Rede von
Arnold
Vaatz
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Da es ja eine Frage war: Frau Lemke, wenn meine
Äußerungen bei Ihnen diese Klarstellung bewirkt haben,
dann waren sie sehr sinnvoll.
Ein weiterer Punkt, der meines Erachtens ganz wich-
tig ist: Herr Claus, Sie haben vorhin ebenfalls mit großer
Selbstverständlichkeit erklärt, ob Sie aus der Verantwor-
tung für das, was in der DDR im Namen der SED ange-
richtet wurde, entlassen würden, würden Sie bestimmen.
Das ist ein Irrtum. Das bestimmen nicht Sie, sondern das
bestimmt die Geschichte, und das bestimmt das deutsche
Volk in Gestalt seiner Wähler.
– Und die Opfer. Auch das muss ich noch sagen.
Meine Damen und Herren, ich bin, wie gesagt, nicht
der Meinung, dass wir das damals der Freude und der
Güte der Sowjetführung zu verdanken hatten, sondern
eher ihrer Schwäche. Ich glaube auch heute nicht einen
Augenblick daran, dass unser Befreiungsversuch ge-
glückt wäre, wenn in Moskau damals eine Kraft vom
Kaliber der heutigen russischen Führung das Sagen ge-
habt hätte. Das muss gesagt werden.
Wenn ich mich an die Jahre 1989 und zuvor erinnere,
dann muss ich sagen: Alle Menschen, die in einer ähnli-
chen Lage waren wie wir damals, verdienen heute un-
sere Solidarität und unsere Unterstützung. Insofern
stimme ich Herrn Tiefensee hundertprozentig zu, dass
wir diese Aufgabe haben, und zwar egal, ob die Leute in
Nordkorea, in Kuba oder in der Ukraine leben. Wenn wir
diese Aufgabe nicht annehmen, dann haben wir einen
großen Teil dessen, was wir 1989 erkämpft haben, heute
verspielt. Das darf nicht sein.
Meine Damen und Herren, ich möchte noch eine Sa-
che nennen, die bei den vielen Erfolgsmeldungen ein
Stück weit untergegangen ist. Es gibt viele Statistiken.
Die sind toll und zeigen den Aufwuchs von damals. Es
gibt eine Kurve, die hat einen ganz besonderen Knick im
Jahre 1990. Das sagt sehr viel. Wissen Sie, welche
Kurve das ist? Das ist die Kurve der durchschnittlichen
Lebenserwartung. Wenn man es hochrechnet, beträgt der
Anstieg der Lebenserwartung bei Männern 45 Prozent.
Die Lebenserwartung von 65-jährigen Männern ist von
ursprünglich 12 Jahren auf 17,5 Jahre, also um 45 Pro-
zent, angestiegen. Auf diese Weise kann man sagen:
Wenn man dies über alle Generationen hochrechnet, so
sind nach der deutschen Wiedervereinigung den Ost-
deutschen ungefähr eine Milliarde neue Lebensjahre ge-
schenkt worden. Das ist eine ungeheure Sache.
Das Ganze geht einher mit einer Stagnation – das kön-
nen Sie alle überprüfen –, die von 1980 bis 1989 im Os-
ten angehalten hat. In dieser Zeit gab es keine Steigerung
der Lebenserwartung. Ich finde das ganz wichtig, denn
ohne gesteigerte Lebenserwartung sind die anderen gro-
ßen Segnungen überhaupt nicht genießbar. Wenn man tot
ist, ist einem der Lebensstandard egal.
Einen Punkt muss ich noch erwähnen. Wir haben ei-
nen gewaltigen Aufwuchs – ich glaube, hier ziehen wir
mit der Entwicklung in Westdeutschland sehr stark
gleich – im Bereich der Forschung. Dafür möchte ich
Frau Professor Dr. Wanka ganz herzlich danken. Ich
habe gehört, dass Ihre Mutter heute in Rosenfeld bei
Torgau der Debatte zuschaut. Vielleicht freut sie sich
über das Lob genauso wie Sie.
Ich finde das ganz toll.