Rede von
Gabriela
Heinrich
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Her-
ren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Rizana Nafeek,
Ramiro Hernandez-Llanas und Rygor Yuzepchuk, diese
Namen stehen stellvertretend für Tausende von Hinge-
richteten weltweit pro Jahr, von denen Amnesty Interna-
tional berichtet. Rizana Nafeek ist am 9. Januar 2013 in
Saudi-Arabien hingerichtet worden. Ihr wurde vorge-
worfen, ein Kind getötet zu haben. Sie hatte unzurei-
chenden anwaltlichen Beistand. Ramiro Hernandez-
Llanas wurde am 9. April 2014 im US-Bundesstaat Te-
xas durch Gift hingerichtet. Er war geistig behindert.
Ihm wurde Mord an seinem Arbeitgeber vorgeworfen.
Rygor Yuzepchuk wurde im April 2014 in Weißrussland
wegen Mordes an einem Mithäftling hingerichtet. Weiß-
russland ist von Berlin keine 800 Kilometer entfernt.
Meine Damen und Herren, an dieser Stelle wären jetzt
eigentlich Zahlen zu nennen: In wie vielen Ländern der
Erde vergiftet, hängt, erschießt, steinigt der Staat noch
Menschen? Wie viele Hinrichtungen waren es 2013? Ich
verzichte darauf. Jeder Mensch, der heute in einer To-
deszelle auf seine Ermordung wartet, ist einer zu viel.
Ich halte fest: Wir fordern, die Todesstrafe weltweit
zu ächten und abzuschaffen. Die Gründe hierfür sind
einfach: Die Todesstrafe widerspricht dem wichtigsten
Menschenrecht, dem Recht auf Leben, und die Todes-
strafe lässt sich bei einem Justizirrtum nicht korrigieren.
Unser Antrag enthält genau diese Botschaft. Er be-
schreibt den Prozess, wie wir uns diesem Ziel annähern
und gegenüber welchen Ländern wir besonders aktiv
werden müssen. Darüber hinaus ist unser Antrag realis-
tisch. Denn wenn schon in einem Land die Todesstrafe
nicht sofort abgeschafft wird, dann sind zumindest – als
erster Schritt – Mindestnormen in Bezug auf die Todes-
strafe einzuhalten. Mindestnormen, das hört sich zynisch
an. Diese Forderung ist aber notwendig, wenn man sich
anschaut, aus welchen Gründen Menschen in den ver-
schiedenen Ländern mit der Todesstrafe bestraft werden:
Das sind Wirtschaftsdelikte, Ehebruch, Gotteslästerung
oder einvernehmlicher, gleichgeschlechtlicher Sex zwi-
schen Erwachsenen. In Ländern wie Iran, Saudi-Arabien
und Sudan steht auf Homosexualität die Todesstrafe.
Meine Damen und Herren, die Abschaffung der To-
desstrafe in der Welt zu fordern, ist wichtig. Darüber hi-
naus haben wir aber durchaus auch in Deutschland
Handlungsbedarf. Zwei Zitate:
Findet diese Dreckschweine und hängt sie auf!
Und:
Todesstrafe für so einen Abschaum! Und alle, die
mitgemacht haben, gleich mit verrecken lassen!
Diese Zitate stammen aus dem Oktober 2014, und diese
Zitate stammen von deutschen Facebook-Nutzern. Sie
finden sofort Kommentare dieser Art, sobald über
schwere Verbrechen berichtet wird.
Natürlich sind solche Kommentare nicht überzube-
werten. Geschützt durch die Anonymität des Netzes lässt
so mancher User jede Zurückhaltung fallen. Mich er-
schrecken der Hass und die Aggression, die in diesen
Kommentaren zum Ausdruck kommen. Die Kampagne
„No Hate Speech“, die vom Europarat unterstützt wird,
hat sich zum Ziel gesetzt, junge Menschen für jede Form
der Hassrede zu sensibilisieren. Solche Kommentare ge-
hören dazu, und sie machen etwas mit unserer Gesell-
schaft.
Denn auch aktuelle sozialwissenschaftliche Daten
können uns nicht egal sein: Umfragen zeigen, dass
25 Prozent der Deutschen der Meinung sind, der Staat
dürfe die Todesstrafe für Schwerverbrecher einführen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch wenn wir schon
seit längerem keine Diskussion in Deutschland mehr zur
Todesstrafe führen, müssen wir trotzdem immer wieder
deutlich machen, dass die Todesstrafe zivilisatorischen
Rückschritt bedeutet.
Reyhaneh Jabbari und Iwao Hakamada: Diese Men-
schen leben noch, veranschaulichen jedoch die Grau-
samkeiten der Todesstrafenpraxis. Reyhaneh Jabbari
– Sie sagten es schon, Herr Heinrich – sitzt im Iran in
der Todeszelle, weil sie einen Mann getötet hat, aus Not-
wehr, wie sie sagt, weil er sie vergewaltigen wollte. Iwao
Hakamada veranschaulicht wie kein anderer, dass die
Todesstrafe abgeschafft werden muss. Er saß 45 Jahre in
der Todeszelle in Japan. Vor kurzem hat sich durch einen
DNA-Test herausgestellt, dass er Opfer eines Justizirr-
tums sein könnte.
Danke schön.