(D)
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Montag, den 1. September 2014 4447
(A) (C)
(B)
Anlagen zum Stenografischen Bericht
Anlage 1
Liste der entschuldigten Abgeordneten
(D)
Abgeordnete(r)
entschuldigt bis
einschließlich
Aken van, Jan DIE LINKE 01.09.2014
Albsteiger, Katrin CDU/CSU 01.09.2014
Alpers, Agnes DIE LINKE 01.09.2014
Binder, Karin DIE LINKE 01.09.2014
Buchholz, Christine DIE LINKE 01.09.2014
Bulling-Schröter, Eva DIE LINKE 01.09.2014
Dr. Castellucci, Lars SPD 01.09.2014
Connemann, Gitta CDU/CSU 01.09.2014
Dağdelen, Sevim DIE LINKE 01.09.2014
Dr. Diaby, Karamba SPD 01.09.2014
Dittmar, Sabine SPD 01.09.2014
Dörner, Katja BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
01.09.2014
Ebner, Harald BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
01.09.2014
Färber, Hermann CDU/CSU 01.09.2014
Ferlemann, Enak CDU 01.09.2014
Fischer (Hamburg), Dirk CDU/CSU 01.09.2014
Fischer (Karlsruhe-
Land), Axel E.
CDU/CSU 01.09.2014
Flosbach, Klaus-Peter CDU/CSU 01.09.2014
Gohlke, Nicole DIE LINKE 01.09.2014
Griese, Kerstin SPD 01.09.2014
Groneberg, Gabriele SPD 01.09.2014
Gunkel, Wolfgang SPD 01.09.2014
Gutting, Olav CDU/CSU 01.09.2014
Hagl-Kehl, Rita SPD 01.09.2014
Hänsel, Heike DIE LINKE 01.09.2014
Hartmann
(Wackernheim),
Michael
SPD 01.09.2014
Heil (Peine), Hubertus SPD 01.09.2014
Höger, Inge DIE LINKE 01.09.2014
Hupach, Sigrid DIE LINKE 01.09.2014
Dr. Jung, Franz Josef CDU/CSU 01.09.2014
Dr. Jüttner, Egon CDU/CSU 01.09.2014
Koeppen, Jens CDU/CSU 01.09.2014
Körber, Carsten CDU/CSU 01.09.2014
Kretschmer, Michael CDU/CSU 01.09.2014
Krichbaum, Gunther CDU/CSU 01.09.2014
Dr. Kühne, Roy CDU/CSU 01.09.2014
Lanzinger, Barbara CDU/CSU 01.09.2014
Lehrieder, Paul CDU/CSU 01.09.2014
Dr. h. c. Michelbach,
Hans
CDU/CSU 01.09.2014
Möhring, Cornelia DIE LINKE 01.09.2014
Müller-Gemmeke, Beate BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
01.09.2014
Dr. Neu, Alexander S. DIE LINKE 01.09.2014
Nord, Thomas DIE LINKE 01.09.2014
Ostendorff, Friedrich BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
01.09.2014
Petzold, Ulrich CDU/CSU 01.09.2014
Rabanus, Martin SPD 01.09.2014
Reichenbach, Gerold SPD 01.09.2014
Roth (Heringen),
Michael
SPD 01.09.2014
Saathoff, Johann SPD 01.09.2014
Abgeordnete(r)
entschuldigt bis
einschließlich
Anlagen
4448 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Montag, den 1. September 2014
(A) (C)
(D)(B)
Anlage 2
Erklärung nach § 31 GO
der Abgeordneten Heike Baehrens, Doris Barnett,
Dr. Matthias Bartke, Bärbel Bas, Willi Brase,
Edelgard Bulmahn, Martin Burkert, Petra
Crone, Dr. Daniela De Ridder, Elvira
Drobinski-Weiß, Siegmund Ehrmann, Michaela
Engelmeier, Dr. h. c. Gernot Erler, Dr. Johannes
Fechner, Elke Ferner, Metin Hakverdi,
Sebastian Hartmann, Marcus Held, Christina
Jantz, Frank Junge, Josip Juratovic, Oliver
Kaczmarek, Dr. Bärbel Kofler, Daniela Kolbe,
Birgit Kömpel, Helga Kühn-Mengel, Hiltrud
Scharfenberg, Elisabeth BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
01.09.2014
Schieder, Marianne SPD 01.09.2014
Schlecht, Michael DIE LINKE 01.09.2014
Dr. Schlegel, Dorothee SPD 01.09.2014
Dr. Schröder
(Wiesbaden), Kristina
CDU/CSU 01.09.2014
Schwarzelühr-Sutter,
Rita
SPD 01.09.2014
Spiering, Rainer SPD 01.09.2014
Steinbach, Erika CDU/CSU 01.09.2014
Strenz, Karin CDU/CSU 01.09.2014
Tressel, Markus BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
01.09.2014
Dr. Verlinden, Julia BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
01.09.2014
Dr. Wagenknecht, Sahra DIE LINKE 01.09.2014
Weinberg, Harald DIE LINKE 01.09.2014
Wichtel, Peter CDU/CSU 01.09.2014
Wiese, Dirk SPD 01.09.2014
Wiese (Ehingen), Heinz CDU/CSU 01.09.2014
Willsch, Klaus-Peter CDU/CSU 01.09.2014
Woltmann, Barbara CDU/CSU 01.09.2014
Wunderlich, Jörn DIE LINKE 01.09.2014
Zöllmer, Manfred SPD 01.09.2014
Abgeordnete(r)
entschuldigt bis
einschließlich
Lotze, Katja Mast, Dr. Rolf Mützenich, Ulli
Nissen, Christian Petry, Sabine Poschmann,
Dr. Simone Raatz, Stefan Rebmann, Andreas
Rimkus, Annette Sawade, Ewald Schurer, Frank
Schwabe, Dr. Carsten Sieling, Norbert Spinrath,
Martina Stamm-Fibich, Sonja Steffen, Michael
Thews, Franz Thönnes, Carsten Träger, Ute
Vogt, Dirk Vöpel, Gülistan Yüksel, Dagmar
Ziegler (alle SPD) zur Abstimmung über den
von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD zu
der Abgabe einer Regierungserklärung durch
die Bundeskanzlerin eingebrachten Entschlie-
ßungsantrag „Humanitäre Hilfe für Flüchtlinge
im Irak und Kampf gegen die Terrororganisa-
tion IS“
Wir sehen mit großer Sorge die Verschärfung der si-
cherheitspolitischen und der humanitären Lage insbe-
sondere im Norden des Irak. Nach neuesten Zahlen der
Vereinten Nationen sind mittlerweile über 1,7 Millionen
Menschen auf der Flucht, davon circa 1 Millionen im
Gebiet der kurdischen Regionalregierung.
Wir begrüßen ausdrücklich die umfängliche humani-
täre Nothilfe der Bundesregierung für die Flüchtlinge,
die unter schwierigsten Bedingungen ihre Heimat verlas-
sen mussten und zum Teil nur ihr Leben retten konnten.
Es ist wichtig, dass die Bundesregierung mit circa
50 Millionen Euro diese Menschen unterstützt und eine
weitere substanzielle Aufstockung dieser Mittel in Aus-
sicht gestellt hat. Wir unterstreichen die bereits im Ent-
schließungsantrag angesprochene Notwendigkeit, dass
Deutschland und seine europäischen Partner großzügig
bei der Aufnahme von Flüchtlingen sein sollen.
Die Bundesregierung hat nach einem verantwortungs-
vollen Abwägungsprozess über die humanitäre Hilfe hi-
naus beschlossen, auch Waffen zur Verteidigung gegen
die militärisch überlegenen Truppen des ISIS in Abspra-
che mit der Zentralregierung in Bagdad und in Abstim-
mung mit Deutschlands Partnern an die kurdische Re-
gionalregierung zu liefern. Wir betrachten die Lieferung
von Waffen mit großer Skepsis, da sie möglicherweise
zu einem späteren Zeitpunkt in einem innerirakischen
Konflikt zwischen den drei großen Volksgruppen zum
Einsatz gebracht werden könnten oder an andere Grup-
pen missbräuchlich gelangen könnten. Allerdings aner-
kennen wir auch, dass die Bundesregierung die Augen
vor diesen potenziellen Gefahren nicht verschließt,
sondern bei ihren Entscheidungen einbezogen hat und
entsprechende Maßnahmen – unter anderem Endver-
bleibsregelung mit der kurdischen Regionalregierung –
getroffen hat.
Die Bundesregierung hat aufgrund einer außerge-
wöhnlichen außen- und sicherheitpolitischen Lage eine
Einzelentscheidung getroffen. Es handelt sich hierbei
nicht um einen Paradigmenwechsel. Die Grundsätze der
deutschen Rüstungsexportpolitik, keine Waffen in Span-
nungsgebiete zu liefern, bleiben der Eckpfeiler deutscher
Exportpolitik.
Trotz unserer großen Skepsis gegenüber diesen Waf-
fenlieferungen anerkennen wir, dass der Schwerpunkt
deutscher und internationaler Politik auf der politischen
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Montag, den 1. September 2014 4449
(A) (C)
(D)(B)
Regelung des Konflikts im Irak liegt. Es ist unserer An-
sicht nach wesentlich, dass der designierte irakische Mi-
nisterpräsident eine Regierung bilden will, in der alle
großen Volksgruppen des Irak repräsentiert sind. Dies
würde auch die Chance erheblich vergrößern, dass die
sunnitischen Stämme, die sich aufgrund der politischen
Diskriminierung durch die Vorgängerregierung Maliki,
dem ISIS zugewandt haben, sich wieder von ihm abwen-
den und ihm die Unterstützung entziehen. Die Bundesre-
gierung muss diesen politischen Prozess gemeinsam mit
ihren Partnern aktiv unterstützen.
