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    Plenarprotokoll 18/47 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 47. Sitzung Berlin, Freitag, den 4. Juli 2014 I n h a l t : Begrüßung des neuen Abgeordneten Waldemar Westermayer . . . . . . . . . . . . . . . 4337 A Tagesordnungspunkt 26: a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Fünf- ten Gesetzes zur Änderung des Elften Buches Sozialgesetzbuch – Leistungs- ausweitung für Pflegebedürftige, Pfle- gevorsorgefonds (Fünftes SGB XI-Än- derungsgesetz – 5. SGB XI-ÄndG) Drucksache 18/1798 . . . . . . . . . . . . . . . . . 4337 B b) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht der Bundesregierung über das Ergebnis der Prüfung der Notwendig- keit und Höhe einer Anpassung der Leistungen der Pflegeversicherung nach § 30 des Elften Buches Sozialgesetzbuch Drucksache 18/1600 . . . . . . . . . . . . . . . . . 4337 B c) Antrag der Abgeordneten Pia Zimmermann, Sabine Zimmermann (Zwickau), Diana Golze, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Menschenrecht auf gute Pflege verwirklichen – Soziale Pflegeversicherung solidarisch weiter- entwickeln Drucksache 18/1953 . . . . . . . . . . . . . . . . . 4337 C Hermann Gröhe, Bundesminister BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4337 D Pia Zimmermann (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 4339 C Hilde Mattheis (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4341 A Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4342 C Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 4344 C Pia Zimmermann (DIE LINKE) . . . . . . . . 4345 C Kathrin Vogler (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 4347 B Dr. Karl Lauterbach (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 4348 B Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4350 C Jens Spahn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . 4351 C Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4353 A Mechthild Rawert (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 4353 D Pia Zimmermann (DIE LINKE) . . . . . . . . 4354 D Erwin Rüddel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 4355 C Erich Irlstorfer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 4356 C Tagesordnungspunkt 27: a) Antrag der Abgeordneten Annalena Baerbock, Oliver Krischer, Bärbel Höhn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Kohleaus- stieg einleiten – Überfälligen Struktur- wandel im Kraftwerkspark gestalten Drucksache 18/1962 . . . . . . . . . . . . . . . . . 4358 B b) Antrag der Abgeordneten Eva Bulling- Schröter, Caren Lay, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Energiewende durch Koh- leausstiegsgesetz absichern Drucksache 18/1673 . . . . . . . . . . . . . . . . . 4358 B Annalena Baerbock (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4358 C Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU) . . . . . . . . . 4360 C Inhaltsverzeichnis II Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 47. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. Juli 2014 Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4361 D Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . . . . . 4364 A Dirk Becker (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4365 B Andreas Jung (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 4367 C Hubertus Zdebel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 4369 B Dr. Matthias Miersch (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 4370 C Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4372 D Barbara Lanzinger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 4374 A Thomas Jurk (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4376 A Jens Koeppen (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 4378 C Tagesordnungspunkt 11: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Bekämpfung von Zahlungs- verzug im Geschäftsverkehr Drucksachen 18/1309, 18/1576, 18/2037 . . . . 4380 A Christian Lange, Parl. Staatssekretär BMJV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4380 B Richard Pitterle (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 4381 B Dr. Stephan Harbarth (CDU/CSU) . . . . . . . . . 4382 A Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4383 B Dirk Wiese (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4384 B Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU/ CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4385 A Dr. Silke Launert (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 4385 C Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . . . . . 4386 B Marcus Held (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4387 B Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4388 A Dr. Matthias Heider (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 4389 C Tagesordnungspunkt 29: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Absicherung stabiler und fairer Leistungen für Lebensversi- cherte (Lebensversicherungsreformge- setz – LVRG) Drucksachen 18/1772, 18/2016 . . . . . . . . 4391 A b) Beschlussempfehlung und Bericht des Fi- nanzausschusses zu dem Antrag der Abge- ordneten Susanna Karawanskij, Matthias W. Birkwald, Dr. Axel Troost, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Lebensversicherungen auf den Prüfstand stellen – Kein Schnellverfah- ren zu Lasten der Versicherten Drucksachen 18/1815, 18/2016 . . . . . . . . 4391 B Dr. h. c. Hans Michelbach (CDU/CSU) . . . . . 4391 C Susanna Karawanskij (DIE LINKE) . . . . . . . 4392 C Manfred Zöllmer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 4394 A Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4395 C Anja Karliczek (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 4396 D Lothar Binding (Heidelberg) (SPD) . . . . . . . . 4398 D Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4399 C Namentliche Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . 