(D)
        Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 46. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Juli 2014 4301
        (A) (C)
        (B)
        Anlagen zum Stenografischen Bericht
        (D)
        Anlage 1
        Liste der entschuldigten Abgeordneten
        Abgeordnete(r)
        entschuldigt bis
        einschließlich
        Alpers, Agnes DIE LINKE 04.07.2014
        Bätzing-Lichtenthäler,
        Sabine
        SPD 04.07.2014
        Bosbach, Wolfgang CDU/CSU 04.07.2014
        Dörner, Katja BÜNDNIS 90/
        DIE GRÜNEN
        04.07.2014
        Flisek, Christian SPD 04.07.2014
        Flosbach, Klaus-Peter CDU/CSU 04.07.2014
        Freitag, Dagmar SPD 04.07.2014
        Gabriel, Sigmar SPD 04.07.2014
        Gohlke, Nicole DIE LINKE 04.07.2014
        Hartmann, Michael SPD 04.07.2014
        Dr. Hirte, Heribert CDU/CSU 04.07.2014
        Irlstorfer, Erich CDU/CSU 04.07.2014
        Kühn (Tübingen),
        Christian
        BÜNDNIS 90/
        DIE GRÜNEN
        04.07.2014
        Maag, Karin CDU/CSU 04.07.2014
        Mortler, Marlene CDU/CSU 04.07.2014
        Reiche (Potsdam),
        Katherina
        CDU/CSU 04.07.2014
        Rief, Josef CDU/CSU 04.07.2014
        Dr. Schröder, Ole CDU/CSU 04.07.2014
        Werner, Katrin DIE LINKE 04.07.2014
        Wicklein, Andrea SPD 04.07.2014
        Winkelmeier-Becker,
        Elisabeth
        CDU/CSU 04.07.2014
        Wolff (Wolmirstedt),
        Waltraud
        SPD 04.07.2014
        Anlage 2
        Erklärung nach § 31 GO
        der Abgeordneten Dr. Ute Finckh-Krämer und
        Daniela Kolbe (Leipzig) (beide SPD) zur na-
        mentlichen Abstimmung über den Änderungs-
        antrag der Abgeordneten Jutta Krellmann,
        Klaus Ernst, Sabine Zimmermann (Zwickau),
        Matthias W. Birkwald, Susanna Karawanskij,
        Thomas Lutze, Thomas Nord, Richard Pitterle,
        Michael Schlecht, Azize Tank, Dr. Axel Troost
        und der Fraktion DIE LINKE zu dem von der
        Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines
        Gesetzes zur Stärkung der Tarifautonomie (Tarif-
        autonomiestärkungsgesetz) (Drucksache 18/2019)
        (Tagesordnungspunkt 4 a)
        Die Einführung des einheitlichen gesetzlichen Min-
        destlohnes ist ein wichtiger und historischer Schritt, um
        Niedriglöhne zu bekämpfen und die Ordnung am Ar-
        beitsmarkt wiederherzustellen.
        Wir begrüßen es, dass während der Gesetzesberatun-
        gen vereinbart werden konnte, eine erste Anpassung des
        Mindestlohns bereits zum Januar 2017 durch die Min-
        destlohnkommission durchzuführen. Das ist ein Jahr frü-
        her als ursprünglich vorgesehen. Die Mindestlohnkom-
        mission hat über die Anpassung bis zum 30. Juni 2016
        zu entscheiden. Wir haben in den Beratungen zudem die
        Aufgaben der Mindestlohnkommission dahin gehend er-
        weitert, dass es eine laufende Evaluation der Auswirkun-
        gen des Mindestlohns auf den Arbeitsmarkt gibt und
        eine erste Evaluation bereits zum 1. Juni 2016 erfolgen
        wird. Mit der Übernahme der Regelung des Arbeitneh-
        mer-Entsendegesetzes zur Haftung des Auftraggebers in
        § 13 Mindestlohngesetz, MiLoG, haben wir zudem eine
        klare und verbindliche Haftungsregelung durchgesetzt.
        Dies wird die Arbeit des Zolls erleichtern und gewähr-
        leistet die konsequente Durchsetzung des Mindestlohnes
        in allen Branchen. Mit der frühen Evaluation schaffen
        wir die Voraussetzung, dass regelmäßig auch die in § 22
        MiLoG vorgesehenen Ausnahmen für einzelne Perso-
        nengruppen überprüft und geändert werden können. Mit
        den während der Beratungen ausgehandelten neuen Re-
        gelungen im Bereich der Praktikantinnen und Praktikan-
        ten beenden wir den Missbrauch von Praktika. Für frei-
        willige Praktika im Rahmen von Ausbildung und
        Studium mit einer maximalen Dauer von drei Monaten
        muss der Mindestlohn nicht gezahlt werden. Aber der
        Mindestlohn gilt für alle Praktika, die darüber hinausge-
        hen oder nach einer abgeschlossenen Berufsausbildung
        bzw. einem abgeschlossenen Hochschulstudium geleis-
        tet werden. Dank der SPD ist die Zeit, in der Praktikan-
        tinnen und Praktikanten trotz abgeschlossener Berufs-
        ausbildung ausgebeutet und ohne Vergütung beschäftigt
        wurden, vorbei.
        Wir freuen uns, dass es der SPD-Fraktion und Bun-
        desministerin Andrea Nahles gemeinsam mit den Ge-
        werkschaften gelungen ist, Branchenausnahmen zu ver-
        hindern. Mit den Übergangsregelungen für einzelne
        Anlagen
        4302 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 46. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Juli 2014
        (A) (C)
        (D)(B)
        Branchen geben wir diesen die Möglichkeit, schrittweise
        Anpassungen vorzunehmen, um spätestens zum 1. Ja-
        nuar 2017 einen Mindestlohn von 8,50 Euro zu errei-
        chen.
        Es ist uns zudem gelungen, die Ausnahmen im Be-
        reich der Langzeitarbeitslosen zugunsten dieser Perso-
        nengruppe leicht zu entschärfen. Gerade diese Gruppe
        ist am Arbeitsmarkt in einer schwachen Position, sodass
        sie eines besonderen Schutzes vor Ausbeutung bedarf.
        Sie können für sechs Monate nur dann vom Mindestlohn
        ausgenommen werden, wenn sie in einem nicht tarifge-
        bundenen Betrieb arbeiten. In den letzten Verhandlungen
        konnte zudem erreicht werden, dass Langzeitarbeitslose
        nicht von Betrieb zu Betrieb weitergereicht werden kön-
        nen, indem wir § 18 SGB III dahin gehend geändert ha-
        ben, dass Eingliederungsmaßnahmen im Sinne von § 45
        SGB III, die länger als sechs Wochen gehen, und ent-
        sprechend lange Erwerbstätigkeit die Arbeitslosigkeit
        unterbrechen. Eine Langzeitarbeitslose oder ein Lang-
        zeitarbeitsloser gilt dann nicht mehr als solcher und
        muss bei einer neuen Beschäftigung nach Mindestlohn
        vergütet werden. Die Bundesregierung wurde des Weite-
        ren verpflichtet, bereits zum 1. Juni 2016 einen Bericht
        abzugeben, inwiefern die Ausnahmeregelung der Inte-
        gration in den Arbeitsmarkt diente. Gleichwohl bleibt
        die Ausnahme für Langzeitarbeitslose für uns Sozialde-
        mokratinnen und Sozialdemokraten schmerzhaft.
        Bedauerlicherweise gab es im Gesetzgebungsverfah-
        ren keine Änderung bei den vorgesehenen Ausnahmen
        in Bezug auf unter 18-Jährige, die keinen Anspruch auf
        diesen Mindestlohn haben werden. Wir teilen nicht die
        Einschätzung, dass jugendliche Arbeitnehmer und Ar-
        beitnehmerinnen durch den Mindestlohn auf eine Aus-
        bildung verzichten würden. Die Schulabgängerinnen
        und Schulabgänger in Deutschland sind sich der Stärken
        des dualen Ausbildungssystems sehr wohl bewusst. Sie
        werden auch nach der Einführung eines Mindestlohns
        zum übergroßen Teil eine Ausbildung oder ein Studium
        aufnehmen. Eine abgeschlossene Berufsausbildung
        schafft Sicherheit, Anerkennung und Einkommensmög-
        lichkeiten weit jenseits der Niedrigeinkommen von
        8,50 Euro Stundenlohn.
        Die Verabschiedung des gesetzlichen, flächendecken-
        den Mindestlohns in Höhe von 8,50 Euro ist eine Ent-
        scheidung von historischem Ausmaß. 3,7 Millionen Ar-
        beitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland
        werden davon profitieren. Mit Inkrafttreten zum
        1. Januar 2015 wird es in unserem Land wieder gerech-
        ter zugehen. Im Rahmen der bis 2017 anstehenden Über-
        prüfungen des Gesetzes werden wir uns weiterhin für die
        Korrektur der vorgesehenen Ausnahmen einsetzen. In-
        folgedessen lehnen wir den Änderungsantrag der Frak-
        tion Die Linke ab.
