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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 18/101 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 101. Sitzung Berlin, Freitag, den 24. April 2015 I n h a l t : Tagesordnungspunkt 25: a) Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD: Erinnerung und Gedenken an die Vertreibungen und Massaker an den Armeniern vor 100 Jahren Drucksache 18/4684 . . . . . . . . . . . . . . . . . 9653 D b) Antrag der Abgeordneten Ulla Jelpke, Katrin Kunert, Wolfgang Gehrcke, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: 100. Jahresgedenken des Völ- kermords an den Armenierinnen und Armeniern 1915/1916 – Deutschland muss zur Aufarbeitung und Versöh- nung beitragen Drucksache 18/4335 . . . . . . . . . . . . . . . . . 9654 A in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 5: Antrag der Abgeordneten Cem Özdemir, Claudia Roth (Augsburg), Peter Meiwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Gedenken an den 100. Jahrestag des Völkermords an den Armeniern – Versöhnung durch Auf- arbeitung und Austausch fördern Drucksache 18/4687 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9654 A Präsident Dr. Norbert Lammert . . . . . . . . . . . 9653 A Dr. h. c. Gernot Erler (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 9654 B Ulla Jelpke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . 9655 B Dr. Christoph Bergner (CDU/CSU) . . . . . . . . 9656 C Cem Özdemir (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9657 D Frank Schwabe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9659 C Dr. Norbert Röttgen (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 9660 C Dietmar Nietan (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9661 D Erika Steinbach (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 9663 A Dr. Bernd Fabritius (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 9664 B Tagesordnungspunkt 24: Antrag der Abgeordneten Sabine Zimmermann (Zwickau), Jutta Krellmann, Klaus Ernst, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Programm für gute öffentlich geförderte Beschäftigung aufle- gen Drucksache 18/4449 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9665 C Heike Werner, Ministerin (Thüringen) . . . . . . 9665 C Dr. Matthias Zimmer (CDU/CSU) . . . . . . . . . 9667 D Sabine Zimmermann (Zwickau) (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9669 D Dr. Matthias Zimmer (CDU/CSU) . . . . . . . . . 9670 C Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9670 D Daniela Kolbe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9672 B Kai Whittaker (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 9674 B Dr. Matthias Bartke (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 9676 C Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9677 D Dr. Petra Sitte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 9678 B Dr. Matthias Bartke (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 9678 D Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . 9679 A Inhaltsverzeichnis II Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Freitag, den 24. April 2015 Sabine Zimmermann (Zwickau) (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9679 C Christel Voßbeck-Kayser (CDU/CSU) . . . . . . 9680 B Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (SPD) . . . . . . . 9681 D Jutta Eckenbach (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 9683 A Markus Paschke (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9684 B Dr. Astrid Freudenstein (CDU/CSU) . . . . . . . 9685 C Tagesordnungspunkt 23: a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Verbesserung der Zusammenar- beit im Bereich des Verfassungsschutzes Drucksache 18/4654 . . . . . . . . . . . . . . . . . 9686 D b) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht der Bundesregierung über den Umsetzungsstand der Empfehlungen des 2. Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages in der 17. Wahlperiode (NSU-Untersuchungs- ausschuss) Drucksache 18/710 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9686 D c) Antrag der Abgeordneten Petra Pau, Jan Korte, Dr. André Hahn, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion DIE LINKE: Wirksame Alternativen zum nachrich- tendienstlich arbeitenden Verfassungs- schutz schaffen Drucksache 18/4682 . . . . . . . . . . . . . . . . . 9686 D in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 6: Antrag der Abgeordneten Dr. Konstantin von Notz, Hans-Christian Ströbele, Irene Mihalic, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Für eine Zäsur und einen Neustart in der deutschen Sicherheitsarchitektur Drucksache 18/4690 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9687 A Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9687 A Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9689 B Petra Pau (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . 9690 B Burkhard Lischka (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 9691 B Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9692 B Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU) . . . . . 9693 C Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9695 C Dr. André Hahn (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 9696 C Uli Grötsch (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9697 D Irene Mihalic (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9699 B Tankred Schipanski (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 9700 B Wolfgang Gunkel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 9702 A Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9704 A Armin Schuster (Weil am Rhein) (CDU/CSU) 9705 A Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9705 C Dr. André Hahn (DIE LINKE) . . . . . . . . . 