4400 C Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4407 C Tagesordnungspunkt 28: Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Einsetzung einer „Expertenkommission zur Zukunft der Behörde des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdiens- tes der ehemaligen Deutschen Demokrati- schen Republik (BStU)“ Drucksache 18/1957 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4400 C Marco Wanderwitz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 4400 C Stefan Liebich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 4402 A Siegmund Ehrmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 4403 A Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4404 B Matthias Schmidt (Berlin) (SPD) . . . . . . . . . . 4405 A Jörg Hellmuth (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 4406 A Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4409 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 4411 A Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Dr. Hans-Joachim Schabedoth (SPD) zur namentlichen Abstimmung über den von den Abgeordneten Klaus Ernst, Susanna Karawanskij, Jutta Krellmann, weiteren Ab- geordneten und der Fraktion DIE LINKE ein- gebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Ab- schaffung der sachgrundlosen Befristung (46. Sitzung, Tagesordnungspunkt 6 b) . . . . . 4411 D Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 47. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. Juli 2014 III Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Peer Steinbrück (SPD) zur namentlichen Ab- stimmung über den von den Abgeordneten Klaus Ernst, Susanna Karawanskij, Jutta Krellmann, weiteren Abgeordneten und der Fraktion DIE LINKE eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Abschaffung der sach- grundlosen Befristung (46. Sitzung, Tages- ordnungspunkt 6 b) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4412 A Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Rede des Abgeordne- ten Hartmut Koschyk (CDU/CSU) zur Bera- tung des Antrags: Einsetzung einer „Exper- tenkommission zur Zukunft der Behörde des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deut- schen Demokratischen Republik (BStU)“ (Ta- gesordnungspunkt 28) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4412 B Anlage 5 Nachträglich zu Protokoll gegebene Rede des Abgeordneten Dr. Georg Kippels (CDU/CSU) zur Beratung des Antrags: 20 Jahre nach Kairo – Bevölkerungspolitik im Kontext in- ternationaler Entwicklungszusammenarbeit und der Post-2015-Agenda (46. Sitzung, Ta- gesordnungspunkt 31) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4413 D Anlage 6 Amtliche Mitteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4414 B Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 47. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. Juli 2014 4337 (A) (C) (D)(B) 47. Sitzung Berlin, Freitag, den 4. Juli 2014 Beginn: 9.00 Uhr
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    (D) Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 47. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. Juli 2014 4411 (A) (C) (B) Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten (D) Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Alpers, Agnes DIE LINKE 04.07.2014 Bätzing-Lichtenthäler, Sabine SPD 04.07.2014 Beyer, Peter CDU/CSU 04.07.2014 Bosbach, Wolfgang CDU/CSU 04.07.2014 Brand, Michael CDU/CSU 04.07.2014 Dörner, Katja BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 04.07.2014 Flisek, Christian SPD 04.07.2014 Flosbach, Klaus-Peter CDU/CSU 04.07.2014 Freitag, Dagmar SPD 04.07.2014 Gehrcke, Wolfgang DIE LINKE 04.07.2014 Gohlke, Nicole DIE LINKE 04.07.2014 Dr. Hahn, André DIE LINKE 04.07.2014 Hartmann, Michael SPD 04.07.2014 Dr. Hirte, Heribert CDU/CSU 04.07.2014 Hochbaum, Robert CDU/CSU 04.07.2014 Irlstorfer, Erich CDU/CSU 04.07.2014 Kühn (Tübingen), Christian BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 04.07.2014 Leutert, Michael DIE LINKE 04.07.2014 Maag, Karin CDU/CSU 04.07.2014 Dr. de Maizière, Thomas CDU/CSU 04.07.2014 Mortler, Marlene CDU/CSU 04.07.2014 Dr. Mützenich, Rolf SPD 04.07.2014 Nietan, Dietmar SPD 04.07.2014 Poschmann, Sabine SPD 04.07.2014 Poß, Joachim SPD 04.07.2014 Rief, Josef CDU/CSU 04.07.2014 Schlecht, Michael DIE LINKE 04.07.2014 Dr. Schröder, Ole CDU/CSU 04.07.2014 Dr. Schulze, Klaus-Peter CDU/CSU 04.07.2014 Dr. Troost, Axel DIE LINKE 04.07.2014 Ulrich, Alexander DIE LINKE 04.07.2014 Dr. Wagenknecht, Sahra DIE LINKE 04.07.2014 Weinberg, Harald DIE LINKE 04.07.2014 Dr. Weisgerber, Anja CDU/CSU 04.07.2014 Werner, Katrin DIE LINKE 04.07.2014 Wicklein, Andrea SPD 04.07.2014 Wöhrl, Dagmar G. CDU/CSU 04.07.2014 Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Dr. Hans-Joachim Schabedoth (SPD) zur namentlichen Abstim- mung über den von den Abgeordneten Klaus Ernst, Susanna Karawanskij, Jutta Krellmann, weiteren Abgeordneten und der Fraktion DIE LINKE eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Abschaffung der sachgrundlosen Befristung (46. Sitzung, Tagesordnungspunkt 6 b) In der letzten Legislaturperiode hat sich die SPD- Bundestagsfraktion unter anderem mit dem Antrag „Langfristige Perspektive statt sachgrundlose Befris- tung“ (Drucksache 17/1769) klar für die Abschaffung der sachgrundlosen Befristung ausgesprochen. Auch im SPD-Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2013 ist diese Position ebenso klar formuliert worden: „Die Möglichkeit der sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverträgen wollen wir abschaffen, den Katalog möglicher Befristungsgründe überprüfen.“ Dafür tritt die SPD auch inhaltlich weiterhin ein. Es ist bedauerlich, dass in den Koalitionsverhandlun- gen mit CDU und CSU keine Abschaffung der sach- grundlosen Befristung vereinbart werden konnte und in der aktuellen Regierungskoalition daher derzeit leider keine parlamentarische Mehrheit dafür vorhanden ist. Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Anlagen 4412 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 47. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. Juli 2014 (A) (C) (D)(B) Im Koalitionsvertrag der Großen Koalition von CDU/ CSU und SPD konnten jedoch viele wichtige und lange geforderte Verbesserungen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vereinbart werden, die für gute Arbeit und gegen prekäre Beschäftigung, wozu auch die sachgrund- lose Befristung zählt, wirken werden. Beispielsweise der gesetzliche Mindestlohn, die Ausweitung des Arbeitneh- mer-Entsendegesetzes auf alle Branchen – wodurch hö- here Branchenmindestlöhne möglich sind – sowie die erleichterte Möglichkeit der Allgemeinverbindlichkeits- erklärung von Tarifverträgen, die dann für alle Beschäf- tigten und Arbeitgeber einer Branche gelten. Zudem werden Werkverträge und Leiharbeit stärker reguliert bzw. gegen deren Missbrauch vorgegangen. Im Koalitionsvertrag haben sich die Bundestagsfrak- tionen von CDU/CSU und SPD auf ein einheitliches Ab- stimmungsverhalten im Deutschen Bundestag verstän- digt. Daher werde ich dem Gesetzentwurf der Fraktion Die Linke nicht zustimmen. Die Abschaffung der sachgrundlosen Befristung wird aber auch weiterhin mein erklärtes politisches Ziel blei- ben, wofür ich mich auch zukünftig einsetzen werde. Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Peer Steinbrück (SPD) zur na- mentlichen Abstimmung über den von den Abge- ordneten Klaus Ernst, Susanna Karawanskij, Jutta Krellmann, weiteren Abgeordneten und der Fraktion DIE LINKE eingebrachten Ent- wurf eines Gesetzes zur Abschaffung der sach- grundlosen Befristung (46. Sitzung, Tagesord- nungspunkt 6 b) Ich habe nach der falschen Abstimmungskarte gegrif- fen. Mein Votum lautet Nein. Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Rede des Abgeordneten Hartmut Koschyk (CDU/ CSU) zur Beratung des Antrags: Einsetzung einer „Expertenkommission zur Zukunft der Behörde des Bundesbeauftragten für die Unter- lagen des Staatssicherheitsdienstes der ehe- maligen Deutschen Demokratischen Republik (BStU)“ (Tagesordnungspunkt 28) Wir alle können stolz sein: Denn Deutschland ver- dankt seine staatliche Einheit in Freiheit vor allem dem Mut der Bürgerinnen und Bürger. Die Sehnsucht der Menschen nach Freiheit hatte die SED in ihrem Macht- bereich zwar unterdrücken, aber nicht auslöschen kön- nen. Deutsche Einheit und Fall der Mauer stehen für die Kraft, die von den Werten Freiheit, Demokratie und Zi- vilcourage ausgeht, und die Kraft, die in einem Volk ste- cken kann, wenn es entschlossen ist, diesen Werten Gel- tung zu verschaffen. Erinnern wir uns: In einem weltweit einmaligen Vor- gang wurden 1989/90 im Zuge der friedlichen Revolution in der DDR die Dienststellen des ehemaligen Ministe- riums für Staatssicherheit der DDR von Demonstranten besetzt. Damit wurde die Auflösung dieser Geheimpoli- zei erzwungen. Zeitweise wurden Dienststellen der ehe- maligen DDR-Geheimpolizei besetzt, um die Vernich- tung von Akten zu stoppen. Ziel war es, dass jeder Betroffene das gesetzliche Recht auf Einsicht in seine Akten erhalten sollte. Am 3. Oktober 1990, dem Tag der Wiedervereini- gung, an dem Millionen Ostdeutsche nach 56-jähriger Herrschaft von Diktatoren, die sie durch ihre friedliche Revolution abgeschüttelt hatten, endlich freie Bürger sein durften, wurde der heutige Bundespräsident Joachim Gauck zum Sonderbeauftragten der Bundes- regierung für die Stasi-Unterlagen ernannt. Ende De- zember 1991 trat schließlich das Stasi-Unterlagen-Ge- setz in Kraft, und aus dem „Sonderbeauftragten“ wurde 1991 der erste „Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR“. Die Behörde des Bundesbeauftragten, BStU, leistet seit 23 Jahren einen unschätzbaren Beitrag zur persönli- chen und öffentlichen Auseinandersetzung mit der SED- Diktatur, und das Interesse an der Akteneinsicht ist wei- terhin groß. Insgesamt 6 876 003 Ersuchen und Anträge gingen von 1992 bis Ende 2013 bei der Behörde des Bundesbeauftragten ein, darunter über 2,98 Millionen Anträge von Bürgern auf Auskunft, Akteneinsicht und Herausgabe, davon 80 611 im Jahr 2011, 88 231 im Jahr 2012 und 67 743 in 2013. Mit dem zeitlichen Abstand zum Ende der DDR sinkt naturgemäß die Zahl derer, die noch nicht in ihre Unterlagen geschaut haben. Trotz rückläufiger Zahlen muss aber auch in Zukunft gewähr- leistet sein, dass es zu keiner Verschlechterung bei der Nutzung der Akten durch Bürgerinnen und Bürger, For- schung, Bildung, Medien und öffentlicher Stellen kommt. Die Behörde des Bundesbeauftragten bleibt auch in Zukunft für die demokratische und rechtsstaatliche Auf- arbeitung der SED-Diktatur von hoher Bedeutung, und diese Rolle wird auch nicht angetastet werden. Die Taten des DDR-Unrechtsstaates dürfen nicht vergessen wer- den! Sie sind Mahnung an uns alle, uns tagtäglich die Werte unserer freiheitlich-demokratischen Grundord- nung vor Augen zu führen. Insbesondere im Hinblick auf die kommenden Generationen, die keine eigenen Er- fahrungen mit der Zeit der deutschen Teilung besitzen, ist es wichtig, die Erinnerungskultur an das erlittene Un- recht lebendig zu halten. 25 Jahre nach dem Ende der SED-Diktatur hat sich inzwischen erfreulicherweise eine breite und vielfältige Institutionenlandschaft entwickelt, die die Auseinander- setzung mit der zweiten, der kommunistischen Diktatur in einem Teil unseres Landes auf allen Ebenen befördert. An dieser Stelle sei nur die Bundesstiftung zur Aufarbei- tung der SED-Diktatur, deren Stiftungsrat ich angehöre, das Zeitgeschichtliche Forum in Leipzig sowie die Bun- des- und Landeszentralen für politische Bildung ge- nannt, aber auch die vielen Vereine, Opferverbände und Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 47. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. Juli 2014 4413 (A) (C) (D)(B) Gedenkstätten an historischen Orten der Repression. Heute nimmt die Bundesbehörde des Bundesbeauftrag- ten somit nicht mehr allein gebündelt die wesentlichen Aufgaben der Aufarbeitung der Tätigkeit des Staats- sicherheitsdienstes wahr. CDU, CSU und SPD haben daher in ihrem Koali- tionsvertrag festgeschrieben, eine Expertenkommission einzusetzen, die bis zur Mitte der Legislaturperiode Vor- schläge erarbeitet, wie und in welcher Form die aus dem Stasi-Unterlagen-Gesetz, StUG, resultierenden Aufgaben des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staats- sicherheitsdienstes der ehemaligen DDR, BStU, fortge- führt werden und wann das geschieht. Insbesondere auch als stellvertretender Stiftungsrats- vorsitzender der „Stiftung zur Aufarbeitung der SED- Diktatur“ und langjähriges Mitglied des Beirates beim Bundesbeauftragten für die Unterlagen der Staatssicher- heit der ehemaligen DDR danke ich allen Kolleginnen und Kollegen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, dass sie gemeinsam mit den Fraktionen von CDU/CSU und SPD die Errichtung genannter Expertenkommission un- terstützen und den Antrag zur Einsetzung einer „Exper- tenkommission zur Zukunft des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehema- ligen DDR, BStU“ mitgezeichnet haben. Gemeinsam setzen wir damit fraktionsübergreifend ein Zeichen der Geschlossenheit und Entschlossenheit, die Erinnerung an das erlittene Leid unzähliger Bürgerinnen und Bürger in unserem Land lebendig zu halten und dass Willkür- akte und Terror seitens der Staatsgewalt in unserem Land nie wieder sein werden! Wenn meine Fraktion gemeinsam mit den Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen einen Antrag an das Haus stellt, eine Expertenkommission zu bestellen, die über die Zukunft des Büros des Bundesbeauftragten befinden soll, dann geschieht dies nicht mit der Absicht, einen Schlussstrich unter die Aufarbeitung der kommunis- tischen Diktatur in Deutschland zu ziehen. Im Gegenteil, wir sind der Überzeugung, dass die Auseinandersetzung mit der SED-Diktatur eine dauerhafte, gesamtgesell- schaftliche und im besten Sinne gesamtdeutsche Auf- gabe bleibt. Die Expertenkommission soll ergebnisoffen, aber un- ter klaren Prämissen, eine Empfehlung abgeben, wie die Aufgaben der Bundesbehörde des Bundesbeauftragten langfristig weiter erfüllt werden können. Denn eines ist klar: Der Zugang zu den Stasiakten muss mindestens in der bisherigen Form gewährleistet bleiben, und auch die Auseinandersetzung mit der Stasi als dem wichtigsten Repressionsinstrument der SED bleibt eine dauerhafte Aufgabe der schulischen und vor allem auch außerschu- lischen historisch-politischen Bildung. Ob diese und an- dere Aufgaben in der bisherigen institutionellen Form weiterverfolgt oder anderen Institutionen übertragen werden sollen, wird Untersuchungsgegenstand der Ex- pertenkommission sein. Die Einrichtung der Experten- kommission wird aber in keiner Weise die Möglichkeit der Bürgerinnen und Bürger, der Medien und der öffent- lichen Stellen zur Akteneinsicht nachteilig beeinflussen. Selbstverständlich werden die Aufarbeitung des DDR- Unrechts und die Auswertung der Akten der Stasi weiter vorangehen – auch wenn parallel eine Expertenkommis- sion über die Zukunft der Bundesbehörde des Bundesbe- auftragten beraten wird. Es gilt zu klären, wie die Aufgaben der Behörde des Bundesbeauftragten langfristig und in Zusammenarbeit mit anderen Institutionen effizient und sachgerecht fort- geführt werden. Hierzu wird die Expertenkommission Handlungsempfehlungen erarbeiten, die dem Deutschen Bundestag als Grundlage für weitere Entscheidungen über die Zukunft der Bundesbehörde des Bundesbeauf- tragten und zur Weiterentwicklung der Aufarbeitung der DDR-Diktatur dienen werden. Im Hinblick auf die Zusammensetzung der Experten- kommission haben wir uns darauf verständigt, dass die- ser keine aktiven Mitglieder des Deutschen Bundestages angehören werden. Wir verdeutlichen damit den Men- schen in unserem Land, von welch großer gesellschafts- politischer Bedeutung über Parteigrenzen hinweg die Aufarbeitung des erlittenen DDR-Unrechts in unserem Land ist und bleibt. Wir wollen die Aufarbeitung der kommunistischen Diktatur in der ehemaligen DDR ein Vierteljahrhundert nach ihrer friedlichen Überwindung zukunftsfähig ma- chen. Dazu gehört selbstverständlich auch die Evaluation einer Einrichtung, die 1990 zur Sicherung, Erschließung der Stasi-Unterlagen und der mit ihnen verbundenen An- fragen auf Akteneinsicht in den verschiedenen Zusam- menhängen geschaffen worden war. Wir haben gelernt, dass die Aufarbeitung von Diktaturen ein langwieriger Prozess ist, in dessen Verlauf immer wieder neue Fragen gestellt oder alte Fragen neu gestellt werden. Die Aus- einandersetzung mit der kommunistischen Diktatur ist dabei kein Selbstzweck, sondern soll den Unterschied zwischen Diktatur und Demokratie, zwischen einfachen, aber in der Konsequenz immer totalitären Heilsverspre- chen und den Mühen der demokratischen Ebene deutlich machen. Und diese Aufgabe bleibt dauerhaft bestehen. Anlage 5 Nachträglich zu Protokoll gegebene Rede des Abgeordneten Dr. Georg Kippels (CDU/ CSU) zur Beratung des Antrags: 20 Jahre nach Kairo – Bevölkerungspolitik im Kontext inter- nationaler Entwicklungszusammenarbeit und der Post-2015-Agenda (46. Sitzung, Tagesord- nungspunkt 31) Vor 40 Jahren startete in Bukarest ein weltweites Um- denken. Menschenrechte, Menschenwürde und die Stär- kung des Individuums wurden zum Kern der internatio- nalen Bevölkerungspolitik. Menschenrechte dürfen nicht nur Männerrechte sein. In Konsequenz daraus rückte der Stand von Frauen in der Gesellschaft in den Fokus. Heute herrscht genauso Konsens darüber, dass Frauen das Fundament einer demokratischen Gesellschaft sind, wie Konsens darüber herrscht, dass eine wachsende Weltbevölkerung nur durch die weltweite Gleichberech- 4414 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 47. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. Juli 2014 (A) (C) (D)(B) tigung von Frauen in den Griff zu bekommen ist. Simone de Beauvoir schrieb 1949 und damit 25 Jahre vor der ersten Weltbevölkerungskonferenz in Das an- dere Geschlecht: „Am Rande der Welt situiert zu sein, ist keine günstige Ausgangslage für einen, der vorhat, die Welt neu zu erschaffen.