        Anlage 3
        Erklärung nach § 31 GO
        der Abgeordneten Cansel Kiziltepe (SPD) zur
        namentlichen Abstimmung über den Ände-
        rungsantrag der Abgeordneten Jutta
        Krellmann, Klaus Ernst, Sabine Zimmermann
        (Zwickau), Matthias W. Birkwald, Susanna
        Karawanskij, Thomas Lutze, Thomas Nord,
        Richard Pitterle, Michael Schlecht, Azize Tank,
        Dr. Axel Troost und der Fraktion DIE LINKE
        zu dem von der Bundesregierung eingebrach-
        ten Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der
        Tarifautonomie (Tarifautonomiestärkungsge-
        setz) (Drucksache 18/2019) (Tagesordnungs-
        punkt 4 a)
        Die Einführung des einheitlichen gesetzlichen Min-
        destlohnes ist ein wichtiger und historischer Schritt, um
        Niedriglöhne zu bekämpfen und die Ordnung am Ar-
        beitsmarkt wiederherzustellen.
        Für mich von großer Bedeutung ist die gleichzeitige
        Stärkung der Tarifautonomie. Mit der Streichung des 50-
        Prozent-Quorums für die Allgemeinverbindlicherklä-
        rung von Tarifverträgen wird es angesichts niedriger Ta-
        rifbindung möglich, die tarifliche Ordnung zu stützen
        und zu stärken. Durch die Ausweitung des Arbeitneh-
        mer-Entsendegesetzes, AEntG, auf alle Branchen – bis-
        her gibt es nur in 14 Branchen Mindestlöhne nach dem
        AEntG – wird es möglich sein, Tarifverträge durch
        Rechtsverordnung zugunsten inländischer und ausländi-
        scher Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen auf alle
        Branchen zu erstrecken.
        Ich begrüße es, dass während der Gesetzesberatungen
        vereinbart werden konnte, eine erste Anpassung des
        Mindestlohns bereits zum Januar 2017 durch die Min-
        destlohnkommission durchzuführen. Das ist ein Jahr frü-
        her als ursprünglich vorgesehen. Die Mindestlohnkom-
        mission hat über die Anpassung bis zum 30. Juni 2016
        zu entscheiden. Wir haben in den Beratungen zudem die
        Aufgaben der Mindestlohnkommission dahin gehend er-
        weitert, dass es eine laufende Evaluation der Auswirkun-
        gen des Mindestlohnes auf den Arbeitsmarkt gibt und
        eine erste Evaluation bereits zum 1. Juni 2016 erfolgen
        wird. Mit der Übernahme der Regelung des Arbeitneh-
        mer-Entsendegesetzes zur Haftung des Auftraggebers in
        § 13 Mindestlohngesetz, MiLoG, haben wir zudem eine
        klare und verbindliche Haftungsregelung durchgesetzt.
        Dies wird die Arbeit des Zolls erleichtern und gewähr-
        leistet die konsequente Durchsetzung des Mindestlohnes
        in allen Branchen. Mit der frühen Evaluation schaffen
        wir die Voraussetzung, dass regelmäßig auch die in § 22
        MiLoG vorgesehenen Ausnahmen für einzelne Perso-
        nengruppen überprüft und geändert werden können. Mit
        den während der Beratungen ausgehandelten neuen Re-
        gelungen im Bereich der Praktikantinnen und Praktikan-
        ten beenden wir den Missbrauch von Praktika. Für frei-
        willige Praktika im Rahmen von Ausbildung und
        Studium mit einer maximalen Dauer von drei Monaten
        muss der Mindestlohn nicht gezahlt werden. Aber der
        Mindestlohn gilt für alle Praktika, die darüber hinausge-
        hen oder nach einer abgeschlossenen Berufsausbildung
        beziehungsweise einem abgeschlossenen Hochschulstu-
        dium geleistet werden. Dank der SPD ist die Zeit, in der
        Praktikantinnen und Praktikanten trotz abgeschlossener
        Berufsausbildung ausgebeutet und ohne Vergütung be-
        schäftigt wurden, vorbei.
        Ich freue mich, dass es der SPD-Fraktion und Bun-
        desministerin Andrea Nahles gemeinsam mit den Ge-
        werkschaften gelungen ist, Branchenausnahmen zu ver-
        Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 46. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Juli 2014 4303
        (A) (C)
        (D)(B)
        hindern. Mit den Übergangsregelungen für einzelne
        Branchen geben wir diesen die Möglichkeit, schrittweise
        Anpassungen vorzunehmen, um spätestens zum 1. Ja-
        nuar 2017 einen Mindestlohn von 8,50 Euro zu errei-
        chen.
        Es ist uns zudem gelungen, die Ausnahmen im Be-
        reich der Langzeitarbeitslosen zugunsten dieser Perso-
        nengruppe leicht zu entschärfen. Gerade diese Gruppe
        ist am Arbeitsmarkt in einer schwachen Position, sodass
        sie eines besonderen Schutzes vor Ausbeutung bedarf.
        Sie können für sechs Monate nur dann vom Mindestlohn
        ausgenommen werden, wenn sie in einem nicht tarifge-
        bundenen Betrieb arbeiten. In den letzten Verhandlungen
        konnte zudem erreicht werden, dass Langzeitarbeitslose
        nicht von Betrieb zu Betrieb weitergereicht werden kön-
        nen, indem wir § 18 SGB III dahin gehend geändert ha-
        ben, dass Eingliederungsmaßnahmen im Sinne von § 45
        SGB III, die länger als sechs Wochen gehen, und ent-
        sprechend lange Erwerbstätigkeit die Arbeitslosigkeit
        unterbrechen. Eine Langzeitarbeitslose oder ein Lang-
        zeitarbeitsloser gilt dann nicht mehr als solcher und
        muss bei einer neuen Beschäftigung nach Mindestlohn
        vergütet werden. Die Bundesregierung wurde des Weite-
        ren verpflichtet, bereits zum 1. Juni 2016 einen Bericht
        abzugeben, inwiefern die Ausnahmeregelung der Inte-
        gration in den Arbeitsmarkt diente. Gleichwohl bleibt
        die Ausnahme für Langzeitarbeitslose für uns Sozialde-
        mokraten schmerzhaft.
        Bedauerlicherweise gab es im Gesetzgebungsverfah-
        ren keine Änderung bei den vorgesehenen Ausnahmen
        in Bezug auf unter 18-Jährige, die keinen Anspruch auf
        diesen Mindestlohn haben werden. Ich teile nicht die
        Einschätzung, dass jugendliche Arbeitnehmer und Ar-
        beitnehmerinnen durch den Mindestlohn auf eine Aus-
        bildung verzichten würden. Die Schulabgängerinnen
        und Schulabgänger in Deutschland sind sich der Stärken
        des dualen Ausbildungssystems sehr wohl bewusst. Sie
        werden auch nach der Einführung eines Mindestlohns
        zum übergroßen Teil eine Ausbildung oder ein Studium
        aufnehmen. Eine abgeschlossene Berufsausbildung
        schafft Sicherheit, Anerkennung und Einkommensmög-
        lichkeiten weit jenseits der Niedrigeinkommen von
        8,50 Euro Stundenlohn.
        Die Verabschiedung des gesetzlichen flächendecken-
        den Mindestlohns in Höhe von 8,50 Euro ist eine Ent-
        scheidung von historischem Ausmaß. 3,7 Millionen Ar-
        beitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland
        werden davon profitieren. Mit Inkrafttreten zum 1. Ja-
        nuar 2015 wird es in unserem Land wieder gerechter zu-
        gehen. Im Rahmen der bis 2017 anstehenden Überprü-
        fungen des Gesetzes werde ich mich weiterhin für die
        Korrektur der vorgesehenen Ausnahmen einsetzen. In-
        folgedessen lehne ich den Änderungsantrag der Fraktion
        Die Linke ab.
        Anlage 4
        Erklärung nach § 31 GO
        des Abgeordneten Marco Bülow (SPD) zu den
        namentlichen Abstimmungen über: Änderungs-
        antrag der Abgeordneten Jutta Krellmann,
        Klaus Ernst, Sabine Zimmermann (Zwickau),
        Matthias W. Birkwald, Susanna Karawanskij,
        Thomas Lutze, Thomas Nord, Richard Pitterle,
        Michael Schlecht, Azize Tank, Dr. Axel Troost
        und der Fraktion DIE LINKE zu dem Entwurf
        eines Gesetzes zur Stärkung der Tarifautonomie
        (Tarifautonomiestärkungsgesetz) (Drucksache
        18/2019) (Tagesordnungspunkt 4 a)
        In dieser Woche wird in 2. und 3. Lesung die Einfüh-
        rung des flächendeckenden Mindestlohns beschlossen.
