1) Anlage 2
2) Anlage 3
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 94. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. März 2015 9027
(A) (C)
(D)(B)
Anlagen zum Stenografischen Bericht
Anlage 1
Liste der entschuldigten Abgeordneten
Abgeordnete(r)
entschuldigt bis
einschließlich
Barthel, Klaus SPD 19.03.2015
Behrens, Herbert DIE LINKE 19.03.2015
Benning, Sybille CDU/CSU 19.03.2015
Dr. Böhmer, Maria CDU/CSU 19.03.2015
Brugger, Agnieszka BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
19.03.2015
Bülow, Marco SPD 19.03.2015
Dr. Gauweiler, Peter CDU/CSU 19.03.2015
Gottschalck, Ulrike SPD 19.03.2015
Groth, Annette DIE LINKE 19.03.2015
Hajduk, Anja BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
19.03.2015
Hartmann (Wackern-
heim), Michael
SPD 19.03.2015
Hintze, Peter CDU/CSU 19.03.2015
Höhn, Bärbel BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
19.03.2015
Dr. Krüger, Hans-Ulrich SPD 19.03.2015
Dr. Launert, Silke CDU/CSU 19.03.2015
Leutert, Michael DIE LINKE 19.03.2015
Menz, Birgit DIE LINKE 19.03.2015
Mißfelder, Philipp CDU/CSU 19.03.2015
Dr. Müller, Gerd CDU/CSU 19.03.2015
Dr. Reimann, Carola SPD 19.03.2015
Rix, Sönke SPD 19.03.2015
Dr. Rosemann, Martin SPD 19.03.2015
Scharfenberg, Elisabeth BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
19.03.2015
Schimke, Jana CDU/CSU 19.03.2015
Schwarzelühr-Sutter,
Rita
SPD 19.03.2015
Spahn, Jens CDU/CSU 19.03.2015
Wicklein, Andrea SPD 19.03.2015
Dr. Zimmer, Matthias CDU/CSU 19.03.2015
Anlage 2
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur
Änderung des Agrar- und Fischereifonds-Infor-
mationen-Gesetzes und des Betäubungsmittel-
gesetzes (Tagesordnungspunkt 15)
Hermann Färber (CDU/CSU): So dankbar ich der
Bundesregierung bin, dass sie hier versucht hat, Schlim-
meres zu verhindern, so unzufrieden bin ich nach wie
vor mit dem Gesamtergebnis. Ich kenne alle technischen
Argumente, die zu diesem Ergebnis geführt haben, und
ich kann sie auch teilweise nachvollziehen. Die Bundes-
regierung hat auf europäischer Ebene unsere daten-
schutzrechtlichen Bedenken sehr deutlich gemacht, ist
aber leider nicht auf hinreichende Zustimmung gestoßen.
Ich wundere mich schon sehr, dass manche Kreise,
die das Recht auf informationelle Selbstbestimmung
sonst für unverzichtbar halten, nun im Falle der Land-
wirtschaft keinerlei Probleme mit einer meiner Ansicht
nach massiven Verletzung dieses Rechtes haben.
Deutschland ist nun in der Pflicht, diese EU-Verordnung
umzusetzen.
Wir dürfen hier aber trotzdem nicht die politische Wir-
kung unserer Entscheidungen aus den Augen verlieren:
Dieses Gesetz wird dazu führen, dass wieder einmal
ein Berufsstand, der heute schon unter vielen Diffamie-
rungen in der Öffentlichkeit zu leiden hat, an den Pran-
ger gestellt wird. Wieder einmal wird die Landwirtschaft
anders – und zwar strenger – behandelt als jede andere
Branche in Deutschland.
Bei keinem anderen Subventionsfonds der EU wer-
den die Zahlungen an natürliche Personen veröffentlicht.
Und bei Subventionen, die auf nationaler Ebene verteilt
werden, etwa durch das Wirtschaftsministerium, werden
Einzelempfänger überhaupt nicht ausgewiesen. Ich
weiß, es gibt rechtstechnische Gründe dafür. Aber wir
müssen hier auch das Ergebnis verantworten.
Abgeordnete(r)
entschuldigt bis
einschließlich
Anlagen
9028 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 94. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. März 2015
(A) (C)
(D)(B)
Wir beklagen uns hier in diesem Hause gerne über den
Strukturwandel in der Landwirtschaft, wir beklagen das
Höfesterben. Aber wie soll ein angehender junger Land-
wirt denn überhaupt noch das Gefühl dafür entwickeln,
dass seine Arbeit hier in Deutschland politisch gewollt
und gesellschaftlich unterstützt wird? Jeder Landwirt
muss sich demnächst in seinem persönlichen Umfeld für
erhaltene Subventionen rechtfertigen. Und es ist nicht
ausgeschlossen, dass er dies auch vor Leuten tun muss,
die ihrerseits Subventionen erhalten haben, die aber
nicht veröffentlicht werden müssen. Diese Ungleichbe-
handlung ist für mich nicht zu rechtfertigen, und ich
kann sie auch keinem Landwirt erklären.
Die Ungleichbehandlung ist das Problem.
Hier wäre mindestens zu verlangen, dass sich die
Bundesregierung, die diesem Verfahren in Brüssel zuge-
stimmt hat, deutlich vor die Landwirte stellt und jeder
Fehlinterpretation klar und deutlich entgegentritt. Und
das ist jetzt keine Forderung an den Landwirtschafts-
minister, der in dieser Hinsicht sehr aktiv ist, sondern an
die gesamte Bundesregierung und an das ganze Haus.
Landwirte leisten für die erhaltenen Zahlungen einen
klaren und definierbaren Gegenwert. Sie erbringen Leis-
tungen für die Gesellschaft, die über den Preis nicht ab-
gedeckt sind. Für eine reine Neiddebatte besteht also
keinerlei Anlass.
Das muss unzweifelhaft deutlich gemacht werden,
und zwar so, dass es auch wirklich bei der Masse der Be-
völkerung ankommt.
Die Bundesregierung hat in ihrem Gesetzentwurf eine
missbräuchliche Verwendung der Daten mit einem Buß-
geld von bis zu 300 000 Euro bewehrt. Aber was ist eine
missbräuchliche Nutzung dieser Daten? Ist eine Verwen-
dung der Daten zu Kampagnenzwecken bereits Miss-
brauch? Nach meiner Ansicht ja, aber rechtlich vermutlich
nicht. Auch hier brauchen wir eine klare Grenzziehung,
die die Landwirte mit den Problemen nicht alleinlässt.
Wir haben in den letzten Jahren den Landwirten in
diesem Land schon eine Menge zugemutet. So richtig
und notwendig viele Einzelmaßnahmen gewesen sein
mögen, so dringend warten die Landwirte in Deutsch-
land auf ein politisches Signal aus diesem Haus, dass
ihre wichtige Arbeit gewürdigt wird und dass auch ihre
Interessen einmal eine Rolle spielen. Ich finde, wir soll-
ten uns alle Gedanken machen, wie ein solches klares Si-
gnal aussehen könnte.
Der vorliegende Gesetzentwurf ist es leider nicht, er
konnte es auch nie sein.
Dr. Wilhelm Priesmeier (SPD): Im Rahmen der eu-
ropäischen Transparenzinitiative informiert die EU-
Kommission die europäischen Bürger über die Verwen-
dung der EU-Haushaltsmittel. Das betrifft nicht nur die
Ausgaben des Agrarhaushaltes, auch die Empfänger von
Geldern aus dem ESF oder von Wirtschaftsförderung
aus dem EFRE werden veröffentlicht. In anderen Mit-
gliedstaaten gibt es darüber keine Diskussionen, es ist
selbstverständlich.