9706 B Tagesordnungspunkt 26: Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD: Die NVV-Überprüfungskonferenz zum Erfolg führen Drucksache 18/4685 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9708 C in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 7: Antrag der Abgeordneten Inge Höger, Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Die europäische Sicherheitsstruktur retten – Übereinkommen in Gefahr Drucksache 18/4681 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9708 C Dr. Ute Finckh-Krämer (SPD) . . . . . . . . . . . . 9708 C Inge Höger (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . 9709 D Dr. Andreas Nick (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 9710 C Agnieszka Brugger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9711 D Wolfgang Hellmich (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 9712 D Dr. Hans-Peter Uhl (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 9713 D Dr. Katja Leikert (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 9714 B Tagesordnungspunkt 27: Antrag der Abgeordneten Elisabeth Scharfenberg, Kordula Schulz-Asche, Maria Klein-Schmeink, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Gute Versorgung am Lebensende sichern – Palliativ- und Hospizversorgung stärken Drucksache 18/4563 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9715 C Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9715 D Emmi Zeulner (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 9717 A Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Freitag, den 24. April 2015 III Pia Zimmermann (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 9718 B Helga Kühn-Mengel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 9719 B Erwin Rüddel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 9720 A Bettina Müller (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9720 D Dr. Roy Kühne (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 9721 D Tagesordnungspunkt 28: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung von Bestimmungen des Rechts des Energieleitungsbaus Drucksache 18/4655 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9722 D Uwe Beckmeyer, Parl. Staatssekretär BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9722 D Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . . . . . 9723 B Karl Holmeier (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 9724 B Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9725 C Johann Saathoff (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9726 C Tagesordnungspunkt 29: Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes Drucksache 18/4683 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9727 C Johann Saathoff (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9727 D Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . . . . 9729 B Dr. Andreas Lenz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 9730 A Dr. Julia Verlinden (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9731 C Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9732 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 9733 A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9733 D Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Freitag, den 24. April 2015 9653 (A) (C) (D)(B) 101. Sitzung Berlin, Freitag, den 24. April 2015 Beginn: 9.00 Uhr
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    Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Freitag, den 24. April 2015 9733 (A) (C) (B) Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten (D) Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Albsteiger, Katrin CDU/CSU 24.4.2015 Beck (Bremen), Marieluise BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 24.4.2015 Dağdelen, Sevim DIE LINKE 24.4.2015 Dobrindt, Alexander CDU/CSU 24.4.2015 Dr. Fuchs, Michael CDU/CSU 24.4.2015 Gröhe, Hermann CDU/CSU 24.4.2015 Groth, Annette DIE LINKE 24.4.2015 Grund, Manfred CDU/CSU 24.4.2015 Hartmann (Wackernheim), Michael SPD 24.4.2015 Hochbaum, Robert CDU/CSU 24.4.2015 Dr. Högl, Eva SPD 24.4.2015 Hunko, Andrej DIE LINKE 24.4.2015 Irlstorfer, Erich CDU/CSU 24.4.2015 Kassner, Kerstin DIE LINKE 24.4.2015 Keul, Katja BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 24.4.2015 Koschyk, Hartmut CDU/CSU 24.4.2015 Dr. Krings, Günter CDU/CSU 24.4.2015 Kühn (Tübingen), Christian BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 24.4.2015 Dr. Lauterbach, Karl SPD 24.4.2015 Dr. von der Leyen, Ursula CDU/CSU 24.4.2015 Meiwald, Peter BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 24.4.2015 Dr. Müller, Gerd CDU/CSU 24.4.2015 Rebmann, Stefan SPD 24.4.2015 Dr. Rosemann, Martin SPD 24.4.2015 Sarrazin, Manuel BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 24.4.2015 Dr. Schäuble, Wolfgang CDU/CSU 24.4.2015 Schimke, Jana CDU/CSU 24.4.2015 Schlecht, Michael DIE LINKE 24.4.2015 Trittin, Jürgen BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 24.4.2015 Vogel (Kleinsaara), Volkmar CDU/CSU 24.4.2015 Werner, Katrin DIE LINKE 24.4.2015 Zertik, Heinrich CDU/CSU 24.4.2015 Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner 932. Sitzung am 27. März 2015 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzu- stimmen bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Absatz 2 des Grundgesetzes nicht zu stellen: – Fünftes Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzgebung und anderer Gesetze (5. SGB IV- ÄndG) Der Bundesrat hat ferner nachstehende Entschließung gefasst: 1. Der Bundesrat begrüßt, dass im Rahmen der Assis- tierten Ausbildung mit dem vorliegenden Gesetz ein wichtiger Schritt hin zu einer besseren Unterstützung förderungsbedürftiger junger Menschen und deren Ausbildungsbetriebe erfolgt. Dadurch könnten mehr erfolgreiche Abschlüsse der Berufsausbildung er- reicht werde. 