2) Anlage 9
(D)
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. März 2015 9291
(A) (C)
(B)
Anlagen zum Stenografischen Bericht
Anlage 1
Liste der entschuldigten Abgeordneten
(D)
Abgeordnete(r)
entschuldigt bis
einschließlich
Auernhammer, Artur CDU/CSU 26.03.2015
Barthel, Klaus SPD 26.03.2015
Behrens (Börde),
Manfred
CDU/CSU 26.03.2015
Dr. Brantner, Franziska BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
26.03.2015
Brugger, Agnieszka BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
26.03.2015
Bulmahn, Edelgard SPD 26.03.2015
Ehrmann, Siegmund SPD 26.03.2015
Dr. Fabritius, Bernd CDU/CSU 26.03.2015
Dr. Flachsbarth, Maria CDU/CSU 26.03.2015
Flosbach, Klaus-Peter CDU/CSU 26.03.2015
Dr. Franke, Edgar SPD 26.03.2015
Gottschalck, Ulrike SPD 26.03.2015
Hänsel, Heike DIE LINKE 26.03.2015
Hartmann (Wackernheim),
Michael
SPD 26.03.2015
Höhn, Bärbel BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
26.03.2015
Koschyk, Hartmut CDU/CSU 26.03.2015
Dr. Krüger, Hans-Ulrich SPD 26.03.2015
Kunert, Katrin DIE LINKE 26.03.2015
Lange (Backnang),
Christian
SPD 26.03.2015
Dr. Launert, Silke CDU/CSU 26.03.2015
Lösekrug-Möller,
Gabriele
SPD 26.03.2015
Maisch, Nicole BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
26.03.2015
Özoğuz, Aydan SPD 26.03.2015
Pflugradt, Jeannine SPD 26.03.2015
Rüffer, Corinna BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
26.03.2015
Scharfenberg, Elisabeth BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
26.03.2015
Schimke, Jana CDU/CSU 26.03.2015
Schlecht, Michael DIE LINKE 26.03.2015
Schmidt (Ühlingen),
Gabriele
CDU/CSU 26.03.2015
Spahn, Jens CDU/CSU 26.03.2015
Stockhofe, Rita CDU/CSU 26.03.2015
Stritzl, Thomas CDU/CSU 26.03.2015
Tack, Kerstin SPD 26.03.2015
Weber, Gabi SPD 26.03.2015
Wöhrl, Dagmar G. CDU/CSU 26.03.2015
Anlage 2
Erklärung nach § 31 GO
der Abgeordneten Omid Nouripour, Anja
Hajduk, Cem Özdemir und Dr. Valerie Wilms
(alle BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur nament-
lichen Abstimmung über die Beschlussempfeh-
lung des Auswärtigen Ausschusses zu dem An-
trag der Bundesregierung: Fortsetzung der
Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte
an der EU-geführten Ausbildungs- und Bera-
tungsmission EUTM Somalia (Tagesordnungs-
punkt 6)
Nach über 20 Jahren Bürgerkrieg ist die Lage in So-
malia bedrückend. Mehr als drei Millionen Menschen
sind auf der Flucht, Gewaltausbrüchen, Terrorattacken
und Hungersnöten sind unzählige Unschuldige zum Op-
fer gefallen. Einige Teile des Südens sind nach wie vor
umkämpft. Die islamistische Al-Schabab-Miliz konnte
zwar in der Fläche weitestgehend zurückgedrängt wer-
den, sie verübt aber nach wie vor Terroranschläge, vor
allem in Mogadischu. Der Aufbau von Staatlichkeit wird
durch immer neue Auseinandersetzungen mit der Terror-
Abgeordnete(r)
entschuldigt bis
einschließlich
Anlagen
9292 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. März 2015
(A) (C)
(D)(B)
miliz sowie durch aufflammende Konflikte zwischen
konkurrierenden Clans erschwert.
Aber es gibt auch Hoffnung: Der Norden des Landes
ist relativ stabil, die Regionen Somaliland und Puntland
verwalten sich faktisch autonom. Auch im Süden gibt es
seit 2012 nach Jahren ohne zentralstaatliche Strukturen
eine zumindest in Teilen anerkannte Übergangsregie-
rung. Diese steht vor Herkules-Aufgaben: Sie muss trotz
Nahrungsmittelknappheit die Versorgung der somali-
schen Binnenflüchtlinge ebenso gewährleisten wie die
der Bevölkerung. Es gilt eine funktionierende Sicher-
heitsarchitektur aufzubauen, Föderalisierung voranzu-
treiben und das politische System und das Justizwesen
von Grund auf neu zu gestalten.
Somalia bleibt auf vielfältige Weise auf internationale
Unterstützung angewiesen: auf humanitäre Hilfe, wirt-
schaftlichen Wiederaufbau, Unterstützung von Verhand-
lungs- und Versöhnungsprozessen oder Hilfe bei der
Rückführung von Flüchtlingen. Vieles davon wurde in
den letzten Jahren in Somalia angestoßen. Die Peace-
keeping Mission der Afrikanischen Union, AMISOM,
unterstützt Somalia seit 2006. Die Europäische Union
hat 2011 einen strategischen Rahmen für das Horn von
Afrika entwickelt, der das politische Engagement der
EU ausbuchstabiert. Im Rahmen einer New-Deal-Kon-
ferenz wurde 2013 ein Plan für den Wiederaufbau
Somalias entwickelt. Für 2016 sind Wahlen und ein
Verfassungsreferendum geplant, auch hierfür hat die in-
ternationale Gemeinschaft ihre Unterstützung zugesagt.
Die letzten zwei Jahre haben gezeigt, dass es zwar
langsam, aber dennoch stetig bergauf geht. Der Aufbau
nationaler Streitkräfte ist ein zentraler Baustein dieses
Statebuilding-Prozesses. Der Aufbau einer somalischen
Armee kann dabei nicht nur die Sicherheitssituation ver-
bessern. Er kann auch dabei helfen, mitten in einer ent-
lang von Clanzugehörigkeiten organisierten Gesellschaft
eine nationale Identität aufzubauen. Dies ist aber nur
möglich, wenn alle Parteien in den Prozess eingebunden
werden. Stabilisierung und Staatsaufbau können nur ge-
lingen, wenn die Ausübung des Gewaltmonopols an
rechtsstaatliche Prinzipien, an Gewaltenteilung und an
die Einhaltung von Menschenrechten gebunden ist. Das
ist das Ziel der europäischen Ausbildungsmission. Sie
soll helfen, tragfähige Strukturen aufzubauen und so kri-
minellen und terroristischen Strukturen sowie der Pirate-
rie den Boden zu entziehen.
In einem Umfeld, das so schwierig ist wie das in So-
malia, ist Militärausbildung immer eine große Heraus-
forderung. Wir danken allen, die sich dennoch engagiert
daran beteiligen – im Rahmen der Europäischen und
Afrikanischen Union sowie der Vereinten Nationen. Al-
lerdings kann die hier zur Abstimmung stehende Mis-
sion in ihrer derzeitigen Ausgestaltung dem eigenen An-
spruch nicht gerecht werden. Deswegen können wir dem
vorliegenden Mandat nicht zustimmen.
EUTM Somalia ist auf Mogadischu begrenzt. Die
auszubildenden Rekrutinnen und Rekruten werden durch
die somalische Regierung identifiziert. Dabei hat sich in
den letzten Jahren abgezeichnet, dass vorrangig Angehö-
rige des der Regierung nahestehenden Clans ausgebildet
wurden. In einem ohnehin zersplitterten Land kann dies
Konflikte weiter anheizen. Im Moment ist nicht sicher-
gestellt, dass die ausgebildeten Soldatinnen und Solda-
ten regelmäßig bezahlt werden. In der Konsequenz gibt
es zahlreiche Berichte über Desertationen, Straßensper-
ren und Schutzgelderpressungen durch ehemalige Re-
krutinnen und Rekruten. An der Ausbildung sind zahl-
reiche Akteure beteiligt: AMISOM, private Firmen wie
Bancroft Global, das im Auftrag der USA ausbildet, und
die Trainingsmission der EU. Die Zusammenarbeit zwi-
schen den Akteuren und mit der somalischen Regierung
ist stark verbesserungswürdig. Unterschiedliche Stan-
dards, vereinzelte Überschneidungen zwischen den Auf-
trägen, unklare Hierarchiestrukturen und eine diffuse
Befehlskette auf somalischer Seite hemmen den Erfolg.
Eine Evaluation der bisherigen Aktivitäten, die unter
derartigen Umständen unbedingt notwendige Verbesse-
rungshinweise geben könnte, wurde bisher nicht vorge-
legt. Zudem unterminieren völkerrechtswidrige Aktivi-
täten wie Drohnenangriffe durch die USA eben jenen
Staatsaufbau, den sich die internationale Gemeinschaft
zum Ziel gesetzt hat.
Aber es gibt auch Lichtblicke seit der letzten Abstim-
mung. Die internationale Gemeinschaft hat die Schwach-
stellen der bisherigen Ausbildung erkannt, und es gibt
deutliche Ansätze, ihnen zu begegnen. Der Komman-
deur der EU-Mission soll Mogadischu verlassen können,
um weitere Clans an der Ausbildungsmission zu beteili-
gen. Die Beratungstätigkeit der Mission soll ausgeweitet
werden. Der Aufbau einer Personalverwaltung soll un-
terstützt werden, um verlässliche Finanzstrukturen und
Befehlsstrukturen zu etablieren. Weiter ist der Aufbau
eines Systems zur Verbleibskontrolle von Waffen und
Munition geplant. Schließlich sollen Menschen- und
Völkerrechtsfragen in der zukünftigen Ausbildung stär-
ker berücksichtigt werden. So sieht es der neue GSVP-
Rahmen vor, der im März 2015 verabschiedet wurde.
Auf einer gemeinsam von der somalischen und briti-
schen Regierung ausgerichteten Konferenz wurde im
September 2014 ein Konzept für den weiteren Aufbau
der somalischen Streitkräfte bis 2019 vorgelegt. An des-
sen Umsetzung will sich die EUTM beteiligen.
Diese Lichtblicke dürfen aber nicht darüber hinweg-
täuschen, dass noch vieles zu tun bleibt, vor allem im
zivilen Bereich. Sicherheitssektorreform allein befrie-
det keinen gesellschaftlichen Konflikt. Unterschiedliche
Ausbildungsangebote müssen in Einklang miteinander
gebracht werden, für sie braucht es verbindliche men-
schen- und völkerrechtliche Standards, und sie müssen
in ein Gesamtkonzept für den Wiederaufbau Somalias
eingebettet werden. Die diplomatischen und entwick-
lungspolitischen Aktivitäten hinken den militärischen
sträflich hinterher. Bisher wird das deutsche Engage-
ment in Somalia von einer Fachkraft in der Botschaft in
Nairobi koordiniert, die dafür eine 50-Prozent-Stelle zur
Verfügung hat. Das ist symptomatisch für den mangeln-
den politischen Einsatz der Bundesregierung. Die EU
und auch Deutschland agieren viel zu zaghaft, wenn es
um die Implementierung des „New Deal“ geht, der den
Rahmen für den Wiederaufbau Somalias insbesondere in
den Bereichen Rechtsstaatlichkeit, Sicherheit und sozio-
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. März 2015 9293
(A) (C)
(D)(B)
ökonomische Entwicklung vorgibt. Sie unterstützen die
somalische Regierung viel zu wenig beim Aufbau regio-
naler Strukturen, bei der Etablierung von Versöhnungs-
prozessen und der Finanzierung der humanitären Hilfe.
Die Unterstützung der somalischen Regierung bei der
Aufstellung und Ausbildung einer nationalen Armee ist
wichtig und richtig. Das vorliegende Konzept aber ist
schwach und viel zu wenig mit den anderen Akteuren
und Aktivitäten in Somalia koordiniert. Allerdings gab
es im letzten Jahr sichtbare Bemühungen, die bisherige
Ausbildungsunterstützung zu verbessern, den lokalen
Herausforderungen anzupassen und auf internationaler
Ebene zu koordinieren. Deswegen halten wir eine Ent-
haltung zum vorliegenden Mandat für gerechtfertigt.
Trotzdem bleibt: Die Mission darf nicht als Feigenblatt
für unser ansonsten nur schwaches Engagement in So-
malia dienen.
Anlage 3
Erklärung nach § 31 GO
der Abgeordneten Michael Donth, Hermann
Färber, Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land),
Thorsten Frei, Dr. Stephan Harbarth, Franz-
Josef Holzenkamp, Andreas Jung, Roderich
Kiesewetter, Kordula Kovac, Ingrid Pahlmann,
Lothar Riebsamen, Carola Stauche, Nina
Warken und Peter Weiß (alle CDU/CSU) zur
namentlichen Abstimmung über die Beschluss-
empfehlung des Ausschusses für Ernährung
und Landwirtschaft zu dem Antrag der Abge-
ordneten Harald Ebner, Steffi Lemke, Bärbel
Höhn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Nachhaltige
Waldbewirtschaftung sicherstellen – Koopera-
tive Holzvermarktung ermöglichen (Tagesord-
nungspunkt 9)
Im Antrag „Nachhaltige Waldbewirtschaftung sicher-
stellen – Kooperative Holzvermarktung ermöglichen“
wird von der Bundesregierung gefordert, im Bundes-
waldgesetz klarzustellen, dass Forstarbeiten, die der
Holzvermarktung vorgelagert sind – zum Beispiel Mar-
kierung der für den Einschlag vorgesehenen Bäume –,
nicht zur Holzvermarktung zugerechnet werden sollen.
Da die Bundesregierung derzeit einen entsprechenden
Gesetzentwurf vorbereitet, ist der Antrag entbehrlich.
Der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Ernäh-
rung und Landwirtschaft, den Antrag abzulehnen, stim-
men wir deshalb zu.
Der in Vorbereitung befindliche Gesetzentwurf hat
folgenden Hintergrund: Als Folge des Kartellverfahrens
gegen die kooperative Holzvermarktung in Baden-Würt-
temberg muss damit gerechnet werden, dass in Zukunft
staatliche, kommunale und private Waldbesitzer ihre
Holzernte nicht mehr gemeinsam vermarkten dürfen.
Mit der Trennung der Holzvermarktung stellt sich die
Frage, ob die Forstverwaltungen der Länder Dienstleis-
tungen im kommunalen und privaten Wald erbringen
dürfen. Mit der Änderung des Bundeswaldgesetzes soll
erreicht werden, dass Dienstleistungen, die der Holzver-
marktung vorgelagert sind, vom Kartellrecht ausgenom-
men werden und somit von den Forstämtern in allen
Waldbesitzarten angeboten werden dürfen.
Aus unserer Sicht ist die angestrebte Gesetzesände-
rung richtig: Die Forstämter sorgen nicht nur dafür, dass
der Wald seine vielfältigen ökologischen Funktionen er-
füllen kann und seinen Erholungswert für die Menschen
behält. In zahlreichen Bundesländern tragen die Forst-
ämter durch eine intensive Betreuung der Privatwaldbe-
sitzer wesentlich zur Holzmobilisierung sowie zu einer
flächendeckenden Waldbewirtschaftung bei – dies ist
insbesondere bei kleinteiligen Waldbesitzstrukturen der
Fall. Die Forstämter sichern so den Zugang vieler Klein-
waldbesitzer zum Holzmarkt. Zudem leisten sie einen
wichtigen Beitrag dafür, dass die Holzwirtschaft ihren
nachwachsenden Rohstoff aus unseren nachhaltig be-
wirtschafteten Wäldern erhält.
Ziel der Änderung des Bundeswaldgesetzes muss es
sein, dass in Bundesländern mit seitheriger kooperativer
Holzvermarktung weitgehend an den bewährten Struktu-
ren der Waldbewirtschaftung festgehalten werden kann.
Zu diesem Zweck ist es sinnvoll, dass Forstämter als ein
Anbieter von Forstdienstleistungen am Markt bestehen
bleiben können. Unbestritten ist, dass auch private
Anbieter Forstdienstleistungen in guter Qualität erbrin-
gen. Die Gesetzesänderung darf auf keinen Fall das
Recht der Waldbesitzer beeinträchtigen, private Dienst-
leister mit Forstarbeiten zu beauftragen.
Bedauerlich ist, dass die Bundesregierung den Ge-
setzentwurf zur Änderung des Bundeswaldgesetzes bis-
lang noch nicht vorgelegt hat. In der Ressortabstimmung
wird vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz,
Bau und Reaktorsicherheit gefordert, die „gute fachliche
Praxis“ der Waldbewirtschaftung im Bundeswaldgesetz
zu verankern. Diese Forderung ist abzulehnen: Die
nachhaltige Waldbewirtschaftung wird durch die Wald-
gesetze der Länder geregelt, zudem gilt für viele Wälder
eine freiwillige Zertifizierung. Zusätzliche bundes-
einheitliche Standards sind nicht erforderlich – sie sor-
gen nur für noch mehr Regulierung und werden letztlich
der vielfältigen Waldstruktur in Deutschland nicht ge-
recht.
Die Bundesregierung ist gefordert, die Ressortabstim-
mung zügig abzuschließen und in Kürze den Gesetzent-
wurf zur Änderung des Bundeswaldgesetzes vorzulegen.
Sicher wäre es hilfreich, wenn die Bundesländer – insbe-
sondere solche mit SPD-Regierungsbeteiligung – gegen-
über dem Bundesumweltministerium deutlich machen,
dass wir die Änderung des Bundeswaldgesetzes brau-
chen – und zwar ohne „gute fachliche Praxis“. Parallel
muss geprüft werden, ob der Gesetzentwurf durch die
Koalitionsfraktionen eingebracht werden sollte.
Anlage 4
Erklärung nach § 31 GO
der Abgeordneten Dr. Katarina Barley,
Dr. Matthias Bartke, Heike Baehrens, Marco
9294 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. März 2015
(A) (C)
(D)(B)
Bülow, Petra Crone, Elvira Drobinski-Weiß,
Michaela Engelmeier, Saskia Esken, Dr. Ute
Finckh-Krämer, Martin Gerster, Angelika
Glöckner, Gabriele Groneberg, Wolfgang
Hellmich, Christina Jantz, Frank Junge, Cansel
Kiziltepe, Arno Klare, Kirsten Lühmann, Katja
Mast, Markus Paschke, Mechthild Rawert,
Andreas Rimkus, Johann Saathoff, Dr. Hans-
Joachim Schabedoth, Dr. Dorothee Schlegel,
Matthias Schmidt (Berlin), Ewald Schurer und
Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (alle SPD) zur
namentlichen Abstimmung über die Beschluss-
empfehlung des Ausschusses für Ernährung
und Landwirtschaft zu dem Antrag der Abge-
ordneten Harald Ebner, Steffi Lemke, Bärbel
Höhn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Nachhaltige
Waldbewirtschaftung sicherstellen – Koopera-
tive Holzvermarktung ermöglichen (Tagesord-
nungspunkt 9)
Im Antrag fordert die Fraktion Bündnis 90/Die Grü-
nen die Bundesregierung auf, zu prüfen, inwieweit durch
Anpassungen im Bundeswaldgesetz eine dauerhafte
Fortführung der länderspezifischen Strukturen zur Un-
terstützung des nichtstaatlichen Waldbesitzes durch die
Landesforstverwaltungen ermöglicht werden kann. Zu-
dem soll im Bundeswaldgesetz klargestellt werden, dass
Leistungen wie die Auswahl und Markierung der für den
Einschlag des Holzes vorgesehenen Bäume, die der Ver-
marktung des Holzes vorgelagert sind, als waldbauliche
Maßnahmen anzusehen sind.
Wir begrüßen grundsätzlich den Willen der Bundes-
regierung, mit einer Änderung des Bundeswaldgesetzes
einem ähnlich lautenden Beschluss der Agrarminister-
konferenz, AMK, aus dem September 2014 nachzukom-
men. Die SPD-Bundestagsfraktion prüft zurzeit, ob mit
dem vom Bundesministerium für Ernährung und
Landwirtschaft geplanten § 46 BWaldG, der bestimmte
Tätigkeiten, unter anderem das Holzauszeichnen, nicht
der Holzvermarktung im Sinne des Kartellrechts zurech-
nen soll, eine gesetzgeberische Klarstellung erreicht
werden könnte. Wir beschäftigen uns intensiv und
unvoreingenommen mit dem Thema. Uns liegt noch
kein abgestimmter Referentenentwurf vor. Die Verhand-
lungen innerhalb der Bundesregierung unter Federfüh-
rung des BMEL mit den Ressorts BMUB, BMWi,
BMJV dauern noch an.
Wir wollen eine Gesetzesänderung, die inhaltlich und
in ihren Auswirkungen präzise und korrekt ist und ver-
fassungsrechtlich Bestand hat.
Deshalb lehnen wir den Antrag der Grünen zum jetzi-
gen Zeitpunkt ab.
Anlage 5
Erklärungen nach § 31 GO
zur namentlichen Abstimmung über die Be-
schlussempfehlung des Ausschusses für Ernäh-
rung und Landwirtschaft zu dem Antrag der
Abgeordneten Harald Ebner, Steffi Lemke,
Bärbel Höhn, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Nach-
haltige Waldbewirtschaftung sicherstellen – Ko-
operative Holzvermarktung ermöglichen (Ta-
gesordnungspunkt 9)
Dr. Karl-Heinz Brunner (SPD): Die Fraktion Bünd-
nis 90/Die Grünen fordert in ihrem Antrag die Bundesre-
gierung auf, zu prüfen, inwieweit durch Anpassungen im
Bundeswaldgesetz eine dauerhafte Fortführung der län-
derspezifischen Strukturen zur Unterstützung des nicht-
staatlichen Waldbesitzes durch die Landesforstverwaltun-
gen ermöglicht werden kann.
Zudem soll im Bundeswaldgesetz klargestellt werden,
dass Leistungen wie die Auswahl und Markierung der
für den Einschlag des Holzes vorgesehenen Bäume, die
der Vermarktung des Holzes vorgelagert sind, als wald-
bauliche Maßnahmen anzusehen sind.
Ich begrüße ausdrücklich den Willen der Bundesre-
gierung, mit einer Änderung des Bundeswaldgesetzes ei-
nem ähnlich lautenden Beschluss der Agrarministerkon-
ferenz, AMK, aus dem September 2014 nachzukommen.
Die SPD-Bundestagsfraktion prüft zurzeit, ob mit dem
vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirt-
schaft geplanten § 46 BWaldG, der bestimmte Tätigkei-
ten, unter anderem das Holzauszeichnen, nicht der Holz-
vermarktung im Sinne des Kartellrechts zurechnen soll,
eine gesetzgeberische Klarstellung erreicht werden
könnte. Die SPD-Bundestagsfraktion beschäftigt sich in-
tensiv und unvoreingenommen mit dem Thema, um eine
sachgerechte Lösung zu erreichen. Die Verhandlungen
innerhalb der Bundesregierung unter Federführung des
BMEL mit den Ressorts BMUB, BMWi, BMJV dauern
noch an.
