Rede von
Andrea
Wicklein
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Heute beraten wir den Antrag der Fraktionen
der CDU/CSU und SPD „Regionale Wirtschaftspolitik –
Die richtigen Weichen für die Zukunft stellen“. Kern der
regionalen Wirtschaftspolitik ist die Gemeinschaftsauf-
gabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“,
GRW, zur Unterstützung strukturschwacher Regionen.
Wir, die Koalitionsfraktionen, bekennen uns mit unse-
rem Antrag zu diesem bewährten Förderinstrument.
Die GRW ist eine Erfolgsgeschichte. Allein zwischen
1991 und 2013 wurden mit 45 Milliarden Euro GRW-
Mitteln Investitionen der gewerblichen Wirtschaft in
Höhe von sage und schreibe 239 Milliarden Euro ausge-
löst. Dadurch wurden 1,2 Millionen Arbeitsplätze ge-
schaffen sowie über 2,3 Millionen Arbeitsplätze gesi-
chert.
7416 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 77. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. Dezember 2014
Andrea Wicklein
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Diese Bilanz zeigt: Ohne die GRW hätten viele Investi-
tionen nicht stattgefunden, hätten sich viele Regionen in
unserem Land nicht so gut entwickeln können. Die
GRW ist deshalb ein Stück gelebter Solidarität zwischen
dem Bund und den Ländern. Darauf können wir mit
Recht stolz sein.
Was viele nicht wissen: Die GRW ist nicht erst nach
der deutschen Einheit erfunden worden, um die neuen
Bundesländer zu unterstützen. Sie besteht bereits seit
45 Jahren. Sie wurde damals gemeinsam mit anderen
Gemeinschaftsaufgaben, zum Beispiel der Gemeinschafts-
aufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küs-
tenschutzes“ im Grundgesetz verankert. Bereits in den
60er-Jahren ging es nämlich um die Frage, ob und wie
Bund und Länder bei wichtigen gesamtstaatlichen Auf-
gaben zusammenwirken können. Damals waren es Län-
der wie Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Rhein-
land-Pfalz, die auf Bundeshilfe angewiesen waren.
Damals war die Bund-Länder-Zusammenarbeit übri-
gens sehr umstritten. 1967 zitierte Der Spiegel Kanzler
Kiesinger bei einem Treffen mit den Ministerpräsidenten
der Länder zur Reform der Finanzbeziehungen mit fol-
genden Worten:
Diese Reform ist der Prüfstein der Großen Koali-
tion. Wenn sie scheitert, dann scheitert auch die Ko-
alition.
Keine Sorge, liebe Kolleginnen und Kollegen,
diese Zeiten sind vorbei. Heute sind wir uns in diesem
Hohen Hause, glaube ich, alle einig, dass es eine ge-
meinsame Verantwortung von Bund und Ländern geben
muss, dass sie sinnvoll ist, um strukturelle Unterschiede
zwischen den Regionen auszugleichen, und dass wir
eine solche Gemeinschaftsaufgabe auch zukünftig brau-
chen. Unser Ziel sind gleichwertige Lebensverhältnisse
in unserem Land. Dieses Ziel ist grundgesetzlich ver-
brieft und ist deshalb eine Verpflichtung für die Politik.
Wie sieht die Situation in unserem Land heute aus?
Der aktuelle Raumordnungsbericht des Bundesinstituts
für Bau-, Stadt- und Raumforschung zeigt, dass die Ent-
wicklungsunterschiede im gesamten Bundesgebiet nach
wie vor sehr groß sind. Er zeigt die regionalen Disparitä-
ten in Bezug auf Demografie, Wirtschaft, Arbeitsmarkt,
Wohlstand und Infrastruktur. So liegt beispielsweise das
Bruttoinlandsprodukt pro Kopf der Bevölkerung im
ländlichen Trier oder auch in Mecklenburg-Strelitz bei
unter 20 000 Euro. In den Städten Erlangen oder Re-
gensburg beträgt es dagegen mehr als 60 000 Euro. Bei
der Arbeitslosigkeit sieht die Spreizung ähnlich aus: In
Gelsenkirchen, Bremerhaven und der Uckermark liegt
sie bei 14 Prozent, während sie in Donau-Ries, Pfaffen-
hofen an der Ilm oder Erding gerade einmal 2 Prozent
beträgt.
– Auch dort, Willi Brase.
In dem Bericht wird deshalb vor einer negativen Ab-
wärtsspirale aus Abwanderung, zurückgehenden Be-
triebsansiedlungen und zurückgehenden Finanzen in die-
sen Regionen gewarnt. Genau hier setzt die GRW gezielt
an: Sie unterstützt schwächere Regionen im Struktur-
wandel, verbessert die Standortbedingungen und schafft
wettbewerbsfähige Arbeitsplätze.
Ein gelungenes Beispiel ist das frühere Stahlwerkge-
lände im Dortmunder Stadtteil Hörde: Land und Bund
fördern hier den Ausbau zum Technologiestandort
Phoenix. Hier entstehen auf über 200 Hektar Entwick-
lungsfläche Räume für Mikro- und Nanotechnologie,
Softwareschmieden, Wohnen und Freizeit im Grünen.
Das ist eine Fläche annähernd so groß wie 300 Fußball-
felder.
Oder nehmen wir Rostock: In der Hansestadt wurden
seit 2007 Investitionen in Höhe von rund 850 Millionen
Euro durch die GRW ausgelöst. Dadurch wurden Tau-
sende Arbeitsplätze gesichert oder geschaffen, beispiels-
weise durch die Ansiedlung des Unternehmens Liebherr,
das Schiffs- und Offshorekrane entwickelt und fertigt.
Diese Beispiele zeigen: Die gemeinsame Wirtschafts-
politik von Bund und Ländern zahlt sich aus. Wir wollen
deshalb die GRW weiterentwickeln und stärken. Das ha-
ben wir im Koalitionsvertrag beschlossen.
Der heute von den Koalitionsfraktionen vorgelegte
Antrag verfolgt dieses Ziel und kommt genau zur rech-
ten Zeit. Aktuell laufen die Bund-Länder-Finanzver-
handlungen. Dabei muss eines klar sein: Auch ein neuer
Länderfinanzausgleich wird die Strukturschwäche von
Regionen nicht ausreichend berücksichtigen können.
Deshalb ist Kern unseres Antrags, dass wir auch nach
2020 ein Fördersystem für strukturschwache Regionen
brauchen. Deshalb müssen wir schon jetzt die Weichen
für ein gesamtdeutsches System der regionalen Wirt-
schaftsförderung stellen.
Für den Haushalt 2015 haben wir die Bundesmittel
für die GRW auf 600 Millionen Euro aufgestockt. In den
kommenden Jahren werden wir diese Mittel weiter erhö-
hen. Zusammen mit den Ländermitteln wird die GRW
dann über 1 Milliarde Euro betragen.
Mit dem beschlossenen Haushalt und unserem Antrag
machen wir deutlich, dass sich die Menschen auch zu-
künftig darauf verlassen können, dass Bund und Länder
miteinander daran arbeiten, dass sich die Lebensverhält-
nisse in Ost und West, in Nord und Süd weiter anglei-
chen und keine Region abgehängt wird.
In diesem Sinne vielen Dank und schöne Weihnach-
ten.
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