Transparenz stärkt das Vertrauen der europäischen
Bürgerinnen und Bürger in die europäischen Institutio-
nen, in die Wirtschaftlichkeit ihrer Haushaltsführung
und den Nutzen für die Gesellschaft. Daher unterstützt
die SPD diese Zielsetzung nachdrücklich. Darum kann
ich auch die Vorbehalte im Bereich der Landwirtschaft
nicht nachvollziehen.
Transparenz muss selbstverständlich auch für die Zah-
lungen im Agrarsektor gelten. Immerhin beansprucht der
Agrarsektor mit 55 Milliarden Euro immer noch über
40 Prozent der EU-Haushaltsmittel. In Deutschland be-
trifft das rund 320 000 Zahlungsempfänger und umfasst
ein Gesamtvolumen von 6,5 Milliarden Euro EU-Mit-
teln.
Ich muss aber ganz ehrlich sagen: Ich bin enttäuscht,
was die Terminierung des Gesetzes angeht. Bis zum
31. Mai 2015 sind die europäischen Vorgaben in deut-
sches Recht umsetzen. Sonst droht ein Vertragsverlet-
zungsverfahren. Die Zeit drängt also. Das Ministerium
lässt uns mit dem vorliegenden Gesetzentwurf einmal
wieder gerade so auf der Zielgeraden einlaufen. Dafür
habe ich wenig Verständnis.
Was den Umfang und die Art der jetzt vorliegenden
Veröffentlichungsrechte angeht, sind andere europäische
Staaten wesentlich weiter. Die Bedenken der Bundesre-
gierung gegen die Veröffentlichungen der Zahlungsemp-
fänger werden weder von der EU-Kommission noch
vom Europäischen Parlament noch von den anderen EU-
Staaten geteilt.
Diese spezielle deutsche Sicht auf die Dinge scheint
mir maßgeblich vom Deutschen Bauernverband beein-
flusst. Der DBV hat sich wieder einmal als der größte
Bremser gezeigt. Sicherlich bieten die Zielsetzung und
die Ausrichtung der Direktzahlungen immer wieder An-
lass zur Diskussion. Dieser muss man sich aber dann
auch stellen und nicht ausweichen. Ich bin davon über-
zeugt, dass die Veröffentlichungspflichten am Ende der
Landwirtschaft dienen werden. Die Kritik des Berufs-
standes und des Bauernverbandes am Umfang der Veröf-
fentlichungspflichten ist daher unverhältnismäßig.
Die verbindlichen EU-rechtlichen Vorgaben sehen
eine Veröffentlichung der Empfänger von Zahlungen aus
den EU-Agrarfonds inklusive natürlicher Personen vor.
Veröffentlicht werden: Vorname und Name, die Ge-
meinde, in der der Empfänger wohnt oder eingetragen
ist, sowie gegebenenfalls die Postleitzahl, die Höhe der
gezahlten Beträge, die im Haushaltsjahr zugeflossen
sind, sowie Angaben zur Währung.
Es ist richtig und wichtig, dass die Transparenz der
Zahlungen, der Datenschutz und die Subventionskon-
trolle in ein ausgewogenes Verhältnis gebracht werden.
Ich bin fest davon überzeugt, dass wir mit diesem Gesetz
die vom Europäischen Gerichtshof gemachten Vorgaben
rechtsfest umsetzen. Wir gewährleisten dadurch den
rechtssicheren Vollzug in Deutschland. Wir legen den
Schwellenwert für die Höhe der Beihilfezahlungen, un-
terhalb dessen der Name des Begünstigten nicht veröf-
fentlicht wird, auf 1 250 Euro fest. Das halte ich für an-
gemessen.
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 94. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. März 2015 9029
(A) (C)
(D)(B)
Der nunmehr vorliegende Gesetzentwurf beinhaltet
im Übrigen auch ausreichende Regelungen zum Verbot
und zur Ahndung von missbräuchlichen Verwendungen
der Daten der Zahlungsempfänger. Ich bin davon über-
zeugt, dass damit alle Persönlichkeitsrechte und der Da-
tenschutz ausreichend gewahrt werden.
Bloße statistische Durchschnittszahlen und eine Auf-
listung der Zahlungsempfänger ausschließlich nach Post-
leitzahlen reichen nicht aus. Für Sozialdemokraten gilt
der Grundsatz, dass wir zukünftig nur noch öffentliches
Geld für öffentliche Leistungen ausgeben wollen. Land-
wirte erbringen Leistungen im Bereich des Umwelt-,
Tier-, Boden- und Gewässerschutzes. Dazu kommen die
Maßnahmen zum Erhalt unserer Kulturlandschaft und
der Biodiversität. Diese konkreten Maßnahmen wollen
wir auch zukünftig mit öffentlichem Geld bezahlen.
Die Gießkanne als Verteilungsprinzip sollte doch aus-
gedient haben. Pauschale Zahlungen sind ein Auslauf-
modell. Deshalb müssen wir uns schon heute Gedanken
darüber machen, an welchen Stellen wir die europäische
Agrarpolitik weiterentwickeln wollen.
Einen guten Anlass bietet die Halbzeitbewertung 2017
der europäischen Agrarpolitik. Spätestens dann sollten
wir den Einstieg in den Ausstieg aus dem bisherigen Di-
rektzahlungssystem einläuten. In der Perspektive müs-
sen wir aus dem bisherigen Zahlungssystem aussteigen
und das Zweisäulenmodell aufgeben. Eine Umschich-
tung weiterer Mittel von der 1. in die 2. Säule ist als
nächster Schritt unerlässlich.
In diesem Zusammenhang plädiere ich dafür, ab 2017
mehr als die bisher vereinbarten 4,5 Prozent für eine
sinnvolle Politik zur Entwicklung der ländlichen Räume
umzuschichten. Dabei sind doch 25 Prozent möglich.
Alle Bundesländer haben in der Sitzung des Bundes-
rates am 6. März 2015 dem Gesetzentwurf ohne Einwen-
dungen zugestimmt. Ich hoffe daher, dass auch die Op-
position diesem Gesetzentwurf in den anschließenden
Beratungen im zuständigen Ausschuss zustimmen wird.
Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE): Alle europäi-
schen Landwirtschaftsbetriebe bekommen nach be-
stimmten Regeln Agrarsubventionen aus Brüssel. Doch
wer wie viel Geld wofür bekommt, ist oft unklar. Trans-
parenz sollte aber gerade bei der Verwendung von
öffentlichen Geldern aus Sicht der Linken eine Selbst-
verständlichkeit sein.
Und wenn in der Agrarförderung unser Prinzip gelten
würde „öffentliches Geld für öffentliche Leistung“, wäre
es doch geradezu grotesk, diese öffentliche Leistung und
ihre finanzielle Unterstützung nicht allgemein zugäng-
lich zu machen. Ich kann nicht nachvollziehen, welche
Neiddebatte sich daraus entwickeln soll. Diese Behaup-
tung der Union und des Bauernverbandes halte ich für
vorgeschoben.
Im Gegenteil würden wir Linken es sogar begrüßen,
wenn diese Transparenzregeln für alle Wirtschaftsberei-
che gelten würden. Wichtig ist uns allerdings, dass die
Veröffentlichungspflicht nicht nur für Agrargenossen-
schaften oder GmbHs gilt, sondern für alle, also auch für
Familienbetriebe. Das ist nicht selbstverständlich.
