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    Plenarprotokoll 18/92 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 92. Sitzung Berlin, Freitag, den 6. März 2015 I n h a l t : Tagesordnungspunkt 19: a) – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes für die gleichbe- rechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentli- chen Dienst Drucksachen 18/3784, 18/4053, 18/4227 8739 A – Bericht des Haushaltsausschusses ge- mäß § 96 der Geschäftsordnung Drucksache 18/4228 . . . . . . . . . . . . . . 8739 B b) Zweite und dritte Beratung des von den Ab- geordneten Ulle Schauws, Renate Künast, Katja Dörner, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur geschlechtergerechten Besetzung von Aufsichtsräten, Gremien und Führungs- ebenen (Führungskräftegesetz) Drucksachen 18/1878, 18/4227 . . . . . . . . 8739 B c) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend – zu der Unterrichtung durch die Bundes- regierung: Zweiter Erfahrungsbericht der Bundesregierung zum Bundes- gleichstellungsgesetz – (Berichtszeit- raum 1. Juli 2004 bis 30. Juni 2009) – zu der Unterrichtung durch die Bun- desregierung: Fünfter Gremien- bericht der Bundesregierung zum Bundesgremienbesetzungsgesetz – (Berichtszeitraum 30. Juni 2005 bis 30. Juni 2009) Drucksachen 17/4307, 17/4308 (neu), 18/4227 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8739 B Manuela Schwesig, Bundesministerin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8739 D Caren Lay (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . 8741 B Nadine Schön (St. Wendel) (CDU/CSU) . . . . 8743 A Katrin Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8744 C Birgit Kömpel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8746 B Susanna Karawanskij (DIE LINKE) . . . . . . . 8747 C Marcus Weinberg (Hamburg) (CDU/CSU) . . 8748 B Ulle Schauws (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8750 A Sönke Rix (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8751 B Dr. Stephan Harbarth (CDU/CSU) . . . . . . . . . 8752 B Heiko Maas, Bundesminister BMJV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8754 A Gudrun Zollner (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 8755 A Renate Künast (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8756 B Dr. Eva Högl (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8757 A Kathrin Vogler (DIE LINKE) . . . . . . . . . . 8757 C Paul Lehrieder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 8758 C Christina Jantz (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8760 B Tagesordnungspunkt 20: Antrag der Abgeordneten Friedrich Ostendorff, Nicole Maisch, Harald Ebner, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sofortmaßnahmen für die Agrar- wende – Für eine bäuerlich-ökologische Landwirtschaft und gutes Essen Drucksache 18/4191 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8762 B Inhaltsverzeichnis II Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 6. März 2015 Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8762 C Dr. Wilhelm Priesmeier (SPD) . . . . . . . . . . 8763 C Ingrid Pahlmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 8764 B Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) . . . . . . . 8766 A Dr. Wilhelm Priesmeier (SPD) . . . . . . . . . . . . 8767 A Hans-Georg von der Marwitz (CDU/CSU) . . 8768 C Niema Movassat (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 8770 C Rita Hagl-Kehl (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8771 B Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8772 B Rita Stockhofe (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 8773 A Harald Ebner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8774 D Johann Saathoff (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8775 B Marlene Mortler (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 8776 C Tagesordnungspunkt 21: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung Drucksachen 18/4097, 18/4199 . . . . . . . . . . . 8778 A Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8778 A Ulla Jelpke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . 8779 D Rüdiger Veit (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8780 D Luise Amtsberg (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8782 D Andrea Lindholz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 8784 A Luise Amtsberg (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8785 C Tagesordnungspunkt 22: a) Antrag der Abgeordneten Sabine Leidig, Herbert Behrens, Caren Lay, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion DIE LINKE: Gewährleistung des Schienenpersonen- fernverkehrs Drucksache 18/4186 . . . . . . . . . . . . . . . . . 8786 A b) Antrag der Abgeordneten Sabine Leidig, Herbert Behrens, Caren Lay, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion DIE LINKE: Mehrwertsteuerreduktion im Schienen- personenfernverkehr Drucksache 18/3746 . . . . . . . . . . . . . . . . . 8786 B c) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr und digitale Infrastruktur zu dem Antrag der Abgeord- neten Sabine Leidig, Herbert Behrens, Caren Lay, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Rückzug der Deutschen Bahn AG bei Nacht- und Autoreisezügen stoppen – Nachhaltige Reisekultur in Europa fördern Drucksachen 18/2494, 18/4080 . . . . . . . . 8786 B Sabine Leidig (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 8786 C Dirk Fischer (Hamburg) (CDU/CSU) . . . . . . 