“ Da Gewalt, Rechtlosigkeit und Unterdrückung heute aber immer noch die Lebens- situation von zig Millionen Frauen vor allem, aber nicht nur in Entwicklungs- und Schwellenländern kennzeich- nen, ist unsere aktive Unterstützung der Gleichstellung der Frauen oberstes Gebot. Dies stellen wir klar mit un- serem Antrag dar. Indien hat in der letzten Zeit immer wieder internatio- nal Schlagzeilen gemacht durch brutalste Vergewalti- gungen bei denen fast immer der Tod des Opfers in Kauf genommen wurde oder das Opfer im Anschluss an die Tat ermordet wurde. In den Krisen- und Kriegsgebieten dieser Welt wird Vergewaltigung zunehmend als Waffe gebraucht. Dies ist keine neue Problematik, und ich würde mir wünschen, dass es diesbezüglich international ähnliche Aufschreie geben würde wie bei einem Schiedsrichterfehler in der laufenden Fußballweltmeis- terschaft, jedoch ist die steigende Entwicklung in Zahl und Brutalität ein wachsendes Unrecht, dem entschieden begegnet werden muss. Systematische Vergewaltigun- gen wie in Ruanda, in Bosnien oder im Kongo müssen international geächtet werden. Ein wichtiger Schritt auf diesem Weg ist mit der Kon- ferenz zu sexueller Gewalt in bewaffneten Konflikten in London diesen Monat vollzogen worden, an der Vertre- ter von 117 Nationen sowie von Hilfs- und Menschen- rechtsorganisationen teilgenommen haben. Dort wurde ein Protokoll verabschiedet, das Richtlinien festlegt, wie sexuelle Gewalt in bewaffneten Konflikten als solche er- kannt und verfolgt werden kann. Darüber hinaus müssen wir jedoch auch den Opfern jegliche Unterstützung gewähren, um mit den Folgen der Vergewaltigungen umzugehen. Neben den Aspekten der Rechte von Frauen und der Gewalt gegen Frauen ist der Aspekt der Bildung von zentraler Bedeutung. Auch dies betont unser Antrag. Nur wenn es gelingt, Mädchen und Frauen denselben Zugang zu Bildung zu ermöglichen wie Jungen und Männern, können sie Rechte erlangen und auch wahrnehmen. Nur durch Bildung werden Frauen befähigt, qualifizierter Ar- beit nachzugehen. Nur mit qualifizierter Arbeit können Frauen ihren eigenen Lebensunterhalt bestreiten und Un- abhängigkeit erlangen. Mit unserem Antrag „20 Jahre nach Kairo – Bevölke- rungspolitik im Kontext internationaler Entwicklungszu- sammenarbeit und der Post-2015-Agenda“ unterstützen wir die weltweite Ermächtigung von Frauen und fordern wir auch die Bundesregierung auf, dem nachzukommen. Anlage 6 Amtliche Mitteilungen Die folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, dass sie gemäß § 80 Absatz 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absehen: Finanzausschuss – Unterrichtung durch den Bundesrechnungshof Bericht nach § 99 der Bundeshaushaltsordnung über den Vollzug der Steuergesetze, insbesondere im Arbeit- nehmerbereich Drucksachen 17/8429, 18/770 Nr. 7 Haushaltsausschuss – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über bislang geprüfte Op- tionen zur Steigerung von Attraktivität und Wettbe- werbsfähigkeit sowie über Maßnahmen zur stärkeren Berücksichtigung von Öffentlich-Privaten Partner- schaften als Beschaffungsvariante der öffentlichen Hand Drucksache 17/13749 – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushaltsführung 2012 Über- und außerplanmäßige Ausgaben und Verpflich- tungsermächtigungen im ersten Vierteljahr des Haus- haltsjahres 2012 Drucksachen 17/9863, 18/770 Nr. 8 – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushaltsführung 2012 Über- und außerplanmäßige Ausgaben und Verpflich- tungsermächtigungen im zweiten Vierteljahr des Haus- haltsjahres 2012 Drucksachen 17/10556, 18/770 Nr. 9 – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushaltsführung 2012 Über- und außerplanmäßige Ausgaben und Verpflich- tungsermächtigungen im dritten Vierteljahr des Haus- haltsjahres 2012 Drucksachen 17/11727, 18/770 Nr. 10 – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushaltsführung 2012 Über- und außerplanmäßige Ausgaben und Verpflich- tungsermächtigungen im vierten Vierteljahr des Haus- haltsjahres 2012 Drucksachen 17/12605, 18/770 Nr. 11 Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden Unionsdokumente zur Kenntnis genommen oder von ei- ner Beratung abgesehen hat. Auswärtiger Ausschuss Drucksache 18/419 Nr. A.9 EP P7_TA-PROV(2013)0418 Drucksache 18/419 Nr. A.10 EP P7_TA-PROV(2013)0446 Drucksache 18/1393 Nr. A.2 EuB-BReg 27/2014 Drucksache 18/1393 Nr. A.3 EuB-BReg 35/2014 Drucksache 18/1393 Nr. A.4 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 47. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. Juli 2014 4415 (A) (C) (B) EuB-BReg 36/2014 Drucksache 18/1393 Nr. A.5 EuB-BReg 37/2014 Drucksache 18/1393 Nr. A.7 EuB-BReg 39/2014 Drucksache 18/1393 Nr. A.8 EuB-BReg 40/2014 Drucksache 18/1393 Nr. A.9 EuB-BReg 41/2014 Drucksache 18/1393 Nr. A.12 Ratsdokument 7941/14 Drucksache 18/1393 Nr. A.13 Ratsdokument 7942/14 Drucksache 18/1393 Nr. A.14 Ratsdokument 7943/14 Drucksache 18/1393 Nr. A.15 Ratsdokument 7944/14 Drucksache 18/1393 Nr. A.16 Ratsdokument 8595/14 Drucksache 18/1524 Nr. A.1 Ratsdokument 8547/14 Drucksache 18/1707 Nr. A.1 Ratsdokument 9467/14 Innenausschuss Drucksache 18/419 Nr. A.21 EP P7_TA-PROV(2013)0384 Drucksache 18/419 Nr. A.23 EP P7_TA-PROV(2013)0419 Drucksache 18/419 Nr. A.24 EP P7_TA-PROV(2013)0444 Drucksache 18/419 Nr. A.29 Ratsdokument 14529/13 Drucksache 18/419 Nr. A.34 Ratsdokument 16596/13 Drucksache 18/419 Nr. A.35 Ratsdokument 16597/13 Drucksache 18/419 Nr. A.36 Ratsdokument 16603/13 Drucksache 18/544 Nr. A.16 Ratsdokument 17144/13 Drucksache 18/544 Nr. A.17 Ratsdokument 17268/13 Drucksache 18/1393 Nr. A.20 Ratsdokument 8415/14 Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft Drucksache 18/1393 Nr. A.31 Ratsdokument 7956/14 Drucksache 18/1393 Nr. A.32 Ratsdokument 8194/14 Ausschuss für Arbeit und Soziales Drucksache 18/419 Nr. A.104 Ratsdokument 16472/13 Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe Drucksache 18/419 Nr. A.155 EP P7_TA-PROV(2013)0423 Drucksache 18/822 Nr. A.35 EP P7_TA-PROV(2014)0109 Drucksache 18/1048 Nr. A.17 EP P7_TA-PROV(2014)0173 Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Drucksache 18/642 Nr. A.12 Ratsdokument 5856/14 Drucksache 18/1707 Nr. A.7 Ratsdokument 9770/14 (D) 47. Sitzung Inhaltsverzeichnis TOP 26 Pflegeversicherung TOP 27 Verstromung von Kohle TOP 11 Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr TOP 29 Lebensversicherungsreformgesetz TOP 28 Kommission zur Zukunft der Stasi-Unterlagenbehörde Anlagen
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Kathrin Vogler