Ein abgestimmter Gesetzentwurf, der inhaltlich und
in seinen Auswirkungen präzise und korrekt ist und ver-
fassungsrechtlich Bestand hat, liegt daher noch nicht vor.
Daher lehne ich den Antrag der Grünen zum jetzigen
Zeitpunkt ab.
Gabriele Hiller-Ohm (SPD): Im Antrag fordert die
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Bundesregierung
auf, zu prüfen, inwieweit durch Anpassungen im Bun-
deswaldgesetz eine dauerhafte Fortführung der länder-
spezifischen Strukturen zur Unterstützung des nichtstaatli-
chen Waldbesitzes durch die Landesforstverwaltungen
ermöglicht werden kann.
Zudem soll im Bundeswaldgesetz klargestellt werden,
dass Leistungen wie die Auswahl und Markierung der
für den Einschlag des Holzes vorgesehenen Bäume, die
der Vermarktung des Holzes vorgelagert sind, als wald-
bauliche Maßnahmen anzusehen sind.
Wir begrüßen grundsätzlich den Willen der Bundesre-
gierung, mit einer Änderung des Bundeswaldgesetzes ei-
nem ähnlich lautenden Beschluss der Agrarministerkon-
ferenz, AMK, aus dem September 2014 nachzukommen.
Die SPD-Bundestagsfraktion prüft zurzeit, ob mit dem
vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirt-
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. März 2015 9295
(A) (C)
(D)(B)
schaft geplanten § 46 BWaldG, der bestimmte Tätigkei-
ten, unter anderem das Holzauszeichnen, nicht der Holz-
vermarktung im Sinne des Kartellrechts zurechnen soll,
eine gesetzgeberische Klarstellung erreicht werden
könnte. Wir beschäftigen uns intensiv und unvoreinge-
nommen mit dem Thema. Uns liegt noch kein abge-
stimmter Referentenentwurf vor. Die Verhandlungen in-
nerhalb der Bundesregierung unter Federführung des
BMEL mit den Ressorts BMUB, BMWi und BMJV dau-
ern noch an.
Wir wollen eine Gesetzesänderung, die inhaltlich und
in ihren Auswirkungen präzise und korrekt ist und ver-
fassungsrechtlich Bestand hat.
Deshalb lehne ich den Antrag der Grünen zum jetzi-
gen Zeitpunkt ab und stimme somit der Beschlussemp-
fehlung des Ausschusses für Ernährung und Landwirt-
schaft zu.
Dr. Johannes Fechner (SPD): Im Antrag fordert
die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Bundesregie-
rung auf, zu prüfen, inwieweit durch Anpassungen im
Bundeswaldgesetz eine dauerhafte Fortführung der län-
derspezifischen Strukturen zur Unterstützung des
nichtstaatlichen Waldbesitzes durch die Landesforstver-
waltungen ermöglicht werden kann.
Zudem soll im Bundeswaldgesetz klargestellt werden,
dass Leistungen wie die Auswahl und Markierung der
für den Einschlag des Holzes vorgesehenen Bäume, die
der Vermarktung des Holzes vorgelagert sind, als wald-
bauliche Maßnahmen anzusehen sind.
Dieser Antrag ist nicht erforderlich, weil die Bundes-
regierung und die Koalitionsfraktionen sowieso schon
eine Lösung zu diesem in der Tat wichtigen Problem an-
streben. Ich begrüße, dass die Bundesregierung mit einer
Änderung des Bundeswaldgesetzes einem ähnlich lau-
tenden Beschluss der Agrarministerkonferenz, AMK,
aus dem September 2014 nachkommen will. Die SPD-
Bundestagsfraktion prüft zurzeit intensiv, ob mit dem
vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirt-
schaft geplanten § 46 BWaldG, der bestimmte Tätigkei-
ten, unter anderem das Holzauszeichnen, nicht der Holz-
vermarktung im Sinne des Kartellrechts zurechnen soll,
eine gesetzgeberische Klarstellung erreicht werden
kann. Ich hoffe, dass bald ein abgestimmter Referenten-
entwurf vorgelegt werden kann.
Ich will eine Gesetzesänderung, die inhaltlich und in
ihren Auswirkungen präzise und korrekt ist und verfas-
sungsrechtlich Bestand hat, insbesondere um die Forst-
und Waldwirtschaft in Südbaden zu erhalten, die dort
vorbildlich Naturschutz, Tourismus und eine nachhaltige
Waldbewirtschaftung miteinander vereint.
Deshalb lehne ich den Antrag der Grünen zum jetzi-
gen Zeitpunkt ab.
Ulrich Freese (SPD): Im Antrag fordert die Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen die Bundesregierung auf, zu
prüfen, inwieweit durch Anpassungen im Bundeswald-
gesetz eine dauerhafte Fortführung der länderspezifi-
schen Strukturen zur Unterstützung des nichtstaatlichen
Waldbesitzes durch die Landesforstverwaltungen er-
möglicht werden kann.
Zudem soll im Bundeswaldgesetz klargestellt werden,
dass Leistungen wie die Auswahl und Markierung der
für den Einschlag des Holzes vorgesehenen Bäume, die
der Vermarktung des Holzes vorgelagert sind, als wald-
bauliche Maßnahmen anzusehen sind.
Ich begrüße grundsätzlich den Willen der Bundesre-
gierung, mit einer Änderung des Bundeswaldgesetzes ei-
nem ähnlich lautenden Beschluss der Agrarministerkon-
ferenz, AMK, aus dem September 2014 nachzukommen.
Meine Bundestagsfraktion prüft zurzeit, ob mit dem vom
Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft
geplanten § 46 BWaldG, der bestimmte Tätigkeiten, un-
ter anderem das Holzauszeichnen, nicht der Holzver-
marktung im Sinne des Kartellrechts zurechnen soll,
eine gesetzgeberische Klarstellung erreicht werden
kann. Meine Fraktion beschäftigt sich intensiv und un-
voreingenommen mit dem Thema. Mir liegt dazu noch
kein abgestimmter Referentenentwurf vor. Die Verhand-
lungen innerhalb der Bundesregierung unter Federfüh-
rung des BMEL mit den Ressorts BMUB, BMWi,
BMJV dauern noch an.
Meine Fraktion und ich wollen eine Gesetzesände-
rung, die inhaltlich und in ihren Auswirkungen präzise
und korrekt ist und verfassungsrechtlich Bestand hat.
Deshalb lehne ich den Antrag der Fraktion Bünd-
nis 90/Die Grünen zum jetzigen Zeitpunkt ab.
Josef Göppel (CDU/CSU): Ich werde dem Be-
schlussvorschlag des federführenden Ausschusses,
Drucksache 18/3578, zum Antrag „Nachhaltige Wald-
bewirtschaftung sicherstellen – Kooperative Holz-
vermarktung ermöglichen“ auf Drucksache 18/2876
nicht zustimmen.
Der Antrag „Kooperative Holzvermarktung ermögli-
chen“ hat zum Ziel, das Auszeichnen von Bäumen
entgegen der Meinung des Bundeskartellamtes als
Maßnahme zur Sicherung der nachhaltigen Holznutzung
und nicht als Teil des Verkaufsgeschäfts einzustufen. Die
Unterstützung der nichtstaatlichen Waldbenutzer durch
Forstleute, die nicht in ein unmittelbares Nutzungsinter-
esse eingebunden sind, dient dem Gemeinwohlziel des
Waldgesetzes.
Der Antrag wurde in der Ausschusssitzung mit der
Begründung abgelehnt, dass dessen Anliegen mit einer
Änderung des Waldgesetzes abgeholfen werde. Diese
Novellierung ist derzeit jedoch zeitlich nicht absehbar.
Deshalb ist die Bekräftigung des auch in den Koalitions-
fraktionen nicht umstrittenen Anliegens auf Drucksache
18/2876 sinnvoll und zielführend.
Birgit Kömpel (SPD): Mit ihrem Antrag fordert die
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Bundesregierung
auf, zu prüfen, inwieweit durch Anpassung im Bundes-
waldgesetz eine dauerhafte Fortführung der länderspezi-
fischen Strukturen zur Unterstützung des nichtstaatli-
chen Waldbesitzes durch die Landesforstverwaltungen
ermöglicht werden kann.
9296 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. März 2015
(A) (C)
(D)(B)
Zudem soll im Bundeswaldgesetz klargestellt werden,
dass Leistungen wie die Auswahl und Markierung der
für den Einschlag des Holzes vorgesehenen Bäume, die
der Vermarktung des Holzes vorgelagert sind, als wald-
bauliche Maßnahmen anzusehen sind.
Ich begrüße grundsätzlich den Willen der Bundesre-
gierung, mit einer Änderung des Bundeswaldgesetzes ei-
nem ähnlich lautenden Beschluss der Agrarministerkon-
ferenz, AMK, aus dem September 2014 nachzukommen.
Die SPD-Bundestagsfraktion prüft zurzeit, ob mit dem
vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirt-
schaft geplanten § 46 BWaldG eine gesetzgeberische
Klarstellung erreicht werden könnte. Wir beschäftigen
uns intensiv und unvoreingenommen mit dem Thema.
Uns liegt noch kein abgestimmter Referentenentwurf
vor. Die Verhandlungen innerhalb der Bundesregierung
unter Federführung des BMEL mit den Ressorts BMUB,
BMWi, BMJV dauern noch an.
Wir wollen eine Gesetzesänderung, die inhaltlich und
in ihren Auswirkungen präzise und korrekt ist und ver-
fassungsrechtlich Bestand hat.
Deshalb lehne ich den Antrag der Grünen zum jetzi-
gen Zeitpunkt ab.
Annette Sawade (SPD): Im Antrag fordert die Frak-
tion Bündnis 90/Die Grünen die Bundesregierung auf,
zu prüfen, inwieweit durch Anpassungen im Bundes-
waldgesetz eine dauerhafte Fortführung der länderspezi-
fischen Strukturen zur Unterstützung des nichtstaatli-
chen Waldbesitzes durch die Landesforstverwaltungen
ermöglicht werden kann.
Zudem soll im Bundeswaldgesetz klargestellt werden,
dass Leistungen wie die Auswahl und Markierung der
für den Einschlag des Holzes vorgesehenen Bäume, die
der Vermarktung des Holzes vorgelagert sind, als wald-
bauliche Maßnahmen anzusehen sind.
Ich begrüße grundsätzlich den Willen der Bundes-
regierung, mit einer Änderung des Bundeswaldgesetzes
einem ähnlich lautenden Beschluss der Agrarminister-
konferenz, AMK, aus dem September 2014 nachzukom-
men. Die SPD-Bundestagsfraktion prüft zurzeit, ob mit
dem vom Bundesministerium für Ernährung und Land-
wirtschaft geplanten § 46 BWaldG, der bestimmte Tätig-
keiten, unter anderem das Holzauszeichnen, nicht der
Holzvermarktung im Sinne des Kartellrechts zurechnen
soll, eine gesetzgeberische Klarstellung erreicht werden
könnte. Wir beschäftigen uns intensiv und unvorein-
genommen mit dem Thema. Uns liegt noch kein abge-
stimmter Referentenentwurf vor. Die Verhandlungen
innerhalb der Bundesregierung unter Federführung des
BMEL mit den Ressorts BMUB, BMWi und BMJV dau-
ern noch an.
Wir wollen eine Gesetzesänderung, die inhaltlich und
in ihren Auswirkungen präzise und korrekt ist und
verfassungsrechtlich Bestand hat.
Deshalb lehne ich den Antrag der Grünen zum jetzi-
gen Zeitpunkt ab.
Als ehemalige Mitarbeiterin in der Landesforst-
verwaltung Baden-Würtemberg bin ich für eine klare
Lösung und warte den Referentenentwurf ab.
Anlage 6
Zu Protokoll gegebene Reden
Zur Beratung der Beschlussempfehlung und
des Berichts zu dem Antrag: Hunger bekämp-
fen, Recht auf Nahrung stärken (Tagesord-
nungspunkt 17)
Dr. Georg Kippels (CDU/CSU): Mein Kollege
Westermayer ist schon auf die grundsätzliche und vor
allem fachliche Kritik an Ihrem Antrag eingegangen.
Ich möchte mich seiner Einschätzung anschließen.
Zwar gehen wir erfreulicherweise darin überein, dass
Minister Müller ein wichtiges Ziel formuliert und auf die
Agenda genommen hat. Der Antrag vernachlässigt aber
den Kontext der Hungerbekämpfung und konzentriert
sich vordergründig nur auf Nahrungsmittel und deren in-
dividuelle Verfügbarkeit.
Leider erliegen Sie dabei wieder Ihrer Neigung,
positive Prozesse der Regierung durch ideologische
Fehlschüsse entwerten zu wollen. Das ist weder zielfüh-
rend, noch trifft es das Thema. Hunger bedeutet nicht
einfach nur, nicht satt zu sein. Hunger definiert sich
durch Unter-, Mangel- und Fehlernährung. Dies erfor-
dert eine differenzierte Bekämpfungsstrategie unter
Einbindung verschiedener Sachbereiche und Aufgaben-
stellungen.
Ihre plakative Zusammenfassung, Hungerbekämp-
fung dürfte nicht mit der Losung „Hauptsache satt“ ver-
bunden werden, wäre daher mit Ihren Lösungsempfeh-
lungen in den Titel umzudeuten: „Lieber ökologisch und
fair verhungert, als mit moderner Landwirtschaft gesund
und ausreichend ernährt“. Sie verteufeln die Wirtschaft,
den internationalen Handel im Rahmen der Abkommen
und Forschung für Saatgüter und Düngemittel sowie
Schädlingsbekämpfung. Diese Herausforderungen hat
Kollege Westermayer schon eindrücklich beschrieben.
Besonders schwierig und bedenklich finde ich dabei
Ihre uneingeschränkte Ablehnung von grüner Gentech-
nologie als Option, Mangelernährung und Hunger oder
genauer Unterernährung zu bekämpfen. Grüne Gentech-
nik darf sicher keinen Blankoscheck in diesem Kontext
bekommen. Eine generelle Ablehnung ist aber ebenso
inakzeptabel.
Selbst die Päpstliche Akademie hat bereits 2009 zu
einer Wissenschaftskonferenz über die Gentechnik in
der Landwirtschaft in Entwicklungsländern geladen. Die
katholische Kirche, deren Selbstverständnis bekannter-
maßen bei weitem nicht so revolutionär ist wie das Ihre,
zeigte damit, im Gegensatz zu Ihnen die Fähigkeit zu
haben, über den sprichwörtlichen eigenen Tellerrand
blicken zu können. Hier zwei Zitate aus dem Resümee
der Konferenz:
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. März 2015 9297
(A) (C)
(D)(B)
„In geeigneter Weise und verantwortlich angewandt,
kann Gentechnologie unter vielfältigen Bedingungen
wesentliche Beiträge zur Erhöhung der landwirtschaftli-
chen Produktivität und der Nahrungsqualität leisten.“
„GE-Pflanzen“ – genetic engineered – „können eben-
falls große Bedeutung für Kleinbauern und gefährdete
Mitglieder armer Landbevölkerungen, insbesondere von
Frauen und Kindern, haben.“
Ihre pauschale Verurteilung von allem, was vonseiten
Wirtschaft und Industrie kommt, verstellt Ihnen den
Blick auf solche Lösungsansätze. Betrachtet man die
irreversiblen Leiden, die zum Beispiel durch den Mangel
an Vitamin A und Mangelernährung insgesamt hervor-
gerufen werden können, kann ich das nicht nachvoll-
ziehen. Allein der Hinweis auf die Verfügbarkeit von
Boden und Parzellen hilft da wenig bis überhaupt nicht.
Ihr Lösungsansatz schreibt vor, Entwicklungs- und
Schwellenländern moderne Technologien vorzuenthal-
ten, derer wir uns selbst bedienen, um unsere Ernährung
zu optimieren und zu sichern. Mit Ihrer Position wären
wir noch nicht einmal in Europa in der Lage, uns ausrei-
chend zu ernähren.
Sie fordern in Ihrem Antrag Ernährungssouveränität
als Leitbild deutscher Entwicklungspolitik. Das ent-
spricht exakt dem Programm von Minister Müller. Er
setzt sich ganz klar für die Stärkung dörflicher Gemein-
schaften als Schlüsselfaktor beim Kampf gegen den
Hunger ein. Er sieht hier ganz klar die universelle
Gültigkeit des Prinzips der Selbstorganisation und
Selbstverantwortung.
Was mir in Ihrem Antrag viel zu kurz kommt, ist die
Bedeutung der Bildung und Ausbildung der Menschen
für die Bekämpfung des Welthungers. Fachliche Kennt-
nisse im Umgang mit Böden, Bewässerung, Schädlings-
bekämpfung, Fruchtfolge und Nährstoffgehalt sind
wichtige Bausteine der landwirtschaftlichen Entwick-
lung. Hier spielen aber auch moderne Informationsmög-
lichkeiten – zum Beispiel per Smartphone – eine ent-
scheidende Rolle. Bekannterweise besteht gerade in
Afrika eine enorme Dichte der Abdeckung über das
Smartphone, die für die Produktion, die Pflege und auch
den Absatz von Nahrungsmitteln aus der kleinbäuer-
lichen Produktion Verbesserungen generieren kann. Er-
kenntnisse über Marktpreis und Nachfrage verbessern
bereits die wirtschaftliche Ertragssituation der Kleinbau-
ern und steigern damit die Lebensgrundlage der Fami-
lien.
Gerade auch dort setzt das Konzept von Minister
Müller an. Aber nicht nur Nahrung in quantitativer
Hinsicht, sondern gerade auch der richtige Umgang mit
Nahrungsmitteln und die Kombination sowie sachge-
rechte Lagerung sind entscheidend im Kampf gegen den
Hunger. Das Wort Hygiene, das in diesem Kontext von
immenser Bedeutung ist, taucht nicht einmal in Ihrem
Antrag auf. Hungerbekämpfung findet auch immer sein
Korrelat in einer funktionierenden Gesundheitsvorsorge
und Aufklärung. Verdorbene Lebensmittel sind ebenso
schädlich wie fehlende Lebensmittel oder sogar noch
schädlicher. Gesundheitsfolgen durch Fehlernährung,
teilweise sogar durch partiellen Überkonsum, sind bei
der Hungerbekämpfung gleichfalls auszuschließen.
Es wird daher dem Thema und der Aufgabe keines-
falls gerecht, sich im Wesentlichen der Bodenverfüg-
barkeit und der Pflege der Subsistenzwirtschaft zu
widmen und sich im Übrigen darauf zu konzentrieren,
die Handels- und Technologienationen an den Pranger
der Ausbeutung zu stellen und darauf zu hoffen, dass mit
1,5 Hektar Ackerland der Hunger dieser Welt ausgerottet
werden könnte.
Ein wirkungsvoller Ansatz bedeutet, dass ausreichen-
de, aber auch abwechslungsreiche und vor allem
nährstoffreiche Nahrung produziert und auch über den
Handel verteilt wird, um neben Urproduktion auch Wert-
schöpfung aus den Nahrungsmitteln zu betreiben und
vor Ort zu binden.
Der Antrag enthält daher keinen Ansatz, der breit
genug ist und die verschiedenen Aufgabenstellungen
vernetzt angeht. Wie schon Kollege Westermayer fest-
stellte, endet unsere Zustimmung hinter der Überschrift.
Gut gemeint ist eben doch nicht immer gut gemacht. Wir
werden daher den Antrag ablehnen.
Waldemar Westermayer (CDU/CSU): Unser
Minister Müller sagte es vor wenigen Tagen: „Hunger
gehörte auch, noch bis in die jüngere Vergangenheit,
zum Schicksal … in Deutschland. Es gibt viele Gründe
dafür, dass dieser Hunger bei uns überwunden wurde.
Einer war die Entwicklung einer organisierten dörflichen
Selbsthilfe. ,Einer für alle, alle für einen‘ – dies war und
ist heute noch die Leitidee des ländlichen Miteinanders.
Friedrich Wilhelm Raiffeisen und viele andere schufen
eine zentrale Basis unseres Gemeinwesens, die aus unse-
rem Leben nicht wegzudenken ist.“
Auch deshalb sage ich Ja zum Titel Ihres Antrags.
Denn wir wollen den Hunger bekämpfen. Und wir wol-
len das Recht auf Nahrung stärken. Wir wollen, dass we-
niger Menschen auf der Welt hungern müssen. Wir wol-
len die Zahl der 842 Millionen hungernden Erwachsenen
und Kinder senken. Ja, wir wollen, dass alle Menschen
Zugang zu ausreichender Nahrung und zu ausgewogener
Ernährung haben.
Der Weg, den die CDU/CSU-Fraktion geht, ist jedoch
ein anderer Weg als Ihrer. Wir wollen einen nachhaltigen
Weg gehen. Wir wollen mehr Kooperationen und weni-
ger staatliche Kontrolle. Wir wollen das Konzept der
Hilfe zur Selbsthilfe in Entwicklungs- und Schwellen-
ländern verwirklichen. Wir wollen neue Wege gehen und
neue Partnerschaften wagen.
Deshalb begrüßen wir den Titel Ihres Antrags und
Ihre Unterstützung des EZ-Schwerpunktes der Hunger-
bekämpfung. Viele Einschätzungen und Forderungen Ih-
res Antrags lehnen wir jedoch ab. Deshalb lehnen wir
auch Ihren Antrag ab.
Solange Sie die Welt immer wieder in Ihre bekannten
„guten“ und „bösen“ Akteure einteilen, wird Ihre Ent-
wicklungspolitik weder nachhaltig noch partnerschaft-
lich sein. Sie wird wenig zeitgemäß bleiben. Solange Sie
9298 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. März 2015
(A) (C)
(D)(B)
Abkommen aussetzen wollen und Partnerschaften aufhe-
ben wollen, so lange wird Ihre Entwicklungspolitik sta-
tisch und starr bleiben.
Private und wirtschaftliche Akteure sind berechtigte
und wichtige Akteure im Bereich der Entwicklungszu-
sammenarbeit. Die Kooperation zwischen Staat und
Wirtschaft ist im Bereich der Entwicklungszusammenar-
beit richtig und gut. Sie ist gewollt und wird von den
Partnerländern in vielen Bereichen sogar direkt eingefor-
dert. Ich erinnere hier nur an den zentralen Bereich der
internationalen Berufsbildungskooperationen.