8787 D Sabine Leidig (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 8788 B Sabine Leidig (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 8789 C Matthias Gastel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8789 D Kirsten Lühmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 8790 D Sabine Leidig (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 8791 B Fritz Güntzler (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 8792 A Andreas Schwarz (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 8793 C Michael Donth (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 8794 C Zusatztagesordnungspunkt 4: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Perspektiven für Klimaschutz und Energieeffizienz nach Absage der Bundesregierung an einen Steuerbonus für eine energetische Gebäu- desanierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8795 D Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8796 A Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 8797 A Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . . . . 8798 B Uwe Beckmeyer, Parl. Staatssekretär BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8799 C Ingbert Liebing (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 8800 D Ralph Lenkert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 8802 A Dr. Nina Scheer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8803 A Lisa Paus (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8804 A Olav Gutting (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 8805 B Johann Saathoff (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8806 B Hansjörg Durz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 8807 C Klaus Mindrup (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8808 D Jan Metzler (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . 8809 D Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8810 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 8811 A Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 6. März 2015 III Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Petra Sitte und Kathrin Vogler (beide DIE LINKE) zu den Abstimmungen über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes für die gleichberechtigte Teil- habe von Frauen und Männern an Führungs- positionen in der Privatwirtschaft und im öf- fentlichen Dienst (Tagesordnungspunkt 19 a) 8812 A Anlage 3 Erklärungen nach § 31 GO zu den Abstim- mungen über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privat- wirtschaft und im öffentlichen Dienst (Tages- ordnungspunkt 19 a) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8812 D Thomas Bareiß (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 8812 D Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8812 D Dr. Kristina Schröder (Wiesbaden) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8813 B Anlage 4 Amtliche Mitteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8813 B Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 6. März 2015 8739 (A) (C) (D)(B) 92. Sitzung Berlin, Freitag, den 6. März 2015 Beginn: 9.00 Uhr
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    Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 6. März 2015 8811 (A) (C) (B) Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten (D) Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Beck (Bremen), Marieluise BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 06.03.2015 Binder, Karin DIE LINKE 06.03.2015 Bluhm, Heidrun DIE LINKE 06.03.2015 Dr. Brandl, Reinhard CDU/CSU 06.03.2015 Dağdelen, Sevim DIE LINKE 06.03.2015 Dinges-Dierig, Alexandra CDU/CSU 06.03.2015 Drobinski-Weiß, Elvira SPD 06.03.2015 Gohlke, Nicole DIE LINKE 06.03.2015 Gottschalck, Ulrike SPD 06.03.2015 Gröhe, Hermann CDU/CSU 06.03.2015 Grötsch, Uli SPD 06.03.2015 Dr. Gundelach, Herlind CDU/CSU 06.03.2015 Hartmann (Wackernheim), Michael SPD 06.03.2015 Heil, Mechthild CDU/CSU 06.03.2015 Held, Marcus SPD 06.03.2015 Dr. Hendricks, Barbara SPD 06.03.2015 Hiller-Ohm, Gabriele SPD 06.03.2015 Klare, Arno SPD 06.03.2015 Klein-Schmeink, Maria BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 06.03.2015 Maisch, Nicole BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 06.03.2015 Dr. Malecha-Nissen, Birgit SPD 06.03.2015 Mißfelder, Philipp CDU/CSU 06.03.2015 Möhring, Cornelia DIE LINKE 06.03.2015 Müller (Potsdam), Norbert DIE LINKE 06.03.2015 Müller (Erlangen), Stefan CDU/CSU 06.03.2015 Obermeier, Julia CDU/CSU 06.03.2015 Petry, Christian SPD 06.03.2015 Poschmann, Sabine SPD 06.03.2015 Roth (Augsburg), Claudia BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 06.03.2015 Dr. Röttgen, Norbert CDU/CSU 06.03.2015 Scharfenberg, Elisabeth BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 06.03.2015 Scheuer, Andreas CDU/CSU 06.03.2015 Dr. Schick, Gerhard BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 06.03.2015 Schimke, Jana CDU/CSU 06.03.2015 Schummer, Uwe CDU/CSU 06.03.2015 Spinrath, Norbert SPD 06.03.2015 Steinbach, Erika CDU/CSU 06.03.2015 Dr. Steinmeier, Frank- Walter SPD 06.03.2015 Tank, Azize DIE LINKE 06.03.2015 Terpe, Dr. Harald BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 06.03.2015 Thönnes, Franz SPD 06.03.2015 Dr. Wagenknecht, Sahra DIE LINKE 06.03.2015 Weinberg, Harald DIE LINKE 06.03.2015 Weiss (Wesel I), Sabine CDU/CSU 06.03.2015 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Anlagen 8812 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 6. März 2015 (A) (C) (D)(B) Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Petra Sitte und Kathrin Vogler (beide DIE LINKE) zu den Abstimmun- gen über den von der Bundesregierung einge- brachten Entwurf eines Gesetzes für die gleich- berechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst (Tagesordnungspunkt 19 a) Wir haben bei den getrennten Abstimmungen zu Arti- kel 1 (Bundesgremienbesetzungsgesetz – BGremBG) und Artikel 2 (Bundesgleichstellungsgesetz – BGleiG) abgelehnt, während wir den Regelungen für die Privat- wirtschaft zugestimmt haben. Bei der Abstimmung über den gesamten Gesetzentwurf der Bundesregierung haben wir uns enthalten. Unser Abstimmungsverhalten beruht auf folgenden Erwägungen: Der Ausgangspunkt von Gleichstellungspolitik ist es, bestehende Benachteiligungen zu beseitigen – so steht es in Artikel 3 Absatz 2 des Grundgesetzes. Es ist hingegen nicht ihre Aufgabe alle und alles gleich zu behandeln. Aus der strukturellen Diskriminierung von Frauen in der Arbeitswelt ergibt sich daher der staatliche Auftrag der Frauenförderung, nicht zuletzt in den eigenen Struktu- ren. Obwohl es an einer konsequenten Umsetzung des BGremBG und des BGleiG mangelt, sind darin wichtige Regelungen für die Frauenförderung enthalten. Diese müssten geschärft und durchgesetzt werden. So müsste etwa der gängigen Unterwanderung des § 8 BGleiG – der die bevorzugte Berücksichtigung weiblicher Be- werberinnen bei gleicher Eignung vorsieht – ein Riegel vorgeschoben werden. In der Verwaltungspraxis werden die Vergleichskriterien so stark ausdifferenziert, bis schließlich ein Qualitätsrückstand – meistens der Frau – festgestellt werden kann. Darauf hat auch der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Professor Papier, aufmerksam gemacht. Statt hier nachzubessern, fällt der vorliegende Ent- wurf einer Neugestaltung dieser beiden Gesetze in zen- tralen Punkten hinter den erreichten Stand zurück: Im BGremBG wird die derzeitige Regel der paritätischen Nominierung zu einer 30-Prozent-Quote. Nach heftiger Kritik durch fast alle Sachverständigen an der geplanten verfassungswidrigen Männerförderung durch das neue BGleiG haben die Koalitionsfraktionen diese nicht ge- strichen, sondern unter den Vorbehalt der „strukturellen Diskriminierung“ gestellt. Ein solches Vorhaltegesetz für bis dato unbekannte gesellschaftliche Entwicklungen ist mehr als absurd und zeigt, dass die Große Koalition sich nicht zur Gleichstellung von Frauen mit Männern be- kennt. Vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Ver- hältnisse ist dieser Perspektivwechsel nicht zu begrün- den, wird aber in der Praxis zu zahlreichen Problemen führen. Des Weiteren wird für das Votum von Gleichstel- lungsbeauftragten eine Frist eingeführt, ohne jedoch ihre Ausstattung mit Personal- und Sachmitteln zu verbes- sern. Angesichts der ohnehin hohen Belastung von Gleichstellungsbeauftragten – manche sind für bis zu 150 Dienststellen in bis zu fünf Bundesländern zuständig – behindert das faktisch ihre Arbeit. Es ist daher nicht überraschend, aber auch nicht zu rechtfertigen, dass eine Begründung dieser Neuregelung durch die Praxis bisher ausblieb. Die Regelungen für die Privatwirtschaft sind hinge- gen ein – wenn auch kleiner – Schritt in die richtige Richtung. Gegenüber den nutzlosen freiwilligen Selbst- verpflichtungen der Vergangenheit wird nun für börsen- notierte oder mitbestimmungspflichtige Unternehmen eine Frauenquote von 30 Prozent gelten. Sicher ist, dass das aber noch nicht das Ende sein kann: Die Linke for- dert eine Frauenquote von 50 Prozent für die Aufsichts- räte wie für Vorstände aller Unternehmen – und nicht nur der 108 im jetzigen Geltungsbereich. Der Einführung der Frauenquote in der Wirtschaft ha- ben wir daher zugestimmt, werden uns aber nicht damit zufrieden geben. Die Praxis hat gezeigt: Verbindliche Frauenquoten sind notwendig, um der Benachteiligung von Frauen ent- gegenzuwirken. Die Anwendung auf nur 108 Unterneh- men in der Privatwirtschaft wiegt die Verschlechterun- gen im öffentlichen Dienst allerdings nicht auf. Bei der Abstimmung über das Gesamtpaket haben wir uns daher enthalten. Anlage 3 Erklärungen nach § 31 GO zu den Abstimmungen über den von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurf eines Ge- setzes für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst (Tagesordnungspunkt 19 a) Thomas Bareiß (CDU/CSU): Ich lehne die Einfüh- rung einer gesetzlichen starren Frauenquote ab. Sie ver- letzt die unternehmerische Freiheit und unterläuft somit ein Grundprinzip der sozialen Marktwirtschaft. Die Frauenquote nimmt Menschen in Haftung für ihr Geschlecht. Dieser staatliche Eingriff vermindert Chan- cen des Einzelnen und bringt neue Ungerechtigkeiten hervor, nur weil andere Angehörige seines Geschlechts tatsächlich oder vermeintlich Vorteile genossen haben. Das ist weder mit meinem Verständnis zur Rolle des Staates in unserer Gesellschaft und Wirtschaft noch mit meinem Menschenbild vereinbar. Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich werde heute dem vorliegenden Gesetzentwurf der Bun- desregierung „Entwurf eines Gesetzes für die gleichbe- rechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Füh- rungskräften in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst und der Ergänzung: Artikel 3 bis 23 zustimmen. Mit der Berliner Erklärung habe ich mit zivilgesell- schaftlichen Gruppen und mit Frauen aus allen Fraktio- nen im Bundestag ein Bündnis für die Frauenquote ge- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 6. März 2015 8813 (A) (C) (D)(B) schmiedet. Für mich ist es ein Teil meiner politischen Glaubwürdigkeit, heute mit meiner Stimme zu diesem Bündnis zu stehen. Politisch habe ich seit jeher für eine Frauenquote ge- kämpft. Jetzt serviert die Koalition zwar nur ein „Quöt- chen“, dennoch werde ich zustimmen. Wie vielen ande- ren geht auch mir das Gesetz nicht weit genug. Meine Fraktion hat einen eigenen Gesetzentwurf eingebracht, der zeigt, wie es deutlich besser gehen würde. Aber so- fern die Richtung stimmt, helfen auch kleine Schritte auf dem Weg in eine geschlechtergerechte Arbeitswelt, in der nicht mehr nur Männerrunden Entscheidungen tref- fen. Frauen in Führungspositionen können dann nicht nur mitreden, sondern auch nach und nach die Arbeits- welt den Bedürfnissen der Frauen – ihren Bedürfnissen – anpassen. Und ein Kulturwandel, der dazu führt, dass Frauen auch nach vorne streben, weil sie kompetent sind, weil es flexible Kinderbetreuung gibt, weil nicht mehr nur Schein, sondern Sein belohnt wird, weil es möglich ist, Karriere zu machen und dabei auch noch ein Privateben existiert, ein solcher Kulturwandel ist bitter nötig. Und er lohnt sich: Geschlechtergerechtigkeit schreibt schwarze Zahlen, denn heterogene Teams arbei- ten erfolgreicher. Die Wirtschaft, die sich immer noch gegen eine Quote sträubt, wird bald erkennen, dass mehr Frauen in verantwortlichen Positionen klare Vorteile bringen. Ein Grundstein wird heute gelegt, der uns anspornen wird, noch mehr für Frauenförderung zu kämpfen, bis sich die Arbeitswelt auch an die Frauen angepasst hat und sich in ihr beide Geschlechter gleichermaßen zu- rechtfinden. Deshalb ist auch dieser kleine Schritt einer in die richtige Richtung. Dr. Kristina Schröder (Wiesbaden) (CDU/CSU): Ich lehne die Einführung einer gesetzlichen starren Frau- enquote ab. Zum einen stellt sie einen empfindlichen Eingriff in die unternehmerische Freiheit dar. Zum ande- ren gilt, was gegen die kurzzeitig geplante sogenannte „Männerquote“ vorgebracht wurde, auch in Hinblick auf Frauen in Führungspositionen: Aus einer Unterrepräsen- tanz lässt sich nicht zwangsläufig auf eine Diskriminie- rung schließen. Vor allem aber nimmt die Frauenquote Menschen in Haftung für ihr Geschlecht. Sie maßt sich an, durch ei- nen staatlichen Eingriff die Chancen eines Individuums zu vermindern, weil andere Angehörige seines Ge- schlechts tatsächlich oder vermeintlich Vorteile genos- sen haben. Diese kollektivistische Logik der Frauen- quote führt zu individueller Ungerechtigkeit und ist daher weder mit meinem Menschenbild noch mit mei- nem Staatsverständnis vereinbar. Anlage 4 Amtliche Mitteilungen Die folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, dass sie gemäß § 80 Absatz 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absehen: Haushaltsausschuss – Unterrichtung durch die Delegation des Deutschen Bundes- tages in der Interparlamentarischen Konferenz gemäß Arti- kel 13 des Vertrags über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion (Fiskal- vertrag) Tagung der Interparlamentarischen Konferenz für die wirtschaftliche und finanzielle Steuerung der Europäi- schen Union vom 29. bis 30. September 2014 in Rom, Italien Drucksachen 18/3783, 18/3890 Nr. 6 Ausschuss für Wirtschaft und Energie – Unterrichtung durch die Bundesregierung Erster Fortschrittsbericht Energiewende Drucksachen 18/3487, 18/3617 Nr. 5 – Unterrichtung durch die Bundesregierung Koordinierungsrahmen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ ab 1. Juli 2014 Drucksache 18/2200 – Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Jahreswirtschaftsbericht 2015 der Bundesregierung Drucksache 18/3840 Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit – Unterrichtung durch die Bundesregierung Rechenschaftsbericht 2013 zur Umsetzung der Nationa- len Strategie zur biologischen Vielfalt Drucksachen 17/13390, 18/770 Nr. 28 Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung – Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technik- folgenabschätzung (18. Ausschuss) gemäß § 56a GO-BT Technikfolgenabschätzung (TA) Fernerkundung: Anwendungspotenziale in Afrika Drucksache 18/581 Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden Unions- dokumente zur Kenntnis genommen oder von einer Be- ratung abgesehen hat. Auswärtiger Ausschuss Drucksache 18/3898 Nr. A.6 EP P8_TA-PROV(2014)0103 Drucksache 18/3898 Nr. A.8 Ratsdokument 15164/14 Innenausschuss Drucksache 18/1524 Nr. A.3 Ratsdokument 9212/14 Drucksache 18/2533 Nr. A.20 Ratsdokument 12013/14 Drucksache 18/3362 Nr. A.1 Ratsdokument 14639/14 Drucksache 18/3898 Nr. A.10 EP P8_TA-PROV(2014)0105 8814 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 6. März 2015 (A) (C) (B) Haushaltsausschuss Drucksache 18/3898 Nr. A.12 Ratsdokument 5093/15 Ausschuss für Wirtschaft und Energie Drucksache 18/822 Nr. A.23 Ratsdokument 6651/14 Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft Drucksache 18/3898 Nr. A.14 Ratsdokument 17022/14 Ausschuss für Arbeit und Soziales Drucksache 18/3765 Nr. A.8 EP P8_TA-PROV(2014)0060 (D) Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de 92. Sitzung Inhaltsverzeichnis TOP 19 Gleichberechtigte Teilhabe an Führungspositionen TOP 20 Agrarwende TOP 21 Bleiberecht und Aufenthaltsbeendigung TOP 22 Schienenpersonenfernverkehr ZP 4 Aktuelle Stunde Klimaschutz und Energieeffizienz Anlagen
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Wilhelm Priesmeier


