen Gesellschaften und Gesellschaftsschichten in den einzelnen Ländern Latein- amerikas. Eliten können sich effizient für benachteiligte Akteure und Gruppen wie Indigene und die Landbevöl- kerung einsetzen, wenn das entsprechende Bewusstsein gefördert wird. Hier geht es besonders um das Thema Rechtsschutz von Menschenrechtsaktivisten, aber auch um flächende- ckende und nachhaltige Bildungsprogramme. Die Men- schenrechte und der Schutz von Menschenrechtsvertei- digern sind integraler Bestandteil der auswärtigen Politik der EU. Eine entsprechende Resolution des Europäi- schen Parlaments aus dem Jahr 2010 ist zwar wie die Richtlinien nicht unmittelbar rechtlich verpflichtend, hat aber dennoch eine starke politische Wirkung. Sichtbar wird dies immer wieder beim nationalen und europäi- schen Dialog zu anstehenden Verhandlungen mit Kuba. Europäische und nationale Entwicklungszusammen- arbeit mit Kuba kann jedoch erst dann verwirklicht wer- den, wenn eine allgemeine Verhandlungsbasis geschaf- fen worden ist. Dazu zählt auch die Einhaltung der Menschenrechte in Kuba. Die staatliche und die nichtstaatliche EZ leisten in vielen Staaten Lateinamerikas seit Jahren kontinuierli- che Arbeit. Die EZ unterstützt einerseits strukturell in den genannten Themenbereichen. Andererseits engagie- ren sich die politischen Stiftungen sowie auch zahlreiche Nichtregierungsorganisationen und vor allem die Kir- chen durch jahrzehntelange Präsenz. Sie arbeiten auf mehreren Ebenen mit parlamentarischen Akteuren, Ver- bänden, kommunalen Verantwortungsträgern und ländli- chen Gemeinschaften und stärken Rechte und Rechtsbe- wusstsein von Kindern, Frauen, Männern, Familien und Gemeinschaften. Der Dialog zwischen Regierungen, Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Volksvertretern ist hier ein zentrales Element. Da Sie den Dialog auf verschiedenen Ebenen abbre- chen wollen und bestehende und tragfähige europäische Handelsabkommen nicht mittragen, wollen wir Ihrem Antrag nicht zustimmen. Als Parlamentarier müssen wir im Gespräch mit den Unternehmen stehen, die beispielsweise ihre Kohle von internationalen Unternehmen in Kolumbien importieren. Wir müssen an ihre Moral appellieren, aber auch an die Regierungen in den jeweiligen Rohstoffländern, damit sie ihr Volk und besonders die indigenen Völker schüt- zen. Genauso müssen wir auch zukünftige internationale Handelsabkommen mit unseren Standards füllen und uns Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 103. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Mai 2015 9923 (A) (C) (D)(B) an den weltwirtschaftlichen Handelsbewegungen beteili- gen, anstatt sie abzulehnen. Das ist ein langer Weg des Dialogs, aber einer, bei dem es sich auch in unserem eigenen Interesse der Glaubwürdigkeit Europas lohnt, ihn weiterzugehen. Dr. Sascha Raabe (SPD): Wir debattieren heute Abend den Antrag der Fraktion Die Linke zum EU-La- teinamerika-Gipfel, der in diesem Jahr im Juni in Brüs- sel stattfinden wird. Auf den Gipfel mit dem diesjähri- gen Titel „Gestaltung unserer gemeinsamen Zukunft: Für eine prosperierende, durch Zusammenhalt geprägte und nachhaltige Gesellschaft für unsere Bürger“ werde ich in meiner Rede nicht näher eingehen. Vielmehr möchte ich mich in meinem Beitrag auf die Kernbot- schaft des hier zur Debatte stehenden Antrages konzen- trieren. Der Antrag liest sich teilweise leider wie eine unkriti- sche Lobeshymne auf alle linksgerichteten Regierungen Lateinamerikas und trägt meiner Meinung nach mehr zur Polarisierung der bereits gespaltenen Gesellschaften in Lateinamerika bei. Um nicht missverstanden zu werden: Als Entwicklungspolitiker bin ich sehr erfreut darüber, dass insbesondere in Ländern mit linken Regierungen die Armutsbekämpfung große Fortschritte gemacht hat. Es ist schön, dass mehrere Millenniumsentwicklungziele in vielen Teilen Lateinamerikas in diesem Jahr fristge- recht erreicht werden. Allerdings interessiere ich mich nicht nur für die sozialen, sondern auch für die politi- schen Menschenrechte. Und da sieht es in einigen von der Linkspartei überschwänglich gelobten Ländern kei- neswegs nur gut aus. Was Kuba betrifft, begrüßen wir als SPD-Fraktion die Annäherungsbestrebungen zwischen den USA und Kuba. Präsident Obama hat einen mutigen und lange überfälli- gen Schritt getan. Wir sehen dies als eine große Chance für Europa, die bisherige Kuba-Politik zu überdenken. Daher begrüßen wir auch die aktuellen diplomatischen Bemühungen der EU-Außenbeauftragten Mogherini und ihr Vorhaben, bis zum EU-Lateinamerika-Gipfel im Juni ein neues, auf Dialog basierendes Abkommen mit Kuba beschließen zu wollen. Liebe Kolleginnen und Kollegen der Linksfraktion, Sie werden sich sicherlich noch daran erinnern, dass wir uns als SPD bereits Anfang 2000 mit der damaligen Ent- wicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul stets um einen konstruktiven entwicklungspolitischen Ansatz mit Kuba bemüht haben. Auch in den darauffolgenden Jahren haben wir uns für eine Neuausrichtung der Kuba- Politik in der EU regelmäßig eingesetzt. So sehr ich die neuen Entwicklungen begrüße, wird aber Kuba nicht da- rum herumkommen, den Menschen endlich volle politi- sche Meinungsfreiheit zu garantieren. Nach wie vor ist freie, regierungskritische Meinungsäußerung gefährlich und kann im Gefängnis enden. Auch der Zugang zum In- ternet ist verboten bzw. wird staatlich erschwert, und die Reisefreiheit ist immer noch äußerst restriktiv. Warum werden diese Missstände von meinen Kollegen der Lin- ken immer ignoriert? Warum fordern sie nicht an dieser Stelle die Einhaltung der Menschenrechte, so wie sie es sonst immer so vehement tun? In diesem Zusammenhang ist für mich