Sehr geehrter Herr Präsident! Kolleginnen und Kolle-
gen! Sehr geehrte Damen und Herren! „Handwerk hat
goldenen Boden“ ist auch ein Sprichwort.
– Na ja, im Sprichwort heißt es halt „goldenen Boden“
und nicht „grünen Boden“; ich glaube, so weit sind wir
uns schon einig, oder?
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 5. Dezember 2014 7073
Barbara Lanzinger
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– Gut, in Ordnung. – Das Gold glänzt nicht mehr ganz
so, wie es früher einmal geglänzt hat: Es gibt viele Auf-
lagen und viele Anforderungen an unser Handwerk und
gerade an unsere kleinen und mittleren mittelständischen
Betriebe. Trotzdem oder vielleicht auch gerade deshalb,
weil diese Kraft dahintersteckt, ist das Handwerk das
Rückgrat unserer Wirtschaft. Ich glaube, gerade diese
kleinen und mittleren mittelständischen Betriebe haben
uns in Deutschland die letzten Jahre, wo es wirtschaft-
lich gesehen ja nicht so einfach war, sehr wohl geholfen;
ich denke, das muss man festhalten. Wir müssen alles
tun, um diese Kraft zu stärken, und dürfen sie nicht
schwächen.
Die Handwerksbetriebe mit ihren ausgezeichnet aus-
gebildeten Beschäftigten und vorneweg den Meisterin-
nen und Meistern sind – das wurde heute schon ein paar-
mal erwähnt – das Herzstück und – auch das sage ich
ganz bewusst – der Puls unseres Mittelstandes.
Meine Vorredner haben vieles erwähnt; man könnte
auch sagen, ich hätte von denjenigen, die schon gespro-
chen haben, abgeschrieben, oder ich wiederholte, was
schon gesprochen wurde. Ich sage aber: Es gibt auch ein
altes Sprichwort in der Werbeindustrie. Demnach muss
man vieles mehrfach sagen und hören, damit es tatsäch-
lich ankommt und angenommen wird.
Deshalb sage ich noch einmal ganz deutlich in meiner
Rede: Unsere hohe Qualität – made in Germany – ist
Präzisionsarbeit, und unsere Leistungsfähigkeit kommt
nicht irgendwoher oder von ungefähr. Unsere Basis da-
für ist eine gute, fundierte Ausbildung, ist das Können,
sind bewährte Strukturen, auf die wir zurückgreifen kön-
nen, mündend auch im Meisterbrief, und zwar – auch
das sage ich ganz deutlich – nicht nur im Meisterbrief,
sondern vor allem auch im Meistervorbehalt. Ich denke,
es ist wichtig, dies deutlich zu machen; denn es geht auf
europäischer Ebene nicht darum, den Meisterbrief zu un-
tersuchen, sondern vor allem den Meistervorbehalt,
sprich: Wie kann ich mich selbstständig machen, nur mit
einem Meister? – Der Meisterbrief steht nicht zur Dis-
position.
Es ist auch richtig – ich wiederhole es ganz be-
wusst –: Bereits Ludwig Erhard hat ganz deutlich gesagt,
dass es sich bei dem Meisterbrief nicht um eine Ein-
schränkung, sondern um einen Nachweis zur Befähi-
gung handelt. Der Meisterbrief – ich glaube, wir sind uns
hier alle einig – ist beileibe kein Hemmnis und schon gar
keine Marktzugangsbeschränkung, sondern ist vielmehr
ein wirksames Instrument zur Leistungssteigerung ins-
gesamt, durch das im Handwerk erst die Voraussetzun-
gen für Wettbewerb geschaffen werden, den wir in unse-
rer Wirtschaft dringend brauchen.
Es ist falsch, von einer Reglementierung zu sprechen
und damit negative Verbindungen herzustellen. Immer
wenn das Wort „Reglementierung“ fällt, denkt man an
Bürokratie und Bürokratieabbau. Das ist in diesem Fall
falsch. Man muss hier sehr wohl differenzieren. Hier ist
die Reglementierung positiv, absolut positiv für mehr
Qualität. Wir müssen uns gemeinsam bei der Umsetzung
der EU-Richtlinien zur Reglementierung der Berufe für
den Erhalt des Instruments Meisterbrief und damit des
Meistervorbehalts starkmachen und dafür kämpfen, dass
dieses bewährte Instrument der Leistungssteigerung er-
halten bleibt.