        Ab dem 1. Januar 2015 gilt ein Mindestlohn von
        8,50 Euro die Stunde. Abweichungen sind bis Ende
        2016 grundsätzlich nur möglich, wenn ein entsprechen-
        der Tarifvertrag dies vorsieht und dieser nach dem Ar-
        beitnehmer-Entsendegesetz für allgemeinverbindlich er-
        klärt wurde. Ab 1. Januar 2017 gilt der Mindestlohn
        dann flächendeckend in ganz Deutschland für alle voll-
        jährigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer – und
        zwar für alle Branchen. Es ist ein Erfolg, dass es nach
        jahrelangen Diskussionen endlich auch in Deutschland
        den überfälligen Einstieg in den Mindestlohn gibt.
        Ich werde dem Gesetzentwurf der Bundesregierung
        zustimmen, weil die Einführung des Mindestlohns ein
        richtiger und überfälliger Schritt ist. Den Antrag der Lin-
        ken halte ich zwar auch für richtig, werde ihn aber leider
        ablehnen müssen, um das eigentliche Gesetz nicht zu ge-
        fährden. Auch wenn ich die geplanten Ausnahmen für
        falsch halte, die Union würde ohne sie nicht für das Ge-
        setz stimmen. Damit würde es den Mindestlohn nicht ge-
        ben. Deshalb bin ich bereit, den Preis zu zahlen – wenn-
        gleich ich mich weiterhin dafür einsetzen werde, dass es
        erstens nicht bei 8,50 Euro bleibt und zweitens die Aus-
        nahmen abgebaut werden.
        Gut finde ich, dass wir auch bei den Praktika weiter-
        gekommen sind und Praktikantinnen und Praktikanten
        zumindest teilweise den Mindestlohn bekommen.
        Grundsätzlich bin ich allerdings gegen Ausnahmen und
        Einschränkungen beim Mindestlohn. Vor allem, dass der
        Mindestlohn für Langzeitarbeitslose in den ersten sechs
        Monaten nach einer Neueinstellung nicht gilt, halte ich
        für problematisch. Wer solche Ausnahmen zulässt, ris-
        kiert Missbrauch. Der Mindestlohn soll vor Lohndum-
        ping schützen; das muss auch für Langzeitarbeitslose
        gelten. Menschen, die länger als ein Jahr ohne Job sind,
        müssen damit weiterhin befristet für weniger als
        8,50 Euro pro Stunde arbeiten. Ich befürchte, dass Un-
        ternehmen Langzeitarbeitslose als „Niedriglöhner“ nut-
        zen könnten und dann nach fünf Monaten wieder entlas-
        sen. Sicher gibt es für jede Ausnahme Argumente. Ich
        bin froh, dass die Ministerin und die SPD viele weitere
        einschränkende Vorschläge der Union abgewehrt haben
        und so kein Flickenteppich entsteht. Dennoch, immerhin
        gilt nun für etwa 2 Millionen Langzeitarbeitslose im
        Bund und etwa 31 300 Langzeitarbeitslose in Dortmund
        der Mindestlohn nicht, sollten sie einen Job finden.
        Auch die Ausnahmen bei den Zeitungszustellerinnen
        und -zustellern, bei den Saisonkräften in der Landwirt-
        schaft, bei den Erntehelferinnen und -helfern sowie den
        Praktikantinnen und Praktikanten sind nicht notwendig
        und nur ein Zugeständnis an die CDU/CSU und unter
        4304 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 46. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Juli 2014
        (A) (C)
        (D)(B)
        anderem an die Zeitungsverlage. Dies trifft die
        Schwächsten. Hier müssen wir auf eine Überprüfung po-
        chen und die Möglichkeit bekommen, diese Ausnahmen
        zurückzunehmen.
        Ich hoffe sehr, dass zum Mindestlohn im Bundestag
        noch nicht das letzte Wort gesprochen ist. Ich werde
        mich jedenfalls weiterhin für einen flächendeckenden
        Mindestlohn ohne Ausnahmen stark machen.
        Anlage 5
        Erklärung nach § 31 GO
        der Abgeordneten Heike Brehmer, Manfred
        Grund, Frank Heinrich (Chemnitz), Jörg
        Hellmuth, Matthias Lietz, Eckhardt Rehberg,
        Dr. Klaus-Peter Schulze, Tino Sorge, Carola
        Stauche, Dieter Stier, Arnold Vaatz, Volkmar
        Vogel (Kleinsaara) und Kees de Vries (alle
        CDU/CSU) zur namentlichen Abstimmung
        über den von der Bundesregierung eingebrach-
        ten Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der
        Tarifautonomie (Tarifautonomiestärkungsge-
        setz) (Tagesordnungspunkt 4 a)
        Wir stehen zum Koalitionsvertrag und stimmen dem
        Gesetz zur Stärkung der Tarifautonomie, allerdings nur
        unter erheblichen Bedenken, zu. Wir gönnen den Be-
        schäftigten, die von der Einführung des flächendecken-
        den gesetzlichen Mindestlohns profitieren werden, die-
        sen hart erarbeiteten Lohnzuwachs in vollem Maße. Wir
        sehen jedoch die Gefahr, dass die Einführung des flä-
        chendeckenden gesetzlichen Mindestlohns zu massiven
        Arbeitsplatzverlusten in Ostdeutschland führen könnte.
        Nach Informationen, die uns von sehr vielen ostdeut-
        schen Unternehmen zugegangen sind, stehen mit der
        Einführung des flächendeckenden gesetzlichen Mindest-
        lohns Arbeitsplätze, Wachstum und Wohlstand in weiten
        Teilen Ostdeutschlands auf dem Spiel. Nach wie vor be-
        stehen erhebliche strukturelle ökonomische Unter-
        schiede zwischen Ost- und Westdeutschland. Produktion
        und Einkommen je Einwohner und je Beschäftigtem
        sind in den ostdeutschen Ländern deutlich niedriger. Die
        Arbeitslosenquote ist deutlich höher als in den westdeut-
        schen Ländern. In Ostdeutschland sind 22,4 Prozent der
        abhängig Beschäftigten von der Mindestlohnregelung
        betroffen, in Westdeutschland hingegen nur 10,7 Pro-
        zent. Es scheint uns nicht ausgeschlossen, dass sich
        infolge der Einführung von Mindestlöhnen auch im über
        dem Mindestlohn liegenden Lohnbereich starke Steige-
        rungen ergeben könnten, die neben dem Mindestlohn an
        sich zu Arbeitsplatzverlusten führen könnten.
        Andererseits erkennen wir an, dass einigen unserer
        Forderungen zur Ausgestaltung des Mindestlohns in den
        Verhandlungen Rechnung getragen wurde, wie zum Bei-
        spiel: rechtzeitige Evaluation zu den Auswirkungen des
        Gesetzes auf den deutschen Arbeitsmarkt, keine unver-
        hältnismäßige Haftung aller Arbeitgeber für alle beauf-
        tragten Dienstleistungsunternehmen und Werkunterneh-
        mer sowie deren Subunternehmer, Ausnahme vom
        Mindestlohn für Praktika von bis zu drei Monaten und
        für Langzeitarbeitslose.
        Folgende unserer Forderungen konnten leider nicht
        umgesetzt werden:
        Keine Verdrängung bestehender Tarifverträge – Si-
        cherstellung der Weitergeltung auch außerhalb des Ar-
        beitnehmer-Entsendegesetzes; wir erwarteten bei der
        Mindestlohnregelung, dass bislang gültige Haustarifver-
        träge als Tarifverträge repräsentativer Tarifpartner auf
        Branchenebene im Sinne des Koalitionsvertrages aner-
        kannt werden und bis zum 31. Dezember 2016 gültig
        bleiben.
        Altersstaffelung – Keinen Fehlanreiz für Jugendliche
        setzen; wir forderten, dass die Bereitschaft junger Men-
        schen mit Vermittlungshemmnissen, eine Berufsausbil-
        dung aufzunehmen, nicht konterkariert werden darf, in-
        dem der Anreiz geschaffen wird, ein vermeintlich
        attraktiveres Arbeitsverhältnis zu Mindestlohnbedingun-
        gen aufzunehmen. Daher sollten Arbeitsverhältnisse mit
        jungen Menschen zumindest bis zur Vollendung ihres
        25. Lebensjahres wie in anderen EU-Ländern nicht vom
        Mindestlohn erfasst werden.
        Ob die Neuregelung für eine Allgemeinverbindlich
        erklärung von Tarifverträgen ein taugliches Mittel ist,
        muss sich in der Praxis noch zeigen.
