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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 18/92 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 92. Sitzung Berlin, Freitag, den 6. März 2015 I n h a l t : Tagesordnungspunkt 19: a) – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes für die gleichbe- rechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentli- chen Dienst Drucksachen 18/3784, 18/4053, 18/4227 8739 A – Bericht des Haushaltsausschusses ge- mäß § 96 der Geschäftsordnung Drucksache 18/4228 . . . . . . . . . . . . . . 8739 B b) Zweite und dritte Beratung des von den Ab- geordneten Ulle Schauws, Renate Künast, Katja Dörner, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur geschlechtergerechten Besetzung von Aufsichtsräten, Gremien und Führungs- ebenen (Führungskräftegesetz) Drucksachen 18/1878, 18/4227 . . . . . . . . 8739 B c) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend – zu der Unterrichtung durch die Bundes- regierung: Zweiter Erfahrungsbericht der Bundesregierung zum Bundes- gleichstellungsgesetz – (Berichtszeit- raum 1. Juli 2004 bis 30. Juni 2009) – zu der Unterrichtung durch die Bun- desregierung: Fünfter Gremien- bericht der Bundesregierung zum Bundesgremienbesetzungsgesetz – (Berichtszeitraum 30. Juni 2005 bis 30. Juni 2009) Drucksachen 17/4307, 17/4308 (neu), 18/4227 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8739 B Manuela Schwesig, Bundesministerin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8739 D Caren Lay (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . 8741 B Nadine Schön (St. Wendel) (CDU/CSU) . . . . 8743 A Katrin Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8744 C Birgit Kömpel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8746 B Susanna Karawanskij (DIE LINKE) . . . . . . . 8747 C Marcus Weinberg (Hamburg) (CDU/CSU) . . 8748 B Ulle Schauws (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8750 A Sönke Rix (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8751 B Dr. Stephan Harbarth (CDU/CSU) . . . . . . . . . 8752 B Heiko Maas, Bundesminister BMJV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8754 A Gudrun Zollner (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 8755 A Renate Künast (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8756 B Dr. Eva Högl (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8757 A Kathrin Vogler (DIE LINKE) . . . . . . . . . . 8757 C Paul Lehrieder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 8758 C Christina Jantz (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8760 B Tagesordnungspunkt 20: Antrag der Abgeordneten Friedrich Ostendorff, Nicole Maisch, Harald Ebner, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sofortmaßnahmen für die Agrar- wende – Für eine bäuerlich-ökologische Landwirtschaft und gutes Essen Drucksache 18/4191 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8762 B Inhaltsverzeichnis II Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 6. März 2015 Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8762 C Dr. Wilhelm Priesmeier (SPD) . . . . . . . . . . 8763 C Ingrid Pahlmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 8764 B Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) . . . . . . . 8766 A Dr. Wilhelm Priesmeier (SPD) . . . . . . . . . . . . 8767 A Hans-Georg von der Marwitz (CDU/CSU) . . 8768 C Niema Movassat (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 8770 C Rita Hagl-Kehl (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8771 B Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8772 B Rita Stockhofe (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 8773 A Harald Ebner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8774 D Johann Saathoff (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8775 B Marlene Mortler (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 8776 C Tagesordnungspunkt 21: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung Drucksachen 18/4097, 18/4199 . . . . . . . . . . . 8778 A Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8778 A Ulla Jelpke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . 8779 D Rüdiger Veit (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8780 D Luise Amtsberg (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8782 D Andrea Lindholz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 8784 A Luise Amtsberg (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8785 C Tagesordnungspunkt 22: a) Antrag der Abgeordneten Sabine Leidig, Herbert Behrens, Caren Lay, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion DIE LINKE: Gewährleistung des Schienenpersonen- fernverkehrs Drucksache 18/4186 . . . . . . . . . . . . . . . . . 8786 A b) Antrag der Abgeordneten Sabine Leidig, Herbert Behrens, Caren Lay, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion DIE LINKE: Mehrwertsteuerreduktion im Schienen- personenfernverkehr Drucksache 18/3746 . . . . . . . . . . . . . . . . . 8786 B c) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr und digitale Infrastruktur zu dem Antrag der Abgeord- neten Sabine Leidig, Herbert Behrens, Caren Lay, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Rückzug der Deutschen Bahn AG bei Nacht- und Autoreisezügen stoppen – Nachhaltige Reisekultur in Europa fördern Drucksachen 18/2494, 18/4080 . . . . . . . . 8786 B Sabine Leidig (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 8786 C Dirk Fischer (Hamburg) (CDU/CSU) . . . . . . 