Rede von
Manuel
Sarrazin
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Liebe Frau Präsidentin! Verehrte Damen und Herren!
Eigentlich wollte ich dazu nichts sagen;
denn allzu oft heißt es, man gebe der Linkspartei zu viel
Raum. Aber wenn Sie von der Linkspartei mit „Jeder ist
so ein bisschen schuld an allem“ kommen – diese Auf-
fassung kann man durchaus teilen –, muss ich schon sa-
gen: Wir haben im Jahr 2009 mit dem Vertrag von Lissa-
bon die Grundrechtecharta der Europäischen Union
endlich rechtsverbindlich gemacht. Wir haben dafür ge-
sorgt, dass das Europäische Parlament über Justiz und
Innenpolitik mitentscheiden kann, dass diese Politikbe-
reiche endlich vor Gericht einklagbar sind, damit mehr
für Menschenrechte getan werden kann. Sie haben das
abgelehnt.
Wenn Sie wollen, dass mehr für die Menschenrechte von
Flüchtlingen getan wird, müssen Sie für mehr Europa
streiten und nicht dafür, dass nationale Grenzen hochge-
zogen werden.
So kann man nämlich auch über Schuld reden. Sie reden,
seitdem Sie hier im Bundestag sind, das Projekt des ge-
meinsamen Europa immer schlecht.
Dabei wird man das Problem, dass Flüchtlinge im Mit-
telmeer sterben, nur lösen können, wenn man endlich
dazu kommt, mehr gemeinsam in Europa zu machen und
nicht immer wieder die nationale Karte zu ziehen.
Hören Sie auf, die Moralapostel zu spielen! Ich werde
Ihnen niemals persönliche Schuld vorwerfen für irgend-
etwas, was auf der Welt passiert. Diesen Maßstab sollten
wir gemeinsam behalten.
Wir leben in einer Zeit, in der man Stabilität braucht.
Stabilität ist die neue Währung für alles. Wir sehen doch,
was an unseren Grenzen passiert. Es geht um Stabilität:
im Osten, im Süden, am Mittelmeer, aber auch im Mitt-
leren Osten. Für was wird Europa gebraucht, wenn nicht
dafür, ein Zentrum zu sein, in dem noch Stabilität
herrscht? Wenn wir wollen, dass es in Zukunft Stabilität
an den Grenzen Europas gibt, was gut für die Menschen
ist, die dort leben, dann müssen wir in Europa stärker zu-
sammenhalten und unsere Probleme gemeinsam lösen.
Das heißt, dass man am Euro festhält, und das heißt, dass
man gemeinsam die wirtschaftlichen Probleme im Süden
löst, ohne immer gegen den Euro oder gegen die euro-
päische Integration zu stänkern oder immer einfach nur
dagegen zu sein.