Wichtig ist darüber hinaus, dass auch wirtschaftliche
und finanzielle Maßnahmen – wie in der Resolution des
UN-Sicherheitsrates vom 15. August 2014 aufgeführt –
gegen ISIS und seine Unterstützer umgesetzt werden.
Darüber hinaus ist wesentlich, dass eine politische
Strategie für die Region des Nahen und Mittleren Ostens
gemeinsam mit den Regierungen vor Ort aufgesetzt
wird. Deutschland will hierzu auch im Rahmen seines
G-7-Vorsitzes weitere Initiativen starten, was wir aus-
drücklich unterstützen.
Nach Abwägung all dieser Umstände stimmen wir
dem vorgelegten Entschließungsantrag der Koalitions-
fraktionen zu, wenngleich wir weiterhin sehr skeptisch
gegenüber den beschlossenen Waffenlieferungen blei-
ben.
Anlage 3
Erklärung nach § 31 GO
der Abgeordneten Klaus Mindrup und Swen
Schulz (Spandau) (beide SPD) zur Abstimmung
über den von den Fraktionen der CDU/CSU
und SPD zu der Abgabe einer Regierungserklä-
rung durch die Bundeskanzlerin eingebrachten
Entschließungsantrag „Humanitäre Hilfe für
Flüchtlinge im Irak und Kampf gegen die Ter-
rororganisation IS“
Wir lehnen den Entschließungsantrag der Fraktionen
der CDU/CSU und SPD zu der Abgabe einer Regie-
rungserklärung durch die Bundeskanzlerin „Humanitäre
Hilfe für Flüchtlinge im Irak und Kampf gegen die Ter-
rororganisation IS“, Drucksache 18/2459, ab.
Wir sind der festen Überzeugung, dass der Terror-
organisation „Islamischer Staat“ Einhalt geboten und
dass den Flüchtlingen geholfen werden muss. Deutsch-
land muss dabei nach Kräften mitwirken. Sosehr wir die
in dem Antrag angesprochene humanitäre Hilfe begrü-
ßen, halten wir die ebenfalls im Antrag unterstützten
Waffenlieferungen für falsch.
Die aktuelle Situation im Nordirak stellt uns vor
schwierige Entscheidungen. Niemand kann beute mit Si-
cherheit sagen, welche Haltung die richtige ist. Wir se-
hen durchaus starke Argumente für Waffenlieferungen,
bei uns jedoch überwiegen die Gegenargumente und of-
fenen Fragen, von denen wir nur einige anführen möch-
ten.
Eine militärische Intervention könnte letztlich legitim
und mit Aussicht auf nachhaltigen Erfolg nur durch die
Vereinten Nationen veranlasst werden. Der Verbleib von
Waffen und deren künftige Verwendung ist vollkommen
unsicher. Es gibt viele Beispiele, in denen die Lieferan-
ten von Waffen später genau diese Waffen gegen sich ge-
richtet sehen – wie heute leider gerade im Nordirak zu
sehen ist, wo die Terroristen sehr erfolgreich mit US-
Waffen kämpfen. Die politischen Folgewirkungen der
Waffenlieferungen für den Irak und im Zusammenhang
mit den Nachbarstaaten Türkei und Syrien sowie mit
Blick auf Bestrebungen zur Gründung eines Staates Kur-
distan sind vollkommen ungeklärt, genauso wie wir eine
politische Konzeption, die letztlich nur zur Lösung der
dortigen Probleme führen kann, nicht sehen. Die Folge-
wirkung dieser von einem verantwortlichen Mitglied der
Bundesregierung als „Tabubruch“ bezeichneten Ent-
scheidung, Waffen zu liefern, auf die Ausrichtung der
Außenpolitik Deutschlands ist nicht absehbar. Weiterhin
ist die Zulässigkeit der Waffenlieferungen – national wie
völkerrechtlich – unsicher.
Unabhängig von dieser inhaltlichen Position halten
wir es für notwendig, das Verhältnis zwischen Bundes-
tag und Bundesregierung bei Entscheidungen über den
Export von Rüstungsgütern und Waffenlieferungen neu
auszugestalten. Wir begrüßen ausdrücklich, dass eine
Sondersitzung des Bundestages mit einer Regierungs-
erklärung zu dieser Frage durchgeführt wird und dass
auf dieser Sitzung Entschließungsanträge zur Abstim-
mung stehen. Das ist deutlich mehr an Beteiligung der
Volksvertretung, als die Bundesregierung von sich aus
vorsah. Wir denken aber, dass künftig darüber hinausge-
gangen werden sollte. Der Wissenschaftliche Dienst des
Deutschen Bundestages hat in einem von Swen Schulz
beauftragten Gutachten deutlich gemacht, dass er zwar
derzeit keine Mandatierungspflicht für die geplanten
Waffenlieferungen in den Nordirak erkennt, für die
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aber
diesbezüglich ein „Weiterentwicklungspotenzial“ sieht.
Es sollte ein neues Verfahren gefunden werden, in dem
der Bundestag bzw. ein Bundestagsausschuss schnell
und umfassend über Waffenlieferungen informiert und
mindestens mit einem Vetorecht ausgestattet wird.
Anlage 4
Erklärung nach § 31 GO
der Abgeordneten Florian Post und Claudia
Tausend (beide SPD) zur Abstimmung über den
von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD zu
der Abgabe einer Regierungserklärung durch
die Bundeskanzlerin eingebrachten Entschlie-
ßungsantrag „Humanitäre Hilfe für Flüchtlinge
im Irak und Kampf gegen die Terrororganisa-
tion IS“
Die Organisation „Islamischer Staat“, IS, konnte
durch ihren militärischen Vormarsch Teile des Irak unter
ihre Kontrolle bringen. Dieses Vorgehen gefährdet nicht
nur die staatliche Einheit des Irak und stellt eine interna-
tionale Bedrohung dar, sondern hat unsagbares Leid über
4450 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Montag, den 1. September 2014
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(D)(B)
große Teile der Zivilbevölkerung gebracht. Vor allem
Christen, Turkmenen und Jesiden bekamen die barbari-
schen Methoden des IS zu spüren. Es ist daher sehr zu
begrüßen, dass Deutschland durch humanitäre Unterstüt-
zung Verantwortung übernimmt und schnell Hilfe zur
Verfügung stellt, um den Flüchtlingen in ihrer Not zu
helfen.
Bisher galt der Grundsatz bei deutschen Rüstungs-
exporten, keine Waffen in Krisen- oder Spannungsge-
biete zu liefern. Wir halten es für einen Fehler, diesen
Grundsatz nun infrage zu stellen und Waffen in den Irak
zu liefern.
Es handelt sich vor allem um automatische Gewehre,
Pistolen und Handgranaten in großer Zahl, deren Ver-
bleib in keinster Weise kontrolliert werden kann. Diese
Waffen sind leicht zu bedienen, können sehr schnell in
die falschen Hände geraten und wiederum großes Leid
anrichten. Insbesondere befürchten wir, dass diese Waf-
fen möglicherweise zu einem späteren Zeitpunkt in ei-
nem Kampf für einen unabhängigen kurdischen Staat
eingesetzt werden könnten. Hierbei sehen wir die Gefahr
eines bewaffneten Konfliktes mit der Türkei, die NATO-
Mitglied ist, weshalb die Bundesrepublik in einem
Bündnisfall der Türkei militärischen Beistand leisten
müsste. Das könnte bedeuten, dass genau diese Waffen
in einem solchen Konflikt wiederum zum Einsatz kom-
men. Dann möglicherweise auch gegen deutsche Solda-
ten.
Den IS zurückzudrängen und einen drohenden Geno-
zid zu verhindern, kann ein militärisches Eingreifen der
internationalen Gemeinschaft notwendig machen. Dies
sollte aber durch die Vereinten Nationen geprüft und
muss mandatiert werden.
Ebenfalls ist nicht geklärt, wer und in welcher Form
die Kämpfer der kurdischen Regionalregierung ausbil-
det, die von Deutschland gelieferten Waffen zu bedie-
nen. Das könnte die Entsendung von Soldaten notwen-
dig machen.
Aus diesen Gründen können wir dem Entschließungs-
antrag, insbesondere der Waffenlieferung durch die Bun-
desrepublik Deutschland, nicht zustimmen.
Anlage 5
Erklärungen nach § 31 GO
zur Abstimmung über den von den Fraktionen
der CDU/CSU und SPD zu der Abgabe einer
Regierungserklärung durch die Bundeskanzle-
rin eingebrachten Entschließungsantrag „Hu-
manitäre Hilfe für Flüchtlinge im Irak und
Kampf gegen die Terrororganisation IS“
Dirk Becker (SPD): Obwohl die Bundesregierung
sich nach Abwägung aller Aspekte und Abstimmung mit
der Regierung im Irak bereits gestern für Waffenliefe-
rungen in den Nordirak ausgesprochen hat, begrüße ich
es ausdrücklich, dass der Deutsche Bundestag heute öf-
fentlich über diese Frage diskutiert und eine politische
Abwägung vornimmt.
Ich danke ausdrücklich Thomas Oppermann, der sich
gegenüber dem Koalitionspartner für diese Debatte ein-
gesetzt hat. In der SPD-Fraktion haben wir sehr sach-
orientiert und verantwortungsvoll das Pro und Contra
diskutiert, Risiken der Waffenlieferungen analysiert und
auch beraten, was geschieht, wenn wir untätig bleiben.
Die bestialischen Gräueltaten des ISIS machen auch
mich sprachlos. Wir sehen Dörfer, in denen alle männli-
chen Bewohner hingerichtet werden, ihre Köpfe aufge-
spießt als Warnung ins Nachbardorf getragen werden;
die Frauen werden verschleppt, verkauft oder zur
Zwangsprostitution gezwungen. Jesiden sind wegen ih-
rer Religion auf der Flucht oder wurden bereits massen-
haft ermordet. Und dies alles in einem Staat, der aus sich
heraus nicht in der Lage ist, gegen die Terroristen vorzu-
gehen. Einzig der Regierung der autonomen Region Ira-
kisch-Kurdistan gelingt es bisweilen, Widerstand zu leis-
ten.