8787 D Sabine Leidig (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 8788 B Sabine Leidig (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 8789 C Matthias Gastel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8789 D Kirsten Lühmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 8790 D Sabine Leidig (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 8791 B Fritz Güntzler (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 8792 A Andreas Schwarz (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 8793 C Michael Donth (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 8794 C Zusatztagesordnungspunkt 4: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Perspektiven für Klimaschutz und Energieeffizienz nach Absage der Bundesregierung an einen Steuerbonus für eine energetische Gebäu- desanierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8795 D Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8796 A Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 8797 A Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . . . . 8798 B Uwe Beckmeyer, Parl. Staatssekretär BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8799 C Ingbert Liebing (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 8800 D Ralph Lenkert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 8802 A Dr. Nina Scheer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8803 A Lisa Paus (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8804 A Olav Gutting (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 8805 B Johann Saathoff (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8806 B Hansjörg Durz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 8807 C Klaus Mindrup (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8808 D Jan Metzler (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . 8809 D Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8810 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 8811 A Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 6. März 2015 III Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Petra Sitte und Kathrin Vogler (beide DIE LINKE) zu den Abstimmungen über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes für die gleichberechtigte Teil- habe von Frauen und Männern an Führungs- positionen in der Privatwirtschaft und im öf- fentlichen Dienst (Tagesordnungspunkt 19 a) 8812 A Anlage 3 Erklärungen nach § 31 GO zu den Abstim- mungen über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privat- wirtschaft und im öffentlichen Dienst (Tages- ordnungspunkt 19 a) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8812 D Thomas Bareiß (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 8812 D Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8812 D Dr. Kristina Schröder (Wiesbaden) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8813 B Anlage 4 Amtliche Mitteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8813 B Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 6. März 2015 8739 (A) (C) (D)(B) 92. Sitzung Berlin, Freitag, den 6. März 2015 Beginn: 9.00 Uhr
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    Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 6. März 2015 8811 (A) (C) (B) Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten (D) Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Beck (Bremen), Marieluise BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 06.03.2015 Binder, Karin DIE LINKE 06.03.2015 Bluhm, Heidrun DIE LINKE 06.03.2015 Dr. Brandl, Reinhard CDU/CSU 06.03.2015 Dağdelen, Sevim DIE LINKE 06.03.2015 Dinges-Dierig, Alexandra CDU/CSU 06.03.2015 Drobinski-Weiß, Elvira SPD 06.03.2015 Gohlke, Nicole DIE LINKE 06.03.2015 Gottschalck, Ulrike SPD 06.03.2015 Gröhe, Hermann CDU/CSU 06.03.2015 Grötsch, Uli SPD 06.03.2015 Dr. Gundelach, Herlind CDU/CSU 06.03.2015 Hartmann (Wackernheim), Michael SPD 06.03.2015 Heil, Mechthild CDU/CSU 06.03.2015 Held, Marcus SPD 06.03.2015 Dr. Hendricks, Barbara SPD 06.03.2015 Hiller-Ohm, Gabriele SPD 06.03.2015 Klare, Arno SPD 06.03.2015 Klein-Schmeink, Maria BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 06.03.2015 Maisch, Nicole BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 06.03.2015 Dr. Malecha-Nissen, Birgit SPD 06.03.2015 Mißfelder, Philipp CDU/CSU 06.03.2015 Möhring, Cornelia DIE LINKE 06.03.2015 Müller (Potsdam), Norbert DIE LINKE 06.03.2015 Müller (Erlangen), Stefan CDU/CSU 06.03.2015 Obermeier, Julia CDU/CSU 06.03.2015 Petry, Christian SPD 06.03.2015 Poschmann, Sabine SPD 06.03.2015 Roth (Augsburg), Claudia BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 06.03.2015 Dr. Röttgen, Norbert CDU/CSU 06.03.2015 Scharfenberg, Elisabeth BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 06.03.2015 Scheuer, Andreas CDU/CSU 06.03.2015 Dr. Schick, Gerhard BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 06.03.2015 Schimke, Jana CDU/CSU 06.03.2015 Schummer, Uwe CDU/CSU 06.03.2015 Spinrath, Norbert SPD 06.03.2015 Steinbach, Erika CDU/CSU 06.03.2015 Dr. Steinmeier, Frank- Walter SPD 06.03.2015 Tank, Azize DIE LINKE 06.03.2015 Terpe, Dr. Harald BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 06.03.2015 Thönnes, Franz SPD 06.03.2015 Dr. Wagenknecht, Sahra DIE LINKE 06.03.2015 Weinberg, Harald DIE LINKE 06.03.2015 Weiss (Wesel I), Sabine CDU/CSU 06.03.2015 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Anlagen 8812 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 6. März 2015 (A) (C) (D)(B) Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Petra Sitte und Kathrin Vogler (beide DIE LINKE) zu den Abstimmun- gen über den von der Bundesregierung einge- brachten Entwurf eines Gesetzes für die gleich- berechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst (Tagesordnungspunkt 19 a) Wir haben bei den getrennten Abstimmungen zu Arti- kel 1 (Bundesgremienbesetzungsgesetz – BGremBG) und Artikel 2 (Bundesgleichstellungsgesetz – BGleiG) abgelehnt, während wir den Regelungen für die Privat- wirtschaft zugestimmt haben. Bei der Abstimmung über den gesamten Gesetzentwurf der Bundesregierung haben wir uns enthalten. Unser Abstimmungsverhalten beruht auf folgenden Erwägungen: Der Ausgangspunkt von Gleichstellungspolitik ist es, bestehende Benachteiligungen zu beseitigen – so steht es in Artikel 3 Absatz 2 des Grundgesetzes. Es ist hingegen nicht ihre Aufgabe alle und alles gleich zu behandeln. Aus der strukturellen Diskriminierung von Frauen in der Arbeitswelt ergibt sich daher der staatliche Auftrag der Frauenförderung, nicht zuletzt in den eigenen Struktu- ren. Obwohl es an einer konsequenten Umsetzung des BGremBG und des BGleiG mangelt, sind darin wichtige Regelungen für die Frauenförderung enthalten. Diese müssten geschärft und durchgesetzt werden. So müsste etwa der gängigen Unterwanderung des § 8 BGleiG – der die bevorzugte Berücksichtigung weiblicher Be- werberinnen bei gleicher Eignung vorsieht – ein Riegel vorgeschoben werden. In der Verwaltungspraxis werden die Vergleichskriterien so stark ausdifferenziert, bis schließlich ein Qualitätsrückstand – meistens der Frau – festgestellt werden kann. Darauf hat auch der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Professor Papier, aufmerksam gemacht. Statt hier nachzubessern, fällt der vorliegende Ent- wurf einer Neugestaltung dieser beiden Gesetze in zen- tralen Punkten hinter den erreichten Stand zurück: Im BGremBG wird die derzeitige Regel der paritätischen Nominierung zu einer 30-Prozent-Quote. Nach heftiger Kritik durch fast alle Sachverständigen an der geplanten verfassungswidrigen Männerförderung durch das neue BGleiG haben die Koalitionsfraktionen diese nicht ge- strichen, sondern unter den Vorbehalt der „strukturellen Diskriminierung“ gestellt. Ein solches Vorhaltegesetz für bis dato unbekannte gesellschaftliche Entwicklungen ist mehr als absurd und zeigt, dass die Große Koalition sich nicht zur Gleichstellung von Frauen mit Männern be- kennt. Vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Ver- hältnisse ist dieser Perspektivwechsel nicht zu begrün- den, wird aber in der Praxis zu zahlreichen Problemen führen. Des Weiteren wird für das Votum von Gleichstel- lungsbeauftragten eine Frist eingeführt, ohne jedoch ihre Ausstattung mit Personal- und Sachmitteln zu verbes- sern. Angesichts der ohnehin hohen Belastung von Gleichstellungsbeauftragten – manche sind für bis zu 150 Dienststellen in bis zu fünf Bundesländern zuständig – behindert das faktisch ihre Arbeit. Es ist daher nicht überraschend, aber auch nicht zu rechtfertigen, dass eine Begründung dieser Neuregelung durch die Praxis bisher ausblieb. Die Regelungen für die Privatwirtschaft sind hinge- gen ein – wenn auch kleiner – Schritt in die richtige Richtung. Gegenüber den nutzlosen freiwilligen Selbst- verpflichtungen der Vergangenheit wird nun für börsen- notierte oder mitbestimmungspflichtige Unternehmen eine Frauenquote von 30 Prozent gelten. Sicher ist, dass das aber noch nicht das Ende sein kann: Die Linke for- dert eine Frauenquote von 50 Prozent für die Aufsichts- räte wie für Vorstände aller Unternehmen – und nicht nur der 108 im jetzigen Geltungsbereich. Der Einführung der Frauenquote in der Wirtschaft ha- ben wir daher zugestimmt, werden uns aber nicht damit zufrieden geben. Die Praxis hat gezeigt: Verbindliche Frauenquoten sind notwendig, um der Benachteiligung von Frauen ent- gegenzuwirken. Die Anwendung auf nur 108 Unterneh- men in der Privatwirtschaft wiegt die Verschlechterun- gen im öffentlichen Dienst allerdings nicht auf. Bei der Abstimmung über das Gesamtpaket haben wir uns daher enthalten. Anlage 3 Erklärungen nach § 31 GO zu den Abstimmungen über den von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurf eines Ge- setzes für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst (Tagesordnungspunkt 19 a) Thomas Bareiß (CDU/CSU): Ich lehne die Einfüh- rung einer gesetzlichen starren Frauenquote ab. Sie ver- letzt die unternehmerische Freiheit und unterläuft somit ein Grundprinzip der sozialen Marktwirtschaft. Die Frauenquote nimmt Menschen in Haftung für ihr Geschlecht. Dieser staatliche Eingriff vermindert Chan- cen des Einzelnen und bringt neue Ungerechtigkeiten hervor, nur weil andere Angehörige seines Geschlechts tatsächlich oder vermeintlich Vorteile genossen haben. Das ist weder mit meinem Verständnis zur Rolle des Staates in unserer Gesellschaft und Wirtschaft noch mit meinem Menschenbild vereinbar. Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich werde heute dem vorliegenden Gesetzentwurf der Bun- desregierung „Entwurf eines Gesetzes für die gleichbe- rechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Füh- rungskräften in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst und der Ergänzung: Artikel 3 bis 23 zustimmen. Mit der Berliner Erklärung habe ich mit zivilgesell- schaftlichen Gruppen und mit Frauen aus allen Fraktio- nen im Bundestag ein Bündnis für die Frauenquote ge- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 6. März 2015 8813 (A) (C) (D)(B) schmiedet. Für mich ist es ein Teil meiner politischen Glaubwürdigkeit, heute mit meiner Stimme zu diesem Bündnis zu stehen. Politisch habe ich seit jeher für eine Frauenquote ge- kämpft. Jetzt serviert die Koalition zwar nur ein „Quöt- chen“, dennoch werde ich zustimmen. Wie vielen ande- ren geht auch mir das Gesetz nicht weit genug. Meine Fraktion hat einen eigenen Gesetzentwurf eingebracht, der zeigt, wie es deutlich besser gehen würde. Aber so- fern die Richtung stimmt, helfen auch kleine Schritte auf dem Weg in eine geschlechtergerechte Arbeitswelt, in der nicht mehr nur Männerrunden Entscheidungen tref- fen. Frauen in Führungspositionen können dann nicht nur mitreden, sondern auch nach und nach die Arbeits- welt den Bedürfnissen der Frauen – ihren Bedürfnissen – anpassen. Und ein Kulturwandel, der dazu führt, dass Frauen auch nach vorne streben, weil sie kompetent sind, weil es flexible Kinderbetreuung gibt, weil nicht mehr nur Schein, sondern Sein belohnt wird, weil es möglich ist, Karriere zu machen und dabei auch noch ein Privateben existiert, ein solcher Kulturwandel ist bitter nötig. Und er lohnt sich: Geschlechtergerechtigkeit schreibt schwarze Zahlen, denn heterogene Teams arbei- ten erfolgreicher. Die Wirtschaft, die sich immer noch gegen eine Quote sträubt, wird bald erkennen, dass mehr Frauen in verantwortlichen Positionen klare Vorteile bringen. Ein Grundstein wird heute gelegt, der uns anspornen wird, noch mehr für Frauenförderung zu kämpfen, bis sich die Arbeitswelt auch an die Frauen angepasst hat und sich in ihr beide Geschlechter gleichermaßen zu- rechtfinden. Deshalb ist auch dieser kleine Schritt einer in die richtige Richtung. Dr. Kristina Schröder (Wiesbaden) (CDU/CSU): Ich lehne die Einführung einer gesetzlichen starren Frau- enquote ab. Zum einen stellt sie einen empfindlichen Eingriff in die unternehmerische Freiheit dar. Zum ande- ren gilt, was gegen die kurzzeitig geplante sogenannte „Männerquote“ vorgebracht wurde, auch in Hinblick auf Frauen in Führungspositionen: Aus einer Unterrepräsen- tanz lässt sich nicht zwangsläufig auf eine Diskriminie- rung schließen. Vor allem aber nimmt die Frauenquote Menschen in Haftung für ihr Geschlecht. Sie maßt sich an, durch ei- nen staatlichen Eingriff die Chancen eines Individuums zu vermindern, weil andere Angehörige seines Ge- schlechts tatsächlich oder vermeintlich Vorteile genos- sen haben. Diese kollektivistische Logik der Frauen- quote führt zu individueller Ungerechtigkeit und ist daher weder mit meinem Menschenbild noch mit mei- nem Staatsverständnis vereinbar. Anlage 4 Amtliche Mitteilungen Die folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, dass sie gemäß § 80 Absatz 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absehen: Haushaltsausschuss – Unterrichtung durch die Delegation des Deutschen Bundes- tages in der Interparlamentarischen Konferenz gemäß Arti- kel 13 des Vertrags über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion (Fiskal- vertrag) Tagung der Interparlamentarischen Konferenz für die wirtschaftliche und finanzielle Steuerung der Europäi- schen Union vom 29. bis 30. September 2014 in Rom, Italien Drucksachen 18/3783, 18/3890 Nr. 6 Ausschuss für Wirtschaft und Energie – Unterrichtung durch die Bundesregierung Erster Fortschrittsbericht Energiewende Drucksachen 18/3487, 18/3617 Nr. 5 – Unterrichtung durch die Bundesregierung Koordinierungsrahmen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ ab 1. Juli 2014 Drucksache 18/2200 – Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Jahreswirtschaftsbericht 2015 der Bundesregierung Drucksache 18/3840 Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit – Unterrichtung durch die Bundesregierung Rechenschaftsbericht 2013 zur Umsetzung der Nationa- len Strategie zur biologischen Vielfalt Drucksachen 17/13390, 18/770 Nr. 28 Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung – Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technik- folgenabschätzung (18. Ausschuss) gemäß § 56a GO-BT Technikfolgenabschätzung (TA) Fernerkundung: Anwendungspotenziale in Afrika Drucksache 18/581 Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden Unions- dokumente zur Kenntnis genommen oder von einer Be- ratung abgesehen hat. Auswärtiger Ausschuss Drucksache 18/3898 Nr. A.6 EP P8_TA-PROV(2014)0103 Drucksache 18/3898 Nr. A.8 Ratsdokument 15164/14 Innenausschuss Drucksache 18/1524 Nr. A.3 Ratsdokument 9212/14 Drucksache 18/2533 Nr. A.20 Ratsdokument 12013/14 Drucksache 18/3362 Nr. A.1 Ratsdokument 14639/14 Drucksache 18/3898 Nr. A.10 EP P8_TA-PROV(2014)0105 8814 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 6. März 2015 (A) (C) (B) Haushaltsausschuss Drucksache 18/3898 Nr. A.12 Ratsdokument 5093/15 Ausschuss für Wirtschaft und Energie Drucksache 18/822 Nr. A.23 Ratsdokument 6651/14 Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft Drucksache 18/3898 Nr. A.14 Ratsdokument 17022/14 Ausschuss für Arbeit und Soziales Drucksache 18/3765 Nr. A.8 EP P8_TA-PROV(2014)0060 (D) Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de 92. Sitzung Inhaltsverzeichnis TOP 19 Gleichberechtigte Teilhabe an Führungspositionen TOP 20 Agrarwende TOP 21 Bleiberecht und Aufenthaltsbeendigung TOP 22 Schienenpersonenfernverkehr ZP 4 Aktuelle Stunde Klimaschutz und Energieeffizienz Anlagen
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. h.c. Edelgard Bulmahn