die unkritische Haltung der Linksfraktion in Bezug auf Venezuela ge- nauso inakzeptabel. Seit nun fast 20 Jahren stellt die so- zialistische Partei von Hugo Chavez die Regierung, und die Lebenssituation der Venezolaner – trotz einiger Er- folge in der Armutsbekämpfung und Basisversorgung – war noch nie so desolat. Es herrscht Lebensmittelknapp- heit in einem fruchtbaren Land, sodass fast bis zu 80 Prozent der Nahrungsmittel importiert werden müs- sen. Die Industrie und die Wirtschaft liegen brach am Boden, nachdem die meisten Betriebe teilweise zwangs- weise verstaatlicht wurden. Und obwohl Venezuela eines der erdölreichsten Länder ist, muss es regelmäßig Neu- kredite in Milliardenhöhe von China aufnehmen. Der jetzige Präsident Maduro setzt den autoritären Regierungsstil seines Vorgängers und Ziehvaters Chavez ungehindert fort. Er duldet keine politische Opposition und macht sie entweder mundtot oder steckt sie gleich ins Gefängnis, so wie es mit den zwei Oppositionspoliti- kern Leopoldo Lopez und dem Bürgermeister der Stadt Caracas, Antonio Ledezma, derzeit der Fall ist. Beiden Politikern wird von der Staatsanwaltschaft vorgeworfen, einen Staatsstreich geplant zu haben. Darüber zu berich- ten, ist nicht einfach, denn in Venezuela ist derzeit so gut wie keine freie oder unzensierte Berichterstattung mög- lich. Und genau vor diesem Hintergrund fordern die Lin- ken in ihrem Antrag die Bundesregierung auf, die „so- zialen und demokratischen Errungenschaften“ Venezue- las auf dem Gipfel in Brüssel zu loben. Das wird bei den europäischen Kollegen mit Sicherheit nicht auf viel Zu- stimmung stoßen, nachdem das EU-Parlament bereits im vergangenen Jahr mit großer Mehrheit eine Resolution verabschiedet hat, die die unverzügliche Freilassung al- ler willkürlich verhafteten Demonstranten, Studenten und Oppositionsführer forderte. Der Antrag enthält durchaus auch einige Forderun- gen, die ich mittragen könnte. So bin auch ich für eine „Neuausrichtung“ der europäischen Handelspolitik. Denn trotz Formulierungen in den bereits bestehenden Freihandelsabkommen der EU mit Kolumbien und Peru, in dem sich die Vertragspartner dafür ausgesprochen haben, arbeits- und umweltrechtlich Mindestnormen ein- zuhalten, sind beide lateinamerikanische Staaten in Wirklichkeit noch sehr weit davon entfernt, diesen Ver- pflichtungen nachzukommen. Und obwohl es auch in beiden Ländern zu einem Rückgang der Gewalt gegen Gewerkschafter insgesamt gekommen ist, finden weiter- hin brutale und tödliche Übergriffe auf Gewerkschafter statt. An dieser Stelle wäre in dem Abkommen eine ver- pflichtende und sanktionsbehaftete Regelung unbedingt notwendig gewesen. Der kommende Gipfel in Brüssel sollte dazu genutzt werden, um genau auf diese Missstände hinzuweisen. Es sollten klare Botschaften formuliert werden, die im Sinne der Kohärenz in anderen Politikbereichen – wie beispielsweise in der Außenhandelspolitik – ihre An- 9924 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 103. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Mai 2015 (A) (C) (D)(B) wendung finden. Es sollte in Brüssel nicht darum gehen, Regierungen je nach politischer Couleur zu loben. Men- schenrechte kennen kein Parteibuch. Heike Hänsel (DIE LINKE): Der 7. Gipfel der Orga- nisation der Amerikanischen Staaten, OAS, im April 2015 stellte eine historische Zäsur dar. Erstmals reichten sich die Präsidenten der USA und Kubas während eines offiziellen, geplanten Gesprächs die Hände. Mit dieser Begegnung zwischen Barack Obama und Raul Castro verbindet sich die Hoffnung auf neue, auf gegenseitigem Respekt basierende Beziehungen zwischen den USA so- wie den Staaten Lateinamerikas. Diese Entwicklung ist das Ergebnis des erfolgreichen Integrationsprozesses in Lateinamerika, der in den vergangenen zehn Jahren von linken Regierungen vorangetrieben worden ist. Er hat die hegemoniale Rolle der USA auf dem Kontinent er- heblich geschwächt und damit den Staaten Lateinameri- kas eine gleichberechtigtere Position gegenüber den USA verschafft. Es freut mich besonders, dass Fidel Castro diesen his- torischen Moment erleben kann. Das sozialistische Kuba hat der aggressiven Politik der USA widerstanden. Fidel Castro selbst hat elf US-Präsidenten und zahllose Atten- tatsversuche der CIA überlebt. Aber Kuba konnte auch durch eine völkerrechtswidrige Handelsblockade und Terrorakte nicht in die Knie gezwungen werden. Weil in ganz Lateinamerika die Solidarität mit Kuba in dem Maße gewachsen ist, wie die Anfeindungen aggressiver wurden. Und das nicht ohne Grund. Wir wissen, dass Kuba ei- nen großen Anteil an der Armutsbekämpfung in Latein- amerika hat. Zehntausende von kubanischen Ärzten ar- beiten weltweit, auch in vielen lateinamerikanischen Ländern, und versorgen dort die Menschen, die bis dahin keinen Zugang zu medizinischer Betreuung hatten. Auch in den von Ebola betroffenen Regionen Westafrikas. Me- dizinstudentinnen und -studenten aus vielen Ländern des Südens werden in Kuba für den Dienst in ihren Heimat- ländern ausgebildet. Kubanische Pädagoginnen und Pädagogen haben ein Alphabetisierungsprogramm ent- wickelt, das auf dem gesamten Kontinent zum Einsatz kommt und durch das Millionen Menschen lesen und schreiben gelernt haben. Kuba spielt eine Schlüsselrolle im Prozess der politi- schen Einigung des Kontinents. Die Integrationsprojekte ALBA und CELAC gehen maßgeblich auf das kubani- sche und venezolanische Engagement zurück. Und nicht zufällig finden in Havanna die Friedensverhandlungen statt, die den ältesten bewaffneten internen Konflikt der Region, den Krieg in Kolumbien, der Zehntausende von Toten gefordert hat, beenden sollen. Der Weg nach Lateinamerika führt