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)


    Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

    Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kol-
    lege Hofreiter, ich hätte bei Ihrer Rede ein bisschen mehr
    Wissenschaftlichkeit erwartet. Als Diplombiologe wären
    Sie dazu sicherlich in der Lage.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Vielleicht halten Sie demnächst eine Rede über „Urban
    Farming“ in München. Dazu sind Sie mit Sicherheit qua-
    lifiziert.

    Die Welt ist nicht ganz so einfach, wie wir uns das
    vorstellen. Die Agrarwende datiert ja schon vom Jahr
    2001 und war letztendlich die Konsequenz aus den Er-
    kenntnissen der BSE-Krise und aus der damaligen Sys-
    temkrise. Daraus haben wir Sozialdemokraten und auch
    die Grünen Konsequenzen ziehen müssen. Die Konse-
    quenzen sieht man ja schon; denn die Landwirtschaft hat
    sich in den vergangenen 14 Jahren bewegt. Die Land-
    wirtschaft ist dialogbereit geworden. Die Landwirtschaft
    stellt sich natürlich den Herausforderungen. Es nützt
    also nichts, wenn man Ängste schürt oder Hunderttau-
    sende von Landwirten an einen Pranger stellt, an den sie
    nicht gehören.


    (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


    Es ist untauglich, zu versuchen, Menschen, die zur
    Landwirtschaft unter Umständen keine unmittelbare Be-
    ziehung haben, für seine politischen Ziele und Zwecke
    zu instrumentalisieren und in der gesamten Gesellschaft
    Ängste zu erzeugen. Damit kommen wir weiß Gott nicht
    weiter.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


    Man sollte konkrete Optionen dafür entwickeln – Ihre
    Länderminister tun das ja auch relativ konstruktiv –, im
    Hinblick auf all die Probleme, die unzweifelhaft vorhan-
    den sind, im Dialog voranzukommen. Man kann das al-
    les nicht differenziert betrachten, wenn man, wie Sie in
    Ihrem Antrag, in einem Satz von „gefährlichen Kei-
    men“, „tierquälerischen Missständen“, „Riesenställen“,
    „Monokulturen“, „Artensterben“, „Klimakrise“, „Land-
    raub“, „Umweltzerstörung“ und „verseuchtem Grund-
    wasser“, von Dumping und der Zerstörung bäuerlicher
    Strukturen spricht. Das ist wirklich viel zu einfach.

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


    Hier stimmt Ihre Analyse nicht zur Gänze. Vielmehr
    muss man im Einzelnen schauen, wo die Ursachen lie-
    gen.

    90 Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe sind
    Familienbetriebe. Wir haben keine sich entwickelnde
    großräumige, großflächige Agrarindustrie. Es gibt Ent-
    wicklungen, die wir nicht gutheißen können. Die SPD
    will keine KTG Agrar, die SPD will keine Straathoffs,
    und die SPD will auch nicht Haßleben.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE])


    Daher darf man aber auch nicht das Bild der Landwirt-
    schaft diskreditieren.


    (Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Deshalb redet man bloß und handelt nicht! Das ist typisch SPD: Laber, laber, laber, und nichts tun!)


    Ich glaube, das ist der falsche Weg. Wir wollen eine bäu-
    erliche, nachhaltige Landwirtschaft, die von Unterneh-
    mern geprägt ist, die Verantwortung tragen und Verant-
    wortung in dieser Gesellschaft übernehmen.


    (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und was machen Sie?)


    Wir haben heute Unternehmen, die wettbewerbsfähig
    sind und Arbeitsplätze schaffen. Ihre Wertschöpfung im
    ländlichen Raum und auch in der gesamten Gesellschaft
    ist erheblich.

    Wir haben die Agrarwende gemeinsam vorangetrie-
    ben. Als Folge der Agrarwende und verschiedener ande-
    rer Beschlüsse haben wir auch ganz wichtige Entschei-
    dungen in Brüssel getroffen. Renate Künast war dafür
    verantwortlich, dass wir das alte Prämiensystem mit der
    Kopplung an Produkte abgeschafft und Flächenprämien
    eingeführt haben.


