Rede von
Dr.
Matthias
Bartke
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Ich halte einen Mindestlohn von 8,50 Euro als Le-
bensarbeitsperspektive auch nicht für sinnvoll. Ich
möchte, dass die Menschen mehr Geld verdienen, aber
ich glaube, dass 8,50 Euro erst einmal ein sinnvoller
Einstieg sind und danach durchaus mehr Geld verdient
werden sollte. Nur, von vornherein den Mindestlohn auf
über 10 Euro festzusetzen, halte ich für falsch. Übrigens
hat die Hamburger Linke einen Mindestlohn von
13,50 Euro gefordert. Sie packen immer wieder etwas
obendrauf, also eine nach oben offene Lohnskala. Das
kann so nicht funktionieren.
Ich sage Ihnen: Wir prüfen das Hartz-IV-System sehr
kritisch. Ein Teil dieser Prüfung beinhaltet die Auswer-
tung der Ergebnisse der Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur
Rechtsvereinfachung im SGB II. Die Arbeitsgruppe be-
stätigt uns in der Einschätzung, dass besonders das
Sanktionssystem so nicht fortgeführt werden kann. Es ist
zu kompliziert und zu intransparent; aber vor allem wird
es von vielen Betroffenen als repressiv wahrgenommen.
Das war nicht die Idee, und das muss geändert werden.
„Fördern und Fordern“ funktioniert nur, wenn in
beide Richtungen interagiert wird. Wir werden daher
künftig den Beratungen und den daraus resultierenden
Eingliederungsvereinbarungen einen deutlich höheren
Stellenwert beimessen.
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 77. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. Dezember 2014 7409
Dr. Matthias Bartke
(C)
(B)
Die Bund-Länder-Arbeitsgruppe fordert überdies die
Abschaffung des Sondersanktionssystems für Jugendli-
che. Ich sage Ihnen: Das ist eine richtige Forderung.
Die Menschen nicht verlieren zu wollen, ist gerade bei
Jugendlichen von besonderer Bedeutung. Eine härtere
Sanktionierung von Jugendlichen widerspricht jeder pä-
dagogischen Erwägung.
Durch harte Sanktionen geht Vertrauen verloren, und
es bauen sich Mauern auf. Die Mitarbeiter in den Job-
Centern werden von den Jugendlichen nicht mehr als
Berater, sondern als Bestrafer wahrgenommen. Das kann
so auf keinen Fall weitergehen.
Die Bund-Länder-Arbeitsgruppe rät überdies dazu,
die Kürzungsmöglichkeiten bei den Kosten für die Un-
terkunft aufzuheben. Auch diesen Rat sollten wir beher-
zigen.
Es mag Konstellationen geben, bei denen die Betrof-
fenen hartnäckige Kooperationsverweigerer sind. Das
sind aber die völligen Ausnahmen. Es gibt viel mehr
Fälle, in denen Menschen ihr Leben nicht mehr in den
Griff bekommen, ihre Post nicht mehr öffnen, nicht
mehr miteinander kommunizieren und auf der Schwelle
zur Verwahrlosung stehen. In solchen Fällen kann die
Streichung der Leistung für Unterkunft der entschei-
dende Schritt in die Obdachlosigkeit sein. Diesen Schritt
müssen wir verhindern.
Deswegen: in solchen Fällen nicht mehr Sanktionen,
sondern mehr Sozialarbeit.
Unser Ziel ist es, Menschen in Arbeit zu bringen, und
zwar in Arbeit zu guten Bedingungen. Diesen Anspruch
untermauern wir mit konkreten Ergebnissen und nicht
mit unrealistischen Forderungen.
Am 1. Januar 2015 gibt es zum ersten Mal in
Deutschland einen gesetzlichen Mindestlohn; man kann
das gar nicht oft genug wiederholen. Jeder Mensch weiß:
Ohne die deutsche Sozialdemokratie gäbe es diesen
Mindestlohn nicht.
Gute Arbeit zu guten Bedingungen, das ist unser An-
spruch seit 150 Jahren.
Meine Damen und Herren, ich danke Ihnen und wün-
sche Ihnen ein friedvolles Weihnachtsfest.