Rede:
ID1806609600

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 13
    1. Als: 1
    2. nächster: 1
    3. Rednerin: 1
    4. erteile: 1
    5. ich: 1
    6. das: 1
    7. Wort: 1
    8. der: 1
    9. Abge-ordneten: 1
    10. Dr.: 1
    11. Kristina: 1
    12. Schröder,: 1
    13. CDU/CSU-Fraktion.\n: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 18/66 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 66. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 13. November 2014 I n h a l t : Begrüßung des neuen Abgeordneten Norbert Müller (Potsdam) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6115 A Erweiterung und Abwicklung der Tagesord- nung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6115 B Absetzung des Tagesordnungspunktes 12 . . . . 6115 D Tagesordnungspunkt 3: Vereinbarte Debatte: Sterbebegleitung . . . . . 6116 A Michael Brand (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 6116 C Kathrin Vogler (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 6117 D Dr. Carola Reimann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 6118 D Renate Künast (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6119 D Peter Hintze (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . 6121 A Dr. Petra Sitte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 6121 D Dr. Karl Lauterbach (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 6122 D Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6123 D Johannes Singhammer (CDU/CSU) . . . . . . . . 6124 D Thomas Oppermann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 6125 C Dr. Franz Josef Jung (CDU/CSU) . . . . . . . . . 6126 D Hermann Gröhe (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 6127 C Katherina Reiche (Potsdam) (CDU/CSU) . . . 6128 C Harald Weinberg (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 6129 B Dr. Eva Högl (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6130 B Katrin Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6131 B Hubert Hüppe (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 6132 B Matthias W. Birkwald (DIE LINKE) . . . . . . . 6133 B Kerstin Griese (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6134 B Lisa Paus (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6135 D Dr. Claudia Lücking-Michel (CDU/CSU) . . . 6136 C Bärbel Bas (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6137 C Emmi Zeulner (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 6138 B Volker Kauder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 6139 B Thomas Rachel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 6140 B Pia Zimmermann (DIE LINKE) . . . . . . . . . . 6141 B Burkhard Lischka (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 6142 B Kai Gehring (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6143 B Michael Frieser (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 6144 B Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) . . . . . . . . . 6145 A René Röspel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6146 A Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6147 A Annette Widmann-Mauz (CDU/CSU) . . . . . . 6148 A Dr. Johannes Fechner (SPD) . . . . . . . . . . . . . 6149 C Rudolf Henke (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 6150 C Patrick Schnieder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 6151 B Dr. Peter Tauber (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 6152 C Thomas Lutze (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 6153 B Dr. Lars Castellucci (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 6153 D Corinna Rüffer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6154 D Christian Schmidt (Fürth) (CDU/CSU) . . . . . 6155 D Inhaltsverzeichnis II Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. November 2014 Sabine Dittmar (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6156 C Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6157 C Dr. Kristina Schröder (Wiesbaden) (CDU/ CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6158 D Dr. Edgar Franke (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 6159 C Jens Spahn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . 6160 D Maria Michalk (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 6162 A Heike Baehrens (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 6162 D Thomas Bareiß (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 6163 B Heike Brehmer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 6164 C Dr. Maria Flachsbarth (CDU/CSU) . . . . . . 6165 C Hans-Werner Kammer (CDU/CSU) . . . . . . 6166 D Barbara Lanzinger (CDU/CSU) . . . . . . . . . 6167 A Ingbert Liebing (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 6168 A Gisela Manderla (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 6168 D Michaela Noll (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 6169 C Sylvia Pantel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 6170 C Dr. Nina Scheer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 6170 C Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6171 C Reinhold Sendker (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 6172 C Dr. Patrick Sensburg (CDU/CSU) . . . . . . . 6173 A Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU) . . 6173 C Dagmar G. Wöhrl (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 6175 D Tagesordnungspunkt 4: Antrag der Abgeordneten Sabine Zimmermann (Zwickau), Klaus Ernst, Matthias W. Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Fünf-Punkte-Programm zur Be- kämpfung und Vermeidung von Langzeit- erwerbslosigkeit Drucksache 18/3146 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6176 D Sabine Zimmermann (Zwickau) (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6176 D Dr. Matthias Zimmer (CDU/CSU) . . . . . . . . . 6178 C Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6180 A Daniela Kolbe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6181 A Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6181 D Matthäus Strebl (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 6183 A Matthias W. Birkwald (DIE LINKE) . . . . . . . 6184 A Katja Mast (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6185 A Dr. Matthias Zimmer (CDU/CSU) . . . . . . . 6186 A Sabine Zimmermann (Zwickau) (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6186 C Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . 6187 C Christel Voßbeck-Kayser (CDU/CSU) . . . . . 6188 B Dr. Matthias Bartke (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 6189 B Jutta Eckenbach (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 6190 C Tagesordnungspunkt 21: a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Dämpfung des Mietanstiegs auf angespannten Wohnungsmärkten und zur Stärkung des Bestellerprinzips bei der Wohnungsvermittlung (Mietrechts- novellierungsgesetz – MietNovG) Drucksache 18/3121 . . . . . . . . . . . . . . . . . 6191 C b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucher- schutz zu dem Antrag der Abgeordneten Heidrun Bluhm, Caren Lay, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Mieterhöhungs- stopp jetzt Drucksachen 18/505, 18/3203 . . . . . . . . . 6191 C Heiko Maas, Bundesminister BMJV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6191 D Caren Lay (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . 6193 C Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU/ CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6194 C Dr. Jan-Marco Luczak (CDU/CSU) . . . . . . . . 6195 C Christian Kühn (Tübingen) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6197 D Dirk Wiese (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6198 D Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU/CSU) . 6199 D Renate Künast (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6201 B Dr. Jan-Marco Luczak (CDU/CSU) . . . . . 6202 B Michael Groß (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6203 B Dr. Anja Weisgerber (CDU/CSU) . . . . . . . . . 6204 B Sylvia Jörrißen (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 6205 B Zusatztagesordnungspunkt 2: a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Übereinkommen des Europa- rats vom 25. Oktober 2007 zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch Drucksache 18/3122 . . . . . . . . . . . . . . . . . 6206 C Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. November 2014 III b) Antrag der Abgeordneten Matthias Gastel, Sven-Christian Kindler, Dr. Valerie Wilms, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung zur Er- haltung der Schienenwege jetzt neu ver- handeln Drucksache 18/3153 . . . . . . . . . . . . . . . . . 6206 D Tagesordnungspunkt 27: b) Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Wirtschaft und Energie zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Heinz Riesenhuber, Dr. Joachim Pfeiffer, Dr. Kristina Schröder (Wiesbaden), weite- rer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Wolfgang Tiefensee, Hubertus Heil (Peine), Niels Annen, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Strategische Ziele für die Raumfahrt in dieser Legislatur- periode absichern Drucksachen 18/3040, 18/3195 . . . . . . . . . 6206 D c) Beratung der Ersten Beschlussempfehlung des Wahlprüfungsausschusses: zu Ein- sprüchen gegen die Gültigkeit der Wahl zum 8. Europäischen Parlament am 25. Mai 2014 Drucksache 18/3100 . . . . . . . . . . . . . . . . . 6207 A d) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucher- schutz: zu dem Streitverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht 2 BvE 4/14 Drucksache 18/3189 . . . . . . . . . . . . . . . . . 6207 B e)–k) Beratung der Beschlussempfehlungen des Petitionsausschusses: Sammelübersich- ten 108, 109, 110, 111, 112, 113 und 114 zu Petitionen Drucksachen 18/3057, 18/3058, 18/3059, 18/3060, 18/3061, 18/3062, 18/3063. . . . . 6207 B Tagesordnungspunkt 6: Wahl von Mitgliedern des Kuratoriums der Stiftung „Deutsches Historisches Mu- seum“ Drucksache 18/3148 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6208 A Zusatztagesordnungspunkt 3: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Unterschied- liche Auffassungen in der Bundesregierung zur Abschaltung von Kohlekraftwerken und zum Erreichen der Klimaziele . . . . . . . 6208 B Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6208 B Andreas Jung (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 6209 C Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . . . . 6210 C Hubertus Heil (Peine) (SPD) . . . . . . . . . . . . . 6211 C Dr. Anja Weisgerber (CDU/CSU) . . . . . . . . . 6213 A Hubertus Zdebel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 6214 B Dirk Becker (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6215 B Annalena Baerbock (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6216 D Thomas Bareiß (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 6218 D Dr. Matthias Miersch (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 6220 A Josef Göppel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 6221 A Volkmar Vogel (Kleinsaara) (CDU/CSU) . . . 6221 D Tagesordnungspunkt 7: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Grund- gesetzes (Artikel 91b) Drucksachen 18/2710, 18/3141. . . . . . . . . 6222 D b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Rosemarie Hein, Diana Golze, Matthias W. Birkwald, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion DIE LINKE: Kooperationsverbot abschaffen – Ge- meinschaftsaufgabe Bildung im Grundgesetz verankern – zu dem Antrag der Abgeordneten Kai Gehring, Katja Dörner, Ekin Deligöz, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Kooperationsverbot kippen – Zu- sammenarbeit von Bund und Län- dern für bessere Bildung und Wis- senschaft ermöglichen Drucksachen 18/588, 18/2747, 18/3141 . . 6222 D Dr. Johanna Wanka, Bundesministerin BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6223 A Dr. Rosemarie Hein (DIE LINKE) . . . . . . . . 6225 B Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) . . . . . . . . . 6226 C Kai Gehring (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6227 D Tankred Schipanski (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 6229 B Swen Schulz (Spandau) (SPD) . . . . . . . . . . . 6231 A IV Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. November 2014 Namentliche Abstimmungen 6232 C, 6232 C, 6237 B Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . 6232 D, 6235 A, 6241 C Tagesordnungspunkt 8: Antrag der Abgeordneten Doris Wagner, Beate Walter-Rosenheimer, Dr. Franziska Brantner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Von Anfang an beteiligen – Partizipationsrechte für Kinder und Jugendliche im demografi- schen Wandel stärken Drucksache 18/3151 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6238 A Doris Wagner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6238 B Markus Koob (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 6239 A Norbert Müller (Potsdam) (DIE LINKE) . . . . 6243 B Svenja Stadler (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6244 D Paul Lehrieder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 6245 D Beate Walter-Rosenheimer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6247 D Susann Rüthrich (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 6248 C Tagesordnungspunkt 13: a) – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Fünfundzwanzigsten Ge- setzes zur Änderung des Bundesaus- bildungsförderungsgesetzes (25. BAföGÄndG) Drucksachen 18/2663, 18/3142 . . . . . . 6249 C – Bericht des Haushaltsausschusses ge- mäß § 96 der Geschäftsordnung Drucksache 18/3143 . . . . . . . . . . . . . . 6249 D b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung zu dem An- trag der Abgeordneten Kai Gehring, Ekin Deligöz, Katja Dörner, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sofort besser fördern – BAföG-Reform überarbeiten und vor- ziehen Drucksachen 18/2745, 18/3142 . . . . . . . . 6249 D c) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung zu dem An- trag der Abgeordneten Nicole Gohlke, Diana Golze, Dr. Rosemarie Hein, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: BAföG-Reform zügig umsetzen Drucksachen 18/479, 18/715 . . . . . . . . . . 6249 D Dr. Johanna Wanka, Bundesministerin BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6250 S Nicole Gohlke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 6252 B Oliver Kaczmarek (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 6253 D Kai Gehring (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6255 B Dr. Stefan Kaufmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . 6256 B Saskia Esken (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6258 B Namentliche Abstimmungen 6259 B, 6259 B, 6259 C, 6259 C, 6270 A Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . 6260 C, 6262 B, 6265 A, 6267 B, 6282 A Tagesordnungspunkt 10: Antrag der Abgeordneten Wolfgang Gehrcke, Klaus Ernst, Jan van Aken, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion DIE LINKE: Einstieg in den Ausstieg – Sanktionen gegen Russ- land aufheben Drucksache 18/3147 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6270 B Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) . . . . . . . . . 6270 C Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6271 A Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6272 C Manfred Grund (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 6273 C Dr. Alexander S. Neu (DIE LINKE) . . . . . 6275 A Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6276 A Niels Annen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6277 A Dr. Hans-Peter Uhl (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 6278 B Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6279 B Franz Thönnes (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6280 C Tagesordnungspunkt 9: – Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- wärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung: Fortsetzung der Betei- ligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der von den Vereinten Nationen ge- führten Friedensmission in Südsudan (UNMISS) auf Grundlage der Resolu- tion 1996 (2011) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vom 8. Juli 2011 und Folgeresolutionen, zuletzt 2155 (2014) vom 27. Mai 2014 Drucksachen 18/3005, 18/3191. . . . . . . . . 6284 A Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. November 2014 V – Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung Drucksache 18/3192 . . . . . . . . . . . . . . . . . 6284 B Dr. Bärbel Kofler (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 6284 B Kathrin Vogler (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 6286 A Philipp Mißfelder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 6287 A Agnieszka Brugger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6288 A Julia Bartz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . 6289 D Namentliche Abstimmung. . . . . . . . . . . . . . . . 6290 D Ergebnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6292 C Tagesordnungspunkt 27: a) Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Wirtschaft und Energie zu dem Antrag der Abgeordneten Katharina Dröge, Kerstin Andreae, Dr. Thomas Gambke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Nationales Reformprogramm 2014 nut- zen – Wirtschaftspolitische Steuerung in der EU ernst nehmen und Investitio- nen stärken Drucksachen 18/978, 18/1675 . . . . . . . . . 6290 D Tagesordnungspunkt 11: – Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- wärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung: Fortsetzung der Betei- ligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der AU/UN-Hybrid-Operation in Darfur (UNAMID) auf Grundlage der Resolution 1769 (2007) des Sicherheits- rates der Vereinten Nationen vom 31. Juli 2007 und folgender Resolutio- nen, zuletzt 2173 (2014) vom 27. August 2014 Drucksachen 18/3006, 18/3193 . . . . . . . . . 6291 A – Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung Drucksache 18/3194 . . . . . . . . . . . . . . . . . 6291 B Lars Klingbeil (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6291 B Stefan Liebich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 6294 B Philipp Mißfelder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 6295 D Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6296 C Thorsten Frei (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 6297 B Namentliche Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . 6298 B Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6300 A Tagesordnungspunkt 14: Beschlussempfehlung und Bericht des Haus- haltsausschusses zu dem Antrag der Abgeord- neten Caren Lay, Dr. Dietmar Bartsch, Jan Korte, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion DIE LINKE: Für eine transparente Haushaltskontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeiten Drucksachen 18/2872, 18/3085 . . . . . . . . . . . 6298 B Tagesordnungspunkt 15: a) Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für wirtschaftliche Zusammenar- beit und Entwicklung zu dem Antrag der Abgeordneten Sibylle Pfeiffer, Sabine Weiss (Wesel I), Katrin Albsteiger, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion der CDU/ CSU sowie der Abgeordneten Dr. Bärbel Kofler, Axel Schäfer (Bochum), Heinz- Joachim Barchmann, weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion der SPD: Gute Ar- beit weltweit – Verantwortung für Pro- duktion und Handel global gerecht werden Drucksachen 18/2739, 18/3133 . . . . . . . . 6298 C b) Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für wirtschaftliche Zusammenar- beit und Entwicklung zu dem Antrag der Abgeordneten Uwe Kekeritz, Claudia Roth (Augsburg), Tom Koenigs, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Sozial-ökologischen Rah- men für die Aktivitäten transnationaler Unternehmen schaffen und durchsetzen Drucksachen 18/2746, 18/3134 . . . . . . . . 6298 D Tagesordnungspunkt 16: Antrag der Abgeordneten Friedrich Ostendorff, Kordula Schulz-Asche, Harald Ebner, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Wirksamkeit von Antibiotika erhalten – Einsatz in der Tier- haltung auf vernünftiges Maß reduzieren Drucksache 18/3152 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6299 A Tagesordnungspunkt 17: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Vorschlag für einen Be- schluss des Rates über einen Dreigliedrigen VI Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. November 2014 Sozialgipfel für Wachstum und Beschäfti- gung und zur Aufhebung des Beschlusses 2003/174/EG Drucksachen 18/2953, 18/3190 . . . . . . . . . . . 6299 B Tagesordnungspunkt 18: Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechts- stellung von asylsuchenden und geduldeten Ausländern Drucksache 18/3144 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6299 C Tagesordnungspunkt 19: Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zu dem Europäischen Übereinkommen vom 27. November 2008 über die Adoption von Kindern (revidiert) Drucksachen 18/2654, 18/3198 . . . . . . . . . . . 6299 D Tagesordnungspunkt 20: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/99/EU über die Europäische Schutz- anordnung, zur Durchführung der Verord- nung (EU) Nr. 606/2013 über die gegensei- tige Anerkennung von Schutzmaßnahmen in Zivilsachen und zur Änderung des Ge- setzes über das Verfahren in Familiensa- chen und in den Angelegenheiten der frei- willigen Gerichtsbarkeit Drucksachen 18/2955, 18/3200 . . . . . . . . . . . 6302 B Nächste Sitzung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6302 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 6303 A Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts: Für eine transparente Haushaltskontrolle nach- richtendienstlicher Tätigkeiten (Tagesordnungs- punkt 14) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6303 C Johannes Kahrs (SPD). . . . . . . . . . . . . . . . . 6303 C Dr. André Hahn (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 6304 B Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6305 A Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlungen und Berichte: – Gute Arbeit weltweit – Verantwortung für Produktion und Handel global gerecht werden – Sozial-ökologischen Rahmen für die Akti- vitäten transnationaler Unternehmen schaf- fen und durchsetzen (Tagesordnungspunkt 15) . . . . . . . . . . . . . . . . 6306 A Dr. Georg Kippels (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 6306 A Dr. Bärbel Kofler (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 6307 C Niema Movassat (DIE LINKE). . . . . . . . . . . 6309 D Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6310 C Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Wirksamkeit von Antibiotika er- halten – Einsatz in der Tierhaltung auf ver- nünftiges Maß reduzieren (Tagesordnungs- punkt 16) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6311 C Artur Auernhammer (CDU/CSU) . . . . . . . . . 6311 C Dieter Stier (CDU/CSU). . . . . . . . . . . . . . . . 6312 C Dr. Wilhelm Priesmeier (SPD) . . . . . . . . . . . 6313 C Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) . . . . . . 6315 A Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6315 D Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zum Vorschlag für einen Beschluss des Rates über einen Dreigliedrigen Sozialgipfel für Wachstum und Beschäftigung und zur Aufhebung des Be- schlusses 2003/174/EG (Tagesordnungs- punkt 17) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6316 C Dr. Martin Pätzold (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 6316 D Gabriele Schmidt (Ühlingen) (CDU/CSU). . 6317 C Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (SPD) . . . . . . 6318 A Alexander Ulrich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . 6319 A Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . 6319 D Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechtsstellung von asylsuchenden und ge- duldeten Ausländern (Tagesordnungspunkt 18). 6320 C Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. November 2014 VII Andrea Lindholz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 6320 C Rüdiger Veit (SPD). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6321 D Ulla Jelpke (DIE LINKE). . . . . . . . . . . . . . . 6322 C Luise Amtsberg (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6323 B Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6324 A Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zu dem Europäi- schen Übereinkommen vom 27. November 2008 über die Adoption von Kindern (revi- diert) (Tagesordnungspunkt 19) . . . . . . . . . . . 6325 A Dr. Sabine Sütterlin-Waack (CDU/CSU) . . 6325 A Dr. Karl-Heinz Brunner (SPD) . . . . . . . . . . 6326 B Jörn Wunderlich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . 6326 C Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6327 B Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/99/EU über die Europäi- sche Schutzanordnung, zur Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 606/2013 über die ge- genseitige Anerkennung von Schutzmaßnah- men in Zivilsachen und zur Änderung des Ge- setzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (Tagesordnungspunkt 20) . . . 6328 A Dr. Sabine Sütterlin-Waack (CDU/CSU) . . . 6328 B Dennis Rohde (SPD). . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6329 D Jörn Wunderlich (DIE LINKE). . . . . . . . . . . 6330 C Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6330 D Anlage 9 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts: Nationales Reformprogramm 2014 nutzen – Wirtschaftspolitische Steuerung in der EU ernst nehmen und Investitionen stärken (Ta- gesordnungspunkt 27 a) . . . . . . . . . . . . . . . . . 6331 B Dr. Andreas Lenz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 6331 B Wolfgang Tiefensee (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 6332 D Thomas Nord (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 6334 B Katharina Dröge (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6335 B Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. November 2014 6115 (A) (C) (D)(B) 66. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 13. November 2014 Beginn: 9.01 Uhr
  • folderAnlagen
    Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. November 2014 6303 (A) (C) (B) Anlagen zum Stenografischen Bericht (D) Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Alpers, Agnes DIE LINKE 13.11.2014 Andreae, Kerstin BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 13.11.2014 Behrens, Herbert DIE LINKE 13.11.2014 Bülow, Marco SPD 13.11.2014 Dağdelen, Sevim DIE LINKE 13.11.2014 Hänsel, Heike DIE LINKE 13.11.2014 Helfrich, Mark CDU/CSU 13.11.2014 Henn, Heidtrud SPD 13.11.2014 Kömpel, Birgit SPD 13.11.2014 Dr. Launert, Silke CDU/CSU 13.11.2014 Dr. Merkel, Angela CDU/CSU 13.11.2014 Dr. Nick, Andreas CDU/CSU 13.11.2014 Pau, Petra DIE LINKE 13.11.2014 Post (Minden), Achim SPD 13.11.2014 Schön (St. Wendel), Nadine CDU/CSU 13.11.2014 Steinbach, Erika CDU/CSU 13.11.2014 Strässer, Christoph SPD 13.11.2014 Strobl (Heilbronn), Thomas CDU/CSU 13.11.2014 Tack, Kerstin SPD 13.11.2014 Dr. Terpe, Harald BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 13.11.2014 Werner, Katrin DIE LINKE 13.11.2014 Wöllert, Birgit DIE LINKE 13.11.2014 Zypries, Brigitte SPD 13.11.2014 Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts: Für eine transparente Haushalts- kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeiten (Tagesordnungspunkt 14) Johannes Kahrs (SPD): Wir diskutieren heute ei- nen Antrag der Fraktion Die Linke, der mehr Transpa- renz bei den Haushalten der Nachrichtendienste fordert. Das klingt zwar erst mal nach einem vernünftigen Vor- schlag – Transparenz ist ja immer etwas Schönes und steht insbesondere einem Parlament stets gut zu Gesicht. Nun gibt es aber auch von dieser Regel Ausnahmen – und dazu zählen die Nachrichtendienste. Über diese we- nigen Ausnahmen herrschte in den vergangenen Jahr- zehnten der Bundesrepublik stets ein weitestgehender Konsens im Parlament, der sich darin begründet, dass ein gewisser Grad der Geheimhaltung nötig ist, damit die Nachrichtendienste effektiv arbeiten können. Auch darüber, dass die Arbeit der Nachrichtendienste eben jene Effektivität benötigt, gab es in der Vergangenheit ei- nen breiten Konsens in unserem Land. Diesen Konsens gab es nicht ohne Grund – und dieser Grund ist nicht, wie Sie hier suggerieren, dass dem Par- lament daran gelegen wäre, Intransparenz zu schaffen und die freiheitlich-demokratische Grundordnung in- frage zu stellen. Das Gegenteil ist der Fall: Wir brauchen effektiv arbeitende Nachrichtendienste, um uns vor inne- ren und äußeren Feinden zu schützen, die unserer frei- heitlich-demokratischen Grundordnung schaden wollen. Denn ohne diesen Schutz und ohne innere und äußere Si- cherheit sind Freiheit, Demokratie, Menschenrechte und alles, was uns an dieser Republik lieb und teuer ist, in Gefahr. Das ist auch ein ganz elementarer Teil der Leh- ren, die wir aus unserer Geschichte gezogen haben: Wir brauchen eine wehrhafte Demokratie. Es geht hier also um mehr als um die durchsichtig populistische Forderung nach mehr Transparenz. Der Antrag der Linken stellt einen langjährigen Konsens in- frage, wenn dort zu lesen ist, dass „... die Haushalte der Nachrichtendienste ab dem Haushalt 2015 entsprechend den Haushalten der anderen Sicherheitsbehörden öffent- lich“ dargestellt werden sollen. Denn natürlich beinhal- ten die Haushalte der Nachrichtendienste sicherheits- politisch sensible Informationen, aus denen auch potenzielle Feinde für sie wertvolle Informationen ge- winnen könnten und die somit eine effektive Arbeit der Dienste erschweren. Das liegt nun mal im Wesen der Nachrichtendienste. Ich kann verstehen, dass die Linke, die wegen ihrer programmatischen Inhalte und Aussagen einzelner Mit- glieder lange Zeit vom Verfassungsschutz beobachtet wurde, einen skeptischen Blick auf die Nachrichten- dienste hat. Ich will natürlich auch gern zugestehen, dass es bei dem Verhältnis von Freiheit und Sicherheit stets Anlagen 6304 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. November 2014 (A) (C) (D)(B) einen Ermessenspielraum und subjektive Meinungen gibt. Und selbstverständlich brauchen die Nachrichten- dienste gesetzliche Grenzen und Kontrollen. Deshalb gibt es nicht nur ein Vertrauensgremium, sondern auch ein Parlamentarisches Kontrollgremium und das Mittel des Untersuchungsausschusses. Wie in allen Bereichen, in denen Menschen arbeiten, verhindert dies natürlich nicht, dass zuweilen Einzelne gegen Gesetze verstoßen, aber das Parlament hat die Möglichkeit, dies zu erken- nen und ein solches Verhalten zu sanktionieren. Ein Fehlverhalten Einzelner stellt meiner Meinung nach auch nicht die Verdienste unserer Nachrichtendienste für die Sicherheit oder deren Loyalität zur Demokratie in- frage. Mir ist wichtig, dass der Umgang des Parlaments mit den Nachrichtendiensten in Hinblick auf die nötige Transparenz und die nötige Geheimhaltung stets verant- wortungsvoll geschieht, denn wir als Abgeordnete sind letztendlich nicht nur unserer freiheitlichen Demokratie, sondern auch deren Sicherheit verpflichtet. Dass diese Sicherheit nicht selbstverständlich ist, machen uns die vielen aktuellen Krisen in der Welt wieder einmal deut- lich bewusst. Dieser Linie bleibt die Große Koalition selbstverständlich treu, auch wenn die Fraktion der Lin- ken einen anderen Eindruck zu vermitteln versucht. Zu guter Letzt sei mir noch einmal ein Verweis auf die Geschichte erlaubt – diesmal auf die 150-jährige Ge- schichte der SPD. Dieser lange Zeitraum hat gezeigt, dass sich die SPD bezüglich unserer freiheitlich-demo- kratischen Grundordnung nicht belehren lassen muss – schon gar nicht von Abgeordneten der Linken, die das gleiche über die eigene Geschichte wohl kaum behaup- ten können. In der DDR hätte sich jeder mit einem sol- chen Antrag, wie Sie ihn hier vorlegen, ganz sicher vor Beamten der Stasi wiedergefunden. Zum Glück ist das heute nicht mehr so. Dr. André Hahn (DIE LINKE): Geheim arbeitende Dienste, die einer Regierung unterstehen, sind ganz of- fenkundig das Gegenteil von Transparenz. Transparenz politischer Entscheidungen und eine wirksame parla- mentarische Kontrolle sind jedoch wiederum Grundfes- ten demokratischer Staaten. Der vorliegende Antrag der Linken beinhaltet daher im Kern zwei Punkte: Zum einen wollen wir einen Bun- destagsbeschluss herbeiführen, dass die pauschale Mög- lichkeit der Flexibilisierung der Haushaltsmittel – anders als von der Koalition offenbar beabsichtigt – für die Etats der Nachrichtendienste nicht zur Anwendung kommt. Und zweitens sind wir der Ansicht, dass die Haushalte der Ge- heimdienste nicht länger hinter den verschlossenen Türen des sogenannten Vertrauensgremiums verhandelt werden sollen, sondern wie die Etats der anderen Sicherheitsbe- hörden öffentlich in den Parlamentsausschüssen, und mit der entscheidenden Abstimmung letztlich auch hier im Plenum des Bundestages beschlossen werden müssen. Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, wie pro- blematisch das Agieren der Geheimdienste ist, dann ha- ben ihn die jüngsten Presseveröffentlichungen über den angeblich oder tatsächlich geplanten millionenschweren Ankauf von Software-Sicherheitslücken durch den BND auf dem Schwarzmarkt geliefert. Was da beabsichtigt wird, ist politisch völlig indisku- tabel und auch rechtlich höchst fragwürdig. Ich könnte dazu jetzt noch sehr viel mehr sagen, will aber ange- sichts der leider eng begrenzten Redezeit nur eine kurze Passage eines Kommentars von Hans Leyendecker in der Süddeutschen Zeitung zitieren. Er sagt zu den Plänen des BND: „Das ist keine gute Idee. Die Frage nach der Relation von Kosten, Nutzen und Schaden drängt sich auf. Wer sich in solchen Märkten tummelt, treibt die Preise hoch. Davon können Online-Kriminelle profitie- ren und mehr Schwachstellen zum Verkauf erzeugen. Die Dienste müssen Bürger und Wirtschaft vor Schaden bewahren. Sie sollen Sicherheitslücken transparent ma- chen und keine neuen schaffen.“ Genau diese Position vertreten auch wir. Und genau deshalb haben wir auch ein Problem mit der beabsichtigten Flexibilisierung der Haushaltsmittel, die nach dem Willen der Bunderegierung mit dem Wirt- schaftsplanentwurf für 2015 erstmals auch für die Ge- heimdienste zur Anwendung kommen soll. Die Einräumung weitestgehender Deckungsmöglich- keiten leistet einen wesentlichen Beitrag zur vereinfach- ten Mittelverschiebung und Verschleierung von über- planmäßigen Ausgaben bei flexibilisierten Titeln – auf diese Weise wird der praktische Haushaltsvollzug deut- lich erleichtert und die Regierung in die aus ihrer Sicht komfortable Lage versetzt, ihre Ausgaben schnell und unbürokratisch an ihre eigenen Entscheidungsprozesse anzupassen. Bezogen auf die Nachrichtendienste wollen wir als Linke das ganz ausdrücklich nicht. Wegen der Geheimhaltungsbestimmungen muss ich ja immer ein wenig vorsichtig sein und will deshalb nur ganz allgemein formulieren: Es kann doch nicht sein, dass Gelder, die eigentlich für die Bezahlung von Mitar- beiterinnen und Mitarbeitern der Dienste vorgesehen sind, aufgrund unbesetzter Stellen plötzlich womöglich zur Erhöhung der Prämien für die dubiosen V-Leute ein- gesetzt werden oder ungeplant frei zur Verfügung ste- hende Mittel für die Verbesserung der Spionageabwehr gegen die Ausspähung deutscher Bürgerinnen und Bür- ger, zum Beispiel durch die NSA, unter Umgehung des Parlamentarischen Kontrollgremiums und des Vertrau- ensgremiums vielleicht für den Kauf neuer Überwa- chungstechniken eingesetzt werden, die im Zweifel auch gegen die eigene Bevölkerung zur Anwendung kommen könnten. Die Lockerung des Grundsatzes der sachlichen Bin- dung von Haushaltsmitteln, wodurch die Voraussetzun- gen geschaffen werden, im Haushaltsvollzug eigene Schwerpunkte zu setzen, eigenmächtig Ressourcen zu verlagern und Ausgaben in priorisierten Bereichen zu verstärken, ist gerade im Bereich der Nachrichtendienste mehr als problematisch und sollte deshalb unterbleiben. Sieht man diese gravierenden Änderungen und die daraus resultierenden Einbußen hinsichtlich der parla- mentarischen Kontroll- und Steuerungsfunktion vor dem Hintergrund der politisch-gesellschaftlichen Erschütte- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. November 2014 6305 (A) (C) (D)(B) rungen der letzten zwei bis drei Jahre – Stichworte NSU/ V-Männer, NSA, Datenlecks in allen kommerziellen Be- reichen – und nimmt dazu die von der Regierung ange- kündigten und zum Teil sogar bereits umgesetzten Groß- projekte und Maßnahmen wie die Strategische Initiative Technik mit einem finanziellen Volumen von 300 Mil- lionen Euro, das IT-Sicherheitsgesetz, die faktische Aus- trocknung des aus dem BMI herausgenommenen BfDI und die organisatorischen Änderungen in den Behörden – Stichwort: Aufbau EFI –, zeichnet sich eine ziemlich bedrohliche Schwerpunktsetzung ab. Obwohl – wie wir erst heute wieder im NSA-Untersu- chungsausschuss feststellen mussten – massiver Rechts- bruch des BND mittlerweile offenkundig ist und wir le- diglich noch nicht genug über sein tatsächliches Ausmaß wissen, verfolgt die Bundesregierung konsequent nur ein Konzept, nämlich das der Ausweitung der Aktivitäten deutscher Nachrichtendienste im In- und Ausland. Die Anwendung des Instruments der Flexibilisierung auf die Haushalte der Geheimdienste erhöht die Gefahr des unkontrollierten und immer unübersichtlicheren Mit- teleinsatzes durch diese. Dem wollen wir entgegentreten und bitten um Zu- stimmung zu unserem Antrag. Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Keine Frage, auch wir finden die derzeitige Haushaltskontrolle unserer Nachrichtendienste sehr unbefriedigend. Daher danke ich den Kolleginnen und Kollegen von den Lin- ken, dass sie mit ihrem Antrag dieses wichtige Thema auf die Tagesordnung des Plenums gesetzt haben. Im Bereich der Nachrichtendienste müssen der Grund- rechtsschutz und die Sicherheit in einem ausgewogenen Verhältnis stehen. Aufgrund der Gesetzgebungs- und Kontrollkompetenz des Bundestages über die Nachrich- tendienste ist eine enge Kooperation der parlamentari- schen Kontrollorgane dringend erforderlich. Ich sehe hier noch Nachholbedarf. Und ich wundere mich, warum wir nicht bei besonderen Projekten als Parlamentarisches Kontrollgremium und Vertrauensgremium auch mal zu- sammen tagen. Denn die Kontrolle der Nachrichten- dienste ist bei weitem nicht trivial, daher sollte es oberste Priorität der parlamentarischen Kontrollorgane sein, in diesem Themenbereich zu einer ausgewogenen Ent- scheidungsgrundlage zu kommen. Vor dem Hintergrund der Auseinandersetzung um die Snowden-Enthüllungen gibt es bei der Bevölkerung und in der öffentlichen Wahrnehmung Zweifel, wie gut wir überhaupt mit unse- rer Kontrolle sind. Das hat auch damit zu tun, dass die technischen Weiterentwicklungen das Verhältnis zwi- schen Grundrechtschutz und der Tätigkeit der Nachrich- tendienste komplizierter machen und zudem mit einer hohen zeitlichen Dynamik versehen. Darüber hinaus sind auch die Erkenntnisse aus dem NSU-Untersuchungsaus- schuss und die Erfahrungen aus dem laufenden NSA- Ausschuss eine Aufforderung an uns Parlamentarier, unsere Kontrollfähigkeiten bestmöglich weiterzuentwi- ckeln und anzupassen. Angesichts der steigenden fachlichen und technologi- schen Komplexität dieses Bereiches ist dies nicht immer leicht. Ein Beispiel bietet die aktuelle Berichterstattung über einen möglichen digitalen Fähigkeitsausbau der Nachrichtendienste. In einer solchen Diskussion sind die parlamentarischen Kontrollgremien aufgefordert, nicht nur sicherheitspolitische und haushälterische Argumente abzuwägen, sondern immer auch sofort an den Daten- schutz der Bevölkerung zu denken. Deswegen sind wir davon überzeugt und hielten für richtig, die Bundesbe- auftragte für den Datenschutz um ein Gutachten zu bit- ten, wenn der Fähigkeitsausbau der Nachrichtendienste erörtert wird. Diese Möglichkeit steht uns nach dem Bundesdatenschutzgesetz zu: Laut § 26 Absatz 2 des Bundesdatenschutzgesetzes kann der Deutsche Bundes- tag die Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit ersuchen, ein Gutachten zu erstellen oder Berichte zu erstatten. Dies ist eine wichtige Mög- lichkeit, die Wahrnehmung unserer Kontrollaufgaben zu optimieren, die wir gerade jetzt auch nutzen sollten. An dieser Stelle sei mir ein kleiner Exkurs erlaubt, da zeitgleich zu dieser Debatte der Haushaltsausschuss in seiner Bereinigungssitzung tagt. Der Datenschutz hat in den letzten Jahren aufgrund neuer technischer Möglich- keiten sehr stark an Bedeutung gewonnen. Die Ausstat- tung der Landes- und Bundesdienststellen für Daten- schutz wird dieser Bedeutung noch nicht gerecht. Ein angemessener Datenschutz braucht auch die entspre- chende Personalstärke und Sachmittelfinanzierung. Wir Grüne haben daher beantragt, in den Haushalt 2015 2 Millionen Euro mehr Mittel für den Datenschutz ein- zustellen. Die Haushaltskontrolle von Nachrichtendiensten liegt auf dem sehr schmalen Pfad des aus Sicherheitsgründen gebotenen Schutzes nachrichtendienstlicher Tätigkeiten und der Einhaltung der Bürgerrechte. Ich finde, dass in dem Antrag der Linken, insbesondere in dem Punkt fünf, die Probleme gut analysiert sind, allerdings glaube ich, dass die Folgerungen nicht optimal sind: Die Kritik an der sicherlich nicht unproblematischen Flexibilisierung und Ausweitung der Deckungsmöglichkeiten hat ihre Berechtigung und ist wichtig – aber das alles pauschal auszuschließen, halte ich doch für über das Ziel hinaus- geschossen. Und was die Quasiveröffentlichung der Haushalte angeht, bin ich mir auch nicht sicher, ob das unter sicherheitspolitischen Gesichtspunkten nicht auch zu einseitig ausgelegt ist. Vielmehr ist die richtige Maßnahme, unsere eigenen parlamentarischen Kontrollmechanismen intensiver wahr- zunehmen. Die Möglichkeiten hierfür habe ich oben be- schrieben; hierzu zählt eine verstärkte Zusammenarbeit der parlamentarischen Kontrollgremien, die Hinzunahme externer Beratung zum Beispiel durch die Datenschutz- beauftragte in fachlich oder technisch komplexen Frage- stellungen und, hier stimme ich mit der Linken überein, mehr Transparenz. Inspiration für eine höhere Transpa- renz in der Haushaltskontrolle können wir ganz gezielt auch in der Praxis anderer Parlamente suchen, zum Bei- spiel der des amerikanischen Kongresses. 6306 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. November 2014 (A) (C) (D)(B) An einer transparenten Haushaltskontrolle der Nach- richtendienste werden wir intensiv weiterarbeiten und, ich hoffe, auch hier im Parlament Mitstreiter finden. Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlungen und Berichte: – Gute Arbeit weltweit – Verantwortung für Produktion und Handel global gerecht wer- den – Sozial-ökologischen Rahmen für die Aktivi- täten transnationaler Unternehmen schaffen und durchsetzen (Tagesordnungspunkt 15) Dr. Georg Kippels (CDU/CSU): Vor zwei Wochen war ich in Indien. Dort hatte ich die Gelegenheit, meh- rere Tage die Arbeit in einer Textilfabrik hautnah zu erleben. Im Rahmen des Programms habe ich auch den Arbeits- und den Familienalltag mit einem Arbeiter und seinen Angehörigen geteilt. Ich habe Menschen in ihrem realen Umfeld erlebt, die mit ihrer Arbeit ihre bescheide- nen Bedürfnisse befriedigen, aber auch Wünsche und Zukunftsträume verbinden. Das Unternehmen lag mit seinen Arbeitsbedingungen schon sehr nah an unseren Vorstellungen von guter Arbeit, war also ein Vorzeige- unternehmen, wenngleich auch noch deutlich Verbesse- rungsbedarf zu erkennen war. Nichtdestotrotz macht einem eine solche Erfahrung noch einmal besonders ein- drücklich klar, wie eng das Lebensglück der Arbeiter in einer solchen Produktionsstätte mit den dort umgesetz- ten Richtlinien zusammenhängt. Eingehaltene Arbeits- normen plus existenzsichernder Lohn gleich menschen- würdiges Leben. So einfach scheint die Rechnung dann zu sein, doch die Realität ist komplexer. Diesem Ansin- nen tragen wir mit unserem Antrag gerade Rechnung. Die Welt ist so nah zusammengerückt. Vor 30 Jahren waren uns die Arbeiter im entlegenen Asien noch so fern. Heute können wir die Augen nicht mehr so einfach vor dem Schicksal dieser Menschen verschließen. Und das wollen wir auch nicht mehr. Wir wollen die Welt ein Stück weit fairer machen. Wir nehmen das Schicksal der Textilarbeiterinnen in Bangladesch ernst. Wir nehmen unsere Verantwortung für eine Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen ernst. Aber wir müssen uns auch darüber im Klaren sein, dass das Vorhandensein von Arbeitsplätzen in Entwicklungs- und Schwellenländern selbst keineswegs eine Selbstverständlichkeit ist. Auch dies müssen wir im Auge behalten. Menschen müssen von ihrem Lohn existieren können, ihre Kinder zur Schule schicken können und auch Rücklagen bilden können. Es braucht dabei nicht viel, um faire Löhne durchzusetzen. Der Unterschied kann bei 2 Cent liegen. Das erläuterte Minister Müller bei der ersten Beratung dieses Antrags. Aber es muss auch sichergestellt sein, dass dieser Mehrwert beim Arbeiter an der Maschine ankommt. Und dies ist im Rahmen der vertraglichen Gestaltungskompetenzen der jeweiligen Vertragsstufe wesentlich leichter gesagt als getan. Lassen Sie mich die Kernelemente des Antrags dar- stellen: Erstens. Beachtung der Menschenrechtskonven- tionen und der internationalen Sozial- und Umweltstan- dards. Zweitens. Durchgängige Beachtung der deutschen arbeitsrechtlichen und kollektivrechtlichen Standards bis in das letzte Glied der Produktionskette. Drittens. Trans- parenz des weltweiten Handels. Viertens. Das Merkmal der „Guten Arbeit“ im Sinne sozialer Nachhaltigkeit bei internationalen Großereignissen. Fünftens. Rückblickend die Durchsetzung der Entschädigung gegenüber den ver- antwortlichen Importeuren für das erlittene Unrecht aus Rana Plaza. Um diese Ziele aber zu erreichen, bedarf es des Zu- sammenspiels einer Reihe von Faktoren. International agierende Unternehmen müssen die Wahrung der aner- kannten Arbeitsnormen in ihren Produktions- und Lie- ferketten durchsetzen. Hier ist der Faktor Wirtschafts- macht gefordert. Die Konsumenten müssen sich ihrer Verantwortung bewusst werden. Ich sehe es auch als Aufgabe der Politik, bei den Bürgerinnen und Bürgern Bewusstsein zu schaffen für die Herkunft der Produkte, die sie kaufen – egal ob T-Shirt oder Kaffee. Hier geht es dann um die moralische Verantwortung. Nur mit dem Bewusstsein der Konsumenten kann sich das Kaufver- halten nachhaltig ändern. Wir dürfen die Verantwortung nicht nur bei den Unternehmen sehen, sie liegt genauso beim Verbraucher, und nicht zuletzt natürlich bei den Produktionsländern selbst. Auch sie müssen den Spagat zwischen Ankurbelung ihrer Wirtschaft und Ausbeutung der eigenen Bevölkerung in den Griff bekommen. Hier können wir aber schlussendlich nur sensibilisierend tätig werden, weil die Gesetzgebung und deren Inhalte nicht unserer direkten Einflussnahme unterliegen. Es muss aber auch für die Entwicklungs- und Schwellenländer eine Frage der internationalen Akzeptanz sein, ihre Bür- gerinnen und Bürger von Unrecht und Schaden in der Arbeitswelt zu schützen. An dieser Stelle bekommt die internationale politische Einflussnahme ihre entschei- dende Rolle. Sehen wir uns hierzu das Beispiel Bangladesch an. Seit dem tragischen Zusammensturz des Rana-Plaza- Fabrikgebäudes in Dhaka hat sich in Bangladesch eini- ges getan. Ein neues Arbeitsgesetz wurde verabschiedet, und Fabrikgebäude wurden vielerorts überprüft sowie Verbesserungen durchgeführt. Für eine langfristige Veränderung bildet die deutsche Entwicklungszusam- menarbeit neu eingestellte staatliche Inspektoren aus. Die deutsche EZ berät staatliche Stellen, Unternehmen sowie ihre Belegschaften insbesondere im Hinblick auf Sozial- und Umweltstandards. Der Textilsektor und die Einhaltung nationaler Arbeits- und Umweltgesetze sowie internationaler Sozial- und Umweltstandards ste- hen hierbei im besonderen Fokus. So konnten bislang über ein TZ-Programm seit 2010 direkt mehr als 200 000 Arbeiterinnen und Arbeiter, Manager und Fa- brikbesitzer entsprechend erreicht und geschult werden. Durch den persönlichen Einsatz von Herrn Parlamentari- schen Staatssekretär Fuchtel aus dem Entwicklungsmi- nisterium gewinnt der Prozess an zusätzlicher Dynamik. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. November 2014 6307 (A) (C) (D)(B) So wurde mit der bangladeschischen Regierung die wei- tere deutsche Unterstützung für lokale Textilunterneh- men bei der Etablierung einer transparenten Lieferkette vorbesprochen. Entsprechende Mittel wurden anlässlich der Regierungsverhandlungen vom 3. November zuge- sagt. Man sieht, dass der Boden bereitet ist, es muss aber noch gesät und gedüngt werden. „Gute Arbeit“ muss zum internationalen Wert werden. Die Schwellen- und Entwicklungsländer brauchen die Chancen der Globalisierung für ihre Entwicklung und ihr Wachstum. Sie brauchen aber auch faire Rahmen- bedingen vor Ort, um von ihnen profitieren zu können. Wir müssen die entscheidenden Impulse setzen, aber die Umsetzung kann dann nur im eigenen System erfolgen. Und damit komme ich zu Ihnen, verehrte Kolleginnen und Kollegen der Opposition. Ja, die Produktions- und Lieferketten von international agierenden Unternehmen sind zunehmend global verzweigt. Ja, die Arbeitsbedin- gungen in vielen Produktionsstätten der Entwicklungs- und Schwellenländer sind derzeit inakzeptabel. Aber, verehrte Kolleginnen und Kollegen der Grünen, „Gute Arbeit“ lässt sich nicht durch Ideologie oder Wirt- schaftsfeindlichkeit erreichen. Deutsche Unternehmen sind keine Monster, denen es entgegenkommt oder je- denfalls vollkommen gleichgültig ist, wenn ihre Töchter und Zulieferer Menschenrechte verletzen und Sozial- und Umweltstandards missachten. Wirtschaft ist keines- wegs gewissenlos. Pauschalierung und Polarisierung ist der falsche Weg. Es ist nicht zielführend, und meine persönliche Erfahrung ist auch eine andere. Sowohl die Beobachtungen auf meiner Reise als auch meine Gesprä- che haben mir Akteure gezeigt, die sich in höchstem Maße dafür engagieren, dass ihre Zulieferunternehmen den Werten guter Arbeit entsprechen. Es werden auf- wendige Audits durchgeführt und auch Know-how ver- mittelt, um die Missstände abzustellen. Dies geschieht aber in der Regel lautlos und effektiv. Die Zahl dieser Beispiele ist aber leider noch viel zu gering und muss deshalb dringend gesteigert werden. Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen der Opposition, die Katastrophe von Rana Plaza im letzten Jahr hat auch mich nachhaltig erschüttert. Keinen Menschen können solche Tragödien unberührt lassen. Strafrechtliche Sanktionen und Zwang sind aber keine geeigneten Mittel für wirtschaftliche Zusammenarbeit. Die Diskussion im Zusammenhang mit dem Textilbünd- nis hat gezeigt, dass sich die Wirtschaft ihrer – auch in- ternationalen – Verantwortung sehr wohl bewusst ist und auch die Bereitschaft besteht, sich der Aufgabe zu stel- len. Allerdings müssen wir auch daran arbeiten, dass un- sere Unternehmen geeignete Mittel an die Hand bekom- men, mit denen sie zuverlässig ihrer Aufsichtspflicht gerecht werden können. Denn nicht jedes Unternehmen hat die internationalen Erfahrungen und Kontakte, die lokalen Verhältnisse ausreichend zu durchleuchten. Im Rana Plaza gab es auch zahlreiche Zertifikate, die ein- fach nur gekauft waren. Die Kontrollverfahren müssen belastbar und zuverlässig sein, bevor sie mit Sanktionen belegt werden können. Dies setzt voraus, dass in den Entwicklungsländern die gesellschaftlichen, sozialen und ebenso ordnungs- behördlichen Rahmenbedingungen so entwickelt und an- gepasst werden, dass ein Umfeld geschaffen wird, in dem die Werte der „Guten Arbeit“ überhaupt real umge- setzt werden können. Dazu gehört ebenso der Respekt vor dem Mitmenschen wie die Beachtung technischer Sicherheitsstandards. Die notwendigen Normierungen sind in der Verantwortung der lokalen Regierungen und politischen Kräfte. Wirtschaftsunternehmen können lediglich Impulse geben und innerhalb ihrer Vertrags- beziehungen Regelungen treffen. Dies reicht aber für eine grundlegende Verbesserung der Arbeits- und Le- benssituationen nicht aus. Natürlich darf und muss die wirtschaftliche Macht des Einkäufers zur Durchsetzung der Standards eingesetzt werden. Wir haben aber auch in den Gesprächen mit den Interessenvertretern der Arbei- ter der betroffenen Länder die Bitte vernommen, keine umfassenden Wirtschaftsboykotts durchzuführen, um den Menschen nicht sofort das Einkommen und damit die Lebensgrundlage zu entziehen. Dies macht die Aus- wahl der Handlungsoptionen besonders schwierig und besonders verantwortungsvoll. Hier ist die sensibilisierte und motivierte Wirtschaft der bessere Partner als vorver- urteilte Akteure. Der neue Weg muss gemeinsam und entschlossen beschritten werden. Den Wegweiser hierzu liefert der Antrag, ausgewogen und nachhaltig, umfassend und fundiert – und deshalb erfolgversprechend. Geben Sie daher für „Gute Arbeit“ den Startschuss. Geben Sie dem Antrag Ihre Zustimmung. Dr. Bärbel Kofler (SPD): 1. Jeder hat das Recht auf Arbeit, auf freie Berufs- wahl, auf gerechte und befriedigende Arbeitsbedin- gungen sowie auf Schutz vor Arbeitslosigkeit. 2. Jeder, ohne Unterschied, hat das Recht auf glei- chen Lohn für gleiche Arbeit. 3. Jeder, der arbeitet, hat das Recht auf gerechte und befriedigende Entlohnung, die ihm und seiner Fa- milie eine der menschlichen Würde entsprechende Existenz sichert, gegebenenfalls ergänzt durch an- dere soziale Schutzmaßnahmen. 4. Jeder hat das Recht, zum Schutz seiner Interessen Gewerkschaften zu bilden und solchen beizutreten. Das ist Artikel 23 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen vom Dezember 1948. Leider sieht die Realität auch 66 Jahre später noch oft anders aus. Hundert Millionen Frauen, Männer und Kin- der arbeiten unter lebensgefährlichen Bedingungen, ob als Quasileibeigene auf Plantagen in Lateinamerika, in von Quecksilber verseuchten Bergwerken in Afrika oder in einsturzgefährdeten Textilfabriken in Asien. Allein in Asien nähen 15 Millionen Menschen Bekleidung, oft un- ter unwürdigen und gefährlichen Bedingungen. Sie er- halten dafür einen Lohn, der kaum zum Leben für sie und ihre Familien reicht. Ich habe erst vor kurzem auf einer Indienreise zum Thema „Internationale Normen für Gute Arbeit im Tex- 6308 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. November 2014 (A) (C) (D)(B) tilsektor – Herausforderungen für die Akteure entlang der Wertschöpfungskette“ Kontakt mit Textilarbeiterfa- milien gehabt und auch einige Tage bei ihnen gelebt. Klar ist, dass zwei Akteure gefordert sind, um eine wirk- same Verbesserung zu erreichen. Zum einen müssen in- ternationale Einkäufer entsprechende Preise bezahlen, sodass existenzsichernde Löhne gezahlt werden können, zum anderen brauchen wir in den Ländern eine Arbeits- gesetzgebung, die es ermöglicht, dass die Arbeitneh- merinnen und Arbeitnehmer auch von den höheren Prei- sen profitieren. Am Beispiel meiner Indienreise kann man die grund- sätzliche Problematik deutlich machen, dass in vielen Ländern existenzsichernde Löhne fehlen. Auch wenn es wie in Indien auf der Ebene der Bundesstaaten Mindest- löhne gibt, reichen diese in der Regel nicht aus. Daher werden dringend handlungsfähige Gewerkschaften ge- braucht, die sich in Verhandlungen mit den Arbeitgebern dafür einsetzen könnten, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von ihrem Verdienst auch leben kön- nen. Mitglieder von Gewerkschaften werden von Betrie- ben derzeit oft gar nicht eingestellt. Konkret an diesem Beispiel zeigt sich, wie wichtig eine Umsetzung der ILO-Kernarbeitsnormen für die Beschäftigten weltweit ist. Diese Normen beinhalten für die Mitgliedstaaten der ILO unter anderem das Recht auf Vereinigungsfreiheit, das Recht auf Gründung von Gewerkschaften, die Besei- tigung der Diskriminierung im Arbeitsleben und das Ziel von gleichem Lohn für gleiche Arbeit von Frauen und Männern. Als Sozialdemokratin und Gewerkschaftsmit- glied ist für mich eine Grundvoraussetzung für men- schenwürdige Arbeit, dass sich die Arbeitnehmervertre- ter in allen Ländern für die Rechte der Beschäftigten vor Ort einsetzen können und dies auch tun. Um die katastrophalen Zustände in der Arbeitswelt wirksam zu verbessern, ist unser Antrag zur Guten Ar- beit weltweit, den wir heute abschließend beraten, ein erster, aber wichtiger Schritt. Er greift ein Kernanliegen sozialdemokratischer Politik auf; daher war es mir ein besonderes Anliegen, dass wir ihn als ersten Aufschlag noch in diesem Jahr in den Deutschen Bundestag ein- bringen und die Punkte klar benennen, wie wir zu mehr Verantwortung für Produktion und Handel in unserer globalisierten Welt kommen. Damit setzen wir auch ein Wahlversprechen um. In unserem Wahlprogramm 2013 hat die SPD eine gesetzli- che Verankerung der Sorgfaltspflicht von Unternehmen gefordert, um von der Rohstoffgewinnung bis zum ferti- gen Produkt menschenrechtliche, soziale und ökologi- sche Standards für die Arbeits- und Produktionsbedin- gungen zu verankern. In den Koalitionsverhandlungen haben wir uns für eine Umsetzung der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte und einen entspre- chenden nationalen Aktionsplan stark gemacht. Damit stehen wir im Wort, der Forderung des UN-Menschen- rechtsrats, der EU-Kommission und zahlreicher NGOs nach verbindlichen Regelungen nachzukommen und nicht – wie die letzte Bundesregierung – einseitig auf freiwillige Initiativen der Unternehmen zu setzen. Es geht bei allen anstehenden Entscheidungen, sei es der staatlichen und privaten Wirtschafts- und Handels- kooperation mit Entwicklungs- und Schwellenländern, den aktuellen EU-Richtlinien und Verordnungen zu Kon- fliktmineralien und CSR oder einem Textilsiegel im Kern um die Frage, ob das bisherige Prinzip der Frei- willigkeit weiter bestehen bleibt oder ob verbindliche Regelungen getroffen werden. Hierzu muss die Bun- desregierung eine zwischen den beteiligten Ressorts ab- gestimmte Haltung entwickeln und Möglichkeiten auslo- ten, wie wir zu Verbindlichkeit kommen können. Zu unserem Antrag konkret: Die Produktions- und Lieferketten von international agierenden Unternehmen sind, wie wir alle wissen, zunehmend global verzweigt und durch internationale Arbeitsteilung gekennzeichnet. Viele multinationale Unternehmen haben sich selbst einer verantwortungsvollen Unternehmensführung verpflichtet, der sogenannten CSR, und legen über die ökologischen, so- zialen, menschenrechtlichen und ökonomischen Auswir- kungen ihrer Geschäftstätigkeit Nachhaltigkeitsberichte vor. Das begrüße ich. Auf europäischer Ebene sind wir jetzt ein ganzes Stück weitergekommen mit der Ende September vom Europäischen Rat angenommene EU- Richtlinie, die eine verpflichtende CSR-Berichterstat- tung für Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten vorsieht. Die Umsetzung in nationales Recht wird jetzt angegangen. Hier müssen wir ein klares Zeichen für mehr Verbindlichkeit setzen. Zur Frage einer verbesserten Unternehmensverant- wortung gehört aber auch, dass die Vorreiterunterneh- men im Wettbewerb mit denjenigen stehen, die hohe so- ziale Standards nicht einhalten und dadurch Kosten sparen. Hier hat der Einsturz des Fabrikkomplexes Rana Plaza in Bangladesch im Jahr 2013 wieder gezeigt, dass es in einigen Entwicklungsländern Probleme mit der staatlichen Schutzpflicht gibt und dass einige multinatio- nal agierende Unternehmen ihrer sozialen Verantwortung und Sorgfaltspflicht für ihre Lieferkette nicht nachkom- men. Lohndumping, Zwangs- und Kinderarbeit, Diskri- minierung von Frauen und Minderheiten, unmenschliche Arbeitsbedingungen, Organisationsverbote und gravie- rende Mängel bei der Sicherheit am Arbeitsplatz prägen die Arbeitsbedingungen in vielen Fabriken. Die Verant- wortung für die Einhaltung international vereinbarter Arbeitsbedingungen und Arbeitnehmerrechte liegt so- wohl bei den Unternehmen als auch bei den Regierungen und Parlamenten der jeweiligen Länder, welche die rechtlichen Rahmenbedingungen zu schaffen und durch- zusetzen haben. Mit unserem Antrag „Gute Arbeit weltweit – Verant- wortung für Produktion und Handel global gerecht wer- den“ wollen wir erreichen, dass sich die Bundesregierung entsprechend dem Koalitionsvertrag für die Transparenz von Lieferketten und die Einhaltung völkerrechtlich ver- pflichtender Konventionen einsetzt. Dazu gehört auch, dass die Bundesregierung die hier ansässigen Unterneh- men, die in den zusammengestürzten Textilfabriken in Bangladesh produzieren ließen, auffordert, endlich ihren Anteil an Entschädigung der Opfer in den ILO-verwalte- ten Fonds zu zahlen. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. November 2014 6309 (A) (C) (D)(B) Mit unserem Antrag fordern wir die Regierung des Weiteren auf, Transparenz und international vereinbarte Konventionen weiterhin national und international zu stärken, was einfach zugängliche Beschwerdemöglich- keiten bei der Verletzung dieser Rechte und Standards zum Beispiel über die Nationale Kontaktstelle, OECD, beinhaltet. Hierzu gehören Transparenz im Rohstoffhan- del entsprechend den EU-Richtlinien und EITI-Verein- barungen sowie die Einhaltung der Standards bei Vorbe- reitung, Auftragsvergabe und Durchführung sportlicher Großveranstaltungen. Die Bundesregierung soll sich aber auch vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussion bei der ILO dafür einsetzen, dass das Streikrecht als wichtiger Bestandteil der Vereinigungsfreiheit international weiterhin aner- kannt wird. Auch das ist ein Auftrag der eingangs ge- nannten Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen. In den vergangenen Wochen habe ich viele Gespräche mit Kolleginnen und Kollegen der beteiligten Ressorts Wirtschaft, Justiz, Arbeit und Soziales und Menschen- rechte geführt und unser Anliegen für verbindliche so- ziale, ökologische und menschenrechtliche Standards auch den zuständigen Ministerinnen und Ministern ge- schildert. Diese vielen Gespräche stimmen mich opti- mistisch, dass nicht nur unser Antrag gut ankommt, son- dern das Thema ernst genommen wird. Ich sehe eine große Chance darin, dass wir im nächs- ten Jahr, dem Europäischen Jahr der Entwicklung, The- men auf die Agenda des G-7-Gipfels unter deutscher Präsidentschaft setzen können, die unserem Anspruch an eine Vorreiterrolle Deutschlands endlich wieder gerecht werden. Das ist erstens die Frage der neuen Millen- niumsziele für den Prozess der Vereinten Nationen, die im September 2015 beschlossen werden, zweitens die Pariser Klimakonferenz am Ende des Jahres 2015 und drittens das Thema „Gute Arbeit weltweit“ und die Frage der Wertschöpfungskette. Besonders freue ich mich, dass es Bundesarbeitsmi- nisterin Andrea Nahles gelungen ist, ressortübergreifend mit dem BMZ hierzu eine Anfang 2015 stattfindende Veranstaltung im Vorfeld von G7 zu initiieren. Ich sehe das auch als Bestätigung, dass wir das Thema Gute Ar- beit und Wertschöpfungskette zu Recht als Schwerpunkt der parlamentarischen Arbeit der Arbeitsgruppe wirt- schaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung der SPD- Bundestagsfraktion gesetzt haben. Meine Position, wie wir wirksam regieren und die Ar- beitsbedingungen weltweit verbessern können, ist klar: Wenn es – wie das Beispiel Textilbündnis zeigt – Unter- nehmen nicht gelingt, die Arbeitsbedingungen zu ver- bessern, muss der Gesetzgeber handeln. Eine freiwillige Verpflichtung wird nicht ausreichen. Wir brauchen ge- setzliche Mindeststandards. Die Süddeutsche Zeitung hat das am 16. Oktober 2014 unter der Überschrift „Siegel der guten Absicht“ auf den Punkt gebracht: „Erfolg versprechen einzig verbindliche Standards in punkto Umweltschutz und Soziales. Das ist die Lehre aus den vergangenen zwei Jahrzehnten, in denen die Politik immer wieder darauf setzte, dass die Unternehmen auf Willensbekundungen auch Taten folgen lassen. Natürlich ziehen hier einige Unternehmen mit, deren Geschäft dann eben darauf beruht, dass sie sich als soziale und grüne Unter- nehmen profilieren. Ansonsten hat diese Vorge- hensweise viel grüne PR und wenig Veränderungen hervorgebracht.“ Ich möchte dabei nicht missverstanden werden. Na- türlich finde ich die Pioniere unter den Unternehmen gut, die bereits freiwillig auf menschenwürdige Arbeit achten und die nötigen Nachweise bringen, dass ihre Produkte ohne Ausbeutung oder Umweltverschmutzung hergestellt worden sind. Aber ich bleibe skeptisch, ob sich eine ganze Branche wie die Textilindustrie einfach von heute auf morgen umkrempeln lässt. Häufig sieht die Realität anders aus: Wer voranschreitet, läuft Gefahr, aus dem Markt gedrängt zu werden. Denn es gibt viele, die keine Skrupel haben, alle legalen Möglichkeiten zur Gewinnmaximierung auszuschöpfen. Erst wenn die öko- nomischen Rahmenbedingungen für alle Unternehmen geändert werden, herrscht wieder ein freies und faires Spiel der Kräfte – am besten nicht nur in Deutschland, sondern in der Europäischen Union und irgendwann weltweit. Die Diskussion um die geeigneten Maßnahmen für eine Verbesserung der weltweiten Arbeitsbedingungen und mehr Transparenz in den Lieferketten ist im vollen Gange, das hat nicht zuletzt die Eröffnungskonferenz des Auswärtigen Amts für den Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte vergangenen Donners- tag gezeigt. Damit startet ein auf zwei Jahre angelegter Arbeitsprozess unter der breiten Einbindung aller gesell- schaftlichen Gruppen. Ich freue mich, dass wir so viele engagierte und sachkundige Vertreter von Wirtschaft, Politik, Zivilgesellschaft, Verbänden und Wissenschaft zusammenbringen können, um gemeinsam unser Ziel zu erreichen, die UN-Leitprinzipien in Deutschland umzu- setzen und endlich einen Ordnungsrahmen für eine ver- besserte Unternehmensverantwortung im Bereich des Menschenrechtsschutzes zu entwickeln. Das ist Gute Ar- beit, ganz konkret, und sollte weiter Schule machen. Niema Movassat (DIE LINKE): „Wenn du nicht mehr weiter weißt, gründe einen Arbeitskreis“ scheint das Motto der Bundesregierung zu sein. Mit einem lang- jährigen Beratungsprozess versucht sie, dem steigenden Druck für gesetzliche ökologische, soziale und menschen- rechtliche Mindeststandards bei Geschäftstätigkeiten deutscher Unternehmen im Ausland etwas entgegenzuset- zen, ohne wirklich handeln zu müssen. Letze Woche hat sie deshalb im Auswärtigen Amt mit der Konferenz „Wirtschaft und Menschenrechte“ einen Dialogprozess mit Wirtschaft und Zivilgesellschaft, Wissenschaft Re- gierung, Verwaltung und politischen Parteien gestartet. Das klingt natürlich hervorragend. Nur leider erweckt es ein wenig den Eindruck, als sei auch genau das das pri- märe Ziel der ganzen Aktion: dass sie hervorragend klingt. 6310 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. November 2014 (A) (C) (D)(B) Bis Ende 2016 soll also in mehreren Konferenzen und unter Einbeziehung vieler Ministerien dem Kabinett ein fertiger Aktionsplan zur Abstimmung vorliegen. Anfang 2017 wird das Kabinett diesen dann beschließen. Dann wird er in eine Hochglanzbroschüre gegossen. Dann kommt der Bundestagswahlkampf. Danach gibt es eine neue Bundesregierung. Die muss dann erst mal prüfen, wie sie zum Aktionsplan der vorherigen Bundesregie- rung steht. Das dürfte ungefähr so Mitte bis Ende 2018 abgeschlossen sein. Ich möchte nicht alles schlechtreden: Es ist ein Fort- schritt, dass auch die Union im vorliegenden Bundes- tagsantrag ankündigt, ein Unternehmensstrafrecht we- nigstens zu prüfen. Es ist ein Fortschritt, dass die Bundesregierung das Thema Wirtschaft und Menschen- rechte auf so breiter Basis zur Debatte stellt. Der kon- krete Output für die Arbeiterinnen und Arbeiter in den Textilfabriken Asiens ist jedoch gleich null. Die sklavenar- tigen Arbeitsbedingungen sind ein dringendes Problem – heute! Wir können doch nicht ernsthaft die betroffenen Menschen damit abspeisen, dass wir sagen: „Wir haben das Problem nun endlich alle erkannt und arbeiten daran. Aber sorry, vor 2019 werden wir wohl keine gesetzli- chen Änderungen bei uns in die Wege leiten, die euch helfen könnten.“ Es ist ja eben nicht so, dass wir es hier mit einer neuen Problematik zu tun hätten, dass wir erst mal Fak- ten sammeln, Analysen erstellen und das alles wirken lassen müssten. Das Thema steht seit Jahrzehnten auf der Tagesordnung der Zivilgesellschaft, von Gewerk- schaften und fortschrittlichen Organisationen. Bereits vor fünf Jahren, als ich in den Bundestag kam, besuchten mich Fischer aus Brasilien, denen Thyssen-Krupp mit seinem desaströsen Stahlwerkprojekt die Lebensgrund- lage entzogen hatte. Textilarbeiterinnen haben in Ge- sprächen mit mir geklagt, sie würden in Fabriken, die für deutsche Textilunternehmen produzieren, eingeschlos- sen und dürften nur einmal am Tag die Toilette aufsu- chen. Die EU-Kommission hat bereits im Jahr 2011 alle EU-Mitgliedstaaten aufgefordert, die Umsetzung der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte des Sonderbeauftragten John Ruggie voranzutreiben. Das war 2011. 2014 startet die Bundesregierung einen Beratungsprozess, der bis 2017 andauert. Und am Ende wird ein Aktionsplan stehen, der völlig unverbindlich ist. Ich halte das ganze Projekt insgesamt deswegen lei- der für Augenwischerei. Sicher gibt es innerhalb der Union und der SPD Abgeordnete, die gesetzliche Regeln für deutsche Unternehmen im Ausland tatsächlich in Er- wägung ziehen. Entwicklungsminister Müller hat sich auch glaubwürdig für ambitionierte Ziele im Rahmen seiner Verhandlungen mit der Wirtschaft um ein Textil- siegel eingesetzt. Dennoch ist die Bundesregierung ins- gesamt weit davon entfernt, die Interessen der betroffe- nen Menschen in den Ländern des globalen Südens gegen die Profitinteressen der deutschen Wirtschaft durchzusetzen. Es ist sehr bedauerlich, aber freiwillig werden auch in Zukunft deutsche Firmen der Profitmaxi- mierung im Zweifel immer Vorfahrt geben. Das haben sie eben erst bewiesen, als sie Minister Müller kurz vor Abschluss des Textilsiegels mit Argumenten von vor 15 Jahren auflaufen ließen. Die Zeit ist überfällig, dass die Politik ihre Aufgabe erfüllt und regulierend eingreift. Die Linke fordert das auch schon seit vielen Jahren. In der juristischen Fachde- batte gibt es auch bereits heute schon ausreichend Vor- schläge, um sofort zu handeln, nicht erst in fünf Jahren. Es ist sinnvoll, ein Unternehmensstrafrecht einzuführen, und im Zivilrecht ist es dringend nötig, Sorgfaltsanfor- derungen für die Tätigkeit von Unternehmen zu definie- ren. Im Zivilprozessrecht müssen wir dafür sorgen, dass die Beweislast nicht einseitig bei den Betroffenen liegt, die oft gar nicht nachweisen können, wie unterneh- mensintern gehandelt worden ist. Und natürlich müssen wir auch europaweit und international für verbindliche Standards eintreten und Klagemöglichkeiten für Betrof- fenen einrichten. Wenn wir nicht handeln, wenn wir nicht konkrete Än- derungen auch im deutschen Recht auf den Weg bringen, dann wird es weiter die massiven Menschenrechtsverlet- zungen gegen Arbeiterinnen und Arbeiter geben, ohne dass Unternehmen Konsequenzen zu befürchten haben. Das darf nicht länger sein. Bringen Sie also endlich den politischen Willen auf, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU und SPD, konkret etwas zu ändern, statt weitere Jahre nur zu debattieren. Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das Thema Unternehmensverantwortung bzw. die Kontrolle internationaler Lieferketten ist in den vergangenen Wo- chen ausgiebig von uns diskutiert worden. Es wurden fundierte Argumente und plumpe Plattitüden ausge- tauscht. Kurz: Man könnte den Eindruck gewinnen, es sei alles gesagt. Dieser Einschätzung möchte ich ent- schieden widersprechen. Menschenwürdige Arbeit und der Schutz der Umwelt in der Lieferkette sind Problem- stellungen, mit denen wir uns langfristig und immer wieder aufs Neue intensiv befassen müssen, wenn wir unseren Job ernst nehmen. Dass hier dicke Bretter zu bohren sind bestreitet keiner. Lieferketten sind komplexe Gebilde. Oft wird ein Produkt in hunderten Arbeitsschritten, an völlig unter- schiedlichen Standorten, rund um den Globus verteilt, hergestellt. Auch die Lieferantenkette in der Textilindus- trie ist durchaus komplex. Allerdings ist es möglich, sie betriebswirtschaftlich lückenlos zu überwachen. Somit muss das auch in Bezug auf die Arbeitsbedingungen machbar sein. Außerdem hindert uns niemand daran, an der Spitze der Lieferkette mal anzufangen. Die ver- meintliche Komplexität darf nämlich nicht als Alibi die- nen, verantwortungsvolle Politik hier bei uns zu verhin- dern. Beim Thema Lieferkette könnte man meinen, die Menschen – und insbesondere die Politik – würden sich dafür interessieren, wie diese Lieferketten funktionieren und wie sie überwacht werden können. Und das tun wir auch. Allerdings nur an einem Ende der Lieferkette. Nämlich hier bei uns. Wir haben hier in der EU und in der Bundesrepublik unzählige Gesetze, Richtlinien und Bestimmungen, die garantieren sollen, dass die Pro- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. November 2014 6311 (A) (C) (D)(B) dukte, die auf unsere Märkte kommen, keine Gefahren für die Verbraucherinnen und Verbraucher bedeuten. Und das ist auch gut so. Es ist die Aufgabe des Staates, seine Bürgerinnen und Bürger zu schützen. Wenn man jetzt sagt: Warum schützen wir nur die Verbraucherinnen und Verbraucher, aber nicht die Arbeiterinnen und Arbeiter in den Produktionsländern?, wird man insbe- sondere von den Kollegen der CDU-Fraktion verwun- dert angeschaut. Das BMZ scheint hier doch deutlich weiter zu sein als die Bundestagsfraktion. Der Tenor: Wie soll das gehen? Und dann der völlig ernst gemeinte Vorschlag: Wir können ja mal bei den Unternehmen nachfragen, ob sie nicht auf freiwilliger Basis etwas mehr auf Mensch und Umwelt achten wol- len. Die Betonung liegt hier ganz klar auf „freiwillig“. Denn Freiwilligkeit ist das Zauberwort, wenn wir von höheren Produktionsstandards in Schwellen- und Ent- wicklungsländern sprechen. Hierzulande würde niemand darauf kommen, den Unternehmen auf freiwilliger Basis selbst zu überlassen, inwieweit sie Rücksicht auf Umwelt- und Sozialstandards nehmen. Die Gewinn- maximierungs- oder Optimierungsstrategien der Unter- nehmen sind an sich in Ordnung, aber nur dann, wenn sie sich an die Gesetze halten. Und es ist völlig klar: Die Wirtschaft braucht Regeln, um der Gesellschaft zu die- nen. Dieses Haus hat die Verpflichtung und die Möglich- keit, solche Regeln zu erarbeiten. Und wir sollten sie endlich nutzen. Wer in seiner Wirtschaftspolitik immer noch glaubt, dass Unternehmen von sich aus und ohne verbindliche Regelungen Mehrkosten zugunsten ihrer Arbeiterinnen und Arbeiter in Kauf nehmen oder gar karitative Zwecke verfolgen, verschließt sich den Reali- täten. Das Schlimme ist: Wir wissen es besser. – Um genau zu sein, Deutschland ist nur deshalb so erfolgreich, weil wir es besser wissen. Die soziale Marktwirtschaft hat dieses Land erfolgreich gemacht – keiner wird das be- streiten. Die soziale Marktwirtschaft funktionierte, weil sie klare Regeln hatte. Aber wir höhlen die Grundprinzi- pien dieses Systems immer weiter aus. Und wir verweh- ren anderen, auf die gleiche Art Erfolg zu haben. Wir pumpen Millionen in die Entwicklungszusammenarbeit, aber wollen unser Erfolgsrezept nicht exportieren. Das ist doch absurd. Glauben Sie mir: Dem armen Ludwig Erhard würde bei einem Blick auf die Abgeordneten- ränge der Union heutzutage vor Schreck die Zigarre aus dem Mund fallen. Ich appelliere daher an Sie: Verschließen sie nicht die Augen vor dem, was hinter den jämmerlichen Arbeitsbe- dingungen in den Produktionsländern steckt. Es reicht nicht aus, immer nur dann schockiert und betroffen zu sein, wenn in Bangladesch mal wieder eine Fabrik aus- brennt oder zusammenstürzt. Wir müssen unsere Ver- hältnisse hier grundlegend ändern, um die Lage der Menschen in Entwicklungsländern zu verbessern. Ent- wicklungspolitik muss Weltinnenpolitik werden. Mit Ih- rem Antrag wird das nicht passieren. Ich verstehe bis heute nicht, was das Brimborium soll – insbesondere vonseiten der SPD! Da schreiben sie doch tatsächlich ei- nen Antrag, in dem sie freiwillige Maßnahmen unterstüt- zen wollen, die Regierung über den grünen Klee loben und sich darüber freuen, wie erfolgreich dieser Weg doch sei. Das wirkt grotesk. Insbesondere nachdem wir in den vergangenen Jahren gemeinsam für verbindliche Standards gekämpft haben. Freiwillige Maßnahmen kann jeder einleiten, dazu braucht man die Regierungs- parteien nicht – und einen solchen Antrag schon gar nicht. Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Wirksamkeit von Antibiotika erhalten – Einsatz in der Tierhal- tung auf vernünftiges Maß reduzieren (Tages- ordnungspunkt 16) Artur Auernhammer (CDU/CSU): Anti-Biotikum – richtet sich gegen das Leben. Antibiotikum – schützt das Leben. So widersprüchlich uns obige Aussage zunächst er- scheinen mag, so widersprüchlich ist jeher das heute von Ihnen thematisierte Arzneimittel. So heilsbringend und lebensrettend die Vergabe eines Antibiotikums wirken kann, so gefahrbringend und lebensbedrohlich können die Folgen durch eine ent- wickelte Resistenz sein. Da stimme ich mit Ihnen über- ein. Und gegen diese Resistenzen müssen wir gemein- sam kämpfen. Die Europäische Kommission teilte bei der Vorstel- lung des letzten Aktionsplanes zur Abwehr der steigen- den Gefahr der Antibiotikaresistenz mit, dass jährlich über 25 000 Todesfälle auf die Wirkstoffimmunität zu- rückzuführen sind. Im Agrarsektor wird gleichermaßen eine erhöhte mikrobielle Widerstandsfähigkeit festge- stellt. Der konkrete Handlungsbedarf besteht. Diese Einig- keit in diesem Hause müssen Sie doch aber nicht durch einen Seitenhieb auf scheinbare Qualzuchten in der Landwirtschaft zunichtemachen. Thematisch ohnehin nicht zielführend fordern Sie weitere Verbote. Eine artgerechte Tierhaltung ist in der deutschen Landwirtschaft gängige Praxis. Die deutsche Agrarwirt- schaft arbeitet im gleichen Jahrtausend wie Sie. Zumin- dest arbeiten die Landwirte im 21. Jahrhundert. Doch Ihr Antrag erweckt den Eindruck – wohl versehentlich –, dem wäre nicht so. Ich will Ihnen da keine Absicht un- terstellen, will aber zu Beginn diese Fehleinschätzung klarstellen. Die Bekämpfung der Antibiotikaresistenzen wird uns bei einer so starren Fokussierung allein auf die Veteri- närmedizin nicht gelingen. Liebe Kolleginnen und Kollegen der Grünen, meine Damen und Herren, die Weltgesundheitsorganisation spricht von einem Eine-Gesundheit-Prinzip, und auch die Welttiergesundheitsorganisation unterscheidet nicht zwischen Tiergesundheit und Menschengesundheit, wenn es zu Antibiotikaresistenzen kommt. Das verkennt 6312 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. November 2014 (A) (C) (D)(B) Ihr Antrag leider. Sie sind damit nicht allein. Ich will Ihnen eine einfache Rechnung machen, die aufzeigt, dass die Frage antibiotischer Medikation in der Human- medizin nicht wesentlich verschieden ist von der Veteri- närmedizin. Ich greife dabei auf einen Bericht der Arbeitsgruppe GERMAP 2012 zurück, die auf Initiative des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmit- telsicherheit in Zweijahresrhythmen dazu berichtet, und auf Zahlen des Statistischen Bundesamtes. Der Jahres- verbrauch von Antibiotika im Humanbereich liegt nach Schätzungen bei 700 bis 800 Tonnen. Der Jahresver- brauch von Antibiotika im Nutztierbereich ist knapp doppelt so hoch. Die Zahlen belegen die Menge, doch mich interes- siert, wie sich diese Medikamentengabe je Kilogramm darstellt. Eine plausible Rechnung machte mir folgendes deutlich. 80 Millionen Menschen in Deutschland wiegen bei einem angenommenen Durchschnittsgewicht von 50 Ki- logramm zirka 4 000 Millionen Kilogramm. Berechnet man im Vergleich das Gesamtgewicht des deutschen Nutztierbestandes mittels tierart- und nutzungsformspe- zifischen Durchschnittsgewichten, kommt man auf et- was mehr als 9 850 Millionen Kilogramm. Der Nutztierbestand in Deutschland wiegt also mehr als das Doppelte des Gewichts der deutschen Bevölke- rung. Alles nur Statistik? Nein. Es wird deutlich, dass die antibiotischen Medikationsmengen von Veterinär- und Humanmedizin je Kilogramm im Vergleich beinahe übereinstimmen. Wobei bei dieser Berechnung zu erken- nen ist, dass die verbrauchten Tierantibiotikamengen 20 bis 40 Prozent geringer sind als die Jahresantibiotika- menge in der Humanmedizin. Statistische Berechnungen lassen nie absolute Schlüsse zu, aber diese deutliche Tendenz ist belegt. Tierärzte verschreiben proportional weniger Antibiotika als Humanmediziner. Dieser Trend verstärkt sich, wenn wir uns bewusst werden, dass 50 Prozent der in der Humanmedizin verschriebenen Antibiotika wirkungs- stärkere Reserveantibiotika sind. Diese wirken bereits in geringeren Mengen. Daher bedarf der Kampf gegen Antibiotikaresisten- zen immer einer einheitlichen Betrachtung von Mensch und Tier. Das verkennt dieser Antrag leider. Liebe Kolleginnen und Kollegen der Fraktion Bünd- nis 90/Die Grünen, in der Zielsetzung stimmen wir über- ein, in der Methodik liegen wir auseinander. Ich wün- sche mir eine effektive Antibiotikavergabe; dazu hat sich auch die Koalition verständigt. Wenn wir Antibiotika als einen Wirkstoff bewahren wollen, der das Leben rettet, dann müssen wir auch über Fraktionsgrenzen hinaus handeln, dann müssen wir auf Seitenhiebe verzichten und zum Wohle unserer Bürge- rinnen und Bürger ressortübergreifend beraten. Eine Debatte zulasten der Landwirte ist einfach unsachlich und führt nicht zum Ziel. Dieter Stier (CDU/CSU): Wir beraten heute den An- trag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen: „Wirksamkeit von Antibiotika erhalten – Einsatz in der Tierhaltung auf vernünftiges Maß reduzieren“. Liest man Ihren Antrag, liebe Kollegen und Kollegin- nen von den Grünen, dann erkennt man sofort: Sie ha- ben den Überblick über die Faktenlage mittlerweile vollständig verloren. Anstatt immer wieder aufs Neue die Ängste der Verbraucher vor Resistenzen zu schüren, sollten Sie sich lieber die tatsächliche Situation ansehen. Das Thema Antibiotikaresistenzen ist viel zu ernst – man darf es nicht für plakative Kampagnen missbrauchen. Gern helfe ich Ihnen, den Durchblick in der Sache zu- rückzugewinnen. Wir alle stimmen darin überein, dass es drei wissen- schaftlich fundierte Gründe für den Einsatz von Antibio- tika in der Tierproduktion gibt: Erstens. Sie dienen der Sicherstellung der Tiergesund- heit. Zweitens. Sie haben den Zweck, wirtschaftliche Schäden in unseren landwirtschaftlichen Nutztierbestän- den zu verhindern. Drittens. Sie schützen vor Zoonosen, also den von Tieren auf den Menschen übertragbaren Krankheiten. Der Einsatz von Antibiotika hat also einen vernünfti- gen Hintergrund. Größere Tierbestände auf begrenztem Raum bergen nun einmal die Gefahr in sich, dass sich Erkrankungen dort schnell verbreiten können. Antibio- tika verhindern eine solche weitere Verbreitung. Bis hier besteht Konsens. Der Blick in Ihren Antrag offenbart nun allerdings zwei entscheidende Fehler. Fehler, die Sie immer wieder machen: Sie behaupten zum einen, es gebe einen rücksichtslo- sen und vor allem ungezielten Antibiotikaeinsatz in der Tierhaltung, der nicht mehr beherrschbar wäre. Ein Ge- neralverdacht, der im Einzelnen überhaupt nicht beleg- bar ist. Und zum anderen suchen Sie immer nach einem Schuldigen, den sie öffentlich vorführen und brandmar- ken können. Diesmal sind die Tierärzte dran. Denen unterstellen Sie, sie würden aus reinem Profitinteresse einen hemmungslosen und ungezügelten Antibiotikaein- satz praktizieren. Folglich wären sie mitverantwortlich für die multiresistenten Erreger. Das ist Unsinn, und das wissen Sie genau. Wer solche Bilder malt, disqualifiziert sich als ernst- zunehmender Diskussionsteilnehmer. Mit diesen Gru- selszenarien erschrecken Sie die Menschen, verunsi- chern die Verbraucher und schaden den Tierärzten und der landwirtschaftlichen Tierhaltung. Eines wird aus Ihrem Antrag deutlich: Bei der Lösung des Problems laufen Sie in die völlig falsche Richtung. Den Antibiotikaeinsatz senken wir nicht, indem wir den Tierärzten neue Restriktionen auferlegen. Denn die Tier- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. November 2014 6313 (A) (C) (D)(B) ärzte sind unsere Partner bei der Minimierung des Anti- biotikaeinsatzes und nicht die Gegner. Lassen Sie uns die Lage nüchtern betrachten: Anzeichen für eine Resistenzproblematik sind unbe- stritten, auch wenn bis heute keine verlässlichen und wissenschaftlich fundierten Daten vorliegen, in welchem Umfang der Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung zur Resistenzproblematik in der Humanmedizin beiträgt. Weil wir aber in der Union den gesundheitlichen Ver- braucherschutz sehr ernst nehmen und ihm den höchsten Stellenwert mit einräumen, haben wir genau deshalb in der vorausgegangenen Legislaturperiode das Arzneimit- telgesetz novelliert. Auf den Punkt gebracht lautet die Zielsetzung der 16. AMG-Novelle: Der Antibiotikaeinsatz in der Tier- haltung wird reduziert. Nur das therapeutisch notwen- dige Mindestmaß ist in der Tierhaltung akzeptabel. Das ist inhaltlich die identische Zielstellung wie in Ihrem Antrag. Das bedeutet, wir machen das bereits. Nur unser Weg ist besser. Gern führe ich Ihnen noch einmal vor, wie wir zum Ergebnis kommen: Seit dem 1. April dieses Jahres gilt das neue Gesetz. Der rechtliche Rahmen für den Einsatz von Antibiotika in der Tiermedizin ist damit deutlich verschärft worden. Die gewerblichen Tierhalter werden in die Pflicht genommen und müssen sich einem Erfassungs- und Ver- gleichssystem unterwerfen. Dazu zählt die Verpflich- tung, die Häufigkeit der angewendeten Antibiotika zu melden. Es gilt, sie mit bundesweiten Kennzahlen abzu- gleichen, und es muss im Zusammenwirken mit dem Tierarzt der Antibiotikaeinsatz minimiert werden, wenn er die vorgegebenen Vergleichswerte übersteigt. Bei diesen Vorgaben haben wir es aber nicht belassen. Damit das Melde- und Kontrollsystem auch effektiv greift, haben wir zugleich das Sanktionsspektrum erwei- tert. Die Tierarzneimittelüberwachung der Länderbehör- den hat jetzt mehr Befugnisse und kann Verstöße besser ahnden: Tierhalter können zu Änderungen in Haltung, Fütterung oder Besatzdichte verpflichtet werden, es kön- nen Bußgelder bei Nichtanzeigen des Antibiotikaeinsat- zes verhängt werden, oder es kann sogar die Einstellung der Tierhaltung angeordnet werden. Ein umfassender Rechtsrahmen ist somit vorhanden. Einer weiteren Re- glementierung, insbesondere die Tierärzte betreffend, bedarf es daher nicht. Jetzt schon wieder neue Vorschriften zu fordern, wo erst vor einem halben Jahr das Änderungsgesetz in Kraft getreten ist, das ist absurd und nicht nachvollziehbar. Lassen Sie das Gesetz doch erst einmal zur Anwendung kommen. Die Ergebnisse werden uns Recht geben. Dem Hauptanliegen Ihres Antrages, „den Antibiotika- einsatz in der Tierhaltung auf ein vernünftiges Maß zu reduzieren“, sind wir von der Union heute viel näher, als Sie es jemals waren. Denn wir haben in der AMG-No- velle wesentlich geeignetere Maßnahmen festgeschrie- ben, als sie in Ihrem Antrag anzubieten haben. Sie fordern weiter, die Haltungsbedingungen von Nutztieren zu verbessern. Auch diese Forderung kann nicht die Bundesregie- rung realisieren. Sie liegt vielmehr in den Händen der Tierhalter, die überwiegend in unserem Land verantwor- tungsbewusst mit ihren Tieren umgehen und die keine Kosten und Mühen scheuen, auch aktuellste Neuerungen in ihren Ställen einzusetzen. Ich empfehle Ihnen gerade unter dem aktuellen Eindruck des Besuchs unserer AG in dieser Woche auf der Messe „EuroTier“ in Hannover: Schauen Sie sich an, was technisch alles möglich ist. Ich sage es hier abermals: Jeder Stallneubau in unserem Land schafft einen Fortschritt in den Haltungsbedingun- gen. Lassen Sie mich abschließend feststellen: Wir sind gegenwärtig gut gerüstet, den Antibiotikaeinsatz in der Tierhaltung, der bereits aufgrund der eingeleiteten Maß- nahmen gesunken ist, weiter herunterzufahren. Ich lade Sie ein, dabei konstruktiv mitzuwirken, Ihres heute vorliegenden Antrages bedarf es dazu nicht. Dr. Wilhelm Priesmeier (SPD): Für die heutige Debatte des Antrags der Grünen-Bundestagsfraktion „Wirksamkeit von Antibiotika erhalten – Einsatz in der Tierhaltung auf ein vernünftiges Maß reduzieren“ hätte ich mir zeitlich einen besseren Debattenplatz mit mehr Öffentlichkeit gewünscht. Übrigens haben wir als SPD- Fraktion schon 2011 mit einem fast gleichlautenden An- trag klar Stellung bezogen. Es scheint mir, dass die Frage der Anwendung von Antibiotika in der Tierhaltung sehr emotional diskutiert wird. Ich finde, es ist daher an der Zeit, die Diskussion zu versachlichen. Das Thema taugt nicht für eine Grund- satzdebatte, ob Tierhaltung und Veredlung in bestimm- ten Haltungsformen noch möglich sind. Bakterien, resis- tent oder nicht, lassen sich zwar schwarz, grün oder rot färben, haben aber kein politisches Bekenntnis. Sie un- terscheiden nicht nach konventionellen, ökologischen, großen oder kleinen Betrieben. Die Verordnung und die Anwendung von Antibiotika in der Tierhaltung bedürfen einer besonderen Sorgfalt, sowohl durch den Tierarzt als auch durch den Landwirt. Nur nach gründlicher Untersu- chung und Anamnese und einer gesicherten Diagnose dürfen Antibiotika verordnet werden, nur dann. Der pro- phylaktische Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung ist daher EU-weit zu verbieten. Der neue EU-Kommissar für Gesundheit und Lebens- mittelsicherheit Vytenis Andriukaitis sieht das genauso wie ich; das hat mir ein Gespräch mit dem Kommissar am Montag dieser Woche bestätigt. Der Einsatz von An- tibiotika in der Nutztierhaltung, das Management von Antibiotikaresistenzen und die Organisation eines aussa- gekräftigen Antibiotikamonitorings sind wichtige Vo- raussetzungen, um die Sicherheit tierischer Lebensmittel und das Verbrauchervertrauen in sie zu erhalten, nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa. Mit der 16. Novelle des Arzneimittelgesetzes vom Juni 2013 sind wir darum einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung gegangen. Die Meldepflicht für den 6314 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. November 2014 (A) (C) (D)(B) Antibiotikaeinsatz und die Anwendung des Therapie- indexes auf Grundlage dieser Novelle werden die einge- setzte Antibiotikamenge sicher reduzieren. Aber es gibt weitere Handlungsoptionen. Ich selbst weiß, wovon ich rede. Zum Thema Antibio- tikaeinsatz in der Tierhaltung kann ich auf eine langjäh- rige Erfahrung als praktizierender Tierarzt mit eigener Hausapotheke zurückgreifen. Ich weiß, wie es in der Praxis aussieht. Eine mengenmäßige Antibiotikareduk- tion allein wird das Problem zunehmender Resistenzen nicht lösen. Das erkennt man am Beispiel von Däne- mark. Dänemark hat bereits vor vielen Jahren eine strikte Reglementierung der Antibiotikaverordnung und -abgabe umgesetzt. Trotzdem ist der Befund von MRSA-positiven Schlachtschweinen innerhalb weniger Jahre von etwa 20 auf mehr als 80 Prozent der unter- suchten Schlachtkörper gestiegen. Ursache dafür sind mit Sicherheit auch Faktoren wie die Bedingungen des Transports zum Schlachthof, aber auch die Zerlegung und Weiterverarbeitung im Schlachtbetrieb. Eine Viel- zahl von Schlachtkörpern wird offensichtlich während der Verarbeitung kontaminiert. Mangelnde Stallhygiene, ein schlechtes Stallklima, mangelhafte Haltungsbedin- gungen und ein unzureichendes Betriebsmanagement machen unsere Tiere krank. Darum brauchen wir einen einheitlichen Rechtsrahmen für die Tierhaltung, der die Arzneimittelanwendung und die Haltungsbedingungen in unseren Ställen regelt. Wir brauchen ein Tiergesundheitsgesetz, das seinen Namen verdient. Es reicht bei weitem nicht aus, einzelne Stellschrauben wie die verordnete Antibiotikamenge zu justieren. Nur ein ganzheitlicher Ansatz, der auch Tier- wohl und Tierschutz berücksichtigt, kann zum Ziel füh- ren. Diese Forderung hat die SPD in den Koalitionsvertrag geschrieben, und wir werden es mit unserem Koalitions- partner umsetzen. Auf der EU-Ebene wird der Bereich der Zulassung von Tierarzneimitteln von der Zulassung der Humanarzneimittel getrennt werden. Auch das wer- den wir in Deutschland umsetzen müssen. Der vermehrte Einsatz von Impfstoffen ist eine weitere Option. In den letzten 20 Jahren ist nach meiner Einschätzung die Anwendung von Antibiotika bereits durch den prophylaktischen Einsatz von Impfstoffen be- grenzt worden. Das ist ein Erfolg; daran sollten wir an- knüpfen! Die Verwendung von Impfstoffen bei Be- standserkrankungen ist zwar häufig teurer als der Einsatz von Antibiotika. Es ist aber sinnvoll, wenn Impfstoffe eine Alternative darstellen, den Einsatz von Impfstoffen verpflichtend zu machen und damit den Einsatz von An- tibiotika zu verringern. Dennoch muss auch weiterhin si- chergestellt sein, dass Tiere, die ernsthaft erkrankt sind, angemessen behandelt werden können. Das gebietet al- lein schon der Tierschutzgedanke. Das Dispensierrecht der Tierärzte ermöglicht den Be- zug, das Lagern, die Abgabe und die Herstellung von apotheken- und verschreibungspflichtigen Arzneimitteln durch den Tierarzt. Es ist eine wichtige wirtschaftliche Grundlage für tierärztliche Praxen. Die Abgabe von Arz- neimitteln durch den Tierarzt ermöglicht das schnelle Reagieren auf akute Krankheitsausbrüche. Das bestätigt auch das Gutachten im Auftrag des BMEL zur Überprü- fung des tierärztlichen Dispensierrechts vom Oktober 2014. Nach meiner Einschätzung sollte das Dispensier- recht nicht infrage gestellt werden. Es vereinfacht auch die Kontrolle des Arzneimittelflusses vom Hersteller über den Tierarzt zum Tierhalter und macht diesen über- schaubar und nachvollziehbar. Die Kontrollen sind durch die entsprechenden Landesbehörden sehr effizient organisiert. Eine Schlussfolgerung aus dem Gutachten des BMEL ist, dass man sich durchaus mit der Preisgestaltung der Hersteller und der abgebenden Tierärzte beschäftigen sollte. Die Arzneimittelpreisverordnung regelt die Höchstzuschläge für den Großhandel sowie für die Tier- ärzte; diese orientieren sich in der Regel am Verkaufs- preis des pharmazeutischen Unternehmens. Im Gegen- satz zu den Apothekern, die bei der Abgabe von Tierarzneimitteln an den Preisaufschlag gebunden sind, ist der Tierarzt in seiner Preisgestaltung frei. Dadurch gibt es einen heftigen Wettbewerb zwischen vielen Be- treuungspraxen. Dabei steht häufig nicht die Leistung und das Können der jeweiligen Kollegen im Vorder- grund, sondern der Abgabepreis. Ich bin der Ansicht, es sollte keine zusätzlichen materiellen Anreize geben, die den leichtfertigen Einsatz von Tierarzneimitteln, vor al- lem von Antibiotika, befördern. Bereits 2006 haben wir das Gewähren von Natural- rabatten auf den Einkauf und Bezug von Arzneimitteln abgeschafft. Die Hersteller von Tierarzneimitteln haben darauf flexibel reagiert und einen Ausweg gefunden: Sie gewähren den Tierärzten je nach Bezugsmenge ganz un- terschiedliche Einkaufspreise. Damit wird ein Anreiz ge- schaffen, möglichst große Mengen einzukaufen. Das kann dazu führen, dass eine große tierärztliche Betreu- ungspraxis im Bereich Schweine- oder Geflügelhaltung Arzneimittel zu Preisen an den Tierhalter abgeben kann, zu denen Kollegen aus kleineren Praxen noch nicht ein- mal einkaufen können. Dieses Vorgehen der Arzneimit- telhersteller ist wettbewerbsrechtlich äußerst bedenklich. Es stellt unter Umständen die Niederlassungsfreiheit vor allem junger Tierärzte mit kleineren Tierarztpraxen in- frage. Wir finden heute Tierarztpraxen, deren Umsatz aus Arzneimittelabgabe mehr als 75 Prozent des Ge- samtumsatzes ausmacht. Schon seit langem werden diese Praxen steuerlich nicht wie Freiberufler behandelt, sondern die Arzneimittelabgabe dieser Praxen unterliegt der Gewerbesteuerpflicht. Im Vordergrund sollte nach meiner Auffassung die Honorierung tierärztlicher Leis- tung wie Untersuchungen, Diagnosen und die Beratung stehen und nicht das Durchhandeln von verordneten Arzneimitteln. Darum sollten wir ernsthaft darüber nachdenken, dass zukünftig die Arzneimittelhersteller und der Großhandel allen Beziehern von Medikamenten nach dem Prinzip der Meistbegünstigung Einkaufspreise gewähren müssen, die auch großen Praxen eingeräumt werden. Auch sollten die in § 10 der Arzneimittelpreis- verordnung vorgesehenen Zuschläge angepasst und in verbindliche Festzuschläge umgewandelt werden; dies entspräche dann den Vorgaben für Apotheken. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. November 2014 6315 (A) (C) (D)(B) Ich finde, dass der Antrag der Grünen ein ernst zu nehmender Denkanstoß ist, und ich freue mich auf die Beratung im Ausschuss. Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE): Die Anwen- dung von Antibiotika ist notwendig und ethisch geboten. Unter zwei Voraussetzungen: Eine Infektionskrankheit ist zweifelsfrei diagnostiziert, und die Wirksamkeit des Wirkstoffs gegen den Erreger ist nachgewiesen. Das gilt für Nutztierbestände ebenso wie für die Behandlung von Haus- und Heimtieren und selbstverständlich auch für die Humanmedizin. Es ist gut und überfällig, dass sich Veterinär- und Humanmedizin nun gemeinsam darum kümmern, dass der missbräuchliche und sorglose Ge- brauch von Antibiotika aufhört. Die Entdeckung des Penicillins war ein sehr wertvol- les Geschenk an die Menschheit, mit dem plötzlich die Geißel verheerender Krankheiten beherrschbar wurde. Diese Therapiemöglichkeit darf auf keinen Fall verspielt werden. Doch dieses Risiko wird tagtäglich eingegangen, wenn Antibiotika missbräuchlich oder sorglos ange- wandt werden. Zum Beispiel, wenn, statt die Ursachen von Infektionskrankheiten in Nutztierbeständen zu behe- ben, ganze Bestände häufig, regelmäßig und unsachge- mäß behandelt werden. Das damit verbundene Risiko der Resistenzbildung und damit der Unwirksamkeit der Antibiotika betrifft uns alle. Deshalb fordert die Öffent- lichkeit völlig zu Recht, dass wir als Gesetzgeber un- seren Teil der Verantwortung übernehmen und, da nö- tig, gesetzliche Regeln zum Schutz der Allgemeinheit verschärfen und, mindestens ebenso wichtig, ihre Durchsetzung auch zu sichern. Denn die seit drei Jahren veröffentlichten Antibiotikamengen und das Resistenz- monitoring in der Tierhaltung reichen ja offensichtlich nicht aus, um das Problem zu lösen. Der Heimtierbereich und die Humanmedizin müssen zwingend in die strategischen Überlegungen zu Mini- mierungskonzepten einbezogen werden. Die Linksfrak- tion fordert seit langem, die Wirkstoffe für die Human- und die Veterinärmedizin konsequent zu trennen. Auch die Resistenzentwicklung bei Desinfektionsmitteln ist ein dringendes Forschungsthema. Darüber hinaus gehört für die Linksfraktion zum Thema auch die Forderung nach gut ausgebildetem und fair entlohntem Betreuungspersonal, welches mit den Tie- ren arbeitet. Dazu soll auch ein Sachkundenachweis für Betriebspersonal ohne landwirtschaftliche Ausbildung dienen, der bei nachgewiesenen Verstößen mit Auflagen versehen werden oder in schweren Fällen bzw. bei Wie- derholung auch entzogen werden kann. Weitere Forde- rungen zu einem strategischen Ansatz für mehr Tierge- sundheit haben wir bereits 2012 mit dem Antrag „Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung reduzieren“ (Bundestagsdrucksache 17/8348) vorgelegt. Angesichts der Bedeutung dieses Themas ist es gut, dass der Ton des Antrags der Grünen heute deutlich we- niger schrill ist als in der Vergangenheit. Sie halten nun am Dispensierrecht fest und verzichten darauf, die Re- duktion absoluter Abgabenmengen zu fordern. Es ist sinnvoll, Herstellerrabatte zu reduzieren. Auch einheitliche Abgabepreise können sinnvollerweise öko- nomische Anreize zum übermäßigen Einsatz von antimi- krobiellen Wirkstoffen reduzieren. Reserveantibiotika, wie beispielsweise Fluorchinolone und Cephalosporine, sollten nur noch im absoluten Ausnahmefall eingesetzt werden dürfen. Ein Antibiogramm zur Prüfung der Wirksamkeit der jeweiligen Wirkstoffe muss zum Stan- dard werden. Alarmierend ist auch der erstmalige Nachweis von Sulfadimidin im Grundwasser im Kreis Cloppenburg, ei- nes ausschließlich als Tierarzneimittel verwendeten Wirkstoffs, der vor wenigen Tagen veröffentlicht wurde. Antibiotikaverbrauch wirksam zu reduzieren heißt zwingend, die Haltungsbedingungen der Tiere zu verbes- sern. Tiergesundheit muss in den Mittelpunkt gestellt wer- den. Dazu gehören Besatzdichten und -größen ebenso auf den Prüfstand wie Qualzuchten oder Bestandsmanage- ment. Wir brauchen verbindliche Kriterien, die sowohl den Anforderungen des Tierschutzes und vernünftigen Arbeitsbedingungen, aber auch dem Schutz der Lebens- qualität in den Dörfern und einer nachhaltigen Regional- entwicklung gerecht werden. Die Größe der Nutztierbe- stände an einem Standort, ihre Zahl in der jeweiligen Region, ist dabei nur ein, wenn auch wichtiger, Aspekt. Unsere Vorschläge zur Definition von Bestandsober- grenzen für Tierhaltungen am Standort und in Regionen liegen längst auf dem Tisch. Die Öffentlichkeit erwartet von uns zu Recht endlich Entscheidungen. Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Sie alle wissen, wir Grüne kämpfen für eine artgerechte Haltung von Tieren. Doch was sagt man dazu: Bei der Eröffnung der weltgrößten Fachmesse für Nutztierhaltung, der EuroTier in Hannover, verkündete DLG-Präsident Bartmer in dieser Woche, Tierhaltung könne gar nicht artgerecht sein. Welche Konsequenzen sind nun aus seiner Aussage zu ziehen? Doch das nur ne- benbei. Ich möchte heute mit Ihnen in erster Linie über unsere Aufforderung an Sie diskutieren, die Regelungen beim Handel mit Antibiotika für die Tierhaltung umzugestal- ten. Denn was ist die Legitimation für Mengenrabattie- rungen bei Antibiotika in der Tierhaltung? Der Einsatz dieser hochwirksamen Arzneimittel muss auf die akute Behandlung des erkrankten Einzeltiers reduziert werden. Die Gewährung von hohen Mengenrabatten und die großen Spannen bei der Preisgestaltung sind hierfür das denkbar falsche Signal und bieten zu viele ökonomische Anreize, in hohen Mengen Antibiotika billigst zu ver- scherbeln. Stellen wir uns kurz vor, ich sei ein Landtierarzt mit eigener Praxis: Ich kaufe 40 Flaschen eines Antibioti- kums mit dem Listenpreis 20 Euro und bekomme sie für 18 Euro. Dies führt zu einem Verkaufspreis von 26 Euro, der meiner Apotheke einen Rohertrag von 8 Euro ein- bringt. Mein Nachbar dagegen, ein Veterinär, der in einer 6316 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. November 2014 (A) (C) (D)(B) Großpraxis mit 10 Kolleginnen und Kollegen Geflügel- mastställe „betreut“, kauft 400 Flaschen. Der Listenpreis bleibt gleich bei 20 Euro, er bekommt sie aber für 10 Euro pro Stück. Wenn er sie für 21 Euro an den Landwirt abgibt, ist dieser natürlich begeistert über den geringen Preis, und die tierärztliche Apotheke kann einen Rohertrag von 11 Euro verbuchen. Das ist nicht vernünftig, das ist nicht zielführend, das ist Schwach- sinn. Und eine Mischung aus unternehmerischem Ehr- geiz und menschlicher Gier kann hier leicht dazu führen, dass mehr Antibiotika in den Ställen landen als notwen- dig. Ich teile die Einschätzung, die 2012 der damalige Staatssekretär Gerd Lindemann im BMELV gab: Tier- ärztinnen und Tierärzte müssen für ihre medizinische Leistung bezahlt werden, nicht für das Ausfüllen von Abgabebelegen für Antibiotika. Der aktuelle Bericht der Europäischen Arzneimit- telagentur macht es deutlich: Deutschland ist Spitzenrei- ter beim absoluten Verbrauch von Antibiotika in der Tierhaltung. Und bezogen auf den vorhandenen Tierbe- stand befinden wir uns in der Spitzengruppe mit Zypern, Ungarn, Spanien und Italien. Die Bundesregierung un- ternimmt nichts, um daran etwas zu ändern! Es wurde zwar als großer Erfolg gefeiert, dass die absoluten Abga- bemengen von 2011 auf 2013 gesunken sind. Dabei wird allerdings unter den Teppich gekehrt, dass im gleichen Zeitraum die Abgabe von Reserveantibiotika sprunghaft angestiegen ist. Bei den Cephalosporinen der dritten Ge- neration stieg die Abgabe innerhalb von zwei Jahren um 25 Prozent, bei den Fluorchinolonen sogar um 60 Pro- zent. In der Dosierung unterscheiden sich die verschie- denen Antibiotika erheblich, und gerade die kritischen Reserveantibiotika werden sehr niedrig dosiert. Es wer- den bei Tetracyclinen beispielsweise 80 mg pro kg Kör- pergewicht eingesetzt, bei Cephalosporinen dagegen nur 1 bis 2 mg pro kg Körpergewicht. Berücksichtigt man diese fachliche Ebene, ist die signifikante Erhöhung der Reserveantibiotika geradezu alarmierend und nivelliert den Rückgang der absoluten Menge. Deshalb muss die Tagesdosis endlich mit erfasst werden. Reserveantibio- tika müssen weitestgehend aus der Tierhaltung ver- schwinden. Deshalb: Verbieten Sie endlich den Einsatz von Reserveantibiotika in der Tierhaltung, mit wenigen begründeten Ausnahmen. In der letzten Woche mussten wir zur Kenntnis neh- men, dass im Landkreis Cloppenburg Sulfadimidin, ein Antibiotikum, das nur in der Tierhaltung eingesetzt wird, in Trinkwassermessstellen nachgewiesen wurde. In der Region mit der höchsten Viehdichte in ganz Europa. Und wieder: Die Bundesregierung unternimmt nichts, um daran etwas zu ändern. Ganz im Gegenteil: Der Bau- ernverbandsvorsitzende der Region behauptete steif und fest, die gefundenen Antibiotika kämen aus der Human- medizin, obwohl sie dort nachweislich nicht zugelassen sind. Ich möchte einerseits heute um Ihre Unterstützung werben, das Dispensierrecht anzupassen und zu mehr Vernunft umzugestalten. Das heißt, das Rabattierungs- system muss abgeschafft werden, weil es falsche An- reize gibt. Nicht weniger, sondern mehr Verbrauch wird hier belohnt. Aber andererseits möchte ich Sie fragen, wie wir die Tierhaltung in der Landwirtschaft handhaben wollen. Sehen wir unsere Bäuerinnen und Bauern, da beziehe ich mich mit ein, als Tierhalter, die sich verantwortungsvoll um die ihnen anvertrauten Geschöpfe kümmern, ihnen ein artgerechtes Leben ermöglichen und so wertvolle Lebensmittel erzeugen? Oder degradieren wie sie als Mäster oder Ferkelproduzenten, die so in der Tretmühle aus Ramschpreisen, Kosteneffizienz und Produktivität gefangen sind, dass sie gar keine Wahl haben, als immer mehr Tiere zu halten und ihnen eine immer unnatürli- chere Leistung abzutrotzen? Es muss Schluss sein damit, dass 70 Prozent des Schweinefleischs in Rabattschlach- ten verramscht werden. Ich sage Nein, und die Mehrheit der Konsumentinnen und Konsumenten sagt Nein. Nun bedarf es etwas Mut und Rückgrat, um gemachte Fehler einzugestehen und die Tierhaltung umzugestalten. Es wäre für alle ein Ge- winn, für die Tiere, für die Umwelt und für die Men- schen. Nehmen wir den Wunsch der Menschen endlich ernst, mit unseren Nutztieren verantwortlich umzugehen. Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zum Vorschlag für einen Beschluss des Rates über ei- nen Dreigliedrigen Sozialgipfel für Wachstum und Beschäftigung und zur Aufhebung des Be- schlusses 2003/174/EG (Tagesordnungspunkt 17) Dr. Martin Pätzold (CDU/CSU): Der Erfolg der so- zialen Marktwirtschaft in der Bundesrepublik Deutsch- land basiert im Wesentlichen auf der Sozialpartnerschaft von Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern. Gemein- sam wird verhandelt, abgestimmt und diskutiert, wie sich die wirtschaftliche Entwicklung darstellt und wie Kapital und Arbeit gerecht verteilt werden können. Dadurch ist es uns gelungen, ein beträchtliches Maß an Wohlstand für alle zu erreichen. Die soziale Marktwirtschaft ist der Ursprung, warum die Bundesrepublik Deutschland gestärkt aus der Fi- nanzkrise im Jahr 2008 gekommen ist. Und daran hatten gerade die Sozialpartner, die sich in Lohnzurückhaltung geübt haben, einen wesentlichen Anteil. Auch mit ver- nünftigen politischen Instrumenten der Bundesregierung wie beispielsweise der Kurzarbeit ist es gelungen, die negativen wirtschaftlichen Folgen abzufedern. Mit dem Dreigliedrigen Sozialgipfel verfolgt die Europäische Union seit einigen Jahren das Ziel, auf hochrangiger Ebene eine Abstimmung mit den Sozial- partnern in Europa zu gewährleisten. Zweimal jährlich werden wirtschaftliche, soziale und beschäftigungspoli- tische Fragen diskutiert. Es wird nach Lösungen gesucht, die ökonomische Schieflage in Europa zu beheben. Und gerade in diesen Zeiten, in denen sich die Jugendarbeits- losigkeit auf einem enorm hohen Niveau befindet, die wirtschaftlichen Verhältnisse sich nicht annähern, Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. November 2014 6317 (A) (C) (D)(B) sondern wieder auseinandergehen, ist ein Austausch auf dieser Ebene notwendig. Die sozialen Herausforderungen in der Europäischen Union sind enorm: Ausufernde Arbeitslosigkeit bei Jung und Alt, schwaches Wirtschaftswachstum und zu hohe Staatsverschuldungen sind drei Kernprobleme. Die Poli- tik hat die Verantwortung, alles dafür zu tun, dass keine verlorene Generation in Europa entsteht, die fern von Perspektiven ist. Deswegen ist es so bedeutend, die Jugendarbeitslosigkeit zu bekämpfen. Dazu sind Struk- turanpassungen in den betroffenen Mitgliedstaaten not- wendig. Um eine gerechtere Gesellschaft in Deutschland und in Europa zu schaffen, brauchen wir einen verlässlichen Staat, einen Staat, der auch morgen noch in der Lage ist, den Schwachen zu helfen, Schulen und Straßen zu bauen und die Sicherheit seiner Bürger zu gewährleisten. Die Aufgabe der Politik ist es, die Nachhaltigkeit der sozia- len Sicherheit zu gewährleisten. Die Generationenge- rechtigkeit erfordert aber auch, die Schulden des Staates zu begrenzen, um seine Funktionsfähigkeit zu stärken. In diesem Spannungsfeld befindet sich die Europäische Union derzeit. Deswegen ist es nicht richtig, mehr Geld auszugeben und mehr Schulden zu machen – das sind die falschen Antworten auf die heutigen Probleme. Das sehen wir in der Bundesrepublik Deutschland und in den Mitglied- staaten der Europäischen Union. Es bedarf tiefgreifender Änderungen, bei denen Sozialpartner mitwirken und so die Grundlagen für nachhaltiges wirtschaftliches Wachs- tum legen: mit dem Ziel, Arbeitslosigkeit zu bekämpfen und die Staatsverschuldung einzudämmen. Der Dreigliedrige Sozialgipfel für Wachstum und Beschäftigung soll eine engere Abstimmung zu diesen Fragen sicherstellen. Mit dem Präsidenten des Europäi- schen Rates, dem Präsidenten der Europäischen Kom- mission, Vertretern des Europäischen Rates sowie einer jeweils zehnköpfigen Delegation des Europäischen Gewerkschaftsbundes und dem Verband europäischer Unternehmen sind Akteure beteiligt, die wesentliche Verantwortung für die wirtschaftliche Entwicklung in der Europäischen Union tragen. Mit diesem Gesetzentwurf soll der Ratsbeschluss vom 6. März 2003 an die durch den Vertrag von Lissa- bon eingeführten institutionellen Änderungen angepasst und den positiven Erfahrungen mit den praktischen Modalitäten des Dreigliedrigen Sozialgipfels Rechnung getragen werden. Dabei geht es schwerpunktmäßig um die Vertretung des Europäischen Rates im Dreigliedrigen Sozialgipfel. Diese soll nach Schaffung des Amtes des Präsidenten des Europäischen Rates durch den Vertrag von Lissabon künftig durch diesen und nicht mehr durch den amtieren- den Ratsvorsitz wahrgenommen werden. Zusätzlich wird der politische Rahmen an die Strategie Europa 2020 an- gepasst, die die Strategie von Lissabon ersetzt hat. Mit diesem Gesetz wird die Bundesregierung dazu er- mächtigt, dieser Anpassung zuzustimmen. Das ist sinn- voll und begrüßenswert. Deswegen unterstützt die CDU/ CSU-Bundestagsfraktion dieses Anliegen. Gabriele Schmidt (Ühlingen) (CDU/CSU): Wir be- raten den Entwurf eines Gesetzes zum Vorschlag für ei- nen Beschluss des Rates über einen Dreigliedrigen So- zialgipfel für Wachstum und Beschäftigung und zur Aufhebung des Ratsbeschlusses vom 6. März 2003. Der Dreigliedrige Sozialgipfel dient als Austausch- plattform zwischen, wie der Name schon sagt, drei Pro- tagonisten: dem Rat, der Europäischen Kommission und den Sozialpartnern. Die Rolle der Sozialpartner und der soziale Dialog sollen gefördert werden, und das unter Wahrung der Autonomie der Sozialpartner. Der Ratsbeschluss aus dem Jahr 2003 zur Einrichtung eines Dreigliedrigen Sozialgipfels für Wachstum und Beschäftigung stützte sich auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft. Mit dem Vertrag von Lissabon ist nun eine Anpassung notwendig geworden. Mit dem vorliegenden Vorschlag der Kommission vom 31. Oktober 2013 soll der Ratsbeschluss an die durch den Vertrag von Lissabon eingeführten institutionellen Änderungen angepasst werden. Es geht also in erster Li- nie um eine institutionelle Anpassung, die bisherige Pra- xis wird mit dem Vorschlag nicht angetastet. Die Organi- sation und die Funktionsweise nationaler Systeme der Arbeitsbeziehungen bleiben unberührt. Der Präsident des Europäischen Rates, dessen Amt mit dem Vertrag von Lissabon geschaffen wurde, soll künftig die Vertretung für den Rat im Rahmen des Drei- gliedrigen Sozialgipfels übernehmen. Die alte Regelung, wonach der amtierende Ratsvorsitz die Vertretung inne- hatte, würde somit entfallen. Ein weiterer Vorschlag betrifft eine Überarbeitung, mit der der Ablösung der Lissabon-Strategie durch die Strategie Europa 2020 Rechnung getragen wird. Europa 2020 ist die Wachstumsstrategie der EU. Intelligente, nachhaltige und integrative Wirtschaft ist das, was wir uns für Europa wünschen. Die Strategie enthält ehrgei- zige Leitziele für Europa: Beschäftigung, Innovation, Bildung, Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgren- zung, Klimawandel und nachhaltige Energiewirtschaft. Durch konkrete Maßnahmen soll die Strategie in all die- sen Bereichen auf EU-Ebene und auf der Ebene der Mit- gliedstaaten untermauert werden. Diese Ziele können jedoch nicht ohne die Sozialpart- ner erreicht werden. Um die Mitverantwortung für die Umsetzung der Strategie zu fördern, müssen die Sozial- partner, bestehend aus Vertretern branchenübergreifender Arbeitnehmer und Arbeitgeberverbände, in die Durchfüh- rung der Wirtschafts- und Sozialpolitik eingebunden werden. Der Dreigliedrige Sozialgipfel erfüllt genau diese Funktion. Die gemachten Erfahrungen zeigen, dass der Gipfel einen positiven Beitrag zur Förderung des so- zialen Dialogs auf Unionsebene leistet. Ich begrüße es ausdrücklich, dass durch das vorlie- gende Gesetz die innerstaatlichen Voraussetzungen ge- schaffen werden, die dem deutschen Vertreter ermögli- chen, dem Beschlussvorschlag im Rat zuzustimmen. Mit 6318 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. November 2014 (A) (C) (D)(B) der Zustimmung im Rat schaffen wir eine neue Rechts- grundlage für die Fortführung des Forums. Die abschlie- ßende Beschlussfassung im Rat steht noch aus, da sie den Abschluss von Gesetzgebungsverfahren nicht nur in Deutschland, sondern auch in einigen anderen EU-Staa- ten erfordert. Ein gemeinsamer Änderungsantrag der CDU/CSU- und der SPD-Fraktionen zur Ermächtigungsgrundlage im SGB IX für die Versorgungsmedizin-Verordnung liegt ebenfalls zur Abstimmung vor. Um die Zweifel auszu- räumen, ob die derzeitige Ermächtigungsgrundlage für die Versorgungsmedizin-Verordnung in § 30 Absatz 16 des Bundesversorgungsgesetzes auch Regelungen ab- deckt, die sich auf die medizinische Bewertung des Gra- des der Behinderung und die medizinischen Vorausset- zungen für die Vergabe von Merkzeichen beziehen, soll eine ausdrückliche Ermächtigungsgrundlage auch im SGB IX verankert werden. Der Antrag steht zwar in kei- nem inhaltlichen Zusammenhang mit dem hier vorlie- genden Gesetz zum Vorschlag für einen Beschluss des Rates über einen Dreigliedrigen Sozialgipfel, ist aber dem Umstand geschuldet, die Anwendung der Versor- gungsmedizin-Verordnung nicht zu verzögern. Daher sollte auch diesem Antrag unsere Zustimmung erteilt werden. Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (SPD): Am 23. Okto- ber dieses Jahres tagte der Dreigliedrige EU-Sozialgipfel in Brüssel. Der Präsident der EU-Kommission, José Manuel Barroso, sowie Vertreter der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände betonten gleichermaßen die Not- wendigkeit, das Vertrauen der Menschen in die Europäi- sche Union wiederherzustellen und die soziale Dimen- sion Europas zu stärken. Fakt ist aber, dass diese Forderung leider im klaren Widerspruch zur aktuellen Krisenbewältigungsstrategie der EU steht. Die Spar- und Austeritätspolitik war und ist kein Zukunftskonzept, weder ökonomisch, fiskalisch, sozial noch politisch. Ganz im Gegenteil: Sie hat die Problemlagen in den Krisenländern zum Teil zusätzlich noch verschärft. Die Lösungsstrategie der EU zur Überwindung der Krise umfasst vor allem Sparpakete und Strukturrefor- men, die durch Sozialabbau, Eingriffe in die Tarifauto- nomie und die Kürzung von Löhnen und Renten dazu geführt haben, dass sich die soziale Schieflage in Europa verschärft hat. Insbesondere die unteren Einkommens- schichten leiden massiv unter Ausgabenkürzungen im Gesundheitsbereich und einer mangelnden sozialen Ab- sicherung. Die aktuelle Situation in den Mitgliedstaaten erfor- dert, dass wir Europa gerechter, demokratischer und sozialer gestalten. Die Europäische Union ist mehr als eine „Fiskalunion“. Aus diesem Grund müssen die Grundwerte der europäischen Idee, wie die Solidarität unter den Mitgliedstaaten wieder in gelebtes politisches Handeln münden. Bereits in unserem Wahlkampfprogramm für die Europawahl 2014 haben wir gefordert, dass wirtschaftli- che Ungleichgewichte im Euroraum bekämpft werden müssen. Auf der einen Seite brauchen wir Konjunkturanreize und Zukunftsinvestitionen für eine Wachstumsperspek- tive. Damit haben wir in Deutschland gute Erfahrungen gemacht und sind am besten von allen Mitgliedstaaten durch die Krise gekommen. Auf der anderen Seite ge- hört zu einer sozial gerechten Investitionspolitik nach meiner Ansicht, die Wettbewerbs- und Innovationsfähig- keit in den Mitgliedstaaten mit sozial- und beschäfti- gungspolitischen Maßnahmen zu verbinden. Wirtschaftliche Prosperität und soziale Teilhabe gehö- ren zusammen. Wer sie gegeneinander ausspielt, gefähr- det den europäischen Einigungsprozess und sorgt schlussendlich dafür, dass sich immer mehr Menschen von Europa abwenden. Die Menschen müssen spürbar erleben, dass es für sie einen Mehrwert gibt. Wir wollen den Schutz von sozia- len Rechten, nicht deren Abbau. Wir wollen den Schutz der Spareinlagen, nicht den Schutz der Banken, und wir wollen mehr Demokratie, nicht mehr Bürokratie. Perspektivisch müssen wir die soziale Dimension der Wirtschafts- und Währungsunion stärken. Dazu gehört auch die Vereinbarung gemeinsamer europäischer Ziele für nationale Sozialausgaben. Diese Debatte gibt mir Gelegenheit, einmal herauszu- stellen, dass wir in der EU aber auch schon viel erreicht haben. Die Strukturpolitik der EU hat dazu geführt, dass die wirtschaftlichen Ungleichgewichte im Euro-Raum abgenommen haben. Der europäische Sozialfonds, ESF, beispielsweise investiert in der Förderperiode von 2014 bis 2020 über 80 Milliarden Euro in Beschäftigungs- und Bildungsmaßnahmen. Hinzu kommen mindestens 3,2 Milliarden Euro für die Jugendbeschäftigungshilfe. Aufgrund der aktuellen Situation in Griechenland oder Spanien, wo jeder zweite Jugendliche zwischen 15 und 24 Jahren nach einer Ausbildung oder einer Festanstel- lung sucht, muss die Bekämpfung der Jugendarbeits- losigkeit im Zentrum einer gemeinsamen Sozialpolitik stehen. Diese jungen Menschen sind darauf angewiesen, dass wir die Rahmenbedingungen schaffen, um ihnen die Chance auf Bildung, eine qualifizierte Ausbildung und gute Jobs zu ermöglichen. Unter anderem hängt die Zukunft der Europäischen Union auch davon ab, dass wir diese jungen Menschen nicht im Stich lassen. Wie sollten sie an einem europäi- schen Haus weiterbauen, wenn sie auf dem Weg zum Er- wachsenwerden chancenlos bleiben? Aus diesem Grund unterstützt die SPD-Fraktion die Anstrengungen der EU- Kommission, junge Menschen in qualitativ hochwertige Arbeit zu bringen, uneingeschränkt. Was wir brauchen, ist eine europäische Jugendgarantie, die vorsieht, dass jeder arbeitslose Jugendliche unter 25 Jahren binnen vier Monaten ein qualitativ hochwertiges Angebot für einen Job, eine Ausbildung oder ein Praktikum bekommt. Der Beschluss der EU, die finanzielle Ausstattung der Be- schäftigungsinitiative für Jugendliche auf die Jahre 2014 und 2015 vorzuziehen, ist deshalb durchweg zu begrü- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. November 2014 6319 (A) (C) (D)(B) ßen. Wir dürfen die Sozialpolitik nicht als reinen Kos- tenfaktor sehen, sondern als die zentrale Voraussetzung zur Überwindung der Krise. Selbstverständlich stimmen wir dem vorliegenden Gesetzentwurf zu, der lediglich eine institutionelle Anpassung vorsieht, und wünschen uns, dass die Er- folgsgeschichte der Europäischen Union durch eine so- zial gerechtere Politik fortgeschrieben werden kann. Eu- ropa braucht neue Ideen und Impulse, um die Ideale der Freiheit, des Wohlstands und der sozialen Gerechtigkeit für alle Menschen in der EU zu verwirklichen. Alexander Ulrich (DIE LINKE): Jeder vierte Euro- päer ist heute von Armut betroffen. In einigen ost- und südeuropäischen Ländern sind es deutlich über 30 Pro- zent, teilweise über 40 Prozent. Vor allem in den letzten Jahren hat die Armut rasant zugenommen. Dabei sollte mit der Europa-2020-Strategie das Gegenteil erreicht werden. Diese Strategie ist gescheitert. Beispiel Griechenland: Dort ist die Armutsquote zwi- schen 2009 und 2013 von 27,6 auf 35,7 Prozent gestie- gen. Und selbst dieser deutliche Anstieg bildet das Drama nur teilweise ab. Definiert wird Armut nämlich als ein Einkommen, dass niedriger ist als 60 Prozent des Durchschnittseinkommens der jeweiligen Gesellschaft. Da aber die Einkommen insgesamt stark gesunken sind, sind auch das Durchschnittseinkommen und damit die Armutsgrenze immer weiter gesunken. So galt 2009 in Griechenland noch als arm, wer weniger als 7 521 Euro im Jahr bekam. Heute liegt die Grenze nur noch bei 5 452 Euro. Ähnlich ist die Lage in den anderen südeuropäischen Ländern auch. In Osteuropa sieht es teilweise noch schlimmer aus – und zwar nicht erst seit der Krise. Aber Armut ist bei weitem nicht ausschließlich ein südosteuropäisches Problem. Auch in Deutschland liegt die Armutsquote heute bei über 20 Prozent. 8,6 Prozent der Erwerbstätigen arbeiten hierzulande zu Löhnen un- terhalb der Armutsgrenze. Unter den Arbeitslosen sind dank Hartz IV und Agenda 2010 sogar fast 70 Prozent betroffen – deutlich mehr als in jedem anderen EU-Mit- gliedstaat. Dabei sind das Schlimmste gar nicht einmal die nack- ten Zahlen. Es sind nämlich nicht nur immer mehr Men- schen von Armut betroffen, die Armut ist auch härter ge- worden. Immer häufiger geht sie mit dauerhafter sozialer Ausgrenzung, mit Obdachlosigkeit oder Krankheiten einher, die heute nur noch bei jenen behandelt werden, die es sich leisten können. Wo wir also auch hinschauen, wenn es um Armut geht, haben wir in Europa dringenden Gesprächsbedarf. Insofern ist der Sozialgipfel eine begrüßenswerte Initia- tive. Aber wir haben nicht nur Gesprächsbedarf, wir ha- ben vor allem Handlungsbedarf. Hier wird uns der Gip- fel nicht weiterhelfen. Dieser Gipfel ist Ausdruck eines grundlegenden Pro- blems, das sich durch die gesamte Geschichte der EU- Integration zieht. Während es im Bereich der Wirtschafts- und Fiskalpolitik immer weitere Kompetenzübertragun- gen auf die EU-Ebene gab, blieb es im Bereich der So- zialpolitik bei unverbindlichen Lippenbekenntnissen. So ist ein riesiges Ungleichgewicht entstanden. Ökonomische Interessen werden sozialen Interessen systematisch über- geordnet. Dieses Ungleichgewicht können wir heute ganz prak- tisch beobachten: Während Gesundheitssysteme kolla- bieren, Familien ihre Kinder nicht mehr ernähren kön- nen und eine ganze Generation junger Südeuropäer ins Exil getrieben wird, haben EU und EU-Mitgliedstaaten 1 700 Milliarden Euro zur Rettung maroder Banken mo- bilisiert und die Steuern auf Vermögen und Profite sogar noch weiter gesenkt. Da hilft uns auch kein Sozialgipfel weiter, der nur zu neuen Lippenbekenntnissen führt. Wir müssen handeln! Wir müssen das Europäische Haus vom Kopf auf die Füße stellen. Solange der Steuerwettbewerb und die Steuerflucht nicht gestoppt werden, solange Maastricht- Regeln und Fiskalpakt permanent Druck auf die staatli- chen Ausgaben legen, solange Pleitebanken mit Steuergel- dern gerettet werden und solange es keine verbindlichen sozialen Rechte und keine ernsthafte demokratische Kontrolle auf EU-Ebene gibt, so lange werden wir nicht in der Lage sein, die schwerwiegenden sozialen Pro- bleme in den Griff zu bekommen. Wenn wir die Grund- fehler der EU-Integration nicht schnell und entschieden beheben, dann wird uns das ganze Projekt bald um die Ohren fliegen. Was glauben Sie, warum der immense Vertrauensvor- schuss, den die Europäische Integration einmal hatte, fast vollkommen verpufft ist, warum es in kaum einem Mitgliedstaat mehr eine Mehrheit für diese Art der Inte- gration gibt? Weil immer mehr Menschen mit Europa eine Verschlechterung ihrer Lebensverhältnisse, Armut und Ausgrenzung verbinden. Europa muss sozial und demokratisch sein! Ein Europa der Banken und Konzerne wird scheitern! Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN): Wir behandeln heute ein Zustimmungs- gesetz, welches nötig ist, damit der deutsche Vertreter im Rat einem Beschlussvorschlag im Rat zustimmen kann. Bei diesem Beschlussvorschlag geht es um eine Anpas- sung des Dreigliedrigen Sozialgipfels an die durch den Vertrag von Lissabon veränderten institutionellen Gege- benheiten. Daran ist selbstverständlich nichts auszuset- zen, auch wenn die Frage erlaubt sein muss, weshalb diese Anpassung erst über zehn Jahre nach dem Vertrag von Lissabon nun final erfolgen kann. Nichtsdestotrotz möchte ich diese Gelegenheit zum Anlass nehmen, die Bedeutung der Sozialpartnerschaft gerade auch für die Beratungen auf europäischer Ebene zu unterstreichen. Wir machen in Deutschland schon lange sehr gute Erfahrungen damit, dass die Sozialpart- ner eine Vielzahl von Angelegenheiten selbst regeln und in anderen wichtige Ansprechpartner für die Politik sind. Auch die internationale Arbeitsorganisation kennt schon lange das Prinzip der guten Zusammenarbeit zwischen 6320 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. November 2014 (A) (C) (D)(B) Politik, Arbeitnehmer- und Arbeitgeberverbänden. Diese Zusammenarbeit hat auch auf der europäischen Ebene bereits eine lange Tradition. Seit 1957 tagt als beratendes Organ regelmäßig der Europäische Wirtschafts- und So- zialausschuss, ab 1970 gab es den Ständigen Ausschuss für Beschäftigungsfragen der Europäischen Gemein- schaft, welcher – basierend auf einem Vorschlag der So- zialpartner – nach der Jahrtausendwende in seine heutige Form, den Dreigliedrigen Sozialgipfel, umgebaut wurde. Dort treffen sich nun mindestens einmal jährlich Ver- treter der Sozialpartner, der Kommission und des Rates. Einer der Gründe für diesen Umbau war die Wahrneh- mung bei einigen Teilnehmern, dass das frühere Format „etwas erlahmt sei“ mit der Zeit. So weit die Geschichte und Theorie. Aber wie sieht es denn nun in der Praxis aus, was kann eine solche Veranstaltung bewirken? Nach eigener Darstellung soll der Dreigliedrige Sozialgipfel „einen Beitrag zur Effizienz des sozialen Dialogs für die Ausar- beitung und Durchführung der Wirtschafts- und Sozial- politik der Europäischen Union“ leisten: ein durchaus spannendes und ambitioniertes Unterfangen – gerade in Krisenzeiten, wie den letzten Jahren –, möchte man mei- nen. Kann man also nach zehn Jahren davon sprechen, dass der Umbau geglückt ist? Offen gestanden habe ich meine Schwierigkeiten, auf diese Fragen eine Antwort zu finden: Wenn wir für einen Moment auf die zum Teil fatalen sozialen Folgen der Krise schauen, kann ich mir schwerlich vorstellen, dass es hier einen sozialen Dialog gegeben hat oder dass So- zialpartner signifikant eingebunden waren. Im Gegen- teil, das Ergebnis ihrer Verhandlungen wurde stellen- weise schlicht aufgehoben durch die Krisenpolitik. Auch muss ich zu meinem großen Bedauern feststel- len, dass von diesem Sozialgipfel selten etwas in den Medien zu vernehmen ist. Das erweckt zumindest nicht den Anschein, dass es um die Einbindung der Sozialpart- ner ums Beste bestellt ist. Sehr geehrte Frau Nahles, sicher stimmen Sie mit mir darin überein, dass gerade eine effektive Einbindung der Sozialpartner dringend vonnöten ist, wenn mit der Ver- tiefung der sozialen Dimension in der Wirtschafts- und Währungsunion ernst gemacht werden soll. Allerdings möchte ich, ohne das zuletzt Gesagte schmälern zu wol- len, auch darauf hinweisen, dass es eine Reihe wichtiger, weiterer Akteure in der Zivilgesellschaft gibt – darunter zuvörderst die Wohlfahrtsverbände –, welche auch in entsprechenden Fragen der Sozialpolitik einbezogen werden sollten. Dies ist bekanntermaßen auch gute Übung hierzulande. Daher möchte ich an Sie, Frau Bundesministerin ap- pellieren: Setzen Sie sich sowohl in Deutschland als auch in der EU für einen funktionierenden sozialen Dia- log ein, einen sozialen Dialog, der diesen Namen ver- dient und den entsprechenden Akteuren auch hinreichen- den Mitwirkungsmöglichkeiten einräumt. Und wenn es dafür einer Revision des Sozialgipfels bedarf – die So- zialpartner werden dann sicher selbst Vorschläge unter- breiten –, bitte ich Sie um eine aktive Rolle. In jedem Fall bitte ich Sie, sich dafür einzusetzen, dass der Sozial- gipfel im Rahmen des Europäischen Semesters eine deutlichere und auch gewichtigere Rolle bekommt – ja, und damit eine Rolle, die auch öffentlich wahrgenom- men wird. Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechtsstellung von asylsu- chenden und geduldeten Ausländern (Tagesord- nungspunkt 18) Andrea Lindholz (CDU/CSU): Wir erleben derzeit die größte Flüchtlingskatastrophe seit Ende des Zweiten Weltkrieges. Die Vereinten Nationen schätzen, dass weltweit 50 Millionen Menschen auf der Flucht sind. Rund 17 Millionen gelten als Flüchtlinge im völker- rechtlichen Sinne. Das entspricht in etwa der Bevölke- rung von Nordrhein-Westfalen. Europa ist ein Hauptziel für Flüchtlinge, die nicht nur ihr Land, sondern auch ihre Heimatregion verlassen. Der europäische Kontinent verspricht ihnen Sicherheit, Hilfsbereitschaft, Freiheit und Wohlstand. Die traurige Wahrheit aber ist, dass die meisten EU- Staaten für Flüchtlinge kaum mehr als Transitländer sind. Der massive Flüchtlingsdruck konzentriert sich auf wenige Länder innerhalb Europas. Jeder zweite Asyl- antrag in Europa wird heute in Deutschland oder Schwe- den gestellt. Deutschland erbringt seit Jahren eine einzigartige Leistung beim Flüchtlingsschutz, einerseits mit massiver Hilfe vor Ort in den Krisenregionen wie rund um Syrien, andererseits durch die großzügige Aufnahme und Inte- gration von Flüchtlingen. Der UN-Flüchtlingskommis- sar Guterres lobte Deutschland ausdrücklich als Vorbild für Europa. Bereits 2013 waren die Asylbewerberzahlen hierzu- lande um 70 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gestie- gen. In diesem Jahr sind sie erneut um über 55 Prozent gestiegen. Allein im vergangenen Oktober hat das Bun- desamt für Migration und Flüchtlinge mehr Asylanträge verzeichnet als im gesamten ersten Quartal 2013. Die Zeitung Die Welt titelte daher kürzlich: „Deutschland ist das Flüchtlingsheim Europas“. Greifbar werden diese Zahlen, wenn man in unsere Kommunen geht, die den Zustrom an Flüchtlingen mit großartigem Einsatz und unglaublicher Hilfsbereitschaft bewältigen. Die Leistungen auf der kommunalen Ebene können nicht hoch genug bewertet werden. Allein in meinem Wahlkreis in der Region Aschaffen- burg kommen jede Woche bis zu 30 neue Asylbewerber an und werden versorgt. Insgesamt beherbergt Bayern derzeit rund 49 600 leistungsberechtigte Flüchtlinge. Damit bietet Bayern mehr Flüchtlingen Schutz als Ita- lien, Spanien und Griechenland zusammen im laufenden Jahr neue Asylanträge angenommen haben. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. November 2014 6321 (A) (C) (D)(B) Flüchtlinge erhalten bei uns nicht nur Essen, Klei- dung, Unterkunft und eine gute Gesundheitsversor- gung. Ihre Kinder werden zudem beschult und Erwach- sene in Integrations- und Sprachkursen auf ein Leben in Deutschland vorbereitet. Zahllose Helfer in Deutschland kümmern sich um die Flüchtlinge. Für diesen Einsatz sind wir überaus dankbar. In diesem Jahr werden insgesamt über 200 000 Asyl- anträge in Deutschland erwartet. In rund 30 Prozent aller Fälle wird Schutz gewährt. Ein Rückgang der Flücht- lingszahlen und der Gesamtschutzquote ist nicht zu er- warten. Die desaströse Lage in Syrien, Afghanistan oder Eritrea wird sich auf absehbare Zeit wohl kaum verbes- sern. Die Ebolakrise in Westafrika oder der Konflikt in der Ostukraine können hingegen zusätzliche Flüchtlings- ströme verursachen. Angesichts dieses massiven Flüchtlingsdrucks ist es elementar wichtig, dass wir unsere begrenzten Mittel ef- fektiv einsetzen. Wir müssen unsere Hilfe auf diejenigen konzentrieren, die tatsächlich asylberechtigt sind, weil sie in ihrer Heimat verfolgt werden. Flucht vor Armut ist zwar verständlich, sie ist aber keine Begründung für Flüchtlingsschutz. Das deutsche Asylsystem dient dem Schutz vor Verfolgung und nicht der Entwicklungshilfe. Um die steigende Zahl der sogenannten Wirtschafts- flüchtlinge einzudämmen, hatten wir bereits im Juli beschlossen, Serbien, Bosnien-Herzegowina und Maze- donien zu sicheren Herkunftsstaaten zu erklären. Aus diesen Ländern stammen rund 17 Prozent aller Asyl- anträge in Deutschland, obwohl die Schutzquote für diese Länder seit Jahren quasi bei 0 Prozent liegt. Solche aussichtlosen Asylanträge können nun schneller abge- schlossen werden. Dieses Gesetz war wichtig, weil es zur Entlastung des deutschen Asylsystems beiträgt. Damit es in Kraft treten konnte, war ein Kompromiss im Bundesrat notwendig. Das Ergebnis dieses Kompromisses ist der vorliegende Gesetzentwurf zur Verbesserung der Rechtsstellung von Asylsuchenden und Geduldeten in Deutschland. Im Wesentlichen sieht der Gesetzentwurf drei Verbes- serungen vor. Erstens soll die Residenzpflicht nach drei Monaten gelockert werden. Die ausgeweitete Bewe- gungsfreiheit kann die Integration und die Arbeitsplatz- suche fördern. Zweitens wird das Sachleistungsprinzip auf Aufnahmeeinrichtungen beschränkt. Sachleistungen bleiben aber möglich, um Versorgungsengpässe zu über- brücken. Drittens wird die Vorrangprüfung für Asylbe- werber oder Geduldete aufgehoben, wenn sie sich seit 15 Monaten ununterbrochen erlaubt, geduldet oder mit einer Aufenthaltsgestattung in Deutschland aufhalten. Diese Regelung wird gemäß der Protokollerklärung des Bundesrates auf drei Jahre befristet und verfällt, sofern sie nicht erneut beschlossen wird. Sollte sich die Ar- beitsmarktsituation in Deutschland eintrüben, kann die bisher geltende Vorrangprüfung also wieder aufleben. Ebenso müssen wir auch die Auswirkungen der anderen beiden Verbesserungen genau beobachten und evaluie- ren. Zweifellos ist es richtig, dass wir die Integration in unsere Gesellschaft und in unseren Arbeitsmarkt erleich- tern. Das Ziel muss sein, schutzbedürftige Flüchtlinge möglichst schnell zu integrieren und auf die eigenen Fü- ßen zu stellen. Gleichzeitig müssen wir aber darauf achten, dass die Verbesserungen auf diejenigen beschränkt bleiben, die tatsächlich asylberechtigt sind. Das erreichen wir nur, wenn aussichtslose Asylanträge zügig abgeschlossen und die Rückführung konsequent durchgeführt wird. Dazu müssen wir die Dauer der Asylverfahren auf drei Monate reduzieren, so wie es im Koalitionsvertrag vereinbart wurde. Das ist genau der Zeitraum, in dem die Residenzpflicht auch weiterhin Bestand haben soll. Um die Asylverfahren entsprechend zu beschleuni- gen, hat die Koalition bereits 650 neue Stellen für das zuständige Bundesamt für Migration und Flüchtlinge be- willigt. Zusätzlich müssen wir das Asylverfahrensrecht vereinfachen und bestehende Vollzugshemmnisse bei der Aufenthaltsbeendigung reduzieren. Nur so können wir ein ausgewogenes Asylsystem in Deutschland schaf- fen, das den wirklich Schutzbedürftigen die beste Hilfe bietet. Entscheidend bleibt aber die Implementierung und Weiterentwicklung des europäischen Asylsystems. So- lange nur wenige Mitgliedstaaten der EU den Asylschutz so ernst nehmen wie Deutschland, wird es bei der un- gleichen Verteilung der Lasten bleiben. Das stellt ein er- hebliches Risiko für die Akzeptanz unseres Asylsystems in der Bevölkerung dar. Diese Gefahr darf niemand un- terschätzen, dem ein funktionierender Asylschutz wirk- lich am Herzen liegt. Rüdiger Veit (SPD): Vor rund einem Jahr befanden wir uns in den Koalitionsverhandlungen. Im Bereich Ausländer- und Asylrecht war ich an den Verhandlungen für die SPD-Fraktion beteiligt. Viele Punkte, die wir gerne für die SPD-Fraktion in den Koalitionsvertrag mit hineinverhandelt hätten, wurden damals so strikt nicht von dem Koalitionspartner gewollt und kamen somit auch nicht in den Koalitionsvertrag. Umso mehr freut es uns heute, dass sich einige der Verbesserungen für Asyl- bewerber und Geduldete, die wir damals schon gewollt haben, nunmehr in dem vorliegenden Gesetzentwurf wiederfinden. Dabei fing diese Erfolgsgeschichte zunächst mit dem Gesetz zur Einstufung weiterer Staaten als sichere Herkunftsstaaten und zur Erleichterung des Arbeits- marktzuganges für Asylbewerber und Geduldete an. Mit Bauchschmerzen haben wir diesem Gesetz zugestimmt, in erster Linie und vor allem deshalb, weil wir die in dem Gesetz enthaltenen Erleichterungen für die Arbeits- aufnahme von Asylbewerbern und Geduldeten für notwendig erachten. Es ist an dieser Stelle schon häufig gesagt worden, aber weil es gut und richtig ist, sage ich es noch einmal: Nunmehr wird die Frist, die ein Asyl- bewerber oder Geduldeter warten muss, bis er eine Ar- beit aufnehmen kann, auf drei Monate verkürzt werden. Bislang mussten Asylbewerber neun und Geduldete 6322 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. November 2014 (A) (C) (D)(B) zwölf Monate warten, bis sie in Deutschland arbeiten konnten. Diese Menschen haben nunmehr die Chance, selbst für ihren Unterhalt zu sorgen und ein selbstbe- stimmtes Leben zu führen. Auch die Mehrheit des Bundesrates hatte große Be- denken bezüglich der Aufnahme weiterer Staaten in den Katalog der sicheren Herkunftsstaaten. Die notwendige Zustimmung konnte nur erfolgen, nachdem die Bundes- regierung ganz in unserem Sinne weitere lebensnahe Verbesserungen für Asylbewerber und Geduldete zuge- sagt hatte, die jetzt in das vorliegende Rechtsstellungs- verbesserungsgesetz Eingang gefunden haben. So hatten wir bereits in unserem Regierungspro- gramm zur Bundestagswahl 2013 unseren Willen bekun- det, die sogenannte Residenzpflicht gänzlich abschaffen zu wollen. Leider konnten wir diese Position so nicht in den Koalitionsvertrag hineinverhandeln, sondern nur in einer abgeschwächten Form. Umso besser ist es, dass die Residenzpflicht nun doch abgeschafft wird nach einem dreimonatigen geduldeten, gestatteten oder erlaubten Voraufenthalt. Vollständigkeitshalber sei angemerkt, dass ich mir die Abschaffung der Residenzpflicht vom ersten Tag an hätte vorstellen können. Ich habe immer gesagt – und als ehemaliger Landrat weiß ich auch, wovon ich spreche –, dass es nicht nur für die Betroffenen von großem Vorteil ist, wenn sie statt Sachleistungen Geldleistungen erhalten, sondern auch die Kommunen darüber hinaus davon profitieren. Dies entspricht unserer Beschlusslage in der letzten Legislatur – Drucksache 17/11674: „Menschenwürdige Lebens- bedingungen für Asylbewerberinnen und Asylbewerber sowie Geduldete sicherstellen – Asylbewerberleistungs- gesetz reformieren“. Im Rechtsstellungsverbesserungs- gesetz wird nun dementsprechend das bislang geltende Prinzip des Vorrangs von Sachleistungen vor Geldleis- tungen umgekehrt: Mit Inkrafttreten des Gesetzes sind Geldleistungen gegenüber Sachleistungen grundsätzlich vorrangig. Problematisch ist allerdings die Möglichkeit einer Rückausnahme von diesem neuen Grundsatz, nachdem anstelle der Geldleistungen, „soweit es nach den Umständen erforderlich ist“, wieder Sachleistungen er- bracht werden können. Die Formulierung „nach den Umständen erforderlich“ ist beliebig weit ausdehnbar. Hier bedarf es meiner Ansicht nach einer Konkretisie- rung. Nicht im Rechtsstellungsverbesserungsgesetz, son- dern in einer am Montag dieser Woche durchs Kabinett gegangenen Verordnung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales wurden – entsprechend der Verein- barung des Bundesrates mit der Bundesregierung vom 19. September 2014 und auch in Fortführung unseres Bestrebens, für weitere Erleichterungen bei der Arbeits- aufnahme für Geduldete und Asylbewerber zu sorgen –, neue Verbesserungen erreicht: Nunmehr ist geregelt, dass für Geduldete und Asylbewerber nach 15 Monaten Voraufenthalt in Deutschland die Vorrangprüfung ent- fällt. Die im Rechtsstellungsverbesserungsgesetz enthalte- nen guten Regelungen sind ein Erfolg, der nicht nur die Handschrift der fordernden grünmitregierten Länder trägt, sondern setzt vor allem um, was wir Sozialdemo- kratinnen und Sozialdemokraten seit langem an Verbes- serungen im Flüchtlingsbereich gefordert haben. Es verdient unserer aller Zustimmung. Ulla Jelpke (DIE LINKE): Die Bundesregierung legt hier heute einen Gesetzentwurf vor, mit dem der so ge- nannte „Asylkompromiss“ des Bundesrates umgesetzt werden soll. Im September hatte das Land Baden-Würt- temberg im Bundesrat der Einstufung von Bosnien-Her- zegowina, Mazedonien und Serbien als „sichere Her- kunftsstaaten“ gegen alle Kritik auch aus den Reihen der Grünen zugestimmt. Im Gegenzug hat sich die Bundes- regierung verpflichtet, einen Gesetzentwurf vorzulegen, mit dem die Rechtsstellung Asylsuchender und Gedulde- ter verbessert werden soll. Im Kern geht es um eine Lo- ckerung der Residenzpflicht und die Ablösung des Sach- leistungsprinzips im Asylbewerberleistungsgesetz durch den Vorrang von Geldleistungen für einen Teil der Leis- tungsberechtigten. Der ebenfalls versprochene Wegfall der Vorrangprüfung beim Zugang zu Beschäftigung nach den ersten 15 Monaten des Aufenthalts in Deutschland ist mittlerweile per Verordnung umgesetzt worden, eine Neuregelung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen zur Entlastung der Länder insbesondere bei der Gesund- heitsversorgung von Asylsuchenden und Geduldeten steht hingegen noch aus. Vorliegend werden also die Residenzpflicht und das Asylbewerberleistungsgesetz neu geregelt. Die Residenzpflicht für Asylsuchende und Geduldete soll nach dem Entwurf nach dreimonatigem Aufenthalt erlöschen. Für die Zeit der Unterbringung in einer Erst- aufnahmeeinrichtung im Asylverfahren gilt somit weiter die Residenzpflicht. Die Betroffenen können den Bezirk ihrer Ausländerbehörde nur mit einer Erlaubnis verlas- sen. Diese Erlaubnis soll auch weiterhin nur in sehr en- gen Grenzen erteilt werden, um beispielsweise Termine bei Behörden oder Gerichten wahrnehmen zu können. Asylsuchenden bleibt weiter verwehrt, Verwandte oder Freunde zu besuchen oder einfach das Land kennenzu- lernen, in dem sie zukünftig leben werden. Und auch nach den ersten drei Monaten kann die Ausländerbehörde weiter Aufenthaltsbeschränkungen verfügen. Dazu reicht jedwede rechtskräftige Verurtei- lung aufgrund einer Straftat, also auch bei Bagatelldelik- ten wie Ladendiebstahl oder Schwarzfahren. Diese Ein- schränkung gilt ohne jede zeitliche Befristung; gerade langjährig Geduldete bleiben so dauerhaft belastet, wenn sie zu Beginn ihrer Zeit in der Bundesrepublik einfache Straftaten begangen haben. Das ist vollkommen unver- hältnismäßig. Gleiches gilt für die zweite Ausnahmere- gelung: Wird Asylsuchenden oder Geduldeten ein Ver- stoß gegen das Betäubungsmittelgesetz zur Last gelegt, reicht schon der einfache Verdacht, um wieder die Resi- denzpflicht zu verhängen. Ebenfalls soll die Residenz- pflicht verhängt werden, wenn „aufenthaltsbeendende Maßnahmen konkret bevorstehen“. Diese Formulierung Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. November 2014 6323 (A) (C) (D)(B) ist dehnbar; darunter kann schon der Versuch der Aus- länderbehörde fallen, einen Pass zu besorgen. Auch diese Regelung ist unverhältnismäßig und lässt Spielraum für willkürliches Behördenhandeln. Außerdem stellt sich die Frage, was diese Regelung in Bezug auf Asylsuchende soll – sie haben eine Aufenthaltsgestattung und sind im Gegensatz zu den Geduldeten nicht ausreisepflichtig. Bei ihnen können also aufenthaltsbeendende Maßnah- men ohnehin erst ergriffen werden, wenn ihr Asylantrag rechtskräftig abgelehnt wurde. Solange Betroffene Sozialleistungen beziehen, gelten für sie Wohnsitzauflagen, sie können also nicht selbst wählen, wo sie in Deutschland leben wollen. Mit der Neuregelung soll ihnen sogar eine bestimmte Wohnung zugewiesen werden können; das geht über das geltende Recht noch hinaus. Der Ministerpräsident von Schles- wig-Holstein, Torsten Albig, hat in seiner Rede vor dem Bundesrat zu Recht kritisiert, dass durch die Wohnsitz- auflage faktisch die Residenzpflicht erhalten bleibt – ein Wohnsitzwechsel ist ausgeschlossen, und bei den gerin- gen finanziellen Mitteln, die Beziehern von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zur Verfügung stehen, ist es mit ihrer Bewegungsfreiheit dann auch nicht weit her. Wer den Wohnort eigenmächtig wechselt, soll keine Sozialleistungen mehr erhalten. Wie das mit der grundgesetzlich gebotenen menschenwürdigen Exis- tenzsicherung vereinbar sein soll, geht aus dem Gesetz- entwurf nicht hervor. Der Vorrang des Sachleistungsprinzips nach dem Asylbewerberleistungsgesetz wird künftig auf die Unter- bringung in Erstaufnahmeeinrichtungen beschränkt. Bei der Unterbringung außerhalb der Erstaufnahmeeinrich- tungen gilt spiegelbildlich der Vorrang der Geldleistung. Auch das ist nur ein Fortschritt mit angezogener Hand- bremse. Zudem enthält der Gesetzentwurf auch eine Öff- nungsklausel, die es Ländern wie Bayern ermöglicht, an ihrem ineffizienten und unwürdigen Lagersystem und am Sachleistungsprinzip in der Praxis festzuhalten. Da- mit gibt es weiterhin keine einheitlichen Lebensbedin- gungen für Asylsuchende in Deutschland. Die Koalition wird im weiteren Gesetzgebungsverfahren einiges nach- zubessern haben, damit das Gesetz seinem hochtraben- den Titel wenigstens einigermaßen gerecht werden kann. Luise Amtsberg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Abschreckungspolitik, wie sie in Deutschland seit Jahrzehnten praktiziert wird, ist inhuman und erfolglos. Sie setzt sich unter anderem aus folgenden Bestandteilen zusammen: Arbeitsverbot, elend lange Wartezeiten auf ei- nen Sprachkurs, Sachleistungen statt Bargeld, Einschrän- kungen der Bewegungsfreiheit durch die „Residenz- pflicht“, gesundheitliche Unterversorgung durch das Asylbewerberleistungsgesetz und der Zwang, in Mas- senunterkünften wohnen zu müssen. Wer aus seinem Heimatland vor Verfolgung und Krieg fliehen musste, lässt sich von solchen Schikanen aber nicht abhalten. Dennoch stellen sie gravierende Eingriffe dar und bedeuten einen ungeheuren – und auch teuren – bürokratischen Aufwand. All diese Abschreckungsmaßnahmen gehören restlos abgeschafft. Denn sie schaden nicht nur den Betroffe- nen, sondern der Gesellschaft insgesamt. Nun unternimmt die Bundesregierung – nicht ganz freiwillig – einen halbherzigen Versuch, einige der übelsten Auswüchse einer verfehlten und gescheiterten Politik abzumildern. Vorgesehen ist, dass die räumliche Beschränkung für Asylsuchende und Geduldete – die sogenannte Resi- denzpflicht – ab dem vierten Monat des Aufenthalts ab- geschafft wird. Das klingt gut. Denn die Residenzpflicht verbietet den Betroffenen das Reisen innerhalb Deutsch- lands unter Strafandrohung – eine gravierende, europa- weit einmalige Schikane, gegen die Flüchtlingsinitiati- ven zu Recht seit Jahren ankämpfen. Das Recht auf Bewegungsfreiheit soll nach der Neu- regelung jedoch nicht uneingeschränkt gelten. Denn für Geduldete ist vorgesehen, dass die Residenzpflicht im Einzelfall doch angewandt werden kann, wenn „aufent- haltsbeendende Maßnahmen … konkret bevorstehen“. Mit dieser angeblichen Ausnahme könnte die Residenz- pflicht für Geduldete durch die Hintertür wiedereinge- führt werden. Denn die Duldung besagt ja gerade, dass der Betroffene ausreisepflichtig bleibt und eine Abschie- bung theoretisch jederzeit möglich ist. Weiterhin wäre es durch restriktive Auslegung der Ausländerbehörde mög- lich, von der Schikane „Residenzpflicht“ Gebrauch zu machen. Ein klares „Nein“ zur Residenzpflicht sieht an- ders aus. Außerdem ist vorgesehen, durch eine parallele Ände- rung der Beschäftigungsverordnung den Arbeitsmarkt- zugang zu erleichtern. Das generelle Arbeitsverbot soll auf drei Monate begrenzt werden. Nach 15 Monaten Aufenthalt in Deutschland soll auch die Vorrangprüfung, wonach Deutsche und Unionsbürger bei der Stellenver- gabe grundsätzlich zu bevorzugen sind, vorläufig entfal- len. Aber auch hier gibt es zumindest einen gravierenden Haken: Denn es bleibt die Regelung unangetastet, wo- nach Ausländerbehörden generell die Arbeitsaufnahme verbieten können, wenn den Betroffenen vorgeworfen wird, sie seien selbst daran Schuld, dass sie bisher nicht abgeschoben werden konnten. Wer restriktiv agieren will, der hat rechtlich alle Mittel dazu. Die Abschaffung des Vorrangs des Sachleistungsprin- zips ist sicher ein Fortschritt. Aber auch hier soll es wie- der Ausnahmen geben können. Lebensmittelpakete und Gutscheine stellen eine unerträgliche Gängelung und Bevormundung dar; sie müssen endgültig der Vergan- genheit angehören. Im Übrigen zeigt der Gesetzentwurf in jeder einzel- nen Bestimmung, wie schwer der Bundesregierung der lang überfällige Abschied von Restriktionen und Schika- nen fällt. Beispielsweise müssen sich geduldete Auslän- der, die ihren zugewiesenen Wohnort für mehr als drei Tage vorübergehend verlassen wollen, weiterhin vorher bei der Ausländerbehörde abmelden. So fallen die Rege- lungen insgesamt engherzig und kleingeistig aus und überaus bürokratisch, so sehr, dass in der Ressortabstim- mung sogar die Länderbürokratien – in diesem Fall 6324 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. November 2014 (A) (C) (D)(B) Rheinland-Pfalz – zu dem Schluss kommen: Die vorge- sehene Regelung erscheint zu kompliziert und wird aus fachlicher Sicht nicht befürwortet. Dies ist nach fachpolitischer Betrachtung nicht der große Wurf; es sind kleine Trippelschritte – angeschoben von der Opposition. Notwendig wäre es vielmehr, das Asylbewerberleis- tungsgesetz vollständig aufzuheben und nicht nur das Sachleistungsprinzip – ohnehin ein Auslaufmodell – ab- zuschaffen. So bleibt das Asylbewerberleistungsgesetz immer noch ein zentrales Instrument zur Diskriminie- rung und Ausgrenzung. Es ist längst an der Zeit, die Ver- sorgung von Flüchtlingen so zu regeln wie die Versor- gung anderer hilfsbedürftiger Menschen auch: durch Sozialleistungen nach dem Sozialgesetzbuch und men- schenwürdige medizinische Versorgung. Für den notwendigen Paradigmenwechsel – Inklusion statt Ausgrenzung – ist es unerlässlich, Schutzsuchenden in unserem Land ein selbstbestimmtes Leben zu ermög- lichen. Wir setzen uns daher für weitere Erleichterungen beim Arbeitsmarktzugang und frühzeitigen Zugang zu Sprachkursen ein. Denn Sprache und Arbeit sind die ent- scheidenden Schlüssel für ein selbstbestimmtes Leben in Deutschland. Es wird Zeit, dass auch die Bundesregie- rung dies begreift. Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundes- minister des Innern: Angesichts der zahlreichen Krisen- regionen der Welt und erheblich steigender Asylbe- werberzahlen stehen Bund, Länder und Gemeinden vor großen Herausforderungen. Die Zahl der Asylbewerber in Deutschland steigt seit Jahren stark an: Im Jahr 2013 wurden beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge rund 127 000 Asylanträge gestellt. Das waren fast 50 000 mehr als 2012. Von Januar bis Oktober dieses Jahres gab es bereits über 158 000 Anträge. Gegenüber dem Vergleichszeit- raum 2013 ist die Zahl der Asylanträge damit um rund 57 Prozent gestiegen. Der Migrationsdruck auf Europa, insbesondere über das Mittelmeer, ist hoch und wird al- ler Voraussicht nach weiter anhalten. Für 2014 prognos- tiziert das BAMF circa 200 000 Anträge, Tendenz stei- gend. Die Herausforderungen für Bund, Länder und Gemeinden werden daher künftig eher größer als kleiner werden. Ein großer Teil der Asylbewerber ist tatsächlich schutzbedürftig, ein Teil verfolgt aber auch wirtschaftli- che Motive mit der Asylantragstellung. Umso wichtiger ist es, dass wir eine Asylpolitik verfolgen, die hier aus- gewogen reagieren kann. Letzte Woche ist das Gesetz in Kraft getreten, mit dem die Westbalkanstaaten Serbien, Bosnien-Herzego- wina und Mazedonien als sichere Herkunftsstaaten ein- gestuft werden. Dies sind Staaten, bei denen die asyl- rechtliche Schutzquote bei nahezu null liegt. Mit dem Gesetz wurde auch die Wartefrist für den Ar- beitsmarktzugang für Asylbewerber und Geduldete auf drei Monate abgesenkt. Das Gesetz ist damit ein gutes Beispiel für die Balance, die wir im Asyl- und Auslän- derrecht gerade jetzt brauchen. Zum einen setzt das Gesetz das Signal, dass unser Rechtssystem nur den Menschen asylrechtlichen Schutz bieten soll, die diesen Schutz auch tatsächlich benötigen. Zum anderen ermöglichen wir den Asylbewerbern jetzt sehr früh, selbst für sich zu sorgen und sich mit ihren Fä- higkeiten am Arbeitsmarkt einzubringen. Solch ein ausgewogenes Vorgehen brauchen wir, um dem derzeitigen massiven Anstieg der Asylbewerber- zahlen zu begegnen und unser Asylsystem funktionsfä- hig zu halten. Wir wollen denen effektiv Schutz bieten können, die ihn tatsächlich brauchen, und die Vorausset- zungen für die Einbindung und Teilhabe der tatsächlich Schutzbedürftigen aufrechterhalten. Vor diesem Hintergrund hat die Bundesregierung an- lässlich der Zustimmung des Bundesrates zum genann- ten „Gesetz zu den sicheren Herkunftsstaaten“ am 19. September 2014 einem Kompromiss zugestimmt. Sie hat eine Protokollerklärung abgegeben, mit der wei- tere Maßnahmen festgelegt wurden. Damit soll die Rechtsstellung von asylsuchenden und geduldeten Aus- ländern verbessert werden. Die Kosten für ihre Versor- gung werden aber weiter gerecht verteilt. Auch die Voraussetzungen, dass die Verwaltungen von Bund, Län- dern und Gemeinden weiterhin effizient handeln können, bleiben bestehen. Der heute diskutierte Gesetzentwurf der Bundesregie- rung setzt diese Protokollerklärung – soweit sie gesetzli- che Änderungen erfordert – um. Ziel der Bundesregie- rung ist es, die gemachten Zusagen möglichst rasch zu realisieren. Sie hat für den Gesetzentwurf daher ein stark verkürztes Verfahren gewählt und auch den Bundesrat um Fristverkürzung gebeten. Entsprechend der Protokollerklärung vom 19. Sep- tember 2014 enthält der Gesetzentwurf zum einen Anpassungen im Asylverfahrensgesetz und im Aufent- haltsgesetz bei der räumlichen Beschränkung für Asyl- bewerber und Geduldete, der sogenannten Residenz- pflicht. Ziel ist die grundsätzliche Abschaffung der Residenzpflicht nach drei Monaten Aufenthalt im Bun- desgebiet. Um dabei weiterhin eine gerechte Verteilung der Sozialkosten zwischen den Ländern zu gewährleis- ten, wird eine Wohnsitzauflage für solche Asylbewerber und Geduldete eingeführt, deren Lebensunterhalt nicht gesichert ist. Sozialleistungen sollen lediglich an dem in der Wohnsitzauflage festgelegten Wohnsitz erbracht wer- den. Des Weiteren sieht der Gesetzentwurf Anpassungen im Asylbewerberleistungsgesetz vor. In seiner bisheri- gen Form gilt das Sachleistungsprinzip zukünftig nur noch während der Zeit, in der sich Asylbewerber in einer Erstaufnahmeeinrichtung aufhalten. Im Anschluss sollen die Länder und Kommunen Leistungen an den an- spruchsberechtigten Personenkreis dann vorrangig als Geldleistungen erbringen. Nachrangig sollen Sachleis- tungen, zum Beispiel um Versorgungsengpässe aufgrund steigender Asylbewerberzahlen zu decken, aber weiter- hin möglich bleiben. Leistungen für Unterkunft, Hei- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. November 2014 6325 (A) (C) (D)(B) zung und Hausrat können wahlweise als Geld- oder Sachleistung erbracht werden, um hier die Flexibilität des Behördenhandelns zu wahren. Schließlich soll nach der Protokollerklärung gleichzeitig mit den genannten Maßnahmen auch die Vorrangprüfung für den Arbeits- marktzugang für Asylbewerber und Geduldete – bei Fachkräften gänzlich und bei allen anderen nach einem Inlandsaufenthalt von 15 Monaten – entfallen. Die hierzu erforderliche Rechtsverordnung der Bundes- ministerin für Arbeit und Soziales zur Änderung der Beschäftigungsverordnung ist bereits vorgestern, am 11. November 2014, in Kraft getreten. Auch dieser As- pekt der Protokollerklärung ist damit umgesetzt. Der Gesetzentwurf stellt damit einen wichtigen Bau- stein dar, um unser Asylsystem funktionsfähig zu erhal- ten, um Asylmissbrauch zu bekämpfen und die Möglich- keit der Teilhabe für Verfolgte zu erhöhen. Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur dem Europäischen Übereinkommen vom 27. No- vember 2008 über die Adoption von Kindern (revidiert) (Tagesordnungspunkt 19) Dr. Sabine Sütterlin-Waack (CDU/CSU): Ich freue mich, dass wir heute dem Plenum eine einstimmig ange- nommene Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses vorlegen können. Über die Fraktionsgrenzen hinweg sind wir uns einig, dass Deutschland das revidierte Euro- päische Übereinkommen über die Adoption von Kindern nach der bereits geleisteten Zeichnung am 23. Mai die- ses Jahres nun auch ratifizieren soll. Für was steht das revidierte Europäische Überein- kommen zur Adoption von Kindern? Ziel des Übereinkommens ist die Vereinheitlichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten des Europa- rats bezüglich der Adoption von Kindern. Ich möchte besonders darauf hinweisen, dass unser deutsches Recht dafür nur in einem einzigen Punkt an das Übereinkommen angepasst werden muss: Die Frist zur Aufbewahrung der Vermittlungsakten ist anders zu berechnen, als es der § 9 b des Adoptionsvermittlungs- gesetzes derzeit vorsieht. Dieser geringe Anpassungsbe- darf zeigt: Die Bundesrepublik Deutschland hat hohe Standards, wenn es um die Adoption von Kindern geht. Mit der Zeichnung und Ratifikation unterstützt Deutsch- land nun auch die Durchsetzung dieser Standards in den Mitgliedsländern des Europarats. Deutschland wäre damit das achte Land innerhalb der Runde der Mitgliedstaaten des Europarats, welches das Übereinkommen umsetzt. 17 Mitgliedstaaten haben das Übereinkommen bislang unterzeichnet. Das revidierte Übereinkommen ersetzt das Europäi- sche Übereinkommen von 1967 über die Adoption von Kindern, das bereits früh, insbesondere durch die tief- greifenden gesellschaftlichen Veränderungen Ende der Sechzigerjahre, nicht mehr als zeitgemäß anzusehen war. Um diesem Umstand Abhilfe zu verschaffen, wurde das Übereinkommen durch mehrere Übereinkommen erwei- tert. Die Rechte der Kinder sind unter anderem durch das Europäische Übereinkommen von 1975 über die Recht- stellung der unehelichen Kinder, das Übereinkommen der Vereinten Nationen vom November 1989 über die Rechte des Kindes, das Haager Übereinkommen von 1993 über den Schutz von Kindern und die Zusammen- arbeit auf dem Gebiet der internationalen Adoption und das Europäische Übereinkommen von 1996 über die Ausübung von Kinderrechten gestärkt worden. Geändert hat sich auch die Rechtsposition des nicht- ehelichen Vaters. Sie hat sich deutlich verbessert. In vie- len Ländern ist nicht mehr nur die Ehe die rechtliche Verbindung zwischen zwei Menschen, die zusammen le- ben, füreinander Verantwortung übernehmen oder eine Familie gründen wollen. In Deutschland können zwei gleichgeschlechtliche Partner seit 2001 eine eingetra- gene Lebenspartnerschaft begründen. Vor diesem Hintergrund wurde es zwangsläufig not- wendig, das Adoptionsübereinkommen aus dem Jahr 1967 im Rahmen des Europarats unter Federführung des Europäischen Ausschusses für rechtliche Zusammenar- beit zu überarbeiten. Nach Annahme des Übereinkom- mens durch das Ministerkomitee des Europarats wurde es 2008 zur Zeichnung aufgelegt. Wo liegen nun die Unterschiede? Die Kinderrechte und das Kindeswohl werden noch stärker in den Mittel- punkt gestellt als in der Fassung von 1967. So ist nach der neuen Fassung nach Artikel 5 Absatz 1 b nunmehr die Zustimmung des Kindes zur Adoption notwendig, wenn dieses hinreichend verständig ist. Andernfalls – das regelt der Artikel 6 des revidierten Übereinkom- mens – ist das Kind dennoch soweit möglich anzuhören, und seine Meinung und Wünsche sind zu berücksichti- gen. Die Rechtsposition nichtehelicher Väter wird eben- falls verbessert, da nun auch ihre Zustimmung zur Adop- tion erforderlich ist. Im Übereinkommen von 1967 war die Zustimmung des Vaters beim „nichtehelichen“ Kind überhaupt nicht erforderlich. Dies widerspricht unter an- derem der Rechtsprechung des Europäischen Gerichts- hofs für Menschenrechte. Die Rechtstellung des Vaters eines nichtehelichen Kindes im deutschen Adoptions- recht wurde bereits im Zuge der Kindschaftsrechtsre- form von 1997 wesentlich gestärkt. Weitere zentrale Neuerungen des revidierten Überein- kommens beziehen sich auf die in Artikel 7 geregelten Bedingungen für die Adoption. In der „neuen“, revidier- ten Fassung des Übereinkommens ist etwas vorgesehen, das uns in Deutschland fremd erscheint: Auch heterose- xuelle Paare, die nicht verheiratet sind, sondern in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft leben, können Kin- der adoptieren. Dies kann selbstverständlich nur dort gelten, wo das nationale Recht die Möglichkeit der Ein- gehung einer eingetragenen Lebenspartnerschaft für He- terosexuelle vorsieht. Wie gesagt, das gibt es in Deutsch- land nicht. 6326 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. November 2014 (A) (C) (D)(B) Wie Sie, meine Damen und Herren, sicher schon ver- muten, gestattet das „alte“ Übereinkommen von 1967 nur heterosexuellen Ehepaaren die Adoption. Im neuen Abkommen sollen nun auch homosexuelle Partner, die entweder verheiratet sind oder in einer eingetragenen Le- benspartnerschaft leben – die Regelungen sind innerhalb der Mitgliedstatten des Europarats sehr verschieden –, Kinder adoptieren dürfen. Das ist auch eine entschei- dende Änderung des revidierten Übereinkommens. Es wird den Mitgliedstaaten nunmehr freigestellt, die Suk- zessivadoption durch Paare, die in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft, gleich welchen Geschlechts, leben, zuzulassen. In Deutschland ist das Gesetz zur Umset- zung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Sukzessivadoption durch Lebenspartner vom 20. Juni 2014 am 27. Juni desselben Jahres bereits in Kraft getreten. Zudem besteht nunmehr die Möglichkeit im revidier- ten Übereinkommen, fakultativ im jeweiligen Adop- tionsrecht der Mitgliedstaaten auch die gemeinsame Adoption durch Lebenspartner zuzulassen. Soweit geht unser nationales Recht bekanntlich nicht. Bekanntermaßen haben wir im Frühsommer das Le- benspartnerschaftsgesetz in § 9 Absatz 7 geändert. Damit haben wir das Urteil des Bundesverfassungs- gerichts umgesetzt, das uns vorgegeben hatte, die Suk- zessivadoption für eingetragene Lebenspartner zu re- geln. Wir haben damals eine durchaus kontroverse Debatte zur Frage geführt, ob wir das deutsche Adop- tionsrecht auch dahingehend verändern sollten, eine ge- meinsame Adoption durch homosexuelle Paare zuzulas- sen. Die Mehrheit der Mitglieder des Deutschen Bundestages hat sich im Mai dieses Jahres dagegen aus- gesprochen. Die Sachlage hat sich seitdem nicht ent- scheidend verändert. Deshalb sieht die CDU/CSU-Frak- tion auch nicht im Kontext des revidierten europäischen Adoptionsübereinkommens die Notwendigkeit, von die- ser Option Gebrauch zu machen. Den Entschließungsan- trag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen werden wir folglich nicht mittragen. Dr. Karl-Heinz Brunner (SPD): Erst letzte Woche wurde die Debatte zur Ratifizierung des Europäischen Übereinkommens über die Adoption von Kindern zu so später Stunde angesetzt, dass die Redebeiträge zu Proto- koll gingen. Ich bedauere sehr, dass auch die zweite und dritte Lesung ohne mündliche Debatte stattfindet. Ers- tens wird dies dem Thema Gleichstellung gleichge- schlechtlicher Lebenspartnerschaften bei Weitem nicht gerecht, zweitens hat es eine größere Öffentlichkeit verdient, und drittens hätte eine öffentliche Auseinander- setzung der Diskussion sicherlich gutgetan. Ziel des Übereinkommens ist es, „gesellschaftliche und rechtliche Entwicklungen zu berücksichtigen und gleichzeitig die Europäische Menschenrechtskonven- tion einzuhalten“. Gelebte gesellschaftliche Realität ist es, dass sich gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaf- ten in keiner Weise von der Ehe unterscheiden. Dies haben auch der Europäische Gerichtshof sowie letztendlich das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 19. Februar 2013, in dem es das Verbot der Sukzessivadoption durch eingetragene Lebenspartner für verfassungswidrig erklärte, bekräftigt. Deshalb überlässt das revidierte Übereinkommen es auch den Staaten, gleichgeschlechtlichen Lebenspartnern die gemeinsame Adoption zu ermöglichen. Bereits letzte Woche habe ich in meinem Beitrag deutlich gemacht, dass ich die Ratifizierung des Euro- päischen Übereinkommens für einen kleinen, aber den- noch wichtigen Schritt auf dem Weg hin zur absoluten Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen Lebenspart- nerschaften halte. Jedoch ist er leider allenfalls hinreichend. Denn der letzte Schritt, Kindern eine fürsorgliche Familie zu ermöglichen, also auch die Volladoption für gleich- geschlechtliche Lebenspartner, ist mit unserem Koali- tionspartner bisher nicht möglich. Doch aufgeben gibt’s nicht! Ich werde weiter für die absolute Gleichstellung kämpfen. Es hat lange genug gedauert, bis Deutschland das re- vidierte Europäische Übereinkommen unterzeichnet hat. Sogar eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts war dazu notwendig. Jetzt müssen wir bei der Ratifizie- rung mit gutem Beispiel vorangehen. Dem entsprechen- den Gesetz stimmen wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten selbstverständlich zu. Uns zufrieden zurücklehnen können und wollen wir jedoch nicht. Jörn Wunderlich (DIE LINKE): Ich beziehe mich auf die Protokollrede zur ersten Lesung und wiederhole und ergänze das dort Geschriebene. Das Europäische Übereinkommen vom 27. Novem- ber 2008 über die Adoption von Kindern (revidiert) ist am 1. September 2011 in Kraft getreten. Es ersetzt und modernisiert das Europäische Übereinkommen vom 24. April 1967 über die Adoption von Kindern, dessen Vertragsstaat auch die Bundesrepublik Deutschland ist, unter stärkerer Berücksichtigung des Kindeswohls und insbesondere im Hinblick auf das Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes, das Haager Übereinkommen vom 29. Mai 1993 über den Schutz von Kindern und die Zu- sammenarbeit auf dem Gebiet der internationalen Adop- tion und das Europäische Übereinkommen vom 25. Ja- nuar 1996 über die Ausübung von Kinderrechten. Durch das Zustimmungsgesetz sollen die erforderli- chen Voraussetzungen gemäß Artikel 59 Absatz 2 Satz 1 Grundgesetz für die Ratifikation des revidierten Über- einkommens geschaffen werden. Ziel des revidierten Übereinkommens ist, in den Un- terzeichnerstaaten – unter anderem Mitgliedstaaten des Europarats – gemeinsame Grundsätze hinsichtlich des Adoptionsrechts zu schaffen und so auch grenzüber- schreitende Adoptionen und deren Anerkennung zu er- möglichen. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. November 2014 6327 (A) (C) (D)(B) Anpassungsbedarf im deutschen Recht besteht laut Bundesregierung nur insoweit, als die Frist zur Aufbe- wahrung der Vermittlungsakten anders zu berechnen sei, als es § 9 b des Adoptionsvermittlungsgesetzes, AdVer- miG, derzeit vorsieht. Dem Vertragsgesetz ist zuzustimmen. Das Überein- kommen ist recht progressiv und leistet einen Beitrag zu hohen Standards bei der Adoption im Sinne des Kindes- wohls in den Unterzeichnerstaaten. Vor allem begrüßenswert ist der Artikel 7 Absatz 2 des Übereinkommens. Danach steht es den Staaten frei, den Anwendungsbereich des Übereinkommens „auf gleichgeschlechtliche Paare zu erstrecken, die miteinan- der verheiratet oder eine eingetragene Partnerschaft mit- einander eingegangen sind. Es steht den Staaten auch frei, den Anwendungsbereich dieses Übereinkommens auf verschieden-geschlechtliche Paare und gleichge- schlechtliche Paare zu erstrecken, die in einer stabilen Beziehung zusammenleben.“ Da sich in den Ausschussberatungen keine Änderun- gen ergeben haben, bleibt es bei der Zustimmung durch die Linke. Auch wenn eine Verpflichtung dazu nicht durchsetz- bar war, ist schon allein die Einräumung dieser Möglich- keit ein deutlicher Fortschritt. Und wenn Mitgliedstaaten diese Möglichkeit regeln, müssen die anderen Unter- zeichnerstaaten dies anerkennen, was ebenfalls ein Fort- schritt ist. Leider führt die Bundesregierung zur Beschwichti- gung konservativer Kreise, eingeschlossen sie selbst, in der Gesetzesbegründung aus: „Von der in dem Überein- kommen eröffneten Möglichkeit, im nationalen Adop- tionsrecht die gemeinsame Adoption durch Lebenspart- ner zuzulassen, wird die Bundesregierung keinen Gebrauch machen“ (Seite 6). Hier will die Regierung nach wie vor bestehende Fa- milienstrukturen nicht entsprechend akzeptieren und an- erkennen und Kindern dieser Familien gesicherte Rechtspositionen, was nur beispielsweise das Erbrecht betrifft, verweigern. Aber für diese Gleichberechtigung und verbesserte Rechtsposition von Kindern wird Die Linke weiter kämpfen, notfalls auch wieder mit Unter- stützung des Bundesverfassungsgerichts. Schauen wir mal, wie lange die Regierung an ihrer Position festhalten will, kann oder darf. Und in diese Richtung geht der nun vorliegende An- trag der Grünen, die sich ebenso wie die Linke an dieser Ungleichbehandlung stören. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es ist höchste Zeit, dass wir auch beim Adoptionsrecht Lebenspartnerschaften und Ehe hundertprozentig gleich- stellen. Mit dem heutigen Gesetzesbeschluss entfallen die letzten europarechtlichen Ausreden, dies nicht zu tun. 100 Prozent Gleichstellung hatten Sie von der SPD doch beschlossen! Stimmen Sie unserem Antrag heute zu, dann kann dies für das Adoptionsrecht heute wahr werden. Nicht das Bauchgefühl der Kanzlerin, sondern das Grundgesetz sollte Sie bei Ihrer Entscheidung leiten. Bereits zu Jahresbeginn hat meine Fraktion einen Ge- setzentwurf zum Europäischen Übereinkommen über die Adoption von Kindern eingebracht. Zu dem Zeitpunkt hat die Koalition den Gesetzentwurf allerdings noch ab- gelehnt. Jetzt fragt man sich, ob die Bundesregierung zur Ein- sicht gekommen ist und endlich die verfassungswidrige Benachteiligung von Lebenspartnerschaften gegenüber Ehen abschaffen will. Doch genau diesen längst notwen- digen Schritt in Sachen Gleichberechtigung schließt die Koalition in ihrer Antragsbegründung aus: „Von der in dem Überabkommen eröffneten Möglichkeit, im natio- nalen Adoptionsrecht die gemeinsame Adoption durch LebenspartnerInnen möglich zu machen, wird die Bun- desregierung keinen Gebrauch machen.“ Das Bundesverfassungsgericht hat Anfang 2013 ein- getragenen Lebenspartnerinnen und -partnern das Recht auf Sukzessivadoption eingeräumt. Jetzt muss die Ratifi- zierung der revidierten Fassung des Europäischen Adop- tionsübereinkommens folgen. Mit der neuen Fassung be- kommen die Vertragsstaaten die Möglichkeit, gleichgeschlechtlichen Paaren in ihrem nationalen Recht Adoption zu erlauben. Die Adoption für gleichge- schlechtliche, verpartnerte Paare ist allerdings als Opt- out-Option formuliert, das heißt, es bleibt den Mitglied- staaten überlassen, ob sie diese Möglichkeit nutzen. Das Übereinkommen in der Fassung von 1967 sah die ge- meinschaftliche Adoption nur für Verheiratete vor. Es war lange Ausrede für SPD wie Union, eine gemein- schaftliche Adoption durch eingetragene Lebenspartner nicht zuzulassen. Schweden und das Vereinigte König- reich haben aus diesem Grund das Übereinkommen vor einigen Jahren gekündigt, um nicht gegen diese Passage zu verstoßen. Seit 2008 ist nun die revidierte Fassung verabschiedet und seit 2011 in Kraft, und es wird Zeit, dass auch Deutschland endlich einen gleichstellungspo- litischen Schritt voran macht und das Abkommen ratifi- ziert. Der Bundestag sollte der Bundesregierung in ihrer diskriminierenden Stillstandspolitik nicht folgen und sich den Auftrag des Bundesverfassungsgerichts zu Her- zen nehmen. In seiner Entscheidung vom 19. Februar 2013 hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt: „Unterschiede zwischen Ehe und eingetragener Le- benspartnerschaft, welche die ungleiche Ausgestaltung der Adoptionsmöglichkeiten rechtfertigen könnten, beste- hen nicht“ (BVerfG, 1 BvL 1/11 vom 19. Februar 2013, Rn. 104). Genau das wird hier allerdings – mal wieder – ignoriert. Das ist nicht nur falsch und beschämend, son- dern auch gleich doppelt verfassungswidrig. Nicht nur werden Schwule und Lesben in Lebenspartnerschaften bei der Sukzessivadoption gegenüber Ehepaaren benach- teiligt, sondern auch die gemeinschaftliche Adoption wird verweigert. Den Kindern fehlt es dadurch an Si- cherheit: Sie leben nicht in einer rechtlich anerkannten Familie, und sie werden im Unterhalts- und Erbrecht be- nachteiligt. Dabei sind die Bedenken, dass es Kindern in Regenbogenfamilien weniger gut gehe, längst ausge- 6328 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. November 2014 (A) (C) (D)(B) räumt. Sämtliche Studien kommen zu dem Ergebnis, dass Kinder, die mit gleichgeschlechtlichen Eltern auf- wachsen, keinen Nachteil davon haben. Dies hat sogar die Bundesregierung bestätigt. Die Koalition sollte diese Gelegenheit nutzen und ihre Blockade bei der Anglei- chung des Adoptionsrechts für Lesben und Schwule end- lich aufgeben. Gerade weil Studien zu Regenbogenfamilien und An- hörungen von Experten immer wieder zu dem Schluss kommen, dass das Kindeswohl in Regenbogenfamilien nicht gefährdet ist, sondern gefördert wird, ist es umso absurder, dass CDU/CSU immer wieder diesen ideologi- schen Zombie aus der Argumentekiste holen. Ganz of- fensichtlich ist das Kindeswohl für CDU/CSU immer noch zweitrangig. Ihnen geht es darum, Ressentiments zu bedienen, und um die Zustimmung von homophoben Stammtischen. Aus Angst vor den Rechtspopulisten der AfD wird hier auf dem Rücken von Kindern verfas- sungsfeindliche Politik gemacht. Ginge es wirklich um den Schutz der Familie und um das Kindeswohl, dann würden Sie sich dafür einsetzen, diese Eltern-Kind-Be- ziehungen rechtlich abzusichern. Und die SPD, die im Wahlkampf 100 Prozent Gleichstellung versprochen hat, scheitert, blamiert sich gerade mit der Umsetzung. Die ist nämlich nicht nur mangelhaft, liebe SPD, sondern un- terirdisch. Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/99/EU über die Europäische Schutzanordnung, zur Durchfüh- rung der Verordnung (EU) Nr. 606/2013 über die gegenseitige Anerkennung von Schutzmaß- nahmen in Zivilsachen und zur Änderung des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Ge- richtsbarkeit (Tagesordnungspunkt 20) Dr. Sabine Sütterlin-Waack (CDU/CSU): Der vor- liegende Gesetzentwurf dient in erster Linie der Umset- zung der Richtlinie über die Europäische Schutzanord- nung sowie der Durchführung der Verordnung über die gegenseitige Anerkennung von Schutzmaßnahmen in Zi- vilsachen. Bereits heute gibt es in allen EU-Staaten Opferschutz- maßnahmen. Diese können bislang aber nur in dem Mit- gliedsstaat durchgesetzt werden, in dem sie erwirkt wor- den sind. Derartige Maßnahmen können erwirkt werden, wenn das Leben der zu schützenden Person, ihre körper- liche oder psychische Unversehrtheit, ihre Freiheit, Si- cherheit oder sexuelle Integrität in Gefahr sind. Die ge- richtlich festzustellenden Schutzmaßnahmen können beispielsweise die Verpflichtung beinhalten, sich der ge- fährdeten Person nicht weiter als bis auf eine bestimmte Entfernung zu nähern oder bestimmte Orte nicht zu be- treten oder – heute ganz wichtig – nicht mit ihr in einen wie auch immer gearteten medialen Kontakt zu treten. Aufgrund der Richtlinie und der Verordnung kann in Zu- kunft jeder, der seinen Wohnort in ein anderes Mitglieds- land verlegt, einen ähnlichen Schutz beantragen, den er bereits in seinem Heimatland erstritten hat. Es findet keine erneute Sachprüfung statt, sodass hier eine wesent- liche Erleichterung für die Betroffenen zu verzeichnen ist. Der entscheidende Unterschied zwischen der Richtli- nie und der Verordnung besteht in der Entstehungsart der Schutzmaßnahmen. Die Richtlinie ist nur auf Schutz- maßnahmen in Strafsachen anwendbar. Diese Schutz- maßnahme muss also nach einer strafrechtlichen Ent- scheidung bzw. in einem Strafverfahren angeordnet worden sein. Ausschlaggebend für die Anordnung einer nationalen Schutzmaßnahme ist ausschließlich, dass nach dem nationalen Recht strafbares Verhalten vorliegt. Das deutsche Recht kennt jedoch nur Gewaltschutzanord- nungen nach dem Gewaltschutzgesetz, die auf zivilrecht- licher Grundlage ergehen. Das Opfer von Gewalttaten ist berechtigt, einen Antrag nach dem Gewaltschutzgesetz zu stellen. Dies kann sowohl in einem Verfahren der einstweiligen Anordnung als auch in einem Hauptsache- verfahren geschehen. Die strafrechtlichen Schutzmaß- nahmen sind folglich dem deutschen Recht fremd und können auf diese Weise nicht erlassen werden. Aufgrund der Richtlinie kommt Deutschland daher lediglich als vollstreckender Staat in Betracht. Die Verordnung hinge- gen vervollständigt die Richtlinie und regelt die Über- tragbarkeit der zivilrechtlichen Gewaltschutzanordnun- gen, sodass die in Deutschland erlassenen Maßnahmen in anderen Mitgliedsländern einen ähnlichen Schutz ge- nießen. Am 13. Dezember 2011 verabschiedete die Europäi- sche Union die Richtlinie über die Europäische Schutzan- ordnung. Am 12. Juni 2013 beschloss sie die Verordnung über die gegenseitige Anerkennung von Schutzmaßnah- men in Zivilsachen. Diese Rechtsakte sollen sich gegen- seitig vervollständigen und gemeinsam einen effektiven, europaweiten Schutz der Opfer vor Gewalt gewährleis- ten. Diese Richtlinie ist bis zum 11. Januar 2015 umzu- setzen. Ab diesem Tag gilt ebenfalls die Verordnung. Für die Umsetzung der Richtlinie sowie Durchfüh- rung der Verordnung bedarf es nationaler Umsetzungs- bzw. ergänzender Durchführungsvorschriften, die dieser Gesetzentwurf beinhaltet. Diese Vorschriften werden aufgrund der besonderen Bedeutung in einem eigenstän- digen Gesetz, namentlich EU-Gewaltschutzverfahrens- gesetz, normiert. Durch die Richtlinie sollen Schutzmaßnahmen für Opfer von Straftaten gewährleistet bleiben, die ihr Recht auf Freizügigkeit wahrnehmen und ihren Wohnort in ei- nen anderen EU-Mitgliedstaat verlegen. Durch das Recht auf Freizügigkeit dürfen den Unionsbürgern keine Nachteile durch möglichen Verlust des Schutzes entste- hen. Die Gewährleistung des Schutzes für die Opfer soll wie folgt geregelt werden: Die Behörde eines EU-Staa- tes ordnet eine Schutzmaßnahme nach dem nationalen Recht an. Im zweiten Schritt erlässt die Behörde des ent- sprechenden Staates eine Europäische Schutzanordnung. Nach dem Umzug des EU-Bürgers in einen anderen EU- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. November 2014 6329 (A) (C) (D)(B) Staat erkennt dieser Staat die bereits erlassene Schutzan- ordnung an und erlässt eine nach dem nationalen Recht in einem vergleichbaren Fall vorgesehene Maßnahme. Die Verordnung vervollständigt die Richtlinie, indem sie die Übertragbarkeit der angesprochenen zivilrechtli- chen Gewaltschutzanordnungen regelt. Die Verordnung betrifft ebenfalls den Gewaltopferschutz, der in einem Mitgliedstaat durch die Justiz- oder eine andere Behörde angeordnet wurde und in einem anderen Mitgliedstaat anzuerkennen ist. Diese Verordnung beseitigt also das bisher erforderli- che Exequaturverfahren, in dem die Voraussetzungen der Anerkennung der Vollstreckbarkeit im Inland geprüft werden. Um eine Schutzmaßnahme in einem anderen EU-Mitgliedstaat geltend zu machen, benötigt die zu schützende Person eine Bescheinigung, die auf Antrag durch die Entscheidungsbehörde des Heimatstaats aus- gestellt wird. Mit dieser Bescheinigung kann die gefähr- dete Person in dem Mitgliedstaat ihres Aufenthaltes die Anerkennung und gegebenenfalls Vollstreckung der Schutzmaßnahme beantragen. Entscheidend ist, dass keine erneute Sachprüfung stattfindet. Die zeitgerechte Umsetzung der Richtlinie und der Verordnung ist zu begrüßen. Hierdurch schaffen wir Rechtssicherheit und erhöhen das Vertrauen in den grenzüberschreitenden Schutz der EU-Bürger. Körperli- che und seelische Gewalt bedeutet für das Opfer immer einen enormen Einschnitt in das eigene Leben. Beson- dere Bedeutung hat diese Gewalt, wenn sie im engen so- zialen Umfeld stattfindet. Daher gilt es, die Opfer sol- cher Taten effektiv und schnell schützen zu können. Meine langjährige anwaltliche Tätigkeit verdeutlichte mir, dass die meisten Gewaltschutzverfahren emotional belastend und entsprechend aufwendig für die Beteilig- ten waren. Aus diesem Grund sollte der Schutz der ge- fährdeten Person im Vordergrund stehen. Sie sollte des- halb das Verfahren im Falle eines Umzugs in einen EU- Mitgliedstaat nicht erneut durchlaufen. Die Anerken- nung und Vollstreckung der Schutzmaßnahmen dürfen keine wiederholte Belastung für das Opfer darstellen. Um diesem notwendigen Schutz der EU-Bürger/innen gerecht zu werden, wird die Erleichterung beim Aner- kennen und Vollstrecken der Schutzmaßnahmen durch die Richtlinie und die Verordnung von unserer Fraktion befürwortet. Im vorliegenden Entwurf wird ferner eine Änderung des FamFG aufgenommen, die das Scheidungsverbund- verfahren betrifft. Für einen ganz speziellen Fall sollen den Beteiligten im Ehescheidungsverbundverfahren Rechtsmittel abge- schnitten werden. Damit soll eine mögliche Doppelehe vermieden werden. Da aber auch ein wirtschaftliches Ungleichgewicht entstehen kann, habe ich Bedenken. Dieser Teil unterliegt im Übrigen nicht der bereits ge- nannten Umsetzungsfrist zum 11. Januar 2015. Das Verbundprinzip soll eine gleichzeitige und ab- schließende Regelung aller Folgen einer Ehescheidung ermöglichen. An diesem Verfahren wird der Versor- gungsträger im Rahmen des Versorgungsausgleichver- fahrens ebenfalls beteiligt. Durch diese Beteiligung im Verfahren erlangt der Versorgungsträger ein Beschwer- derecht, wenn er materiell in seinen Rechten verletzt ist. Wird dennoch der Versorgungsträger fälschlicherweise nicht beteiligt oder einem beteiligten Versorgungsträger die Entscheidung nicht bekannt gegeben, hat er die Mög- lichkeit, auch nach vermeintlichem Eintritt der Rechts- kraft Rechtsmittel einzulegen, da für ihn nach den allge- meinen Rechtsgedanken keine Fristen laufen. Hat nun nach vermeintlichem Eintritt der Rechtskraft einer der ehemaligen Eheleute erneut geheiratet, besteht die Ge- fahr der Doppelehe, da die alte Ehe nicht rechtskräftig geschieden worden ist. Dies will der Gesetzentwurf ver- hindern. Wenn nun allerdings, wie es der Gesetzentwurf vor- sieht, die Anschlussrechtsmittel der Beteiligten für die- sen speziellen Fall abgeschnitten werden, wird zwar die Gefahr der Doppelehe vermieden, das Gesamtkonstrukt des Verbundes Ehescheidung, bestehend aus Versor- gungsausgleich, Zugewinnausgleich, Kindes- und Ehe- gattenunterhalt, könnte aber in Schieflage geraten. Stellen Sie sich folgenden Fall vor: Die Beteiligten haben eine Gesamtvereinbarung getroffen, in der ein ausgeglichenes Verhältnis der zuvor genannten Folgesa- chen besteht. Da nun aber der Versorgungsträger die Möglichkeit hat, einen Baustein des Konstruktes, näm- lich den Versorgungsausgleich, zu ändern, kann das Gesamte unausgeglichen werden. Für den Fall der nachträglichen Einlegung eines Rechtsmittels des Ver- sorgungsträgers müssen die Beteiligten also die Mög- lichkeit haben, die anderen Folgesachen auch zu ändern. Sie müssen daher die Möglichkeit der Anschlussbe- schwerde behalten. Die Rechtskraft der Ehescheidung soll unangetastet bleiben. Meine Damen und Herren, Sie sehen, die Sache ist kompliziert. Es besteht aus unserer Sicht weiterer Dis- kussionsbedarf, den wir innerhalb der Umsetzungsfrist der Gewaltschutzanordnung nicht sachgerecht bewälti- gen können. Deshalb hält es meine Fraktion für notwen- dig, den Artikel 5 des Gesetzentwurfs abzutrennen und, dem Änderungsantrag folgend, eine mögliche Regelung der ursprünglich vorgesehenen Änderung des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen vorerst zurückzu- stellen. Dennis Rohde (SPD): Heute verabschieden wir das Gesetz zur Umsetzung der europäischen Richtlinie über die Europäische Schutzanordnung. Damit kommen wir als deutscher Bundestag unserer Verantwortung nach, unseren Beitrag zu Sicherheit und Freiheit in Europa zu leisten. Indem wir dafür sorgen, dass auch in Deutsch- land der Schutz vor Gewalt und Nachstellung verein- facht und verbessert wird, leisten wir heute auch einen Beitrag zur fortschreitenden Einigung Europas und zur Realisierung der Freizügigkeit. Die Richtlinie über die Europäische Schutzanordnung normiert ein unkompliziertes, unbürokratisches Verfah- ren, mit dem gesetzliche Maßnahmen zum Schutz vor Gefährdung innerhalb Europas auch über die Staatsgren- zen hinaus anerkannt und angewandt werden können. 