2. Die Kammern unterhalten, wie auch gesetzlich fest- gelegt, sogenannte Ausbildungsberater. Der Bundes- rat bittet die Bundesregierung, bei der Umsetzung des Gesetzes dafür Sorge zu tragen, dass die Betreuer der Assistierten Ausbildung während der Berufsaus- bildung mit diesen Ausbildungsberatern verstärkt zu- sammenarbeiten. Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Anlagen 9734 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Freitag, den 24. April 2015 (A) (C) (D)(B) – Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst – Gesetz zur Steigerung der Attraktivität des Diens- tes in der Bundeswehr (Bundeswehr-Attraktivi- tätssteigerungsgesetz – BWAttrakt StG) – Gesetz zur Dämpfung des Mietanstiegs auf ange- spannten Wohnungsmärkten und zur Stärkung des Bestellerprinzips bei der Wohnungsvermitt- lung (Mietrechtsnovellierungsgesetz – MietNovG) Der Bundesrat hat ferner folgende Entschließung ge- fasst: Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, für eine praxistaugliche Ausgestaltung der im Wirt- schaftsgesetz 1954 (WiStrG 1954) enthaltenen Rege- lungen zur unangemessenen Mietpreisüberhöhung Sorge zu tragen, da es sich hierbei nach wie vor um ein notwendiges Instrument zum Schutz der Mieter vor überhöhten Mieten handelt. Bei der erforderli- chen Überarbeitung bietet sich der Rückgriff auf Zif- fer 8 des Beschlusses des Bundesrates vom 7. November 2014, BR-Drucksache 447/14 (Be- schluss), an. Begründung: Nach § 5 Absatz 1 WiStrG 1954 handelt ordnungs- widrig, wer vorsätzlich oder leichtfertig für die Ver- mietung von Räumen zum Wohnen oder damit ver- bundene Nebenleistungen unangemessen hohe Entgelte fordert, sich versprechen lässt oder an- nimmt. Es handelt sich um ein sogenanntes Verbots- gesetz gemäß § 134 BGB, sodass die Erfüllung des Ordnungswidrigkeitstatbestandes durch den Vermie- ter im Sinne eines umfassenden Mieterschutzes zu- gleich zivilrechtliche Rückzahlungsansprüche des Mieters begründen kann. Die von der höchstrichterli- chen Rechtsprechung für die Bestimmung eines „un- angemessenen Entgelts“ an die Tatbestandsmerkmale „Ausnutzung eines geringen Angebots an vergleich- baren Räumen“ geknüpften Voraussetzungen haben jedoch dazu geführt, dass nach einhelliger Meinung die Norm in der heutigen Fassung für die Praxis un- tauglich ist. Die Überarbeitung der oben genannten Norm ist auch nicht durch die im Mietrechtsnovellierungsge- setz vorgesehenen Neuregelungen im BGB zur Be- grenzung der Wiedervermietungsmiete entbehrlich geworden. Da hiernach selbst der vorsätzlich han- delnde Vermieter eine gesetzeswidrig überhöhte Miete nur zurückzahlen muss, wenn der Mieter einen Verstoß gegen die Regelungen der §§ 556d ff. BGB gerügt hat und die zurückverlangte Miete nach Zu- gang der Rüge fällig geworden ist (§ 556g Absatz 2 Satz 1 BGB), sind zum Schutz der Mieter weitere Regelungen im Wirtschaftsgesetz 1954 geboten. – Gesetz zur Bevorrechtigung der Verwendung elektrisch betriebener Fahrzeuge (Elektromobili- tätsgesetz – EmoG) – Gesetz zu dem Abkommen vom 19. September 2014 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik der Philippinen über Soziale Sicherheit – Gesetz zu dem Übereinkommen vom 11. April 2014 über die Beteiligung der Republik Kroatien am Europäischen Wirtschaftsraum Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat mit- geteilt, dass sie den Antrag Internationale Förderung von Kohlekraftwerken beenden auf Drucksache 18/2623 zu- rückzieht. Die folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, dass sie gemäß § 80 Absatz 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absehen: Ausschuss für Wirtschaft und Energie – Unterrichtung durch die Bundesregierung Zwölfter Bericht der Bundesregierung über die Aktivi- täten des Gemeinsamen Fonds für Rohstoffe und der einzelnen Rohstoffabkommen Drucksachen 18/3725, 18/3890 Nr. 2 Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung – Unterrichtung durch die Bundesregierung Eine Agenda für den Wandel zu nachhaltiger Entwick- lung weltweit – Die deutsche Position für die Verhand- lungen über die Post 2015-Agenda für nachhaltige Ent- wicklung Drucksachen 18/3604 Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden Unionsdokumente zur Kenntnis genommen oder von ei- ner Beratung abgesehen hat. Auswärtiger Ausschuss Drucksache 18/4152 Nr. A.2 Ratsdokument 5096/15 Drucksache 18/4375 Nr. A.1 Ratsdokument 6031/15 Innenausschuss Drucksache 18/3362 Nr. A.3 Ratsdokument 14911/14 Drucksache 18/3362 Nr. A.4 Ratsdokument 14915/14 Drucksache 18/3765 Nr. A.3 Ratsdokument 15783/14 Haushaltsausschuss Drucksache 18/3898 Nr. A.13 Ratsdokument 14886/14 Drucksache 18/4152 Nr. A.4 Ratsdokument 5317/15 Drucksache 18/4152 Nr. A.5 Ratsdokument 5375/15 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Freitag, den 24. April 2015 9735 (A) (C) (B) Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft Drucksache 18/4375 Nr. A.5 EP P8_TA-PROV(2015)0034 Verteidigungsausschuss Drucksache 18/4152 Nr. A.8 Ratsdokument 17036/1/14 REV 1 Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit Drucksache 18/1048 Nr. A.15 Ratsdokument 7220/14 Drucksache 18/2533 Nr. A.55 Ratsdokument 11592/14 Drucksache 18/2533 Nr. A.56 Ratsdokument 11598/14 Drucksache 18/2845 Nr. A.11 Ratsdokument 12867/14 Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe Drucksache 18/3765 Nr. A.14 EP P8_TA-PROV(2014)0066 Drucksache 18/4375 Nr. A.8 EP P8_TA-PROV(2015)0040 (D) Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de 101. Sitzung Inhaltsverzeichnis TOP 25, ZP 5 Vertreibung und Massaker an Armeniern 1915/16 TOP 24 Öffentlich geförderte Beschäftigung TOP 23, ZP 6 Zusammenarbeit im Bereich des Verfassungsschutzes TOP 26, ZP 7 NVV-Überprüfungskonferenz (Atomwaffensperrvertrag) TOP 27 Palliativ- und Hospizversorgung TOP 28 Recht des Energieleitungsbaus TOP 29 Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes Anlagen
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Christoph Bergner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)


