Plenarprotokoll 18/71
Deutscher Bundestag
Stenografischer Bericht
71. Sitzung
Berlin, Freitag, den 28. November 2014
I n h a l t :
Tagesordnungspunkt I: (Fortsetzung)
a) Zweite Beratung des von der Bundesregie-
rung eingebrachten Entwurfs eines Geset-
zes über die Feststellung des Bundes-
haushaltsplans für das Haushaltsjahr
2015 (Haushaltsgesetz 2015)
Drucksachen 18/2000, 18/2002 . . . . . . . . 6747 A
b) Beratung der Beschlussempfehlung des
Haushaltsausschusses zu der Unterrich-
tung durch die Bundesregierung: Finanz-
plan des Bundes 2014 bis 2018
Drucksachen 18/2001, 18/2002, 18/2826 . 6747 B
I.18 Einzelplan 12
Bundesministerium für Verkehr und
digitale Infrastruktur
Drucksachen 18/2812, 18/2823 . . . . . . . 6747 B
Roland Claus (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 6747 C
Eckhardt Rehberg (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 6748 D
Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6750 C
Bettina Hagedorn (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 6751 D
Alexander Dobrindt, Bundesminister
BMVI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6754 C
Herbert Behrens (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 6758 B
Martin Burkert (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6759 A
Stephan Kühn (Dresden) (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6760 B
Reinhold Sendker (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 6761 C
Sabine Leidig (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 6763 B
Martin Burkert (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 6763 D
Kirsten Lühmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 6764 B
Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6765 D
Ulrich Lange (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 6766 C
Matthias Gastel (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6767 C
I.19 Einzelplan 32
Bundesschuld
Drucksache 18/2821 . . . . . . . . . . . . . . . . 6769 A
I.20 Einzelplan 60
Allgemeine Finanzverwaltung
Drucksache 18/2822 . . . . . . . . . . . . . . . . 6769 A
I.21 Haushaltsgesetz 2015
Drucksachen 18/2824, 18/2825. . . . . . . . 6769 B
Tagesordnungspunkt II:
Dritte Beratung des von der Bundesregierung
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über
die Feststellung des Bundeshaushaltsplans
für das Haushaltsjahr 2015 (Haushaltsge-
setz 2015)
Drucksachen 18/2000, 18/2002, 18/2802,
18/2805, 18/2806, 18/2807, 18/2808, 18/2809,
18/2810, 18/2811, 18/2812, 18/2813, 18/2814,
18/2815, 18/2817, 18/2818, 18/2821, 18/2822,
18/2823, 18/2824, 18/2825 . . . . . . . . . . . . . . 6769 D
Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) . . . . . . . . . 6770 A
Ralph Brinkhaus (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 6771 D
Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6774 C
Johannes Kahrs (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6775 D
Inhaltsverzeichnis
II Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. November 2014
Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister
BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6777 B
Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6778 A
Roland Claus (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 6779 D
Bettina Hagedorn (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 6780 C
Dr. Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6781 D
Dr. h. c. Hans Michelbach (CDU/CSU) . . . . . 6783 A
Thomas Jurk (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6784 D
Carsten Körber (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 6786 C
Sonja Steffen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6787 D
Norbert Barthle (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 6789 A
Namentliche Abstimmungen . . . . . . . 6790 C/D
Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6792 A, 6794 B
Nächste Sitzung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6797 A
Anlage 1
Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 6799 A
Anlage 2
Erklärungen nach § 31 GO zur namentlichen
Abstimmung über den von der Bundesregie-
rung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes
über die Feststellung des Bundeshaushalts-
plans für das Haushaltsjahr 2015 (Haushalts-
gesetz 2015) (Tagesordnungspunkt I.a)
Dr. Sascha Raabe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 6799 C
Stefan Rebmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 6800 C
Gabi Weber (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6801 A
Anlage 3
Amtliche Mitteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6802 A
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. November 2014 6747
(A) (C)
(D)(B)
71. Sitzung
Berlin, Freitag, den 28. November 2014
Beginn: 9.00 Uhr
(D)
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. November 2014 6799
(A) (C)
(B)
Anlagen zum Stenografischen Bericht
Anlage 1
Liste der entschuldigten Abgeordneten
(D)
Abgeordnete(r)
entschuldigt bis
einschließlich
Alpers, Agnes DIE LINKE 28.11.2014
Becker, Dirk SPD 28.11.2014
Bellmann, Veronika CDU/CSU 28.11.2014
Dağdelen, Sevim DIE LINKE 28.11.2014
Feiler, Uwe CDU/CSU 28.11.2014
Gohlke, Nicole DIE LINKE 28.11.2014
Grindel, Reinhard CDU/CSU 28.11.2014
Groth, Annette DIE LINKE 28.11.2014
Dr. Högl, Eva SPD 28.11.2014
Dr. Jüttner, Egon CDU/CSU 28.11.2014
Kermer, Marina SPD 28.11.2014
Kretschmer, Michael CDU/CSU 28.11.2014
Dr. Malecha-Nissen,
Birgit
SPD 28.11.2014
Movassat, Niema DIE LINKE 28.11.2014
Nahles, Andrea SPD 28.11.2014
Nietan, Dietmar SPD 28.11.2014
Nouripour, Omid BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
28.11.2014
Poß, Joachim SPD 28.11.2014
Schlecht, Michael DIE LINKE 28.11.2014
Schön (St. Wendel),
Nadine
CDU/CSU 28.11.2014
Dr. Steinmeier, Frank-
Walter
SPD 28.11.2014
Tempel, Frank DIE LINKE 28.11.2014
Dr. Verlinden, Julia BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
28.11.2014
Walter-Rosenheimer,
Beate
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
28.11.2014
Weinberg, Harald DIE LINKE 28.11.2014
Wicklein, Andrea SPD 28.11.2014
Wunderlich, Jörn DIE LINKE 28.11.2014
Zech, Tobias CDU/CSU 28.11.2014
Anlage 2
Erklärungen nach § 31 GO
zur namentlichen Abstimmung über den von
der Bundesregierung eingebrachten Entwurf
eines Gesetzes über die Feststellung des Bun-
deshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2015
(Haushaltsgesetz 2015) (Tagesordnungspunkt I.a)
Dr. Sascha Raabe (SPD): Meine Enthaltung zum
Gesamthaushalt 2015 liegt darin begründet, dass ich ei-
nerseits dem Einzelplan 23 aufgrund seiner deutlich zu
geringen Aufwüchse aus Gewissengründen nicht zustim-
men kann. Andererseits bejahe ich ausdrücklich die an-
deren Einzelpläne, in denen wichtige sozialdemokrati-
sche Anliegen verwirklicht werden. Deshalb kann ich
dem Gesamthaushalt weder zustimmen noch ablehnen
und werde mich enthalten.
Das Jahr 2015 ist für die Entwicklungspolitik und vor
allem für die ärmsten Menschen dieser Erde ein beson-
deres Jahr. Zum einen ist es das Zieljahr der sogenannten
Millenniumsentwicklungsziele – MDGs. Zum anderen
ist es auch das Zieljahr der verbindlichen Selbstver-
pflichtung der europäischen Mitgliedstaaten aus dem
Jahre 2005, in dem diese zugesagt hatten, ihren Anteil der
öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit am Brutto-
nationaleinkommen bis 2015 auf 0,7 Prozent – ODA-
Quote – zu steigern. Auch Deutschland hat sich 2005
ausdrücklich unter der damaligen rot-grünen Regierung
zu diesem Ziel verpflichtet. Von 2005 bis 2009 gab es
deutliche Aufwüchse im Entwicklungshaushalt – Einzel-
plan 23 –, um diesem Ziel näherzukommen. Nach Über-
nahme der schwarz-gelben Regierung wurden diese
Aufwüchse leider nicht fortgeschrieben. Die SPD-Bun-
destagsfraktion hatte deshalb stets in ihren Haushaltsan-
trägen einen Aufwuchs von einer Milliarde Euro pro
Jahr gefordert, um das 0,7-Prozent-Ziel bis zum Jahr
2015 doch noch erreichen zu können.