    (Marlene Mortler [CDU/CSU]: Genau!)


    Das hat die deutsche Landwirtschaft in besonderer
    Weise wettbewerbsfähig gemacht.

    Wir haben den Außenschutz reduziert und mit den
    Beschlüssen von damals dafür gesorgt, dass es heute
    nicht mehr notwendig ist, mit Exporterstattungen auf
    den Weltmärkten Dumping zu betreiben. Das ist auch ein
    Erfolg von Rot-Grün.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Davon kann man sich nicht distanzieren.

    Wenn man sich mit der Landwirtschaftspolitik ausei-
    nandersetzt, dann wird klar: Die Landwirtschaftspolitik
    ist heute Gesellschaftspolitik. Die Agrarpolitik und die
    Landwirte sind mitten in der Gesellschaft angekommen.
    Ich glaube, es ist ungerecht, den Landwirten den Dialog
    zu verweigern und mit dem Finger auf sie zu zeigen. Für
    mich ist die Akzeptanz des landwirtschaftlichen Sektors,





    Dr. Wilhelm Priesmeier


    (A) (C)



    (D)(B)

    des Agrarsektors, der Kern und die Voraussetzung für
    die weiteren Perspektiven, die die Landwirtschaft in un-
    serem Lande haben muss.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)


    Darüber hinaus brauchen wir nicht nur eine wettbe-
    werbsfähige Landwirtschaft, sondern auch den Außen-
    handel und den Import. Mit dem Import sichern wir auch
    in anderen Ländern Arbeitsplätze. Wir importieren im
    Bereich der Landwirtschaft im Wert von 71,6 Milliarden
    Euro und exportieren im Wert von 64,2 Milliarden Euro.
    Ich finde, auch das hat nichts mit Dumping zu tun, son-
    dern zeigt, dass unsere Landwirtschaft Chancen hat.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Wir als SPD sind natürlich nicht blind. Ich glaube,
    dass die Subventionen, die wir zahlen, nicht dauerhaft
    Bestand haben können. Subventionen, die falsch orien-
    tiert sind, sind aber nicht dafür verantwortlich, dass
    70 Prozent der Betriebe keinen Hofnachfolger finden.
    Dafür sind Strukturveränderungen verantwortlich, die es
    immer schon gab und denen wir uns auch politisch so
    schnell nicht entziehen können. Auch in den anderen eu-
    ropäischen Ländern gibt es die gleiche Entwicklung
    beim betrieblichen Wachstum, und auch dort sinkt die
    Anzahl der Betriebe. So falsch kann unsere Agrarpolitik,
    betrachtet man den gesamten Kontext Europa, also nicht
    gewesen sein – auch nicht die von Rot-Grün.


    (Beifall bei der SPD)


    Welche Auswirkungen Standards haben, die wir alle
    umsetzen wollen, wird auch deutlich, wenn man sich die
    Entwicklung anschaut. Wir haben die Käfighaltung Gott
    sei Dank verboten. In der Folge sind alle kleineren Be-
    triebe, die weniger als 5 000 bis 10 000 Hühner in ihren
    Käfigen hatten, aus der Haltung von Legehennen ausge-
    stiegen. An ihrer Stelle haben andere Unternehmen in-
    vestiert, sodass wir heute wieder einen Versorgungsgrad
    von 75 Prozent haben. Das macht deutlich: Jede Maß-
    nahme, die wir beschließen, und jeder höhere Standard,
    den wir in Teilen zu Recht umsetzen, führen automatisch
    dazu – und das gilt auch für die Maßnahmen, die Sie for-
    dern –, dass dieser Strukturwandel vorangetrieben wird.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


    Mit Blick auf die Zukunft hat die deutsche Landwirt-
    schaft, die deutsche Agrarwirtschaft innerhalb Europas
    und auch innerhalb dieser Welt eine besondere Aufgabe:
    Wir können Modell für eine nachhaltige Landwirtschaft,
    für eine vielgestaltige Landwirtschaft sein. Wir erhalten
    auf diese Art und Weise unsere Kulturlandschaft und tra-
    gen wesentlich dazu bei, dass die Verhältnisse in den
    ländlichen Räumen stabil bleiben. Dafür, finde ich, lohnt
    es sich, Politik zu machen, und dafür macht die SPD Ag-
    rarpolitik.

    Vielen Dank.


    (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Rede von Dr. h.c. Edelgard Bulmahn
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

Vielen Dank. – Als nächster Redner hat Hans-Georg

von der Marwitz von der CDU/CSU-Fraktion das Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Hans-Georg von der Marwitz


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)


    Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

    Herren! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Beim
    Durchlesen des heutigen Antrags von den Grünen ging
    mir ein Zitat von Christian Morgenstern durch den Kopf:


    (Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ja nicht schlecht!)


    Die Hälfte allen Unglücks – vom gröbsten bis zum
    feinsten – geht auf Unwissenheit oder Denkfehler
    zurück, gewollte oder ungewollte …


    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Jeannine Pflugradt [SPD])


    Dabei könnte ich es bewenden lassen, wäre da nicht der
    von den Grünen gewollte Denkfehler – das haben wir bei
    der ersten Rede sehr deutlich gehört –, den Sie wie eine
    Monstranz, wie eine alleinige Wahrheit vor sich hertra-
    gen.