    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Verehrte

    Gäste! Heute vor 100 Jahren hat auf Befehl der jungtür-
    kischen Regierung eine Verhaftung der politischen und
    kulturellen Elite der Armenier in Istanbul stattgefunden.
    Sie sind verschleppt und ermordet worden. Dies war der
    Auftakt zu einer umfassenden Verschleppung und plan-
    mäßigen Vernichtung der armenischen Untertanen des
    Osmanischen Reiches. Mit dieser Debatte wollen wir
    uns in das Gedenken an diese schrecklichen Ereignisse
    einreihen. Ich möchte Sie einladen, der Opfer und der
    Verwüstungen dieses Geschehens zu gedenken, zu ge-
    denken der Hunderttausenden Armenier, eingeschlossen
    zahlreiche aramäische, chaldäische und assyrische
    Christen, die brutal vertrieben, furchtbar misshandelt
    und mit planvoller Konsequenz und oft hemmungsloser
    Grausamkeit getötet wurden. Ich möchte Sie einladen,
    zu gedenken der jahrhundertealten armenischen Kultur
    Anatoliens, die infolge dieser Ereignisse weitgehend
    vernichtet wurde, einer Kultur, die sich in langer Koexis-
    tenz mit anderen Kulturen der Region entwickelt und
    entfaltet hat und deren Verlust für uns alle dauerhaft
    schmerzhaft bleibt.