Im Jahr 2010 hat die damalige Bundesagrarministerin
Ilse Aigner ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs
zum Anlass genommen, natürliche Personen, also Fami-
lienbetriebe, wieder von der Veröffentlichungspflicht zu
befreien. Die EU-Kommission hat sich damit nicht
zufriedengegeben und eine Lösung gefordert, um die
Transparenz zu erhöhen, ohne den personenbezogenen
Datenschutz zu verletzen.
Durch die heute vorliegende Gesetzesänderung wird
nachgebessert und Transparenz wieder für alle zur
Pflicht, was übrigens im Zuge der EU-Agrarreform auch
breiter Konsens war.
Auf der Internetseite www.agrar-fischerei-zahlungen.de
können sich demnächst alle Interessierten ein eigenes
Bild darüber machen, was mit den EU-Geldern
finanziert wird.
Auf der Seite sind auch grundsätzliche Informationen
zu allen EU-Agrarfonds einsehbar, also sowohl zum
ELER-Fonds zur Entwicklung des ländlichen Raums als
auch zum Fonds mit den Direktzahlungen für die Land-
wirtschaftsbetriebe und auch zum Meeresfischereifonds.
Leider sind die Informationen, wie so oft, sehr leseun-
freundlich sortiert und für Laien schwer verständlich.
Das sollte so schnell wie möglich geändert werden,
wenn man es mit Transparenz und Öffentlichkeit ehrlich
meint. Die EU-Kommission will damit auch der
Notwendigkeit einer öffentlichen Kontrolle über die Ver-
wendung der Mittel aus den europäischen Agrarfonds
gerecht werden.
Die Daten stehen zwei Jahre online. Auch aus Sicht
der Linksfraktion trägt mehr Transparenz vor allem zu
mehr Akzeptanz bei. Und mehr Akzeptanz benötigt die
EU-Agrarpolitik dringend. Denn es geht nach wie vor
um einen, zwar kleiner werdenden, aber immer noch er-
heblichen Anteil am EU-Haushalt. Und es ist offen, ob
und wie die EU-Agrargelder in der nächsten Agrar-
förderperiode nach 2020 verteilt werden sollen.
Es gibt immer mehr Stimmen, die diese Direktzahlun-
gen an Agrarbetriebe infrage stellen. Der Deutsche Bau-
ernverband sollte eher darauf achten, dass niemand auf
die Idee kommt, es solle hier etwas verschleiert werden.
Zum Beispiel die Agrarsubventionen, die auch der eine
oder andere Bundestagsabgeordnete bekommt, wie auf
der Plattform abgeordnetenwatch nachzulesen ist. Eine
solche Debatte wäre nun ganz und gar nicht im Interesse
der Agrarbetriebe. Also sollte man besser offen damit
umgehen und zeigen, dass das Geld im Interesse des Ge-
meinwohls gut angelegt ist.
Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN): Transparenz ist notwendig für Demokratie! Infor-
miertheit ist Voraussetzung für eigene Entscheidungen!
Wissen ist Bedingung für Beteiligung! Die Akzeptanz
dieser wichtigen Grundsätze gehört eigentlich auch zum
politischen Selbstverständnis der Bundesregierung. Zu-
9030 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 94. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. März 2015
(A) (C)
(D)(B)
mindest sollte sie das. Aber tut sie dies auch? Zumindest
gehört sie zur politischen Rhetorik der Bundesregierung.
Zur ihrer politischen Praxis gehören dagegen Ver-
schleierung, Verzögerung und Desinformation. So hat
die Bundesregierung über lange Zeit hinweg die Veröf-
fentlichung der Höhe von Agrarzahlungen, also Steuer-
geldern, abgelehnt, blockiert und verhindert. Das hat
gute Gründe. Wenn wir uns die Verteilung der Agrar-
zahlungen, rund 5 Milliarden Euro pro Jahr, anschauen,
dann wird deutlich, für welche Klientel die Bundesre-
gierung Agrarpolitik betreibt.
Ein Beispiel: Ein Prozent der landwirtschaftlichen
Betriebe, die größten 3 200 von 320 000, bekommen
circa 22 Prozent der Agrargelder oder rund 300 Euro pro
Hektar. Das heißt: Wer viel hat, dem wird gegeben. Da-
gegen bekommen die kleinsten 50 Prozent der Betriebe
gerade mal 8 Prozent der Gelder.
Diese Zahlen machen zwei Dinge deutlich:
Erstens die Ungerechtigkeit der Agrarpolitik in
Deutschland. Die unionsgeführte Agrarpolitik vertritt
nur die Interessen der großen Betriebe.
Zweitens die Unfähigkeit und den Unwillen der Bun-
desregierung, die Probleme in der Landwirtschaft zu lö-
sen. Eine Kappung und Umverteilung der Zahlungen
wären in der Gemeinsamen Agrarpolitik möglich gewe-
sen. Dieses hätte struktur- und sozialpolitische Effekte.
Stattdessen werden die Gelder weiterhin über die Fläche
gegossen und versickern auf den staubigen Feldern der
Agrarindustrie.
Dies macht deutlich, warum die Bundesregierung
kein Interesse an Transparenz der Agrarzahlungen hat.
Es brauchte erst das Urteil des Europäischen Ge-
richtshofes, um die Bundesregierung an ihre Aufgabe zu
erinnern und diese Transparenz endlich herzustellen. Mit
dem vorliegenden Gesetzentwurf wird dieses Urteil um-
gesetzt.
Doch Bundesminister Schmidt ist sich nicht zu
schade, weiterhin die Keule zu schwingen und jedem zu
drohen, der sich oder andere informieren möchte. Ich zi-
tiere den Minister aus seiner Rede an die Mitglieder in
der Unions- und SPD-Fraktion: Wir haben „größten
Wert auf Datensparsamkeit und Schutz vor Datenmiss-
brauch gelegt“ und: „Wir werden sehr genau beobach-
ten, wie die veröffentlichten Daten wahrgenommen und
veröffentlicht werden“. Herr Minister, dieses ist eine of-
fene Drohung. Dieses kommt einem Maulkorb für die
interessierte Öffentlichkeit gleich.
Moderne Politik sieht anders aus, sie braucht größt-
mögliche Transparenz. Herr Minister, die Öffentlichkeit
hat ein Recht darauf, zu erfahren, wohin die 5 Milliarden
Euro pro Jahr fließen. Die Öffentlichkeit hat auch ein
Recht darauf, mit diesen Daten zu arbeiten. Es ist erklär-
tes Ziel der EU, mit der Transparenzregelung über die
Verwendung von Gemeinschaftsmitteln die Öffentlich-
keitswirksamkeit und die Akzeptanz der Gemeinsamen
Agrarpolitik zu verbessern.
Mit Ihrer Politik, Herr Minister, bewirken Sie aber
das genaue Gegenteil. Mit Ihrer Politik erfüllen Sie nicht
das Ziel von Transparenz und Akzeptanz. Ihre Politik ist
gegen die Bürger gerichtet, und Ihre Politik ist gegen die
Landwirtschaft gerichtet.
Herr Minister, Landwirtschaft und Gesellschaft ste-
hen nicht gegeneinander. Nein, eine Politik für die Land-
wirtschaft benötigt Transparenz und nicht Verschleie-
rung gegenüber der Zivilgesellschaft. Herr Minister,
sorgen Sie dafür. Und sorgen Sie im Übrigen endlich für
eine andere, bessere Landwirtschaft.