Im Koalitionsvertrag von CDU und SPD für die lau-
fende 18. Wahlperiode steht:
Abgeordnete(r)
entschuldigt bis
einschließlich
Anlagen
6800 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. November 2014
(A) (C)
(D)(B)
Wir halten an dem Ziel fest, 0,7 Prozent des Brutto-
nationaleinkommens für öffentliche Entwicklungs-
zusammenarbeit zur Verfügung zu stellen. Wir wer-
den uns diesem Ziel durch jährliche Steigerungen
der Mittel für Entwicklungszusammenarbeit im
Rahmen des Bundeshaushaltes annähern. Wir wol-
len Deutschland weiter auf einen Finanzierungs-
pfad zum 0,7-ODA-Ziel führen.
Leider sind diese finanziellen Vereinbarungen des
Koalitionsvertrages im Einzelplan 23 für das Jahr 2015
mit seinem geringen Aufwuchs von rund 65 Millionen
Euro nicht annähernd umgesetzt, um dieses Ziel zu er-
füllen.
Gegenwärtig hat Deutschland eine ODA-Quote von
nur rund 0,38 Prozent.
Alleine um die Quote von 0,38 Prozent zu halten,
müssten aufgrund des jährlichen Wirtschaftswachstums,
der jährlichen Inflation und des dadurch jährlich steigen-
den Bruttonationaleinkommens die ODA-anrechnungs-
fähigen Ausgaben um etwa 300 Millionen Euro pro Jahr
steigen. Mit dem Haushalt 2015 wird aufgrund der ge-
ringen Aufwüchse im Einzelplan 23 die ODA-Quote im
Jahr 2015 hingegen voraussichtlich sogar noch sinken.
Angesichts über 2 Milliarden armer Menschen, 1,2 Mil-
liarden extrem armer Menschen und über 800 Millionen
hungernder Menschen, die zu Tausenden täglich an den
Folgen von extremer Armut sterben, kann ich es mit
meinem Gewissen nicht vereinbaren, dass Deutschland
sich hier seiner Verantwortung und seinem selbst gege-
benen Versprechen gegenüber den Ärmsten der Armen
entzieht. Wenn man bedenkt, wie viele Menschenleben
beispielsweise gerade in den durch Ebola betroffenen
Ländern, in denen das Gesundheitssystem größtenteils
zusammengebrochen ist, durch mehr Mittel für Entwick-
lungszusammenarbeit gerettet werden könnten, ist das
Gesamtvolumen des Einzelplans 23 beschämend. Dies
zeigt auch die Absenkung des GAFTM auf nunmehr le-
diglich 210 Millionen Euro. De facto kommt dies einer
Kürzung um 35 Millionen Euro im Vergleich zum Vor-
jahr gleich. Und dies vor dem Hintergrund der enormen
Herausforderungen, die HIV/Aids, Malaria und vor al-
lem Tuberkulose nach wie vor darstellen. Mehr Investi-
tionen in Diagnosemöglichkeiten und Behandlungen
würden helfen, die gefährliche Lungenkrankheit zu ver-
drängen – aber dazu wäre eine großzügigere Finanzie-
rung notwendig.
Andere europäische Länder wie Großbritannien ha-
ben das 0,7-Prozent-Ziel längst erreicht, obwohl sie grö-
ßere wirtschaftliche und finanzielle Gesamtprobleme zu
stemmen haben als Deutschland. Deshalb geht von die-
sem Entwicklungshaushalt auch ein fatales Signal an
diejenigen europäischen Länder aus, die wie Deutsch-
land ihre Verpflichtungen bisher nicht erfüllt haben.
Denn andere Länder werden sich auf das schlechte Bei-
spiel Deutschlands berufen und auf ihre vergleichsweise
schwierigere wirtschaftliche Lage verweisen.
Aus all diesen vorgenannten Gründen ist mir eine Zu-
stimmung zum Haushalt 2015 nicht möglich.