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)


    Vielen Dank, liebe Kolleginnen und Kollegen. Damit

    schließe ich die Debatte.

    Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
    Drucksache 18/4191 an die in der Tagesordnung aufge-
    führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-
    verstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung
    so beschlossen.





    Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn


    (A) (C)



    (D)(B)

    Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 21 auf:

    Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
    gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neube-
    stimmung des Bleiberechts und der Aufent-
    haltsbeendigung

    Drucksachen 18/4097, 18/4199
    Überweisungsvorschlag:
    Innenausschuss (f)

    Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz
    Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
    Ausschuss für Bildung, Forschung und
    Technikfolgenabschätzung
    Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
    Entwicklung
    Haushaltsausschuss gemäß § 96 der GO

    Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
    die Aussprache 38 Minuten vorgesehen. – Dazu höre ich
    keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.

    Ich bitte die Kolleginnen und Kollegen, die Plätze
    einzunehmen, damit wir dann mit der Debatte beginnen
    können.

    Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich eröffne die Aus-
    sprache. Als erster Redner erhält der Bundesminister
    Dr. Thomas de Maizière für die Bundesregierung das
    Wort. – Sie haben das Wort.

    Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister des In-
    nern:

    Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
    Ich bringe hiermit einen Gesetzentwurf zur Neubestim-
    mung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung
    ein. Dieses Gesetz enthält zwei klare Botschaften: Blei-
    berecht für gut integrierte und rechtstreue Ausländer ei-
    nerseits und Aufenthaltsbeendigung für diejenigen, die
    nicht schutzbedürftig sind, andererseits. Beide Botschaf-
    ten gehören zusammen.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Ich beginne mit dem Bleiberecht. Es betrifft Men-
    schen, die sich hier auch ohne offiziellen Aufenthaltssta-
    tus während ihrer Duldungsphase gut integriert haben.
    Dieser Gesetzentwurf soll die Rechtsstellung dieser
    Menschen ganz erheblich verbessern. Wir schaffen erst-
    mals ein Bleiberecht für nachhaltig integrierte geduldete
    Menschen, das nicht mehr von deren Alter oder einem
    Stichtag abhängt.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


    Wer viele Jahre hier lebt, wer hier wesentliche Integra-
    tionsleistungen erbringt, wer unsere Sprache spricht, wer
    seinen Lebensunterhalt überwiegend selbst sichert und
    – natürlich – wer keine großen Straftaten begangen hat,
    der soll nun auch eine dauerhafte Bleibeperspektive in
    Deutschland erhalten.


    (Beifall der Abg. Dr. Eva Högl [SPD])


    Von dieser Regelung können mehrere Zehntausend bis-
    her nur geduldete Menschen profitieren. Mit diesem Ge-
    setz senden wir ihnen ein klares Signal: Ihr dürft jetzt
    bleiben. Macht mit! Verdient euer eigenes Geld! Ihr ge-
    hört zu uns. – Das ist ein gutes und wichtiges Signal.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


    Zum Zweiten schaffen wir mit dem Gesetzentwurf
    von Anfang an eine verbindliche Bleibeperspektive für
    Opfer von Menschenhandel. Wer bereit ist, mit unseren
    Strafverfolgungsbehörden gegen die Täternetzwerke vor-
    zugehen, kann in Deutschland bleiben, auch nach einem
    Strafverfahren. Das ist ein wichtiger Beitrag zur Be-
    kämpfung eines der widerlichsten Verbrechen. Ohne die
    Opfer, die eingeschüchtert werden, denen die Zuhälter
    die Ausweispapiere wegnehmen, kommen wir nicht an
    die Täter heran. Gerade den Frauen, die Opfer von
    Zwangsprostitution waren, senden wir jetzt das klare Si-
    gnal: Ihr dürft bleiben. Auch ihr gehört zu uns. Wir hel-
    fen euch. Ihr habt eine Perspektive in Deutschland.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