        Hinzu kommt, dass auch das von CDU-Seite in die
        Koalitionsverhandlungen hineinverhandelte Morato-
        rium, das eine Abweichung und Heranführung an den
        gesetzlichen Mindestlohn bis zum 31. Dezember 2016
        vorsieht, Bedingungen enthält, die es weitestgehend zur
        Makulatur machen. Ferner ist zu bezweifeln, ob dieser
        massive staatliche Eingriff in die bisherige Form der Ta-
        rifautonomie tatsächlich langfristig die Tarifautonomie
        stärkt, wie das der Gesetzestitel verheißt. Die geringe
        Tarifbindung in Ostdeutschland war historisch keine
        Folge von fehlenden Mindestlöhnen, sondern entwi-
        ckelte sich aus der Sorge um den Erhalt des eigenen Ar-
        beitsplatzes angesichts von Lohnentwicklungen, die die
        Produktivität der Arbeitnehmer überforderten.
        Trotz dieser offenen Fragen halten wir das Gesetz für
        vertretbar, solange keine negativen Effekte auf dem Ar-
        beitsmarkt erkennbar sind. Sollten sich diese aber auf-
        grund der Evaluierung des Gesetzes durch die Bundes-
        regierung zeigen, erwarten wir sofortiges Handeln.
        Anlage 6
        Erklärungen nach § 31 GO
        zur namentlichen Abstimmung über den von
        der Bundesregierung eingebrachten Entwurf ei-
        nes Gesetzes zur Stärkung der Tarifautonomie
        (Tarifautonomiestärkungsgesetz) (Tagesord-
        nungspunkt 4 a)
        Günter Baumann (CDU/CSU): Ich stehe zum Ko-
        alitionsvertrag und stimme dem Gesetz zur Stärkung der
        Tarifautonomie, allerdings nur unter erheblichen Beden-
        ken, zu. Ich gönne den Beschäftigten, die von der Ein-
        Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 46. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Juli 2014 4305
        (A) (C)
        (D)(B)
        führung des flächendeckenden gesetzlichen Mindest-
        lohns profitieren werden, diesen hart erarbeiteten
        Lohnzuwachs in vollem Maße. Ich sehe jedoch die Ge-
        fahr, dass die Einführung des flächendeckenden gesetzli-
        chen Mindestlohns zu massiven Arbeitsplatzverlusten in
        Ostdeutschland führen könnte.
        Nach Informationen, die mir von sehr vielen ostdeut-
        schen Unternehmen zugegangen sind, stehen mit der
        Einführung des flächendeckenden gesetzlichen Mindest-
        lohns Arbeitsplätze, Wachstum und Wohlstand in weiten
        Teilen Ostdeutschlands auf dem Spiel. Nach wie vor be-
        stehen erhebliche strukturelle ökonomische Unter-
        schiede zwischen Ost- und Westdeutschland. Produktion
        und Einkommen je Einwohner und je Beschäftigtem
        sind in den ostdeutschen Ländern deutlich niedriger. Die
        Arbeitslosenquote ist deutlich höher als in den westdeut-
        schen Ländern. In Ostdeutschland sind 22,4 Prozent der
        abhängig Beschäftigten von der Mindestlohnregelung
        betroffen, in Westdeutschland hingegen nur 10,7 Pro-
        zent. Es scheint mir nicht ausgeschlossen, dass sich in-
        folge der Einführung von Mindestlöhnen auch im über
        dem Mindestlohn liegenden Lohnbereich starke Steige-
        rungen ergeben könnten, die neben dem Mindestlohn an
        sich zu Arbeitsplatzverlusten führen könnten.
        Andererseits erkenne ich an, dass einigen meiner For-
        derungen zur Ausgestaltung des Mindestlohns in den
        Verhandlungen Rechnung getragen wurde, wie zum Bei-
        spiel: rechtzeitige Evaluation zu den Auswirkungen des
        Gesetzes auf den deutschen Arbeitsmarkt, keine unver-
        hältnismäßige Haftung aller Arbeitgeber für alle beauf-
        tragten Dienstleistungsunternehmen und Werkunterneh-
        mer sowie deren Subunternehmer, Ausnahme vom
        Mindestlohn für Praktika von bis zu drei Monaten und
        für Langzeitarbeitslose.
        Folgende meiner Forderungen konnten leider nicht
        umgesetzt werden:
        – Ermöglichung von Stücklohnvereinbarungen in den
        Fällen, in denen der am Monatsende ausbezahlte
        Lohn bei „Normalleistung“ den gesetzlich vorgegebe-
        nen Mindestlohn erreicht
        – Einführung von Übergangsfristen bis zum 31. De-
        zember 2016 mit dem Ziel, eigene Tarifverträge zu
        vereinbaren, die eine stufenweise Heranführung an
        den gesetzlichen Mindestlohn beinhalten;
        – Keine Verdrängung bestehender Tarifverträge – Si-
        cherstellung der Weitergeltung auch außerhalb des
        Arbeitnehmer-Entsendegesetzes: Ich erwartete bei der
        Mindestlohnregelung, dass bislang gültige Haustarif-
        verträge als Tarifverträge repräsentativer Tarifpartner
        auf Branchenebene im Sinne des Koalitionsvertrages
        anerkannt werden und bis zum 31. Dezember 2016
        gültig bleiben;
        – Altersstaffelung – Keinen Fehlanreiz für Jugendliche
        setzen: Ich forderte, dass die Bereitschaft junger Men-
        schen mit Vermittlungshemmnissen, eine Berufsaus-
        bildung aufzunehmen, nicht konterkariert werden
        darf, indem der Anreiz geschaffen wird, ein vermeint-
        lich attraktiveres Arbeitsverhältnis zu Mindestlohnbe-
        dingungen aufzunehmen. Daher sollten Arbeitsver-
        hältnisse mit jungen Menschen zumindest bis zur
        Vollendung ihres 25. Lebensjahres wie in anderen
        EU-Ländern nicht vom Mindestlohn erfasst werden.
        Ob die Neuregelung für eine Allgemeinverbindlich-
        keitserklärung von Tarifverträgen ein taugliches Mittel
        ist, muss sich in der Praxis noch zeigen.
        Hinzu kommt, dass auch das von CDU-Seite in die
        Koalitionsverhandlungen hineinverhandelte Morato-
        rium, das eine Abweichung und Heranführung an den
        gesetzlichen Mindestlohn bis zum 31. Dezember 2016
        vorsieht, Bedingungen enthält, die es weitestgehend zur
        Makulatur machen. Ferner ist zu bezweifeln, ob dieser
        massive staatliche Eingriff in die bisherige Form der Ta-
        rifautonomie tatsächlich langfristig die Tarifautonomie
        stärkt, wie das der Gesetzestitel verheißt. Die geringe
        Tarifbindung in Ostdeutschland war historisch keine
        Folge von fehlenden Mindestlöhnen, sondern entwi-
        ckelte sich aus der Sorge um den Erhalt des eigenen Ar-
        beitsplatzes angesichts von Lohnentwicklungen, die die
        Produktivität der Arbeitnehmer überforderte.
        Trotz dieser offenen Fragen halte ich das Gesetz für
        vertretbar, solange keine negativen Effekte auf dem Ar-
        beitsmarkt erkennbar sind. Sollten sich diese aber auf-
        grund der Evaluierung des Gesetzes durch die Bundes-
        regierung zeigen, erwarte ich sofortiges Handeln.
        Veronika Bellmann (CDU/CSU): Neben der Ein-
        führung der doppelten Staatsbürgerschaft und der Rente
        mit 63 sehe ich in der Einführung des einheitlichen ge-
        setzlichen flächendeckenden – allgemeinen – Mindest-
        lohns einen ordnungspolitischen Verstoß gegen die Re-
        geln der sozialen Marktwirtschaft. Dieser liegt allerdings
        schon im Koalitionsvertrag begründet, der an diesen
        Stellen schlecht verhandelt wurde und ganz und gar
        nicht dem Wahlergebnis entspricht. Die Menschen haben
        die Union wegen ihres Wahlprogrammes, unter anderem
        auch ihrer Vorschläge für einen branchen- und regional
        differenzierten Mindestlohn gewählt.
        Meine seinerzeitige grundsätzliche Zustimmung zum
        Koalitionsvertrag hieß deshalb auch nicht, dass ich nicht
        Teilen daraus weiterhin kritisch gegenüberstehe und dies
        in meinem Abstimmungsverhalten zum Ausdruck bringe,
        falls nicht im konkreten Gesetzgebungsverfahren grund-
        legende Mängel behoben wurden. Dass das in diesem
        Gesetz an einigen Stellen, insbesondere durch die Fach-
        politiker der Union, erfolgt ist, will ich gerne anerken-
        nen. Auch deshalb werde ich nicht, wie ursprünglich
        angekündigt, mit Ablehnung, sondern mit Enthaltung
        votieren. Nur dieses differenzierte Abstimmungsverhal-
        ten kann ich als Vorstandsmitglied der Mittelstandsverei-
        nigung Mittelsachsens verantworten.