Die EU-Kommission verfolgt mit ihrem Aufruf zur
Überprüfung das Ziel – ich wiederhole das noch ein-
mal –, durch den Abbau von Regulierung mehr Beschäf-
tigung und Wachstum zu schaffen. Daher sollen wir im
Zuge eines gegenseitigen Evaluierungsprozesses die Zu-
gangsschranken für regulierte Berufe genau überprüfen
und begründen. Aus meiner Sicht – ich denke, wir sind
uns hier einig – muss die Überprüfung und Begründung
heißen, den Meisterbrief nicht nur zu erhalten, sondern
zu stärken. Warum? Weil die Ausbildung vom Gesellen
über die Berufserfahrung hin zum Meister die Basis für
einen qualifizierten und leistungsstarken Wirtschaftsbe-
reich und auch – das sage ich ganz deutlich – für eine so-
lide und wirtschaftliche Unternehmenspolitik ist. Das ist
ein Qualitätssiegel und ein Gütesiegel erster Klasse.
Die Idee von mehr Wachstum und mehr Beschäfti-
gung im Zuge von Dienstleistungsfreiheit auf dem euro-
päischen Binnenmarkt ist wirtschaftlich interessant. Es
ist jedoch sehr wohl fraglich, ob dies durch die Abschaf-
fung des wertvollen Instruments der Meisterprüfung und
damit unserer dualen Ausbildung erreicht werden kann
und erreicht werden sollte.
Ich wiederhole auch – das wurde schon einige Male
erwähnt –: Wir dürfen nicht – ich nenne es ganz bewusst
so – über Qualitätsleichen gehen, um eine europäische
Liberalisierung zu erreichen. Die Erfahrungen der Hand-
werksnovelle 2004 zeigen uns schon deutlich, dass sie
nicht geholfen hat, dem Fachkräftemangel entgegenzu-
wirken, das Wirtschaftswachstum anzukurbeln oder gar
den grenzüberschreitenden Austausch von Handel und
Dienstleistungen zu beflügeln. Ganz im Gegenteil: Die
Abschaffung der 53 zulassungspflichtigen Gewerke hat
bei uns zu einem Qualitätsverlust – ich sage es ganz
deutlich: zu einem enormen Qualitätsverlust – geführt.
Das darf nicht noch einmal passieren.
Weil man auch in der Politik schlauer werden kann,
haben wir heute diesen Antrag gestellt. Denn wir wollen
im Zusammenhang mit der neuen Evaluierung nicht wie-
der den gleichen Fehler machen. Wir sagen ganz klar:
Wir müssen den Meister und den Meistervorbehalt er-
halten.
7074 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 5. Dezember 2014
Barbara Lanzinger
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Es stimmt – ich erwähne das ganz bewusst –, dass
sich wegen der damaligen Novellierung heute jeder als
Fliesenleger, als Trockenbauer selbstständig machen
kann. Wenn man heute auf dem Bau arbeitet – da weiß
ich, wovon ich spreche –, dann erlebt man schon, dass
Meisterbetriebe, deren Mitarbeiter eine gute Ausbildung
haben, tatsächlich das ausbaden müssen, was vorher ka-
puttgemacht worden ist. Deren Auftragsbücher sind aber
übervoll; ich bekomme sie gar nicht auf den Bau, wenn
es tatsächlich zu Pfusch am Bau gekommen ist. Das ist
so, und insofern müssen wir dafür sorgen, dass solche
Dinge nicht mehr passieren.
Einer meiner Handwerksmeister erzählt mir immer:
Ein gut ausgebildeter Koch, der keine Arbeit kriegt,
kann sich als Estrichleger selbstständig machen. Er weiß
aber nicht, welche Dämmung darunter ist. Der Metzger,
der in seinem Gewerk eigentlich auch sehr gut ist, legt
dann die Fliesen drauf. Dabei kommt nichts Gutes he-
raus; eine solche „Wurst“ kann man nicht essen.