deshalb über Kuba. Doch die Bundesregierung bringt es fertig, in diesen bewegten Zeiten – in Zeiten einer epochalen Ver- änderung, die sich in Lateinamerika vollzieht – ein La- teinamerika-Konzept zu formulieren, das diese Entwick- lungen in keinem Wort erwähnt. Dabei liegen hier große entwicklungspolitische Potenziale. Kuba verfolgt seit 1959 eine vielfach von internatio- nalen Organisationen wie der Weltgesundheitsorganisa- tion und sogar der Weltbank belobigte erfolgreiche Orientierung auf freien Zugang zu Bildung und Gesund- heit. Kuba gehört zu den wenigen Ländern des Südens, in denen niemand Hunger leiden muss. Andere links re- gierte Länder wie Venezuela, Ecuador, Bolivien, Brasi- lien und Nicaragua gehören zu den Ländern, die in der Bekämpfung von Hunger und Armut in den letzten Jah- ren die größten Erfolge erzielt haben. Sie haben die Ar- mutsraten erheblich gesenkt und es zugleich geschafft, die soziale Ungleichheit, die in ihren Ländern traditio- nell sehr stark ausgeprägt war, zu verringern. Das bewei- sen unter anderem die jährlichen Statistiken der UN- Wirtschaftskommission für Lateinamerika, CEPAL. Alle diese Prozesse sind auch widersprüchlich. Das sage ich ganz bewusst angesichts der derzeitigen schwie- rigen ökonomischen Lage in Venezuela. Die Prozesse weisen innere Widersprüche auf. Ihnen stehen mächtige, über Jahrzehnte gewachsene Macht- und Profitinteressen im Inneren der Gesellschaften entgegen – und geostrate- gische Interessen von außen. Es ist vielen lateinamerika- nischen Ländern bisher auch nicht gelungen, sich aus einseitigen Handelsbeziehungen, Export von Rohstof- fen, Import von Industriegütern, zu befreien. Auch die Abhängigkeit von der Förderung fossiler Rohstoffe wurde bisher nicht überwunden. All das sind gemein- same Herausforderungen auf dem Weg zu einer interna- tionalen Klimaschutzpolitik. Hier gäbe es viele Poten- ziale für eine Kooperation zwischen Europa und Lateinamerika. Zum Beispiel einen Transfer von Tech- nologie und Ausbildung im Bereich der regenerativen Energien. Auch Kuba, das der Entwicklungsausschuss erst vor wenigen Wochen erstmalig besucht hat, hat da- ran ein großes Interesse. Die Realität ist aber eine andere. Die US-Regierung unter Präsident Obama hat dem sozialistischen Venezu- ela offen den Kampf angesagt. Präsident Obama selbst hat vor einigen Wochen ein skandalöses Dekret erlassen, das Sanktionen gegen die demokratisch gewählte Regie- rung von Präsident Nicolas Maduro Tür und Tor öffnet. Wie überzogen, wie realitätsfern diese Linie ist, zeigt sich in der Formulierung, Venezuela würde eine „Bedro- hung für die nationale Sicherheit“ der USA darstellen. In Lateinamerika hat das massive Empörung und heftige Gegenreaktionen provoziert. Die neue, aggressive Linie Washingtons führte auch dazu, dass auf dem Amerika- Gipfel in Panama wieder einmal keine gemeinsame Ab- schlusserklärung zustande kam. Aber hat die Bundesre- gierung die neuen Fehlentwicklungen in der US-Politik angesprochen, die quasi ein Spiegel der historisch ver- fehlten Kuba-Politik sind? Fehlanzeige. In Berlin herrschte und herrscht Schweigen. Wir lehnen jegliche Angriffe auf Venezuela ab. Das venezolanische Volk muss sein Schicksal selbst bestimmen können. Und wer ernsthaft abstreitet, dass dies bei Wahlen in dem südame- rikanischen Land möglich ist, wie dies aus den Reihen der Union zu vernehmen ist, ist politisch einfach nicht ernst zu nehmen. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 103. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Mai 2015 9925 (A) (C) (D)(B) Auch der Friedensprozess in Kolumbien braucht in- ternationale Unterstützung, nachdem sich bisher vor al- lem Kuba, Venezuela, Chile und Norwegen engagiert ha- ben. Es bleibt zu hoffen, dass der Abschluss eines Friedensabkommens in Havanna den Anfang für eine demokratischere und sozialere Entwicklung bedeutet. Dafür wird es aber notwendig sein, dass die breite so- ziale Bewegung tatsächlich in den Prozess aktiv inte- griert und die Menschenrechtsverteidigerinnen und -ver- teidiger und Opferverbände nicht mehr verfolgt, sondern geschützt werden. Ich appelliere an die kolumbianische Regierung: Rufen Sie auch einen umfassenden Waffen- stillstand aus! Dies wäre ein deutliches, glaubwürdiges Zeichen der Regierung und Armee für die Friedensver- handlungen. Wir können viel aus der erfolgreichen Armutsbe- kämpfung in den progressiv regierten Ländern Latein- amerikas lernen – für unsere Entwicklungspolitik, aber auch für den Umgang mit der Krise im Euro-Raum. Im linken Lateinamerika sinkt die Armut, im neoliberalen Europa wächst sie. Wir haben also etwas von den Latein- amerikanerinnen zu lernen und ihnen keine Ratschläge zu erteilen. Dies wäre ein wichtiges Signal, das von dem kommenden EU-CELAC-Gipfel im Juni in Brüssel aus- gehen könnte. Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das im Juni stattfindende Brüsseler Gipfeltreffen zwischen der EU und dem Staatenbündnis CELAC eröffnet die Chance, sich für eine strategische Partnerschaft zwi- schen Europa und Lateinamerika stark zu machen. Lateinamerika hat mit seinen rund 560 Millionen durchschnittlich sehr jungen Menschen, einer starken Zivilgesellschaft, positiven wirtschaftlichen Kennzah- len und einem enormen Reichtum an natürlichen Res- sourcen großes Potenzial. Der Staatenverbund kann ein wichtiger Bündnispartner für Europa auf der Suche nach Lösungen für globale Herausforderungen wie die Finanz-, Wirtschafts-, Klima- und Ernährungskrisen sein. Die Bundesregierung muss den anstehenden Gipfel zum Anlass nehmen, sich auf EU-Ebene für eine grund- sätzliche Veränderung der derzeit durch wirtschaftliche Interessen dominierten