Ich kann daher die Überlegung nachvollziehen, die-
sen Kurden die Möglichkeit zur Selbstverteidigung zu
geben und ihnen Waffen zu liefern. So respektiere ich
die nach reiflicher Abwägung getroffene Entscheidung
der SPD-Parteiführung und vieler Kolleginnen und Kol-
legen, in Abweichung vom Grundsatz, keine Waffen in
ein Krisengebiet zu liefern, hier eine abweichende Ent-
scheidung in einem durchaus begründbaren Einzelfall zu
treffen.
Jedoch komme ich in meiner Abwägung zu einem an-
deren Schluss und werde, deshalb dem Entschließungs-
antrag nicht zustimmen können, auch wenn ich alle hu-
manitären Forderungen des Antrags nahtlos teile bzw.
darüber hinaus noch weiteres Engagement und die Auf-
nahme von Flüchtlingen einfordere.
Waffenlieferungen sehe ich hingegen nicht als eine
zielführende Lösung an, zumal im Gegenzug auch der
ISIS über ausreichend Nachschub an Waffen zu verfü-
gen scheint und wir womöglich schon bald mit neuen
Forderungen nach größeren Waffen konfrontiert sein
werden. Alles unter dem Aspekt, dass es auch um euro-
päische Sicherheitsinteressen geht. Auch die Frage der
künftigen Verwendung der nun „gut gemeint“ gelieferten
Waffen ist für mich ein wichtiges Argument gegen die
Lieferung.
Der bislang für uns Sozialdemokraten geltende
Grundsatz, keine Waffen in ein Krisengebiet zu liefern,
folgte der Erkenntnis, dass mehr Waffen nicht die Lö-
sung sind, sondern bislang Konflikte verlängert haben.
Außerdem drängen uns diese Waffenlieferungen an eine
der Konfliktparteien in die Rolle eines Konfliktbeteilig-
ten.
Angesichts des Mordens und Leidens habe ich mir die
Abwägung meiner Entscheidung nicht leicht gemacht
und gestehe, dass meine Abwägungsentscheidung am
Ende knapp ausgefallen ist. Wie sagte es ein Kollege in
der Fraktion sehr treffend: Niemand weiß, ob wir das
Richtige tun. Mich haben die Argumente für eine Waf-
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Montag, den 1. September 2014 4451
(A) (C)
(D)(B)
fenlieferung am Ende mit mehr Fragen als überzeugen-
den Antworten zurückgelassen.
Ich hätte mir im Gegenzug aber durchaus vorstellen
können, im Rahmen eines UN-Mandats bewaffnete
Truppen in den Nordirak zu entsenden, um die Bevölke-
rung zu schützen und die Terroristen zu bekämpfen. Die
Prognose, dass wegen des Ukraine-Konfliktes eine ge-
meinsame Resolution des Sicherheitsrates mit den Stim-
men Russlands und der USA mehr als unwahrscheinlich
ist, darf keine Entschuldigung sein, dies nicht zumindest
zu versuchen.
Sevim Dağdelen (DIE LINKE): Zweiter Tabubruch
der Bundesregierung: Die heutige Entscheidung, Waffen
in ein Kriegsgebiet zu liefern, ist, nach der Unterstüt-
zung einer Regierung in der Ukraine, an der Faschisten
beteiligt sind, der zweite Tabubruch dieser Bundesregie-
rung binnen kurzer Zeit. Die Bundesregierung hat damit
eine imperialistische Wende in der Rüstungsexportpoli-
tik vollzogen. Wie die USA, Großbritannien oder Frank-
reich will sie die Entscheidung über Rüstungslieferun-
gen allein von geostrategischen Interessen abhängig
machen. Wie bei den Auslandseinsätzen der Bundes-
wehr dienen auch hier die von ihr vorgebrachten Argu-
mente des Humanismus für die Rüstungslieferung in den
Irak alleine zur Rechtfertigung einer deutschen Einfluss-
nahme mittels Waffenlieferung im Nahen Osten. Dass
die Bundesregierung kein wirkliches Interesse daran hat,
die internationale Mörderbande „Islamischer Staat“, IS,
zu bekämpfen, lässt sich an der fortgesetzten militäri-
schen Kooperation mit seinen Unterstützern und Spon-
soren, wie der Türkei, Katar und Saudi-Arabien, ablesen.
Die Arbeiterpartei Kurdistans, PKK, die vielen verfolg-
ten Jesiden die Flucht mit ermöglicht hat, wird weiter in
Deutschland und der EU als Terrororganisation verfolgt.
Der IS dagegen, und dies ist der Gipfel der Heuchelei
der Bundesregierung, ist nicht einmal eine verbotene Or-
ganisation in Deutschland!
Mit der heutigen Entscheidung bricht die Bundesre-
gierung das Tabu einer Lieferung in Kriegsgebiete, das
auch nach der Wiederbewaffnung 1955 die deutsche
Politik sich als Selbstbeschränkung auferlegt hatte. Eine
der Lehren deutscher Politik wird damit ausgerechnet
am Antikriegstag, dem 75. Jahrestag des Beginns des
Zweiten Weltkriegs, über Bord geworfen. Deutschland
ist bereits jetzt der drittgrößte Waffenexporteur der Welt.
Mit dieser Entscheidung wird der Boden für eine Aus-
weitung weltweiter deutscher Waffenlieferungen gelegt.
Auch deshalb stimme ich gegen den Antrag von Union
und SPD, Waffen in den Irak zu liefern.
Ich stimme heute auch gegen alle Versuche, eine neue
US-Intervention im Irak unter dem Deckmantel der Ein-
richtung einer UN-Schutzzone oder anderer militärischer
Maßnahmen, die vom Sicherheitsrat mandatiert werden
sollen, zu legitimieren. Der Nahe Osten braucht keine
neue US-Intervention – auch keine mit UN-Mandat. Der
IS ist das Produkt der Regime-Change-Politik der USA
im Nahen Osten, die in Nibelungentreue von der Bun-
desregierung mitgetragen wird. Ein erneutes militäri-
sches Eingreifen der USA ist Teil des Problems.
Statt auf Waffenlieferungen und UN-Militärinterven-
tionen zu setzen, brauchen wir eine klare zivile, aber ent-
schiedene Antwort auf den IS und die Schärfung einer
friedlichen Außenpolitik:
1. ein Ende der militärischen Kooperation mit den Un-
terstützern des IS, Türkei, Saudi-Arabien und Katar; zu-
dem muss dem AKP-Regime verdeutlicht werden, dass
eine Unterstützung des IS mit einer Fortführung der EU-
Beitrittsverhandlungen unvereinbar ist;
2. humanitäre Hilfe auch in Gebiete, die nicht vom IS
kontrolliert werden;
3. eine Aufkündigung des deutsch-emiratischen Treu-
handfonds, der de facto den IS weiter stärkt;
4. ein Ende der Sanktionen gegen die syrische Bevölke-
rung, die den IS weiter stärken;
5. ein Ende der Blockade der von der PKK gehaltenen
Gebiete im Norden Syriens;
6. eine Anerkennung der PKK als politische Organisa-
tion und ihre Streichung von der EU-Terrorliste;
7. ein Verbot des IS in Deutschland und Maßnahmen,
die die Finanzströme des IS treffen;
8. die verstärkte Aufnahme von Flüchtlingen aus dem
Irak und Visaerteilungen für nachzugsberechtigte Fami-
lienangehörige nach Deutschland an allen Auslandsver-
tretungen der Region ermöglichen und beschleunigen;
9. ein generelles Rüstungsexportverbot, damit deutsche
Waffen nicht weiter weltweit mit morden;
10. ein Ende der deutschen Ausbildungs- und Ausstat-
tungshilfe, durch die weltweit Bürgerkriege angeheizt
werden.
Saskia Esken (SPD): Die symbolische Abstimmung
über die Frage, ob Deutschland Waffen in die Krisenre-
gion des Nordirak exportieren soll, stellt mich und an-
dere Abgeordnete vor eine schwierige Entscheidung.
Heribert Prantl von der Süddeutschen Zeitung hat ge-
schrieben, hier könne man sich nur falsch entscheiden.
Am Ende werde auch ich mich für das geringere Übel
entscheiden müssen.
Die drastischen Bilder, die uns aus dem Norden des
Irak und aus anderen Gebieten erreichen, sind nur
schwer zu verdauen. Jeder, der sich den Truppen des
„Islamischen Staates“, IS, nicht unterwirft, wird mit Mit-
teln der schlimmsten Barbarei vernichtet. Wie gehen wir
mit dieser Situation um? Reicht es für unser Gewissen
aus, den betroffenen Menschen mit humanitärer Hilfe
zur Seite zu stehen, auch wenn wir wissen, dass sie sich
damit nicht gegen die Truppen des IS wehren können?
Wie können wir das durchaus sinnvolle Waffenexport-
verbot in Krisengebiete dagegen abwägen, dass die Be-
völkerung im Nordirak, dass Schiiten, Jesiden und
Christen sich schützen müssen – und dabei auch die
Langzeitwirkungen der Waffenlieferungen nicht verges-
sen? In dieser Frage gibt es keine einfache und keine ab-
schließende Antwort.
4452 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Montag, den 1. September 2014
(A) (C)
(D)(B)
Ziel des IS ist die Errichtung eines barbarischen Kali-
fats, das gegenüber Andersgläubigen keine Toleranz
zeigt. Die Armee des IS hat im Nordirak zwar bei wei-
tem keine Mehrheit und nur geringen bis keinen Rück-
halt in der Bevölkerung. Diese Armee ist jedoch mit mo-
dernster Waffentechnik ausgerüstet, und deshalb gelingt
es ihr, ein menschenverachtendes Regime in der Region
zu festigen. Selbst das sunnitische Saudi-Arabien wurde
durch den IS mit der Zerstörung Mekkas bedroht.