    „Sofortmaßnahmen für die Agrarwende – Für eine
    bäuerlich-ökologische Landwirtschaft und gutes Essen“,
    so lautet der Titel Ihres Antrags.


    (Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann unterstützen Sie das doch einfach!)


    Als Landwirt, auch ökologisch arbeitend, fühle ich mich
    bei Ihrem Rundumschlag im wahrsten Sinne des Wortes
    vor den Kopf gestoßen.


    (Beifall bei der CDU/CSU – Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was haben Sie denn gegen gutes Essen?)


    Als ob die deutsche Landwirtschaft und die Lebensmit-
    telverarbeiter ein Haufen unverbesserlicher Ganoven
    wären, denen das Handwerk gelegt werden müsste, ver-
    mengen Sie alle negativ besetzten Begriffe wie Massen-
    tierhaltung, Artenschwund, verseuchtes Grundwasser,
    Aufheizen der Atmosphäre, Klimawandel,


    (Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist jetzt der Fehler? Was ist daran falsch?)


    Welthunger, Ausbeutung von Arbeitskräften, Preisdum-
    ping, Antibiotikaresistenz, Tierqual und nicht zuletzt
    Zerstörung der Natur in einem Schierlingsbecher und
    vergiften damit den landwirtschaftlichen Berufsstand.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Jeannine Pflugradt [SPD])


    Justus von Liebig hat wohl recht, wenn er sagt:

    Wir neigen viel zu sehr dazu, Dingen, die das Er-
    gebnis vieler Ursachen sind, einer einzigen zuzu-
    schreiben.

    Das tun Sie.





    Hans-Georg von der Marwitz


    (A) (C)



    (D)(B)

    Mit Ihrem heutigen Antrag haben Sie bei mir manche
    Sympathie für das eine oder andere Ihrer Themen ver-
    spielt; denn es geht Ihnen nicht um eine sachliche Aus-
    einandersetzung mit Problemen, die es natürlich auch in
    der deutschen Landwirtschaft gibt, sondern allein um die
    Lufthoheit über ein Problem und die Besetzung eines
    Themas, das ihnen bei zukünftigen Wahlen Stimmen
    verschaffen soll.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Darum geht es Ihnen und nur darum, nicht etwa um kon-
    krete Veränderungen in einem landwirtschaftlichen Pro-
    blemfeld; denn ein fachlicher Diskurs über mögliche
    Verbesserungen in der deutschen Landwirtschaft muss
    im Dialog und darf nicht mit einer pauschalen Vorverur-
    teilung geführt werden.


    (Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo steht die bitte?)


    – Lies doch bitte einmal den gesamten ersten Teil eures
    Antrags.

    Um die Funktion der modernen Landwirtschaft in der
    heutigen Wirtschaftsordnung zu verstehen, hilft, wie so
    oft, ein Blick in die Geschichte. Mit dem Landwirt-
    schaftsgesetz von 1955 wurde die Stützungsbedürftig-
    keit des Agrarsektors herausgestellt. Allerdings müssen
    Förderungen zielgenau sein und sich in einem gewissen
    Rahmen bewegen. Vor allem dürfen die Kräfte des Wett-
    bewerbs nicht ausgehebelt werden.

    Sie wissen, dass auch ich einer Kappung der Direkt-
    zahlungen positiv gegenüberstand. Auch heute noch bin
    ich der Meinung, dass wir darüber diskutieren müssen.
    Aber haben wir nicht mit dem Umverteilungsprämienge-
    setz vor einem Jahr in den letzten GAP-Verhandlungen
    einen Kompromiss erreicht, dem auch Sie hier im Bun-
    destag zugestimmt haben?


    (Beifall bei der CDU/CSU)


    Jetzt verlangen Sie eine Umverteilung von 30 Prozent
    der Mittel aus der ersten Säule für die ersten 46 Hektar.


    (Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir haben mal Ihr Zitat von Morgenstern gegoogelt! – Heiterkeit bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Das würde bedeuten, dass über 1,4 Milliarden Euro an
    Förderungen für alle Betriebe per annum umgeschichtet
    werden müssten. Ich denke, dass das eher zu Mitnahme-
    effekten und zu weiteren Konzentrationen führen würde
    als zu einer produktiven und vor allem auch gerechten
    Landbewirtschaftung. Außerdem dürfte es zu einer
    Pachtpreisexplosion kommen, die nur den Landeigentü-
    mern zugutekommt.

    Auch Ihre nächsten Punkte können aus meiner Sicht
    so nicht stehen bleiben. Sie fordern eine pauschale Ober-
    grenze für die Anzahl der gehaltenen Tiere. Es sollten
    Ihrer Ansicht nach nicht mehr als zwei Großvieheinhei-
    ten pro Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche je Betrieb
    gehalten werden, um Massentierhaltung zu vermeiden.
    Natürlich – darin sind wir uns in mancher Hinsicht ei-
    nig – kann es kein ungebremstes Wachstum geben, vor
    allem nicht in masttierstarken Regionen. Um die Ent-
    wicklungen effektiver steuern zu können, haben wir uns
    bereits Anfang 2013 die Novelle zum Baugesetzbuch
    vorgenommen.