Beziehung mit Lateinamerika und der Karibik stark zu machen, und Impulse für eine menschenrechtsbasierte nachhaltige Entwicklung auf beiden Kontinenten setzen. Derzeit werden die globalen Krisen durch die Han- delsstrategie der EU und der CELAC-Staaten noch ver- schärft. Intransparenz und geringe politische Partizipa- tion führen dazu, dass unter Umgehung von Parlamenten und Ausschluss der Zivilgesellschaft Abkommen und Verträge abgeschlossen werden, die zu ökologischen und sozialen Verwerfungen führen und Partikularinteressen den Vorrang vor dem Gemeinwohl geben. Dabei finden die Menschenrechte nicht genug Beachtung. Hoher Fleischkonsum und Massentierhaltung in Europa sind mitverantwortlich für den ressourceninten- siven Anbau von genmanipuliertem Soja, der zu einer massiven Belastung von Mensch und Umwelt, zur Ver- treibung von Kleinbäuerinnen und Kleinbauern und In- digenen sowie zum Verlust wertvoller Ökosysteme führt. Der ungebremste Rohstoffhunger der EU treibt den ex- tensiven Bergbau und die Gewinnung seltener Erden vo- ran. Dadurch werden vor Ort unter anderem der Energie- und Wasserverbrauch, der Druck auf Wälder und Böden gesteigert und Land Grabbing gefördert. Daran trägt die EU eine Mitschuld. Ziele des Gipfeltreffens müssen deshalb die Erarbei- tung von Konzepten für eine diversifizierte und nachhal- tige Wirtschafts- und Handelsstrategie und der Beginn einer intensiven Diskussion mit den lateinamerikani- schen Parlamenten und der Zivilgesellschaft sein. Ein verstärkter Einsatz beider Regionen für den Schutz der Menschenrechte ist zudem von größter Wichtigkeit. Ei- nige der LAK-Staaten weisen alarmierende Anzeichen fragiler Staatlichkeit auf. Der Kampf gegen die organi- sierte Kriminalität und die Drogenkartelle hat in vielen Ländern zu hohen Opferzahlen geführt. Zuletzt zeigte die schreckliche Ermordung der Studenten in Mexiko, wie es die dortigen Sicherheitskräfte mit den Menschen- rechten halten. Dazu darf Deutschland nicht weiter schweigen. Die Kanzlerin darf neben ihrem Bemühen, auf diesen Gipfeln Zutritt zu den attraktiven lateinamerikanischen Märkten zu gewinnen, nicht vergessen, auch für die Frauenrechte einzutreten, so wie sie es für den G-7-Gip- fel angekündigt hat. Lateinamerika schlägt Deutschland zwar in Sachen Geschlechtergerechtigkeit, in den Frau- enanteilen in der Politik und einer geringeren Einkom- mensschere zwischen Männern und Frauen. Gleichzeitig hat der lateinamerikanische Kontinent für seine herr- schende soziale Ungleichheit Berühmtheit erlangt. Nicht nur sind Frauen überproportional von politisch-sozialer Teilhabe ausgeschlossen; sie sind auch stärker von den Auswirkungen der extensiven Ressourcenausbeutung, von Klimawandel und bewaffneten Konflikten betroffen. Die häusliche und sexuelle Gewalt gegen Frauen nimmt nicht ab. Die Straflosigkeit bei den unterschiedlichen Gewaltformen liegt bei weit über 90 Prozent. Die Verhandlungen auf den EU-CELAC-Gipfeln ver- nachlässigen nicht handelspolitische Dimensionen der Partnerschaft: den politischen Dialog und die Zusam- menarbeit in Bereichen wie der Armutsreduzierung, den Menschenrechten, der Stärkung des Rechtsstaates, dem Klima- und Umweltschutz, sozialer Kohäsion und Ge- schlechtergerechtigkeit, Bildung und Beschäftigung, Innovation und Technologie und der Vereinbarung von Nachhaltigkeits-, Transparenz- und Menschenrechtskri- terien im Agrar- und Bergbausektor. All dies sind Themen, die die „strategische Partner- schaft“ der EU und der LAK-Staaten mit konkreten In- halten füllen können. Die aktuellen multilateralen Pro- zesse im Gipfeljahr sollten dafür als geeigneter Rahmen dienen. Lateinamerika ist eine sehr selbstbewusste Re- gion. Dies zeigt sich zum Beispiel in der zunehmenden Selbstständigkeit regionaler Institutionen und der zuneh- 9926 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 103. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Mai 2015 (A) (C) (B) menden Unabhängigkeit von klassischen Finanzorgani- sationen wie dem Internationalen Währungsfonds, IWF, und der Weltbank. Nicht zuletzt die Initiativen für die SDGs gehen auf lateinamerikanischen Anstoß zurück. Die CELAC-Staaten haben ihre Abhängigkeit von den USA deutlich verringert und sind auch weniger auf Offsetdruc Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Te Europa angewiesen. Sollten es die europäischen Regie- rungen erneut verpassen, die LAK-Staaten als strategi- sche Partner im Kampf gegen Armut und Klimawandel ernst zu nehmen und einzubinden, so könnten diese die wirtschaftlichen Beziehungen zu anderen Regionen vor- ziehen und die zu Europa in Zukunft vernachlässigen. (D) kerei, Bessemerstraße 83–91, 1 lefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de 22 103. Sitzung Inhaltsverzeichnis TOP 3 Fracking, Bergschadenshaftung, Bergbaurecht TOP 4, ZP 2 50 Jahre diplomatische Beziehungen zu Israel TOP 5, 19 a Asylpolitik, finanzielle Verantwortungsteilung TOP 23, ZP 3 Überweisungen im vereinfachten Verfahren TOP 24 Abschließende Beratungen ohne Aussprache TOP 6 Europäische Hochschulbildung TOP 7 Informationsweiterverwendungsgesetz TOP 8 Völkermord in Ruanda – Historische Aufarbeitung TOP 9 Bundeswehreinsatz Operation Atalanta vor Somalia TOP 10 Arbeit in der Wissenschaft TOP 11 EU-Richtlinie über GmbH mit einem Gesellschafter TOP 12 Tierhaltungskennzeichnung für Fleisch TOP 13 Bundeswehreinsatz in Liberia TOP 22 Geschichte des Bundeskanzleramtes TOP 15 Rindfleischetikettierungsgesetz TOP 16 Empfehlung der VN zur Behindertenrechtskonvention ZP 4 Grünbuch zur Schaffung einer Kapitalmarktunion TOP 17 EU-Lateinamerika-Gipfel Anlagen
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Kerstin Griese