Stefan Rebmann (SPD): Ich bejahe den Gesamt-
haushalt 2015 sowie die daran enthaltenen Einzelpläne
ausdrücklich, dies gilt jedoch nicht für den Einzelplan 23
für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.
Meine Vorbehalte gegenüber dem Einzelplan 23 be-
gründe ich wie folgt.
Das Jahr 2015 ist für die Entwicklungspolitik und vor
allem für die ärmsten Menschen dieser Erde ein beson-
deres Jahr. Zum einen ist es das Zieljahr der sogenannten
Millenniumsentwicklungsziele – MDGs. Zum anderen
ist es auch das Zieljahr der verbindlichen Selbstver-
pflichtung der europäischen Mitgliedstaaten aus dem
Jahre 2005, in dem diese zugesagt hatten, ihren Anteil der
öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit am Brutto-
nationaleinkommen bis 2015 auf 0,7 Prozent – ODA-
Quote – zu steigern. Auch Deutschland hat sich 2005
ausdrücklich unter der damaligen rot-grünen Regierung
zu diesem Ziel verpflichtet. Von 2005 bis 2009 gab es
deutliche Aufwüchse im Entwicklungshaushalt – Einzel-
plan 23 –, um diesem Ziel näherzukommen. Nach der
Übernahme der schwarz-gelben Regierung wurden diese
Aufwüchse leider nicht fortgeschrieben. Die SPD-Bun-
destagsfraktion hatte deshalb stets in ihren Haushaltsan-
trägen einen Aufwuchs von einer Milliarde Euro pro
Jahr gefordert, um das 0,7-Prozent-Ziel bis zum Jahr
2015 doch noch erreichen zu können.
Im Koalitionsvertrag von CDU und SPD für die lau-
fende 18. Wahlperiode steht:
Wir halten an dem Ziel fest, 0,7 Prozent des Brutto-
nationaleinkommens für öffentliche Entwicklungs-
zusammenarbeit zur Verfügung zu stellen. Wir wer-
den uns diesem Ziel durch jährliche Steigerungen
der Mittel für Entwicklungszusammenarbeit im
Rahmen des Bundeshaushaltes annähern. Wir wol-
len Deutschland weiter auf einen Finanzierungs-
pfad zum 0,7-ODA-Ziel führen.
Leider sind diese finanziellen Vereinbarungen des
Koalitionsvertrages im Einzelplan 23 für das Jahr 2015
mit seinem geringen Aufwuchs von rund 62 Millionen
Euro nicht annähernd umgesetzt, um dieses Ziel zu er-
füllen.
Gegenwärtig hat Deutschland eine ODA-Quote von
nur rund 0,38 Prozent.
Alleine um die Quote von 0,38 Prozent zu halten,
müssten aufgrund des jährlichen Wirtschaftswachstums,
der jährlichen Inflation und dem dadurch jährlich stei-
genden Bruttonationaleinkommen die ODA-anrech-
nungsfähigen Ausgaben um etwa 300 Millionen Euro
pro Jahr steigen. Mit dem Haushalt 2015 wird aufgrund
der geringen Aufwüchse im Einzelplan 23 die ODA-
Quote im Jahr 2015 hingegen voraussichtlich sogar noch
sinken.