    Wir Abgeordnete des Deutschen Bundestages haben
    eine besondere historisch-moralische Verpflichtung, uns
    an dem weltweiten Gedenken anlässlich des 100. Jahres-
    tages dieser Ereignisse zu beteiligen und uns zu deut-
    schen Fehlern und deutscher Schuld zu bekennen. Neben
    dem Osmanischen Reich war das Deutsche Kaiserreich
    der am tiefsten involvierte Staat. Aus Rücksicht auf
    seine militärischen Ziele im Ersten Weltkrieg machte er
    sich unterlassener Hilfeleistung gegenüber den der Ver-
    nichtung ausgesetzten Armeniern schuldig. Hierfür bit-
    ten wir um Entschuldigung. Wir stehen in der Rechts-
    nachfolge des Deutschen Reiches, und wir haben
    deshalb hier mit besonderer Ernsthaftigkeit die Debatten
    zu führen, die seinerzeit den Mitgliedern des Reichsta-
    ges wegen Zensurmaßnahmen der Reichsregierung nicht
    möglich waren.

    Vor zehn Jahren hat der Deutsche Bundestag mit einer
    einstimmig verabschiedeten Resolution endlich eine
    90 Jahre dauernde Sprachlosigkeit der deutschen Politik
    zum Schicksal der osmanischen Armenier beendet. Ich
    erlebte damals die Erarbeitung und Einbringung dieses
    Antrages, der mit wissenschaftlicher Unterstützung des
    leider viel zu früh verstorbenen Hermann Goltz entstand.
    Ich erlebte damals einen vielfältigen türkischen Wider-
    spruch zu dieser Initiative – von der türkischen Botschaft
    über Abgeordnete der AKP, aus dem türkischen Parla-
    ment bis hin zu CDU-Mitgliedern türkischer Herkunft.
    Ich erinnere mich besonders an die Worte eines CDU-





    Dr. Christoph Bergner


    (A) (C)



    (D)(B)

    Ortsvorsitzenden aus Berlin – ich führe ihn exemplarisch
    an –, der mir sagte: Ich werde meinem Sohn nie sagen,
    eine türkische Regierung habe Armenier vertrieben und
    getötet; das ist für mich eine Frage der Ehre. – Meine
    Damen und Herren, spätestens da habe ich begriffen, wie
    schwierig das Selbstverständnis ist, mit dem wir hier zu
    ringen haben. Das ist ein Ehrbegriff, der sich an dem
    Gründungsmythos des türkischen Staates orientiert. Da-
    mit haben wir uns auseinanderzusetzen. Ich möchte dazu
    einladen, dass wir dieser Auseinandersetzung nicht aus-
    weichen


    (Beifall im ganzen Hause)


    und die Forderung ernst nehmen, die wir in unserem da-
    maligen Antrag beschlossen haben: Deutschland muss
    zur Versöhnung von Armeniern und Türken beitragen. –
    Das ist eine Forderung, die nicht an Aktualität verloren
    hat.

    Der Versöhnungsauftrag, den wir uns gegeben haben,
    bezieht sich nicht nur, so wichtig das ist – Kollege Erler
    ist darauf eingegangen –, auf das Verhältnis zwischen
    der Türkei und Armenien. Er bezieht sich auch und ins-
    besondere auf die Diaspora, auf die Menschen armeni-
    scher und türkischer Herkunft in unserem Land. Er be-
    zieht sich beispielsweise auf die Kinder türkischer und
    armenischer Familien; diese Kinder haben einen An-
    spruch darauf, in unseren Schulen ein Geschichtsbild
    vermittelt zu bekommen, das sich von den Ergebnissen
    der historischen Wissenschaft und dem Geiste der Auf-
    klärung ableitet und durch seine Objektivität für Aus-
    gleich sorgt.

    Der deutsche Staat muss ein Interesse daran haben,
    dass Konflikte, die Zuwanderer als Teil ihrer Identität in
    unsere Gesellschaft mitbringen, nicht durch beschwich-
    tigende Zurückhaltung und Indifferenz deutscher Politik
    auf Dauer unbewältigt bleiben.


    (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Mir liegt ein Aufruf verschiedener türkischer Verbände
    zu einer Demonstration am morgigen Tag am Branden-
    burger Tor vor, in dessen Überschrift es heißt: „Der Völ-
    kermordlüge ein Ende! Nimm Deine Flagge und
    komm!“ Es ist das Recht dieser Verbände, für ihre Auf-
    fassung zu demonstrieren. Aber ist es nicht unsere
    Pflicht als frei gewählte Vertreter des deutschen Volkes,
    klar zu bekennen, welche Deutung der Ereignisse vor
    100 Jahren uns angemessen und richtig erscheint?