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)


    Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

    Kollegen! Viele in meiner Generation, die sich politisch
    engagieren, tun dies, weil nie wieder passieren darf, was
    1933 von Deutschland ausging. In der Schoah wurden
    6 Millionen europäische Juden ermordet. In dieser ein-
    maligen Menschheitstragödie haben die Deutschen un-
    fassbare Schuld auf sich geladen.

    Als 16-Jährige habe ich im Rahmen der Jugendarbeit
    zum ersten Mal die Gedenkstätte des KZ Auschwitz be-
    sucht. Das hat mich für mein ganzes Leben geprägt. Die
    Täter waren aus der Generation meiner Großeltern. Es
    waren Deutsche, die im südpolnischen Ort Oswiecim
    das größte Grauen der Menschheitsgeschichte angerich-
    tet haben, indem sie die Juden Europas dorthin deportiert
    haben, misshandelt, gequält und ermordet haben.

    Man muss bedenken, dass es nach 1945 viele Akteure
    in der jungen deutschen Bundesrepublik gab, die in den
    Nationalsozialismus verstrickt waren oder selbst schul-
    dig geworden waren. Mir haben Holocaustüberlebende
    oft erzählt, wie schwer es für sie in der Nachkriegszeit
    war, Deutschen zu begegnen, weil sie immer gedacht ha-
    ben: Was hat derjenige wohl von 1933 bis 1945 ge-
    macht? Vor diesem Hintergrund war es für den jungen
    Staat Israel besonders schwer, mit dem Land der Täter in
    einen diplomatischen Austausch zu treten. Es dauerte





    Kerstin Griese


    (A) (C)



    (D)(B)

    20 Jahre, bis 1965 – wir feiern erst 50 Jahre diplomati-
    sche Beziehungen –, bis das offiziell möglich wurde.

    Aber es gab viele – darauf will ich heute besonders
    eingehen –, die sich vor 1965 für die deutsch-israeli-
    schen Beziehungen engagiert haben. Der Prozess dorthin
    hatte viele Wegbereiterinnen und Wegbereiter. Wir sind
    den Menschen, die schon in den 1950er-Jahren begon-
    nen haben, erste Kontakte nach Israel zu knüpfen, sehr
    dankbar. Es waren Gewerkschaften, es waren Jugend-
    und Studentenorganisationen, es war die evangelische
    Kirche, die weit vor Aufnahme der offiziellen diploma-
    tischen Beziehungen, teilweise auch unter abenteuerli-
    chen Bedingungen und mit großem persönlichen Ein-
    satz, eigene Beziehungen zu den Menschen im
    jüdischen Staat geknüpft haben. Darauf können wir
    sehr stolz sein.

    Kurt Schumacher, der SPD-Vorsitzende, hat schon
    1947 auf dem SPD-Parteitag gesagt, dass das deutsche
    Volk zur Wiedergutmachung und zur Entschädigung ver-
    pflichtet ist. Das war 1947 ein bedeutender Satz. Carlo
    Schmid hat 1951, damals Bundestagsvizepräsident, da-
    rauf gedrungen, den jungen Staat Israel als Rechtsnach-
    folger für Rückerstattung und Wiedergutmachungsan-
    sprüche anzuerkennen. Auch das war wegweisend, bis es
    dann 1952 zum Luxemburger Abkommen kam.

    Es waren junge Menschen, die sich schon früh für die
    Beziehungen zu Israel eingesetzt haben. Die Falken wa-
    ren dabei; und der SDS, die damalige SPD-Hochschulor-
    ganisation, hat 1951 die Kampagne „Frieden mit Israel“
    gestartet und deutsch-israelische Studierendengruppen
    gegründet. Es waren evangelische Jugendgruppen, aus
    denen 1958 die Aktion Sühnezeichen entstand. Auch die
    Gewerkschaftsjugend war dabei.