Angesichts über 2 Milliarden armer Menschen, 1,2 Mil-
liarden extrem armer Menschen und über 800 Millionen
hungernder Menschen, die zu Tausenden täglich an den
Folgen von extremer Armut sterben, kann ich es mit
meinem Gewissen nicht vereinbaren, dass Deutschland
sich hier seiner Verantwortung und seinem selbst gege-
benen Versprechen gegenüber den Ärmsten der Armen
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. November 2014 6801
(A) (C)
(D)(B)
entzieht. Wenn man bedenkt, wie viele Menschenleben
beispielsweise gerade in den durch Ebola betroffenen
Ländern, in denen das Gesundheitssystem größtenteils
zusammengebrochen ist, durch mehr Mittel für Entwick-
lungszusammenarbeit gerettet werden könnten, ist das
Gesamtvolumen des Einzelplans 23 beschämend. Dies
zeigt auch die Absenkung des GAFTM auf nunmehr le-
diglich 210 Millionen Euro. De facto kommt dies einer
Kürzung um 35 Millionen Euro im Vergleich zum Vor-
jahr gleich. Und dies vor dem Hintergrund der enormen
Herausforderungen, die HIV/Aids, Malaria und vor al-
lem Tuberkulose nach wie vor mit sich bringen. Mehr
Investitionen in Diagnosemöglichkeiten und Behandlun-
gen würden helfen, die gefährliche Lungenkrankheit zu
verdrängen – aber dazu wäre eine großzügigere Finan-
zierung notwendig.
Andere europäische Länder wie Großbritannien ha-
ben das 0,7-Prozent-Ziel längst erreicht, obwohl sie grö-
ßere wirtschaftliche und finanzielle Gesamtprobleme zu
stemmen haben als Deutschland. Deshalb geht von die-
sem Entwicklungshaushalt auch ein fatales Signal an
diejenigen europäischen Länder aus, die wie Deutsch-
land ihre Verpflichtungen bisher nicht erfüllt haben.
Denn andere Länder werden sich auf das schlechte Bei-
spiel Deutschlands berufen und auf ihre vergleichsweise
schwierigere wirtschaftliche Lage verweisen.
Ich stimme dem Gesamthaushalt zwar zu, ich lehne
den Einzelplan 23 aber dennoch ab.
Gabi Weber (SPD): Ich bejahe den Gesamthaushalt
2015 sowie die daran enthaltenen Einzelpläne ausdrück-
lich, dies gilt jedoch nicht für den Einzelplan 23 für
Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.
Meine Vorbehalte gegenüber dem Einzelplan 23 be-
gründe ich wie folgt.
Das Jahr 2015 ist für die Entwicklungspolitik und vor
allem für die ärmsten Menschen dieser Erde ein beson-
deres Jahr. Zum einen ist es das Zieljahr der sogenannten
Millenniumsentwicklungsziele – MDGs. Zum anderen
ist es auch das Zieljahr der verbindlichen Selbstver-
pflichtung der europäischen Mitgliedstaaten aus dem
Jahre 2005, in dem diese zugesagt hatten, ihren Anteil der
öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit am Brutto-
nationaleinkommen bis 2015 auf 0,7 Prozent – ODA-
Quote – zu steigern. Auch Deutschland hat sich 2005
ausdrücklich unter der damaligen rot-grünen Regierung
zu diesem Ziel verpflichtet. Von 2005 bis 2009 gab es
deutliche Aufwüchse im Entwicklungshaushalt – Einzel-
plan 23 –, um diesem Ziel näherzukommen. Nach der
Regierungsübernahme durch die schwarz-gelbe Koali-
tion wurden diese Aufwüchse leider nicht fortgeschrie-
ben. Die SPD-Bundestagsfraktion hatte deshalb stets in
ihren Haushaltsanträgen einen Aufwuchs von einer Mil-
liarde Euro pro Jahr gefordert, um das 0,7-Prozent-Ziel
bis zum Jahr 2015 doch noch erreichen zu können.
Im Koalitionsvertrag von CDU und SPD für die lau-
fende 18. Wahlperiode steht:
Wir halten an dem Ziel fest, 0,7 Prozent des Brutto-
nationaleinkommens für öffentliche Entwicklungs-
zusammenarbeit zur Verfügung zu stellen. Wir wer-
den uns diesem Ziel durch jährliche Steigerungen
der Mittel für Entwicklungszusammenarbeit im
Rahmen des Bundeshaushaltes annähern. Wir wol-
len Deutschland weiter auf einen Finanzierungs-
pfad zum 0,7-ODA-Ziel führen.
Leider sind diese finanziellen Vereinbarungen des
Koalitionsvertrages im Einzelplan 23 für das Jahr 2015
mit seinem geringen Aufwuchs von rund 65 Millionen
Euro nicht annähernd umgesetzt, um dieses Ziel zu er-
füllen.