Die German Food Partnership, GFP, die Deutsche Er-
nährungspartnerschaft, wurde in der letzten Legislatur-
periode ins Leben gerufen. Sie wird in der aktuellen
Legislaturperiode umgesetzt, weiterentwickelt und eva-
luiert. Ziel war und ist es, Armut und Hunger in Ent-
wicklungs- und Schwellenländern zu reduzieren. Zentral
sind der nachhaltige Aufbau von Wertschöpfungsketten
und die Steigerung der landwirtschaftlichen Produktivi-
tät. Wichtig ist es aber vor allem auch, dass Landwirte in
Entwicklungs- und Schwellenländern Einkommen gene-
rieren, damit sie von ihrem Einkommen leben und neu
investieren können. Auch eine gerechte Verteilung der
vorhandenen Lebensgrundlagen muss Teil des nachhalti-
gen Wertschöpfungsprozesses sein. Unserer Meinung
nach ist die privat-öffentliche Initiative ein nachhaltiger
Weg, um die genannten Ziele Schritt für Schritt und ge-
meinsam mit unseren Partnern zu erreichen.
Die GFP führt überregionale Projekte in den Partner-
ländern durch, um die Ernährungssituation vieler hun-
gernder Menschen zu verbessern. Sie wird staatlich mit-
finanziert. Sie wird von der GIZ koordiniert. Und sie
wird von mehreren deutschen Unternehmen regional vor
allem in Asien und Afrika durchgeführt.
Das Schlüsselthema der deutschen Entwicklungszu-
sammenarbeit heißt Wissenstransfer zum Nutzen aller
Beteiligten. Deutscher Wissenstransfer ist für eine nach-
haltige Entwicklung in den Entwicklungs- und Schwel-
lenländern sehr wichtig.
Wir gehen davon aus, dass das Wissen deutscher Un-
ternehmen in den jeweiligen Bereichen wie Pflanzen-
zucht, Saatgut, Düngung, Aufbereitung von Wasser zu
sauberem Trinkwasser, Bewässerung und Abwasser je-
weils vor Ort am besten angewandt und zum Nutzen der
Akteure eingesetzt und umgesetzt werden kann und
muss. Gemeinsam mit den landwirtschaftlichen Akteu-
ren vor Ort, vor allem mit den Kleinbauern in den jewei-
ligen Ländern, sollen die besten Wege für die genannten
Ziele gesucht und verwirklicht werden.
Das heißt: Es sollen lokale Akteure in landwirtschaft-
lich nachhaltige Strukturen integriert werden. Man will
den lokalen Marktzugang für heimisch produzierte,
wenn möglich auch ökologische, Lebensmittel erleich-
tern. Und man will mit verbesserten Einkommensmög-
lichkeiten kleinbäuerliche Betriebe fördern. Kleinbauern
müssen in Arbeit sein, und sie müssen konstant Zugang
zu Weiterbildung erhalten. Außerdem müssen wir viel
stärker die Verarbeitungs- und Veredelungsprozesse vor
Ort fördern. All diese Prozesse sollen auf die Bedürf-
nisse der jeweiligen Partnerländer und lokalen landwirt-
schaftlichen Akteure abgestimmt sein.
Ja, die erfolgreiche und wirksame Umsetzung dieser
Partnerschaft und auch der von Ihnen kritisierten G-8-
Allianz für Ernährungssicherung ist eine große Heraus-
forderung für alle beteiligten Partner.
Armut und Hunger zu bekämpfen, ist und bleibt aber
bis in das 21. Jahrhundert hinein auch die Herausforde-
rung schlechthin für die internationale Entwicklungs-
politik. An Wegen der Hungerbekämpfung sollten wir
als Parlamentarier kritisch, aber konstruktiv mitarbeiten,
anstatt, wie Sie fordern, bestehende Abkommen und
Partnerschaften aufheben zu wollen. Vielmehr müssen
wir die Kooperationsstrukturen besser nutzen und natür-
lich im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung Rechen-
schaft einfordern.
Eine erste Evaluierung des GFP steht in diesem Jahr
an. An kommenden Projektreisen des BMZ zur Vorort-
evaluierung des Programms sollen auch Nichtregie-
rungsorganisationen beteiligt sein. Wenn ich mir die
Stellungnahmen von Oxfam oder vom Forum Umwelt
und Entwicklung anschaue, kann ich sagen, dass wir in
diesem Fall von einer durchaus kritischen Zivilgesell-
schaft ausgehen können, die das BMZ begleiten wird.
Wenn Nichtregierungsorganisationen an Projektreisen
der Regierung teilnehmen, entwertet das auch Ihren Vor-
wurf, man würde unter dem Deckmantel der Hungerbe-
kämpfung nur neue Märkte für deutsche Unternehmen
erschließen wollen. Wer etwas zu verbergen hat, betei-
ligt keine Kritiker.
Wichtiger zu erwähnen ist aber Folgendes: Eine deut-
sche Regierung in der Entwicklungspolitik muss und soll
auch deutsche Interessen vertreten. Das ist moralisch ab-
solut nicht verwerflich; im Gegenteil: Es wird von allen
internationalen Partnern gefordert. Deutsches Know-
how ist überall gefragt. Und: Ohne Interessenpolitik gibt
es keine Entwicklungspolitik. Wir wollen im Interesse
der Partner eine nachhaltige Entwicklungspolitik ver-
wirklichen.
Eines ist unbestritten: Es liegt in unserem deutschen
und humanitären Interesse, dass sich die Zahl der Hun-
gernden auf der Welt möglichst bald auf null reduziert.
Das ist und bleibt mit dem Wissen um eine stetig und
schnell wachsende Weltbevölkerung das größte Projekt
der Entwicklungspolitik. Das Problem der ungleichen
Verteilung von Flächen und Nahrung müssen wir lösen.
Dabei sind die Klärung von Eigentumsrechten, die
Schaffung von Katasterämtern und die Bekämpfung von
endemischen, korrupten Strukturen elementar.
Die deutsche Regierung will, dass landwirtschaftliche
Flächen in Entwicklungs- und Schwellenländern effi-
zienter genutzt werden. Kleinbauern sollen zunächst
Subsistenzwirtschaft betreiben können. Sie sollen sich
dann zusammenschließen können, um einen Marktzu-
gang für ihre Produkte zu erhalten und ihr Einkommen
steigern zu können.
Für diese Schritte ist die GFP ein Motor, um Wissen
zu vermitteln und auszutauschen. Sie fördert den Prozess
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. März 2015 9299
(A) (C)
(D)(B)
der ländlichen Entwicklung, den privatwirtschaftlichen
Austausch, Investitionen. Und sie fördert die Entwick-
lung und Anwendung von angepassten Instrumenten und
Wegen.
Wenn wir die GFP als Entwicklungsprozess verste-
hen, dann sollten wir auch die Prozesse der Unterneh-
men und den Abgleich der unternehmerischen und der
entwicklungspolitischen Interessen kritisch begleiten.
Wir sollten die GFP und auch die G-8-Initiative aber vor
allem als internationalen Lernprozess begreifen.
Anstatt unseren Unternehmen nur Profitorientierung
vorzuwerfen, sollten wir Unternehmen für unsere ent-
wicklungspolitischen Interessen gewinnen und sie stärker
einbinden. Sonst besteht die Gefahr, dass andere Nationen
– und hier vorneweg China – eine Entwicklungspolitik
betreiben, die unseren Maßstäben nicht entspricht.
Dr. Sascha Raabe (SPD): „Die Welt isst nicht ge-
recht!“ Das war das Motto der Welthungerhilfe zum letz-
ten Welternährungstag. Und dieser Satz stimmt in vieler-
lei Hinsicht.
Es ist nicht gerecht, dass über 800 Millionen Men-
schen auf der Welt hungern. Es ist nicht gerecht, dass
Tag für Tag 20 000 Kinder unter fünf Jahren an den Fol-
gen von Hunger und Armut sterben, obwohl eigentlich
genug für alle da wäre. Es ist nicht gerecht, dass Kinder
krank werden und irreparable Wachstumsstörungen er-
leiden, weil sie mangelernährt sind, also unterversorgt
mit lebenswichtigen Vitaminen und Nährstoffen, wäh-
rend anderswo Essen im Müll landet.
Es ist auch nicht gerecht, dass Familien in Entwick-
lungsländern bis zu 80 Prozent ihres Einkommens für
Lebensmittel ausgeben müssen, dass Kleinbauern durch
die großflächige Landnahme von Investoren die Exis-
tenzgrundlage entzogen wird oder unfaire Welthandels-
bedingungen und Billigimporte heimische Märkte in den
Entwicklungsländern zerstören und einen fairen Zugang
zum Weltmarkt blockieren.
Wir schreiben das Entwicklungsjahr 2015, und noch
immer ist das Recht auf Nahrung das wohl am häufigs-
ten verletzte Menschenrecht. Bei allen Fortschritten, die
beim ersten Millenniumsentwicklungsziel, der Reduzie-
rung von Hunger und Armut, erreicht werden konnten,
sind die Zahlen für uns alle Mahnung genug, in unseren
Anstrengungen nicht nachzulassen. Daher begrüße ich
es sehr, dass die Vereinten Nationen den Kampf gegen
Hunger und extreme Armut ganz oben auf ihre Nachhal-
tigkeitsagenda gesetzt haben. Sie werden aller Voraus-
sicht nach im Herbst das Ziel ausgeben, diese große Gei-
ßel der Menschheit bis zum Jahr 2030 endgültig zu
überwinden. Lassen Sie uns gemeinsam alles daranset-
zen, dieses Ziel auch wirklich zu erreichen!
Dafür wird es auch weitere finanzielle Anstrengungen
brauchen. Das Versprechen, das wir einmal gegeben ha-
ben, in diesem Jahr 0,7 Prozent unseres Bruttonational-
einkommens für Entwicklungszusammenarbeit zur Ver-
fügung zu stellen, haben wir gebrochen. In den letzten
Jahren hat sich Deutschland – man muss das so deutlich
sagen – im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern
seiner Verantwortung für die Ärmsten der Welt entzo-
gen. Jetzt aber sehen wir mit den aktuellen Planungen
für den Haushalt ab 2016 wieder Licht am Ende des
Tunnels. Die geplanten massiven Aufwüchse der deut-
schen ODA-Mittel in den nächsten Jahren sind ein wich-
tiger Schritt zurück zur Glaubwürdigkeit deutscher Ent-
wicklungspolitik und ein wichtiger Schritt im Kampf
gegen Hunger und Armut. Ich bin sehr froh, dass wir
diese Steigerungen jetzt realisieren werden. Wir haben
damit einen konkreten, realistischen Aufwuchspfad. Das
Ringen darum hat sich gelohnt.
Mit dem Geld werden wir, wenn es an der richtigen
Stelle eingesetzt wird, gerade mit Blick auf die Förde-
rung der ländlichen Entwicklung viel Sinnvolles bewir-
ken können. Jetzt zahlt sich aus, dass wir als SPD
durchsetzen konnten, der ländlichen Entwicklung im
Koalitionsvertrag so einen bedeutenden Raum zu geben.
Damit hat Minister Müller die Grundlage dafür, dieses
Thema zu einem Schwerpunkt seiner Arbeit zu machen.
Das Feld ist bereitet, die Mittel stehen zur Verfü-
gung – nun müssen die notwendigen Maßnahmen voran-
getrieben werden. Diese erschöpfen sich nach unserer
Auffassung nicht in dem, was die Linke in dem vorlie-
genden Antrag beschreibt. Unser Ansatz zur Förderung
der ländlichen Entwicklung als ein wesentlicher Schlüs-
sel zur Überwindung von Hunger und Armut ist weiter
und geht über das hinaus, was die Linke fordert. Sicher-
lich – das habe ich Ihnen, liebe Kolleginnen und Kolle-
gen von der Linken, bereits in der ersten Debatte zu die-
sem Antrag gerne zugestanden – enthält der Antrag viele
richtige Punkte: die Förderung von Kleinbauern, die Stär-
kung der Rechte von Frauen, die Sicherung des Zugangs
zu Land, Wasser und Saatgut oder auch das besondere
Augenmerk auf den Ausbau genossenschaftlicher Pro-
duktions- und Vertriebssysteme; das alles sind Punkte,
die ohne Zweifel zentral und wichtig sind.
Leider aber enthält der Antrag ebenso viele Lücken.
In vielem bleibt er hinter dem weitgreifenden Ansatz
zurück, den wir als SPD-Fraktion bereits in der letzten
Legislatur in unserem umfassenden Antrag „Ernährung
sichern, (Über-)Lebensbedingungen in Entwicklungslän-
dern strukturell verbessern – Ländliche Entwicklung als
Schlüssel zur Bekämpfung von Hunger und Armut“ for-
muliert haben. Zu Fragen von Bildung, Gesundheit und
sozialer Sicherung etwa wird kaum etwas bis gar nichts
gesagt. Vergeblich habe ich auch Vorschläge zum Aus-
bau der Infrastruktur, von der Verkehrsinfrastruktur bis
hin zu Handynetzen speziell in ländlichen Räumen, ge-
sucht. Zu den so wichtigen Umwelt- und Klimafragen
fordern Sie im Antrag recht lapidar, „… eine Kehrt-
wende in der Klimapolitik voranzutreiben“. Wohin diese
Kehrtwende führen soll, sagen Sie nicht. Das ist mir zu
wenig.
Alles in allem hat es den Anschein, als ob Sie nicht
verstanden hätten, dass ländliche Entwicklung mehr ist
als die Förderung von Kleinbauern und Selbstversor-
gern. Die ist wichtig, wird aber nicht ausreichen, um die
Lage der Menschen in ländlichen Regionen nachhaltig
zu verbessern. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir
weiter denken müssen und uns gerade im Zusammen-
9300 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. März 2015
(A) (C)
(D)(B)
hang mit ländlicher Entwicklung nicht darauf beschrän-
ken dürfen, nur lokale Märkte in Entwicklungsländern
zu schützen. Wir müssen darüber hinaus den Produzen-
ten in diesen Ländern zu fairen Bedingungen einen Zu-
gang zum Weltmarkt eröffnen. Nur so schaffen wir Be-
schäftigung in den Entwicklungsländern. Denn wir
brauchen angesichts wachsender Bevölkerung und
knapper werdenden Landes auch deutlich mehr Be-
schäftigungsmöglichkeiten außerhalb der Landwirt-
schaft. Deshalb muss der Anteil der Weiterverarbeitung
landwirtschaftlicher Produkte deutlich gesteigert wer-
den, damit von der Wertschöpfungskette mehr vor Ort
verbleibt und Arbeitsplätze in der weiterverarbeitenden
Industrie und im Dienstleistungssektor entstehen. Dafür
müssen wir uns einsetzen: für gute Arbeit zu gerechten
Löhnen. So lassen sich langfristig Strukturen schaffen,
mit denen wir Hunger und Armut wirklich wirksam be-
kämpfen können.
Ich halte es daher bei aller berechtigten Kritik auch
für zu kurz gesprungen, Wirtschaftspartnerschaftsab-
kommen schlichtweg abzulehnen. Vielmehr sollten wir
den Ehrgeiz haben, sie entwicklungsfördernd auszuge-
stalten, auch indem wir sie nutzen, um gute Regierungs-
führung und Standards einzufordern. In all diesen Ab-
kommen müssen menschenrechtliche, ökologische und
soziale Mindeststandards wie die ILO-Kernarbeitsnor-
men verbindlich verankert werden. So haben wir es in
den Koalitionsvertrag geschrieben, und dafür werde
auch ich persönlich mich weiter einsetzen. Wenn das ge-
lingt, verbunden mit wirksamen Sanktionsmechanismen,
dann können wir weltweit die Arbeitsbedingungen ver-
bessern, und damit ist den Menschen wirklich geholfen.
Das ist allemal besser, als gleich nur zu allem Nein zu
sagen.
Ähnlich verhält es sich mit den Öffentlich-Privaten
Partnerschaften, die Sie so rundheraus ablehnen. Hier
gibt es nicht nur negative Fälle, sondern auch zahlreiche
Beispiele für erfolgreiche Kooperationen, die für gute
Arbeitsplätze in den Partnerländern gesorgt haben – üb-
rigens auch dank der Unterstützung durch die DEG.
Wir haben in diesem für die Entwicklungszusammen-
arbeit so wichtigen Jahr die Chance, gemeinsam vieles
zu erreichen und die Weichen in Richtung Überwindung
von Hunger und Armut zu stellen. Das wird angesichts
der Krisen in der Welt, von Syrien bis zur nach wie vor
schwelenden Ebola-Seuche, schwierig genug.
Die Welt ist nicht gerecht. Lassen Sie uns daran arbei-
ten, sie ein Stück weit gerechter für alle Menschen zu
machen.
Den vorliegenden Antrag lehnen wir ab.
Niema Movassat (DIE LINKE): Gleich zu Beginn
seiner Amtszeit hat Minister Müller das ehrgeizige Ziel
formuliert, eine Welt ohne Hunger zu schaffen. Wie
viele andere auch haben meine Fraktion und ich diese
Schwerpunktsetzung begrüßt. Zugleich haben wir in
dem Antrag, den wir heute abschließend debattieren,
Eckpunkte einer Politik formuliert, die es ernst meint mit
der Hungerbekämpfung.
Um es in einem Satz zusammenfassen: Wir müssen
den Menschen in den Ländern des Südens das Recht zu-
gestehen, eigenständige Strukturen im Agrarbereich auf-
zubauen, die sich an den Bedürfnissen der Kleinbauern
sowie der Konsumenten in den jeweiligen Ländern
orientieren. Ernährungssouveränität heißt die politische
Forderung, die genau auf dieses Ziel hinarbeitet. Leider
spielt diese zentrale Forderung in Müllers Sonderinitia-
tive „Eine Welt ohne Hunger“ keine Rolle.
Denn Entwicklungsminister Müller spricht zwar
immer über Kleinbauern, aber selten mit ihnen. Einen
deutlich besseren Draht hat Müller zum deutschen Agro-
business. Man kennt sich ja schon gut aus seiner Zeit als
Staatssekretär im Landwirtschaftsministerium. Somit ist
es kein Wunder, dass die Interessen des deutschen Agro-
business in der Sonderinitiative mehr Berücksichtigung
finden als die Bedürfnisse der Kleinbauern in den Ent-
wicklungsländern.
Dies wurde auch bei der Konferenz „Eine Welt ohne
Hunger“ wieder deutlich, die das BMZ diese Woche ver-
anstaltet hat. Müller setzt insbesondere in Afrika auf
eine Industrialisierung der Landwirtschaft nach europäi-
schem Vorbild. Dies zeigt sich insbesondere bei den
sogenannten Grünen Innovationszentren, deren Ansatz
leider alles andere als innovativ ist.
Statt agrarökologische Ansätze zu forcieren, lokale
Innovationen zu unterstützen, vorhandene informelle
Marktbeziehungen zu stärken und damit die kleinbäuer-
liche Landwirtschaft in den Projektländern zu fördern,
verfolgt ein Großteil der Grünen Zentren eine andere
Agenda: Sogenannte marktorientierte Kleinbauern
sollen in mehrstufige Wertschöpfungsketten integriert
werden, an deren Anfang Agrarkonzerne wie Bayer oder
BASF und an deren Ende Lebensmittelkonzerne wie die
Metro Group stehen.
Für die meisten Kleinbauern stellt diese Form der
Marktintegration keine Option dar. Vielmehr werden sie
verdrängt und müssen in die Städte gehen, um nach
Arbeit zu suchen – dort, wo es keine Arbeit gibt. Für
afrikanische Länder, in denen 50 bis 80 Prozent der er-
werbstätigen Bevölkerung von der Landwirtschaft leben,
eine soziale Katastrophe!
Lassen Sie mich an dieser Stelle auch ein für alle Mal
klarstellen: Die Förderung einer kleinbäuerlichen Land-
wirtschaft ist weder Selbstzweck, noch hat sie mit einem
falschen Romantizismus zu tun, wie Vertreter der Agrar-
industrie nicht müde werden zu behaupten. Kleinbäue-
rinnen und Kleinbauern produzieren weltweit 70 Prozent
der Lebensmittel – in Entwicklungsländern sogar 80
Prozent –, verbrauchen dabei aber nur 30 Prozent der in
der Landwirtschaft eingesetzten Energie. Genau anders-
herum sehen die Zahlen für die industrielle Landwirt-
schaft aus: Sie verbraucht 70 Prozent der Energie, pro-
duziert damit aber nur 30 Prozent der global
konsumierten Lebensmittel.
Liebe Agrarindustrie, liebe Kolleginnen und Kollegen
von CDU/CSU und SPD, wer ist angesichts dieser
Fakten der wichtigste Verbündete für eine erfolgreiche
Hungerbekämpfung? Wer wirtschaftet produktiver – das
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. März 2015 9301
(A) (C)
(D)(B)
heißt, mit einem geringeren Energieaufwand? Und wer
garantiert eine ökologisch nachhaltige Nahrungsmittel-
produktion, die angesichts von Klimawandel und Res-
sourcenknappheit das Gebot der Stunde ist?
Kleinbäuerliche Strukturen können durch viele
Maßnahmen gefördert werden. Ebenso wichtig ist es
aber, sie vor unfairem Wettbewerb zu schützen. Dazu ist
die Koalition aber nicht gewillt. Die Fraktionen von
CDU/CSU und SPD lehnen unseren Antrag unter ande-
rem wegen unserer Forderung nach einem sofortigen
Verhandlungsstopp bei Freihandelsverträgen ab. Anders
gesagt: Sie stellen die Profitinteressen europäischer
Konzerne und der deutschen Agrarindustrie über das
Ziel einer nachhaltigen Hungerbekämpfung.
Herr Minister Müller, Sie müssen sich entscheiden.
Werden Sie ein Vorkämpfer für eine Welt ohne Hunger,
oder bleiben Sie der Exportbeauftragte der deutschen
Agrarindustrie? Bisher sieht es leider nach Letzterem
aus. Aber die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt.
Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Im
Ziel sind wir uns sicher einig. Das Menschenrecht auf
Nahrung muss endlich verwirklicht werden. Noch im-
mer hungern über 800 Millionen Menschen weltweit,
und 2 Milliarden sind mangelernährt. Doch der Weg, den
die Bundesregierung eingeschlagen hat, um dagegen an-
zugehen, ist voller Widersprüche.
Minister Müller stellte diese Woche die Sonderinitia-
tive „Eine Welt ohne Hunger“ vor. Rhetorisch wurde
wieder alles aufgeboten: Die lokale Zivilgesellschaft
werde einbezogen, es würden gemeinsam Lösungen ent-
wickelt, schonender Umgang mit Ressourcen sei not-
wendig, Empowerment würde großgeschrieben, die Be-
deutung des Zugangs zu Land und die Verfügbarkeit von
Saatgut würden betont. Doch weitere 90 Prozent seiner
Rede beinhalteten zum x-ten Male die Darstellung der
durchaus zu kritisierenden realen globalen Verhältnisse.