Peter Bleser, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
minister für Ernährung und Landwirtschaft: Wir beraten
heute hier in diesem Hohen Hause über das Gesetz zur
Änderung des Agrar- und Fischereifonds-Informationen-
Gesetzes und des Betäubungsmittelgesetzes. Hinter dem
sperrigen Namen verbirgt sich die nationale Umsetzung
der EU-Bestimmungen für die Veröffentlichung von
EU-Zahlungen an unsere Landwirte und Fischer. Sie alle
wissen, in der Vergangenheit haben diese Veröffentli-
chungen für Wirbel gesorgt. Viele Landwirtinnen und
Landwirte fühlten sich an den Pranger gestellt. Und ich
sage es ganz offen: Ich kann ihren Ärger und ihre Sorge
sehr gut verstehen!
Es stellt sich schon die Frage: Warum trifft es eigent-
lich nur die Landwirte? Sie sind ja bei weitem nicht die
einzigen Empfänger von EU-Leistungen. Wenn wir über
Transparenz reden, kann man auch an andere Bereiche
denken.
Wir haben im Jahr 2013 mit der Reform der gemein-
samen Agrarpolitik, GAP, einen wichtigen Schritt für die
Zukunftsfähigkeit der Landwirtschaft gemacht. Ilse
Aigner hat das ausverhandelt. Es waren zähe und lang-
wierige Verhandlungen – die Interessen lagen weit ausei-
nander.
Am Ende war es ein Kompromiss, aber es war ein
guter Kompromiss für Deutschland. Viele deutsche An-
liegen, insbesondere die Forderung nach stabilen Di-
rektzahlungen, konnten wir erfolgreich durchsetzen. Wir
haben ein stabiles Fundament für die Landwirtschaft ge-
schaffen! Und so war es richtig, dass Deutschland dem
Gesamtpaket der GAP-Reform zugestimmt hat. Teil die-
ses Gesamtpaketes war auch die Neuregelung über die
Veröffentlichung der Agrarzahlungen.
Wir sind nun europarechtlich zur Umsetzung der Ver-
öffentlichung nach den neuen EU-Vorschriften bis spä-
testens zum 31. Mai 2015 verpflichtet. Auch wenn man
weiterhin Zweifel haben kann, ob die neue EU-Regelung
tatsächlich den Anforderungen des EuGH-Urteils ent-
spricht – insbesondere was die Verhältnismäßigkeit be-
trifft –, so führt derzeit kein Weg an deren Umsetzung
vorbei; andernfalls droht ein Vertragsverletzungsverfah-
ren. Das würde eine deutlich erhöhte und vor allem kriti-
sche öffentliche Aufmerksamkeit nach sich ziehen. Des-
halb müssen wir die Veröffentlichung im Interesse
unserer Landwirtinnen und Landwirte nun so gut wie
möglich gestalten.
Die neuen EU-Bestimmungen sehen vor, zukünftig
bei der Veröffentlichung der Agrarzahlungen auch wie-
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 94. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. März 2015 9031
(A) (C)
(D)(B)
der natürliche Personen einzubeziehen und die einzelnen
Fördermaßnahmen differenzierter als bisher auszuwei-
sen und zu erläutern. Wir wollen diese Informationen
nutzen, um die Leistungen unserer Landwirte besser zu
erklären. Die Menschen können dann sehen: Unsere
Bauern erhalten keine Almosen sondern erbringen für
die Zahlungen wichtige Gegenleistungen. Beispiel Tier-
schutz: Die Bauern stehen im Fokus gesellschaftlicher
Erwartung. Nun wird man nachlesen können, mit wel-
chen förderungswürdigen Maßnahmen sie hier schon
heute höchste Leistungen erbringen. Sehen wir es posi-
tiv: Klug eingesetzt, kann das der Gemeinsamen Agrar-
politik zu mehr Akzeptanz verhelfen.
Wichtig ist auch die neue Bagatellgrenze: Wer zu den
Kleinempfängern gehört und nicht mehr als 1 250 Euro
EU-Agrarfördermittel erhält, wird nur in anonymisierter,
mit einem Code versehener Form veröffentlicht.
In dem Gesetzentwurf hat das BMEL größten Wert
auf Datensparsamkeit und Schutz vor Datenmissbrauch
gelegt. Wir wollen ausschließlich die vom EU-Recht
zwingend vorgeschriebenen Informationen über die Emp-
fänger von Agrar- und Fischereizahlungen veröffentli-
chen; es handelt sich insoweit also um eine verpflich-
tende Eins-zu-eins-Umsetzung europäischen Rechts. Die
verpflichtenden Informationen werden veröffentlicht,
aber nicht nach dem One-Click-Prinzip der EU. Damit
ist es in Deutschland nicht möglich, Listen von Empfän-
gern und Zahlungen zu entnehmen.
Beim Schutz der Landwirte vor missbräuchlicher Da-
tenverwendung beschränkt sich der Entwurf hingegen
nicht auf eine reine Umsetzung der EU-Vorgaben. Herr
Bundesminister Schmidt hat veranlasst, dass erstmals
eine Datenschutzregelung ausgenommen wird, mit der
eine missbräuchliche, nicht dem Transparenzziel ent-
sprechende Nutzung der veröffentlichten Daten unter-
sagt und mit einem Bußgeld von bis zu 300 000 Euro be-
wehrt wird.
Damit haben wir ein vernünftiges Regelwerk vorge-
schlagen, das Datensparsamkeit, Verhinderung von Miss-
brauch und eine transparente Erläuterung der Leistungen
der Landwirtschaft in den Vordergrund stellt. Dafür
werbe ich um Ihre Zustimmung.
Wir werden sehr genau beobachten, wie die veröffent-
lichten Daten wahrgenommen und verwendet werden.
Sollte sich herausstellen, dass trotz dieser Vorkehrungen
durch die Veröffentlichung der Agrar- und Fischereizah-
lungen die Datenschutzinteressen der Bäuerinnen und
Bauern massiv verletzt werden, wird Herr Bundesminis-
ter Schmidt nicht zögern, dies zu einem EU-Thema zu
machen.
Anlage 3
Zu Protokoll gegebene Reden
Zur Beratung der Beschlussempfehlung und
des Berichts: Kontoeröffnungen für Flüchtlinge
ermöglichen (Tagesordnungspunkt 16)
Olav Gutting (CDU/CSU): Das Schicksal von
Flüchtlingen beschäftigt uns alle, und es ist gut, dass wir
uns gemeinsam dafür einsetzen, den Asylsuchenden in
Deutschland Zugang zu einem Konto zu ermöglichen.
Darin sind wir uns einig. Nur über die Frage, welcher
Weg der richtige ist, sind wir unterschiedlicher Ansicht.
Durch die wachsende Anzahl der Flüchtlinge steigt
auch die Zahl der Betroffenen, denen derzeit ein Zugang
zu einem Konto aufgrund fehlender geeigneter Doku-
mente verschlossen bleibt. Das wollen wir ändern.
Im Jahr 2014 hat es bei Asyl-Erstanträgen nochmals
einen Zuwachs zum Vorjahr um circa 70 Prozent gege-
ben.
Eines der Hauptherkunftsländer ist aufgrund des dort
tobenden schrecklichen Bürgerkrieges weiterhin Syrien.