        Ich bin ein Anhänger des Mindestlohnes, und ich
        weiß, dass die Menschen zu Recht eine gerechte Entloh-
        nung erwarten. Ich gönne den Beschäftigten, die davon
        profitieren, ihre hart erarbeiteten Lohnzuwächse in vol-
        lem Maße. Meine Anhängerschaft gilt aber regional- und
        branchenbezogenen differenzierten Mindestlöhnen, durch
        die negative Beschäftigungseffekte von Mindestlohnver-
        einbarungen vermieden werden, die außerdem nicht weg
        4306 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 46. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Juli 2014
        (A) (C)
        (D)(B)
        von Produktivität, Wertschöpfung und der Positionie-
        rung auf den jeweiligen Dienstleistungs- und Produkt-
        märkten staatlich pauschal verordnet werden. Meine
        Mindestlohnanhängerschaft gilt der Tarifautonomie und
        der Koalitionsfreiheit, Tarifgemeinschaften zu bilden
        und in ihnen Lohnuntergrenzen festzulegen. Das vorlie-
        gende „Gesetz zur Stärkung der Tarifautonomie“ kann
        diesen Anspruch nur unzureichend erfüllen.
        Außerdem befürchte ich, dass durch einen allgemei-
        nen Mindestlohn insbesondere im Osten Arbeitsplätze,
        vor allem die von Geringqualifizierten, vernichtet wer-
        den, weil Lohnkostensteigerungen zu 30 Prozent für so
        manchen Kleinunternehmer oder Handwerker, die bisher
        auch für einfache Tätigkeiten Menschen statt Maschinen
        beschäftigt haben, nicht verkraftbar sind. Es sind ja nicht
        nur die 8,50 Euro pro Stunde pro Arbeitnehmer, es ist ja
        auch die Verkürzung des Lohnabstandes zu den Fach-
        kräften, die angepasst werden muss, um der höheren
        Qualifikation Rechnung zu tragen und den Abstand zu
        den unteren Lohngruppen wiederherzustellen. Der allge-
        meine Mindestlohn vermindert die Entgeltunterschiede
        im Betrieb, wenn etwa eine Spülerin in der Restaurant-
        küche genauso viel bekommt, wie eine qualifizierte Ser-
        vicekraft im Gastraum. Dieser so entstehende „Fahr-
        stuhleffekt“ in den Personalkosten wird die kleinen und
        mittleren Unternehmen überfordern, was dort, wo es
        möglich ist, zu Betriebsverlagerung ins kostengünstigere
        Ausland, zum Wegfall von Arbeitsplätzen oder gar zu
        Betriebsaufgaben führen kann. Das bedeutet Abbau von
        Einkommen, Wachstum, Wohlstand und Vielfalt in der
        nach der Wiedervereinigung mühselig aufgebauten Wirt-
        schaftsstruktur, und zwar zugunsten der großen und zu-
        lasten der kleinen Unternehmereinheiten. Da helfen auch
        kaum die Ausnahmen für Praktikanten, Langzeitarbeits-
        lose, Saisonarbeiter oder die zweijährige Übergangszeit,
        falls bundesweite Tarifverträge vorliegen, die für allge-
        meingültig erklärt wurden.
        Dieses Gesetz beinhaltet das, was nicht sein sollte –
        einen politischen Mindestlohn. Das zeigt die Ausnahme-
        regelung für die Zeitungszusteller, die darüber hinaus
        noch prinzipienlos ist. Übergangszeiten bis 2017 sollte
        nur bekommen, wer einen oben genannten bundesweiten
        Tarifvertrag abgeschlossen hat. Die Zeitungsverlage, üb-
        rigens ganz überwiegend mit SPD-Beteiligung in Ihren
        Eigentümerstrukturen, sträuben sich aber gegen den Ab-
        schluss eines Tarifvertrages – welche Ironie. Zum „Dank“
        bekommen sie eine außertarifliche stufenweise Über-
        gangslösung geschenkt. Die Begründung, die grundge-
        setzlich verbürgte Pressefreiheit müsse durch Zustellung
        von Zeitungen, Zeitschriften am Erscheinungstag ge-
        schützt werden, ist meines Erachtens fragwürdig. Denn
        höherrangig ist das Grundgesetz hinsichtlich der Gleich-
        behandlung: Wenn Zeitungsvertriebe ihren Zustellern
        die 8,50 Euro erst mit zeitlicher Verzögerung zahlen
        müssen und dann auch noch ohne die Vorgabe eines Ta-
        rifvertrages, fragen sich Arbeitgeber im Gastgewerbe,
        im Handel oder anderen Gewerken, wie beim Floristen
        um die Ecke, zu Recht, warum sie das nicht dürfen. Zu-
        dem gab es einen Grundkonsens, Übergangsregeln nicht
        über das Jahr 2017 hinaus gelten zu lassen und dass eben
        nur mit einem Tarifvertrag vom Mindestlohn abgewi-
        chen werden kann.
        Es hätte mit Sicherheit nicht eines allgemeinen Min-
        destlohns bedurft, um im Hochlohnland Deutschland
        diejenigen Unternehmen, die auf Kosten ihrer Mitarbei-
        ter ihre Profitgier ausleben, einzufangen.
        Auch die ostdeutsche Wirtschaft besteht nicht nur aus
        Schmutzkonkurrenz mit Hungerlöhnen. Die arbeits-
        marktpolitischen Erfolge gingen nur zeitweise einher mit
        dem Anstieg des Niedriglohnsektors. Der Trend ist seit
        einigen Jahren gestoppt. Die Zahl der Beschäftigten, die
        2011/2012 weniger als 8,50 Euro pro Stunde verdienen,
        ist um eine halbe Million zurückgegangen. Ursache ist
        die Tariflohndynamik, die seit 2008 an Fahrt aufgenom-
        men hat und die sich bis dahin noch an der Produktivi-
        tätsentwicklung orientiert hat. Der Fachkräftemangel
        und die demografische Situation kurbeln die Lohnsteige-
        rung zusätzlich an. Viele KMU im Osten leisten für ihre
        Mitarbeiter inzwischen auch Sonderzahlungen und ver-
        suchen, betriebliche Altersversorgungssysteme aufzu-
        bauen, um ihre Mitarbeiter zu halten bzw. Fachkräfte an-
        zuwerben. Das alles passiert oftmals in kleinen Schritten
        entsprechend der wirtschaftlichen Leistungskraft. Diese
        Entwicklung wird durch das Aufdiktieren eines allge-
        meinen Mindestlohnes für viele ostdeutsche Unterneh-
        men empfindlich gestört, vor allem in den Branchen, in
        denen die Lohnsteigerung nicht über höhere Preise auf
        Kunden abgewälzt werden kann. Im Übrigen dürfte das
        allgemeine Preisniveau ohnehin steigen, ebenso die
        Steuerpflicht, sodass der allgemeine Mindestlohn für
        viele der erwarteten vier Millionen Mindestlohnempfän-
        ger ein Nullsummenspiel werden dürfte.
        Grundsätzlich führt ein Mindestlohn – wie jeder Min-
        destpreis, der über dem Marktpreis liegt – zu einer gerin-
        geren Nachfrage, also weniger Arbeit. So trifft der Min-
        destlohn Arbeitsplätze, die bisher aus guten Gründen
        geringer entlohnt werden, entweder wegen fehlender
        Zahlungsbereitschaft der Kunden oder auch mangelnder
        Leistungsfähigkeit der Arbeitnehmer. Einige Beschäf-
        tigte werden künftig tatsächlich mehr Lohn erhalten,
        wenn Kunden mehr zahlen oder der Arbeitgeber auf Ein-
        kommen verzichtet. Dort, wo das nicht geht, wird der
        Arbeitsplatz verschwinden. Auch die Ausnahmen für
        Langzeitarbeitslose, Saisonkräfte, Erntehelfer, Prakti-
        kanten oder Zeitungszusteller oder die vorgesehene Min-
        destlohn-Kommission ändern nichts an der grundsätzlich
        falschen Richtung einer ausschließlich staatlichen Lohn-
        festsetzung. Wir haben unsere Wirtschaft und die unter
        Sozialpartnern autonom vereinbarten Mindestlöhne sta-
        bilisiert. Wo das nicht gelingt, greift das Arbeitslosen-
        geld II als Grundsicherung – kein Mindestlohn, aber ein
        Mindesteinkommen.
        Viele mögen über die „Aufstocker“ klagen, die Lohn
        von Arbeitgeber und Jobcenter erhalten. Daran wird al-
        lerdings auch der Mindestlohn nicht viel ändern. Der Zu-
        verdienst kann eine Brücke in die Beschäftigung bauen –
        ein allgemeiner Mindestlohn bricht Brücken ab und ge-
        fährdet Beschäftigung ausgerechnet für die schwächsten
        Glieder am Arbeitsmarkt. Nötig sind stattdessen staats-
        ferne Lösungen, die sicherstellen, dass Tarifverträge
        Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 46. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Juli 2014 4307
        (A) (C)
        (D)(B)
        nicht von Entscheidungen des Gesetzgebers oder einer
        Mindestlohn-Kommission verdrängt werden. Entschei-
        dungen der Kommission dürfen keine Präjudizien für
        künftige Tarifverhandlungen setzen. Das vorliegende
        Gesetz schwächt und zerstört gewaltsam regionale Tarif-
        strukturen, weshalb es den Namen „Tarifautonomiestär-
        kungsgesetz“ nicht verdient.