Zum Konzept selbst gab es nur spärliche Informationen.
Doch was wird wirklich umgesetzt?
Minister Müllers Lieblingsprojekt in der Sonderinitia-
tive, die Grünen Innovationszentren, sind zunächst von
Konzeptlosigkeit geprägt. Damit wir uns nicht falsch
verstehen: Die lokale Weiterverarbeitung von landwirt-
schaftlichen Erzeugnissen ist zu begrüßen und notwen-
dig. Aber der Wertschöpfungskettenansatz der Grünen
Zentren bindet nur die marktfähige Bauernschaft ein.
Diese haben bereits einen Zugang zu Märkten. Für die
Grünen Zentren sind die höchsten Mittel der Sonderiniti-
ative eingeplant, doch sie erreichen nicht die am stärks-
ten von Hunger betroffenen Menschen.
Die Einbindung der Zivilgesellschaft vor Ort bleibt
entgegen der Ankündigungen dürftig – besser gesagt:
Sie ist nicht erkennbar. Teilweise wurden benannte Part-
ner im Rahmen der Prüfmissionen für die Grünen Zen-
tren nicht einmal konsultiert. Lösungen beim Kampf ge-
gen den Hunger müssen gemeinsam mit den Betroffenen
selbst entwickelt und implementiert werden. Daran zeigt
sich auch, dass Müllers Forderung, die im Afrika-Kon-
zept des BMZ aufgestellt wurde, wohl nicht so ernst ge-
meint ist: Afrikanische Lösungen für afrikanische Pro-
bleme. Je mehr Details ich über die Innovationszentren
erhalte, desto fraglicher erscheint das Konzept. Wenn
Minister Müller zum Beispiel bei der offiziellen Eröff-
nung der Initiative erklärt, dass in Sambia und Äthiopien
ein Maschinenring mit aufgebaut werden soll, hat das
nichts mit Innovation zu tun. Hier scheinen doch wirk-
lich mehr die Exportinteressen der Hersteller der Ma-
schinen im Vordergrund zu stehen.
Auch die von der Bundesregierung unterstützte New
Alliance treibt in verschiedenen Ländern Afrikas unter
anderem Saatgutgesetze voran, die die Verfügbarkeit lo-
kaler Sorten einschränken und die Saatgutmärkte dieser
Länder für internationale Konzerne mit zweifelhaften
Methoden erschließen. Bisher ist nicht erkennbar, wie
die Bundesregierung die G-7-Präsidentschaft nutzen
will, um das abzustellen.
Die in die Kritik geratene German Food Partnership
von Amtsvorgänger Niebel ist öffentlich in den Hinter-
grund getreten. Im BMZ gehen Bayer & Co. jedoch wei-
terhin munter ein und aus. Anstatt die am stärksten
betroffenen Kleinbäuerinnen und Kleinbauern zu unter-
stützen, setzt man vor allem auf Produktionssteigerung,
mehr Technik und zertifiziertes Saatgut. Der Bauern-
schaft vor Ort wird keine biologische und damit effizien-
tere Landwirtschaft vermittelt. Hier besteht enormer Bil-
dungsbedarf. Anstatt diesbezüglich massiv tätig zu
werden, wird mit fragwürdigen Methoden und Versu-
chen vermittelt, dass der Einsatz von anorganischem
Dünger einen Großteil der Lösung der Probleme dar-
stellt. Damit fördert das BMZ die Abhängigkeit der
kleinbäuerlichen Familien. Statt Hilfsprogramme für die
westliche, vor allem deutsche Agrarindustrie braucht es
eine an die lokalen Gegebenheiten angepasste, ökolo-
gisch nachhaltige Landwirtschaft, die keine neuen Ab-
hängigkeiten schafft.
Zu diesem Ergebnis kommt auch der Weltagrarbe-
richt. Dieser wurde in einem internationalen mehrjähri-
gen Prozess mit über 900 Teilnehmern aus 110 Ländern
entwickelt. Syngenta und andere beteiligte Unternehmen
stiegen kurz vor Schluss aus, weil ihnen die Empfehlun-
gen des Berichts nicht passten. Auch die Bundesregie-
rung verweigert weiterhin die Unterzeichnung, mit der
Begründung, dass der Bericht korrekt und auch Leitlinie
deutscher Politik sei und deshalb eine Ratifizierung nicht
mehr nötig sei. Ganz so ernst ist wohl auch diese Aus-
sage nicht gemeint.
Der Weltagrarbericht macht deutlich, dass bei der
Umsetzung des Rechts auf Nahrung nicht in erster Linie
Ertragssteigerungen ausschlaggebend sind. Erkennen
Sie das doch an, dass vor allem eine vielfältige Produk-
tion für regionale Märkte wichtig ist. Die Frage nach den
„Cash Crops“ bearbeitet die Agrarindustrie auch ohne
deutsche Steuergelder. Helfen Sie beim Aufbau sozialer
Sicherungssysteme, und verbessern Sie den Zugang
marginalisierter Bevölkerungsgruppen zu Land. Für die
Welternährung wäre das wichtiger als Hybrid-Mais und
die Exportzahlen deutscher Kartoffelerntemaschinen!
9302 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. März 2015
(A) (C)
(D)(B)
Anlage 7
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des Entwurfs eines ... Gesetzes zur
Änderung des Schuldrechtsanpassungsgesetzes
(Tagesordnungspunkt 16)
Dietrich Monstadt (CDU/CSU): Bereits seit dem
21. September 1994 regelt das Schuldrechtsanpassungs-
gesetz die Überleitung von Nutzungsverträgen über
Grundstücke, die in der DDR begründet worden sind, in
das Miet- und Pachtrecht des BGB. Diese Regelungen
haben seit nunmehr über 20 Jahren Bestand. Allein da-
ran lässt sich schon erkennen, dass sich die aktuelle
Rechtslage sehr gut bewährt hat und es keinerlei Ände-
rungen bedarf.
Ganz grundsätzlich geht es jedoch um viel mehr: Ers-
tens reden wir hier über eine zentrale Rechtsgüterabwä-
gung. Diese muss und musste gründlich zwischen dem
Eigentumsgrundrecht einerseits und dem nachvollzieh-
baren Anspruch des Nutzers auf weitere Nutzung ande-
rerseits erfolgen. Zweitens – und das möchte ich beson-
ders betonen – geht es aber eben auch um die
Vollendung der deutschen Einheit, um Rechtseinheit und
nicht zuletzt um Rechtssicherheit. All diese Aspekte
müssen wir bei der hier zu treffenden Entscheidung be-
rücksichtigen.
Wie bereits erwähnt, geht es dabei heute im Wesentli-
chen um Grundstücke zu Erholungszwecken. Es geht
dabei auch um sozialistische Bodenverhältnisse in der
ehemaligen DDR, die durch das Schuldrechtsanpas-
sungsgesetz in den Rechtsrahmen des BGB überführt
werden mussten und dann überführt wurden.
Ein wesentlicher Bestandteil der aktuellen gesetzli-
chen Regelung ist dabei das Auslaufen der besonderen
Kündigungsfrist am 3. Oktober 2015. Grundsätzlich be-
fürwortet dies auch der Antragsteller und möchte daran
festhalten. Er und die Linken möchten aufschieben –
nicht aufheben. Nach ihrem Willen soll die Kündigungs-
frist schlichtweg um drei Jahre verlängert werden.
Doch damit fahren Sie einen Zickzackkurs, den wir
nicht unterstützen. Zudem ist dieser Weg verfassungs-
rechtlich höchst bedenklich: Das Bundesverfassungsge-
richt hat in seiner Entscheidung vom 14. Juli 1999 deut-
lich zum Ausdruck gebracht, dass die vorgesehenen
Kündigungsfristen nicht überdehnt werden sollen. Doch
eben genau das, meine Damen und Herren Antragsteller,
würden Sie unserer Ansicht nach mit Ihrer Vorlage errei-
chen.
Dabei geht die Argumentation des Bundesverfas-
sungsgerichtes in eine ganz andere Richtung. Ich darf
aus der Entscheidung vom 14. Juli 1999 Absatz 135 zi-
tieren: „Im Hinblick auf die Gesamtdauer der Kündi-
gungsschutzfrist für bebaute Erholungs- und Freizeit-
grundstücke bis zum 3. Oktober 2015 (vergleiche § 23
Absatz 4 SchuldRAnpG) war es allerdings verfassungs-
rechtlich geboten, die Kündigungsrechte der Grund-
stückseigentümer in einem weiteren Anpassungsschritt
zu einem angemessenen Zeitpunkt noch mehr zu stär-
ken“. Dies wurde schließlich mit Wirkung zum 1. Januar
2015 in § 23 Absatz 3 SchuldRAnpG gesetzgeberisch
umgesetzt.
Darüber hinaus erschließt sich mir argumentativ auch
der Zeitraum von drei Jahren nicht: Warum nicht zwei,
vier, fünf oder sechs?
Sie sehen: Dieser Ansatz wirkt nicht nur recht will-
kürlich, sondern gibt auch erstzunehmenden Anlass, an
der Verfassungsmäßigkeit zu zweifeln.
Das ist nicht die Sache der CDU. Wir stehen wie
keine andere Partei für das Zusammenwachsen von Ost
und West. Das galt schon unter Bundeskanzler Helmut
Kohl, und das gilt auch unter unserer Kanzlerin Angela
Merkel. Nach 25 Jahren Mauerfall sind wir daher fest
entschlossen, auch die Rechtseinheit zwischen Ost und
West umzusetzen. Dabei geht es schlichtweg um mehr
als den Ausgleich widerstreitender Interessen, der hier
im Schuldrechtsanpassungsgesetz geregelt wurde. Es
geht eben auch darum, zu einen und nicht zu spalten.
Hier wurde mit dem Schuldrechtsanpassungsgesetz eine
einvernehmliche Lösung gesucht und gefunden, um das
Verhältnis zwischen Nutzern und Eigentümern langfris-
tig zu regeln.
Aus unserer Sicht ist dies nicht nur mit Blick auf den
jahrzehntelangen besonderen Kündigungsschutz, son-
dern auch bezüglich möglicher Beteiligungen an etwai-
gen Abrisskosten hervorragend gelungen.
Dies zeigt auch ein Blick auf die Praxis: Sowohl Nut-
zer als auch Eigentümer haben sich gut darauf einge-
stellt. Vielfach gibt es gar bilaterale Nutzungsverträge
für die Zeit nach Ablauf der Kündigungsfrist. Hier än-
dert sich also rein gar nichts.
Andere wiederum dürften – aus welchen Gründen
auch immer – gar ein Interesse daran haben, nach dem
3. Oktober 2015 vom Eigentümer gekündigt zu werden.
Dadurch tragen sie nach aktueller Rechtslage keine Ab-
risskosten. Dies könnte sich mit der im Entwurf enthalte-
nen Billigkeitsklausel jedoch ändern und somit zu einer
Belastung für die derzeitigen Nutzer führen. Erst nach
einer 32-jährigen Investitionsschutzfrist können die Nut-
zer nach dem 3. Oktober 2022 durch den Eigentümer zur
Hälfte an den Abrisskosten beteiligt werden. Dies ist je-
doch nichts weniger als ein sozial abgemilderter Über-
gang, ein fairer Interessenausgleich.
Vielfach sind eben keine Privatpersonen die Eigentü-
mer. In den allermeisten Fällen sind dies heute unsere
Kommunen. Diese nun, wie von der Bundesratsinitiative
gefordert, mit 100 Prozent der Abrisskosten zu belasten,
würde vielerorts dramatische Auswirkungen haben. Ich
nenne hier beispielhaft nur die freiwilligen Leistungen,
die es dann als Erstes treffen würde.
Das ist nicht das, was wir wollen. Auch hier muss es
um einen fairen Ausgleich gehen. Einen solchen können
wir jedoch im vorliegenden Entwurf nicht erkennen.
Völlig zu Recht erwarten alle Bürgerinnen und Bür-
ger politisches Handeln und gesetzliche Bestimmungen,
auf die sie sich verlassen können. Abgesehen von erheb-
lichen verfassungsrechtlichen Bedenken wäre eine Frist-
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. März 2015 9303
(A) (C)
(D)(B)
verlängerung um drei Jahre das genaue Gegenteil und
würde inhaltlich rein gar nichts ändern.
Deswegen setzen wir auf Verlässlichkeit, auf Konti-
nuität und stehen zur Rechtseinheit im geeinten Deutsch-
land. Daher lehnen wir den Gesetzentwurf ab.
Sebastian Steineke (CDU/CSU): Mit dem Gesetz-
entwurf will der Bundesrat die besondere Kündigungs-
schutzfrist, die insbesondere für sogenannte Datschen-
grundstücke auf dem Gebiet der ehemaligen DDR gilt
und nach geltender Rechtslage am 3. Oktober 2015 ab-
läuft, um drei Jahre verlängern. Weiterhin sollen die
Grundstücksnutzer nahezu vollständig von der Pflicht
zur Tragung der Abbruchkosten für von ihnen errichtete
Bauwerke befreit werden. Ausnahmen soll es nur in den
Fällen geben, die für den Grundstückseigentümer eine
„unbillige Härte“ bedeuten würden. Wir haben bereits
vor etwa zwei Monaten darüber hier im Saal debattiert.
Daher will ich nur noch einmal die wesentlichen Kern-
punkte ansprechen, die dazu führen, dass wir den Ge-
setzentwurf des Bundesrates ablehnen.
Im Zuge der deutschen Wiedervereinigung musste
man den Fortbestand der Rechtsverhältnisse zwischen
Eigentümern und Nutzern von Datschengrundstücken
regeln. Dies war zuweilen ein Kraftakt, da es sich bei
den DDR-Gesetzen um rechtsstaatswidrig zustande ge-
kommene Vorschriften handelte, die wir nun in unsere
demokratisch legitimierte Rechtsordnung überführen
mussten. Ziel war es, eine für alle Beteiligten angemes-
sene Überleitung in das Miet- und Pachtrecht der Bun-
desrepublik Deutschland zu gewährleisten. Mit dem
Schuldrechtsanpassungsgesetz wurde dem Rechnung ge-
tragen.
Sinn und Zweck des Gesetzes war die Schaffung
eines geeigneten Interessenausgleichs zwischen der
bestehenden Rechtsposition der Nutzer und den
Grundstückseigentümern, die auf die Geltung des
BGB-Miet- und Pachtrechts nach der Wende vertraut
haben. Hierfür sieht das Schuldrechtsanpassungsge-
setz bislang eine 25-jährige Vertrauensschutzregelung
bezüglich einer möglichen Eigentümerkündigung so-
wie eine 32-jährige Investitionsvertrauensschutzrege-
lung im Bereich der Tragung der Abrisskosten zuguns-
ten der Nutzer vor. Lassen Sie mich an der Stelle noch
einmal kurz auf die zwei wesentlichen Punkte des Ge-
setzentwurfs eingehen.
Für eine Verlängerung der Kündigungsschutzfrist
über das Jahr 2015 hinaus besteht kein sachlicher Grund.
Nutzer und Eigentümer konnten sich in der langen Zeit
seit dem Inkrafttreten des Schuldrechtsanpassungsgeset-
zes im Jahr 1995 auf das nun bevorstehende Auslaufen
der Frist einstellen. Der Zweck der besonderen Kündi-
gungsschutzfrist, nämlich die noch zu DDR-Zeiten getä-
tigten Investitionen zu schützen, ist mittlerweile erfüllt.
Die von Nutzern errichteten Bauwerke haben sich inzwi-
schen längst amortisiert. Im Übrigen ist nach dem Ende
des Kündigungsschutzes nicht mit einer Kündigungs-
welle zu rechnen. Die meisten Datschengrundstücke lie-
gen in den Außenbereichen der Gemeinden, wo nicht ge-
baut werden darf und die Datschen aus DDR-Zeiten aber
Bestandsschutz genießen. Die weitere Verpachtung der
Grundstücke zu Erholungszwecken wird dort für die
Grundstückseigentümer die einzige vernünftige Mög-
lichkeit einer Verwertung bleiben.
Der zweite zentrale Punkt des Gesetzentwurfs des
Bundesrates, die Befreiung der Nutzer von den Ab-
bruchkosten, widerspricht unserem heute geltenden all-
gemeinen Miet- und Pachtrecht, nach dem der Nutzer
bei Vertragsbeendigung das Grundstück in dem Zustand
zurückgeben muss, in dem er es erhalten hat. Im Übrigen
enthielt selbst das DDR-Recht in § 314 Absatz 5 ZGB
eine ähnliche Regelung. Mit der vorgesehenen Änderung
müsste allein der Eigentümer für den Abriss aufkom-
men. Dabei wurde schon im Rahmen der damaligen par-
lamentarischen Beratungen zum Schuldrechtsanpas-
sungsgesetz im Jahr 1994 festgestellt, dass als Ausgleich
zumindest eine Teilung der Abrisskosten angemessen
wäre. Würde der Entwurf des Bundesrates Gesetz, wäre
zudem eine regelrechte Klageflut zu erwarten, denn
viele Eigentümer würden sich auf das Vorliegen einer
„unbilligen Härte“ berufen. Der Gesetzentwurf bedeutet
für die Nutzer schließlich eine klare Schlechterstellung
im Vergleich zur geltenden Rechtslage: Bei einer Eigen-
tümerkündigung nach dem 3. Oktober 2015 tragen sie
nämlich bis einschließlich 3. Oktober 2022 keine Ab-
bruchkosten.
Es drohen zudem erhebliche finanzielle Belastungen
für den Eigentümer, bei denen es sich im Übrigen mehr-
heitlich um Kommunen handelt, unter anderem was die
vom Gesetzentwurf auch umfassten Garagen betrifft.
Auch das muss eine deutliche Berücksichtigung in der
Diskussion finden. Dieses Gesetz hätte mitunter schwer-
wiegende finanzielle Folgen für die Städte und Gemein-
den und würde unser weiteres Bestreben nach kommu-
naler Entlastung klar konterkarieren. Aus diesem Grund
frage ich mich auch, warum der Bundesrat in seinem
Entwurf keinerlei Aussagen dazu getroffen hat, wie et-
waige Belastungen der Kommunen aufgefangen werden
sollen. Zumindest ein Passus, dass das Land für die Aus-
fälle eintritt, hätte die Glaubwürdigkeit des Grundanlie-
gens wenigstens ein Stück weit untermauert. Dies zeigt
zum wiederholten Male, dass den Linken als eigentli-
chen Urhebern des Entwurfs die Kommunen völlig egal
sind, solange es darum geht, populistische Forderungen
durchzusetzen.
Es bestehen letztlich erhebliche verfassungsrechtliche
Bedenken gegen den Gesetzentwurf des Bundesrates.
Das Bundesverfassungsgericht hat 1999 festgestellt,
dass eine Benachteiligung nur einer der beiden Seiten
nicht im Einklang mit Artikel 14 GG steht. Es hat da-
mals klar zum Ausdruck gebracht, dass die Kündi-
gungsschutzregelungen, insbesondere die Einschrän-
kungen des Kündigungsrechts durch den Eigentümer
bis zum 3. Oktober 2015, gerade „noch“ mit dem ver-
fassungsrechtlich gebotenen Schutz der Privatnützig-
keit und Verfügungsfreiheit des Eigentums vereinbar
sind. Die nun 16 Jahre später vom Bundesrat vorge-
schlagene Verlängerung der besonderen Kündigungs-
9304 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. März 2015
(A) (C)
(D)(B)
schutzfrist ist vor diesem Hintergrund mehr als frag-
würdig.
Erlauben Sie mir abschließend noch eine Bemerkung
an die Kolleginnen und Kollegen der Linksfraktion.
Sowohl in den Medien als auch in der ersten Lesung hier
im Parlament haben Sie sich vehement für diesen Ge-
setzentwurf eingesetzt. In den Ausschussberatungen gab
es dennoch keine einzige Wortmeldung von Ihnen. Dies
finde ich erstaunlich. Das Anliegen kann Ihnen also
doch nicht so wichtig gewesen sein, wie Sie es immer
kommuniziert haben.
Aus den zuvor genannten Gründen werden wir den
Gesetzentwurf ablehnen.
Dr. Katarina Barley (SPD): Der Deutsche Bundes-
tag berät heute in zweiter und dritter Lesung abschlie-
ßend über den vom Bundesrat eingebrachten Entwurf
eines Gesetzes zur Änderung des Schuldrechtsanpas-
sungsgesetzes.
Der Sachstand hat sich seit der ersten Lesung am
29. Januar 2015 nicht verändert. CDU/CSU und SPD
erläuterten in dieser Sitzung die Gründe für, aber über-
wiegend gegen die Initiative. Der brandenburgische
Minister Dr. Helmuth Markov, Die Linke, bat darum,
„ernsthaft zu überprüfen, ob Sie diesem Gesetzentwurf
… nicht doch Ihre Zustimmung geben können“. Die
Kolleginnen und Kollegen von der Fraktion Die Linke
haben selbst nicht das Wort ergriffen. Ihren Zwischenru-
fen war jedoch zu entnehmen, dass sie den Gesetzent-
wurf des Bundesrates unterstützten. Und die Kollegin
Katja Keul von Bündnis 90/Die Grünen kündigte an:
„Wir werden die Sache jedenfalls noch einmal ergebnis-
offen prüfen.“ So ist es im Plenarprotokoll nachzulesen.
Mit dieser Ausgangslage wurde der Gesetzentwurf
am 18. März in der Sitzung des Ausschusses für Recht
und Verbraucherschutz aufgerufen. Zu meiner Überra-
schung hielten weder die Kolleginnen und Kollegen von
der Bundestagsfraktion Die Linke es für nötig, uns erst-
mals ihre Position als Fraktion vorzustellen, noch melde-
ten sich die Kolleginnen und Kollegen von der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen zu Wort, um uns an den Ergeb-
nissen ihrer in der ersten Lesung angekündigten ergeb-
nisoffenen Prüfungen teilhaben zu lassen. Der Tages-
ordnungspunkt wurde ohne Aussprache abgestimmt.
Entsprechend dünn ist der heute vorliegende Bericht.
Wie lässt sich dieses Verhalten der Opposition bewer-
ten? Sicherlich haben Sie, sehr geehrte Damen und Her-
ren von der Opposition, die Zeit zwischen erster Lesung
im Plenum und Ausschussberatung genutzt, um sich mit
den Argumenten der Koalition auseinanderzusetzen.