Wir wollen diesen Menschen helfen, und wir wollen
diesen Flüchtlingen auch Zugang zu einem Konto ge-
währen: denn ohne Konto ist eine Teilhabe am Leben in
unserer Gesellschaft nur schwer möglich.
Deshalb hat sich die Bundesregierung bereits frühzei-
tig und mit Nachdruck unter Federführung des BMF bei
den europäischen Verhandlungen zur Zahlungskonten-
richtlinie erfolgreich dafür eingesetzt, dass der Zugang
zu einem Bankkonto mit grundlegenden Funktionen ei-
nem breiten Personenkreis unter Einbeziehung von
Flüchtlingen mit berechtigtem Status eingeräumt wird.
Die Grünen machen es sich jedoch mit ihrem Antrag
zu einfach, in dem sie die Bundesregierung auffordern,
per Rechtsverordnung, sozusagen in einer Hau-Ruck-
Aktion, zu bestimmen, dass Duldungsbescheinigungen
geeignete Dokumente zur Überprüfung der Identität im
Sinne des Geldwäschegesetzes sind. Eine solche Rechts-
verordnung verstößt nach unserer Auffassung gegen gel-
tendes höherrangiges Recht. Und bei aller gebotenen
Eile, einen rechtswidrigen Weg wollen wir doch wohl
alle nicht beschreiten.
Dem Petitum der Grünen wird durch das bereits in der
Ressortabstimmung befindliche Umsetzungsgesetz zur
Zahlungskontenrichtlinie vollumfänglich Rechnung ge-
tragen.
Der Antrag der Grünen ist auch deshalb abzulehnen,
da diese Regelung dem Versuch gleichkäme, das Pferd
von hinten aufzuzäumen.
Wichtig ist, dass wir jetzt nicht die rechtlichen Vo-
raussetzungen für eine Kontoeröffnung nach dem Geld-
wäschegesetz aushebeln. Wir wollen die rechtlichen und
tatsächlichen Voraussetzungen dafür schaffen, dass auch
Asylsuchende und Personen, deren Aufenthalt in
Deutschland nur geduldet ist, über ein amtliches Doku-
ment zur Überprüfung ihrer Identität verfügen. Das geht
leider nicht von jetzt auf gleich. Dafür braucht man ein
wenig Zeit. Mit Schnellschüssen wird man dieser für
Flüchtlinge und Geduldete wichtigen Angelegenheit
nicht gerecht.
Die rechtliche Umsetzung der im September 2014 in
Kraft getretenen Richtlinie in nationales Recht muss bis
Mitte September 2016 erfolgt sein. Ich bin überzeugt,
dass nach abgeschlossener Ressortabstimmung der Ge-
9032 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 94. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. März 2015
(A) (C)
(D)(B)
setzentwurf schnell und zügig hier beraten und beschlos-
sen werden kann.
Die von Ihnen vorgeschlagene Lösung ist hingegen
ungeeignet. Bei allem Verständnis für die Zielrichtung
Ihres Antrages werden wir diesen daher ablehnen.
Philipp Graf Lerchenfeld (CDU/CSU): Seit Ein-
gang dieses Antrags von Bündnis 90/Die Grünen ist
mittlerweile fast ein ganzes Jahr vergangen. Bei den Be-
ratungen in den verschiedenen Ausschüssen wurde frak-
tionsübergreifend festgestellt, wie wichtig es ist, über ein
eigenes Bankkonto zu verfügen, um am allgemeinen
Wirtschaftsgeschehen heute teilnehmen zu können.
Mittlerweile ist im September 2014 die Zahlungskon-
tenrichtlinie der EU verabschiedet worden, in der festge-
halten ist, dass die Mitgliedstaaten sicherzustellen ha-
ben, dass Verbraucher mit rechtmäßigem Aufenthalt in
der Union und Asylsuchende sowie Verbraucher ohne
Aufenthaltstitel, die aber aus rechtlichen oder tatsächli-
chen Gründen nicht abgeschoben werden können, das
Recht haben, ein Zahlungskonto mit grundlegenden
Funktionen bei ansässigen Kreditinstituten zu eröffnen
und zu nutzen.
Auf Drängen der Bundesregierung wurde diese Aus-
weitung des ursprünglichen Entwurfs dieser Richtlinie
auf Asylsuchende und nach deutschem Ausländerrecht
geduldete Personen in die Richtlinie vorgenommen. Die
deutsche Verhandlungslinie spiegelt sich in Artikel 16
Absatz 2 der Richtlinie wider, denn durch den Nachdruck,
mit dem Deutschland verhandelt hat, haben nunmehr ex-
plizit auch Asylsuchende sowie Geduldete, die aus recht-
lichen oder tatsächlichen Gründen nicht abgeschoben
werden können und sich regelmäßig in Deutschland auf-
halten, Anspruch auf ein Zahlungskonto.
Zunächst könnte man nun also feststellen, dass mit
der Richtlinie die Grundlage geschaffen wurde, um den
vorliegenden Antrag der Kollegen für erledigt zu erklä-
ren. Die Richtlinie muss bis September 2016 in nationa-
les Recht umgesetzt werden, und damit wird dem Anlie-
gen Rechnung getragen.
Die Vorbereitungen zur Umsetzung der Richtlinie in
nationales Recht haben bereits im vergangenen Jahr be-
gonnen, und bis zur Sommerpause soll dazu ein abge-
stimmter Entwurf vorgelegt werden. Dabei ist es drin-
gend notwendig, dass nach den europarechtlichen
Vorgaben jegliche Diskriminierung beim Zugang zu
Zahlungskonten für alle Personengruppen ausgeschlos-
sen wird.
Es tritt dabei aber ein Problem auf, da das Recht auf
die Kontoeröffnung beschränkt wird durch die Bestim-
mungen über die Verhinderung von Geldwäsche und die
Terrorismusbekämpfung. Nach dem Geldwäschegesetz,
GWG, müssen die Kreditinstitute die Identität desjeni-
gen, der ein Konto eröffnen will, prüfen. Nach § 4 Ab-
satz 4 GWG setzt die Identitätsprüfung ein amtliches
Dokument mit einem Lichtbild der Person voraus. Dies
ist bei Aufenthaltsgestattungen bzw. Duldungsbescheini-
gungen allerdings regelmäßig nicht der Fall. Somit muss
im weiteren Gesetzgebungsverfahren zur Umsetzung der
Richtlinie darauf geachtet werden, dass dem entspre-
chenden Personenkreis durch geeignete Dokumente, die
den Vorgaben des GWG entsprechen, die Kontoeröff-
nung ermöglicht wird.
Wir sind zuversichtlich, dass hier bei der Umsetzung
der Richtlinie die notwendigen Schritte getan werden,
damit eine Diskriminierung des Personenkreises vermie-
den wird.
Erfreulicherweise bieten Sparkassen und Raiffeisen-
banken in sehr pragmatischer Art und Weise bereits seit
einiger Zeit sogenannte Guthabenkonten an, die in man-
chen Landkreisen und Städten schon genutzt werden, um
den Asylsuchenden und den Geduldeten bargeldlos die
ihnen zustehenden Leistungen zukommen zu lassen.
Diese Kreditinstitute handeln vorbildlich und sozial ver-
antwortungsvoll.
Wir haben im Finanzausschuss den Antrag abgelehnt,
weil er sich durch die zu erwartende verantwortungs-
volle Umsetzung der EU-Zahlungskontenrichtlinie in al-
lernächster Zeit erledigen wird. Dieses Votum schlage
ich auch dem Hohen Haus vor.