    Wenn wir uns vor Augen halten, wie Ende der
    1950er-, Anfang der 1960er-Jahre die ersten Jugend-
    gruppen nach Israel reisten, dann wissen wir, dass das
    schwierig war. Sie waren nach dem Holocaust natürlich
    oft nicht willkommen. Es war für die deutschen Ju-
    gendlichen nicht einfach; aber es war auch für diejeni-
    gen Israelis, die deutsche Gäste willkommen heißen
    wollten und mit ihnen einen Austausch suchten, nicht
    einfach. Sie mussten sich Anfeindungen erwehren.
    Frau Hasselfeldt hat es schon erwähnt: Im israelischen
    Pass stand bis 1956 noch auf Hebräisch und Franzö-
    sisch die Bemerkung: Gültig für alle Länder – mit Aus-
    nahme Deutschlands. Es war also auch ganz schwierig,
    zueinander zu reisen. Dafür, dass in dieser Zeit schon
    Menschen begonnen haben, Partnerschaften und auch
    Freundschaften zu knüpfen, sind wir dankbar.


    (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Ich will an ein wenig bekanntes, aber wichtiges Ereig-
    nis erinnern. Am 26. März 1957 hat der damalige SPD-
    Parteivorsitzende Erich Ollenhauer als erster deutscher
    offizieller Gast des Staates Israel dort eine öffentliche
    Rede gehalten. Er hat sich in dieser Rede für den Bot-
    schafteraustausch eingesetzt. Dies hat übrigens zu Pro-
    testen der arabischen Länder im Sinne der Hallstein-
    Doktrin geführt. Es war in diesen Zeiten also wirklich
    noch sehr schwierig, dafür zu plädieren. 1957 fuhr die
    erste offizielle Delegation des Deutschen Gewerk-
    schaftsbundes nach Israel. Seitdem gibt es eine lange
    und intensive Partnerschaft mit der Histadrut, dem israe-
    lischen gewerkschaftlichen Dachverband.

    1965 war es dann so weit – dies feiern wir in diesen
    Wochen –: Die offiziellen diplomatischen Beziehungen
    haben begonnen. Sie konnten aber nur beginnen, weil in
    den Jahren davor von Menschen, die sich engagiert ha-
    ben und Wegbereiter dieser Kontakte waren, ein Netz
    geknüpft wurde. Dazu passt auch, dass es Johannes Rau
    war, der im Jahr 2000 als erstes deutsches Staatsober-
    haupt vor der Knesset gesprochen hat und auch als Erster
    dort eine Rede auf Deutsch gehalten hat, worüber in Is-
    rael damals heftig diskutiert wurde. Es war eine wegwei-
    sende und bewegende Rede, in der er um Vergebung bat.

    Ende der 1960er-Jahre wurde der deutsch-israelische
    Jugendaustausch auch offiziell etabliert. Er ist bis heute
    sehr lebendig. Mein Kollege Achim Post hat schon da-
    rauf hingewiesen: 700 000 Menschen haben bisher teil-
    genommen. Etwa 300 Austauschprojekte gibt es pro
    Jahr. Seit 2001 wird dies von ConAct organisiert, dem
    Koordinierungszentrum für den deutsch-israelischen Ju-
    gendaustausch in Wittenberg. Ich danke allen, die sich
    dort engagieren, sehr herzlich für diese Begegnungsar-
    beit.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Ich selbst hatte 1996 das Glück, gemeinsam mit unse-
    rer heutigen Ministerin Andrea Nahles, sie war damals
    noch Juso-Bundesvorsitzende, dabei zu sein, als das
    Willy-Brandt-Zentrum in Jerusalem gegründet wurde.
    Das ist eine einmalige trilaterale Initiative, die es bis
    heute gibt, die gemeinsam von Deutschen, Israelis und
    Palästinensern getragen wird und die trotz aller Krisen,
    Terroranschläge und Kriege, die seither stattgefunden
    haben, weiter existiert, weil es junge Menschen gibt, die
    immer wieder beharrlich und unverdrossen daran arbei-
    ten, dass die zwischen Deutschen, Israelis und Palästi-
    nensern geknüpften Fäden nicht zerreißen.

    Mir geht es immer wieder so: Wenn man dort ist – ich
    bin oft in Israel –, wenn man über die Lage im Nahen
    Osten verzweifelt ist und wenn man so gar keine Fort-
    schritte, sondern eher Rückschritte wahrnimmt, dann ist
    es ein Hoffnungszeichen, dass es dort diese Menschen
    gibt, dass dort Begegnung und Verständigung möglich
    sind. Ich bin mir ganz sicher: Wenn Menschen die
    Chance haben, zueinanderzukommen, sich kennenzuler-
    nen, miteinander zu reden, dann ist das schon ein Frie-
    densprozess im Kleinen. Davon brauchen wir noch viel
    mehr.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Damit kann in der Tradition all der Kontakte, die ich auf-
    gezählt habe, ein kleiner Beitrag dafür geleistet werden,
    dass Israel eine friedliche Zukunft hat.





    Kerstin Griese


    (A) (C)



    (D)(B)

    Ich will genau wie meine Vorredner betonen: Wir
    müssen gerade in Deutschland besonders sensibel sein,
    wenn es um antisemitische Tendenzen in der Gesell-
    schaft geht. Wir verzeichnen in diesem Jahr eine Zu-
    nahme antisemitischer Straftaten um 25 Prozent. Das ist
    ein unhaltbarer Zustand. Dagegen müssen wir uns alle
    gemeinsam engagieren.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Der Nahostkonflikt wurde im letzten Jahr instrumen-
    talisiert, und wir haben offen antisemitische Demonstra-
    tionen erlebt. Ich sage ganz deutlich zu Gregor Gysi: Ich
    bin Ihnen dankbar, dass Sie hier und heute klare Kante
    gezeigt haben. Denn in meiner Nachbarstadt Essen gab
    es eine Demonstration, bei der wirklich erschreckende
    antisemitische Parolen geäußert wurden und die von Tei-
    len der nordrhein-westfälischen Linkspartei unterstützt
    wurde. Deshalb: Vielen Dank! Ich glaube, wir müssen
    uns gemeinsam gegen jeden Antisemitismus wehren und
    ihm entgegenstehen.