6330 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. November 2014 (A) (C) (D)(B) Wer nach Deutschland zieht und an seinem vorherigen Wohnort gesetzliche Schutzmaßnahmen genossen hat, der soll nicht befürchten müssen, in unserem Land plötz- lich ungeschützt dazustehen. Bislang war es nötig, in diesem Fall am neuen Wohn- ort Schutzmaßnahmen zu beantragen. Bei der damit un- trennbar verbundenen zeitlichen Verzögerung konnte dies zu realen Gefahren führen. Künftig hingegen soll die Anwendung ausländischer Schutzmaßnahmen in un- serem Land erheblich vereinfacht werden: Auf Antrag der zu schützenden Person beim für ihre Wohngegend zuständigen Familiengericht wird eine europäische Schutzanordnung erlassen, mit der die in einem anderen europäischen Land erlassenen Schutzmaßnahmen auch in Deutschland angewandt werden. Abgelehnt werden kann dies ausschließlich aus formellen Gründen, wenn zum Beispiel relevante Informationen fehlen oder es im Land des vorherigen Wohnorts eben gar keine Schutz- maßnahmen gegeben hat. In jedem anderen Fall soll die Anpassung zügig und unbürokratisch erfolgen. Im Vergleich mit dem ursprünglichen Entwurf dieses Gesetzes enthält der Änderungsantrag der Fraktionen der SPD und der CDU/CSU noch Verbesserungen. Statt der wenig konkreten Begriffe „Gläubiger“ und „Schuldner“ werden die Parteien nun klar und deutlich als „ge- schützte Person“ und „gefährdende Person“ bezeichnet. Zudem haben wir klargestellt, dass die gefährdende Per- son nicht angehört werden muss, ehe eine europäische Schutzanordnung erlassen werden kann. Hier setzen wir klar auf den Schutz des Opfers. Die europäische Einigung sollte gerade daran gemes- sen werden, wie sie ganz reale Verbesserungen für schutzbedürftige Menschen bringt. Solange Opfer von Stalking und Gewalt bei einem Umzug innerhalb Euro- pas riskieren, sich wieder schutzlos Gefahren auszuset- zen, so lange ist die Freizügigkeit nicht für alle Realität. Eine europäische Einigung der Wirtschaft und des Wa- renflusses, die dabei die Freiheit und Sicherheit des Ein- zelnen ausklammert, ist nicht unsere sozialdemokrati- sche Vorstellung von Europa. Erst die Schaffung eines europäischen Raums, in dem jeder Mensch sich tatsäch- lich frei bewegen kann, ohne durch veraltete rechtliche Regelungen Gefahren befürchten zu müssen, verwirk- licht die europäische Einigung. Erst dann wächst Europa wirklich zusammen. Darum ist der heutige Gesetzentwurf auch so wichtig. Das Konzept Europäische Schutzanordnung beschäftigt dieses Haus nicht zum ersten Mal. Schon im Jahr 2010 hat der Bundestag sich mit den damals kursierenden Plä- nen befasst. Die SPD-Bundestagsfraktion hat damals die Europäische Schutzanordnung richtigerweise begrüßt, aber auch die noch allzu bürokratischen und komplizier- ten Regelungen kritisiert. Ich freue mich, dass wir heute eine viel konkretere, einfachere und damit den Bedürf- nissen schutzbedürftiger Personen besser angepasste Richtlinie umsetzen können. Hier hat sich gezeigt, dass es sich lohnt, wenn die nationalen Parlamente sich klar zu europäischen Vorhaben positionieren. Die Änderung von § 145 des Gesetzes über das Ver- fahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, FamFG, die aus prakti- schen Erwägungen ursprünglich ebenfalls in diesem Ge- setzentwurf enthalten war, nehmen wir zunächst per Än- derungsantrag heraus. Wir wollen mit dieser Regelung eine Lücke im Familienrecht schließen, bei der durch die rechtliche Ausgestaltung von Folgesachen im Schei- dungsverbund das Problem auftreten kann, dass durch Versehen der Verwaltung Ehescheidungen nicht rechts- kräftig werden und so potenziell Doppelehen entstehen können. Diese Änderung ist wichtig und richtig. Aber wir sind der Meinung, dass es mehr Zeit für weitere Be- ratungen bedarf, damit am Ende auf jeden Fall eine zu- friedenstellende Lösung steht. Gerade in solchen Fragen ist es wichtig, gründlich zu arbeiten. Mit der Umsetzung der Richtlinie zur Europäischen Schutzanordnung tragen wir als Bundestag dafür Sorge, dass in Europa Freizügigkeit, Gleichheit und Sicherheit weiter Realität werden. Wir zeigen damit, dass wir fakti- sche Hindernisse der Freizügigkeit erkennen und mit Augenmaß und Sachverstand beseitigen. In diesem Sinne begrüße ich noch einmal den breiten Konsens auch über die Fraktionsgrenzen hinaus, den die Europäi- sche Schutzanordnung zumindest grundsätzlich erfahren hat. Ich würde mich freuen, wenn diese konstruktive Zu- sammenarbeit nicht nur bei diesem Thema ausgebaut werden könnte. Jörn Wunderlich (DIE LINKE): Ich beziehe mich auf den Inhalt meiner Protokollrede von der ersten Le- sung und wiederhole diesen ausdrücklich. In den Beratungen sind die Berichterstatter der Frak- tionen zu der Überzeugung gelangt, dass die Änderun- gen hinsichtlich des FamFG nicht so schnell behandelt werden können, sondern eingehender Beratung bedür- fen. Von daher wurde dieser Teil des Gesetzes abgetrennt und zunächst zurückgestellt. Damit ist ein wesentlicher Teil, der noch Änderungs- bedarf hat, vorerst nicht entschieden, sodass dem vorlie- genden restlichen Gesetzentwurf zugestimmt werden kann. Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Bun- desregierung legt uns hier ein Gesetz vor, das zum einen die EU-Richtlinie über die Europäische Schutzanord- nung umsetzen soll und ursprünglich eine Rechtsschutz- verkürzung im Scheidungsverfahren beinhaltete. Nachdem der Gesetzentwurf zunächst ohne Debatte durchs Parlament gehen sollte, haben wir aufgrund von Bedenken der Anwaltsverbände hinsichtlich der Rechts- schutzverkürzung auf einer Befassung bestanden. Hier sollte den geschiedenen Eheleuten die An- schlussbeschwerde künftig versagt werden, wenn ein Versorgungsträger nach Rechtskraft der Ehescheidung Beschwerde gegen den Versorgungsausgleich eingelegt hat. Diese Konstellation kann sich ohnehin nur dann erge- ben, wenn der Versorgungsträger nicht ordnungsgemäß am Verfahren beteiligt wurde; denn anderenfalls laufen für alle Beteiligten die gleichen Rechtsmittelfristen. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. November 2014 6331 (A) (C) (D)(B) Durch den Verbund von Ehescheidung und Versor- gungsausgleich soll aber gerade der wirtschaftlich schwächere Ehegatte geschützt werden, indem er sich auf eine gleichzeitige und abschließende Regelung aller Folgen einer Ehescheidung verlassen können soll. Es kann nämlich durchaus so sein, dass man sich über an- dere Folgesachen, wie bspw. Unterhalt oder Zugewinn im Hinblick auf den Versorgungsausgleich, geeinigt hat. Die Ehescheidung und die Folgesache sind deshalb im- mer als „Paket“ zu betrachten. Am Ende sind dann sowohl die Berichterstatterin der Union als auch ich selbst zu der übereinstimmenden Auffassung gelangt, dass die Änderung des § 145 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, FamFG, nicht zielführend ist. Mit einem Änderungsantrag der Mehrheitsfraktionen wurde das Problem beseitigt, sodass es jetzt nur noch um die Umsetzung der Richtlinie zum Gewaltschutz geht. So stellt man sich ein ordnungsgemäßes parlamentari- sches Verfahren vor, in dem dann auch sinnvolle Verbes- serungen ihren Weg ins Gesetz finden und Fehler recht- zeitig erkannt werden. Ich betone das gerade in dieser Woche, in der die Große Koalition mal wieder in einer komplexen Materie umfangreiche Gesetzesänderungen an einem Dienstagnachmittag an den Rechtsausschuss übermittelt, um sie Mittwochmorgen beschließen zu las- sen. Die Umsetzung der Gewaltschutzrichtlinie ist hinge- gen weitgehend unstrittig. Dass Schutzmaßnahmen in Strafsachen in anderen EU-Ländern leichter anerkannt und vollstreckt werden können, ist sicher sinnvoll, zumal sich das rot-grüne Gewaltschutzgesetz seit seiner Ein- führung sehr bewährt hat. Die praktische Bedeutung des grenzüberschreitenden Gewaltschutzverfahrensgesetzes dürfte allerdings eher gering sein. Es ist daher bedauerlich, dass es nicht gelun- gen ist, diese Regelungen in bestehende Gesetze zu inte- grieren. So gibt es jetzt ein weiteres gesondertes Gesetz zu Fällen, von denen man noch gar nicht weiß, ob sie praktisch relevant sind. Dennoch wollen wir dieser Um- setzung von EU-Recht nicht im Wege stehen und werden dem Gesetz zustimmen. Anlage 9 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts: Nationales Reformprogramm 2014 nutzen – Wirtschaftspolitische Steuerung in der EU ernst nehmen und Investitionen stärken (Ta- gesordnungspunkt 27 a) Dr. Andreas Lenz (CDU/CSU): Erneut fordern Bündnis 90/Die Grünen in Ihrem Antrag: Nationales Re- formprogramm 2014 nutzen. Da auch Sie sich mit Ihrem Antrag wiederholen, kann ich Ihnen nur wiederholt ent- gegenbringen: Wir nutzen das Reformprogramm, um die deutsche Wirtschaft voranzubringen, mehr denn je. Der Antrag Ihrer Fraktion ist im Wesentlichen über- flüssig. Viele Ihrer Forderungen sind bereits im Koali- tionsvertrag aufgenommen und werden bereits umge- setzt. Die falschen Dinge, die sie fordern, werden nicht richtiger, nur weil Sie sie erneut fordern. Wir nehmen die Analyse der EU-Kommission selbstverständlich ernst. Wir wissen, dass wir eine zu geringe Investitionsquote haben. Unsere Außenhandelsüberschüsse sind hoch, was ein Zeichen der hohen Wettbewerbsfähigkeit der deut- schen Wirtschaft ist; Sie kritisieren dies. Die Binnen- nachfrage steigt bereits – wir wissen aber, dass hier wei- tere Steigerungen wünschenswert wären. Die deutschen Außenhandelsüberschüsse sind Ausdruck der hohen Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen, darunter zahlreicher kleiner und mittelständischer Unternehmen, die in ihrem Bereich Weltmarktführer sind. Deutsche Produkte werden nach wie vor auf den Weltmärkten stark nachgefragt. Hier muss noch einmal klar betont werden, dass die Kommission für Deutschland eben ge- rade keine „zukunfts- und stabilitätsgefährdenden“ Un- gleichgewichte festgestellt hat. Es handelt sich laut Kommission zwar um Ungleichgewichte, aber um keine exzessiven Ungleichgewichte. Von dieser Wettbewerbs- fähigkeit profitieren die gesamten EU-Länder. Im Übrigen finden 43 Prozent der Wertschöpfung deutscher Exportprodukte durch Vorleistungen im EU- Ausland statt. Und: 57 Prozent aller deutschen Importe stammen aus anderen EU-Mitgliedstaaten. Diese Tatsachen bzw. Erfolge schaffen Beschäftigung und Wohlstand nicht nur bei uns, sondern auch in den anderen EU-Ländern. Es lässt sich überdies feststellen, dass der Anteil der deutschen Exporte an Länder außerhalb der EU zuneh- mend wächst. So beträgt der Anteil der Handelsüber- schüsse in Drittländer außerhalb der EU 140,5 Milliar- den Euro, also 72 Prozent. Der Anteil des Überschüsse in die Nicht-Euro-EU beträgt 42,1 Milliarden Euro, der Handelsbilanzüberschuss in die Euro-Länder lediglich 1 Milliarde Euro. Es schadet also auch hier nicht, eine europäische Perspektive einzunehmen. Auch die Euro- zone insgesamt konnte einen Handelsüberschuss in Höhe von 152 Milliarden Euro erzielen, und das, obwohl der Euro rund 7 Prozent an Wert zulegte, sich also die Exporte in Relation verteuerten. Nicht nur die Kommission, auch die Bundesregierung weist auf die international zu niedrige Investitionsquote Deutschlands hin. Ich möchte betonen, dass wir die Be- lebung der privaten und öffentlichen Investitionen für Deutschland zu einem Schwerpunkt dieser Legislaturpe- riode erklärt haben. Investitionen sind das Fundament für Wachstum und Beschäftigung einer Volkswirtschaft. Deshalb besteht eine zentrale wirtschaftspolitische Auf- gabe darin, die Investitionen in Deutschland zu stärken. Erste umfangreiche Maßnahmen sind bereits durch die Umsetzung des Koalitionsvertrags auf den Weg ge- bracht: Wir investieren: 4 Milliarden Euro in die For- schung, 5 Milliarden Euro in die Verkehrsinfrastruktur, 5 Milliarden Euro für die Kommunen, 6 Milliarden in 6332 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. November 2014 (A) (C) (D)(B) die Bildung und Betreuung. In diesem Jahr werden die Kommunen durch die Übernahme der Grundsicherung im Alter durch den Bund um 1,1 Milliarden Euro ent- lastet. Letzte Woche erst bewilligte Bundesminister Schäuble für den Zeitraum von 2016 bis 2018 weitere zusätzliche Mittel für öffentliche Investitionen in Höhe von 10 Milliarden Euro. Diese Investitionen sollen best- möglich eingesetzt werden. Hierfür können auch die Er- gebnisse einer Expertenkommission aus Unternehmens- und Gewerkschaftsvertretern, Verbandsspitzen und Wis- senschaft beitragen, die an einem Bericht über die Inves- titionslage in Deutschland arbeiten. Wenn Sie jetzt glauben, dieses Investitionsprogramm sei wegen Ihnen und Ihren Anfragen entstanden, dann ist das in etwa so, als wenn der Hahn morgens meint, die Sonne ginge wegen seines Krähens auf. Darüber hinaus prüft das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie weitere Handlungsoptionen, um die gesamtwirtschaftliche Investitionsdynamik zu stär- ken. Es geht dabei zum einen darum, die Rahmenbedin- gungen für private Investitionen zu verbessern und In- vestitionshemmnisse abzubauen. Zum anderen geht es um Konzepte, wie in Zukunft der Erhalt und der Ausbau der öffentlichen Infrastruktur finanziert werden kann. Dafür soll insbesondere privates Kapital mobilisiert wer- den. Nun ist es so, dass von den jährlichen Investitionen in Deutschland in Höhe von circa 460 Milliarden Euro circa 9 Prozent auf den öffentlichen Sektor fallen. Über 90 Prozent der Investitionen werden vom privaten Sek- tor geleistet. Es gilt also vor allem, ein investitions- freundliches Klima zu schaffen. Und das machen wir, beispielsweise auch dadurch, dass wir die Steuern für Unternehmen nicht erhöht ha- ben. Hier sind aber auch noch weitergehende Schritte sinnvoll: Das Instrument der degressiven Abschreibung kann raschere Ersatzinvestitionen herbeiführen. Aber auch Sanierungsprogramme für Gebäude im Rahmen der CO2-Minderungsziele werden geprüft. Dies alles steht allerdings unter dem Primat der Fortführung einer wachstumsfreundlichen Haushaltskonsolidierung. Wir stehen zu dem Ziel, 2015 einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. Die Investitionslücke ist nur mithilfe einer soliden Wirtschaftspolitik zu schließen. Dafür bedarf es eines stabilen Rahmens, genauso wie eines flexiblen und aufnahmefähigen Arbeitsmarktes. Auch hier sind bereits wichtige Weichen gestellt worden: Wir haben bereits heute eine positive Entwicklung bei den Reallöhnen. Mit einem Bruttolohnzuwachs von 2,7 Prozent und einem Reallohnzuwachs von 1,1 Prozent erwarten wir 2014 den größten Lohnzuwachs seit 2010. Unser flexibler Ar- beitsmarkt ermöglicht erst die Rekordbeschäftigung von 42,1 Millionen Beschäftigten, welche 2014 erwartet werden. Diese Flexibilität dürfen wir nicht gefährden. Eine wachstumsfreundliche Wirtschaftspolitik ist im- mer noch das beste Investitionsprogramm. Es wird we- nig nützen, durch konkrete Maßnahmen private Investi- tionen fördern zu wollen, wenn die Unternehmen berechtigte Zweifel an der grundsätzlichen Ausrichtung der Wirtschaftspolitik hegen – Zweifel, die sie beispiels- weise immer wieder durch Ihre wachstumsfeindliche Energiepolitik schüren. International liegt Deutschland auf der globalen Wettbewerbsfähigkeitsrangliste des Weltwirtschaftsforums auf Platz fünf – nur hinter der Schweiz, Singapur, den USA und Finnland. Gelobt wer- den vor allem die gute Infrastruktur, die Rechtssicher- heit, die hohe Kompetenz deutscher Unternehmen bei der Organisation von Prozessen und die Stärken bei Innovationen sowie Forschung und Entwicklung. Um die Wettbewerbsfähigkeit aufrechtzuerhalten, müssen wir diese Stärken erhalten, und außerdem neue Akzente setzen. Ein wichtiges Signal für den Arbeits- markt setzen wir auch mit der Digitalen Agenda 2014 bis 2017. Die Digitalisierung bietet unzählige Chancen für Innovation und Investitionen. Beim Breitbandausbau wird es bis 2018 in Deutschland eine flächendeckende Grundversorgung mit mindestens 50 Megabit pro Se- kunde geben. Außerdem werden wir mehr Investitionssi- cherheit für Netzbetreiber im ländlichen Raum schaffen. Für die nächsten Jahre kann also mit einer schrittweisen Korrektur der Leistungsbilanz auch durch einen stärke- ren Wachstumsbeitrag der Binnenwirtschaft gerechnet werden. Lassen Sie mich noch Folgendes betonen: Man wird diese Ungleichgewichte nicht über Nacht abbauen kön- nen – da werden auch Ihre Anträge wenig bis gar nichts helfen. Wenn die Standortbedingungen für Investoren gut sind, kann sich eine Investitionsdynamik im privaten Sektor entwickeln, die die Außenhandelsdefizite auto- matisch reduziert. Wir stehen gerade mitten in einer solchen Dynamik: Die Investitionen steigen sowohl im privaten als auch im öffentlichen Sektor. Wir legen die Grundlagen für diese positive Entwicklung und schaffen Stabilität für Investi- tionen. Wolfgang Tiefensee (SPD): In den vergangenen Jahren ist eine Reihe von neuen Verfahren zur besseren Koordinierung der Wirtschafts- und Finanzpolitiken auf europäischer Ebene entstanden. Diese Verfahren werden jetzt praktisch umgesetzt. Dies gilt auch und insbeson- dere für die jährliche Durchführung des Europäischen Semesters. Ein wichtiger Eckpfeiler des Europäischen Semesters ist die Vorlage der Nationalen Reformprogramme, NRP. Ein wichtiges Anliegen der Europäischen Kommission war es, das NRP auf eine möglichst breite gesellschaftli- che Basis zu stellen. Das Kabinett hatte das NRP im April des Jahres verabschiedet. Er ist eine Grundlage für die nächsten „Länderspezifischen Empfehlungen“ an die einzelnen Mitgliedstaaten. Die wesentlichen Inhalte des deutschen NRP 2014 sind die Länderspezifischen Empfehlungen, Europa 2020 und der Euro-Plus-Pakt: Die Bundesregierung be- richtet im NRP über die Umsetzung der Empfehlungen des Rates der Europäischen Union an Deutschland. Der Bericht macht deutlich: Die Bilanz kann sich sehen las- sen. In nahezu allen angesprochenen Bereichen – öffent- liche Finanzen, Arbeitsmarkt und Erwerbsbeteiligung, Energie und Wettbewerb – kann Deutschland erhebliche Fortschritte im Sinne der Empfehlungen vorweisen. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. November 2014 6333 (A) (C) (D)(B) Auch im Hinblick auf die Europa-2020-Ziele kann Deutschland Erfolge verzeichnen. Zum Beispiel ist das Ziel eines Anteils von Forschung und Entwicklung am Bruttoinlandsprodukt von 3 Prozent erreicht. In den Be- reichen Beschäftigung, Bildung und Armut haben wir erneut einige unserer Ziele übererfüllt. Die Bundesregierung berichtet im NRP zudem über die Umsetzung des Aktionsprogramms 2013 für den Euro-Plus-Pakt und stellt das neue Aktionsprogramm 2014 vor. All dies zeigt: Die Bundesregierung setzt sich intensiv mit den europäischen Empfehlungen auseinan- der und nimmt ihre Verpflichtungen ernst. Im Rahmen des diesjährigen NRP nimmt die Bundes- regierung darüber hinaus Stellung zur sogenannten vertieften Analyse Deutschlands im Rahmen des Makro- ökonomischen Ungleichgewichtsverfahrens. Die Euro- päische Kommission hat hier insbesondere den deut- schen Leistungsbilanzüberschuss untersucht, und wir teilen die Auffassung der Kommission, dass die Wettbe- werbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft ein wichtiger Stützpfeiler für Europa ist. Mit der Umsetzung der im Koalitionsvertrag verabredeten Maßnahmen werden wir – wie von der Kommission angeregt – die staatlichen In- vestitionen und damit das Wachstumspotenzial stärken. Aber kommen wir zu Ihrem Antrag, liebe Kollegin- nen und Kollegen, der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen. Wie ich Ihnen bei der ersten Lesung Ihres Antrags mitteilte, sind die Vorwürfe Ihres Antrags, die Bundes- regierung habe weder die Ursachen der Leistungsbilanz- überschüsse ausreichend analysiert noch konsequent Ge- genmaßnahmen eingeleitet, unzutreffend. In Ihrem Antragsentwurf wird der deutsche Leis- tungsbilanzüberschuss mitverantwortlich für die Krise einiger Euro-Länder gemacht, da er zu den Kreditblasen in diesen Ländern beigetragen habe. Hauptursächlich für die Überschüsse sei die schwache Binnennachfrage. Da- hinter stünden die schwache staatliche und private Inves- titionstätigkeit sowie die schwache Lohnentwicklung. Wir sind allerdings der Meinung, dass die Bundesre- gierung die Ursachen der Leistungsbilanzüberschüsse sehr umfassend analysiert und sehr konsequent Gegen- maßnahmen eingeleitet hat. In dieser Frage unterschei- den wir uns von den Autoren dieses Antrags. Zu den Maßnahmen, die auch die Binnennachfrage stärken, zählen unter anderem die Einführung eines ge- setzlichen Mindestlohnes, die Erhöhung der Investitio- nen im Bereich öffentliche Infrastruktur – insbesondere im Verkehrsbereich. Für Letzteres werden 5 Milliarden Euro vom Bund bis 2017 zusätzlich für die Verkehrsin- frastruktur eingesetzt. Hinzu kommt die weitere Entlas- tung von Kommunen und Ländern, nicht zuletzt durch die heute im Parlament verabschiedete Reform des BAFöG. So können die Kommunen und Länder ihren Aufgaben bei Krippen, Kitas, Schulen und Hochschulen besser nachkommen. Dafür sind im Zeitraum bis 2017 insgesamt rund 10 Milliarden Euro zusätzlich vorgese- hen – sowie die Verbesserung der Rahmenbedingungen für private Investitionen. Etliche dieser Maßnahmen überschneiden sich mit den Forderungen Ihrer Fraktion. Daher zeugt Ihr Antrag von einer sehr selektiven Lektüre des NRP 2014; dem können wir daher nicht zustimmen. Die in Ihrem Antrag aufgeführte Forderung, einen nationalen Energiesparfonds zur Finanzierung unter an- derem von energetischen Sanierungen zu errichten, hatte ich bereits in der letzten Debatte abgelehnt. Ich hatte schon mitgeteilt, dass das eine recht unüberlegt vorgetra- gene Forderung sei, welche die Gretchenfrage, nämlich wo so viele finanzielle Mittel herkommen sollen, nicht beantwortet. Denn 3 Milliarden aus dem Abbau von klima- und umweltschädlichen Subventionen zu gewin- nen, ist sehr anspruchsvoll. Wir gehen einen soliden Weg und stellen im aktuellen Haushalt für dieses Jahr 1,8 Milliarden Euro für die Förderung des energetischen Bauens und Sanierens bereit. Das sind 1,5 Milliarden aus dem KfW-Programm – Zinsvergünstigungen. Dazu kommen 300 Millionen Euro Zuschüsse an Privateigen- tümer zur Förderung von Maßnahmen zur energetischen Gebäudesanierung. Zudem gibt es das Programm „Ener- getische Stadtsanierung“, aus dem quartiersbezogene Konzepte und deren Umsetzung gefördert werden. Auf Ihre Forderung, mehr Investitionsanreize für Un- ternehmen zu schaffen, bin ich ebenfalls schon in der letzten Debatte eingegangen und möchte dies jetzt nicht wiederholen. Denn gerade diese Koalition legt besonde- ren Wert auf eine stärkere Ausrichtung der Wirtschafts- politik auf Investitionen und Innovationen sowie auf eine verstärkte Koordinierung der Wirtschaftspolitik auf internationaler Ebene. Das BMWi hat erreicht, dass es im Rahmen der Euro- päischen Struktur- und Investitionsfonds gelungen ist, bis 2020 für Deutschland ausreichend Spielräume – 27,5 Milliarden Euro – zu gewinnen, die auch zur In- vestitionsförderung eingesetzt werden können. Unsere Wirtschaftspolitik ist immer auch Industriepolitik. An- fang der 2000er-Jahre haben andere Länder stärker auf Dienstleistungen, insbesondere im Finanzbereich, ge- setzt. Deutschland hat seine Industrien hingegen nicht aufgegeben, sondern weiterentwickelt. Auf unserem Programm stehen auch die „Leit- märkte“. Damit ist gemeint, dass dort, wo Potenziale für Wachstum und Beschäftigung existieren, die Industrie gestärkt bzw. erneuert werden soll. Im Wirtschaftskapitel werden folgende Leitmärkte definiert: Maschinen- und Anlagenbau, neue Werkstoffe, Mobilität und Logistik, Informations-und Kommunikationswirtschaft, Energie- und Umweltwirtschaft, Medien- und Kreativwirtschaft sowie Gesundheitswirtschaft und Medizintechnik. Gemeinsam mit den Gewerkschaften und den Unter- nehmen wollen wir neue Potenziale erkennen und heben. Das gilt zum Beispiel im Hinblick auf das Feld „Indus- trie 4.0“, also bei der stärkeren Digitalisierung von Pro- duktionsprozessen in klassischen Industrien. Bei der Elektromobilität verfolgt die SPD einen technologieoffe- nen Ansatz. Dieser kommt auch zum Tragen in der For- derung nach einem KfW-Programm zur Förderung be- sonders umweltfreundlicher Fahrzeuge. Die Mittel für das wichtige Zentrale Innovationsförderprogramm Mit- 6334 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. November 2014 (A) (C) (D)(B) telstand, ZIM, werden im Haushaltsentwurf für 2015 nochmals angehoben. Auch auf Ihr Argument, ein europäisches Investi- tionsprogramm zu stärken, bin ich letztes Mal schon ein- gegangen. Nun hat aber gerade die deutsche Sozialde- mokratie einen erheblichen Anteil daran, dass die Mittel der Europäischen Investitionsbank deutlich erhöht wur- den. Und dort wird kein Geld nach dem Gießkannen- prinzip verteilt, sondern Geld geht in sinnvolle Projekte, die in einem sorgfältigen Prozess ausgewählt wurden und maßgeblichen positiven Einfluss auf die Infrastruk- tur und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit von Emp- fängerländern haben. Zu Jahresbeginn wurde der Mehrjährige Finanzrah- men der EU in Kraft gesetzt. Damit steht frisches Geld über die Struktur- und Investitionsfonds zur Verfügung. Deshalb bleiben die Mitgliedstaaten aufgerufen, zügig ihre Projekt- und Programmvorstellungen zu entwickeln und das Geld abzurufen. Zu guter Letzt möchte ich Sie noch auf die Arbeit ei- nes Expertengremiums beim Bundesminister für Wirt- schaft und Energie hinweisen, das sich um die Stärkung der Investitionen in Deutschland kümmern und entspre- chende Vorschläge erarbeiten soll. Entgegen Ihrer Auf- fassung ist es ein wichtiges Anliegen Sigmar Gabriels, zu einer weiteren Stärkung der privaten und öffentlichen Investitionen beizutragen. Denn Investitionen sind ein Schlüsselfaktor für eine Stärkung von Wachstum und Beschäftigung in Deutschland. In den nächsten Monaten wird das Bundesministe- rium für Wirtschaft und Energie weitere Handlungs- optionen prüfen, um die gesamtwirtschaftliche Investi- tionsdynamik zu stärken. Es geht dabei zum einen darum, die Rahmenbedingungen für private Investitionen zu ver- bessern und Investitionshemmnisse abzubauen. Zum an- deren geht es um Konzepte, wie in Zukunft der Erhalt und der Ausbau der öffentlichen Infrastruktur finanziert werden kann. Dafür soll insbesondere privates Kapital mobilisiert werden. Thomas Nord (DIE LINKE): Mit Beginn der dritten Stufe der europäischen Wirtschafts- und Währungsunion am 1. Januar 1999 sind die Geld- und die Wechselkurs- politik in die gemeinschaftliche Verantwortung überge- gangen. Um realwirtschaftliche Verwerfungen innerhalb der WWU zu vermeiden und die Stabilität der gemein- samen Währung zu sichern, sehen der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, AEUV, und der Stabilitäts- und Wachstumspakt eine verstärkte haus- haltspolitische Überwachung und Koordinierung der Wirtschaftspolitiken der Mitgliedstaaten der EU vor. Die Nationalen Reformprogramme, NRP, bilden das wirtschaftspolitische Gegenstück zu den Stabilitäts- und Konvergenzprogrammen. In den jährlich erstellten Na- tionalen Reformprogrammen stellen die Mitgliedstaaten dar, mit welchen Reformmaßnahmen sie die Ziele der Europa-2020-Strategie und die sogenannten integrierten Leitlinien – Grundzüge der Wirtschaftspolitik, beschäfti- gungspolitische Leitlinien – erreichen wollen und wel- che Fortschritte sie im vergangenen Jahr erreicht haben. Nun will ich hier die Kritik der Linken an der Strategie „Europa 2020“ nicht detailliert wiederholen, sie ist die Fortführung der gescheiterten Lissabon-Strategie und in- sofern aus unserer Sicht kein guter Bewertungsmaßstab für ein stabiles und soziales Europa. Der Antrag von Bündnis 90/Die Grünen thematisiert aus Sicht der Linken eine wichtige Kritik und benennt die auch aus unserer Sicht hochproblematischen makro- ökonomischen Ungleichgewichte als eine Ursache der derzeitigen Krise der EU. Was dem einen sein Haben, ist dem anderen sein Soll. Wenn auf der einen Seite ein hoher Überschuss entsteht, also ein sehr hohes Haben, dann ist es nur logisch, das auf der anderen Seite ein sehr hohes Soll entsteht. Das Ungleichgewicht kann eine solch große Schlagseite bekommen, dass die Asym- metrie der Leistungsbilanzungleichgewichte vollständig technisch, aber eben auch politisch, wirtschaftlich und sozial dysfunktional wird. In einer solchen Situation steht die Fortdauer des Euro, aber auch die jetzige Verfasstheit der Europäischen Union auf dem Spiel. Und die momentanen politischen Spannungen zwischen Deutschland und Frankreich belegen dies eindrucksvoll, wenn nicht schon gar ein bisschen beängstigend, wenn man an die 30 Prozent Umfragewerte für Marine Le Pen und ihr Programm zur Einführung eines neuen Franc denkt. Nun gibt es zwei Möglichkeiten, für einen Ausgleich der Bilanzen in einer gemeinsamen Wirtschafts- und Währungsunion zu sorgen. Die eine Möglichkeit ist es, zwischen den Mitgliedstaaten des Euro einen Ausgleich zu organisieren, in etwa nach dem Vorbild des Länder- finanzausgleichs. Aber dazu fehlt der politische Wille in allen Staaten. Die andere Möglichkeit ist es, die Unter- schiede zwischen den Mitgliedstaaten zu akzeptieren und eine Form des Ausgleichs innerhalb der Bilanzen der jeweiligen Mitgliedstaaten zu organisieren. Nun hat gerade die Bundesregierung unter Kanzlerin Merkel sich dafür stark gemacht, das in der neuen Economic Gover- nance der EU die Bilanzüberschüsse nicht sanktionsfä- hig sind, sondern nur die Defizite. Wenn man aber von Gleichgewichten spricht und zugleich das Modell der mitgliedstaatsbezogenen Austarierung befürwortet, muss man schon beide Seiten betrachten. Das heißt hier, die Binnenseite der Bilanz zu stärken. Der Euro bietet der traditionell stark außenpolitisch orientierten deutschen Wirtschaft einen globalen Wettbe- werbsvorteil. Denn hätte nur Deutschland den Euro oder eine Alleinwährung, müsste es diese im Vergleich erheb- lich aufwerten, worunter die Exportvorteile schwinden würden. Die Wirtschaft ist in Deutschland von 2000 bis 2013 um fast 14 Prozent gewachsen. Die Unternehmens- und Vermögenseinkommen haben in diesem Zeitraum um rund 31 Prozent zugelegt. Die Bruttolöhne und -ge- hälter je Beschäftigtem hingegen sind um rund 2 Prozent gesunken. Einkommenszuwächse gab es nur bei den Spitzeneinkommen. Am unteren Ende der Einkommens- skala kam es zu weiteren Rückgängen. Jeder vierte Be- schäftigte in Deutschland arbeitet für einen Niedriglohn. Die Einführung von Hartz IV hat ein Angstregime eta- bliert, mit dem bei Arbeitnehmern und Arbeitnehmerin- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 13. November 2014 6335 (A) (C) (D)(B) nen die Bereitschaft zur Lohnzurückhaltung gestärkt wurde. Laut EU-Kommission haben die privaten Haushalte in Deutschland mehr gespart; für eine ausgeglichene Bilanz ist es notwendig, die Verteilung von Einkommen und Vermögen gerechter zu gestalten. Aber auch die privaten Unternehmen investieren zu wenig, die öffent- lichen Investitionen sind viel zu gering. Die Binnen- nachfrage sollte durch öffentliche Investitionen – insbe- sondere Infrastrukturmaßnahmen – gesteigert werden. Deutliche Lohnsteigerungen sind gerade für Arbeitneh- merinnen und Arbeitnehmer am unteren Ende der Lohn- skala nötig. Dies erfordert ein konsequentes Verbot von Leiharbeit und sachgrundlosen Befristungen, die Verhin- derung des Missbrauchs von Werkverträgen sowie die Abschaffung des Zwangssystems Hartz IV. Die Stabili- tätswarnung der EU-Kommission hat bei der Bundesre- gierung dazu geführt, dass sie ein Mindestlöhnchen ein- geführt hat, man solle ja nicht meinen, in der schwarz- roten Koalition wäre über Nacht ein sozialpolitisches Denken eingezogen. Die Linke fordert 10 Euro pro Stunde ohne Ausnahmen für die Stärkung der Binnen- nachfrage. Die Steuerpolitik muss gerechter gestaltet werden durch eine höhere Besteuerung von großen Erb- schaften und Finanzgeschäften sowie die Einführung ei- ner Millionärssteuer. Die Linke fordert außerdem ein nachhaltiges Investitionsprogramm für den sozialökolo- gischen Umbau und zugunsten von Bildung, Gesundheit, Klimaschutz, Infrastruktur und Verkehr. Im Antrag von Bündnis 90/Die Grünen ist aus unserer Sicht das Problem in einer zutreffenden Weise benannt, allerdings wird darin aus unserer Sicht die aus dieser Analyse zu ziehende politische Konsequenz gescheut, und deshalb enthält sich die Fraktion Die Linke in der Abstimmung über diesen Antrag. Katharina Dröge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es ist noch nicht so lange her, da haben wir schon einmal über EU-Verfahren zu den makroökonomischen Un- gleichgewichten diskutiert. Ich habe Sie als Regierungs- fraktionen und die Bundesregierung damals aufgefor- dert, die wirtschaftspolitische Steuerung in der EU endlich ernst zu nehmen und im Rahmen des Nationalen Reformprogramms eine Antwort darauf zu formulieren, wie die deutsche Investitionsschwäche behoben werden kann. Das war im April, also vor etwas mehr als einem halben Jahr. Damals erzählten Sie uns, sehr geehrte Kol- leginnen und Kollegen von Union und SPD, dass das mit den Investitionen doch alles kein Problem sei. Die Bun- desregierung würde hier alles Nötige tun, um das Pro- blem zu lösen. Unsere Forderungen seien quasi erledigt. Nur ein paar Monate später stellen wir fest, wie viel Gehalt in diesen Worten steckte: reichlich wenig. Alle Mahnungen führender nationaler und internationaler Wissenschaftler und Institutionen wie der EZB, des IWF und der Europäischen Kommission für eine aktivere Fis- kalpolitik, für ein entschlossenes Vorgehen gegen die In- vestitionsschwäche haben Sie bisher ignoriert. Jetzt trübt sich die Konjunktur in Deutschland ein, und die Gefahr der Deflation im Euro-Raum wird immer konkreter. Das ist auch Ihre Verantwortung, meine Da- men und Herren von Union und SPD. Durch Untätigkeit und Zögern haben Sie das Problem der schwachen Bin- nennachfrage und der mangelnden Investitionen in Deutschland verschärft, und dies hat auch Auswirkun- gen auf den gesamten Euro-Raum. Sehr geehrte Kolle- ginnen und Kollegen von CDU und SPD, man muss den Eindruck gewinnen, dass die ökonomischen Zeichen lei- der tatsächlich so deutlich werden mussten, damit Sie es nicht mehr schaffen, sie komplett zu ignorieren. Jetzt ringen Sie sich durch, zusätzliche Investitionen zu tätigen – 10 Milliarden Euro in den kommenden drei Jahren. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung, zwei- fellos. Allein, er ändert rein gar nichts an den großen He- rausforderungen, vor denen unser Land steht. Bildung, Infrastruktur, Klimaschutz – wer jetzt nicht investiert, verspielt unsere Zukunft. Da reichen 10 Milliarden Euro, noch dazu über drei Jahre verteilt, hinten und vorne nicht. Wie wenig entschlossen Sie handeln, zeigt ein Beispiel: Allein durch den Abbau umweltschädlicher Subventionen und die Abschaffung des Betreuungsgel- des könnten Sie kurzfristig ein Dreifaches des von Ihrer Regierung angepeilten Betrags finanzieren. Das ist ein weiterer Trippelschritt in Angela Merkels Wirtschaftspolitik, die weder Ziel noch Richtung kennt. Sie versucht nur, der wirtschaftlichen Entwicklung hin- terherzulaufen. Dabei ist es gerade in der Wirtschafts- politik entscheidend, dass die Politik auch einen Kurs vorgibt und den Unternehmen und Beschäftigten Ziele aufzeigt, an denen sie sich orientieren können, und Ver- trauen in die Zukunft erzeugt. Gerade private Investitio- nen fußen auf Erwartungen in künftige Entwicklungen: der Konjunktur, der Nachfrage und der Preise, aber auch der Fachkräfte und der Infrastruktur eines Standorts. Diese Erwartungen könnten Frau Merkel, Herr Schäuble und Ihre Bundesregierung mit klaren Zielen zu öffentli- chen Investitionen in den Breitbandausbau, in Klima- schutz und Energieeffizienz, in die Bildung und Betreu- ung stabilisieren. Stattdessen haben Sie versucht, Ihr Nichthandeln mit einem durchschaubaren Manöver zu verdecken. Sie ha- ben den ausgeglichenen Haushalt – keine neuen Schul- den 2015 – zu ihrem Prestigeobjekt erklärt, weil Sie wis- sen, dass das erst mal gut klingt, erzählen Sie davon landauf, landab. Aber Ihr Haushalt ist durch die falschen Prioritäten im Gegenteil weder ausgeglichen noch nach- haltig. Sie verschieben die Schulden lediglich in die Zu- kunft. Sie verschulden sich bei künftigen Generationen, indem Sie heute notwendige Investitionen in die Instand- haltung von Brücken und Schienen oder in die Sanierung maroder Schulgebäude nicht heute tätigen, obwohl sie jetzt anstehen. Sie verschieben das alles auf übermorgen; damit müssen kommende Generationen Ihre Rechnung bezahlen. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der Union und der SPD, Europa braucht eine Wirtschafts- politik in Deutschland, die jetzt entschlossen handelt. Wachen Sie endlich auf aus Ihrem Dornröschenschlaf, und nehmen Sie die makroökonomischen Probleme ernst, die Ihnen die EU-Kommission in ihrem Bericht aufgeschrieben hat. 66. Sitzung Inhaltsverzeichnis TOP 3 Vereinbarte Debatte zum Thema: Sterbebegleitung TOP 4 Langzeitarbeitslosigkeit TOP 21 Mietrecht ZP 2 Überweisungen im vereinfachten Verfahren TOP 27 Abschließende Beratungen ohne Aussprache TOP 6 Wahl Stiftung „Deutsches Historisches Museum“ ZP 3 Aktuelle Stunde zur Abschaltung von Kohlekraftwerken und zu Klimazielen TOP 7 Änderung des Grundgesetzes (Artikel 91b) TOP 8 Partizipationsrechte für Kinder und Jugendliche TOP 13 Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes TOP 10 Sanktionen gegen Russland TOP 9 Bundeswehreinsatz in Südsudan (UNMISS) TOP 27 a Investitionsquote und Binnennachfrage TOP 11 Bundeswehreinsatz in Darfur (UNAMID) TOP 14 Haushaltskontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit TOP 15 Verantwortung für Produktion in Entwicklungsländern TOP 16 Antibiotika in der Tierhaltung TOP 17 Dreigliedriger EU-Sozialgipfel TOP 18 Rechtsstellung von asylsuchenden Ausländern TOP 19 EU-Übereinkommen über die Adoption von Kindern TOP 20 EU-Richtlinie über europäische Schutzanordnung Anlagen
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Valerie Wilms