Dr. Jens Zimmermann (SPD): Jeder weiß: Ohne ein
Konto geht im Alltag heute fast nichts mehr. Trotzdem
haben in Deutschland momentan noch fast 700 000 Men-
schen kein eigenes Girokonto, darunter Obdachlose, Sai-
sonarbeiter, freie Dienstleister oder Gaststudenten.
Es betrifft auch Menschen, die oft eine lange und ge-
fährliche Flucht hinter sich haben, weil sie in Deutsch-
land und Europa auf ein neues, besseres Leben hoffen.
Flüchtlinge haben in Deutschland häufig große Schwie-
rigkeiten, ein Girokonto zu eröffnen. Das Problem liegt
auf der Hand, denn viele verfügen über keine Ausweis-
papiere, weil sie ihnen auf der Flucht abgenommen wur-
den oder weil sie sie aus Angst vernichtet haben.
Hier kollidieren Ausländerrecht und Geldwäschevor-
schriften. Ich will kurz skizzieren, worum es geht:
Jede Bank muss nach dem Geldwäschegesetz vor Er-
öffnung eines Kontos die Identität des künftigen Kunden
prüfen. Denn das Geldwäschegesetz soll verhindern,
dass Kriminelle oder Terroristen illegales Geld über
Banken „waschen“. Das Gesetz verpflichtet Banken des-
halb dazu, die Identität der Kunden zu prüfen. Identitäts-
nachweise sind Ausweispapiere, also Personalausweise,
Reisepässe oder ein Ausweisersatz.
Ausländische Staatsangehörige, die nur eine Duldung
nach dem Aufenthaltsgesetz besitzen und kein Pass-
dokument aus ihrem jeweiligen Herkunftsstaat, konnten
deshalb in der Vergangenheit häufig kein Konto eröff-
nen. Anders als bei Flüchtlingen mit Aufenthaltsgestat-
tung werden Duldungsbescheinigungen häufig nicht als
Ausweisersatz ausgestellt und deshalb auch von den
meisten Banken nicht als Dokument zur zweifelsfreien
Identifizierung im Sinne des Geldwäschegesetzes aner-
kannt.
Und genau hier liegt das Problem: Für die Betroffe-
nen ist es schlimm, wenn ihnen die Eröffnung eines
Girokontos aus den verschiedensten Gründen nicht mög-
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 94. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. März 2015 9033
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lich ist. Eine Teilnahme am sozialen und wirtschaftli-
chen Leben setzt auch den Zugang zu Finanzdienstleis-
tungen voraus. Denn ein Leben ohne Konto schränkt ein:
ob bei Mietzahlungen, bei Arbeits- oder Handyverträgen
oder beim Bezahlen von Rechnungen.
Ich gehe davon aus, dass wir uns mit allen anderen
Bundestagsfraktionen darin einig sind, hier als Gesetz-
geber handeln zu müssen. Jeder und jede sollte das
Recht haben, ein Konto eröffnen zu können.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen: Sie
fordern nun in Ihrem Antrag, dass Duldungsbescheini-
gungen durch Rechtsverordnung des Innenministeriums
als geeignete Dokumente für eine Identitätsüberprüfung
bestimmt werden.
Auch wenn wir alle in dieser Frage das politische Ziel
ihres Antrags teilen und auch wenn das Innenministe-
rium zu solchen Anpassungen grundsätzlich ermächtigt
ist, halten wir als SPD-Bundestagsfraktion gemeinsam
mit unseren Unionskollegen den von Ihnen vorgeschla-
genen Weg für falsch. Denn hierzu braucht es keine Än-
derung auf dem Verordnungsweg, wie Sie es in Ihrem
Antrag fordern. Hierzu braucht es vielmehr ein umfas-
sendes Gesetzgebungsvorhaben, in dem unter Beteili-
gung aller verantwortlichen Ressorts ein vernünftiger
Vorschlag ausgearbeitet wird.
Eine umfassende Lösung für das eben beschriebene
Problem kommt zeitnah: Das Recht auf ein „Konto für
jedermann“ ist im September letzten Jahres mit der Ver-
abschiedung der EU-Zahlungskontenrichtlinie auf den
Weg gebracht worden.
Mit der nationalen Umsetzung der Richtlinie wird das
Recht für jeden Verbraucher auf Zugang zu einem Basis-
konto mit grundlegenden Funktionen verankert. Sie er-
wähnen es in Ihrem Antrag selbst: Die Richtlinie schafft
in Artikel 16 erstmals auch das Recht für „Asylsuchende
und Verbraucher ohne Aufenthaltstitel, die aus rechtli-
chen oder tatsächlichen Voraussetzungen nicht ab-
geschoben werden können“, ein „Zahlungskonto mit
grundlegenden Funktionen“ zu eröffnen.
Hier danke ich der Bundesregierung nochmals aus-
drücklich dafür, dass sie sich in den europäischen Ver-
handlungen engagiert für die Aufnahme von Asylsu-
chenden und Geduldeten in die Richtlinie eingesetzt hat.
Dem Einsatz der Bundesregierung ist es zu verdanken,
dass das Recht auf ein „Konto für jedermann“ im wahrs-
ten Sinne des Wortes ein Recht sein wird, dass für jeder-
mann und jedefrau gelten wird. Denn mit der Umsetzung
der Richtlinie wird in Deutschland das Recht auf ein
Girokonto für alle verankert. Erst mit der Umsetzung der
Zahlungskontenrichtlinie können dann auch andere Kre-
ditinstitute verpflichtet werden, Kontoeröffnungen für
alle zu ermöglichen.
Damit sich die Situation bis zur Umsetzung der Zah-
lungskontenrichtlinie bereits jetzt für viele Flüchtlinge
verbessert, haben Bundesfinanzministerium und die
BaFin Ende 2014 zusammen mit dem Sparkassen- und
Giroverband eine Übergangslösung erarbeitet. Für
Flüchtlinge, die nach § 60 Aufenthaltsgesetz geduldet
sind, akzeptieren Sparkassen auch eine Meldebescheini-
gung zusammen mit den Kerndaten und einem Lichtbild
für eine Kontoeröffnung. Das ist eine gute Übergangslö-
sung, die dabei hilft, das Problem auch im Sinne der
Ausländerbehörden der Kommunen und Kreise unbüro-
kratisch zu lösen.
Alle diese laufenden Aktivitäten lässt Ihr Antrag,
liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, völlig
unberücksichtigt.
Für uns als Sozialdemokraten hat das Thema eine
hohe Bedeutung. Wir als SPD-Bundestagsfraktion haben
uns schon in der letzten Wahlperiode mit einem Antrag
für einen Rechtsanspruch auf ein Guthabenkonto in
Deutschland eingesetzt. Wir haben bei der abschließen-
den Beratung des vorliegenden Antrags im Finanzaus-
schuss in einer schriftlich abgegebenen Erklärung zwei
Dinge gefordert:
Erstens fordern wir als SPD-Fraktion eine zügige na-
tionale Umsetzung der Richtlinie, damit wir die jetzige
Situation, die für alle Beteiligten unbefriedigend ist,
möglichst schnell ändern. Dass immer mehr Kommunen
dazu übergehen, Bargeld statt Gutscheine an Flüchtlinge
auszugeben, macht eine zügige Umsetzung nur noch
dringlicher. Ich freue mich deshalb darüber, dass es für
die Umsetzung der Zahlungskontenrichtlinie einen Zeit-
plan gibt, der vorsieht, dass der Referentenentwurf noch
vor der Sommerpause fertiggestellt wird. Dann kann die
Umsetzung voraussichtlich bis zum nächsten Frühjahr
abgeschlossen werden.