Gegenwärtig hat Deutschland eine ODA-Quote von
nur rund 0,38 Prozent.
Alleine um die Quote von 0,38 Prozent zu halten,
müssten aufgrund des jährlichen Wirtschaftswachstums,
der jährlichen Inflation und des dadurch jährlich steigen-
den Bruttonationaleinkommens die ODA-anrechnungs-
fähigen Ausgaben um etwa 300 Millionen Euro pro Jahr
steigen. Mit dem Haushalt 2015 wird aufgrund der ge-
ringen Aufwüchse im Einzelplan 23 die ODA-Quote im
Jahr 2015 hingegen voraussichtlich sogar noch sinken.
Angesichts über 2 Milliarden armer Menschen, 1,2 Mil-
liarden extrem armer Menschen und über 800 Millionen
hungernder Menschen, die zu Tausenden täglich an den
Folgen von extremer Armut sterben, kann ich es mit
meinem Gewissen nicht vereinbaren, dass Deutschland
sich hier seiner Verantwortung und seinem selbst gege-
benen Versprechen gegenüber den Ärmsten der Armen
entzieht. Wenn man bedenkt, wie viele Menschenleben
beispielsweise gerade in den durch Ebola betroffenen
Ländern, in denen das Gesundheitssystem größtenteils
zusammengebrochen ist, durch mehr Mittel für Entwick-
lungszusammenarbeit gerettet werden könnten, ist das
Gesamtvolumen des Einzelplans 23 beschämend. Dies
zeigt auch die Absenkung des GAFTM auf nunmehr le-
diglich 210 Millionen Euro. De facto kommt dies einer
Kürzung um 35 Millionen Euro im Vergleich zum Vor-
jahr gleich. Und dies vor dem Hintergrund der enormen
Herausforderungen, die HIV/Aids, Malaria und vor al-
lem Tuberkulose nach wie vor darstellen. Mehr Investi-
tionen in Diagnosemöglichkeiten und Behandlungen
würden helfen, die gefährliche Lungenkrankheit zu ver-
drängen – aber dazu wäre eine großzügigere Finanzie-
rung notwendig.
Andere europäische Länder wie Großbritannien ha-
ben das 0,7-Prozent-Ziel längst erreicht, obwohl sie grö-
ßere wirtschaftliche und finanzielle Gesamtprobleme zu
stemmen haben als Deutschland. Deshalb geht von die-
sem Entwicklungshaushalt auch ein fatales Signal an
diejenigen europäischen Länder aus, die wie Deutsch-
land ihre Verpflichtungen bisher nicht erfüllt haben.
Denn andere Länder werden sich auf das schlechte Bei-
spiel Deutschlands berufen und auf ihre vergleichsweise
schwierigere wirtschaftliche Lage verweisen.
Ich stimme trotz meiner grundsätzlichen Kritik am
Einzelplan 23 dem Gesamthaushalt 2015 wegen seiner
in vielen anderen Bereichen richtigen und notwendigen
Schwerpunktsetzung aber dennoch zu.
6802 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. November 2014
(A) (C)
(B)
Anlage 3
Amtliche Mitteilung
Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben
mitgeteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden Unions-
dokumente zur Kenntnis genommen oder von einer Be-
ratung abgesehen hat.
Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz
Drucksache 18/642 Nr. A.2
Ratsdokument 5784/14
Drucksache 18/897 Nr. A.3
Ratsdokument 6943/14
Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur
Drucksache 18/2845 Nr. A.9
Ratsdokument 12873/14
Drucksache 18/2845 Nr. A.10
Ratsdokument 13188/14
(D)
Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de
71. Sitzung
Inhaltsverzeichnis
EPL 12 Verkehr und digitale Infrastruktur
EPL 32 Bundesschuld
EPL 60 Finanzen
TOP I Haushaltsgesetz 2015
TOP II Haushaltsgesetz 2015 (3. Beratung)
Anlagen