Ein riesiger Flüchtlingsstrom hat in der gesamten Re-
gion des Nordirak eingesetzt. Die überfüllten Flücht-
lingscamps, in denen sich Menschen aller Religionen
aufhalten, werden momentan von kurdischen Truppen
beschützt. Die kurdischen Truppen mit ihren veralteten
Waffen sind momentan die einzigen Gegner des IS in der
Region. Ob sie mit ihrer Ausrüstung den Truppen des IS
noch lange standhalten können, ist mehr als fraglich.
Werden die kurdischen Truppen besiegt, sind auch die
Flüchtlingscamps der Gewalt und Brutalität der Terror-
armee des IS ausgeliefert. Um diesen Menschen Schutz
zu bieten, bin ich zu dem Entschluss gekommen, dass
Waffenlieferungen an die Kurden im Nordirak das klei-
nere Übel sind.
Wichtig ist es mir aber, deutlich zu machen, dass die
wiederholte militärische Einmischung des Westens im
arabischen Raum der Region nicht im Geringsten Frie-
den oder auch nur Stabilität gebracht hat. Der IS besitzt
diese modernen Waffensysteme, weil er oder irgendje-
mand andere, damit ausgestattet wurde. Nicht nur wer
hier aktiv eingreift, trägt Verantwortung. Auch wir soll-
ten unsere Waffenexporte durchaus in einem kritischeren
Licht betrachten. Wichtig ist auch die Frage, wie der
Irak, wie der gesamte arabische Raum vor allem durch
eigene Anstrengungen zu Frieden und Toleranz gegen-
über Andersgläubigen finden kann.
In der politischen Diskussion störe ich mich außer-
dem daran, dass wir über eine mögliche Waffenlieferung
diskutieren und entscheiden sollen, aber gleichzeitig
nicht bereit sein wollen, zwischenmenschliche Hilfe in
Form einer Aufnahme von Flüchtlingen in Europa und
Deutschland zu leisten und auch dadurch Verantwortung
zu übernehmen. Ich werde mich deshalb dafür einsetzen,
dass Deutschland sich zur Aufnahme weiterer Flücht-
linge bereit erklärt.
Annette Groth (DIE LINKE): Die von der Bundesre-
gierung bereits beschlossene Lieferung von Waffen in
den Irak stellt eine neue Stufe in der stetigen Militarisie-
rung der deutschen Außenpolitik dar. Dass der Bundes-
tag ausgerechnet heute am Weltfriedenstag und 75 Jahre
nach Beginn des Zweiten Weltkriegs zusammentritt, um
dies nachträglich zu legitimieren, ist eine Schande, an
der ich mich nicht beteiligen werde!
Waffenlieferungen in Krisenregionen sind in
Deutschland grundsätzlich verboten. Darauf möchte ich
noch einmal ganz deutlich hinweisen, auch wenn mir be-
wusst ist, dass sich weder die aktuelle Bundesregierung
noch ihre Vorgängerinnen bisher daran gehalten haben.
Die Region des Nahen Ostens ist überschwemmt mit
Waffen. Nicht mehr Waffen können die zahlreichen
Konflikte dort beilegen, sondern vielmehr müssen die
Waffen in der Region massiv reduziert werden. Wie der
Botschafter eines nordafrikanischen Landes mir gegen-
über einmal forderte: Die Bundesregierung und die an-
deren Staaten der Europäischen Union sollen genau wie
die USA die Waffen, die sie hierhergebracht haben, end-
lich wieder einsammeln!
Selbstverständlich erkenne ich an, dass das Leid, das
heute die Mörderbanden des „Islamischen Staats“ im
Irak und in Syrien anrichten, unvorstellbar schlimm ist
und dass die Opfer mit humanitärer Hilfe unterstützt und
die Flüchtlinge in Sicherheit gebracht werden müssen.
Hier ist die Bundesregierung gefragt. Dass nun wieder
neue Kontingentobergrenzen für die Aufnahme von
Flüchtlingen festgelegt werden, ist äußerst beschämend.
Es ist für den allergrößten Teil der Flüchtlinge aus dem
Irak, aus Syrien und aus anderen Regionen der Welt fak-
tisch unmöglich, legal nach Deutschland und in andere
Staaten der EU zu gelangen. Sie werden dazu gezwun-
gen, illegal und unter großen Gefahren hierherzukom-
men, viele von ihnen bezahlen dafür mit ihrem Leben.
Neben Menschenschmugglern, die sich teuer bezahlen
lassen und denen das Leben der Flüchtlinge oft völlig
egal ist, helfen immer wieder zum Beispiel Syrerinnen
und Syrer in Deutschland ihren Familienangehörigen
und Bekannten, hierherzukommen – und werden dann
noch dafür bestraft, dass sie ihnen das Leben gerettet ha-
ben. Das dürfen wir nicht hinnehmen!
Nun sollen deutsche Waffen dabei helfen, die radika-
len Kämpfer des „Islamischen Staats“ zu bekämpfen.
Radikale, die in Deutschland, anderen EU-Staaten und
den USA unbehelligt rekrutiert werden und ausreisen
konnten und dann von der Türkei nicht nur ignoriert,
sondern aktiv unterstützt und nach Syrien gelassen wor-
den sind. Von der Türkei, in der deutsche Patriot-Rake-
ten stationiert wurden, um unseren „Partner“ zu „schüt-
zen“. Der „Islamische Staat“ kämpft nicht zuletzt auch
mit Waffen, die aus Deutschland an Saudi-Arabien, Ka-
tar oder die Türkei oder von anderen westlichen Ländern
direkt nach Syrien geliefert worden sind. Mit diesen
Waffen werden seit Jahren Massaker in Syrien verübt –
an Jesiden, Christen, an Schiiten, dem „Erzfeind“ des
„Islamischen Staats“, und an allen Muslimen, die sich
weigern, den radikalen Islamisten die Treue zu schwö-
ren.
Die Invasion im Irak von 2003 durch die USA und
ihre „Koalition der Willigen“ hat genauso erst die Vorbe-
dingungen geschaffen, die den Vormarsch des „Islami-
schen Staats“ ermöglicht haben, wie es die völlig einsei-
tige, eine Verhandlungslösung letztlich verhindernde
Politik der USA und der Staaten der EU in Syrien getan
hat. Jetzt neu Waffen in die Region zu pumpen, anstatt
endlich politische Lösungen und Versöhnungsprozesse
zu fördern, ist zynisch und verlogen und wird nur neue
Kriege und neues Leid verursachen. Keiner kann garan-
tieren, dass die heute gelieferten Waffen nicht in die fal-
schen Hände gelangen.
Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages sollen
heute über diese Waffenlieferungen abstimmen, über die
ohnehin längst entschieden ist, und sollen so als Feigen-
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Montag, den 1. September 2014 4453
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blatt für die Politik der Bundesregierung dienen, ohne
dass das Ergebnis der Abstimmung bindend wäre.
Ich werde nicht dafür stimmen.
Michael Groß (SPD): Ich werde der Waffenlieferung
in den Irak an die kurdischen Soldaten zustimmen. Das
geschieht nach einem langen und schwierigen Abwä-
gungsprozess.
Die Lieferung der Waffen kann nicht das Ende von
Diplomatie und der Suche nach einer Ausgangstür für
die Konflikte in dieser Region und nicht nur im Irak be-
deuten. Die Politik der Vergangenheit, insbesondere der
USA, muss kritisiert werden, da sie diese Entwicklung
provoziert hat.
Aktuell werden Menschen willkürlich und barbarisch
getötet, versklavt, gefoltert und gedemütigt. Es gibt kei-
nen Verhandlungspartner, der verhandeln will und über
eine gewisse Ratio verfügt. Nach meinem jetzigen Wis-
sensstand kann nur humanitär geholfen werden, wenn
die Opfer und die Helferorganisationen geschützt wer-
den.
Ich sehe mit großer Sorge die Verschärfung der si-
cherheitspolitischen und der humanitären Lage insbe-
sondere im Norden des Irak. Nach neuesten Zahlen der
Vereinten Nationen sind mittlerweile über 1,7 Millionen
Menschen auf der Flucht, davon circa 1 Million im Ge-
biet der kurdischen Regionalregierung.
Ich begrüße ausdrücklich die umfängliche humanitäre
Nothilfe der Bundesregierung für die Flüchtlinge, die
unter schwierigsten Bedingungen ihre Heimat verlassen
mussten und zum Teil nur ihr Leben retten konnten. Es
ist wichtig, dass die Bundesregierung mit circa 50 Mil-
lionen Euro diese Menschen unterstützt und eine weitere
substanzielle Aufstockung dieser Mittel in Aussicht
gestellt hat. Ich unterstreiche die bereits im Entschlie-
ßungsantrag angesprochene Notwendigkeit, dass
Deutschland und seine europäischen Partner großzügig
bei der Aufnahme von Flüchtlingen sein sollen.
Darüber hinaus ist wesentlich, dass eine politische
Strategie für die Region des Nahen und Mittleren Ostens
gemeinsam mit den Regierungen vor Ort aufgesetzt
wird. Deutschland will hierzu auch im Rahmen seines
G-7-Vorsitzes weitere Initiativen starten, was ich aus-
drücklich unterstütze.
Ich habe mich im Fraktionsvorstand der SPD dafür
ausgesprochen, dass wir eine langfristige Strategie für
die Region brauchen, aber auch die humanitäre Unter-
stützung – finanziell – gesteigert werden muss.
Darüber hinaus muss sichergestellt werden, dass eine
Waffenlieferung aus Deutschland in Krisengebiete eine
Ausnahme bleibt.