Zweitens muss im Umsetzungsverfahren ein Weg ge-
funden werden, bei dem Duldungsbescheinigungen re-
gelmäßig als Ausweisersatz anerkannt werden, damit eine
Kontoeröffnung möglich ist. Die amtlichen Dokumente
für Asylsuchende und Personen ohne Aufenthaltstitel
müssen also so gestaltet sein, dass künftig zweifelsfrei
eine Identitätsprüfung möglich ist, ohne mit Geldwä-
schevorschriften in Konflikt zu geraten. Denn auch in
der EU-Geldwäscherichtlinie, auf der die nationalen
Vorschriften im Geldwäschegesetz beruhen, ist dies be-
reits berücksichtigt. In den Erwägungsgründen der
Richtlinie heißt es ausdrücklich, dass die Bestimmungen
der Geldwäscherichtlinie nicht als Vorwand für Kredit-
institute dienen dürfen, wirtschaftlich weniger interes-
sante Verbraucher abzulehnen. Deshalb müssen auch die
Vorgaben zur Identifizierung im Geldwäschegesetz mit
der Umsetzung der Zahlungskontenrichtlinie geändert
werden.
Für mich als Berichterstatter der SPD-Bundestags-
fraktion zum Thema Geldwäschebekämpfung ist eine
zweifelsfreie Identifizierung von Personen, die ein
Konto eröffnen möchten, dem Grunde nach natürlich
eine gute und sinnvolle Maßnahme. Es kann und darf
aber nicht sein, dass Menschen von Vorschriften negativ
betroffen sind, für die diese gar nicht gedacht sind.
Deshalb müssen wir eine Lösung finden, die beiden
Ansprüchen gerecht wird: Eine wirksame Bekämpfung
von Geldwäsche muss weiterhin möglich sein. Gleich-
zeitig muss aber auch sichergestellt werden, dass nie-
mand an der Eröffnung eines Kontos gehindert wird, sei
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es durch bestimmte Vorschriften oder durch die Banken
selbst.
Ich bin mir sicher, dass wir hier in enger Abstimmung
zwischen Innen- und Finanzministerium sowie dem
Ministerium für Recht und Verbraucherschutz zu einer
guten Lösung kommen werden. So schaffen wir bald die
Grundlage für einen bargeldlosen Zahlungsverkehr, der
niemanden mehr ausschließt.
Der Referentenentwurf für das Zahlungskontenge-
setz wird noch vor der Sommerpause fertiggestellt. Jetzt
an einer einzelnen Schraube zu drehen, obwohl in ein
paar Monaten sowieso das ganze Räderwerk umgebaut
wird, halte ich nicht für hilfreich.
Wir wollen eine Regelung, die niemanden mehr au-
ßen vor lässt. Denn nicht nur Flüchtlinge haben Pro-
bleme bei der Eröffnung von Bankkonten. Wir wollen
außerdem eine Regelung, die gleichzeitig dem Rechts-
anspruch des Einzelnen auf ein Girokonto und dem Inte-
resse aller an einer wirksamen Geldwäschebekämpfung
gerecht wird.
Auf beides liefert der vorliegende Antrag keine Ant-
wort. Deshalb werden wir diesen Antrag ablehnen.
Ulla Jelpke (DIE LINKE): Wir beraten heute ab-
schließend einen Antrag der Fraktion der Grünen,
Flüchtlingen den Zugang zu einem Girokonto zu erleich-
tern. Viele Asylbewerber und Geduldete können derzeit
kein Konto eröffnen, weil sie keine Pässe haben. Und
wer seine Identität nicht eindeutig nachweisen kann, darf
nach dem Geldwäschebekämpfungsgesetz kein Konto
haben. Doch ohne Girokonto kriegt man keine
Wohnung, keine Arbeit, kann keinen Telefonvertrag
schließen. Flüchtlinge leiden also unter einem Gesetz,
dass eigentlich schwere Kriminalität und Terrorismus
bekämpfen soll. Das kann in einem Rechtsstaat nicht
sein, und deshalb unterstützen wir den Antrag der Grü-
nen.
Die Sparkassen bemühen sich seit Jahren, auch Asyl-
suchenden und Geduldeten ohne Pass die Eröffnung ei-
nes Kontos zu ermöglichen. Seit 2011 ist das in einigen
Fällen bei der Sparkasse Berlin möglich. Und im vergan-
genen Jahr hat das Bundesministerium der Finanzen eine
Übergangsregelung geschaffen. Demnach können nun
auch Inhaber einer Aufenthaltsgestattung ohne Pass oder
Ersatzausweis ein Konto eröffnen. Das ist gerade für
viele syrische Flüchtlinge eine Erleichterung, die wir be-
grüßen.
Allerdings profitieren viele der Geduldeten nicht von
dieser großzügigen Auslegung der Regeln gegen Geld-
wäsche. Denn viele von ihnen haben keine Duldungsbe-
scheinigung mit Passfoto. Das ist der Fall, wenn sie sich
nach Meinung der Behörden nicht ausreichend um einen
Pass oder Passersatz bemühen. Damit fehlt ihnen der
eindeutige Identitätsnachweis, und Sparkassen dürfen
für sie weiterhin kein Konto eröffnen.
Und das Bundesinnenministerium beharrt ausdrück-
lich auf dieser ausgrenzenden Regelung. Hier wird das
Geldwäschebekämpfungsgesetz missbraucht, um Tau-
senden Geduldeten den Alltag zu erschweren. Diese Dis-
kriminierung muss endlich beseitigt werden.
Derzeit erstellt das Bundesfinanzministerium einen
Gesetzentwurf zur Umsetzung der EU-Richtlinie zu
Zahlungskonten. Zentral darin ist das Jedermannskonto.
Mit Umsetzung der Richtlinie werden auch Geduldete
ohne Pass in den Genuss eines Girokontos kommen. Das
wird glücklicherweise auch von der Koalition nicht be-
stritten. Laut der Aussagen in der Ausschussberatung
sollen auch Geduldete ohne Pass in Zukunft eine Dul-
dungsbescheinigung mit Lichtbild erhalten. Doch bis-
lang liegt dazu nicht einmal ein Gesetzentwurf vor. Die
Zahl der Asylsuchenden und Geduldeten ohne Pass oder
Ausweisersatz steigt. Diese Menschen dürfen nicht wei-
ter vertröstet werden. In den nächsten Wochen werden
wir über Änderungen im Aufenthaltsrecht beschließen.
Das wäre eine gute Gelegenheit für die Koalition, die
Hindernisse bei der Eröffnung von Girokonten für Ge-
duldete endlich wegzuräumen.
Zugleich kann ich es den Grünen aber nicht ersparen,
noch einmal klar zu sagen: Die Situation geduldeter
Menschen in Deutschland ohne anerkannten Identitäts-
nachweis ist von viel drängenderen Problemen geprägt.
Häufig unterliegen sie beispielsweise einem Beschäfti-
gungsverbot – ein Konto zu haben oder nicht, ist für sie
also eher ein Luxusproblem. Die Linke wird deshalb
demnächst einen Antrag zur Debatte stellen, mit dem wir
die Lebenssituation von Asylsuchenden und Geduldeten
insgesamt verbessern wollen.