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DIE LINKE.)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE LINKE.)


    Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen

    und Kollegen! Herr Nüßlein, wenn man Sie hat sagen
    hören, welcher Reformbedarf hier auf einmal besteht,
    dann fragt man sich, wer eigentlich in den letzten Jahren
    in Deutschland regiert hat.


    (Jens Spahn [CDU/CSU]: Sie Gott sei Dank nicht!)


    Das kann ja nicht die Union gewesen sein.


    (Beifall bei der LINKEN)


    Wir wissen doch alle, und nicht erst seit gestern, dass
    grundlegende Verbesserungen in der Pflege dringend
    notwendig sind. Wenn ich mit Pflegenden spreche
    – ganz egal, ob es sich um Angehörige oder Beschäftigte
    in der ambulanten oder stationären Pflege handelt –,
    dann höre ich immer nur: Stress, Zeitdruck, übermäßige
    Arbeitsbelastung. Wenn man mit Menschen mit Pflege-
    bedarf spricht und sie fragt, was sie sich wünschen, dann
    hört man nur eines, nämlich mehr Zeit.


    (Beifall bei der LINKEN)


    Herr Kollege Nüßlein hat gerade sehr eindrucksvoll do-
    kumentiert, dass auch diese Bundesregierung leider
    keine Antwort auf diese große Herausforderung hat.

    Wir alle haben eine Vorstellung davon, wie wir im Al-
    ter leben wollen. Dazu gehören größtmögliche Selbst-
    ständigkeit und Teilhabe. Die Realität sieht für viele aber
    leider ganz anders aus. Auch die Berichte über Zwangs-
    maßnahmen in der Pflege müssen uns, glaube ich, Sor-
    gen machen. Aus Personalmangel, aus Zeitmangel und
    aus Unwissenheit werden Menschen gegen ihren Willen
    angebunden oder hinter Bettgitter gesteckt. Diese Men-
    schenrechtsverletzungen – das will ich noch einmal ganz
    klar sagen – geschehen nicht aus Bosheit, sondern sind
    Ausdruck einer strukturellen Unterversorgung.


    (Maria Michalk [CDU/CSU]: Trotzdem nicht zulässig!)


    Diese Unterversorgung müssen wir beenden; denn gute
    Pflege ist ein Menschenrecht.


    (Beifall bei der LINKEN)


    Ich höre mit Freude, dass Sie zumindest zaghafte
    Schritte der Verbesserung ankündigen. Ich sage aber
    ganz klar: Mit Ankündigungen alleine wird sich die
    Linke nicht abfinden. Wir werden weiter darauf achten,
    dass für die Menschen tatsächlich etwas passiert.


    (Beifall bei der LINKEN – Mechthild Rawert [SPD]: Das passiert auch!)


    Der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff, über den wir in
    Expertenkommissionen und hier im Hause über drei
    Wahlperioden diskutiert haben, bringt nur dann etwas für
    die Menschen mit Pflegebedarf, wenn Teilhabe und
    Selbstbestimmung im Mittelpunkt stehen. Hier sehe ich
    mit dem heute vorliegenden Gesetzentwurf leider noch
    keinen echten Fortschritt. Das ist eine vertane Chance.


    (Beifall bei der LINKEN)


    Uns allen ist doch klar, dass wir für die Umsetzung einer
    solchen grundlegenden Pflegereform viel Geld benöti-
    gen. Die jetzige Erhöhung der Pflegeversicherungsbei-
    träge hat aber rein gar nichts mit Nachhaltigkeit zu tun.

    Nach unserem Zeitplan werden wir heute Nachmittag
    um 13.20 Uhr das Lebensversicherungsreformgesetz be-
    raten. Die Menschen werden die Erfahrung machen, dass
    das, was sie im Rahmen ihrer Lebensversicherungen fürs
    Alter angespart haben, vor dem Hintergrund der Nied-
    rigzinssituation und der Finanzkrise eben nicht mehr si-
    cher ist.


    (Volker Kauder [CDU/CSU]: Das ist ja Quatsch! Das ist absoluter Quatsch, was Sie hier erzählen! – Maria Michalk [CDU/CSU]: Das ist doch auch wieder Quatsch! – Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Sie sollten so etwas nicht sagen, wenn Sie davon nichts verstehen!)






    Kathrin Vogler


    (A)



    (D)(B)

    Sie wollen dieses Modell der Lebensversicherung, bei
    dem eine Rücklage für spätere Zeiten gebildet wird, mit
    dem Vorsorgefonds auch auf den Bereich der sozialen
    Pflegeversicherung übertragen.


    (Dr. Karl Lauterbach [SPD]: Das ist doch Unsinn!)


    Da die SPD jetzt offensichtlich erkannt hat, dass das
    hoch problematisch ist, und das strittig stellt, kann ich
    Ihnen nur sagen: Bitte bleiben Sie hier hart! Sorgen Sie
    dafür, dass das Struck‘sche Gesetz, dass eben nichts so
    aus diesem Parlament herausgeht, wie es hineingekom-
    men ist, gerade bei diesem Vorsorgefonds eingehalten
    wird


    (Beifall bei der LINKEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Sie gehen so heraus, wie Sie hineingegangen sind!)


    und dass die 1,2 Milliarden Euro jährlich, die die Union
    für spätere Zeiten bei Banken und in Aktienfonds parken
    möchte, jetzt unmittelbar für Verbesserungen für die
    Pflegebedürftigen und deren Angehörigen verwendet
    werden!

    Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir müssen unbe-
    dingt einen konkreten Zeitplan für die Umsetzung des
    neuen Pflegebegriffs haben. Es muss auch sichergestellt
    werden, dass kein pflegebedürftiger Mensch später
    schlechter gestellt ist als heute.


    (Beifall bei der LINKEN – Mechthild Rawert [SPD]: Bestandsschutz!)


    In der Perspektive brauchen wir aber Leistungen, die
    sich wirklich am individuellen Bedarf orientieren. Dafür
    werden wir uns als Linke weiter einsetzen. Wir werden
    Sie auch unterstützen, wenn wir Schritte in diese Rich-
    tung erkennen können.


    (Beifall bei der LINKEN)




Rede von Ulla Schmidt
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

Vielen Dank. – Nächster Redner ist Dr. Karl

Lauterbach, SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Karl Lauterbach


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)


    Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

    Herren! Ich muss meine Rede umstellen. Als so später
    Redner in dieser Debatte dachte ich, dass über die Re-
    form schon alles gesagt worden wäre. Bisher hat man
    aber nicht viel dazu gehört. Das alles war sehr unspezi-
    fisch,


    (Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der Minister hat doch geredet, oder?)


    und nicht alles, was man gehört hat, war richtig.


    (Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

    Da wollen wir einmal wissen, was Sie zu bie-
    ten haben!)
    Worum geht es bei dieser Reform eigentlich? Die
    Grünen haben vorgetragen, die Reform sei teuer. Es ist
    richtig: Die Reform ist teuer. Darauf sind wir stolz. Wir
    sind stolz darauf, dass die Reform teuer ist, denn sie
    muss teuer sein. 6 Milliarden Euro, paritätisch finanziert.
    Die Leistungen der Pflegeversicherung werden in zwei
    Schritten um 20 Prozent erhöht. Das ist die größte Stei-
    gerung im Rahmen einer Sozialreform in den letzten
    Jahrzehnten. Wir sind stolz darauf, die größte Reform
    der Pflegeversicherung seit ihrem Bestehen vorlegen zu
    können. Wir stehen dazu: Die Reform ist teuer. Aber ge-
    nau das brauchen wir auch.