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen!

    Meine Damen und Herren! Jeder Mensch kommt auf die
    Welt und verlässt diese auch wieder. So ist der Lauf der
    Dinge. In einem langen Prozess der Schaffung einer mo-
    dernen, aufgeklärten und demokratischen Gesellschaft
    haben wir es geschafft, den Menschen verbindliche
    Rechte mitzugeben. Es ist uns sogar gelungen, nach vie-
    len Gräueln durch Kriege, die Menschenrechte weltum-
    spannend in der Charta der Vereinten Nationen zu fixie-
    ren. Dafür sind wir heute dankbar.

    In Deutschland wurde die Todesstrafe erst vor drei
    Generationen abgeschafft. Die Gesellschaft war bis zu
    dieser Zeit Richter über Leben und Tod. Das entspricht
    nicht dem Verständnis von Menschenrechten, das wir
    heute in einer aufgeklärten, modernen Gesellschaft ha-
    ben. Darum bin ich froh, in Deutschland zu leben, wo
    die Menschenrechte Verfassungsrang haben. Allein ein
    Blick in den Artikel 1 unseres Grundgesetzes zeigt uns,
    welche Aufgabe wir als Abgeordnete unseres gesamten
    Volkes haben, also als Delegierte auf Zeit: Wir müssen
    die Würde der Menschen hier im Land und ihre Men-
    schenrechte schützen.