    (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Kritik an der israelischen Regierungspolitik ist selbst-
    verständlich immer möglich. Es gibt auch niemanden,
    der sie unterbinden will, wenn sie demokratisch geäußert
    wird. Was wir aber erlebt haben, ist, dass diese Kritik in
    eine Kritik an den Juden insgesamt und an Israel insge-
    samt übergesprungen ist und ein Gleichsetzen der Juden
    in Deutschland mit der israelischen Regierungspolitik
    stattgefunden hat. Gegen diesen Antisemitismus stellen
    wir uns mit aller Deutlichkeit.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Liebe Kolleginnen und Kollegen, Israel und Deutsch-
    land sind Verbündete, Partner und Freunde. Viele Abge-
    ordnete aus allen Fraktionen bemühen sich in der
    Deutsch-Israelischen Parlamentariergruppe und weit da-
    rüber hinaus ganz besonders um diese Beziehungen;
    denn sie sind für uns elementarer Bestandteil unseres
    politischen Selbstverständnisses. Der freundschaftliche
    und kritische Austausch bleibt eine wichtige Grundlage
    für die Beziehungen unserer beiden Staaten.

    Mir geht es so wie sicherlich vielen von Ihnen – ich
    hoffe, allen hier –: Ich werde mich immer dafür einset-
    zen, dass der demokratische und jüdische Staat Israel
    existieren kann. Ich wünsche den Menschen in Israel,
    dass sie in einem Staat mit dauerhaft anerkannten und si-
    cheren Grenzen leben können – neben einem unabhängi-
    gen, demokratischen und lebensfähigen palästinensi-
    schen Staat, Seite an Seite, in Frieden und Sicherheit.

    Vielen Dank.


    (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Rede von Claudia Roth
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Kerstin Griese. – Nächster Redner:

Philipp Mißfelder für die CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Philipp Mißfelder


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)


    Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle-

    gen! Auch ich möchte im Namen unserer Fraktion deut-
    lich hervorheben, wie wichtig uns diese Debatte ist und
    wie wichtig auch das Andenken an das 50-jährige Jubi-
    läum der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwi-
    schen Deutschland und Israel ist.

    Kerstin Griese hat aus meiner Sicht gerade sehr schön
    beschrieben, dass sich die Sozialisation jüngerer Politiker
    über mehrere Jahrzehnte erstreckt und dass das eigene
    Verständnis – das gilt über die Parteigrenzen hinweg – na-
    türlich vor allem durch die politischen Stiftungen geprägt
    wird. Man wächst in Deutschland in dem Bewusstsein
    auf, dass die Beziehungen zwischen Deutschland und Is-
    rael nicht irgendwelche, sondern besondere Beziehungen
    sind. Diese besonderen Beziehungen leiten sich vor allem
    aus den schrecklichen Ereignissen des Holocausts ab.

    Unsere Fraktion hat diese Woche eine Veranstaltung
    durchgeführt und versucht, in diesem Rahmen die junge
    Generation, junge Vertreter aus Israel, zu Wort kommen
    zu lassen. Mich hat besonders beeindruckt, dass eine
    junge Deutsche namens Melody Sucharewicz, die in Is-
    rael lebt, sich in München sehr stark für das jüdische Le-
    ben eingesetzt hat und bei unserer Veranstaltung aus Is-
    rael zugeschaltet war, deutlich hervorgehoben hat, dass
    es mit Worten allein nicht getan ist, sondern dass sich
    ganz besonders an Taten bemisst, was diese Freund-
    schaft wirklich ausmacht.

    Da muss ich natürlich sagen: Wir haben in sehr vielen
    Diskussionen, auch über die Parteigrenzen hinweg, im-
    mer alles getan, um die Existenz des jüdischen und de-
    mokratischen Staates Israel zu garantieren. In diesem
    Geist sollten wir auch diese Debatte führen. Wir sollten
    über die Parteigrenzen hinweg alles tun, was notwendig
    ist, um die Existenz des jüdischen Staates dauerhaft zu
    garantieren.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Aus dem Holocaust leitet sich nicht nur die Verant-
    wortung ab, sich seiner Geschichte bewusst zu sein. Es
    ist richtigerweise gesagt worden, dass es auch darum
    geht, entschlossen gegen Antisemitismus vorzugehen. Er
    ist in vielen gesellschaftlichen Schichten vorhanden. Da-
    bei geht es nicht nur um den externen Antisemitismus,
    der zu uns gekommen ist – zum Beispiel durch aggres-
    sive arabische Jugendliche oder in Form von Debatten,
    die eigentlich im Nahen Osten geführt wurden, mittler-
    weile aber auch in großen Städten und in Ballungsräu-
    men bei uns geführt werden; diese Debatten sind über
    das Internet zu uns geschwemmt worden –, sondern na-
    türlich auch um Vorurteile und Stereotype, die bedient
    werden.





    Philipp Mißfelder


    (A) (C)



    (D)(B)

    Antisemitismus geht – das besagt auch eine Studie
    des American Jewish Committee – quer durch alle Ge-
    sellschaftsschichten. Insofern stellt sich nicht nur die
    Frage, ob man sich Neonazis entgegenstellt – das ist eine
    Selbstverständlichkeit – oder versucht, Widerstand in ir-
    gendeiner Form an Demonstrationen und spektakulären
    Ereignissen festzumachen; vielmehr spielen auch der all-
    tägliche Antisemitismus und die Doppelstandards, die
    gegenüber Israel angewandt werden, eine Rolle. Hier
    muss man sehr wachsam sein und sagen: Wehret den
    Anfängen!