Luise Amtsberg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es
ist ein Armutszeugnis, dass CDU/CSU und SPD blinde
Koalitionsräson über das Wohl der Menschen und über
ihre eigene Überzeugung setzen. Sonst hätten sie unse-
ren Antrag im Finanzausschuss angenommen – schließ-
lich wurde er fraktionsübergreifend begrüßt. Bislang ist
vielen Geduldeten die Eröffnung eines Bankkontos ver-
wehrt, weil ihre Papiere nicht den amtlichen Anforde-
rungen entsprechen. Ohne Bankkonto ist ihre Teilhabe
am gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben kaum
möglich. Die jüngst in Kraft getretenen Erleichterungen
beim Arbeitsmarktzugang werden ins Leere laufen, da
Gehälter in der Regel auf Konten überwiesen werden.
Wenn das so bleibt, ist das integrationspolitischer Non-
sens.
Es ist zynisch, wenn die Koalition nun auf die anste-
hende Umsetzung der EU-Zahlungskontenrichtlinie in
nationales Recht verweist, nach der die Eröffnung eines
Bankkontos für Geduldete gewährleistet werden muss.
Geduldete werden dadurch auf September 2016 vertrös-
tet, denn erst dann läuft die Frist zur Richtlinienumset-
zung ab. Diesem Unfug kann der Bundestag heute ein
Ende setzen, indem er unseren Antrag im Plenum verab-
schiedet und die entsprechenden Gesetzesänderungen in
die anstehende Beratung des Gesetzentwurfs zur Neube-
stimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendi-
gung einspeist.
Bislang verlangt § 4 Absatz 4 Nummer 1 Geldwä-
schegesetz, GwG, ein amtliches Identitätspapier mit
Lichtbild bei der Kontoeröffnung. Dieser Anforderung
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 94. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. März 2015 9035
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können viele Geduldete nicht nachkommen, weil die
Duldungspapiere oft nicht über Lichtbilder verfügen
oder ansonsten nicht den amtlichen Anforderungen ent-
sprechen. Ohne Bankkonto ist aber ihre Teilnahme am
gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben kaum
möglich.
Aber vielen Geduldeten ist es nicht möglich, entspre-
chende Identitätspapiere vorzulegen. Sie haben nur eine
Bescheinigung über die Nichtabschiebung, die ihre Dul-
dung nachweist. Das ist oftmals ihr einziges Identitäts-
papier. Wir meinen, man sollte die Rechtsgrundlage da-
für schaffen, dass dieses Papier die Voraussetzungen des
Geldwäschegesetzes hinsichtlich des Identitätsnachwei-
ses bei Eröffnung eines Kontos erfüllt.
Geduldete sind in aller Regel Flüchtlinge. Bei ihnen
wurden im Rahmen des Identitätsnachweises meist Fin-
gerabdrücke genommen. Die Identität steht also zwei-
felsfrei fest. Nur kommen viele Flüchtlinge völlig unver-
schuldet nicht an Ausweispapiere heran. Die Gründe
dafür sind verschieden. Es gibt zum Beispiel ausländi-
sche Botschaften, die generell keine neuen Ausweise
ausstellen, wie die Botschaft des Irak. Bei anderen Staa-
ten gibt es das Problem, dass man generell die Staatsan-
gehörigkeit anzweifelt. Dieses Problem haben wir oft
mit der Botschaft des Libanon. Wieder andere Staaten
stellen an die Ausstellung neuer Pässe hohe Anforderun-
gen, die von den meisten Flüchtlingen nicht erfüllt wer-
den können. Das fängt bei den hohen Gebühren an und
endet bei den Dokumenten, die man für einen neuen
Pass vorlegen muss.
Ein Bankkonto ist der Schlüssel zur Teilhabe am ge-
sellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben. Gehälter
werden in aller Regel auf Konten überwiesen. Privat-
rechtliche Verträge haben oft zur Voraussetzung, dass
man ein Girokonto angeben kann, egal ob es um einen
Mobilfunkanbieter, ein Fitnessstudio, eine Vereinsmit-
gliedschaft oder einen Einkauf im Internet geht. Auch
das Anmieten einer Wohnung setzt oftmals ein Giro-
konto voraus. Auch erspartes Geld kann man nur anle-
gen, wenn man ein Konto hat.
Aufgrund dieser Problematik wurde die sogenannte
EU-Zahlungskontenrichtlinie des Europäischen Parla-
ments und des Rates über die Vergleichbarkeit von Zah-
lungskontogebühren, den Wechsel von Zahlungskonten
und den Zugang zu Zahlungskonten mit grundlegenden
Funktionen verabschiedet, die am 17. September 2014 in
Kraft trat. Die Richtlinie soll den diskriminierungsfreien
Zugang zur Kontoeröffnung sicherstellen. Das EU-Par-
lament hat in seiner damaligen Stellungnahme hierzu
klargestellt, dass es einen Mechanismus geben sollte, da-
mit auch Verbraucher „ohne festen Wohnsitz, Asylbewer-
ber und Verbraucher ohne Aufenthaltserlaubnis, deren
Abschiebung jedoch aus rechtlichen Gründen unmöglich
ist“, Zugang zu einem Zahlungskonto mit grundlegen-
den Funktionen erhalten.
Die Zahlungskontenrichtlinie muss nun bis Septem-
ber 2016 in nationales Recht umgesetzt werden. Das
dauert aber für die in Rede stehende Gruppe der Gedul-
deten zu lange. Es muss umgehend per Rechtsverord-
nung klargestellt werden, dass auch Duldungen als Legi-
timitätsnachweis für eine Kontoeröffnung gelten.
Es ist erfreulich, dass das Bundesfinanzministerium
per Rundschreiben Erleichterungen für bestimmte Perso-
nengruppen bei der Kontoeröffnung bis zur Umsetzung
der Zahlungskontenrichtlinie zugestanden hat. Das greift
nur leider für die Gruppe der Geduldeten nicht vollstän-
dig und bleibt daher Stückwerk.
Die Koalition hat sich auf eine neue Bleiberechtsrege-
lung verständigt; den entsprechenden Gesetzentwurf
beraten wir im März. Es wäre klug, eine notwendige Än-
derung des Geldwäschegesetzes im Rahmen des Gesetz-
gebungsverfahrens zum GE Neubestimmung des Bleibe-
rechts und der Aufenthaltsbeendigung vorzunehmen und
dem vorliegenden Antrag zuzustimmen.
Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de
94. Sitzung
Inhaltsverzeichnis
TOP 4 Regierungserklärung zum Europäischen Rat
TOP 5 Rekommunalisierung der Energienetze
TOP 6 Fachkräftekonzept der Bundesregierung
ZP 2 Vorkommnisse in Frankfurt anlässlich der Einweihung der EZB-Zentrale
TOP 21 Überweisungen im vereinfachten Verfahren
TOP 22 Abschließende Beratungen ohne Aussprache
ZP 3 Aktuelle Stunde zur Kinderarmut in Deutschland
TOP 7 Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses
TOP 8 Teilhabe von Kindern von Alleinerziehenden
TOP 9 Bundeswehreinsatz EUTM Somalia
TOP 10 Lobbyistenregister
TOP 11 Änderung eisenbahnrechtlicher Vorschriften
ZP 4 Tötung männlicher Küken
TOP 13 Änderung des Bundesfernstraßengesetzes
TOP 14 Privatisierung von Ackerland und Wäldern
TOP 15 Agrar- und Fischereifonds-Informationen-Gesetz
TOP 16 Kontoeröffnungen für Flüchtlinge
Anlagen