Rede von
Dr.
Martin
Pätzold
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen
und Herren! Wir debattieren heute 50 Jahre Europäische
Sozialcharta in der Bundesrepublik Deutschland. 1961
wurde dieses vom Europarat initiierte Abkommen be-
schlossen; 1965 wurde die Europäische Sozialcharta in
der Bundesrepublik Deutschland ratifiziert. Es ist gut,
dass die Oppositionsfraktion Die Linke diesen Antrag
stellt; so können wir über dieses wichtige Thema hier de-
battieren.
Die Europäische Sozialcharta war bei ihrem Inkraft-
treten ein historischer Meilenstein, und sie hat noch
heute eine besondere Bedeutung. Das wird auch darin
deutlich, dass sich in dieser Charta die Grundsätze der
sozialen Marktwirtschaft und damit auch der katholi-
schen Soziallehre wiederfinden. Für uns war immer
wichtig, dass sich die Subsidiarität, die zu stärkende Ei-
genverantwortung, die Solidarität, der verantwortliche
Umgang miteinander sowie die Personalität, die Men-
schenwürde in ihr widerspiegeln.
Insgesamt gibt es 19 Grundrechte, die in der Europäi-
schen Sozialcharta fixiert sind; sieben davon sind bin-
dend. Ich möchte drei dieser Grundrechte kurz erwäh-
nen: das Recht auf Arbeit, das Koalitionsrecht und das
Fürsorgerecht. Das alles sind Punkte, die eine besondere
Bedeutung haben. Sie haben es schon angesprochen:
1996 startete ein erster Prozess, diese Sozialcharta wei-
terzuentwickeln. Unter anderem wurden folgende drei
Punkte diskutiert: Schutz vor Obdachlosigkeit, Schutz
vor Armut, kostenlose Sekundar- und Primarbildung.
2007 hat die Bundesregierung die revidierte Fassung der
Europäischen Sozialcharta zwar unterzeichnet, aber bis
heute liegt keine Ratifizierung vor. Das ist auch der
Grund für Ihren Antrag, der Grund dafür, dass wir da-
rüber diskutieren.
Sie haben beschrieben, dass es 47 Mitgliedstaaten im
Europarat gibt, von denen 33 die revidierte Fassung be-
reits ratifiziert haben. Da muss man natürlich unterschei-
den zwischen „auf dem Papier ratifiziert“ und der Frage,
wie es in der Praxis gelebt wird.
Wir erleben, dass Staaten wie Russland, wie die Tür-
kei, auch wie Aserbaidschan zu den 33 Staaten gehören,
die diese neue Charta ratifiziert haben, auch nur mit den
neuen Bestimmungen, aber die Bundesrepublik
Deutschland noch nicht. Nach Auskunft des Bundes-
ministeriums für Arbeit und Soziales, nach Auskunft
von Staatssekretär Asmussen, ist eine Ratifizierung noch
in dieser Wahlperiode geplant, und es ist geplant, die
Verbände, die davon betroffen sind, einzubeziehen und
einen Diskussionsprozess zu führen. Deswegen sehe ich
Ihren Antrag quasi als Anstoß dazu, dass sich die
Bundesregierung und auch wir Fraktionen uns damit
auseinandersetzen mit dem Ziel, dass es in dieser Wahl-
periode gelingt. Ich glaube, es ist wichtig, dass die Ver-
bände, die davon betroffen sind, auch beteiligt werden.
An dieser Stelle geht es darum, eher gründlich als beson-
ders schnell zu sein. Es geht auch darum, die offenen
Punkte, die aus Sicht der Bundesrepublik Deutschland
sehr kritisch angemerkt werden, miteinander zu diskutie-
ren und zu besprechen.
Es sind zwei Punkte, die wir als kritisch ansehen und
über die wir, glaube ich, noch einmal diskutieren müs-
sen. Das ist einerseits der sehr weite Diskriminierungs-
begriff, und das ist andererseits die Frage: Wie gehen wir
damit um, dass auch Beamte ein Streikrecht bekommen
sollen? Das könnte man aus dieser Sozialcharta ableiten.
Das sehen wir durchaus kritisch, weil wir in Deutschland
eine besondere Rolle der Beamten definiert haben. Be-
amte haben besondere Rechte, aber auch Pflichten. Dazu
gehört, dass sie nicht streiken dürfen. Daher brauchen
wir noch etwas Zeit, um das gemeinsam zu diskutieren.
Die Punkte, die Sie aufgegriffen haben, sind nach
meiner Auffassung nachvollziehbar. Es ist wichtig, sie
zu diskutieren. Das Einzige, was ich nicht nachvollzie-
hen konnte, ist das Thema Griechenland und die Verbin-
dung zur Europäischen Sozialcharta. Dazu wird gleich
meine Kollegin Katrin Albsteiger etwas sagen.
Ich finde es wichtig, dass wir den Diskussionsprozess
gemeinsam fortsetzen. Die CDU/CSU-Bundestagsfrak-
tion wird sich weiterhin für die Europäische Sozialcharta
einsetzen.