    (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


    Ich habe Zweifel, dass wir, wenn wir in dieser Dis-
    kussion überzeugend auftreten und klar Stellung bezie-
    hen wollen, auf den Begriff „Völkermord“ verzichten
    können.


    (Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)


    Wir haben in der Koalition um die Angemessenheit die-
    ses Begriffes intensiv gerungen. Ich verstehe und re-
    spektiere das Anliegen derer, die um der Verständigung
    und um des Zieles der Versöhnung willen jede polarisie-
    rende Wortwahl vermeiden wollen. Aber die Berech-
    tigung dieses Anliegens endet dort, wo semantische
    Zurückhaltung zur faktischen Verharmlosung und Rela-
    tivierung der Tragödie führt, die im Mittelpunkt unseres
    Gedenkens steht.


    (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


    Es ist richtig: Der Straftatbestand des Völkermordes,
    geschweige denn der Begriff, existierte vor 100 Jahren
    noch nicht. Seine Formulierung und Definition ist erst
    im Zuge der Erarbeitung der UN-Konvention über die
    Verhütung und Bestrafung von Genoziden gefunden
    worden. Das war 1948, 33 Jahre nach der Vernichtung
    der osmanischen Armenier. Aber ist es ein Grund, die
    Verwendung des Begriffes „Völkermord“ für unange-
    bracht zu halten? Ist es nicht normaler Ausdruck einer
    lebendigen Sprachentwicklung, wenn sich zur Beschrei-
    bung alter Sachverhalte auch jüngerer Begriffe bedient
    wird? Dies gilt umso mehr, als die Massaker an den Ar-
    meniern vor 100 Jahren nachträglich zum zentralen Be-
    zugspunkt der Erarbeitung der Völkermordkonvention
    wurden. Für Raphael Lemkin, den Schöpfer des Begrif-
    fes „Genozid“ und Initiator der Völkermordkonvention
    der Vereinten Nationen, schien dies jedenfalls wichtig zu
    sein; denn er stellt rückblickend fest – ich zitiere Lemkin –:

    Die Leiden armenischer Männer, Frauen und Kin-
    der, die in den Euphrat geworfen … wurden, haben
    den Weg für die Annahme der UN-Genozidkonven-
    tion vorbereitet.

    Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben vor zehn
    Jahren die Sprachlosigkeit angesichts des Schicksals der
    osmanischen Armenier überwinden können. Lassen Sie
    uns die Beratung dieser Anträge im Ausschuss zum An-
    lass nehmen, unsere Sprachfähigkeit weiter zu üben und
    fortzuentwickeln, und lassen Sie uns unter dem Auftrag
    handeln, den wir uns vor zehn Jahren gegeben haben:
    Deutschland muss zur Versöhnung zwischen Armeniern
    und Türken beitragen.

    Herzlichen Dank.


    (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)




Rede von Dr. Norbert Lammert
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

Nächster Redner ist der Kollege Cem Özdemir für die

Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Cem Özdemir


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe

    Gäste! Ich möchte mich zunächst bei unserem Bundes-
    präsidenten Gauck für seine klaren Worte gestern Abend
    aus Anlass des Gedenkgottesdienstes zum 100. Jahrestag
    des Völkermordes an den Armeniern, Aramäern und As-
    syrern bedanken. Ich danke unserem Bundespräsidenten
    insbesondere für diese gewisse Portion Unbeirrbarkeit,
    die ihn auszeichnet, für die wir ihn schätzen und lieben.
    Ich füge nach der heutigen Rede des Bundestagspräsi-





    Cem Özdemir


    (A) (C)



    (D)(B)

    denten hinzu: Das gilt natürlich in derselben Weise auch
    für Sie, Herr Bundestagspräsident.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


    Leider kann ich die Vertreter der Bundesregierung in
    dieses Lob nicht mit einschließen. Denn wäre es nach Ih-
    nen gegangen, dann würden wir bis heute das türkische
    Narrativ wiederholen, dass es den Völkermord nicht gab.
    Ich verstehe das nicht; denn ich unterstelle Ihnen gute
    Absichten. Auch Sie wollen zur Versöhnung beitragen.
    Aber diese Haltung trägt nicht zur Versöhnung bei, son-
    dern stützt diejenigen, die den Völkermord leugnen, und
    diejenigen, die Unterstützung brauchen, die Vertreter der
    türkischen Zivilgesellschaft, werden im Stich gelassen.
    Da kenne ich mich, glaube ich, ganz gut aus.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