        Schwierig bleibt auch die Regelung für Jugendliche.
        Für sie sollte der Mindestlohn nicht schon ab dem
        18. Lebensjahr gelten, sondern erst nach abgeschlosse-
        ner Berufsausbildung oder einem akademischen Ab-
        schluss. Dies wäre notwendig gewesen, damit Jugendli-
        che nicht Helferjobs für 8,50 Euro annehmen, statt eine
        Berufsausbildung zu absolvieren, und sich späterhin in
        den Reihen der Geringqualifizierten mit geringen Chan-
        cen am Arbeitsmarkt wiederzufinden.
        Mit der vorgesehenen Möglichkeit, Tarifverträge zu-
        künftig einfacher für allgemeinverbindlich zu erklären,
        wird außerdem die Koalitionsfreiheit, sich zu Tarifge-
        meinschaften zusammenzuschließen – positive Koali-
        tionsfreiheit – oder eigene Standards zu setzen – negative
        Koalitionsfreiheit –, eingeschränkt. Allerdings ist auch
        das eine der kritisch zu bewertenden Festlegungen des
        Koalitionsvertrages. Zukünftig kann die Bundesarbeits-
        ministerin einen Tarifvertrag für allgemeinverbindlich
        erklären, wenn ein sogenanntes „öffentliches Interesse“
        besteht. Bisher ging das nur, wenn mindestens die Hälfte
        der Arbeitnehmer einer Branche in tarifgebundenen Be-
        trieben arbeitete. Dadurch wurde verhindert, dass eine
        Minderheit einer Mehrheit ihren Tarifwillen aufzwingen
        konnte. Das entfällt zukünftig. Die gesetzliche Auswei-
        tung von Tariflöhnen dürfte deshalb wiederum vor allem
        kleinere bisher nicht tarifgebundene Firmen Ostdeutsch-
        lands treffen, die sich zwar meist an einen Tarifvertrag
        „anlehnen“, aber beispielsweise bei den Arbeitszeiten ei-
        gene Wege gehen. Den kleinen Firmen wird es zukünftig
        schwerfallen, ihre Interessen ausreichend durchzusetzen.
        Nicht unerwähnt bleiben dürfen bei dem Mindest-
        lohngesetz deshalb auch der Erfüllungsaufwand von
        9,6 Milliarden Euro und die umfangreichen bürokrati-
        schen Dokumentations- und Aufbewahrungspflichten, die
        der Wirtschaft auferlegt werden – selbst bei der derzeiti-
        gen guten Konjunkturlage muss diese Summe erst ein-
        mal erwirtschaftet werden –, ganz zu schweigen von den
        steuerlichen Belastungen, die durch den Bürokratie- und
        Kontrollaufwand beim Staat zu Buche schlagen. Laut
        dem Vorsitzenden der Deutschen Zoll- und Finanzge-
        werkschaft, Dieter Dewes, werden mindestens 2 100 Stel-
        len erforderlich – 1 600 Stellen hat Bundesfinanzminis-
        ter Schäuble bereits zugesagt. Bei Arbeitskosten von
        rund 75 000 Euro je Mitarbeiter wären das zusätzliche
        Personalkosten von circa 160 Millionen Euro im Jahr.
        Schätzungsweise steht die Hälfte der benötigten Zollbe-
        amten noch gar nicht auf dem Arbeitsmarkt zur Verfü-
        gung, weshalb auch noch Ausbildungskosten in Millio-
        nenhöhe dazu kommen dürften.
        Dr. Christoph Bergner (CDU/CSU): Ich stehe zum
        Koalitionsvertrag und stimme dem Gesetz zur Stärkung
        der Tarifautonomie, allerdings nur unter erheblichen Be-
        denken, zu. Ich gönne den Beschäftigten, die von der Ein-
        führung des flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohns
        profitieren werden, diesen hart erarbeiteten Lohnzu-
        wachs in vollem Maße. Ich sehe jedoch die Gefahr, dass
        die Einführung des flächendeckenden gesetzlichen Min-
        destlohns zu massiven Arbeitsplatzverlusten in Ost-
        deutschland führen könnte, und ich fürchte, dass der Ar-
        beitsplatzverlust sehr häufig ältere Arbeitnehmer aus
        dem unterem Lohnbereich mit geringen Lohnersatzleis-
        tungsansprüchen und schlechten Vermittlungschancen
        am Arbeitsmarkt betreffen wird.
        Nach Informationen, die mir von sehr vielen ostdeut-
        schen Unternehmen zugegangen sind, stehen mit der
        Einführung des flächendeckenden gesetzlichen Mindest-
        lohns Arbeitsplätze, Wachstum und Wohlstand in weiten
        Teilen Ostdeutschlands auf dem Spiel. Nach wie vor
        bestehen erhebliche strukturelle ökonomische Unter-
        schiede zwischen Ost- und Westdeutschland. Produktion
        und Einkommen je Einwohner und je Beschäftigtem
        sind in den ostdeutschen Ländern deutlich niedriger. Die
        Arbeitslosenquote ist deutlich höher als in den westdeut-
        schen Ländern. In Ostdeutschland sind 22,4 Prozent der
        abhängig Beschäftigten von der Mindestlohnregelung
        betroffen, in Westdeutschland hingegen nur 10,7 Pro-
        zent. Es scheint mir nicht ausgeschlossen, dass sich in-
        folge der Einführung von Mindestlöhnen auch im über
        dem Mindestlohn liegenden Lohnbereich starke Steige-
        rungen ergeben könnten, die neben dem Mindestlohn an
        sich zu Arbeitsplatzverlusten führen könnten.
        Andererseits erkenne ich an, dass einigen Forderun-
        gen ostdeutscher CDU-Abgeordneter zur Ausgestaltung
        des Mindestlohns in den Verhandlungen Rechnung ge-
        tragen wurde, wie zum Beispiel: Eine rechtzeitige Eva-
        luation zu den Auswirkungen des Gesetzes auf den deut-
        schen Arbeitsmarkt, keine unverhältnismäßige Haftung
        aller Arbeitgeber für alle beauftragten Dienstleistungs-
        unternehmen und Werkunternehmer sowie deren Subun-
        ternehmer, Ausnahme vom Mindestlohn für Praktika
        von bis zu drei Monaten und für Langzeitarbeitslose.
        Andere unserer Forderungen konnten leider nicht um-
        gesetzt werden, wie ich erhofft hatte:
        Keine Verdrängung bestehender Tarifverträge – Si-
        cherstellung der Weitergeltung auch außerhalb des
        Arbeitnehmer-Entsendegesetzes; ich erwartete bei der
        Mindestlohnregelung, dass bislang gültige Haustarifver-
        träge als Tarifverträge repräsentativer Tarifpartner auf
        Branchenebene im Sinne des Koalitionsvertrages aner-
        kannt werden und bis zum 31. Dezember 2016 gültig
        bleiben. Unsere Forderung nach Altersstaffelung; wir
        sollten keinen Fehlanreiz für Jugendliche setzen, denn
        die Bereitschaft junger Menschen mit Vermittlungs-
        hemmnissen, eine Berufsausbildung aufzunehmen, darf
        nicht konterkariert werden, indem der Anreiz geschaffen
        wird, ein vermeintlich attraktiveres Arbeitsverhältnis zu
        Mindestlohnbedingungen aufzunehmen, daher forderten
        wir, dass Arbeitsverhältnisse mit jungen Menschen zu-
        mindest bis zur Vollendung ihres 25. Lebensjahres wie
        in anderen EU-Ländern nicht vom Mindestlohn erfasst
        werden.
        4308 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 46. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Juli 2014
        (A) (C)
        (D)(B)
        Ob die Neuregelung für eine Allgemeinverbindlich-
        erklärung von Tarifverträgen ein taugliches Mittel ist,
        muss sich in der Praxis noch zeigen.
        Hinzu kommt, dass auch das von CDU-Seite in die
        Koalitionsverhandlungen hineinverhandelte Morato-
        rium, das eine Abweichung und Heranführung an den
        gesetzlichen Mindestlohn bis zum 31. Dezember 2016
        vorsieht, Bedingungen enthält, die es weitestgehend zur
        Makulatur machen. Ferner ist zu bezweifeln, ob dieser
        massive staatliche Eingriff in die bisherige Form der
        Tarifautonomie tatsächlich langfristig die Tarifautono-
        mie stärkt, wie das der Gesetzestitel verheißt. Die ge-
        ringe Tarifbindung in Ostdeutschland war historisch
        keine Folge von fehlenden Mindestlöhnen, sondern ent-
        wickelte sich aus der Sorge um den Erhalt des eigenen
        Arbeitsplatzes angesichts von Lohnentwicklungen, die
        die Produktivität der Arbeitnehmer überforderte.