    Angenommen, wir würden die von Ihnen geforderten
    2 GV pro Hektar umsetzen, würde das nach dem GV-
    Schlüssel für Hähnchen 66 000 Mastplätze für einen
    46-Hektar-Betrieb bedeuten. Kann sich der Verbraucher
    eine 66 000 Plätze umfassende Mastanlage überhaupt
    vorstellen? Ist diese Größenordnung etwa keine Massen-
    tierhaltung? Was ist Massentierhaltung?


    (Beifall bei der CDU/CSU)


    Auch ökologisch produzierende Landwirte, die Hühner,
    Schweine oder Rinder mästen, sind letztlich Massentier-
    halter. Legen wir doch bitte diesen Kampfbegriff bei-
    seite und fragen lieber: Kann man Tiere so halten, dass
    sie sich offensichtlich wohlfühlen?


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Wir sind in dieser Frage gar nicht weit voneinander ent-
    fernt, Harald.


    (Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh doch!)


    Wie muss der Stall zum Wohlfühlen beschaffen sein?
    Wie muss ich Stallklima und Platzangebot optimieren,
    um den Einsatz von Antibiotika so gering wie möglich
    oder vielleicht sogar überflüssig zu machen?

    Sie haben vorhin gefragt, warum zum Teil in größeren
    Anlagen immer weniger Antibiotika eingesetzt werden.
    Das kommt daher – damit verrate ich kein Geheimnis –,
    dass der Bau dieser Stallanlagen inzwischen optimiert
    worden ist. Wenn wir diese Optimierung vornehmen,
    dann haben wir für den Tierschutz, den Verbraucher und
    für die Menschen insgesamt sehr viel erreicht.


    (Beifall bei der CDU/CSU)


    Nicht allein die Bestandsgröße, sondern auch die
    Tierzahl in einer Region muss diskutiert werden,


    (Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber das tun wir doch mit den GV!)


    aber nicht nur aufgrund des Tierwohls, sondern auch mit
    Blick auf die regionalen Voraussetzungen, die Agrar-
    strukturen und den volkswirtschaftlichen Sinn.

    Apropos Tierwohl: Herr Hofreiter, ich habe vorhin
    sehr wohl vernommen, dass Sie auch das kritisch beglei-
    ten.


    (Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schlimm! Das ist echt schlimm, wenn die Opposition Dinge kritisch begleitet! Das ist ganz ungewohnt für die CDU/CSU!)


    Die in diesem Jahr gestartete Initiative Tierwohl ist ein
    Bündnis aus Verbänden und Unternehmen der Landwirt-
    schaft, der Fleischwirtschaft und des Einzelhandels. Es
    ist das erste Mal, dass die private Wirtschaft branchen-
    übergreifend und freiwillig für eine Verbesserung des





    Hans-Georg von der Marwitz


    (A) (C)



    (D)(B)

    Tierwohls eintritt. Meiner Auffassung nach ist die Initia-
    tive ein guter Ansatz, um den Spagat zwischen Tier-
    schutz, Verbraucher- und Erzeugerinteressen zu schaf-
    fen.


    (Beifall bei der CDU/CSU – Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo wird denn das Erzeugerinteresse bedient? Das erzählen Sie mal! Der Verbraucher erkennt doch gar nicht, was es ist! Der kriegt es auf den Teller und weiß es nicht!)


    Wir sind auf einem guten Weg und arbeiten konsequent
    daran, Missstände zu beheben und das Ansehen der Tier-
    halter in der Öffentlichkeit weiter zu verbessern.

    In einem Punkt sind wir uns allerdings einig; darüber
    brauchen wir uns nicht die Köpfe heißzureden. Lieber
    Minister Schmidt, letzte Woche haben wir alle fraktions-
    übergreifend gefordert, dass die Umsetzung der Opt-out-
    Regelung rechtssicher gestaltet werden muss. Eine er-
    folgreiche Klage eines Gentechnikkonzerns oder auch
    zum Beispiel eine Nichtnutzung der Opt-out-Option
    durch ein Bundesland wäre aus meiner Sicht ein Super-
    GAU.


    (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE])


    Der mühsam gefundene Kompromiss zur Grünen Gen-
    technik wäre zunichtegemacht und die Glaubwürdigkeit
    der Politik massiv geschädigt. Insofern denke ich, dass
    eine bundesgesetzliche Regelung weniger Angriffsflä-
    che bieten würde als eine länderorientierte.


    (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE])


    Nun komme ich zum Schluss. Liebe Grünen, verab-
    schiedet euch vom Schüren von Zukunftsängsten, von
    gesetzlicher Regelungswut und der Bevormundung des
    Bürgers!


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Ich habe das Gefühl, ihr habt aus eurem letzten Wahl-
    kampfdesaster keine wirklichen Konsequenzen gezogen.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Kennen Sie Ihr Wahlergebnis in Hamburg?)