    (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat keiner infrage gestellt!)


    Ich will auch ehrlich sagen: Diese Reform ist nicht
    perfekt; das ist gar keine Frage. Ich möchte aber trotz-
    dem sagen: Das, was wir als Reform zum jetzigen Zeit-
    punkt vorlegen, ist das Ergebnis dessen, was wir im Ko-
    alitionsvertrag über viele Wochen verhandelt haben. Ich
    möchte Minister Gröhe ausdrücklich dafür danken, dass
    er sich aus meiner Sicht sehr eng an den Vertrag gehalten
    hat, der in dieser Sache zielführend ist und den wir mit
    gutem Willen und im Konsens vereinbart haben. Daher
    gilt: Wir werden diese Reform verbessern können; das
    ist gar keine Frage. Jeder Parlamentarier weiß: Wir wol-
    len nicht verändern, sondern wir werden verbessern.
    Aber der Raum für Verbesserungen ist hier nicht groß;
    denn der eingebrachte Gesetzentwurf ist sehr gut. Dafür
    sind wir dankbar.


    (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


    Ehrlich gesagt habe ich nicht viel an Gegenvorschlä-
    gen gehört.


    (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt nicht!)


    Was haben wir an Vorschlägen – ich vermeide es, pole-
    misch zu sein – von den Grünen gehört? Die Pflege
    muss für alle begreifbar sein. Die Pflege muss men-
    schenwürdig sein. Wir müssen so gepflegt werden, wie
    wir gepflegt werden wollen. – Das wollen wir alle. Aber
    was haben wir heute an konkreten Gegenvorschlägen ge-
    hört? Wer erinnert sich an konkrete Gegenvorschläge?


    (Sabine Dittmar [SPD]: Keine!)


    Keine konkreten Gegenvorschläge!


    (Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Wahlprogramm!)


    Wir sind bereit, jederzeit mit Ihnen konkrete Gegenvor-
    schläge zu diskutieren. Sie müssen aber auch vorgetra-
    gen werden. Wir wollen die Reform im Geist einer ge-
    meinsamen Arbeit umsetzen.


    (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Elisabeth Scharfenberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zuhören nützt manchmal!)


    Ich will auf die Reform selbst zu sprechen kommen.
    Ich komme zunächst einmal zur Dynamisierung der
    Leistungen. Hier wurde gesagt, die Dynamisierung der

    (C)






    Dr. Karl Lauterbach


    (A) (C)



    (D)(B)

    Leistungen müsse ein Automatismus sein und müsse
    nicht jedes Mal verhandelt werden; das hat Frau
    Zimmermann vorgetragen. – Die Pflegeversicherung ist
    keine Vollkaskoversicherung. Die von Ihnen vorgeschla-
    gene Dynamisierung würde nur Sinn machen, wenn es
    eine Vollkaskoversicherung wäre.


    (Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Da ist doch Quatsch!)


    Bei einer Teilkaskoversicherung muss jedes Mal neu
    verhandelt werden. Dann muss es einen Kompromiss
    zwischen der Dynamisierung der Leistungen auf der ei-
    nen Seite und der Einführung neuer Leistungen auf der
    anderen Seite geben. Wir dynamisieren zwar nur um
    4 Prozent, aber das macht fast 1 Milliarde Euro aus. Zu-
    sätzlich führen wir zahlreiche neue Leistungen ein. So-
    mit verbessern wir die Pflege durch die Dynamisierung
    und durch die Einführung neuer Leistungen.


    (Beifall der Abg. Sabine Dittmar [SPD])


    Diese Freiheit muss das Parlament haben. Das ist bei ei-
    ner Teilkaskoversicherung der einzige Weg, auf sich ver-
    ändernde Verhältnisse rasch zu reagieren.


    (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


    Hier wurde auch von den Betreuungskräften gespro-
    chen. Frau Zimmermann, Sie haben gesagt – dafür gab
    es aus Ihren eigenen Reihen wenig Beifall –, die Links-
    partei sei die Partei der Pflegegerechtigkeit.


    (Pia Zimmermann [DIE LINKE]: Ja!)


    Ist Ihnen aufgefallen, dass in Ihrer ganzen Rede die An-
    gehörigen, die den größten Teil der Pflegeleistungen er-
    bringen, nicht ein einziges Mal erwähnt worden sind?


    (Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Das ist überhaupt nicht wahr!)


    Sie haben sich ausschließlich auf die Pflegekräfte in den
    Pflegeeinrichtungen und Pflegediensten konzentriert.
    Die Betreuer wurden dadurch von Ihnen abqualifiziert.
    Sie haben doch versucht, die Betreuer gegen die ausge-
    bildeten Pflegekräfte auszuspielen.


    (Pia Zimmermann [DIE LINKE]: Herr Lauterbach, wo sind Sie denn gewesen?)


    Das ist unfair. Auch die Betreuer, egal ob Ehrenamtliche
    oder Familienangehörige, leisten eine wichtige Arbeit.
    Wir dürfen in der Pflege die einzelnen Gruppen nicht ge-
    geneinander ausspielen.


    (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


    Ich sage Ihnen ganz offen: Ein gutes Wort und die
    Zeit, den zu pflegenden Menschen einmal zuzuhören,
    ohne dass dabei gepflegt wird,


    (Pia Zimmermann [DIE LINKE]: Genau, zuhören! Das ist das Stichwort!)


    hilft diesen Menschen oft mehr als das Waschen, Rasie-
    ren und Saubermachen. Die menschliche Komponente
    wird vom Betreuer genauso geleistet wie von der ausge-
    bildeten Pflegekraft.

    (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Sie können überhaupt nicht zuhören!)