Ganz offensichtlich hatten insbesondere die Kolleginnen
und Kollegen von der Linken dem nichts entgegenzuset-
zen. Sonst hätten Sie von Ihrem Rederecht im Ausschuss
Gebrauch gemacht und für den Gesetzentwurf des Bun-
desrates gesprochen. Die Oppositionsfraktionen hätten
auch eine Anhörung beantragen können, um die von den
Koalitionsfraktionen vorgetragenen Bedenken zur Ver-
fassungsmäßigkeit zu thematisieren, um überhaupt den
Versuch zu unternehmen, diese Bedenken zu entkräften.
Alle diese Möglichkeiten hätten Sie nutzen können und
haben es nicht getan. Ganz offensichtlich wissen Sie
also, dass die von CDU/CSU und SPD dargestellten
Sachverhalte richtig sind.
Mich beschleicht der Eindruck, die Diskussion über
das Schuldrechtsanpassungsgesetz und die Datschen-
grundstücke sollte erst als Wahlkampfschlager der
Linken in Brandenburg herhalten und anschließend hier
im Bundestag für ein politisches Theater genutzt
werden. Im 25. Jahr der deutschen Einheit sollte ein Ost-
West-Konflikt inszeniert werden. Eine Inszenierung, die
der Wirklichkeit nicht standhält und die Menschen
verunsichert. Das ist unanständig.
Ich möchte das am Beispiel Kündigungsschutz ver-
deutlichen. Der Gesetzentwurf des Bundesrates sieht
vor, den Sonderkündigungsschutz für die Datschen-
grundstücke um drei Jahre auf den 3. Oktober 2018 zu
verlängern. Dabei wurden mit dem geltenden Schuld-
rechtsanpassungsgesetz bereits weitreichende Kündi-
gungsschutzfristen vereinbart. Das sollte nicht in Verges-
senheit geraten. Bis zum 31. Dezember 1999 waren
ordentliche Kündigungen ausgeschlossen. Seit dem
1. Januar 2000 sind Kündigungen nur in einigen Fällen
zulässig, zum Beispiel bei Eigenbedarf. Wer am 3. Okto-
ber 1990 60 Jahre oder älter war, kann seine Datsche bis
zum Lebensende nutzen.
Der Verband Deutscher Grundstücksnutzer, also die
Vertretung der Datschennutzer, geht nicht davon aus,
dass es mit Ablauf der Kündigungsschutzfrist am 3. Ok-
tober 2015 zu einer Kündigungswelle kommen wird.
Und die Begründung dafür ist vollkommen einleuch-
tend. Die meisten Datschengrundstücke liegen in den
Außenbereichen der Kommunen. Dort darf häufig nicht
gebaut werden. Die Datschen aber genießen Bestands-
schutz. Die Verpachtung ist die einzige sinnvolle
Möglichkeit, um die Grundstücke wirtschaftlich zu ver-
werten. Viele der betroffenen Grundstücke sind heute im
Eigentum von – wohlgemerkt ostdeutschen – Kommu-
nen. Sichere Pachteinnahmen durch die Fortführung der
Verträge dürften also häufig im Interesse der Grund-
stückseigentümer sein. Das Ende eines besonderen
Kündigungsschutzes ist eben nicht gleichzusetzen mit
einer automatischen Kündigung.
Darüber hinaus wurden Nutzungsentgelte begrenzt
und für die Entschädigung eine sehr differenzierte Rege-
lung gefunden. Abbruchkosten müssen die Nutzer, wenn
sie denn gekündigt werden, frühestens ab 2022 tragen,
also 32 Jahre nach der deutschen Einheit. Alle diese
Fristen waren und sind sehr lang, sodass die Investitio-
nen der Nutzer in ihre Datschen geschützt wurden und
gleichzeitig Nutzer und Grundstückseigentümer lang-
fristig planen konnten.
Eine Verlängerung der Kündigungsschutzfrist um drei
Jahre bringt uns in drei Jahren an den gleichen Punkt
und wirft gleichzeitig verfassungsrechtliche Bedenken
auf.
Das Bundesverfassungsgerichtsurteil hat in seinem
Urteil zum Schuldrechtsanpassungsgesetz von 1999 die
genannten Regelungen weitgehend gebilligt. Gleichzei-
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. März 2015 9305
(A) (C)
(D)(B)
tig haben die Richter die Absehbarkeit eines Endes der
Ausnahmen angemahnt. Fünf Jahre nach der Einheit
sind die Regelungen zum besonderen Kündigungsschutz
in Kraft getreten mit Fristen von weiteren 20 Jahren.
Alle Betroffenen konnten sich darauf einstellen, und teil-
weise sind Kündigungsschutzfristen bereits abgelaufen,
zum Beispiel für Garagen. Auch hier zeigen die Erfah-
rungen übrigens, dass Kündigungswellen ausgeblieben
sind.
Eine Änderung, wie sie dem Bundesrat jetzt zum
Kündigungsschutz und zu den Abbruchkosten vor-
schwebt, würde den gesamten komplizierten und seit
20 Jahren gültigen Kompromiss zwischen Nutzern und
Eigentümern, der mit dem Schuldrechtsanpassungs-
gesetz gefunden wurde, aus dem Gleichgewicht bringen.
Gleichzeitig würden viele verfassungsrechtliche Beden-
ken aufgeworfen.
Da sich die Oppositionsfraktionen in den Ausschuss-
beratungen nicht zu Wort gemeldet haben, sind bis heute
keine neuen Erkenntnisse ans Tageslicht gekommen, die
uns vom Gegenteil überzeugt hätten. Deshalb bleibt die
SPD-Bundestagsfraktion bei ihrer Ablehnung des vom
Bundesrat eingebrachten Gesetzentwurfes.
Roland Claus (DIE LINKE): Es soll Sonntagsreden
geben, in denen die Regierungskoalition aus CDU/CSU
und SPD so tut, als seien ihr die Interessen, Sorgen und
Nöte der Ostdeutschen wichtig. Heute, an diesem
26. März, einem Donnerstag, hält sie sich nicht mit
Sonntagsreden auf. Heute redet sie Klartext, und der
heißt: Ihr Ostdeutschen seid uns egal. Was schert uns
eure Sorge um eure Datschen und Garagen. Sie passen
nicht hinein in unsere Gesetzeswelt, wir brauchen klare
Verhältnisse, also Schluss mit den Sonderregelungen.
Seht zu, wie ihr klarkommt, und wenn ihr über 70, ja
über 80 seid und nun in die Bredouille kommt, weil ihr
ohne jede eigene Schuld um das gebracht werden könn-
tet, wohinein ihr ein Leben lang Geld und Kraft gesteckt
habt: Egal, es schert uns nicht.
Und es ist alles noch viel schlimmer, viel kälter. Denn
der Antrag zur Gesetzesänderung, um den hier im Bun-
destag bei der ersten Lesung am 29. Januar immerhin
noch etwas ausführlicher gestritten wurde als heute, da
es nur noch ums Formale geht, dieser Antrag also
kommt nicht von einer Fraktion, sondern er kommt vom
Bundesrat. Das heißt: Die Bundesländer, die ost- wie die
westdeutschen, waren sich darin einig, Solidarität mit
den Ostdeutschen zu zeigen. Und hatten damit bei vielen
in Ostdeutschland Hoffnung geweckt. Es ist ja doch
nicht so schlimm, haben mir die Leute im Wahlkreis ge-
sagt, wie ihr Linken manchmal meint. Der Bundesrat hat
eine klare Position gefunden, erkennt unsere Sorgen an,
das ist doch was. – Heute aber zeigt die Koalition, was
sie vom Bundesrat hält, wenn er nicht ihrer Meinung ist:
Dann ignoriert sie ihn, schiebt ihn beiseite – und sie tut
es in den Abendstunden, damit es keiner sieht. Und lei-
der, leider müssen die Menschen zur Kenntnis nehmen:
Ihre Hoffnung war umsonst.
Glauben Sie mir: Das heute Abend ist eine ganz
schlechte Stunde für die Demokratie. Seit Herbst 2014
haben mich ungezählte Mails und Telefonanrufe er-
reicht, in denen mich Bürgerinnen und Bürger danach
gefragt haben, ob es etwas werden wird mit der Gültig-
keitsverlängerung des Gesetzes. Ich war sehr überrascht
davon, wie genau die Menschen Bescheid wussten über
den Inhalt des Gesetzes und über den Sinn der Initiative
zur Änderung, und ich habe wieder einmal begriffen,
wie politikinteressiert sie sind, wenn es um Fragen geht,
die tatsächlich mit ihrem Leben zu tun haben. Und nun
werden sie auf diese Weise düpiert.
Sie werden düpiert von einer Regierungskoalition, in
der ich mich vor allem über die SPD wundern muss. Die
SPD, die im Bundesrat mit uns gemeinsam initiativ
geworden ist, erschreckt mich hier damit, wie aggressiv
sie ihren eigenen Vorschlag im wahrsten Sinne des Wor-
tes in die Tonne tritt. Wahrlich ein würdiger Beitrag zu
25 Jahren deutscher Einheit, aber irgendwo auch logisch.
Sie aus der Regierungskoalition haben vor 25 Jahren ge-
meinsam den Weg freigemacht für den verheerenden
Grundsatz „Rückgabe vor Entschädigung“, Sie haben
gemeinsam die Treuhand auf Enteignungs- und De-
industrialisierungskurs geschickt, und nun setzen Sie
den Punkt aufs i. Gegen Seniorinnen und Senioren und
gegen die Datschen. Was für ein Skandal. Und was für
ein Armutszeugnis.
Annalena Baerbock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN): Wie sensibel es ist, auch im Bereich von Pacht-
grundstücken, zwei Rechtssysteme zusammenzubringen,
hat der Bundestag bereits 1994 erkannt, und im Schuld-
rechtsanpassungsgesetz von damals spiegelt es sich wi-
der. Hinter diesem sperrigen Titel verbirgt sich vor allem
die Frage nach dem Kündigungsrecht und den Kündi-
gungsfristen für Datschen und Datschengrundstücke.
Datschen sind nicht mit Gartenlauben oder Kleingärten
zu verwechseln, sondern haben eine andere Geschichte
und bedurften daher anderer Gesetze. Datschen – als
Wochenendhäuschen – auf Grundstücken im sogenann-
ten Volkseigentum waren nach DDR-Recht fast unkünd-
bar und eine besondere Herausforderung bei der Anpas-
sung an bundesdeutsches Recht – auch und vor allem an
das Eigentumsrecht im Grundgesetz gemäß Artikel 14 –
nach der Wiedervereinigung.
Mit dem Schuldrechtsanpassungsgesetz wurde 1994
ein sehr weitgehender Kündigungsschutz gewährleistet,
der dem Sondertatbestand bei den Eigentumsverhältnis-
sen Rechnung tragen sollte. Bis 1999 waren Kündigun-
gen nahezu ausgeschlossen, ab 2000 nur selten zulässig,
und wer 1990 als Datschenbesitzer älter als 60 war,
konnte sich auf ein lebenslängliches Pachtverhältnis ver-
lassen.
Auch für die Frage der Abrisskosten wurde eine aus-
gewogene Lösung gefunden, denn diese sollten frühe-
stens ab 2022 von Nutzern getragen werden, also drei
Jahrzehnte nach der Wiedervereinigung.
Mit dem Gesetzentwurf fordert Brandenburgs Lan-
desregierung, die Angleichung der Rechtsvorschriften
9306 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. März 2015
(A) (C)
(D)(B)
– trotz entsprechenden Bundesverfassungsgerichtsurteils –
weiter aufzuschieben, die geltenden Kündigungsschutz-
fristen für Datschennutzerinnen und Datschennutzer
– darunter fallen aber auch Dauercampingplätze – zu
verlängern und die Frage möglicher Abbruchkosten neu
zu regeln. Die möglichen Kündigungsfristen, auf die
sich alle seit 1994 eingestellt haben, sollen um weitere
drei Jahre verschoben werden, und den Abriss von Dat-
schen sollen laut Vorstellung der Linken und der SPD in
Brandenburg künftig nur noch die Grundstückseigentü-
mer und nicht mehr die Datschennutzerinnen und -nutzer
zahlen.
Das Anliegen mag ein hehres sein. Aber ein Auf-
schieben hilft da nicht, vor allem, wenn es, wie im Vor-
schlag der brandenburgischen Landesregierung, noch
zusätzliche Rechtsfragen aufwirft und mögliche Kosten
einseitig auf die öffentliche Hand überträgt. Der Gesetz-
entwurf, wie Sie ihn formuliert haben, würde einen un-
terschiedlichen Rechtszustand im Miet-, Pacht- und Nut-
zungsrecht auch 25 Jahre nach der Wiedervereinigung in
Deutschland festschreiben und durch seine unbestimm-
ten Begriffe vor allem die Gerichte beschäftigen, anstatt
für Rechtssicherheit zu sorgen.
Was aber durchaus sinnvoll ist – da teilen wir Ihr An-
liegen –, ist, sich noch einmal Klarheit darüber zu ver-
schaffen, ob mit den 1994 beschlossenen gesetzlichen
Regelungen und dem im Herbst beginnenden Übergang
ins BGB im Einzelfall Härtefälle auftreten bzw. auftre-
ten können. In diesem Sinne waren wir erfreut über die
erste Reaktion der Bundesregierung, in der sie die Sensi-
bilität des Themas unterstreicht und ankündigt, zu prü-
fen, inwieweit dem Begehren Rechnung zu tragen ist.
Wir bedauern, dass es dazu nicht gekommen ist.
Zu einer echten Analyse gehört es – und das fehlt in
dem heute zur Abstimmung stehenden Gesetzentwurf
leider vollkommen –, festzustellen, welche Grundstücke
tatsächlich für eine andere Nutzung durch den Eigentü-
mer vorgesehen wären bzw. wo Datschengrundstücke
nicht weiter als Erholungsort genutzt werden können,
wie hoch die Abrisskosten und die Entsorgung – auch al-
ter Baustoffe wie Asbest – tatsächlich wären, wie man
Kommunen und Nutzerinnen und Nutzer, gegebenen-
falls seitens des Bundes, unterstützen könnte.
Doch diese in den letzten 25 Jahren sehr unterschied-
lichen Entwicklungen der Nutzung der Grundstücke und
die sehr unterschiedlichen Interessen der Nutzerinnen
und Nutzer sowie der Grundstückseigentümer ignoriert
der Gesetzesvorschlag. So können wir bei den Datschen-
nutzerinnen und -nutzern von heute eben nicht davon
ausgehen, dass alle Nutzungsverträge zu DDR-Zeiten
geschlossen wurden und noch immer dieselben Men-
schen ihre Datschen nutzen. Ein Vierteljahrhundert nach
dem Fall der Mauer finde ich es schwierig, wenn trotz
vielfachen Nutzerwechsels die neuen Nutzer noch in den
Genuss von Sondernutzungstatbeständen kommen wür-
den. Zudem gibt es sehr wohl auch Nutzerinnen und
Nutzer – darauf wurde in der ersten Lesung schon hinge-
wiesen –, die selbst ein Interesse daran haben, dass die
Nutzung jetzt endet, damit sie keine Abrisskosten tragen,
anders, als wenn sie selbst kündigen.
Darüber hinaus wäre es auch falsch, durch den Vor-
schlag die Ungerechtigkeit, auf die in der ersten Lesung
bereits Kollege Stefan Zierke hingewiesen hat, die auf
etlichen ostdeutschen Campingplätzen für Dauercamper
herrscht, weiter fortzuschreiben: die Ungerechtigkeit,
dass junge Familien, die in den vergangenen Jahren ei-
nen Campingplatz gepachtet haben, das Vielfache von
dem zahlen müssen, was mittlerweile Rentnerpaare zah-
len, die ihren Campingplatz vor 25 Jahren gepachtet ha-
ben. Die Jungen subventionieren heute also auch die
Campingplätze der älteren Camper. Gerecht ist das nicht.
Der brandenburgische Gesetzentwurf lässt aber nicht
nur mit Blick auf die Nutzerinnen und Nutzer zu viele
Fragen offen bzw. führt zu Unsicherheit, sondern auch
mit Blick auf die Grundstückseigentümer, die gemäß
dem Vorschlag auch in Zukunft alle Abrisskosten tragen
sollen.
Grundstückseigentümer sind zumeist die ostdeut-
schen Kommunen, und ich glaube, das gesamte Haus
stimmt mir zu, wenn ich die finanzielle Situation ost-
deutscher Kommunen als nicht gerade rosig bezeichne.
Schätzungen gehen zumindest für Kommunen in Bran-
denburg davon aus, dass die Abbruchkosten durch-
schnittlich bei 10 000 Euro pro Datsche liegen würden.
Wie die summierten Kosten von den Kommunen getra-
gen werden sollen, auch darauf konnte der Brandenbur-
ger Finanzminister, der den Vorschlag in erster Lesung ja
hier einbrachte, nicht antworten.
Wahrscheinlich ist dies auch dem geschuldet, dass der
Gesetzesvorschlag pünktlich zur Landtagswahl 2014 aus
der Kiste gezaubert wurde. Eine solch unausgegorene
Wahlkampfinitiative wird aber dem Thema nicht ge-
recht, was ich sehr bedaure. Ernstzunehmende Politik
setzt sich mit allen Betroffenen auseinander. Die bran-
denburgische Landesregierung hingegen hat noch nicht
einmal den brandenburgischen Städte- und Gemeinde-
bund konsultiert oder um Stellungnahme gebeten. In an-
deren ostdeutschen Ländern ist die Situation ähnlich,
und auch hier löst der Gesetzentwurf keine Begeiste-
rungsstürme aus.
Die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen
wird sich zum vorliegenden Entwurf enthalten, da er
zwar richtigerweise noch einmal darauf hinweist, dass
wir uns die Wirkung des Inkrafttretens der entscheiden-
den Passage des Schuldrechtsanpassungsgesetzes noch
einmal genau anschauen müssen, aber – wie beschrieben –
zu viele Fragezeichen aufwirft und keine ernstzuneh-
menden Lösungen anbietet. Statt Rechtssicherheit würde
er mehr Unsicherheit schaffen.
Mit unserer Enthaltung wollen wir aber zugleich
deutlich machen, dass, meine Damen und Herren der Re-
gierungsfraktion, wir trotz Ihrer Ablehnung des Gesetz-
entwurfes heute keinen Haken hinter das Thema machen
dürfen. Legen Sie nicht die Hände in den Schoß, sondern
lassen Sie uns gemeinsam evaluieren, welche Wirkung
das Inkrafttreten auch in Einzelfällen entfalten kann.
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. März 2015 9307
(A) (C)
(D)(B)
Anlage 8
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur
Bekämpfung der Korruption (Tagesordnungs-
punkt 18)
Reinhard Grindel (CDU/CSU): Mit dem Gesetz-
entwurf zur Bekämpfung der Korruption setzen wir eine
Reihe von europäischen Übereinkommen und Rahmen-
beschlüssen in das deutsche Strafrecht um.
Grundsätzlich ist es richtig, dass wir auch mit dem
deutschen Strafrecht unseren Beitrag dazu leisten, dass
das Vertrauen der Bürger in die Lauterkeit der Entschei-
dungen europäischer Behörden gestärkt wird. Bei der
Umsetzung müssen wir allerdings darauf achten, dass
wir uns im Rahmen der deutschen Strafrechtssystematik
bewegen. Deshalb will ich mich in meinem Redebeitrag
ausschließlich auf die geplante Änderung des § 299
StGB konzentrieren.
Das zu schützende Rechtsgut dieses Paragrafen ist die
Wahrung der Integrität des wirtschaftlichen Wett-
bewerbs. Ein Angestellter eines Betriebes, der über den
Bezug von Waren oder Dienstleistungen zu entscheiden
hat, soll einen Anbieter nicht in unlauterer Weise bevor-
zugen, weil er dafür einen Vorteil erhalten hat.
Dies soll jetzt neben dem in- auch auf den ausländi-
schen Wettbewerb ausgeweitet werden. Das ist richtig
und völlig problemlos.
Aber es soll jetzt sowohl bei der Bestechlichkeit wie
auch der Bestechung im geschäftlichen Verkehr eine
zweite Tatbestandsalternative geben, wonach auch der
bestraft wird, der bei dem Bezug von Waren oder Dienst-
leistungen seine Pflichten gegenüber dem Unternehmen
verletzt. Dieses sogenannte Geschäftsherrenmodell oder
auch die Angestelltenbestechlichkeit ist seit jeher sehr
umstritten. 2007 ist eine Gesetzesinitiative aus dem
Justizministerium vom Bundestag zwei Jahre lang nicht
abschließend behandelt worden und dann der Diskonti-
nuität anheimgefallen. Im Wirtschaftsausschuss des
Bundesrates wurde der Gesetzentwurf damals sogar ab-
gelehnt. Die rechtlichen Bedenken, die damals gegen
den Gesetzentwurf sprachen, werden auch heute in allen
Stellungnahmen, die uns bisher erreicht haben, weiter
vorgetragen. Wir müssen das ernst nehmen und bei der
jetzt anstehenden Anhörung intensiv untersuchen.
Der Schutz der Vermögensinteressen eines Unterneh-
mens wird als Rechtsgut durch den Untreuetatbestand
des § 266 StGB geschützt. Mit der jetzt vorgeschlagenen
Formulierung ergeben sich damit erhebliche Abgren-
zungsprobleme.
Es kommt ein verfassungsrechtliches Problem hinzu,
das sich im Grunde für unser gesamtes heute gültiges
Korruptionsstrafrecht stellt: Nicht zuletzt durch die
Rechtsprechung hat sich eine derartige Überdehnung
verschiedener Tatbestandsmerkmale ergeben. Erwähnt
sei hier nur der Vorteilsbegriff, dass man mit Fug und
Recht die Frage aufwerfen kann, ob dies mit dem Be-
stimmtheitsgrundsatz nach Artikel 103 unseres Grund-
gesetzes noch vereinbar ist.
Mit besonderer Schärfe stellt sich jedenfalls bei die-
sem Gesetzentwurf das Problem, dass der Pflichtenkreis
des neuen § 299 StGB nicht vom Gesetzgeber, sondern
vom Arbeitgeber definiert wird. Die Pflichten – so steht
es ausdrücklich in der Begründung des Gesetzentwurfs –
ergeben sich aus Gesetz und Vertrag. Insoweit hat die
Deutungshoheit, was zu den Pflichten des Angestellten
gehört, der Arbeitgeber. Dies ist bedenklich, insbeson-
dere wenn man heute, gerade bei Großunternehmen, die
Flut von Compliance-Vorschriften betrachtet, die für den
Arbeitnehmer kaum noch überschaubar ist. Die Verunsi-
cherung in weiten Teilen der Wirtschaft, was noch zur
zulässigen Kundenpflege gehört und wo die Korruption
anfängt, wächst doch zunehmend. Hier brauchen wir
mehr Klarheit und nicht noch mehr Unsicherheit.