    Drittens enthält der Gesetzentwurf substanzielle Ver-
    besserungen im Recht des Familiennachzugs. Ausländer,
    die in bestimmten Fällen bis jetzt vom Familiennachzug
    ausgeschlossen waren, können künftig gemeinsam mit
    ihren Familien hier leben. Das betrifft Opfer von Men-
    schenhandel. Es betrifft auch sehr viele Menschen, die
    hier einen sogenannten subsidiären Schutz genießen,
    Menschen, um es einfacher zu formulieren, die zwar
    nicht politisch verfolgt werden, die aber aus anderen
    schwerwiegenden Gründen, zum Beispiel wegen dro-
    hender Folter, nicht in ihre Heimat zurückkehren kön-
    nen. Für diese Menschen verbessern wir jetzt den Fami-
    liennachzug. Auch das ist eine zentrale Verbesserung.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


    Viertens. Wir stärken mit dem Gesetzentwurf auch die
    Zuwanderung von Fachkräften, gerade in Engpassberu-
    fen; das hat jetzt nichts mit Asyl zu tun, ist aber auch
    ein Element dieses Gesetzentwurfs. Künftig wird es
    möglich sein, notwendige Anpassungsqualifizierungen
    in Deutschland durchzuführen, damit der Abschluss an-
    erkannt und eine Beschäftigung aufgenommen werden
    kann.

    Das, meine Damen und Herren, ist die eine Seite der
    Medaille. Die andere Seite ist, dass wir sicherstellen
    wollen, dass diejenigen Menschen, denen letztendlich
    unter keinem Gesichtspunkt ein Aufenthaltsrecht in
    Deutschland zusteht, unser Land auch tatsächlich wieder
    verlassen.


    (Beifall bei der CDU/CSU)


    Ein zentrales Anliegen aller staatlichen Stellen muss es
    sein, das erhebliche Vollzugsdefizit in der Aufenthalts-
    beendigung abzubauen.


    (Volker Kauder [CDU/CSU]: Sehr richtig!)


    Es kann nicht sein, dass, wer im Asylverfahren trickst
    und täuscht, dafür später mit einem Bleiberecht belohnt
    wird.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)






    Bundesminister Dr. Thomas de Maizière


    (A) (C)



    (D)(B)

    Genau hier setzt der zweite Teil unseres Gesetzent-
    wurfs an. Drei Aspekte möchte ich hervorheben.

    Erstens. Eines der wesentlichen Vollzugshemmnisse
    – die mangelnde Möglichkeit zur Identitätsklärung – ge-
    hen wir mit diesem Gesetzentwurf an. Meine Damen
    und Herren, liebe Kollegen – das sage ich insbesondere
    den Kolleginnen und Kollegen von der Linken und den
    Grünen –, es ist nicht zu viel verlangt, dass ein Mensch,
    der in Deutschland Schutz haben will, korrekt sagt, wie
    er heißt und aus welchem Land er kommt.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Es ist nicht zu viel verlangt, ein Ausweispapier aufzuhe-
    ben und nicht im entscheidenden Moment wegzuschmei-
    ßen. Wenn der Antragsteller seine Identität oder Staats-
    angehörigkeit verschleiert, dürfen die Behörden künftig
    deshalb seine Datenträger auslesen, um festzustellen,
    wer er eigentlich ist und woher er kommt. Eine Kapitula-
    tion der staatlichen Stellen vor den Menschen, die täu-
    schen und die Behörden über ihre Identität und Herkunft
    belügen, dürfen wir nicht länger hinnehmen.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Und weiter: Das bisherige System von Ausweisun-
    gen, die durchgeführt werden müssen – die sogenannten
    Ist-Ausweisungen, wenn man so will –, die durchgeführt
    werden sollen – die Soll-Ausweisungen – oder die
    durchgeführt werden können – die Kann-Ausweisun-
    gen –, ist nur noch auf dem Papier klar. Unser Auswei-
    sungsrecht ist durch europäisches Recht und durch die
    Rechtsprechung so durchlöchert, dass es praktisch kaum
    mehr handhabbar ist; das sagen alle Praktiker. Wenn da
    Herr Mayer und Herr Veit nicken, dann ist das für mich
    die gute Botschaft, dass der Sachverhalt so richtig be-
    schrieben ist. Das ändern wir nun mit diesem Gesetz.

    Zum zweiten Aspekt, auf den ich hinweisen möchte
    – ich weiß, dass Frau Jelpke gleich darauf abheben
    wird –: Damit Abschiebungen künftig tatsächlich wieder
    wirksam durchgeführt werden können, stellen wir den
    Behörden mit einem neuen, kurzen Ausreisegewahrsam
    ein taugliches Vollzugsmittel zur Verfügung. Mit Blick
    auf diejenigen, die nicht freiwillig ausreisen wollen und
    die gezeigt haben, dass sie nicht an den notwendigen
    Verfahren mitwirken, weil sie über ihre Identität täu-
    schen, ist ein Gewahrsam von wenigen Tagen nur zur
    Durchsetzung der Abschiebung absolut angemessen.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Hier wird es darauf ankommen, dass die Länder diese
    neue Option bei der Durchsetzung der Ausreisepflichten
    dann auch tatsächlich nutzen.

