Rede von
Dr.
Kirsten
Tackmann
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(DIE LINKE.)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE LINKE.)
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Liebe Gäste! Bevor wir in hoffentlich friedliche Weih-
nachten entschwinden können, geht es noch einmal um
Agrogentechnik. Bei diesem Thema ging es bis vor kur-
zem wenig friedlich zu. Ich finde, es ist unterdessen zu
einem Lehrstück einer lebendigen parlamentarischen
Demokratie geworden. Die Mehrheitsverhältnisse sind
mittlerweile nämlich ziemlich klar: Die übergroße Mehr-
heit der Menschen um uns herum will keine gentech-
nisch veränderten Pflanzen, und zwar weder auf dem
Teller noch auf dem Acker noch im Trog oder im Tank.
Im Bundestag reicht rein rechnerisch schon die Mehr-
heit von Rot-Rot-Grün, um jede Abstimmung, auch über
den Antrag der Grünen, zu gewinnen. Hinzu kämen die
blau-weißen Stimmen der CSU. Wir haben hier also eine
satte Mehrheit, und das ist unser gemeinsamer Erfolg.
Nur die CDU bleibt wacker an der Seite der Saatgut-
konzerne, zumindest mehrheitlich; denn, wie man so
hört, bröckelt auch diese Bastion. Selbst im bisher gen-
technisch freundlichen Spanien wurde 2014 weniger
GVO-Mais angebaut als in den Vorjahren. Der Wider-
stand wächst also, und das ist auch gut so.
Aber wir haben mit den Saatgutkonzernen natürlich
mächtige Gegner. Deshalb möchte ich all jenen danken,
die engagiert und mutig aufklären über die Folgen dieser
Risikotechnologie und auch darüber, wer von dieser
Technologie wirklich profitiert. Denn uns Linken geht es
um einen Grundsatz: Wir wollen nicht, dass Saatgutkon-
7424 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 77. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. Dezember 2014
Dr. Kirsten Tackmann
(C)
(B)
zerne darüber entscheiden, was auf unseren Tellern lan-
det.
Dabei geht es um hohe Profite, und die werden mit allen
Mitteln verteidigt. Im Film Gekaufte Wahrheit von
Bertram Verhaag wird gezeigt, wie kritische Wissen-
schaftlerinnen und Wissenschaftler verleumdet, diffamiert
und eingeschüchtert werden. Gerade weil ich selbst Wis-
senschaftlerin bin, finde ich das unerträglich. Das kön-
nen wir so nicht hinnehmen.
Dagegen hilft eben nur eine kluge Bündnispolitik. Bei
der Agrogentechnik zeigen wir, was eigentlich möglich
ist, wenn Naturschutz, christliche Ethik und linke Sys-
temkritik mal zusammenhalten.
Der Antrag der Grünen hat mich in seiner Milde aller-
dings überrascht. Vielleicht liegt es ja an Weihnachten.
Eure Forderungen teilen wir natürlich: Anbauverbote
müssen in allen Bundesländern gelten. Die Bundesregie-
rung muss natürlich dafür sorgen, dass riskante Pflanzen
nicht zugelassen werden. Aber das sind alles nur Notlö-
sungen; so haben es die Grünen selbst bezeichnet.
Wir als Linke wollen eben, dass riskante Pflanzen nicht
zugelassen werden; denn dann müssen sie hinterher auch
nicht verboten werden.
Was erwarten Verbraucherinnen und Verbraucher, wenn
gentechnisch veränderte Pflanzen zugelassen werden?
Sie erwarten zum Beispiel, dass es keine Risiken für
Mensch und Tier, für Natur und Umwelt gibt, dass ethi-
sche Bedenken ausgeräumt wurden, dass es keine Nach-
teile für diejenigen Betriebe gibt, die keine gentechnisch
veränderten Pflanzen anbauen, verarbeiten oder verfüt-
tern, und dass auch den Imkern dadurch kein Risiko ent-
steht. In der EU gilt schließlich das Vorsorgeprinzip, und
das ist auch richtig.
Aber genau diese Forderungen erfüllt das Zulassungs-
verfahren gar nicht. Das sagen nicht nur wir, sondern
auch das Europäische Parlament. Zum Beispiel fehlen
unabhängige Untersuchungen, zum Beispiel fehlen
Langzeituntersuchungen zu Schäden an Umwelt und für
Tiergesundheit, und es fehlen Untersuchungen zu soge-
nannten Kollateralschäden bei Nichtzielorganismen.
Diese Lücken müssen jetzt endlich geschlossen werden.
Um das Problem zu verdeutlichen: Zu Recht wird kri-
tisiert, dass bei Nutztieren zu viele Antibiotika einge-
setzt werden. Gleichzeitig werden aber gentechnisch
veränderte Pflanzen zugelassen, die ständig Insektengift
produzieren, und das mit dem gleichen Risiko von Re-
sistenzen. Das ist so, als würde man Weihnachtsgänse
gentechnisch so manipulieren, dass sie ständig Antibio-
tika produzieren. Also, mir vergeht da der Appetit.
Deshalb bleibt die Linke dabei: Wir fordern ein Zu-
lassungsverfahren, das die Gesellschaft vor riskanten
Pflanzen schützt und nicht die Profite von Saatgutkon-
zernen. Weil wir nicht an den Weihnachtsmann glauben,
werden wir im neuen Jahr weiter darum kämpfen. Da
Weihnachten eine Zeit der Besinnlichkeit ist, wünsche
ich uns allen, dass wir diese Zeit gut nutzen.
Vielen Dank.