Es ist auch so, dass sich viele Dienstleister, zum Bei-
spiel Hausmeister, als Handwerker niederlassen. Da
müssen wir schon vorsichtig sein und ganz genau auf-
passen, dass die Reglementierung im positiven Sinn in
diesem Fall erhalten bleibt.
Ich möchte einen Punkt erwähnen, der heute noch
nicht erwähnt worden ist: die Altgesellenregelung, die es
nach wie vor gibt. Gesellen, die über Jahre hinweg in ih-
rem Betrieb gearbeitet haben, können sich demnach
auch ohne Meisterbrief selbstständig machen und sehr
wohl einen Betrieb eröffnen.
Ich denke, es ist sehr wichtig, noch einmal darauf hinzu-
weisen.
Ein weiterer wichtiger Punkt: die Meisterfrauen im
Handwerk. Ich erwähne sie ganz bewusst.
– Danke schön. – Wir haben über viele Jahre hinweg da-
rum gerungen, dass die Meisterfrauen im Handwerk so-
zialversicherungspflichtig angemeldet sind, was früher
nicht so selbstverständlich war; da wurde halt einfach
mitgearbeitet. Wir haben heute eine hohe Qualifikation
der – ich sage es jetzt mal so – angeheirateten Meister-
frauen; ich bin auch so eine angeheiratete Mittelständle-
rin. Man muss hier schon etwas leisten, man muss sich
fortbilden, weil man oftmals aus branchenfremden Beru-
fen kommt. Die Meisterfrauen im Handwerk – sie nen-
nen sich so – sind ganz wichtig, weil sie unendlich vieles
leisten, wie soziales, gesellschaftliches Engagement
etwa im Hinblick auf die Auszubildenden in den Betrie-
ben, die sie oftmals begleiten. Gerade die Ausbildung im
Handwerk ist sehr nah an den Hauptschulen dran, die
uns sehr wichtig sind. Es ist manchmal nicht ganz ein-
fach, diese jungen Leute wirklich zu fördern und nach
vorne zu bringen.
Ich fasse zusammen. Dies alles zeigt: Das Handwerk
ist für die regionale Wertschöpfung, für unsere gesell-
schaftspolitische Entwicklung enorm wichtig. Es sichert
in der Region die Bevölkerungsstruktur, die wir brau-
chen; es hält Jugendliche in den Heimatregionen und
verhindert die Abwanderung in die Städte.
Ich möchte ganz kurz Folgendes erwähnen. Sie alle
wissen, ich komme aus Bayern. Ich denke schon, dass
man sagen sollte, dass mit der Abschaffung der Studien-
gebühren in Bayern – es ist unerheblich, ob ich damals
damit einverstanden war – die Schaffung des sogenann-
ten Meisterbonus in Höhe von 1 000 Euro einherging,
den wir denjenigen, die die Meisterprüfung machen, zu-
sätzlich bezahlen, um sie zu unterstützen. Das ist sicher-
lich nicht genug, aber es ist ein deutlicher Anreiz. An
den Fachhochschulen haben wir Studiengänge, in denen
Meister studieren können und dort einen Abschluss, den
Bachelor, machen können. Ich denke, das ist richtig, um
den jungen Menschen, den Gesellen, den Gesellinnen
und den Meistern, einen Weg zu ebnen und sie ein Stück
weit mit Studenten gleichzustellen. Es gibt die immer
fortwährende Diskussion, ob nur ein Studium richtig ist.
Ich halte das für falsch. Ich denke, es ist ganz wichtig,
hier deutliche Zeichen zu setzen.
Ich möchte schließen. Wir müssen aufpassen, dass
wir unsere wertvollen nationalen Regeln zum Berufszu-
gang insgesamt nicht zunehmend verwässern. Uns er-
wartet da im Rahmen der Transparenzrichtlinie noch ei-
niges, gerade was die freien Berufe betrifft. Da bitte ich
einfach alle, auch mitzuhelfen.
Schließen möchte ich mit dem wunderschönen Satz,
der mich eigentlich mein ganzes Leben lang begleitet
hat: Gott schütze das ehrbare Handwerk!
Herzlichen Dank fürs Zuhören.