    Drittens setzen wir mit diesem Gesetzentwurf europa-
    rechtliche Verpflichtungen um. Dazu nehmen wir eine
    Bestimmung der Fluchtgefahr in das Gesetz auf. Das ist
    ja, wie man hört, hochumstritten. Ich wiederhole: Dies
    ist europarechtlich geboten und eine Umsetzung von
    Europarecht. Bisher haben wir keine Definition von
    „Fluchtgefahr“ im Gesetz, und das ist rechtsstaatlich ein
    Problem. Die in dem Gesetzentwurf vorgeschlagene De-
    finition entspricht inhaltlich genau dem, was Rechtspre-
    chung und Verwaltung schon heute als Indiz für eine
    Fluchtgefahr betrachten, nicht mehr und nicht weniger.
    Jede Polemik dagegen – die wir gleich hören werden –
    ist blanker Unsinn.


    (Beifall bei der CDU/CSU – Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Jetzt schon im Voraus!)


    Meine Damen und Herren, beide Seiten des Gesetz-
    entwurfs – Bleiberechte und Aufenthaltsbeendigung –
    bedingen sich gegenseitig. Verbesserungen für Schutz-
    bedürftige sind für einen klugen Umgang mit dem
    Asylrecht ebenso wichtig wie konsequente Aufenthalts-
    beendigung und notfalls Abschiebung von nicht Schutz-
    bedürftigen. Langfristig – aber auch kurzfristig – brau-
    chen wir beides: um der Sache willen, aber auch, um die
    Akzeptanz für legale Zuwanderung und für die Auf-
    nahme von Flüchtlingen in Deutschland zu erhalten und
    zu stärken. Gegen eine große Mehrheit der Bevölkerung
    lässt sich Flüchtlingspolitik nicht machen. Deswegen
    müssen wir um diese Mehrheit in der Bevölkerung nach-
    haltig werben und für sie eintreten. Diese Mehrheit ist
    da. Sie ist aber immer gefährdet. Nur wenn wir klarma-
    chen: „Wir schützen die wirklich Schutzbedürftigen, und
    diejenigen, die nicht schutzbedürftig sind und tricksen
    und täuschen, werden mit Schutzbedürftigen nicht gleich-
    behandelt“, dann gewinnen wir die Herzen und die Köpfe
    der Mehrheit unserer Bevölkerung. Darauf kommt es an.
    Deswegen bitte ich um Unterstützung für diesen Gesetz-
    entwurf.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)




Rede von Dr. h.c. Edelgard Bulmahn
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

Vielen Dank. – Als nächste Rednerin hat Ulla Jelpke

von der Fraktion Die Linke das Wort.


(Beifall bei der LINKEN)



  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Ulla Jelpke


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DIE LINKE.)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE LINKE.)


    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr

    Minister, es ist keine faire Art der Debatte, schon im
    Vorhinein alles als Unsinn zu bezeichnen, was die Oppo-
    sition hier an Kritik vorbringt.


    (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Das Gesetzespaket, das Sie heute hier vorgelegt ha-
    ben, enthält mit Abstand die schärfsten Einschnitte in
    das Aufenthaltsrecht seit 1993.


    (Burkhard Lischka [SPD]: Das ist ja Unsinn!)


    Schon damals wurde das Grundrecht auf Asyl weitge-
    hend aufgehoben. Jetzt wird es noch einmal massiv be-
    schnitten. Die Bundesregierung legt hier ein regelrechtes
    Inhaftierungsprogramm für Asylsuchende auf,


    (Zurufe von der SPD: Oh!)


    nach dem Motto „Wer Asyl beantragt, wird eingesperrt,
    abgeschoben und darf nie wiederkommen“. Die Linke
    hält dieses Gesetzespaket für ein ganz fatales Signal. Es
    ist ein Verrat am Asylrecht und im Übrigen ein schänd-
    licher Kotau gegenüber der rassistischen Hetze von Pe-





    Ulla Jelpke


    (A) (C)



    (D)

    gida und jenen Neofaschisten, die zunehmend Asyl-
    unterkünfte angreifen.


    (Stephan Mayer [Altötting] [CDU/CSU]: Pfui! – Burkhard Lischka [SPD]: Das ist ja Unsinn!)


    Meine Damen und Herren, die Koalition will die Ab-
    schiebehaft derart massiv ausbauen, dass sie praktisch
    jeden Flüchtling treffen kann. Als Grund genügt zum
    Beispiel, dass vom Asylsuchenden ein Schleuser bezahlt
    worden ist. Aber ohne diese Schleuser können die
    Flüchtlinge häufig gar nicht den gefährlichen Weg über
    das Mittelmeer nehmen. Wenn in der EU keine legalen
    Wege geschaffen werden, wie Flüchtlinge auch hier nach
    Deutschland kommen können, und das sogar eine Auf-
    lage der EU ist, dann darf man sich nicht wundern und
    hier nicht solche repressiven Maßnahmen einführen.