    Wenn wir die Forderung „Nie wieder!“ ernst nehmen,
    dann geht so etwas wie das, was unser Fraktionsvorsit-
    zender Volker Kauder vorhin am Beispiel der Israel-
    Fahne beschrieben hat, überhaupt nicht. Es ist nicht ak-
    zeptabel, dass wir uns verstecken und unser Bekenntnis
    zum Staate Israel so passiv zum Ausdruck bringen, dass
    ein Einsatzleiter bei einem Fußballspiel der Meinung ist,
    man dürfe keine Israel-Fahne zeigen. Ich glaube, er wäre
    bei der Flagge eines anderen Landes nie auf die Idee ge-
    kommen, so etwas zu tun. Das war wirklich beschämend
    und ist nur ein kleines Beispiel dafür, wo wir den Weg
    für Antisemitismus bereiten. Denn wenn man so wie die
    Staatsgewalt an dieser Stelle zurückschreckt, darf man
    sich nicht wundern, dass andere das als Einladung wahr-
    nehmen, noch viel weiter zu gehen. Deshalb war es
    wichtig, dass Volker Kauder das angesprochen hat.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Ich möchte diese Debatte aber auch nutzen, um auf
    die aktuelle Situation in Israel einzugehen. In fast allen
    Reden ist gesagt worden, dass wir froh sind, dass Israel
    ein demokratisches Land ist. Es ist das einzige demokra-
    tische – auch mit einem sehr breiten, pluralistischen Par-
    teienspektrum ausgestattete – Land in der Region, das
    sich im Grunde zu jedem Thema unterschiedliche Mei-
    nungen bildet. Jeder von uns könnte zu jeder politischen
    Diskussion in Israel, in der ganz kontroverse Meinungen
    vertreten werden, einen Vertreter benennen.

    Gerade weil Israel das einzige Land ist, in dem die
    Gleichberechtigung von Mann und Frau, überhaupt die
    Herkunft der Menschen keine Rolle spielt, ist es ganz
    bemerkenswert, dass Israel diesen demokratischen,
    streitbaren Prozess auch bei sich – anders als alle ande-
    ren Nachbarn – organisiert und konsequent durchhält.
    Mit Blick auf unsere Geschichte, aber auch wegen der
    bisherigen Erfolgsgeschichte Israels steht es uns nicht
    an, Israels Politik in Oberlehrermanier per se zu kritisie-
    ren.

    Manche haben sich heute zur Regierungsbildung in
    Israel geäußert. Ich bin froh, dass Israel eine Regierung
    gefunden hat. Sie ist demokratisch legitimiert. Es ist an
    den Israelis, zu entscheiden, welchen Weg sie demokra-
    tisch wählen, und es ist nicht an uns, das zu beurteilen.
    Deshalb hat die Regierung Netanjahu – auch die neue
    Regierung unter ihm – genau dieselben fairen Chancen
    wie jede andere demokratische Regierung in der westli-
    chen Welt verdient. Insofern sollten wir auch weiterhin
    eng und vertrauensvoll mit Netanjahu zusammenarbei-
    ten und vielleicht das eine oder andere, was im Wahl-
    kampf gewesen ist, hinter uns lassen.


    (Beifall bei der CDU/CSU)


    Ich bin über die aktuelle außenpolitische Situation
    Israels sehr besorgt. Die Freude über das Abkommen mit
    dem Iran teile ich dezidiert nicht. Ich nehme die Sorgen
    Israels sehr ernst und glaube, der Iran ist nach wie vor
    ein großer Unruheherd, eine Gefahr, ein Sponsor des in-
    ternationalen Terrorismus. Der Iran versucht, der Hege-
    mon des Nahen Ostens zu werden, und mit traumwand-
    lerischer Treffsicherheit gehen manche auf das Werben
    des Irans ein und unterschätzen aus meiner Sicht die von
    ihm ausgehenden Gefahren.

    Ich glaube, dass die in der Rede von Netanjahu in
    Washington geäußerten Sorgen berechtigt sind. Auch
    wenn ich nicht mit allen in diesem Hause überein-
    stimme, glaube ich, dass das ein Punkt ist, der definitiv
    zur Betrachtung der deutschen Außenpolitik gehören
    muss.

    Gerade in diesen Tagen, in denen man sagt, man
    wolle das Existenzrecht des jüdischen Staates weiterhin
    garantieren – das ist nicht nur Staatsräson, sondern auch
    Verpflichtung für uns alle –, muss man daraus verschie-
    dene außenpolitische Ableitungen vornehmen und im
    Nahen Osten, wo es nie nur Schwarz oder Weiß, sondern
    auch sehr viele Grautöne gibt, Konzessionen machen,
    die, obwohl man sich vielleicht etwas anderes ge-
    wünscht hätte, notwendig sind.

    Insofern begrüße ich es ausdrücklich, dass unser Au-
    ßenminister diese Woche in Ägypten war und Gespräche
    geführt hat. Ich möchte an dieser Stelle aber auch unse-
    ren Fraktionsvorsitzenden, Volker Kauder, hervorheben.
    Volker Kauder war der erste Politiker in Europa, der Prä-
    sident el-Sisi besucht, ihm die Hand gereicht und gesagt
    hat: Bei allen Schwierigkeiten, die Ägypten gerade hat,
    brauchen wir Ägypten, brauchen wir eine stabile Regie-
    rung in Ägypten. Die jetzige, bedauerlicherweise – das
    hätten wir uns anders gewünscht – nicht demokratisch
    legitimierte Regierung Ägyptens ist bei weitem besser
    als die vorherige unter Mursi, die zwar demokratisch ge-
    wählt, aber extremistisch war.


    (Beifall bei der CDU/CSU)


    Das war ein mutiger Schritt, Volker Kauder. Ich
    glaube, es ist auch richtig, dass Frank-Walter Steinmeier
    diesem Schritt jetzt gefolgt ist und dass auch die Bun-
    deskanzlerin Präsident el-Sisi hier in Berlin treffen wird.

    Ein letzter Gedanke. Selbstverständlich ist das Ver-
    hältnis zu Saudi-Arabien nicht einfach, sondern bringt
    große Schwierigkeiten mit sich. Es tut sich wohl nie-
    mand leicht mit dem Verhältnis zwischen Saudi-Arabien
    und Westeuropa. Trotzdem ist Saudi-Arabien ein wichti-
    ger Partner für Israel. Wir sollten diese Beziehung des-
    halb nicht leichtfertig aufs Spiel setzen, sondern immer
    mit Bedacht abwägen, welche Folgen es mit sich
    brächte, wenn wir gegenüber dem Iran zu gutgläubig
    aufträten.

    Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.


    (Beifall bei der CDU/CSU)







    (C)



    (D)(B)