Frank Heinrich (Chemnitz) (CDU/CSU): Heute
müssen wir eine Entscheidung treffen. Eine Gewissens-
entscheidung, die nicht im luftleeren Raum steht. Eine
Entscheidung, bei der es kein einfaches Richtig und
Falsch gibt. Wir müssen eine Antwort geben auf uner-
messliches Leid von konkreten Menschen. Wir müssen
eine Antwort geben auf die Gefährdung der internationa-
len Sicherheit.
Nicht zu entscheiden, geht nicht.
Die Entscheidung hinauszögern? Machen wir uns
nichts vor: Für etliche Menschen kommt unsere Hilfe
schon jetzt zu spät. Die Terrororganisation „Islamischer
Staat“, IS, metzelt Menschen im Irak dahin. Christen, Je-
siden und Muslime werden barbarisch gequält und er-
mordet. Diesem menschenverachtenden Gebaren dürfen
wir nicht länger zusehen.
Der Grundsatz, an dem wir uns orientieren, gerade
auch als Deutsche, muss weiterhin lauten: Humanitäre
vor militärischen Lösungen können immer nur die Ul-
tima Ratio sein.
Daher hat die Bundesregierung angesichts der akuten
humanitären Katastrophe im Nordirak umgehend mit der
Bereitstellung von Hilfsleistungen in einer Höhe von
bislang rund 50 Millionen Euro begonnen. Seit dem
15. August sind durch das Bundesministerium der Ver-
teidigung, das Auswärtige Amt und das Ministerium für
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung mehr
als 150 Tonnen überlebenswichtige Nahrungsmittel und
Güter sowie medizinisches Material bereitgestellt und in
das sichere Gebiet der kurdischen Regionalregierung
transportiert worden. Die Unterstützungsleistungen der
Bundesregierung tragen zur Linderung der unmittelba-
ren humanitären Katastrophe und zur Stabilisierung der
Lage im Norden des Irak bei. Weitere Hilfen sind not-
wendig. Die Bundesregierung hat diese zugesagt, und
ich werde mich aktiv dafür einsetzen, dass wir den Men-
schen in der Region zur Seite stehen.
Auch brauchen wir eine langfristige Strategie zur Be-
friedung des Nordirak. Daher unterstütze ich die Forde-
rungen verschiedener NGOs und des Forums Ziviler
Friedensdienst nach einer UN-Nahostkonferenz, ergänzt
durch zivilgesellschaftliche Nahostkonferenzen unter
Beteiligung der Religionsgemeinschaften.
Ich unterstütze den politischen Ansatz der Bundesre-
gierung, der darauf zielt, den Irak so zu stabilisieren,
dass alle Bevölkerungsgruppen angemessen eingebun-
den werden, und durch diplomatische Bemühungen auf
internationaler Ebene auf eine nachhaltige politische Be-
friedung der Region hinzuwirken. Auch ein weiteres En-
gagement Deutschlands für die Vereinten Nationen und
insbesondere bei der Aufnahme von Flüchtlingen ist nö-
tig, und auch dafür werde ich mich einsetzen.
Doch heute geht es nicht um ein Entweder-oder, son-
dern um ein Sowohl-als-auch: um eine langfristige Per-
spektive und um ein schnelles Handeln. Humanitäre
Hilfe und ein militärisches Eingreifen, um den IS zu
stoppen. Ohne militärische Intervention lässt sich der IS
nicht aufhalten, die Morde gehen weiter. Wir dürfen
nicht tatenlos zusehen.
Als Christ möchte ich mich dem Ratsvorsitzenden der
EKD, Nikolaus Schneider, anschließen. Er hat gestern in
einem Gastbeitrag für die ZEIT dazu auf Dietrich Bon-
hoeffer verwiesen: „Das Evangelium gebietet aber nicht
zuzusehen, wie andere gequält, geköpft, versklavt wer-
4454 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Montag, den 1. September 2014
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den. Dietrich Bonhoeffer hat angesichts der Naziverbre-
chen daraus den Schluss gezogen, dass es Situationen
gibt, in denen es nicht ausreicht, die unter die Räder Ge-
kommenen zu verbinden. Dem Rad muss auch in die
Speichen gegriffen werden – und sei es mit Gewalt. Da-
bei werden Menschen schuldig. Aber auch der Verzicht
auf den Griff in die Speichen ist nicht schuldfrei.“
Wie kann dieses Eingreifen aussehen? Natürlich wäre
eine Einsatztruppe der UNO das Ideal. Doch wie gesagt:
Akute Notlagen erfordern schnelle Lösungen. Die Ret-
tung der von dem IS im Nordirak barbarisch verfolgten
Muslime, Christen und Jesiden ist vor allem den Kräften
der kurdischen Regionalregierung, Peschmerga, und de-
ren Unterstützung durch Luftschläge der Vereinigten
Staaten zu verdanken, wie der Menschenrechtsbeauf-
tragte der Bundesregierung, Christoph Strässer, bestä-
tigte.
Deshalb hat das Bundesministerium der Verteidigung
in Abstimmung mit den Ressorts auf Bitten der iraki-
schen Zentralregierung und der kurdischen Regionalre-
gierung bereits die Bereitstellung von nichtletaler Aus-
rüstung eingeleitet. Dies erfolgt in Kenntnis des Bedarfs
und in Abstimmung mit unseren europäischen und ame-
rikanischen Partnern und Verbündeten. Zur Koordinie-
rung vor Ort hat das Bundesministerium der Verteidi-
gung bereits sechs Soldaten an das Generalkonsulat nach
Arbil entsandt. Gestern wurde die Lieferung von weite-
rer Munition, Waffen und militärischer Ausrüstung be-
schlossen.
Dieser Beschluss birgt Risiken: Militärisch – die Waf-
fen könnten dem IS in die Hände fallen. Langfristig
könnten die Waffen für andere Zwecke missbraucht wer-
den. Politisch – die Glaubwürdigkeit im Dialog könnte
Schaden nehmen. Dennoch werde ich heute diesem Be-
schluss zustimmen, eben weil es gerade um das Sowohl-
als-auch geht.
Wir dürfen die Menschen nicht alleinelassen! Ich
denke, wir müssen diese Risiken in Kauf nehmen, um
schnelle Hilfen zu realisieren. Ist nicht das Risiko, dem
Massensterben zuzusehen, größer? Ist nicht die Glaub-
würdigkeit umso belasteter, wenn wir unsere Verantwor-
tung verweigern?
Cansel Kiziltepe (SPD): Die heutige Entscheidung
stellt mich vor ein unauflösbares Dilemma. Auf der ei-
nen Seite steht der Grundsatz, auf präventive Friedensar-
beit und Diplomatie zu setzen und keine Waffen in Kri-
sengebiete zu liefern. Andererseits können wir dem
Morden nicht tatenlos zusehen. Eine mit unseren ethi-
schen Grundsätzen zu vereinbarende widerspruchsfreie
Lösung ist nicht möglich. Einerseits könnten Waffenlie-
ferungen die Zeit des Mordens durch den IS verkürzen.
Andererseits könnten Waffenlieferungen unüberschau-
bare Konsequenzen haben und – wenn die Rüstungsgü-
ter in falsche Hände geraten – neue Konflikte auslösen
oder verschärfen. Konsens ist: Humanitäre Hilfe, diplo-
matische Arbeit gegen die Versorgung des IS mit Geld
und Waffen und die internationale Abstimmung unseres
Handelns sind die entscheidenden Instrumente unserer
Friedenspolitik.
Gerade weil wir vor einem Dilemma stehen, respek-
tiere ich das Abstimmungsverhalten aller Kolleginnen
und Kollegen. Denn wir alle verfolgen das gleiche Ziel –
das Morden in der Region zu beenden.
Mit der heutigen Debatte und Abstimmung im Deut-
schen Bundestag folgen wir einer wichtigen Forderung
der Berliner SPD. Aufgrund der möglichen Konsequen-
zen von Waffenlieferungen hat die Berliner SPD be-
schlossen, dass die Lieferung von Rüstungsgütern in
Krisengebiete eine den Auslandseinsätzen vergleichbar
einschneidende Maßnahme darstellt. Folglich muss der
Tragweite friedens- und sicherheitspolitisch bedeutsa-
mer Interventionen – wie der Neuaufnahme von deut-
schen Lieferungen von Rüstungsgütern an bzw. in Län-
der, die sich in akuten oder potenziellen Konflikten
befinden – mit einem Parlamentsvorbehalt Rechnung ge-
tragen werden.
Internationale Abstimmung – UN-Beschluss voran-
treiben: Entscheidend für eine dauerhafte Konfliktlösung
ist es, mit den Staaten in der Region ein gemeinsames
Vorgehen abzustimmen. Auch für die Lieferung von
Rüstungsgütern sollte deshalb ein Beschluss des UN-Si-
cherheitsrates angestrebt werden.
Deutschland würde in diesem Falle seine Bereitschaft
erklären, die Kämpfer gegen den IS mit Waffen zu unter-
stützen – gemeinsam mit anderen Europäern und einem
UN-Mandat. Gleichzeitig muss ein groß angelegtes hu-
manitäres Hilfsprogramm zur Rettung der Flüchtlinge
und Verletzten gestartet werden – vor Ort und auch hier
in Europa.
Da sich der IS offensichtlich jeglicher diplomatischen
Erreichbarkeit entzieht, müssen wir auf jene Staaten ein-
wirken, die den Zufluss von Geld und Waffen an den IS
ermöglichen. Auch hier kann ein UN-Mandat helfen –
internationale Abstimmung ist unverzichtbar. Wir appel-
lieren an Russland, einen entsprechenden Beschluss mit-
zutragen oder wenigstens zu tolerieren.
Waffen geraten leicht in falsche Hände: Wir können
nicht mit Sicherheit sagen, dass Waffen aus Deutschland
ein wirksames und schnelles Mittel sein werden, den IS
zu stoppen. Unsere Erfahrung lehrt, dass dies in vielen
Fällen nicht auf Dauer gelingt.