    Ich war im März zusammen mit der Kollegin Ekin
    Deligöz in Armenien. Ich habe mit Vertretern der Regie-
    rung, der Opposition, der Zivilgesellschaft, mit vielen
    gesprochen. Niemand dort bemerkt, dass wir die Mittel
    für die Versöhnungsarbeit im Auswärtigen Amt deutlich
    erhöht haben. Auch unsere Diplomaten beklagen sich
    darüber, dass sie diese Mittel gar nicht einsetzen können;
    denn an Veranstaltungen, wo der Begriff Völkermord
    auftaucht, dürfen sie nicht teilnehmen. Das versteht nie-
    mand. Ich hoffe, dass sich das nach dem heutigen Tage
    ändern wird.

    Ich habe mich, als ich dort im Andenken an die Opfer
    des Völkermordes den Kranz niedergelegt habe, gefragt:
    In welcher Eigenschaft mache ich das? Natürlich als Ab-
    geordneter des Deutschen Bundestages, als Vorsitzender
    einer deutschen Partei. Aber wenn man im Ausland un-
    terwegs ist, zumal in Armenien, und Cem Özdemir
    heißt, dann reist die Herkunft logischerweise mit. In
    meinem Fall zeigt es die ganze Zerrissenheit der Türkei.
    Denn ein Teil meiner Vorfahren kommt aus dem Kauka-
    sus; sie sind tscherkessischer Herkunft. Die Tscherkes-
    sen haben genauso wie die Muslime auf dem Balkan
    selber schrecklichstes Leid erfahren, sind vertrieben
    worden, sind Opfer von Mord und Vernichtung gewor-
    den. Und dieselben Tscherkessen haben sich in der Tür-
    kei zum Teil am Völkermord an den Armeniern beteiligt.

    Ich sage dies auch, weil es endlich Zeit ist, sich an die
    Opfer aller Völkermorde, aller Vernichtungen zu erin-
    nern. Wir sind es den Opfern und ihren Hinterbliebenen
    schuldig, dass niemand ausgelassen wird und ab heute
    alles beim Namen genannt wird.


    (Beifall im ganzen Hause)


    Ich habe gelesen, dass es auch darum geht, dass wir
    den Versöhnungsprozess nicht unterbrechen. Ich kann
    Sie beruhigen. Ich war gestern in Istanbul. Ich habe an
    einer türkisch-armenischen Veranstaltung zum Anden-
    ken an die Opfer vom 24. April 1915 teilgenommen. An
    dieser Veranstaltung haben Vertreter der Zivilgesell-
    schaft, auch türkische Abgeordnete und andere Personen
    teilgenommen. Alle waren sich einig in der Frage, die sie
    an mich gerichtet haben: Was wird der Deutsche Bun-
    destag 100 Jahre nach dem Völkermord in dieser Frage
    machen? Ich habe dort Folgendes gesagt: Der Deutsche
    Bundestag wird mit all seinen Rednern, mit all seinen
    Fraktionen 100 Jahre danach aufhören, so zu tun, als ob
    wir nichts mit dem Völkermord zu tun gehabt hätten. Er
    wird ihn anerkennen, und er wird heute eine neue Seite
    aufschlagen. – Und wir sind heute Zeugen davon, liebe
    Kolleginnen und Kollegen.

    Ich habe noch etwas gesagt: Kein deutsches Außen-
    ministerium, kein deutsches Auswärtiges Amt wird
    mehr Formulierungen verwenden wie – ich zitiere –
    „Aufarbeitung der geschichtlichen Ereignisse von 1915/
    1916“, um die damals unterlassene Hilfeleistung und
    Mitverantwortung zu verleugnen. Auch das wird mit
    dem heutigen Tag der Vergangenheit angehören, liebe
    Kolleginnen und Kollegen.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Es ist aber auch für die Türkei selber wichtig, dass die
    Ereignisse von 1915 aufgearbeitet werden. Denn hätte
    die Türkei den Völkermord aufgearbeitet, dann hätte
    1938 nicht das Massaker an den Aleviten in Dersim
    stattgefunden,


    (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


    dann hätten die Griechen am 6./7. September 1955 kein
    Pogrom erleben müssen, dann hätte vielleicht der
    schmutzige Krieg mit den Kurden nicht stattgefunden.
    Ich bin mir auch sicher: Hätte man sich nicht am Besitz
    der Armenier bereichert, wäre das Verständnis für die
    Normen der Rechtsstaatlichkeit stärker ausgeprägt wor-
    den.