In der Gesetzesbegründung ist davon die Rede, dass
es auch bei der zweiten Alternative des § 299 auf eine
Unrechtsvereinbarung ankommt. Das ist schwer nach-
vollziehbar und wird vom Gesetzeswortlaut nicht ge-
deckt; denn das Tatbestandsmerkmal der Bevorzugung
in unlauterer Weise findet sich in der zweiten Alternative
gerade nicht. Es kommt auch nicht auf eine Wett-
bewerbssituation an. Es bleibt also als Rechtsgut die
Vermögensbetreuungspflicht des Mitarbeiters eines
Unternehmens. Der § 299 StGB ist aber kein Auffangtat-
bestand der Untreue.
Nun heißt es in der Gesetzesbegründung, der Gesetz-
geber sei gezwungen, den § 299 so umzugestalten, weil
wir den europäischen Vorgaben Folge leisten müssten.
Die Bundesrechtsanwaltskammer hat dem mit beachtli-
chen Argumenten in ihrer Stellungnahme widerspro-
chen. Wir werden das in der öffentlichen Anhörung mit
den Sachverständigen erörtern. Denn es kommt natürlich
einer Entparlamentarisierung der Gesetzgebungsarbeit
gleich, wenn angesichts der Vorgeschichte von 2007 und
des Umstands, dass damals durch die Bundesregierung
auch Vorbehaltserklärungen gegen einzelne europäische
Rechtsakte eingelegt wurden, es jetzt plötzlich heißt,
diese Vorbehalte seien durch Fristablauf aufgehoben,
ohne über eine Verlängerung nachzudenken. Der Gesetz-
geber würde hier von der Exekutive überspielt. Das
muss einmal geklärt werden.
Erschwerend kommt hinzu, dass andererseits von eu-
roparechtlichen Möglichkeiten nicht Gebrauch gemacht
worden ist, die aber im Sinne eines lebensnahen
Umgangs mit dem § 299 durchaus hätten in Erwägung
gezogen werden können. Die entsprechenden Rahmen-
beschlüsse ließen nämlich zu, dass der Gesetzgeber die
Strafbarkeit auf das Versprechen oder die Annahme
eines „unbilligen“ Vorteils beschränkt und damit Platz
lässt für den Gedanken der Sozialadäquanz. Hier müssen
wir in den Gesetzesberatungen miteinander darüber
nachdenken, ob dies nicht ohnehin als Ergänzung des
§ 299 sinnvoll wäre.
Was wir wollen, ist eine Stärkung des Vertrauens der
Bürger in die Integrität der Entscheidungen europäischer
Amtsträger. Was wir wollen, ist eine Stärkung aller
Marktteilnehmer in die Integrität des wirtschaftlichen
9308 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. März 2015
(A) (C)
(D)(B)
Wettbewerbs. Was wir nicht wollen, ist eine weitere
Verunsicherung unserer Wirtschaft und insbesondere der
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die Entscheidun-
gen für ihre Unternehmen treffen sollen, ohne Angst zu
haben, mit dem Gesetz in Konflikt zu kommen, wenn sie
sich bei Kundengesprächen einmal eine Tasse Kaffee
ausgeben lassen.
Ich freue mich auf unsere Ausschussberatungen.
Alexander Hoffmann (CDU/CSU): Mit dem Gesetz
zur Bekämpfung der Korruption nehmen wir nicht nur
unsere nationale, sondern auch unsere internationale
Verantwortung zur Verbrechensbekämpfung wahr.
Korruption ist heute eben nicht mehr territorial be-
schränkt; in Zeiten der Globalisierung ist sie eine grenz-
überschreitende Herausforderung. Wichtig ist hier vor
allem die Erkenntnis, dass die Errungenschaft des Bin-
nenmarktes – und damit auch der große Erfolg der deut-
schen Exportwirtschaft – durch korruptes Verhalten nach-
haltig beschädigt werden kann. Handel, Export, Handels-
und Staatengemeinschaften leben auch und gerade vom
fairen Umgang miteinander. Fairness und Chancen-
gleichheit sind Stabilitätsfaktoren der Weltwirtschaft.
Selbstverständlich setzen wir mit dem vorliegenden
Entwurf auch internationale Übereinkommen und euro-
päische Richtlinien um. Dennoch lege ich Wert auf die
Feststellung, dass es sich diese Bundesregierung selbst-
ständig zur Aufgabe gemacht hat, Korruption in all ihren
Facetten effektiv zu bekämpfen. Obwohl unser Straf-
recht hier bereits an vielen Stellen den internationalen
Vorgaben entspricht, sind noch einige Ergänzungen er-
forderlich.
Ich will diese nur kurz zusammenfassen:
In Ausdehnung des Geltungsbereichs des deutschen
Strafrechts müssen auch Auslandstaten der Vorteilsge-
währung an Amtsträgern strafrechtlich erfasst sein. Dies
ist eben dem Umstand geschuldet, dass Korruption in
einer globalisierten Welt nicht vor Staatsgrenzen halt-
macht, zumal einheitliche Binnenmärkte grenzübergrei-
fendes Handeln nahezu alltäglich werden lassen.
Der Vortatenkatalog des Geldwäschetatbestands muss
um die Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftli-
chen Verkehr sowie um die Bestechung und Bestechlich-
keit von ausländischen und internationalen Amtsträgern
erweitert werden.
Im Rahmen des § 299 StGB muss die Norm in Zu-
kunft bei der Unrechtsvereinbarung auf eine Pflichtver-
letzung gegenüber dem Geschäftsherrn abstellen.
Als weiterer Aspekt ist die Strafbarkeit der Bestech-
lichkeit und Bestechung von ausländischen und interna-
tionalen Beamten und sonstigen Bediensteten, Richtern
und Soldaten umfassend zu regeln.
Zudem ist der Täterkreis bei der Vorteilsgewährung
und der Vorteilsnahme auf europäische Amtsträger zu
erweitern.
Grenzüberschreitendes Wirtschaftshandeln muss letzt-
lich überall in Europa an dieselben Maßstäbe gebunden
sein.
Insgesamt trägt der Gesetzentwurf der Zielrichtung
Rechnung, dass die bisher im Nebenstrafrecht formulier-
ten Regelungen zur Bestechung in das StGB zu übertra-
gen sind.
Ich persönlich finde vor allem diesen Schritt unver-
zichtbar. Der Rechtsstaat hat auch immer die Aufgabe,
gerade im Strafrecht zu formulieren, was er in seiner Ge-
sellschaftsordnung missbilligt. Gerade die Verortung im
StGB signalisiert das noch einmal deutlicher als das Ne-
benstrafrecht, zumal eine Bündelung der Vorschriften
immer der Übersichtlichkeit und damit der Rechtsklar-
heit dient.
Dennoch: Trotz der Richtigkeit der Zielrichtung soll-
ten wir gerade unter rechtspolitischen Gesichtspunkten
den vorliegenden Entwurf im weiteren Verfahren auf-
merksam und differenziert begleiten. Mir geht es vor al-
lem um folgende Erwägung:
Unser deutsches Strafrecht orientiert und gliedert sich
immer nach den Schutzgütern, die es zu schützen gilt.
Beim vorliegenden Entwurf stehen insoweit zunächst
einmal die Integrität des geschäftlichen Verkehrs, die
Vermögensinteressen der Unternehmen und auch Ver-
trauensschutzgesichtspunkte innerhalb eines Unterneh-
mens oder einer Behörde im Raum. Trotz der Vielschich-
tigkeit der Sachlagen und der Komplexität des Themas
sollten wir diese Schutzgüter aber nicht miteinander ver-
mischen.
Dies bedeutet im Einzelnen, dass eine Untreuehand-
lung bei den Vermögensdelikten angesiedelt bleiben
muss und damit zum Beispiel eine bewusst zu hoch ver-
einbarte und ausgezahlte Vergütung nicht unter die Straf-
taten gegen den Wettbewerb gefasst werden kann. Der
Schwerpunkt im Unrechtsgehalt liegt hier deutlich ge-
wichtiger im Vermögensschaden als in der Manipulation
des fairen Wettbewerbs.
Abschließend sollten wir uns zudem immer darüber
im Klaren sein, dass es auch im Wettbewerb und im Ge-
schäftsverkehr das Strafrecht nur als Ultima Ratio geben
darf. Dies bedeutet aber in der Konsequenz, dass weiter-
hin in Betrieben, Unternehmen und Behörden Com-
pliance-Strukturen eingeführt, nachhaltig entwickelt und
gepflegt werden müssen.
Dirk Wiese (SPD): Die unfassbar hohe Summe von
250 Milliarden Euro ist der Schaden, den Korruption in
Deutschland im Jahr 2012 verursacht hat. Diese erschre-
ckende Zahl hat ein renommierter Forscher und Profes-
sor für Wirtschaftswissenschaften der Johannes-Kepler-
Universität im österreichischen Linz berechnet.
Das zeigt, Deutschland ist alles andere als ein Land,
das frei von Korruption ist. Auch der Corruption Percep-
tions Index 2014 von Transparency International unter-
mauert das, Deutschland liegt dort nach wie vor „nur“
auf Platz 12 hinter dem Spitzenreiter Dänemark als Staat
mit der niedrigsten Korruptionsrate, sowie hinter Neu-
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. März 2015 9309
(A) (C)
(D)(B)
seeland, Finnland und Schweden, Norwegen, der
Schweiz, Singapur, den Niederlanden, Luxemburg, Ka-
nada und Australien.
Mit diesem Ergebnis dürfen wir uns nicht zufrieden
geben. Was für die Wirtschaft bei den Exportzahlen und
im Fußball gilt, muss auch bei der Korruptionsbekämp-
fung gelten: Deutschland muss Weltmeister sein!
Allerdings macht Korruption vor staatlichen Grenzen
heute nicht mehr halt. In einer weltweit verflochtenen
Wirtschaft mit einer engen Zusammenarbeit vieler Staa-
ten auf dem Weltmarkt sind Korruptionstaten auch und
gerade über Grenzen hinweg leider immer noch an der
Tagesordnung. Korruption gefährdet den freien und fai-
ren internationalen Wettbewerb und das Vertrauen in die
staatlichen und internationalen Organisationen. Deshalb
ist die effektive Bekämpfung grenzüberschreitender
Korruption für uns von höchster Priorität. Die rot-
schwarze Bundesregierung unterstützt deshalb die
Schaffung internationaler Rechtsinstrumente, um der
Korruption entschieden entgegenzutreten. Denn nur so,
also indem wir Korruption im Keim ersticken und als
Staatengemeinschaft hier zusammen und koordiniert
vorgehen, können wir möglichst faire Wettbewerbsbe-
dingungen für alle Unternehmen auf dem Weltmarkt
schaffen.
Der heute hier vorliegende Gesetzentwurf verfolgt
genau dieses Ziel, denn er setzt verschiedene interna-
tionale Abkommen zur Korruptionsbekämpfung in na-
tionales Recht um. Zu nennen sind hier das Europarat-
Übereinkommen, das Europarat-Protokoll, der EU-Rah-
menbeschluss, die EU-Richtlinie Angriffe auf Informa-
tionssysteme sowie die EU-Richtlinie Umweltstraf-
recht. Weitestgehend entspricht das deutsche Strafrecht
schon den Vorgaben dieser Abkommen, es sind nur noch
wenige Änderungen erforderlich. Lassen Sie mich Ihnen
kurz die drei wichtigsten Änderungen zusammenfassen.
Erstens. Gemäß Artikel 17 des Europarat-Überein-
kommens muss der Geltungsbereich des deutschen
Strafrechts, § 5 StGB, ausgedehnt werden und auch Aus-
landstaten der Vorteilsgewährung an Amtsträger erfasst
werden. Außerdem müssen die Vertragsparteien ihre Ge-
richtsbarkeit für Bestechungstaten begründen, wenn der
Täter „Mitglied einer innerstaatlichen öffentlich-rechtli-
chen Vertretungskörperschaft“ ist.
Zweitens. Die Einbeziehung der Bestechlichkeit und
Bestechung im geschäftlichen Verkehr, § 299 StGB, so-
wie der Bestechlichkeit und Bestechung von ausländi-
schen und internationalen Amtsträgern, § 335 a StGB, in
den Vortatenkatalog des Geldwäschetatbestandes, § 261
StGB, ist in Umsetzung von Artikel 13 des Europarat-
Übereinkommens erforderlich. Eine Änderung des § 299
StGB ist vor allem auch deshalb erforderlich, weil Arti-
kel 7 und 8 des Europarat-Übereinkommens und des
EU-Rahmenbeschlusses bei der Unrechtsvereinbarung
auf eine Pflichtverletzung gegenüber dem Geschäfts-
herrn abstellen. Im deutschen Recht ist dies nicht der
Fall, hier ist maßgeblich, ob eine unlautere Bevorzugung
im Wettbewerb vorliegt.
Drittens. Artikel 5, 9 und 11 des Europarat-Überein-
kommens fordern in umfassenderer Weise als bisher die
Unterstrafestellung der Bestechlichkeit und Bestechung
von ausländischen und internationalen Beamten und
sonstigen Bediensteten, Richtern und Soldaten. Außer-
dem sollen europäische Amtsträger über die bestehenden
Vorgaben hinausgehend auch in die Straftatbestände der
Vorteilsannahme und Vorteilsgewährung, §§ 331, 333
StGB, einbezogen werden.
Sie sehen, die Bundesregierung hat hier einen sehr
guten Gesetzentwurf vorgelegt, der den Umsetzungsan-
forderungen der verschiedenen internationalen Abkom-
men voll und ganz entspricht.
Gleichwohl ist mir bewusst, dass gerade in der Litera-
tur die Neufassung des § 299 StGB breit diskutiert wird.
Ich verfolge die Diskussion mit Spannung und freue
mich deshalb besonders auf die Expertenanhörung und
die Beratungen im Ausschuss.
Ich bin mir jedenfalls sicher, dass wir am Ende der
Beratungen mit dem vorliegenden Gesetzentwurf dazu
beitragen werden, dass Deutschland von Platz zwölf des
Korruptionsindex dorthin befördert wird, wo es hinge-
hört: An die Spitze der Liste, als eines der Länder mit
der niedrigsten Korruption weltweit!
Frank Tempel (DIE LINKE): Endlich hat die
Bundesregierung den lange überfälligen Entwurf des
Gesetzes zur Bekämpfung der Korruption eingebracht.
Er entspricht nahezu dem bereits in der 16. Wahlperiode
von der damaligen Großen Koalition vorgelegten Ge-
setzentwurf. Einer der Hauptgründe für das Scheitern
des ursprünglichen Gesetzentwurfs war es, dass die jetzt
enthaltenen Ausweitungen im Bereich der Wirtschaft im
Jahre 2007 mit der Reform der Abgeordnetenbestechung
verknüpft waren. Bekanntlich konnten sich die letzte
Große Koalition, aber auch Schwarz-Gelb nicht auf eine
Verschärfung der Regelungen zur Abgeordnetenbeste-
chung einigen, sodass damals das gesamte Vorhaben
gescheitert ist. Die lange Nichtregelung der Abgeordne-
tenbestechung hat die Bundesrepublik einiges an Re-
nommee gekostet, stand man doch auf einer Stufe mit
Staaten wie Nordkorea, Sudan und Syrien.
Positiv zu bewerten ist, dass in dem Entwurf Regelun-
gen des EU-Bestechungsgesetzes und des Gesetzes zur
Bekämpfung internationaler Bestechung vom Neben-
strafrecht in das Strafgesetzbuch übertragen werden.
Begrüßt wird auch die Bestrebung der umfassenden und
lückenlosen Unterstrafestellung von Korruption im öf-
fentlichen und privaten Sektor durch Änderungen der
entsprechenden Strafvorschriften.
Nicht nachvollziehbar ist aus linker Sicht aber vor al-
lem das Fehlen von gesetzlichen Regelungen zum
Whistleblowerschutz. Damit wird hier eine wesentliche
Vorgabe aus dem Strafrechtsübereinkommen des Euro-
parates über Korruption nicht umgesetzt, nämlich der
Schutz von Whistleblowern, Artikel 22, 33 des Überein-
kommens. Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber sind
unbedingt vor Strafverfolgung zu schützen. Ebenso be-
9310 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. März 2015
(A) (C)
(D)(B)
darf es eines wirksamen Schutzes im Medienrecht und
vor Entlassungen im Bereich des Arbeits- und Beamten-
rechts. Da bei Korruptionsdelikten vor allem die
Aufdeckung und der Nachweis schwierig sind, ist der
Whistleblowerschutz die effektivste Form der Korrup-
tionsbekämpfung. Der DGB weist in seiner Stellung-
nahme zu dem Gesetzentwurf zu Recht darauf hin, dass
„ein Großteil der wirtschaftskriminellen Taten, welche
in der Regel eng mit Bestechung im privaten wie im öf-
fentlichen Sektor zusammenhängen, … dank Hinweisen
von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der beteiligten
Unternehmen aufgedeckt“ werden. Ausgerechnet hier
schweigt der Entwurf aber. Im Änderungsantrag von
Bündnis 90/Die Grünen – 18(6)93 – wird eine Regelung
zum Whistleblowerschutz vorgeschlagen, der wir aus-
drücklich zustimmen.
Zudem enthält der Gesetzentwurf keine Regelungen,
um Korruption „in den eigenen Reihen“ zu verhindern.
Weder ein dringend notwendiges verpflichtendes Lobby-
register noch die Einführung einer effektiven gesetzli-
chen Karenzzeit für ausgeschiedene Regierungsmitglie-
der sind vorgesehen. Zudem fordert die Linke schon
lange Änderungen im Parteiengesetz, die Begrenzung
von Spenden und Sponsoring durch juristische Personen
wie Unternehmen und Wirtschaftsverbände an Parteien
sowie eine Grenze der Spendenhöhe für natürliche
Personen auf 25 000 Euro regeln. Das würde verhindern,
dass sich in der Politik die finanzleistungsstarken Gesell-
schaftsakteure und Einzelpersonen mit ihren politischen
und wirtschaftlichen Interessen durchsetzen und damit
den verfassungsrechtlichen Grundsatz der demokrati-
schen Egalität gefährden. Notwendig dazu ist außerdem
die Offenlegung der Nebenverdienste von Abgeordneten
nach Heller und Cent statt des weiterhin geltenden Stu-
fenmodells.
Bedauerlich ist ebenfalls, dass der Gesetzentwurf
trotz der Einführung neuer Tatbestände keine Evaluie-
rung vorsieht, obwohl nur anhand einer solchen eine
Effizienzkontrolle nach mehrjähriger Praxis stattfinden
kann. In der Begründung des Gesetzentwurfs wird
zudem die dringend erforderliche Reform der Sanktions-
vorschriften für juristische Personen nach §§ 30, 130 des
Ordnungswidrigkeitengesetzes abgelehnt, obwohl Un-
ternehmen viel zu selten für ihre Pflichtverletzungen mit
weitreichenden Folgen für Mensch und Umwelt im In-
und Ausland zur Rechenschaft gezogen werden. Die
Linke erkennt ein Missverhältnis zwischen durch Unter-
nehmen verursachten Schäden und den verhängten
Sanktionen. Es muss sichergestellt werden, dass Unter-
nehmen, aus denen heraus Straftaten begangen werden,
gleichgültig auf welcher Arbeitsebene, zur Verantwor-
tung gezogen werden. Außerdem sollten die Sanktions-
möglichkeiten ausgeweitet werden: Die bisherige
Höchstsumme von 1 Million Euro ist in Anbetracht der
Gewinne einiger Unternehmen zu niedrig; die Geldstrafe
sollte sich am Umsatz des in kriminelle Machenschaften
verwickelten Unternehmens orientieren. Weitere Sank-
tionsmöglichkeiten wie der Ausschluss von Steuervor-
teilen und Subventionen, Tätigkeitsverbote bis hin zur
Betriebsschließung sowie die Veröffentlichung entspre-
chender Gerichtsentscheidungen sollten zusätzlich ein-
geführt werden.
Die Linke hat schon mehrfach an dieser Stelle die
leider gängige Praxis von Omnibus- bzw. Huckepack-
gesetzgebung kritisiert. Ohne Not werden inhaltsfremde
Passagen in einer Gesetzesänderung untergebracht.
Warum im Korruptionsgesetz eine Verschärfung des so-
genannten Hackerparagrafen – § 202 c StGB – einflie-
ßen muss, erschließt sich in keiner Weise. Die EU-Richt-
linie 2013/40/EU Artikel 9 Absatz 2 sieht ein Strafmaß
von mindestens zwei Jahren vor, wenn kein leichter Fall
vorliegt. Im bisherigen Strafrecht war die Mindeststrafe
ein Jahr vorgesehen. Nach unserer Auffassung sind
Strafverschärfungen aber kein abschreckendes Mittel.
Allein Maßnahmen zu Erhöhung der Entdeckungswahr-
scheinlichkeit haben präventive Wirkungen.
Zusammenfassend kann man sagen: zu spät, viel zu
lückenhaft und ein unnötiger „Passagier“ im „Omnibus“.
Ein großer Wurf ist das nicht.
Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Heute beraten wir in erster Lesung einen Gesetzentwurf
der Bundesregierung zur Korruptionsbekämpfung.
Für uns Grüne ist klar: Auch in der internationalen
Zusammenarbeit muss die Korruptionsbekämpfung ver-
stärkt werden. Es muss aber noch diskutiert werden, ob
nicht die rechtsstaatliche Beschränkung des Strafrechts
als schärfstes Schwert, quasi als Ultima Ratio, mit dem
Gesetzentwurf zur Bekämpfung der Korruption über-
schritten wird.
Die Strafbarkeit von Bestechlichkeit und Bestechung
im privaten Sektor wird über den Schaden der Wettbe-
werbsverzerrung hinaus bis auf jeglichen Pflichtenver-
stoß gegenüber dem Arbeitgeber ausgedehnt, unabhän-
gig von materiellen Folgen.
Ebenso muss die Strafbarkeit von Privaten im Aus-
land diskutiert werden. Würde eine Strafabsehensklausel
bei geringem Unrecht Situationen nicht besser gerecht,
wenn beispielsweise Touristen sich in einer nicht ge-
rechtfertigten Drucksituation von Polizisten in Willkür-
und Unrechtsstaaten durch Zahlung eines Geldbetrages
entziehen?
Es gibt viele andere notwendige Maßnahmen gegen
Korruption, die die schwarz-rote Koalition aber nicht an-
geht.
Die Bundesregierung sollte deshalb endlich ein bun-
desweites Korruptionsregister schaffen, um Unterneh-
men, die Korruption bei der Vergabe öffentlicher Auf-
träge begangen haben, künftig ausschließen zu können.