Aus guten Gründen hat die SPD-geführte Regierung
sich nicht am Irakkrieg beteiligt. Diesen Weg, von der
deutschen Bevölkerung auf breiter Basis getragen, soll-
ten wir fortsetzen und Krisengebiete grundsätzlich nicht
mit Waffen versorgen – einen Präzedenzfall, der diesen
Grundsatz gefährdet, wollen wir nicht schaffen.
Das beharrliche Bemühen von Außenminister Frank-
Walter Steinmeier um diplomatische Lösungen und die
Initiative des Wirtschaftsministers Sigmar Gabriel zur
Begrenzung der Rüstungsexporte müssen weiter gestärkt
werden.
Integrierte Friedensstrategie: Nötig ist eine inte-
grierte, präventive Friedensstrategie. Dies erfordert eine
strikte Trennung von humanitärer und ziviler Hilfe ei-
nerseits sowie militärischem Eingreifen und Waffenlie-
ferungen andererseits.
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Montag, den 1. September 2014 4455
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(D)(B)
Deutsche humanitäre Hilfe für Flüchtlinge in großem
Stil: Nach allem, was wir aus den uns zugänglichen
Quellen erfahren, geht der IS mit kaum zu überbietender
Grausamkeit vor. Hunderttausende Flüchtlinge sind Op-
fer einer humanitären Katastrophe. Davor dürfen wir die
Augen nicht verschließen. Notwendig ist eine Politik der
Deeskalation aus der Position eines glaubhaften und ehr-
lichen Vermittlers heraus. Es ist eine wichtige Aufgabe
für Deutschland, den Flüchtlingen im Nordirak zur Seite
zu stehen. Deutsche humanitäre Hilfe für die Flüchtlinge
ist in wirklich großem Stil zu leisten.
Geldquellen des Krieges austrocknen, Profiteure von
Waffengeschäften und Kriegen ächten: Die Mischung
aus religiösem Fanatismus und politischen Allmachts-
fantasien des IS wurde erst durch den Zufluss von Geld
und Waffen militärisch-terroristisch virulent. Hier rächt
sich der weltweit außer Kontrolle geratene Waffenhan-
del. Deshalb gilt es zunächst, diesen Zufluss von Geld
und Waffen an den IS zu stoppen und auf die Geldgeber
des IS einzuwirken, die finanzielle und materielle Unter-
stützung des IS einzustellen.
Zivilen Friedensdienst stärken: In der aktuellen De-
batte betone ich besonders die Bedeutung der zivilen
Konfliktbearbeitung wie die Stärkung des Zivilen Frie-
densdienstes, ZFD. Dieser gilt als ein Erfolgsmodell der
Kooperation von staatlichen und nichtstaatlichen Trä-
gern der Entwicklungs- und Friedensarbeit. ZFD-Fach-
kräfte unterstützen weltweit in Krisenregionen örtliche
Partnerorganisationen dabei, Grundlagen für einen nach-
haltigen Frieden zu schaffen.
Das Dilemma, in dem wir uns zwischen „Keine Waf-
fen in Krisengebiete und Friedensarbeit“ auf der einen
und „Nicht zusehen, wie gemordet wird“ auf der anderen
Seite befinden, können wir mit der anstehenden Ent-
scheidung nicht auflösen. Im Augenblick sind wir eher
Getriebene der Entwicklungen. Die Perspektive aber
muss sein, eine präventive und von Diplomatie getra-
gene Friedenspolitik zu gestalten. Für sein aktives Ein-
treten für eine solche Politik danke ich unserem Außen-
minister Frank-Walter Steinmeier.
In Erwägung all dieser Gründe stimme ich dem Ent-
schließungsantrag der Fraktionen CDU/CSU und SPD
zur Regierungserklärung „Humanitäre Hilfe für Flücht-
linge im Irak und Kampf gegen die Terrororganisation
IS“ gemäß § 31 der Geschäftsordnung des Deutschen
Bundestages am 1. September 2014 nicht zu.
Dr. Matthias Miersch (SPD): Ich werde dem Ent-
schließungsantrag von CDU/CSU und SPD nicht zu-
stimmen und begründe mein Abstimmungsverhalten wie
folgt:
Erstens. Es gibt keine einfache Lösung in dieser Frage
und wahrscheinlich auch kein Richtig oder Falsch.
Zweitens. Die humanitäre Hilfe muss absolute Priori-
tät haben. Das muss auch eine größere Bereitschaft be-
deuten, Flüchtlinge aufzunehmen.
Drittens. Mir fehlt im Rahmen der Entscheidung der
Bundesregierung, in den Irak Waffen zu liefern, ein Ge-
samtkonzept. Wir verlassen mit der länderspezifischen
Entscheidung der Waffenlieferung den grundsätzlichen
Ansatz, dass die Vereinten Nationen die Ebene sind, auf
der internationale Konflikte zu regeln sind. Ich erkenne
an, dass die Befürworter der Waffenlieferung auf die ak-
tuelle Situation verweisen, wonach USA und Russland
im Sicherheitsrat keine gemeinsame Haltung finden,
während viele Menschen bedroht sind. Ich halte es aber
für unerlässlich, an den Beschluss des Sicherheitsrates
aus dem August 2014 anzuknüpfen, wonach der IS als
eine Terrororganisation eingestuft wird. Möglicherweise
wäre auch hier die Plattform, um angesichts der Krise in
der Ukraine eine gemeinsame Haltung mit Russland zu
entwickeln, da auch Russland kein Interesse an der wei-
teren Destabilisierung haben kann. Für mich bedeutet
das im Übrigen auch, im Falle eines UN-Mandats über
eine deutsche Beteiligung nachzudenken. Ohne eine ent-
sprechende Mandatierung fürchte ich jedoch eher eine
weitere Eskalation.
Viertens. Es ist nicht kontrollierbar, wo und wer mit
den gelieferten Waffen in einigen Monaten oder Jahren
kämpfen wird. Eine weitere Destabilisierung der Region
wäre fatal.
Fünftens. Es gibt bislang keine ausreichende Debatte
über die Unterstützer des IS. Diese Organisation ist nicht
vom Himmel gefallen. Zu einer wirkungsvollen Strate-
gie muss es eine Auseinandersetzung mit dem Verhalten
der Länder Katar, Saudi-Arabien etc. geben. Ich finde es
zum Beispiel unerträglich, dass weiter eine Fußball-WM
in einem Land geplant wird, das eine klare Abgrenzung
zum IS nicht vornimmt.
Sechstens. Es muss befürchtet werden, dass künftig
auch andere Gruppen in anderen Ländern entsprechende
Waffenlieferungen anfordern. Die Vereinten Nationen
haben angesichts des Völkermords in Ruanda den
Grundsatz „Responsibility to protect“ entwickelt. Ich
halte es für unerlässlich, diesem Grundsatz zum Durch-
bruch zu verhelfen.
Markus Paschke (SPD): Die Frage, ob deutsche
Waffen in den Irak zur Unterstützung im Kampf gegen
die Terrororganisation „Islamischer Staat“, IS, geliefert
werden sollten oder nicht, ist für mich eine schwere poli-
tische und ethische Entscheidung. Wir müssen entschei-
den zwischen humanitärer Verantwortung für die ver-
folgten Minderheiten im Irak und in Syrien und der
Frage, was in einem Krisengebiet mit unseren geliefer-
ten Waffen passiert. Es gibt keine Garantie, dass diese
Waffen nicht in falsche Hände geraten und gegen Un-
schuldige eingesetzt werden.
Es gibt keine richtige oder falsche Entscheidung in
dieser Frage. Für beide Entscheidungen gibt es gute
Gründe. Die Bundesregierung hat nun nach einem ver-
antwortungsvollen Abwägungsprozess über die humani-
täre Hilfe hinaus beschlossen, auch Waffen zur Verteidi-
gung gegen die militärisch überlegenen Truppen des IS
in Absprache mit der Zentralregierung in Bagdad und in
Abstimmung mit Deutschlands Partnern an die kurdi-
sche Regionalregierung zu liefern. Ich betrachte die ge-
planten Lieferungen von Waffen mit großer Skepsis, da
4456 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Montag, den 1. September 2014
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sie möglicherweise zu einem späteren Zeitpunkt in ei-
nem innerirakischen Konflikt zwischen den drei großen
Volksgruppen zum Einsatz gebracht werden oder an an-
dere Gruppen missbräuchlich gelangen könnten. Meine
Auffassung ist, dass der Schwerpunkt deutscher Politik
auf einer politischen Regelung des Konfliktes liegen
muss.
Deshalb begrüße ich auch ausdrücklich die umfängli-
che humanitäre Nothilfe der Bundesregierung für die
Flüchtlinge, die unter schwierigsten Bedingungen ihre
Heimat verlassen mussten und zum Teil nur ihr Leben
retten konnten. Es ist wichtig, dass die Bundesregierung
mit rund 50 Millionen Euro diese Menschen unterstützt
und eine weitere substanzielle Aufstockung dieser Mittel
in Aussicht stellt. Zudem unterstreiche ich die bereits im
Entschließungsantrag angesprochene Notwendigkeit, dass
sowohl Deutschland als auch seine europäischen Partner
großzügig bei der Aufnahme von Flüchtlingen sein soll-
ten. Denn mit Blick auf das unendliche Leid im Irak ist
die Weltgemeinschaft zum Handeln aufgerufen.
Für mich ist auch klar, dass Deutschland in diesem
leidvollen Konflikt nicht passiv bleiben kann. Meine
persönliche Überzeugung jedoch ist, dass Waffenliefe-
rungen in das Kriegsgebiet keine Lösung sind. Stattdes-
sen erachte ich es für wichtig, dass die humanitäre Hilfe
weiter intensiviert wird, mehr Flüchtlinge aufgenommen
werden und eine UNO-Schutzzone eingerichtet wird, um
einen Genozid zu verhindern. Wir haben in Nigeria, im
Südsudan und an vielen anderen Orten der Welt ähnliche
Konflikte. Wollen wir auch dorthin Waffen liefern, um
die Zivilisten zu schützen?