    Wie sagte mein ermordeter türkisch-armenischer
    Freund Hrant Dink: Wären die Armenier heute noch am
    Leben, die osttürkische Stadt Van wäre heute so etwas
    wie das Paris des Ostens. – Es ist wichtig, zu verstehen,
    dass damals Geistliche, Ärzte, Verleger, Journalisten,
    Anwälte, Lehrer wie auch Politiker umgebracht worden
    sind. Manche haben sich für sie eingesetzt, beispiels-
    weise der damalige US-Botschafter Henry Morgenthau,
    der immerhin durchsetzen konnte, dass der berühmte os-
    manische – nicht nur armenische, sondern auch osmani-
    sche – Komponist Komitas gerettet wurde. Er hat nach
    seiner Rettung nie wieder eine Note angerührt, nie wie-
    der ein Wort geäußert angesichts des Leids, das er erfah-
    ren hat.

    Ich wünsche mir künftige türkische Schulbücher, in
    denen an das Leid dieser Menschen erinnert wird. Ich
    wünsche mir in der Türkei Schulbücher, in denen die
    Kinder etwas darüber erfahren, was dem Osmanischen
    Reich und der Türkei verlorengegangen ist. Ich wünsche
    mir, dass Kinder in der Türkei künftig lernen: Nicht
    Talaat Pascha und Enver Pascha sind die Helden für die
    Türken von heute, sondern es war der Gouverneur von
    Kütahya, der gesagt hat: In meinem Verwaltungsbezirk
    wird der Befehl aus Istanbul nicht angewendet. Kein ein-
    ziger Armenier wird angerührt. – Das sollten die Vorbil-
    der sein, über die unsere Kinder etwas lernen. Dann ler-





    Cem Özdemir


    (A) (C)



    (D)(B)

    nen sie nämlich auch, dass sich so etwas nie wiederholen
    darf.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


    Um auch das klar zu sagen: Es geht hier nicht um
    Überheblichkeit. Es geht hier nicht darum, dass wir mit
    erhobenem Zeigefinger sprechen, sondern wir sprechen
    als Freunde zu Freunden. Wir wollen als Freunde der
    Türkei sagen: Es liegt auch im türkischen Interesse, dass
    sich die Grenze zu Armenien öffnet und sich eines Tages
    die Grenze zwischen der Türkei und Armenien so dar-
    stellt wie heute Gott sei Dank die Grenze zwischen
    Deutschland und Polen und zwischen Deutschland und
    Frankreich. Das muss geschaffen werden, das kann ge-
    schaffen werden, und dazu müssen wir alle unseren Bei-
    trag leisten, liebe Kolleginnen und Kollegen.


    (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Ich will ein Weiteres sagen: Das zweifelhafte Privileg
    des ersten Völkermordes in diesem Jahrhundert haben
    leider wir Deutsche. Denn das, was damals im sogenann-
    ten Deutsch-Südwestafrika, in unserer damaligen Kolo-
    nie, mit den Herero und Nama passierte, erfüllt ebenfalls
    den Tatbestand eines Völkermordes. Auch deshalb eig-
    nen wir uns nicht als Lehrer, sondern höchstens als Rat-
    geber,


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


    als diejenigen, die sagen können: Wer sich mit den dunk-
    len Flecken der eigenen Geschichte beschäftigt, der wird
    daran nicht kleiner, sondern – im Gegenteil – wächst da-
    ran.

    Es ist darum höchste Zeit, dass wir den Opfern end-
    lich unser Mitgefühl aussprechen und uns entschuldigen:
    bei den Armeniern, bei den Aramäern, bei all denen, die
    durch das Osmanische Reich damals Leid erfahren ha-
    ben. Aber auch wir hatten eben ein Deutsches Kaiser-
    reich, das nichts dafür getan hat, dass diese Menschen
    geschützt werden. Ich hoffe, dass künftige Generationen
    in Armenien und in der Türkei wieder die Chance be-
    kommen, als Nachbarn, als Freunde, als Brüder und
    Schwestern aufzuwachsen. Heute leisten wir einen Bei-
    trag dazu.

    Herzlichen Dank.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)