    Ein weiterer Grund für die Abschiebehaft soll nun
    sein, wenn die Flüchtlinge keinen Pass besitzen – der
    Minister hat es schon erwähnt – oder wenn sie über
    einen anderen EU-Staat nach Deutschland kamen. Das
    betraf im vergangenen Jahr 35 000 von insgesamt
    173 000 Asylsuchenden. Merken Sie denn gar nicht, wie
    zynisch es ist und wie Sie hier reagieren? Über welche
    Länder sollen die Flüchtlinge denn einreisen, wenn nicht
    über EU-Staaten? Vom Himmel können die Flüchtlinge
    nicht fallen. Man kann doch diese Menschen, die froh
    sind, Gewalt und Krieg entkommen zu sein, nicht ein-
    fach einsperren, nur weil sie einen falschen Fluchtweg
    genommen haben.


    (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Was soll denn mit diesen Flüchtlingen geschehen? Sie
    werden in völlig überfüllte Flüchtlingslager in Bulga-
    rien, Ungarn und anderen Staaten gebracht. Wir alle hier
    wissen, dass eine menschenwürdige Versorgung dort
    nicht stattfindet, geschweige denn rechtliche Vorausset-
    zungen für die Flüchtlinge vorhanden sind. Flüchtlinge
    sind Menschen in Not und keine Kriminellen. Sie ver-
    dienen unsere Hilfe und nicht einen solch schäbigen
    Umgang, wie ihn die Koalition hier plant.


    (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Aber es gibt noch mehr Verschärfungen. Abgelehnte
    Asylsuchende sollen künftig mit einem Einreise- und
    Aufenthaltsverbot belegt werden, sogar dann, wenn sie
    freiwillig ausgereist sind. Das hätte beispielsweise im
    vergangenen Jahr 12 000 Menschen getroffen. Treffen
    wird diese Verschärfung vor allen Dingen Roma aus den
    Balkanstaaten. Ihnen wird damit jede legale Möglichkeit
    der Einwanderung versperrt, und sie können nicht ein-
    mal mehr Verwandte in der EU besuchen. Ich frage Sie:
    Mit welcher Berechtigung werden Schutzsuchende der-
    art bestraft? Flüchtlinge verhalten sich wie Flüchtlinge.
    Sie haben nur ein Recht in Anspruch genommen, das im-
    mer noch im Grundgesetz steht. Sie stellen einen Antrag,
    dieser wird abgelehnt, sie reisen wieder aus. Sie dafür
    mit einem Einreiseverbot zu belegen, das im Übrigen für
    die gesamte EU gilt, ist nichts anderes als eine absolut
    willkürliche Verzerrung unseres Rechtssystems. Das
    wird die Linke nicht mitmachen.

    (Beifall bei der LINKEN)


    Zum Schluss möchte ich noch auf das Bleiberecht zu
    sprechen kommen. In der Tat: ein kleiner Fortschritt.
    Insgesamt gibt es zurzeit 113 000 Menschen in Deutsch-
    land, deren Aufenthalt nur geduldet ist. Davon lebt etwa
    ein Drittel länger als fünf Jahre in Deutschland. Aber
    Ihre Regelung, Herr Minister, besagt jetzt, dass diese
    Menschen als Alleinstehende seit mindestens acht Jah-
    ren oder als Familien seit mindestens sechs Jahren in
    Deutschland leben müssen und auf jeden Fall eine eigen-
    ständige Sicherung ihres Lebensunterhalts leisten müs-
    sen. Das können gerade einmal 11 Prozent. Zuvor haben
    Sie diese Menschen mit Arbeitsverboten belegt.


    (Rüdiger Veit [SPD]: Das stimmt nicht, Ulla!)


    – Doch. Sie konnten jedenfalls nicht einfach arbeiten ge-
    hen. – Integrationsmaßnahmen gab es für sie auch nicht.
    Jetzt sollen sie plötzlich solche Leistungen erbringen,
    um hierbleiben zu können.

    Wie gesagt, nur 11 Prozent haben überhaupt eine Be-
    schäftigung. Das heißt, sehr wenige werden wirklich
    diese Bleiberechtsregelung in Anspruch nehmen. Wir sa-
    gen hier ganz klar: Alle anderen leben doch im Grunde
    genommen in der ständigen Angst, abgeschoben zu wer-
    den, obwohl beispielsweise ihre Kinder hier aufgewach-
    sen sind und sie oft sehr gut integriert sind.

    Um es zusammenfassend zu sagen: Das neue Bleibe-
    recht greift viel zu kurz. Die verschärfte Abschiebepoli-
    tik ist zynisch und inhuman. Das wird die Linke nicht
    mittragen.


    (Beifall bei der LINKEN)