Wichtig ist darüber hinaus, dass auch wirtschaftliche
und finanzielle Maßnahmen – wie in der Resolution des
UN-Sicherheitsrates vom 15. August 2014 aufgeführt –
gegen den IS und seine Unterstützer umgesetzt werden.
Meiner Auffassung nach besteht keine Notwendigkeit,
dass sich Deutschland mit der Lieferung von Waffen im
Kampf im Irak beteiligt, zumal viele andere Staaten
ebenfalls Waffen liefern. Es ist eine wichtige Aufgabe
für Deutschland, den Flüchtlingen im Nordirak zur Seite
zu stehen. Umfangreiche humanitäre Hilfe für die
Flüchtlinge in großem Stil zu leisten, könnte ein spürba-
res und wirksames Signal sein.
Nach Abwägung all dieser Umstände kann ich dem
vorgelegten Entschließungsantrag der Koalitionsfraktio-
nen nicht zustimmen.
Mechthild Rawert (SPD): Die heutige Entscheidung
stellt mich vor ein unauflösbares Dilemma. Auf der ei-
nen Seite steht der sozialdemokratische Grundsatz, auf
präventive Friedensarbeit und Diplomatie zu setzen und
keine Waffen in Krisengebiete zu liefern. Andererseits
können wir dem Morden nicht tatenlos zusehen. Eine
mit unseren ethischen Grundsätzen zu vereinbarende wi-
derspruchsfreie Lösung ist nicht möglich. Einerseits
könnten Waffenlieferungen die Zeit des Mordens durch
den IS verkürzen. Andererseits könnten Waffenlieferun-
gen unüberschaubare Konsequenzen haben und – wenn
die Rüstungsgüter in falsche Hände geraten – neue Kon-
flikte auslösen oder verschärfen. Konsens ist: Humani-
täre Hilfe, diplomatische Arbeit gegen die Versorgung
des IS mit Geld und Waffen und die internationale Ab-
stimmung unseres Handelns sind die entscheidenden In-
strumente unserer Friedenspolitik.
Gerade weil wir vor einem Dilemma stehen, respek-
tiere ich das Abstimmungsverhalten aller Kolleginnen
und Kollegen. Denn wir alle verfolgen das gleiche Ziel –
das Morden in der Region zu beenden.
Mit der heutigen Debatte und Abstimmung im Deut-
schen Bundestag folgen wir einer wichtigen Forderung
der Berliner SPD. Aufgrund der möglichen Konsequen-
zen von Waffenlieferungen hat die Berliner SPD be-
schlossen, dass die Lieferung von Rüstungsgütern in
Krisengebiete eine den Auslandseinsätzen vergleichbar
einschneidende Maßnahme darstellt. Folglich muss der
Tragweite friedens- und sicherheitspolitisch bedeutsa-
mer Interventionen – wie der Neuaufnahme von deut-
schen Lieferungen von Rüstungsgütern an bzw. in Län-
der, die sich in akuten oder potenziellen Konflikten
befinden – mit einem Parlamentsvorbehalt Rechnung ge-
tragen werden.
Internationale Abstimmung – UN-Beschluss voran-
treiben: Entscheidend für eine dauerhafte Konfliktlösung
ist es, mit den Staaten in der Region ein gemeinsames
Vorgehen abzustimmen. Auch für die Lieferung von
Rüstungsgütern sollte deshalb ein Beschluss des UN-Si-
cherheitsrates angestrebt werden. Deutschland würde in
diesem Falle seine Bereitschaft erklären, die Kämpfer
gegen den IS mit Waffen zu unterstützen – gemeinsam
mit anderen Europäern und einem UN-Mandat. Gleich-
zeitig muss ein groß angelegtes humanitäres Hilfspro-
gramm zur Rettung der Flüchtlinge und Verletzten ge-
startet werden – vor Ort und auch hier in Europa. Da sich
der IS jeglicher diplomatischen Erreichbarkeit entzieht,
müssen wir auf jene Staaten einwirken, die den Zufluss
von Geld und Waffen an den IS ermöglichen. Auch hier
kann ein UN-Mandat helfen – internationale Abstim-
mung ist unverzichtbar. Wir appellieren an Russland, ei-
nen entsprechenden Beschluss mitzutragen oder wenigs-
tens zu tolerieren.
Waffen geraten leicht in falsche Hände: Wir können
nicht mit Sicherheit sagen, dass Waffen aus Deutschland
ein wirksames und schnelles Mittel sein werden, den IS
zu stoppen. Unsere Erfahrung lehrt, dass dies in vielen
Fällen nicht auf Dauer gelingt.
Aus guten Gründen hat die SPD-geführte Regierung
sich nicht am Irakkrieg beteiligt. Diesen Weg, von der
deutschen Bevölkerung auf breiter Basis getragen, soll-
ten wir fortsetzen und Krisengebiete nicht mit Waffen
versorgen – einen Präzedenzfall, der diesen Grundsatz
gefährdet, wollen wir nicht schaffen.
Das beharrliche Bemühen von Außenminister Frank-
Walter Steinmeier um diplomatische Lösungen und die
Initiative des Wirtschaftsministers Sigmar Gabriel zur
Begrenzung der Rüstungsexporte müssen weiter gestärkt
werden.
Integrierte Friedensstrategie: Nötig ist eine integ-
rierte, präventive Friedensstrategie. Dies erfordert eine
strikte Trennung von humanitärer und ziviler Hilfe ei-
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Montag, den 1. September 2014 4457
(A) (C)
(D)(B)
nerseits sowie militärischem Eingreifen und Waffenlie-
ferungen andererseits.
Deutsche humanitäre Hilfe für Flüchtlinge in großem
Stil: Nach allem, was wir aus den uns zugänglichen
Quellen erfahren, geht der IS mit kaum zu überbietender
Grausamkeit vor. Hunderttausende Flüchtlinge sind Op-
fer einer humanitären Katastrophe. Davor dürfen wir die
Augen nicht verschließen. Notwendig ist eine Politik der
Deeskalation aus der Position eines glaubhaften und ehr-
lichen Vermittlers heraus. Es ist eine wichtige Aufgabe
für Deutschland, den Flüchtlingen im Nordirak zur Seite
zu stehen. Deutsche humanitäre Hilfe für Flüchtlinge ist
in wirklich großem Stil zu leisten.
Geldquellen des Krieges austrocknen, Profiteure von
Waffengeschäften und Kriegen ächten: Die Mischung
aus religiösem Fanatismus und politischen Allmachts-
fantasien des IS wurde erst durch den Zufluss von Geld
und Waffen militärisch-terroristisch virulent. Hier rächt
sich der weltweit außer Kontrolle geratene Waffenhan-
del. Deshalb gilt es zunächst, diesen Zufluss von Geld
und Waffen an den IS zu stoppen und auf die Geldgeber
des IS einzuwirken, die finanzielle und materielle Unter-
stützung des IS einzustellen.
Zivilen Friedensdienst stärken: In der aktuellen De-
batte betone ich besonders die Bedeutung der zivilen
Konfliktbearbeitung wie die Stärkung des Zivilen Frie-
densdienstes, ZFD. Dieser gilt als ein Erfolgsmodell der
Kooperation von staatlichen und nichtstaatlichen Trä-
gern der Entwicklungs- und Friedensarbeit. ZFD-Fach-
kräfte unterstützen weltweit in Krisenregionen örtliche
Partnerorganisationen dabei, Grundlagen für einen nach-
haltigen Frieden zu schaffen.
Das Dilemma, in dem wir uns zwischen „Keine Waf-
fen in Krisengebiete und Friedensarbeit“ auf der einen
und „Nicht zusehen, wie gemordet wird“ auf der anderen
Seite befinden, können wir mit der anstehenden Ent-
scheidung nicht auflösen. Im Augenblick sind wir eher
Getriebene der Entwicklungen. Die Perspektive aber
muss sein, eine präventive und von Diplomatie getra-
gene Friedenspolitik zu gestalten. Für sein aktives Ein-
treten für eine solche Politik danke ich unserem Außen-
minister Frank-Walter Steinmeier.
In Erwägung all dieser Gründe stimme ich dem Ent-
schließungsantrag der Fraktionen CDU/CSU und SPD
zur Regierungserklärung „Humanitäre Hilfe für Flücht-
linge im Irak und Kampf gegen die Terrororganisation
IS“ gemäß § 31 der Geschäftsordnung des Deutschen
Bundestages am 1. September 2014 nicht zu.
Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD): Ich sehe mit
großer Sorge die Verschärfung der sicherheitspolitischen
und der humanitären Lage insbesondere im Norden des
Irak. Nach neuesten Zahlen der Vereinten Nationen sind
mittlerweile über 1,7 Millionen Menschen auf der
Flucht, davon circa 1 Million im Gebiet der kurdischen
Regionalregierung.
Ich begrüße ausdrücklich die umfangreiche humani-
täre Nothilfe der Bundesregierung für die Flüchtlinge,
die unter schwierigsten Bedingungen ihre Heimat verlas-
sen mussten und zum Teil nur ihr Leben retten konnten.
Es ist wichtig, dass die Bundesregierung bisher mit circa
50 Millionen Euro diese Menschen unterstützt und eine
weitere substanzielle Aufstockung dieser Mittel in
Aussicht gestellt hat. Ich begrüße ausdrücklich die Zu-
sicherung des SPD-Fraktionsvorsitzenden Thomas
Oppermann in der Parlamentsdebatte, dass die Mittel für
die humanitäre Hilfe dabei jeweils deutlich höher sein
sollen als die Mittel für die begleitende Unterstützung
durch Waffenlieferungen. Ich unterstütze auch die be-
reits im Entschließungsantrag angesprochene Notwen-
digkeit, dass Deutschland und seine europäischen Part-
ner großzügig bei der Aufnahme von Flüchtlingen sein
sollen.