Außerdem fordern wir einen besseren Whistleblower-
schutz.
Und nun noch zum Hackerparagrafen, den Sie im Ge-
setzentwurf versteckt haben: Gerade hat die Große Ko-
alition unter Federführung des Bundesministeriums des
Innern ihren Gesetzentwurf für ein IT-Sicherheitsgesetz
und ihr Paket zur angeblichen Reform des Verfassungs-
schutzes vorgelegt. Durch die Placeboreform der Bun-
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. März 2015 9311
(A) (C)
(D)(B)
desregierung werden die Befugnisse der Sicherheitsbe-
hörden nach dem NSU- und NSA-Skandal noch einmal
massiv ausgeweitet und die Massenüberwachung unse-
rer Kommunikation weiter legalisiert, beispielsweise
durch entsprechende neue Regelungen im G-10-Gesetz.
In dem von Ihnen gerade vorgelegten, in vielerlei
Hinsicht viel zu kurz springenden Entwurf eines IT-Si-
cherheitsgesetzes wird dem Bundeskriminalamt, BKA,
unter anderem auch die Zuständigkeit zur Strafverfol-
gung bezüglich des umstrittenen Hackerparagrafen,
§ 202 c StGB, übertragen. Nun legt die Bundesregie-
rung, nur wenige Tage später, noch einmal nach, indem
sie das Strafmaß für Vergehen gegen § 202 c StGB, gut
versteckt in der heutigen Vorlage, von einem auf zwei
Jahre heraufsetzt. Auch das geht in die völlig falsche
Richtung, da so beispielsweise auch die Überprüfung
von Programmen auf ihre Integrität durch Fachleute wie
die des Chaos Computer Clubs massiv erschwert wird.
Als Grüne sehen wir den Hackerparagrafen nach wie
vor sehr kritisch. Statt ihn endlich auf seine tatsächliche
Sinnhaftigkeit und möglicherweise höchst kontrapro-
duktive Effekte zu überprüfen, verschärfen Sie ihn nun,
achselzuckend auf die EU-Richtlinie verweisend, weiter.
Die Richtlinie, die im Übrigen nicht vom Himmel gefal-
len ist, sieht aber eine bewusste Unterscheidung zwi-
schen leichten und nichtleichten Fällen vor. Eine solche
Unterscheidung nehmen Sie jedoch bewusst nicht vor.
Wenn sie den Hackerparagrafen schon nicht in Gänze in-
frage stellen, so setzen Sie wenigstens die EU-Richtlinie
richtig um.
Christian Lange, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
minister der Justiz und für Verbraucherschutz: Der Re-
gierungsentwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung der
Korruption ist ein wichtiger weiterer Schritt bei der
strafrechtlichen Bekämpfung von Korruption auf natio-
naler wie auf internationaler Ebene. Gleich mehrere in-
ternationale Vorgaben werden durch diesen Gesetzent-
wurf umgesetzt.
Zum einen sieht der Entwurf eine Ausweitung der
Strafbarkeit der Bestechlichkeit und Bestechung im ge-
schäftlichen Verkehr, § 299 StGB, vor, die nach dem
EU-Rahmenbeschluss zur Bekämpfung der Bestechung
im privaten Sektor von 2003 erforderlich ist.
Zum anderen wird zur Umsetzung des Strafrechts-
übereinkommens des Europarats über Korruption die
Strafbarkeit wegen Bestechlichkeit und Bestechung auf
ausländische, europäische und internationale Amtsträger
erweitert. Damit wird Deutschland das Europarat-Über-
einkommen, das es schon 1997 unterzeichnet hat, auch
ratifizieren können, so wie dies außer uns mittlerweile
alle EU-Mitgliedstaaten und fast alle Mitgliedstaaten des
Europarats getan haben. Wir beenden damit den Still-
stand, der in der letzten Legislaturperiode im Korrupti-
onsstrafrecht herrschte.
Kernstück des Entwurfs ist die Erweiterung des
Straftatbestands der Bestechlichkeit und Bestechung im
geschäftlichen Verkehr. Bei der Bestechung im geschäft-
lichen Verkehr wird nicht ein Amtsträger bestochen,
sondern ein Angestellter oder Beauftragter eines Unter-
nehmens. Diese Form von Korruption schadet dem Wett-
bewerb und der Wirtschaft und geht am Ende zulasten
der Verbraucher. Strafbar ist Korruption im geschäftli-
chen Verkehr derzeit nur, wenn mit der Bestechung eine
unlautere Bevorzugung im Wettbewerb erkauft werden
soll, also beispielsweise wenn der Einkäufer eines Un-
ternehmens von einem Zulieferer ein Bestechungsgeld
erhält und im Gegenzug dafür diesem Zulieferer und
nicht einem günstigeren Konkurrenten den Zuschlag er-
teilt. Fehlt es an einer Wettbewerbsverzerrung, scheidet
eine Korruptionsstrafbarkeit derzeit aus. Nach den
Vorgaben des EU-Rahmenbeschlusses müssen aber auch
die Fälle strafbar sein, in denen es nicht zu einer Wett-
bewerbsverzerrung, sondern zu einer Verletzung der
Pflichten gegenüber dem Geschäftsherrn kommt. Das ist
etwa der Fall, wenn ein Lieferant den Warenprüfer des
Unternehmens besticht, damit der bei der Qualitätsprü-
fung der angelieferten Waren ein Auge zudrückt. Auch
das soll zukünftig als Bestechlichkeit und Bestechung im
geschäftlichen Verkehr nach § 299 StGB strafbar sein.
Die Erweiterung der Strafbarkeit wird teilweise als zu
weitgehend kritisiert. Ich halte diese Kritik nicht für zu-
treffend. Denn abgesehen davon, dass wir europarecht-
lich zu einer Erweiterung der Strafbarkeit verpflichtet
sind, denke ich, dass wir mit unserer Regelung und der
Beschränkung auf Fälle des Bezugs von Waren oder
Dienstleistungen auch eine maßvolle und in der Praxis
handhabbare Lösung gefunden haben.
Die Korruptionsbekämpfung wird in dieser Legis-
laturperiode übrigens noch ein weiteres Mal auf der
Tagesordnung des Deutschen Bundestages stehen. Das
Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz
hat neben dem heute vorliegenden Gesetzentwurf noch
einen weiteren Gesetzgebungsvorschlag erarbeitet, mit
dem wir Korruption im Gesundheitswesen unter Strafe
stellen wollen. Beide Vorhaben zusammen werden Lü-
cken im geltenden Korruptionsstrafrecht schließen und
Staatsanwaltschaften und Gerichte in die Lage versetzen,
Korruption noch wirksamer zu bekämpfen. Hierfür bitte
ich Sie um Ihre Unterstützung.
Anlage 9
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ände-
rung des Aktiengesetzes (Aktienrechtsnovelle
2014) (Tagesordnungspunkt 19)
Dr. Stephan Harbarth (CDU/CSU): Heute befassen
wir uns in erster Lesung mit dem Entwurf eines Gesetzes
zur Änderung des Aktiengesetzes. Die sogenannte Ak-
tienrechtsnovelle 2014 enthält eine Vielzahl von nicht
unmittelbar zusammenhängenden Einzeländerungen des
Aktiengesetzes mit dem Ziel, das Aktienrecht in Deutsch-
land im Interesse der Aktiengesellschaften, ihrer Aktio-
näre und Mitarbeiter weiterzuentwickeln.
9312 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. März 2015
(A) (C)
(D)(B)
Eine Vielzahl von Regelungen stellen dabei – vorbe-
haltlich aller in der Ausschussarbeit zu leistenden
Prüfungen – hilfreiche Ansätze zur Fortentwicklung des
Aktienrechts dar. Exemplarisch seien genannt: die Ver-
besserung der Transparenz der Beteiligungsstrukturen
bei Aktiengesellschaften mit Inhaberaktien; die Mög-
lichkeit der vereinfachten Ausgabe stimmrechtsloser
Vorzugsaktien; Veränderungen im Recht der Wandel-
schuldverschreibungen mit dem Ziel, auch der Gesell-
schaft ein Umtauschrecht gewähren zu können.
Problematisch erscheint aus unserer Sicht die in den
Entwurf aufgenommene Regelung im Umgang mit soge-
nannten nachgeschobenen Nichtigkeitsklagen. Bei aller
Problematik derartiger Klagen erscheint weniger eine
einzelfallbezogene Veränderung des Beschlussmängel-
rechts, sondern dessen Gesamtüberprüfung angezeigt.
Aktienrechtlicher Handlungsbedarf ist darüber hinaus
auch aufgeworfen im Bereich des sogenannten Delis-
tings. Durch die veränderte Rechtsprechung des Bundes-
gerichtshofs besteht die Gefahr, dass Aktionäre börsen-
notierter Aktiengesellschaften in Fällen des Delistings
weitgehend schutzlos gestellt werden. Ob und inwieweit
hier gesetzgeberischer Handlungsbedarf besteht, wird im
weiteren parlamentarischen Verfahren zu prüfen sein. –
Wir freuen uns auf gute Beratungen.
Dr. Volker Ullrich (CDU/CSU): Nachdem die Ak-
tienrechtsnovelle 2012 zwei Tage vor der Bundestags-
wahl im Bundesrat gescheitert war, beschäftigen wir uns
heute erneut mit dem Thema, da das geltende Aktien-
recht nach wie vor einer Weiterentwicklung bedarf.
Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf der Bundesre-
gierung zur Aktienrechtsnovelle 2014 ist eine Zusam-
menstellung nicht thematisch verbundener, vorrangig
technischer Änderungen im Aktienrecht vorgesehen.
Ziel ist es, die Wirtschaft und den Verbraucherschutz
insgesamt zu stärken. Durch die Einführung von mehr
Transparenz und Beseitigungen von Rechtsunsicherhei-
ten und Hemmnissen soll dies erreicht werden.
Nachfolgend möchte ich auf einige der im Maßnah-
menbündel vorgeschlagenen Korrekturen bzw. Klarstel-
lungen näher eingehen:
Erstens. So sieht der Gesetzentwurf die Einführung
eines Nachweisstichtages, Record Date, für Namensak-
tien am 21. Tag vor der Hauptversammlung vor. Dies ist
ein Stichtag, zu dem die Aktieninhaberschaft von allen
Aktionären weltweit festgestellt wird und der für die Le-
gitimation des Aktionärs zur Hauptversammlung erfor-
derlich ist. Damit soll zum einen der unberechtigten
Sorge vor Verfügungsbeschränkungen angemeldeter Ak-
tienbestände – insbesondere von ausländischen Investo-
ren – entgegengewirkt werden und zum anderen alles zu
mehr Rechtssicherheit führen bei den mit der Abwick-
lung betrauten Verwahrbanken. Präsenzen auf den Haupt-
versammlungen werden dadurch nachhaltig gestärkt und
weiter ausgebaut.
Zweitens. Auch soll die Finanzierung von Aktienge-
sellschaften flexibler gestaltet werden. Der Begriff des
Vorzugs soll dahingehend flexibilisiert werden, dass
künftig auch die Mehrdividende erfasst wird und eine
Nachzahlung des Vorzugs nicht mehr zwingend erfolgen
muss – eine abweichende Satzungsbestimmung ist zuläs-
sig. Mit einer derartigen Ausgestaltung von Vorzugsak-
tien können Kreditinstitute die Anerkennung dieser Ak-
tien als hartes Kapital nach EU-Vorgaben erreichen.
Zudem soll die Möglichkeit eröffnet werden, bei einer
Wandelanleihe ein Umtauschrecht zugunsten der Gesell-
schaft zu vereinbaren und zu diesem Zweck bedingtes
Kapital zu schaffen. Mit beiden Änderungen wird die
Möglichkeit geschaffen, Unternehmenskrisen zu verhin-
dern oder zu bewältigen.
Drittens. Ferner sieht der Entwurf vor, die Beteili-
gungsverhältnisse bei nichtbörsennotierten Aktiengesell-
schaften transparenter zu gestalten. Diese dürfen künftig
nur dann Inhaberaktien verwenden, wenn sie diese in
Sammelurkunden verbriefen und dauerhaft und bei einer
Wertpapiersammelbank oder bei einem der aufgeführten
Verwahrer hinterlegen.
Viertens. Schließlich entwickelt der Entwurf noch das
Beschlussmängelrecht der Aktiengesellschaft fort, um
zu verhindern, dass Aktionäre ihr Klagerecht missbrau-
chen. Die bisher unbefriedigende Rechtslage im Hinblick
auf das Phänomen der nachgeschobenen Nichtigkeitskla-
gen wird dahingehend beseitigt, dass die Nichtigkeits-
klage nunmehr einer relativen Befristung unterworfen
wird. Grundsätzlich bleibt sie zwar unbefristet möglich.
Wird aber gegen einen Beschluss der Hauptversamm-
lung eine Beschlussmängelklage erhoben, müssen – wei-
tere – Nichtigkeitsklagen gegen den Beschluss innerhalb
eines Monats nach Veröffentlichung des ursprünglichen
Beschlussmängelverfahrens erhoben werden. Dies führt
im Ergebnis zu mehr Rechtssicherheit.
Abschließend möchte ich bei der heutigen ersten Bera-
tung auf ein Problem hinweisen, welches mit dem vorlie-
genden Entwurf noch nicht rechtssicher zum Abschluss
gebracht wird. Ich spreche das Thema „Delisting“ an,
also den Fall eines Rückzuges der Gesellschaft von der
Börse. Eine Entscheidung, wie weit der Schutz der Ak-
tionäre im Fall eines Delistings geht, ist bisher nicht ge-
troffen, aber aus meiner Sicht dringend geboten:
In einer richtungsweisenden Entscheidung – dem so-
genannten Macrotron-Urteil – hat der Bundesgerichts-
hof, BGH, im Jahr 2002 zunächst festgelegt, dass für das
Delisting einer Aktiengesellschaft von der Börse ein
Hauptversammlungsbeschluss notwendig sei und die
Aktiengesellschaft den Aktionären ein Abfindungsange-
bot für die Aktien machen müsse. Das Bundesverfas-
sungsgericht, BVerfG, entschied dann allerdings im Jahr
2012, dass ein Delisting grundsätzlich nicht den Schutz-
bereich des Eigentumsrechts eines Aktionärs und damit
Artikel 14 Absatz 1 des Grundgesetzes berühre. Diese
Rechtsprechung des BVerfG nahm der BGH auf und
stellte fest, dass der Grundrechtsschutz nicht mehr als
Argument für die Erfordernisse einer Hauptversamm-
lungsentscheidung sowie eines Abfindungsangebots an-
geführt werden könne. Auch andere Vorschriften, insbe-
sondere das Aktiengesetz selbst, könnten nicht als
Rechtsgrundlage für die Notwendigkeit eines Hauptver-
sammlungsbeschlusses dienen.
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. März 2015 9313
(A) (C)
(D)(B)
Durch diesen Wandel in der höchstrichterlichen Recht-
sprechung verlieren die Aktionäre von an der Börse zum
Handel zugelassenen Aktiengesellschaften nunmehr den
Schutz, den die richterliche Rechtsfortbildung jahrelang
gewährleistet hat. Ferner wird durch die Meinungsände-
rung der obersten Gerichte deutlich, dass die Abwägung
der Eigentumsrechte der Aktionäre gegen die Interessen
der Aktiengesellschaften sich in einem engen Grenzbe-
reich bewegt. Minderheitsaktionäre laufen im Falle eines
Antrags auf Widerruf der Zulassung der von ihnen ge-
haltenen Aktien allerdings Gefahr, ab Zeitpunkt der An-
tragstellung den Börsenwert ihrer Stimmrechte nahezu
gänzlich zu verlieren. Denn die Nachfrage nach Aktien,
die in Kürze nicht mehr börslich handelbar sind, wird re-
gelmäßig einbrechen. Vor Änderung der Rechtsprechung
des BGH geschah dies nicht, dies beruhte auf dem Um-
stand, dass in der Vergangenheit den Minderheitsaktio-
nären ein Abfindungsangebot zu machen war.
An dieser Stelle sehe ich gesetzgeberischen Hand-
lungsbedarf. Ein zivilrechtlicher Schutz der Aktionäre,
sei es im Aktien- oder Umwandlungsgesetz, sollte bei
den weiteren parlamentarischen Beratungen Berücksich-
tigung finden.
Dr. Johannes Fechner (SPD): Mit diesem Gesetz
werden wir das Aktiengesetz in einigen Punkten ändern.
Ich möchte kurz auf einige geplante wesentliche Neure-
gelungen des Gesetzentwurfes eingehen.
Zunächst: Die Finanzierung von Aktiengesellschaften
soll flexibler gestaltet werden können.
Der Gesetzentwurf sieht vor, dass es künftig auch
Vorzugsaktien geben soll, bei denen der Vorzug nicht
nachgezahlt werden muss. Vorzugsaktien können bereits
heute von Aktiengesellschaften neben Stammaktien
ausgegeben werden. Vorzugsaktionäre erhalten bei der
Gewinnausschüttung eine höhere Dividende als Stamm-
aktionäre, sind dafür aber vom Stimmrecht ausgeschlos-
sen. Wird der Vorzug nicht gezahlt, lebt das Stimmrecht
im zweiten Jahr der Nichtzahlung wieder auf, und zwar
so lange, bis der Vorzug rückwirkend nachbezahlt wird.
Wird der Vorzug in einem Jahr nicht gezahlt, so muss er
nach der jetzigen Regelung im Aktiengesetz später nach-
gezahlt werden.
Diese verpflichtende Regelung soll nun, wie gesagt,
geändert werden. Künftig soll es Vorzugsaktien geben,
bei denen der Vorzug nicht nachgezahlt werden muss.
Hintergrund ist, dass nur Vorzugsaktien, bei denen der
Vorzug nicht nachzahlbar ist, als regulatorisches Eigen-
kapital anerkannt werden. Die Regelung ist besonders
für Banken wichtig. Vielleicht sollten wir sie auch auf
diesen Bereich beschränken; das müssen wir uns anse-
hen.
Eine weitere Neuregelung betrifft die sogenannte
umgekehrte Wandelschuldverschreibung. Bei Wandel-
schuldverschreibungen können die Gläubiger bestimmen,
ob sie im Fälligkeitszeitpunkt Geld oder Aktien erhalten
wollen. Bei der umgekehrten Wandelschuldverschrei-
bung kann der Schuldner bestimmen, ob er seine Schuld
in Geld oder in Aktien zurückzahlt. Nun sieht der Ge-
setzentwurf vor, dass die Hauptversammlung auch für
die Fälle der umgekehrten Wandelschuldverschreibung
bereits vorab eine bedingte Kapitalerhöhung genehmi-
gen kann. Vorteil wäre, dass die Kapitalerhöhung dann
schnell erfolgen kann, weil nicht erst der Termin der
nächsten Hauptversammlung abgewartet werden muss.
Bei Kredit- und Finanzdienstleistungsinstituten soll eine
solche Genehmigung auch ohne mengenmäßige Be-
schränkung möglich sein.
Es bleibt abzuwarten, ob sich Vertragspartner bzw.
Geldgeber finden werden, die sich auf umgekehrte Wan-
delschuldverschreibungen einlassen. Das wird die Praxis
zeigen, sofern das Gesetz so beschlossen wird. Aus Sicht
der SPD ist es jedenfalls im Bereich der Finanzinstitute
begrüßenswert, wenn im Krisenfall zunächst die Gläubi-
ger zur Bankensanierung beitragen, bevor die Steuerzah-
ler diese Kosten tragen müssen.
Eine weitere Neuregelung betrifft die Transparenz bei
Inhaberpapieren. Jede Aktiengesellschaft kann im Mo-
ment sowohl Namensaktien als auch Inhaberaktien ver-
geben. Künftig soll die Vergabe von Inhaberaktien bei
nicht börsennotierten Aktien nur noch dann möglich
sein, wenn die Aktiengesellschaft den Anspruch auf Ein-
zelverbriefung ausschließt. Dann gibt es nur eine Sam-
melurkunde; diese muss verwahrt werden. Über die Ver-
wahrverträge können dann im Falle des Falles die
Aktionäre ermittelt werden. Damit wollen wir Geldwä-
sche erschweren.
Eine wichtige Neuerung betrifft die Befristung nach-
geschobener Nichtigkeitsklagen. Hat also bereits ein
Aktionär gerichtlich geltend gemacht, dass ein Haupt-
versammlungsbeschluss nichtig ist, weil er an einem
schwerwiegenden Fehler leidet, so muss eine weitere
Nichtigkeitsklage eines anderen Aktionärs innerhalb ei-
nes Monats nach der ersten Klageerhebung und deren
Bekanntmachung in den Gesellschaftsblättern erhoben
werden.
Vorteil der neuen Regelung ist, dass Aktionäre das
Freigabeverfahren nicht unnötig in die Länge ziehen
können. Künftig müssen sich alle Aktionäre in dem Fall,
dass eine Klage anhängig ist, zügig entscheiden, ob sie
selbst gegen einen Hauptversammlungsbeschluss ge-
richtlich vorgehen wollen.
Lassen Sie mich an dieser Stelle noch auf ein Problem
aufmerksam machen, das in diesem Gesetzentwurf bis-
her nicht berücksichtigt wird: das Delisting. Wenn Ak-
tien an der Börse gehandelt werden, sind sie dort gelistet.
Beim Delisting zieht sich ein Unternehmen von der
Börse wieder zurück. Das ist zu einem immer größeren
Problem für die Anleger geworden. Zu beobachten ist,
dass sich speziell seit der Änderung der Rechtsprechung
des BGH, der sogenannten Frosta-Entscheidung, immer
mehr Unternehmen von der Börse zurückziehen, ohne
den Minderheitsaktionären Abfindungsangebote zu ma-
chen. Diese müssen oft starke Kursverluste hinnehmen.
Ein Rückzug von der Börse ohne Regelungen zur Abfin-
dung für die Minderheitsaktionäre stellt deshalb ein mas-
sives Anlegerrisiko dar.
9314 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. März 2015
(A) (C)
(D)(B)
Ich bin der Meinung, dass der Gesetzgeber angemes-
sene Regelungen zum Schutz der Minderheitenaktionäre
treffen sollte, zum Beispiel in Form eines Pflichtange-
bots der Aktiengesellschaft an ihre Minderheitenaktio-
näre. Wir werden das im weiteren Verfahren prüfen und
diskutieren.
Richard Pitterle (DIE LINKE): Wir beraten heute in
erster Lesung einen Gesetzentwurf mit dem Arbeitstitel
„Aktienrechtsnovelle 2014“. Dem aufmerksamen Be-
obachter des Parlamentsbetriebes wird dieser Arbeitstitel
bekannt vorkommen. Am Ende der 17. Legislatur-
periode im Jahr 2013 befasste sich unser Haus bereits
mit einer „Aktienrechtsnovelle“.