        Trotz dieser offenen Fragen halte ich das Gesetz für
        vertretbar, solange keine negativen Effekte auf dem Ar-
        beitsmarkt erkennbar sind. Sollten sich diese aber auf-
        grund der Evaluierung des Gesetzes durch die Bundes-
        regierung zeigen, erwarte ich sofortiges Handeln.
        Klaus Brähmig (CDU/CSU): Ich stehe zum Koali-
        tionsvertrag und stimme dem Gesetz zur Stärkung der
        Tarifautonomie, allerdings nur unter erheblichen Beden-
        ken, zu. Ich gönne den Beschäftigten, die von der Ein-
        führung des flächendeckenden gesetzlichen Mindest-
        lohns profitieren werden, diesen hart erarbeiteten
        Lohnzuwachs in vollem Maße. Ich sehe jedoch die Ge-
        fahr dass die Einführung des flächendeckenden gesetzli-
        chen Mindestlohns zu massiven Arbeitsplatzverlusten in
        Ostdeutschland führen könnte.
        Nach Informationen, die mir von sehr vielen ostdeut-
        schen Unternehmen zugegangen sind, stehen mit der
        Einführung des flächendeckenden gesetzlichen Mindest-
        lohns Arbeitsplätze, Wachstum und Wohlstand in weiten
        Teilen Ostdeutschlands auf dem Spiel. Nach wie vor be-
        stehen erhebliche strukturelle ökonomische Unter-
        schiede zwischen Ost- und Westdeutschland. Produktion
        und Einkommen je Einwohner und je Beschäftigtem
        sind in den ostdeutschen Ländern deutlich niedriger. Die
        Arbeitslosenquote ist deutlich höher als in den westdeut-
        schen Ländern. In Ostdeutschland sind 22,4 Prozent der
        abhängig Beschäftigten von der Mindestlohnregelung
        betroffen, in Westdeutschland hingegen nur 10,7 Pro-
        zent. Es scheint mir nicht ausgeschlossen, dass sich in-
        folge der Einführung von Mindestlöhnen auch im über
        dem Mindestlohn liegenden Lohnbereich starke Steige-
        rungen ergeben könnten, die neben dem Mindestlohn an
        sich zu Arbeitsplatzverlusten führen könnten.
        Persönlich bedauere ich es sehr, dass die ostdeutschen
        Ministerpräsidenten es verpasst haben, bereits in den
        Koalitionsverhandlungen eine Sonderregelung für Ost-
        deutschland zu verhandeln. Andererseits erkenne ich an,
        dass einigen meiner Forderungen zur Ausgestaltung des
        Mindestlohns in den Verhandlungen Rechnung getragen
        wurde, wie zum Beispiel: rechtzeitige Evaluation zu den
        Auswirkungen des Gesetzes auf den deutschen Arbeits-
        markt, keine unverhältnismäßige Haftung aller Arbeitge-
        ber für alle beauftragten Dienstleistungsuntemehmen
        und Werkuntemehmer sowie deren Subunternehmer,
        Ausnahme vom Mindestlohn für Praktika von bis zu drei
        Monaten und für Langzeitarbeitslose.
        Folgende meiner Forderungen konnten leider nicht
        umgesetzt werden: Keine Verdrängung bestehender Ta-
        rifverträge – Sicherstellung der Weitergeltung auch au-
        ßerhalb des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes; ich erwar-
        tete bei der Mindestlohnregelung, dass bislang gültige
        Haustarifverträge als Tarifverträge repräsentativer Tarif-
        partner auf Branchenebene im Sinne des Koalitionsver-
        trages anerkannt werden und bis zum 31. Dezember
        2016 gültig bleiben.
        Altersstaffelung – Keinen Fehlanreiz für Jugendliche
        setzen; ich forderte, dass die Bereitschaft junger Men-
        schen mit Vermittlungshemmnissen, eine Berufsausbil-
        dung aufzunehmen, nicht konterkariert werden darf, in-
        dem der Anreiz geschaffen wird, ein vermeintlich
        attraktiveres Arbeitsverhältnis zu Mindestlohnbedingun-
        gen aufzunehmen. Daher sollten Arbeitsverhältnisse mit
        jungen Menschen zumindest bis zur Vollendung ihres
        25. Lebensjahres wie in anderen EU- Ländern nicht vom
        Mindestlohn erfasst werden.
        Ob die Neuregelung für eine Allgemeinverbindlich-
        erklärung von Tarifverträgen ein taugliches Mittel ist,
        muss sich in der Praxis noch zeigen.
        Hinzu kommt, dass auch das von CDU-Seite in die
        Koalitionsverhandlungen hineinverhandelte Morato-
        rium, das eine Abweichung und Heranführung an den
        gesetzlichen Mindestlohn bis zum 31. Dezember 2016
        vorsieht, Bedingungen enthält, die es weitestgehend zur
        Makulatur machen. Ferner ist zu bezweifeln, ob dieser
        massive staatliche Eingriff in die bisherige Form der Ta-
        rifautonomie tatsächlich langfristig die Tarifautonomie
        stärkt, wie das der Gesetzestitel verheißt. Die geringe
        Tarifbindung in Ostdeutschland war historisch keine
        Folge von fehlenden Mindestlöhnen, sondern entwi-
        ckelte sich aus der Sorge um den Erhalt des eigenen Ar-
        beitsplatzes angesichts von Lohnentwicklungen, die die
        Produktivität der Arbeitnehmer überforderten.
        Trotz dieser offenen Fragen halte ich das Gesetz für
        vertretbar, solange keine negativen Effekte auf dem Ar-
        beitsmarkt erkennbar sind. Sollten sich diese aber auf-
        grund der Evaluierung des Gesetzes durch die Bundes-
        regierung zeigen, erwarte ich sofortiges Handeln, wie es
        in der Beratung des Gesetzes nachweisbar vereinbart
        wurde.
        Dr. Thomas Feist (CDU/CSU): Ich stehe zum Ko-
        alitionsvertrag und hätte daher dem Gesetz zur Stärkung
        der Tarifautonomie gern zugestimmt. Ich gönne den Be-
        schäftigten, die von der Einführung des flächendecken-
        den gesetzlichen Mindestlohns profitieren werden, die-
        sen hart erarbeiteten Lohnzuwachs in vollem Maße. Ich
        sehe dabei jedoch auch die Gefahr, dass die Einführung
        des flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohns zu
        massiven Arbeitsplatzverlusten in Ostdeutschland füh-
        ren könnte.
        Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 46. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Juli 2014 4309
        (A) (C)
        (D)(B)
        Ich hätte das Gesetz für vertretbar gehalten, wenn
        durch seine Inkraftsetzung weder negative Effekte auf
        dem Arbeitsmarkt noch im Ausbildungssektor zu erwar-
        ten wären. Während eventuell negative Effekte auf den
        Arbeitsmarkt in der für 2017 vereinbarten Evaluation
        korrigiert und behoben werden können, gilt dies für den
        Fehlanreiz junger Menschen zur Aufnahme einer unge-
        lernten Beschäftigung zulasten einer beruflichen Ausbil-
        dung nicht in gleicher Weise.
        Die Einführung des Mindestlohns ab 18 Jahren für Ju-
        gendliche ohne abgeschlossene Berufsausbildung ist ein
        solcher Fehlanreiz, der vor allem Jugendliche, die aus
        bildungsunerfahrenen Familien stammen, verleiten wird,
        einen Anlernjob anzunehmen, statt eine berufliche Aus-
        bildung zu durchlaufen. Zwar verdienen sie zunächst
        etwa das Doppelte wie Auszubildende. Auf ein Erwerbs-
        leben bezogen bekommen sie allerdings rund ein Drittel
        weniger, und ihr Arbeitslosigkeitsrisiko ist um das Vier-
        fache erhöht. Der durchschnittliche Ausbildungsanfän-
        ger ist knapp 20 Jahre alt. Drei Viertel der Jugendlichen,
        die eine Ausbildung beginnen, sind 18 Jahre und älter.
        Insgesamt sind schon heute über 300 000 unter 25-Jäh-
        rige sozialversicherungspflichtig beschäftigt, die sich
        weder in Ausbildung befinden noch über eine abge-
        schlossene Ausbildung verfügen. Es kann nicht in unse-
        rem Interesse liegen, dass sich diese Zahl erhöht.