Die Bundesregierung hat nach einem verantwortungs-
vollen Abwägungsprozess über die humanitäre Hilfe hi-
naus beschlossen, auch Waffen zur Verteidigung gegen
die militärisch überlegenen Truppen des ISIS in Abspra-
che mit der Zentralregierung in Bagdad und in Abstim-
mung mit Deutschlands Partnern an die kurdische Re-
gionalregierung zu liefern. Ich halte insbesondere für
sehr wichtig, dass die Lieferung von Waffen, damit sie
nicht möglicherweise zu einem späteren Zeitpunkt in ei-
nem innerirakischen Konflikt zwischen den drei großen
Volksgruppen zum Einsatz gebracht werden könnten
oder an andere Gruppen missbräuchlich gelangen könn-
ten, ausdrücklich mit der Zustimmung der Zentralregie-
rung und über die Zentralregierung an die Verantwortli-
chen in der kurdischen Nordregion in den Irak geleitet
werden. Die Bundesregierung hat die Augen vor den
potenziellen Gefahren einer Weitergabe eben nicht ver-
schlossen, sondern bei ihren Entscheidungen einbezogen
und entsprechende Maßnahmen – unter anderem eine
Endverbleibsregelung mit der kurdischen Regionalregie-
rung – getroffen. Dies kann natürlich keine letzte Sicher-
heit gegen einen Missbrauch geben, aber es ist eine für
mich sehr wichtige Absicherung.
Die Bundesregierung hat aufgrund einer außerge-
wöhnlichen außen- und sicherheitspolitischen Lage eine
Einzelentscheidung getroffen. Es handelt sich hierbei für
mich ausdrücklich nicht um einen Wechsel in der grund-
sätzlichen Politik oder gar einen Tabubruch. Der Grund-
satz der deutschen Rüstungsexportpolitik, keine Waffen
in Spannungsgebiete zu liefern, bleibt der Eckpfeiler
deutscher Exportpolitik.
Der Schwerpunkt deutscher und internationaler Poli-
tik muss weiter auf der politischen Regelung des Kon-
fliktes im Irak liegen. Es ist für mich persönlich absolut
notwendig, dass der designierte irakische Ministerpräsi-
dent eine Regierung bildet, in der alle großen Volksgrup-
pen des Irak repräsentiert sind. Dies würde auch die
Chance erheblich vergrößern, dass die sunnitischen
Stämme, die sich aufgrund der politischen Diskriminie-
rung durch die Vorgängerregierung Maliki dem ISIS an-
geschlossen haben, sich wieder vom ISIS abwenden und
ihm die Unterstützung entziehen. Die Bundesregierung
muss diesen politischen Prozess gemeinsam mit ihren
Partnern aktiv unterstützen. Wichtig ist darüber hinaus,
dass auch wirtschaftliche und finanzielle Maßnahmen
– wie in der Resolution des UN-Sicherheitsrates vom
15. August 2014 aufgeführt – gegen ISIS und seine Un-
4458 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 48. Sitzung. Berlin, Montag, den 1. September 2014
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terstützer umgesetzt werden. Darüber hinaus ist wesent-
lich, dass eine politische Strategie für die Region des
Nahen und Mittleren Ostens gemeinsam mit den Regie-
rungen vor Ort aufgesetzt wird. Dies erfordert auch klare
Kritik und Einwirkung auf bisherige „stille“ und offene
Unterstützer in der Region wie zum Beispiel die Türkei
oder Saudi-Arabien. Deutschland muss hierzu auch im
Rahmen seines G-7-Vorsitzes weitere Initiativen starten.
Nach Abwägung aller Umstände stimme ich dem vor-
gelegten Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen
zu, weil er eine Entscheidung in einem sehr konkreten
Einzelfall unterstützt, bei dem die Chance besteht, ele-
mentare Menschenrechte für viele betroffene Menschen
zu schützen.
Dr. Nina Scheer (SPD): Wenn sich die Bundesregie-
rung für Waffenlieferungen an die kurdische Regional-
regierung im Nordirak ausspricht, ist dies von dem
Bestreben getragen, Menschenleben von Verfolgten zu
retten, hiermit auch einen Beitrag zum Schutz der Staat-
lichkeit des Irak sowie für die Stabilität der gesamten
Region zu leisten, die angesichts der IS-Terroristen in
akuter Gefahr ist.
Auch wenn ich dieses Bestreben teile, halte ich den-
noch und gerade mit Blick auf die Stabilität der betref-
fenden Region Waffenlieferungen für falsch. Es besteht
die konkrete Gefahr, dass die Waffen in die falschen
Hände geraten oder den Konflikt ausweiten, statt die er-
forderliche Selbstverteidigung zu gewährleisten.
Richtigerweise leistet Deutschland humanitäre Hilfe.
Auch eine Ausdehnung derselben halte ich für richtig.
Es sollten alle humanitären Möglichkeiten ausgeschöpft
werden, um die mit dem Tod bedrohte Zivilbevölkerung
zu schützen.
Ich begrüße zudem, dass sich alle 193 Staaten der
Vereinten Nationen am 15. August 2014 verpflichtet ha-
ben, Staaten, die die IS-Terrorgruppe unterstützen und
sie mit Waffen ausrüsten, zu sanktionieren.
Die gegenwärtige Situation im Irak verlangt darüber
hinaus aber auch militärischen Schutz der verfolgten Zi-
vilisten. Hierfür bedarf es eines UN-Mandats und des
Einsatzes von UN-Friedenstruppen. Interventionen ohne
UN-Resolution oder durch einzelne Staatenbünde ber-
gen die Gefahr neuer Konflikte und Bewaffnung. Vor
diesem Hintergrund können Waffenlieferungen die Aus-
dehnung von Terror verstärken. Das drängendste Elend,
das Deutschland und die Welt aufruft, akute Hilfe zu
leisten, lautet selbstverständlich, Terror und Verfolgung
zu bekämpfen. Unsere Maßnahmen dürfen aber nicht zur
Verstärkung eines terroristischen Nährbodens führen.
Dem Entschließungsantrag kann ich aufgrund der da-
rin mitenthaltenen Unterstützung durch Waffenlieferun-
gen nicht zustimmen, teile aber ausdrücklich die zu hu-
manitären Hilfen getroffenen Aussagen.
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sellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 K
Marian Wendt (CDU/CSU): Dem heute vorliegen-
den Entschließungsantrag des Deutschen Bundestages
zur Lieferung von militärischen und humanitären Aus-
rüstungsgegenständen an die kurdische Regierung im
Nordirak stimme ich zu und möchte dies wie folgt be-
gründen:
Erstens. In den letzten Jahren hat die Region Kurdis-
tan im Irak eine stabile, sichere und friedvolle Entwick-
lung vollzogen. Werte wie Meinungs-, Presse- und Reli-
gionsfreiheit wurden entwickelt, bestätigt und finden
dort im Alltag wirkliche Anwendung. Jedermann kann
seine Meinung frei äußern; Minderheiten sind geschützt,
egal ob es religiöse, ethnische oder andere Gruppen sind.
Die Kurden sehen uns als Partner in der Region; dies
muss so bleiben. Die Kurden sehen Europa, insbeson-
dere Deutschland, als Partner an und hoffen auf unsere
Unterstützung, da gemeinsame Werte geteilt werden.
Wir haben hier enge Verbindungen mit vielen Kurden im
Irak, da viele von ihnen in Deutschland gelebt und ge-
wohnt haben. Sie sind mit uns sprachlich und kulturell
verbunden.
Zweitens. Wir brauchen in der Region Stabilität, nicht
nur im kurdischen Teil, sondern auch darüber hinaus,
vom Mittelmeer bis an den Persischen Golf. Wenn wir es
zulassen, dass die IS-Milizen weiter vordringen und zur
Destabilisierung des Irak und Syriens sowie der angren-
zenden Länder beitragen, dann droht hier ein neuer, grö-
ßerer Konfliktherd. So würde zum Beispiel auch das
NATO-Mitgliedsland Türkei betroffen sein, und sollte
hier ein Angriff geschehen, müssten wir nach Artikel 5
des NATO-Vertrags entsprechenden Beistand geben.
Solch einer Entwicklung sollten wir deswegen mit unse-
rer Unterstützung für die Peschmerga – kurdische Ar-
mee – frühzeitig entgegenwirken. Die IS-Milizen müs-
sen aufgehalten und der Konflikt hoffentlich alsbald
beendet werden.
Drittens. Wir sind eines der größten Exportländer,
auch deshalb müssen wir Verantwortung für globale, ge-
meinsame Aufgaben übernehmen. Hierunter zählen die
Herstellung und die Gewährleistung von Frieden und
Stabilität in den Regionen, wie hier in Irak und Syrien.
Der beste Weg wäre, den Krieg zu verhindern, denn ei-
nen gerechten oder friedlichen Krieg gibt es nicht. Im
Krieg wird jeder irgendwann schuldig. Nun stelle ich
mir die Frage: Wie machen wir uns mehr oder weniger
schuldig? Aus meiner Sicht können wir durch die Unter-
stützung mit Hilfsgütern und militärischem Gut unsere
Partner vor Ort im Kampf gegen den marodierenden und
mordenden IS effektiv unterstützen. Wir stärken mit un-
serer Hilfe die kurdische Verteidigungsbereitschaft, und
damit kann die Terrorgruppe IS und ihre knapp tausend
europäischen Kämpfer zurückgedrängt werden. So han-
deln wir sinnvoll und machen uns nicht durch „Nichts-
tun“ schuldig. Anschließend müssen wir weiter den poli-
tischen Weg zur Stabilisierung der Region gehen.
kerei, Bessemerstraße 83–91, 1
öln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de
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48. Sitzung
Inhaltsverzeichnis
TOP1 Regierungserklärung der Bundeskanzlerin zurSituation im Irak
Anlagen