    – Wenn Sie eine Zwischenfrage haben, können Sie diese
    jederzeit stellen. Aber das Zwischenrufen nervt. – Es
    kam überhaupt nicht zur Sprache, dass wir zahlreiche
    Maßnahmen unternommen haben, die Pflege unbürokra-
    tischer zu machen. Wir haben dafür gesorgt, dass je-
    mand, der zu Hause einen anderen Menschen pflegt,
    aber kurzfristig verhindert ist, im Rahmen der Verhinde-
    rungspflege und der Kurzzeitpflege eine professionelle
    Pflegekraft organisieren oder den zu pflegenden Men-
    schen in eine Pflegeeinrichtung bringen kann. Die Tatsa-
    che, dass man ständig im Druck ist, wenn man für die
    Eltern die Pflege übernimmt oder organisiert hat, dass
    man dann, wenn etwas dazwischenkommt, gar nicht
    weiß, wie es weitergeht, das ist einer der Hauptstressfak-
    toren in der Pflege überhaupt. Viele Menschen sind in
    Pflegeeinrichtungen, weil die Leute den Stress nicht be-
    wältigt bekommen, die Pflege auch dann ständig vorhal-
    ten zu müssen, wenn es gerade nicht geht. Dem begeg-
    nen wir mit der deutlichen Flexibilisierung und Stärkung
    der Verhinderungs- und der Kurzzeitpflege. Das ist eine
    wesentliche Entbürokratisierung.


    (Beifall der Abg. Mechthild Rawert [SPD])


    Das ist das, was die Menschen, die Angehörigen und die
    zu Pflegenden, wünschen. Darauf sind wir eingegangen.
    Das wurde hier mit keinem Wort gewürdigt.


    (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


    Das gilt genauso für die sogenannten Entlastungsleis-
    tungen. Wir machen es jetzt zum Beispiel möglich, dass
    man die Betreuungsleistung umwidmen kann, indem
    man einfach für jemanden einkaufen geht. Wenn Sie sich
    die Reform konkret vorstellen – es sind hier ja oft nur
    Schlagworte, die vorgetragen werden –, dann betrifft das
    jemanden, der einkaufen geht und für jemanden sorgt.
    Hier kann die Leistung abgerechnet werden, auch wenn
    es keine Betreuung ist. Wenn jemand Papierkram erle-
    digt, zu einem Amt geht und so, dann kann das dem-
    nächst abgerechnet werden. Das ist von uns auch ein
    Vertrauensbeweis gegenüber den Angehörigen. Denn
    wir gehen nicht davon aus, dass das ausgenutzt wird.
    Wir vertrauen den Angehörigen und den Pflegenden,
    dass sie in dieser Zeit tatsächlich auch etwas für den zu
    Pflegenden machen. Da sagen wir, ihr müsst nicht nach-
    weisen, dass das immer nur Betreuungsleistungen sind,
    sondern diese sogenannten Ergänzungsleistungen, Ent-
    lastungsleistungen sind alles Maßnahmen, die im Kon-
    kreten den Stress in der Familie und bei den zu Pflegen-
    den wegnehmen. Das halte ich für richtig. Das sind
    unbürokratische und gute Wege.


    (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


    Der Begriff der Pflegebedürftigkeit wurde schon er-
    wähnt. Da wird immer kritisiert, er kommt nicht schnell
    genug usw., usf. Machen wir uns doch nichts vor: Es
    sind 2,5 Millionen Menschen, auf die der neue Pflegebe-
    dürftigkeitsbegriff langfristig angewendet wird. Wir
    wollen sicherstellen, dass niemand weniger bekommt,
    als ihm zusteht. Niemand soll schlechtergestellt werden.





    Dr. Karl Lauterbach


    (A) (C)



    (D)(B)

    Das muss in der Praxis funktionieren. Dieses Projekt hau
    ruck einzuführen, wäre doch völlig unverantwortlich ge-
    wesen.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)


    Machen wir uns doch nichts vor: Das ist die größte Ver-
    änderung in der Art und Weise, wie wir eine Sozialleis-
    tung bezahlen. Wir wollen ja, dass die Dinge unbürokra-
    tischer und besser werden. Es wäre rücksichtsloser,
    unverantwortlicher Populismus gewesen, wenn wir,
    ohne das in den Regionen auszutesten, dem „Druck der
    Straße“ nachgegeben und im Hauruckverfahren einen
    neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff eingeführt hätten.


    (Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Die Straße ist der Druck?)


    – Obwohl Sie hierzu nicht einen einzigen konkreten Vor-
    schlag zur Pflegereform vortragen können, erwarten Sie
    von uns, für die gesamte Bevölkerung ein kompliziertes
    System einzuführen, ohne dass wir es ausgetestet haben.
    Diese Verantwortungslosigkeit haben wir nicht. Wir ste-
    hen dazu. Wir führen das zu dem Zeitpunkt ein, an dem
    es angemessen ist, und zwar so schnell wie möglich.
    Dieses Vertrauen haben wir verdient.


    (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Pia Zimmermann [DIE LINKE]: Machen Sie einmal ein paar Schritte, statt stehen zu bleiben!)


    Ich komme auch noch zu dem Pflegevorsorgefonds.
    Ich sage dazu schlicht und ergreifend meine persönliche
    Meinung. Wir werden das diskutieren. Das ist ganz klar.
    Das geht in diese Runden hinein, in denen wir alles ver-
    bessern wollen. Aber ich sage einmal das, was ich per-
    sönlich denke. Ich persönlich finde den Vorschlag nicht
    falsch. Denn wir müssen Folgendes bedenken: Wir wer-
    den in 30 Jahren folgende Situation haben: Die Men-
    schen werden durch sinkende Renten von Altersarmut
    bedrängt werden, die Familien werden zum Teil zerbrö-
    ckelt sein, höhere Scheidungsquoten, weniger Kinder.


    (Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Wer ist denn an den sinkenden Renten schuld?)


    – Hören Sie doch einfach zu! – Die Differenz zwischen
    dem, was eine Familie dann finanziell und menschlich
    einbringen kann, und dem, was dann gefordert wird,
    wird für die Babyboomer-Generation größer sein als für
    jede andere Generation davor.

    Daher halte ich es persönlich nicht für falsch, dass wir
    einen Teil dieses Geldes – es sind ja nur 20 Prozent der
    Ausgaben, die wir jetzt beschließen – zurücklegen und
    dann verbrauchen, wenn es die Leute benötigen. Das
    gibt auch eine gewisse Sicherheit. Insoweit bin ich für
    jeden zusätzlichen Vorschlag dankbar. Aber wir stehen
    auch in diesem Punkt zum Koalitionsvertrag. Wir wer-
    den das diskutieren, aber wir stehen zum gesamten Pa-
    ket. Ich glaube, dass wir insgesamt ein Paket vortragen
    werden, das die Pflege entbürokratisiert, das die Pflege
    ein Stück weit nachhaltiger macht und das die Pflege
    menschlicher macht. Davon bin ich überzeugt.

    Vielen Dank.


    (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)