    (Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)


    Zur Menschenwürde gehört auch, sich bei klarem
    Verstand für einen frei verantwortlichen Suizid zu ent-
    scheiden. Bettina Schöne-Seifert zeigt in ihrem sehr
    nachdenklichen Artikel in der Frankfurter Allgemeinen
    Zeitung vor wenigen Tagen deutlich, dass es dabei nicht
    um Suizidabsichten im Affekt oder unter Drogen geht.
    Frei verantwortliche Selbsttötung ist in Deutschland zu-
    lässig. Das ist unbestritten, seit nunmehr 250 Jahren.





    Dr. Valerie Wilms


    (A) (C)



    (D)(B)

    Derzeit lassen wir diese Menschen aber mit ihrem
    Wunsch allein. Sie erhalten keine ärztliche Hilfe. Sterbe-
    hilfe ist hier nach dem Trauma der menschenverachten-
    den Naziherrschaft ein Tabuthema. Wenn ich jedoch die-
    ses Thema anspreche, dann schallt mir in breiter Front
    der Wunsch entgegen, bei Bedarf selbst aus dem Leben
    scheiden zu können, und das in Würde. Ich habe den
    Eindruck, viele Menschen wünschen sich hier endlich
    eine Lösung von der Politik; sie wünschen sich, wenn
    nötig, ärztliche Hilfestellung bei der Erfüllung des Wun-
    sches, selbst aus dem Leben zu scheiden.


    (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE])


    Dürfen wir das den Menschen in unserem Land län-
    ger vorenthalten? Das ist nach meiner Auffassung die
    zentrale Frage, über die wir im Rahmen der Debatte zur
    Sterbehilfe entscheiden müssen. Oder wollen wir den
    Kopf weiter in den Sand stecken? Dann sind diese Men-
    schen in unserem Land bei der Erfüllung ihres Sterbe-
    wunsches weiterhin darauf angewiesen, eine brutale
    Form der Lebensbeendigung zu wählen. Es gibt viele
    brutale Methoden, das Leben zu beenden, und häufig
    werden dabei auch nicht betroffene Menschen traumati-
    siert oder verletzt; ich denke da zum Beispiel an ICE-
    Lokführer.


    (Beifall der Abg. Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


    Werte Kolleginnen und Kollegen, solch würdelose Me-
    thoden dürfen wir den Menschen hier im Lande nicht
    mehr länger zumuten.


    (Michael Brand [CDU/CSU]: Wer will das?)


    Wie kann eine Lösung aussehen, die ein würdevolles
    selbstbestimmtes Sterben ermöglicht, ohne dass dabei
    andere Menschen gefährdet werden? Sie liegt sicherlich
    nicht darin, weiterhin aktive Sterbehilfe zu verbieten,
    nicht darin, zu versuchen, die schon vorhandenen Ster-
    behilfevereine zu verbieten, auch nicht darin, Ärzten mit
    dem Standesrecht zu drohen, oder darin, Palliativmedi-
    zin als Ersatz anzubieten.

    Gerade die Palliativmedizin wird oft vordergründig
    als Lösung angeboten, um ein „schmerzloses Sterben in
    Würde“ zu ermöglichen. Aber reicht ein mögliches Ster-
    ben in Schlafnarkose wirklich aus, um die Selbstbestim-
    mung der Menschen beim Sterben zu gewährleisten?
    Dazu sage ich eindeutig Nein. Denn diejenigen, die ein
    selbstbestimmtes Sterben erbitten, erleben den mit der
    Palliativmedizin verbundenen Autonomieverlust als ent-
    scheidende Einschränkung ihrer Handlungsmöglichkei-
    ten. Wir nehmen ihnen am Ende die Kontrolle über den
    eigenen Körper und die Kommunikation mit anderen
    Menschen. Mit dem Ausweg Palliativmedizin wird ih-
    nen eine Unmündigkeit ihres eigenen Handelns aufge-
    zwungen, nach der Devise: Schmerzfreiheit ja, aber
    durchhalten müssen sie schon bis zum natürlichen
    Ende. – Nirgendwo in unseren Gesetzen steht geschrie-
    ben, dass wir ein naturgewolltes Ende unseres Lebens
    zwingend abwarten müssen.
    Werte Kolleginnen und Kollegen, werfen wir einen
    Blick auf den Fall Udo Reiter, ein aktuelles Beispiel aus
    der Gesellschaft. Der ehemalige Intendant des MDR hat
    sich dazu entschieden, in freier, eigener Verantwortung
    aus dem Leben zu scheiden. Dazu musste er sich eine
    Waffe besorgen. Muss das heute wirklich noch sein?


    (Beifall des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE] – Dr. Eva Högl [SPD]: Das wollen wir auch nicht!)


    Werfen wir einen Blick über die Landesgrenzen, nach
    Holland oder Belgien. Dort gibt es nicht nur eine akzep-
    tierte und transparente Praxis der Sterbehilfe; sogar die
    aktive Sterbehilfe ist erlaubt. So ist für Betroffene wirk-
    lich Selbstbestimmung möglich, auch bei der Beendi-
    gung ihres Lebens, ohne die Gefährdung anderer. Von
    einem Anstieg der Suizidzahlen ist dort nichts zu erken-
    nen, auch wenn das fälschlicherweise immer wieder be-
    hauptet wird.

    Lassen Sie mich hier zu meinen Schlussfolgerungen
    kommen. Wir sollten hier in diesem Parlament nicht
    nach Verboten suchen, sondern eine Lösung finden, mit
    der jeder frei verantwortbare Wunsch nach Suizid akzep-
    tiert wird. Die dafür nötige auch ärztliche Hilfe müssen
    wir ermöglichen. Sie darf weder unter Strafe gestellt
    werden noch einer standesrechtlichen Sanktion unterste-
    hen. Nur so schaffen wir den von vielen Menschen hier
    im Land gewünschten Sterbehilfeliberalismus.

    Vielen Dank.


    (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und der LINKEN)




Rede von Peter Hintze
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

Als nächster Rednerin erteile ich das Wort der Abge-

ordneten Dr. Kristina Schröder, CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Kristina Köhler


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)


    Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir

    haben heute viel über Menschenwürde gesprochen, und
    wir sind uns alle einig: Dem menschlichen Leben kommt
    in jedem Stadium und in jeder Situation die unveräußer-
    liche Menschenwürde zu. Niemand kann und darf von
    außen sagen, dass menschliches Leid, so unerträglich es
    ist, mit der menschlichen Würde nicht vereinbar sei, zu-
    mal es doch immer wieder erstaunlich und für uns Ge-
    sunde auch hoffnungsstiftend ist, zu sehen, wie sehr
    schwerstkranke Menschen, die aus unserer Sicht phy-
    sisch und psychisch Schreckliches erdulden müssen, ihr
    Leben als lebenswert und jeden Tag als sinnstiftend und
    beglückend empfinden.

    Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, gehört nicht
    auch zur Menschenwürde, dass der Mensch selbst das
    Gefühl hat, über sie zu verfügen? Wenn alle palliativme-
    dizinischen Möglichkeiten ausgeschöpft sind und ein
    sterbender Mensch sein eigenes Leid und das, was es mit
    ihm anrichtet, selbst nicht mehr als seiner Menschen-
    würde gemäß empfindet – was ist dann? Natürlich ändert
    dieses subjektive Empfinden nichts an seiner objektiven





    Dr. Kristina Schröder (Wiesbaden)



    (A) (C)



    (D)(B)

    Menschenwürde; das ist glasklar. Aber haben wir in ei-
    ner solchen Situation wirklich das Recht, zu sagen: „Das
    musst du jetzt ertragen“? Ich glaube, dass es in diesen
    wenigen Fällen, um die es uns hier geht, ein Gebot der
    Nächstenliebe und auch ein Gebot der Menschenwürde
    ist, diesen Menschen zu ermöglichen, so zu sterben, wie
    sie es ihrer eigenen Menschenwürde gemäß empfinden.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


    Viele Redner – auch in der heutigen Debatte – haben
    trotz unterschiedlicher Positionen anerkannt, dass es
    diese menschlichen Grenzsituationen gibt. Viele sagen
    dann jedoch: Aber das sollten wir nicht explizit gesetz-
    lich regeln. Einen ärztlich assistierten Suizid in so einer
    Situation müssen die Mediziner selbst verantworten. –
    Ich finde diese Haltung, ehrlich gesagt, ein wenig feige.
    Wenn wir heute als Gesetzgeber sagen: Ja, es gibt diese
    menschlichen Grenzsituationen – selten zum Glück, aber
    es gibt Situationen, in denen die Palliativmedizin ver-
    sagt, in denen der ärztlich assistierte Suizid eine mensch-
    liche Antwort sein kann –, dann, finde ich, müssen wir
    als Gesetzgeber auch den Mut haben, dies in Gesetzes-
    form zu bringen. Denn sonst waschen wir zwar unsere
    Hände in Unschuld, überlassen es aber dem Patienten,
    dem sterbenskranken Patienten, abwägen zu müssen. Er
    muss dann abwägen: Bitte ich meinen vertrauten Arzt
    um Beistand, auch wenn er dadurch in Zukunft vielleicht
    seinen Beruf nicht mehr ausüben kann? Oder will ich
    diese Verantwortung nicht tragen und suche deswegen
    doch nach anderen Wegen des Suizids? – Diese Wege
    sind fast immer qualvoller und würdeloser, als es eine
    professionelle und empathische Unterstützung durch den
    Arzt sein kann.

    Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich weiß, dass viele
    von Ihnen das Bauchgefühl haben, dass unsere geltenden
    gesetzlichen Regelungen im Bereich der Sterbehilfe ei-
    gentlich ganz gut sind. Die organisierte Sterbehilfe wol-
    len viele verbieten; das unterstütze ich auch. Aber an-
    sonsten – so ein verbreitetes Empfinden – gibt es keinen
    großen Regelungsbedarf; wir lassen bereits heute einen
    angemessenen Freiraum, in dem Patient, Arzt und Ange-
    hörige einen guten Weg finden können.

    Gerade diejenigen unter Ihnen, die dieses Gefühl ha-
    ben, bitte ich, sich unsere Initiative ganz genau anzu-
    schauen. Sie werden feststellen, dass unser Weg ein sehr
    behutsamer ist.

    In diesem Zusammenhang wende ich mich besonders
    an die Kolleginnen und Kollegen in der Unionsfraktion.
    Sie alle kennen und schätzen Peter Hintze. Deswegen
    denken jetzt bestimmt ganz viele unter Ihnen: Peter
    Hintze ist wieder einmal mit einem total liberalen Kurs
    unterwegs. Liebe Kolleginnen und Kollegen: Das ist er
    diesmal nicht! Die Initiative, die Peter Hintze gemein-
    sam mit Kollegen anderer Fraktionen angestoßen hat,
    will an den bestehenden Regelungen nur ganz behut-
    same Korrekturen vornehmen.


    (Dr. Eva Högl [SPD]: Ganz behutsam!)


    Die aktive Sterbehilfe ist verboten und soll verboten
    bleiben. Die ärztliche Assistenz beim Suizid ist bereits
    jetzt in Deutschland vom Gesetzgeber nicht verboten.
    Wir wollen sie lediglich erstmals explizit zivilrechtlich
    regeln, um den Ärzten mögliche standesrechtliche Kon-
    sequenzen zu ersparen.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Michael Brand [CDU/CSU]: Das wäre ein Paradigmenwechsel!)


    Das sind behutsame Änderungen, für die wir werben;
    denn in unserer heutigen Regelung steckt schon viel: an
    menschlicher Erfahrung, an gesetzgeberischer Beschrän-
    kung und an Respekt vor dem Sterbenden und seinen
    Angehörigen. Ich bitte Sie, uns auf diesem behutsamen
    Weg zu unterstützen.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)