Es ist nicht die große Dynamik im Aktienrecht, die
eine weitere Novelle erfordert. Beide Entwürfe sind
weitgehend identisch. Doch die Aktienrechtsnovelle
2012 ist am Widerstand der SPD-geführten Mehrheit im
Bundesrat gescheitert. Auslöser der Konfrontation war
eine kleine Ergänzung der Aktienrechtsnovelle im feder-
führenden Rechtsausschuss durch die Schwarz-Gelbe
Koalition. Zu diesem Zeitpunkt kochte erneut eine öf-
fentliche Debatte um die Höhe der Vorstands- und
Managergehälter hoch, die durch einen erfolgreichen
Volksentscheid der schweizerischen „Initiative gegen
Abzockerei“ angefacht wurde.
Die Schweizer befürworteten, dass zukünftig die
Aktionäre in der Hauptversammlung über die Gehälter
von Konzernchefs und Aufsichtsräten entscheiden. Die
Wahlen im Blick, rang sich Schwarz-Gelb durch, eine
weichgespülte Variante in das deutsche Aktienrecht auf-
nehmen zu wollen. Die Hauptversammlung sollte jähr-
lich wenigstens, wenn auch rechtsfolgenlos, die vom
Aufsichtsrat vorgelegten Vergütungssysteme billigen
müssen. Ein sehr kleiner, wenn auch für die Regulierung
ungeeigneter, so doch prinzipiell richtiger Schritt in
Richtung Transparenz bei den Vergütungssystemen.
Bereits in der 16. Wahlperiode hat meine Fraktion ge-
fordert, Managergehälter absolut auf das 20-Fache der
untersten Lohngruppe zu begrenzen und die steuerliche
Abzugsfähigkeit als Aufwand zu begrenzen. Den Vor-
schlägen ist die damalige Große Koalition nicht gefolgt.
Stattdessen gab es ein Reförmchen, wonach die Haupt-
versammlung freiwillig die Vergütungsmodalitäten billi-
gen kann.
In der letzten Wahlperiode, frisch in der Opposition,
konnte die SPD es kaum erwarten, mit Vorschlägen ge-
gen ausufernde Managergehälter vorgehen zu wollen.
Und so ließ sie im Bundesrat kämpferisch zur Aktien-
rechtsnovelle 2012 ausrichten, dass das Gesetz eine Mo-
gelpackung sei, die Vergütungen nicht kontrolliere und
schlicht wirkungslos sei, sodass man nicht zustimmen
werde.
Die Aktienrechtsnovelle 2014 kommt ohne Regelun-
gen zur Vorstandsvergütung aus. Das könnte überra-
schen. Erst im Sommer letzten Jahres schimpfte der
SPD-Parteivorsitzende und Bundeswirtschaftsminister
Gabriel über „obszöne“ Managergehälter, die es zu regu-
lieren gäbe. Durch die Große Koalition wird schon wie
in der 16. Wahlperiode nicht einmal auf dem kleinen
Niveau reguliert, wie es eine Schwarz-Gelbe Koalition
wollte.
Doch Sie werden um diese Debatte nicht herumkom-
men. Wir halten an unserer Forderung fest. Und selbst
auf europäischer Ebene wird dieses Thema angegangen.
So sieht der Richtlinienvorschlag zur Änderung der Ak-
tionärsrechterichtlinie Beteiligungsrechte der Aktionäre
bei der Vorstandsvergütung vor.
Das „Aktienrecht bedarf einer punktuellen Weiterent-
wicklung“, heißt es wieder im aktuellen Entwurf. In dem
Referentenentwurf zur Aktienrechtsnovelle 2012, der
erstmalig 2010 vorgestellt wurde, hieß es, einen Reform-
bedarf gäbe es derzeit nicht. Nachdem der Entwurf seit
5 Jahren weitgehend unverändert vorliegt und in der Pra-
xis keine Probleme aufgetreten sind, scheint das zu stim-
men. „Wenn es nicht notwendig ist, ein Gesetz zu ma-
chen, dann ist es notwendig, kein Gesetz zu machen.“
Mit der Verabschiedung der kommenden Aktionärsrech-
terichtlinie werden wir das Aktienrecht umfassend än-
dern müssen. Lassen Sie uns unsere Ressourcen dafür
aufsparen.
Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Dieser Gesetzentwurf ist vor allem eines: eine verpasste
Chance. Wesentliche Fragen gehen Sie leider nicht oder
nur unzureichend an. Der Entwurf war in weitgehend
gleicher Form bereits in der letzten Wahlperiode einge-
bracht worden. Sie hätten daher viel Zeit gehabt, die Pro-
bleme im Aktienrecht gründlich anzugehen. Das ist lei-
der nicht der Fall.
Damals scheiterte der Entwurf an der strittigen Frage
der Vorstandsvergütung: dem sogenannten Say on Pay,
wonach der Hauptversammlung eine rechtsverbindliche
Entscheidungsbefugnis über das System der Vorstands-
vergütung eingeräumt werden sollte. Mit dem Say on
Pay wollte die damalige Koalition mehr Transparenz
und eine Begrenzung der Höhe der Vorstandsvergütun-
gen erreichen. Unverhältnismäßig hohe und nur auf den
kurzfristigen Erfolg ausgerichtete Vergütungen von Ma-
nagern sind eine Ursache für die Wirtschafts- und Fi-
nanzkrisen der Vergangenheit. Dieses Problem sind Sie
bis heute nicht angegangen! Das ist und bleibt ein Ar-
mutszeugnis. Selbstverpflichtungen und bestehende Re-
gelungen zur Angemessenheit von Vorstandsvergütun-
gen haben keine ausreichenden Veränderungen bewirkt.
Die Regelung der Vorstandsvergütung wird im jetzigen
Entwurf gänzlich ausgeklammert. Auf europäischer
Ebene ist derzeit zwar die Änderung der Aktionärsricht-
linie im Gange, die nach jetzigem Stand auch Regelun-
gen zum Say on Pay vorsieht. Ein Say on Pay der Aktio-
näre ist aber nicht ausreichend. Was wir brauchen, ist
etwa eine Beschränkung der steuerlichen Abzugsfähig-
keit von überhohen Abfindungen und Gehältern.
Der Gesetzentwurf will die Transparenz von Beteili-
gungsverhältnissen verbessern, indem er Inhaberaktien
bei nicht börsennotierten Aktiengesellschaften künftig
nur noch zulässt, wenn der Einzelverbriefungsanspruch
der Aktionäre ausgeschlossen ist und die auszustellende
Sammelurkunde bei einer Wertpapiersammelbank ver-
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. März 2015 9315
(A) (C)
(D)(B)
wahrt wird. Das springt aber zu kurz. Die Financial Ac-
tion Task Force, FATF, deren Mitglied die Bundesrepu-
blik Deutschland ist, kritisiert zu Recht die deutsche
Inhaberaktie bei nicht börsennotierten Unternehmen.
Veräußerungen von Inhaberaktien bleiben bei nicht bör-
sennotierten Unternehmen verborgen. Änderungen im
Gesellschafterbestand eines Unternehmens sind also
nach außen nicht nachvollziehbar und können im Hinter-
zimmer abgewickelt werden; auch das Unternehmen
selbst weiß nicht, wer seine Aktionäre sind. Die Inhaber-
aktie begünstigt wegen dieser Intransparenz Geldwäsche
und andere dunkle Machenschaften bis hin zur Terrorfi-
nanzierung. Frau Merkel hat sich deshalb in einer Ver-
pflichtungserklärung zum G-8-Gipfel 2013 dazu be-
kannt, dieses Problem anzugehen. Doch führt der
Entwurf mitnichten dazu, dass die Unternehmen künftig
präzise und aktuell wissen, wer ihre Eigentümer sind
und wer sie kontrolliert. Das ist es aber, was Frau Merkel
den G-8-Partnern versprochen hat. Weder wissen die
Unternehmen, wer Aktionär der Inhaberaktie ist, noch
wird sichergestellt, dass Behörden zeitnah Informationen
über die eigentlichen wirtschaftlich Berechtigten erhal-
ten. Der von der Bundesregierung beschrittene Weg er-
möglicht lediglich, über die Verwahrkette der Depotban-
ken Informationen, das heißt Ermittlungsspuren zu
erlangen. Das ist völlig unzureichend.
Es besteht zudem eine große Lücke für den Fall des
Delistings einer Aktiengesellschaft. Der Anspruch auf
Herausgabe einer neuen Namensaktie infolge einer
Kraftloserklärung der Inhaberaktie wegen Börsenrück-
zugs ist nämlich ohne depotrechtliche Buchung oder
Eintragung im Aktienregister übertragbar. Hier bleiben
Beteiligungsverhältnisse also weiterhin völlig im Dun-
keln. Hinzu kommt, dass die Neuregelung nur für Unter-
nehmen gilt, die nach Inkrafttreten der Neuregelung ge-
gründet werden. Bei allen bestehenden Unternehmen,
die Inhaberaktien ausgeben, gilt die alte Rechtslage wei-
ter. Hier gehen daher potenziell auch die kriminellen
Machenschaften weiter, die Sie zu unterbinden vorge-
ben. Im Übrigen bestehen auch bei börsennotierten
Unternehmen Mitteilungspflichten nach dem Wertpa-
pierhandelsgesetz erst ab einem Beteiligungsbestand von
3 Prozent.
Mit dem vorgelegten Entwurf sind Sie daher meilen-
weit davon entfernt, die Zusagen einzuhalten, die Sie
selbst auf dem G-8-Gipfel im Jahr 2013 gegeben haben.
Ich fordere Sie auf, liebe Kolleginnen und Kollegen von
den Regierungsfraktionen: Machen Sie endlich ernst mit
der Transparenz von Beteiligungsverhältnissen bei Un-
ternehmen! Es muss klar sein, wer die Eigentümer und
wirtschaftlich kontrollierenden Akteure eines Unterneh-
mens sind, und zwar unabhängig von der Rechtsform
oder Börsennotierung. Es ist doch nicht zu viel verlangt,
dass Sie Ihre eigenen Versprechen auch einhalten.
Ein weiterer Aspekt, den Sie nicht angehen, ist die re-
formbedürftige Organhaftung im Aktienrecht. Hier be-
steht weiterhin das Problem, dass die Organhaftung auf
dem Papier streng ausgestaltet ist, in der Praxis hingegen
weitgehend leerläuft. Wir brauchen eine Verbesserung
der privaten Rechtsdurchsetzung. Die Vorstandshaftung
ist erforderlich, um wirtschaftliche Anreize für sorgfalts-
gemäße Entscheidungen zu setzen und die Vermeidung
der hieraus für die Eigentümer, aber auch für das Ge-
meinwesen folgenden Schäden anzumahnen. Diese Wir-
kung können Haftungsregeln aber nur entfalten, wenn
die gerichtliche Durchsetzung der Ansprüche ausrei-
chend gesichert ist. Im Jahr 2005 wurde mit dem Gesetz
zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des An-
fechtungsrechts, UMAG, die Aktionärsklage eingeführt,
die es dem Einzelaktionär bzw. der Aktionärsminderheit
ermöglicht, Schadensersatzansprüche des Unternehmens
gegen Vorstandsmitglieder geltend zu machen. Die Akti-
onärsklage wurde allerdings so ausgestaltet, dass sie in
der Praxis völlig bedeutungslos ist. Der gerichtlichen
Durchsetzung ist ein Klagezulassungsverfahren vorge-
schaltet. Kleinaktionäre tragen das volle Kostenrisiko
für das Zulassungsverfahren, partizipieren an der erstrit-
tenen Haftungssumme jedoch nur minimal, nämlich in
Höhe ihres Anteils am Grundkapital der Gesellschaft.
Die Aktionärsklage erweist sich für den klagenden
Kleinaktionär in der Regel als Verlustgeschäft und er-
zielt deshalb auch nicht die erhoffte Verbesserung der
Haftungsdurchsetzung.
Einem wirkungsvollen Organhaftungsregime steht
zudem die in Deutschland übliche Ausgestaltung der
D&O-Versicherung entgegen. Der 2009 eingeführte ob-
ligatorische Selbstbehalt läuft leer, weil er vom Vor-
standsmitglied seinerseits wieder versichert wird. Bei
der heute üblichen Form der Gruppenversicherung zum
Pauschaltarif gehen sämtliche Sorgfaltsanreize verloren,
die durch die Vorstandshaftung generiert werden könn-
ten. Wir brauchen daher eine Reform der Organhaftung,
um die dringend notwendigen Sorgfaltsanreize für Vor-
stände zu entwickeln.
Ich will ein weiteres Thema ansprechen, bei dem wir
als Gesetzgeber dringend aktiv werden müssten: Durch
eine Änderung der Rechtsprechung des BGH ist für An-
leger eine große Schutzlücke im Falle des Börsenrück-
zugs einer Aktiengesellschaft entstanden. Das ist insbe-
sondere für Kleinaktionäre ein Problem. Bisher wurden
Anleger dadurch geschützt, dass die Gerichte aus der Ei-
gentumsgarantie des Grundgesetzes die Notwendigkeit
eines Hauptversammlungsbeschlusses und eines Abfin-
dungsangebots der Gesellschaft an die Aktionäre im
Falle eines Delistings ableitete. Der BGH sieht sich aber
nicht länger imstande, an dieser rechtsfortbildenden
Rechtsprechung festzuhalten. Daher sind wir als Gesetz-
geber gefragt, einen angemessenen Anlegerschutz beim
Delisting zu gewährleisten. Nach dem Rückzug von der
Börse sind Aktien nicht mehr ohne weiteres jederzeit
handelbar. Aktien verlieren damit für kleinere Aktionäre
ganz erheblich an Wert. Davon profitieren Großaktio-
näre, für die die jederzeitige Handelbarkeit der Aktien
nicht von gleicher Relevanz ist und die durch ein Delis-
ting Kleinaktionäre zum Schnäppchenpreis aus dem Un-
ternehmen verdrängen können. Das kann so nicht blei-
ben. Die hier eingebrachte Novelle des Aktienrechts
muss dieses Problem angehen.
Ich schließe mit einer grundsätzlichen Erwägung: Ak-
tionäre sollten nicht nur bei monetären Fragen Einfluss
auf das Verhalten der Unternehmen ausüben dürfen. Als
Eigentümer sollten sie vielmehr auch Einfluss nehmen
9316 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 97. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 26. März 2015
(A) (C)
(D)(B)
können, wenn es um Nachhaltigkeitsfragen, ökologische
und soziale Ziele des Unternehmens geht. Das muss sich
auch im Aktienrecht widerspiegeln. Notwendig ist eine
Fortentwicklung des Aktienrechts, die Einfluss und Ver-
antwortung der Aktionäre als Eigentümer der Unterneh-
men in einem institutionalisierten Verfahren auch auf die
Frage der Nachhaltigkeit der unternehmerischen Tätig-
keit ausweitet. Wer eine aktive Bürgergesellschaft will,
in der Profit nicht der allein handlungsleitende Maßstab
ist, muss dies auch in Fachgesetzen wie dem Aktienrecht
durchdeklinieren. Denn das Aktienrecht setzt die Spiel-
regeln für unternehmerische Entscheidungen mit enor-
mer Reichweite und Relevanz für unser Gemeinwesen.
Ökologische und soziale Fragen dürfen dabei nicht aus-
geblendet werden. Hier bleibt viel zu tun. Dafür werden
wir Grünen uns auch über den jetzt anstehenden Gesetz-
gebungsprozess hinaus einsetzen.
Christian Lange, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
minister der Justiz und für Verbraucherschutz: Ihnen
liegt heute der Gesetzentwurf einer Aktienrechtsnovelle
2014 vor. Der Titel des Gesetzentwurfs klingt beschei-
den, könnte überdies bei Gelegenheit in 2015 umformu-
liert werden, und er wirkt auch sehr technisch. Gleich-
wohl enthält er neben vielen Klarstellungen, die in der
Praxis das Leben erleichtern werden, kleine aktienrecht-
liche Änderungen mit großer Wirkung.
Zum einen wird der Entwurf massiver Kritik seitens
der Financial Action Task Force, einer Expertengruppe
der OECD zur Bekämpfung der Geldwäsche und Terror-
finanzierung, nachkommen und wird eine Transparenz-
lücke im Aktienrecht schließen. Diese klafft bisher mög-
licherweise bei nichtbörsennotierten Gesellschaften mit
Inhaberaktien, bei denen jedenfalls die Befürchtung
besteht, Anteilseigner könnten sich hinter anonymen
Inhaberaktien verstecken. Dies wird der Gesetzentwurf
nun abstellen.
Hervorzuheben ist auch eine Regelung, wonach künf-
tig Wandelschuldverschreibungen von Unternehmen
nicht mehr nur vom Gläubiger, sondern auch vom
Schuldner, also vom Unternehmen selbst, gewandelt
werden können, das heißt, dass statt Bargeld Aktien
zurückgezahlt werden. Man kann sich vorstellen, wie
segensreich eine solche Regelung in einer schweren Un-
ternehmenskrise wirken kann, wenn Liquidität knapp
oder nicht vorhanden ist. Manche wünschen sich, wir
hätten eine solche Regelung bereits in der großen
Finanzkrise 2008/2009 gehabt. In Richtung Finanzinsti-
tute zielt auch ein Regelungsvorschlag, der es Aktienge-
sellschaften ermöglichen wird, Vorzugsaktien ohne eine
zwingende Nachzahlung des Vorzugs auszugeben. Das
bedeutet, dass solche stimmrechtslosen Vorzugsaktien
ohne Nachzahlungspflicht künftig zum regulatorischen
Eigenkapital gerechnet werden können.
Wenn Ihnen diese Regelungen bekannt vorkommen,
dann nicht ohne Grund. Wir hatten diesen Gesetzentwurf
bereits in der letzten Wahlperiode im Bundestag. Gegen
Offsetdruc
Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Te
Ende der Legislaturperiode war aber noch eine Regelung
zur zwingenden Abstimmung der Hauptversammlung
über die Vergütungspolitik aufgesattelt worden, ein
sogenanntes zwingendes Say on Pay. Dieses hat den
Widerstand der Länder hervorgerufen, die zwei Tage vor
der Bundestagswahl 2013 im zweiten Durchgang durch
den Bundesrat den Vermittlungsausschuss angerufen ha-
ben. Damit war der Gesetzentwurf der Diskontinuität
verfallen.
Die umstrittene Regelung zu einem solchen zwingen-
den Say on Pay findet sich dieses Mal nicht im Entwurf.
Das hat folgenden Hintergrund: Zwar enthält die Koali-
tionsvereinbarung zur 18. Wahlperiode eine Formulie-
rung, die genau auf eine solche Regelung zu einem
zwingenden Hauptversammlungsvotum über die Vergü-
tungspolitik hindeutet. Allerdings erschien es nicht
opportun, dies in die Aktienrechtsnovelle aufzunehmen.
In Brüssel wird derzeit die Änderung der Aktionärsrech-
terichtlinie verhandelt, die verschiedene Vorschriften zur
Vergütungspolitik und zu einem Hauptversammlungsbe-
schluss darüber zum Gegenstand hat, weshalb wir dieser
Richtlinie nicht vorgreifen wollen. Sie wird vermutlich
in diesem Jahr verabschiedet werden und dann binnen
zwei Jahren umzusetzen sein. Im Übrigen war die Ak-
tienrechtsnovelle in der letzten Wahlperiode bereits
durch Anhörungen im Rechtsausschuss des Deutschen
Bundestages hinreichend erörtert worden, und die allge-
meine Meinung war, dass dieser Entwurf nun dringend
verabschiedet werden sollte und dass alle auf ihn warten.
Der Bundesrat hat zu dem neu eingebrachten Entwurf
im ersten Durchgang einige Änderungsvorschläge ge-
macht. Zum Beispiel hat er vorgeschlagen, dass es in Zu-
kunft stimmrechtslose Aktien ohne Möglichkeit des
Wiederauflebens des Stimmrechts geben solle. Nach gel-
tendem Aktienrecht lebt das Stimmrecht auf, wenn der
Dividendenvorzug nicht bezahlt wird. Stimmrechtsak-
tien mit einem vollständigen Ausschluss des Stimm-
rechts möchten wir nicht befürworten. Die stimmrechts-
lose Vorzugsaktie ist im deutschen aktienrechtlichen
System relativ nah an der Stammaktie angesiedelt, der
Vorzugsaktionär ist mehr Aktionär als bloßer Darlehens-
geber. Es ist daher fair und richtig, das Stimmrecht aufle-
ben zu lassen, wenn keine Vorzugsdividende mehr be-
zahlt wird, sodass der Vorzugsaktionär dann Einfluss
nehmen kann.
In einem Punkt hat die Bundesregierung zu einer
Prüfbitte des Bundesrates allerdings positiv votiert: Der
Bundesrat bat um Prüfung, ob im laufenden Verfahren
noch eine Regelung zum Delisting eingeführt werden
könne, das heißt zum Rückzug einer Publikumsgesell-
schaft von der Börse. Dies ist eine rechtlich und öko-
nomisch komplexe Frage, die durch eine grundlegende
Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung in
jüngster Zeit ausgelöst worden ist. Wir stehen der Dis-
kussion dieser Frage im weiteren parlamentarischen Ver-
fahren aufgeschlossen gegenüber.
kerei, Bessemerstraße 83–91, 1
lefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de
22
97. Sitzung
Inhaltsverzeichnis
TOP 20 EU-Assoziierungsabkommen Ukraine, Georgien, Moldau
TOP 4 Verbindliche politische Regeln im Sport
TOP 3 Förderung der Medienkompetenz
TOP 26 Überweisungen im vereinfachten Verfahren
TOP 27, ZP 2 Abschließende Beratungen ohne Aussprache
ZP 3 Aktuelle Stunde zu Vorschlägen zur CO2-Reduzierung und Kraftwärmekopplung
TOP 6 Bundeswehreinsatz EUTM Somalia
TOP 7 Sozial- und Erziehungsberufe
TOP 8 Eigenmittelsystem der Europäischen Union
TOP 9 Waldbewirtschaftung
TOP 10 EU-Richtlinie über Einlagensicherungssysteme
TOP 11 Subventionen für Atomkraftwerke in der EU
TOP 12 Forschung und Innovation
TOP 13 Nukleare Abrüstung
TOP 14 Bundesfernstraßenmautgesetz
TOP 17 Bekämpfung des Hungers
TOP 16 Schuldrechtsanpassungsgesetz
TOP 18 Gesetz zur Bekämpfung der Korruption
TOP 19 Aktienrechtsnovelle 2014
Anlagen