        Das Gesetz wird durch diese Fehlsteuerung die starke
        duale Ausbildungslandschaft in Deutschland über ein er-
        trägliches Maß hinaus schwächen, und zwar langfristig
        und voraussichtlich irreparabel. Dies ist nicht nur meine
        persönliche Meinung, sondern wird ausdrücklich und
        einstimmig von den bildungspolitischen Sprechern der
        CDU/CSU-Landtagsfraktionen geteilt. Die von mir als
        zuständigem Berichterstatter der Fraktion formulierte
        Position der AG Bildung, die eine Anhebung der Alters-
        grenze für Jugendliche ohne Ausbildung im geplanten
        Mindestlohngesetz für unumgänglich hält bzw. fordert,
        dass Mindestlohn eine Mindestqualifikation im Sinne
        einer beruflichen oder akademischen Ausbildung vo-
        raussetzt, wurde am 4. April 2014 in einer gemeinsamen
        Sitzung der AG Bildung der CDU/CSU-Bundestagsfrak-
        tion mit den bildungspolitischen Sprechern der CDU/
        CSU-Landtagsfraktionen in einer gemeinsamen Erklä-
        rung verabschiedet. Der Freistaat Sachsen forderte im
        Antrag 841. AS / TOP 5 / SN im Deutschen Bundesrat,
        die Altersgrenze für Menschen ohne abgeschlossene Be-
        rufsausbildung zumindest auf 25 Jahre anzuheben. Mit
        dieser Regelung, die einen Kompromiss darstellt, wäre
        es mir eher möglich gewesen, dem Gesetz zuzustimmen.
        Leider wurde diesem Punkt nicht stattgegeben.
        Von vornherein wurde seitens der SPD signalisiert,
        dass bei der Verschiebung der Altersgrenze oder der von
        mir in die Diskussion eingebrachten Forderung „Min-
        destlohn braucht Mindestqualifikation“ keine Ge-
        sprächsbereitschaft besteht. Die Bezugnahme des Ge-
        setzentwurfs hinsichtlich der Altersgrenze von 18 Jahren
        nimmt fälschlicherweise Bezug auf das Jugendarbeits-
        schutzgesetz. Diese Begründung ist irreführend, hat
        doch dieses Gesetz eine völlig andere Schutzrichtung.
        So sollen die dort verankerten Beschäftigungsverbote
        Gesundheit und Leben der Jugendlichen bei der Arbeit
        schützen. Damit ist aber nichts über das Alter ausgesagt,
        das als angemessener Anknüpfungspunkt für eine Len-
        kung hin zur Aufnahme einer Ausbildung dienen kann.
        Die Festsetzung der Altersgrenze auf 25 Jahre wäre
        ein angemessener Kompromiss gewesen, wenn ich auch
        weiterhin dazu stehe, dass ein mit dem Mindestlohn ver-
        bundenes Anreizsystem für das Erreichen einer abge-
        schlossenen Erstausbildung der bessere Weg ist. In der
        Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung
        wird zur Altersgrenze mit 18 ausgeführt, dass typischer-
        weise von jungen Menschen nach Abschluss der Sekun-
        darstufe I wichtige Weichen für ihren späteren berufli-
        chen Werdegang gestellt werden. Allerdings entspricht
        es nicht der Lebenswirklichkeit, für die Typisierung auf
        eine Altersgrenze von 18 Jahren abzustellen. 2013 lag
        der durchschnittliche Ausbildungsbeginn bereits bei
        20,1 Jahren – bei steigender Tendenz. Über die Hälfte
        der Auszubildenden war beim erfolgreichen Abschluss
        der Ausbildung älter als 22 Jahre. Typischerweise wird
        somit die Entscheidung über eine Berufsausbildung ak-
        tuell wesentlich später getroffen als mit 18 Jahren.
        Auch wenn hinsichtlich der Ausnahmetatbestände für
        Praktikanten und Studenten an den Berufsakademien im
        vorliegenden Gesetz wesentliche Verbesserungen er-
        reicht wurden, die ich durchaus anerkenne, ist hinsicht-
        lich der Aufhebung oder zumindest der Verschiebung
        der Altersgrenze von 18 Jahren und einer damit einher-
        gehenden Vorbeugung gegenüber den genannten Fehl-
        anreizen ein für mich zentraler Punkt im Gesetz nicht ge-
        ändert worden. Ich kann daher dem Gesetz nicht
        zustimmen.
        Mark Hauptmann (CDU/CSU): Heute fand im
        Deutschen Bundestag die Abstimmung zum Gesetzent-
        wurf der Bundesregierung zur Stärkung der Tarifautono-
        mie statt. Als Mitglied der Regierungsfraktion stehe ich
        zum Koalitionsvertrag, in dem der gesetzlich festge-
        schriebene Mindestlohn vereinbart ist, und stimme dem
        Gesetz zur Stärkung der Tarifautonomie, allerdings nur
        unter erheblichen Bedenken, zu.
        Persönlich habe ich für das Modell der Thüringer Mi-
        nisterpräsidentin Christine Lieberknecht geworben, mit
        dem Politiker bewusst auf eine gesetzliche Festschrei-
        bung des Mindestlohns verzichten sollten, um die De-
        batte über eine angemessene Höhe allein in die Hände
        der Tarifpartner legen zu können. Die Festlegung der
        Lohnhöhe durch die Tarifpartner hat sich in den vergan-
        genen Jahren für Deutschland bewährt. Die Regelung
        zum Mindestlohn hingegen wird ihre Tragfähigkeit in
        den nächsten Jahren erst beweisen müssen.
        Ich gönne den Beschäftigten, die von der Einführung
        des flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohns profi-
        tieren werden, diesen hart erarbeiteten Lohnzuwachs in
        vollem Maße. Ich sehe jedoch die Gefahr, dass die Ein-
        führung des flächendeckenden gesetzlichen Mindest-
        lohns zu massiven Arbeitsplatzverlusten in Ostdeutsch-
        land führen könnte.
        Nach Informationen, die mir von sehr vielen Unter-
        nehmen zugegangen sind, stehen mit der Einführung des
        4310 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 46. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Juli 2014
        (A) (C)
        (D)(B)
        flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohns Arbeits-
        plätze, Wachstum und Wohlstand in weiten Teilen
        Ostdeutschlands auf dem Spiel. Nach wie vor beste-
        hen erhebliche strukturelle ökonomische Unterschiede
        zwischen Ost- und Westdeutschland. Produktion und
        Einkommen je Einwohner und je Beschäftigten sind in
        den ostdeutschen Ländern deutlich niedriger. Die Ar-
        beitslosenquote ist deutlich höher als in den westdeut-
        schen Ländern. In Ostdeutschland sind 22,4 Prozent der
        abhängig Beschäftigten von der Mindestlohnregelung
        betroffen, in Westdeutschland hingegen nur 10,7 Pro-
        zent. Es scheint mir nicht ausgeschlossen, dass sich in-
        folge der Einführung von Mindestlöhnen auch im über
        dem Mindestlohn liegenden Lohnbereich starke Steige-
        rungen ergeben könnten, die neben dem Mindestlohn an
        sich zu Arbeitsplatzverlusten führen könnten.
        Andererseits erkenne ich an, dass einigen meiner For-
        derungen zur Ausgestaltung des Mindestlohns in den
        Verhandlungen Rechnung getragen wurde, wie zum Bei-
        spiel: rechtzeitige Evaluation zu den Auswirkungen des
        Gesetzes auf den deutschen Arbeitsmarkt, keine unver-
        hältnismäßige Haftung aller Arbeitgeber für alle beauf-
        tragten Dienstleistungsunternehmen und Werkunterneh-
        mer sowie deren Subunternehmer, Ausnahme vom
        Mindestlohn für Praktika von bis zu drei Monaten und
        für Langzeitarbeitslose.
        Folgende meiner Forderungen konnten leider nicht
        umgesetzt werden:
        Keine Verdrängung bestehender Tarifverträge – Si-
        cherstellung der Weitergeltung auch außerhalb des Ar-
        beitnehmerentsendegesetzes; ich erwartete bei der Min-
        destlohnregelung, dass bislang gültige Haustarifverträge
        als Tarifverträge repräsentativer Tarifpartner auf Bran-
        chenebene im Sinne des Koalitionsvertrages anerkannt
        werden und bis zum 31. Dezember 2016 gültig bleiben.
        Altersstaffelung – Keinen Fehlanreiz für Jugendliche
        setzen; ich forderte, dass die Bereitschaft junger Men-
        schen mit Vermittlungshemmnissen, eine Berufsaus-
        bildung aufzunehmen, nicht konterkariert werden darf,
        indem der Anreiz geschaffen wird, ein vermeintlich at-
        traktiveres Arbeitsverhältnis zu Mindestlohnbedingun-
        gen aufzunehmen. Daher sollten Arbeitsverhältnisse mit
        jungen Menschen zumindest bis zur Vollendung ihres
        25. Lebensjahres wie in anderen EU-Ländern nicht vom
        Mindestlohn erfasst werden.
        Ob die Neuregelung für eine Allgemeinverbindlich-
        erklärung von Tarifverträgen ein taugliches Mittel ist,
        muss sich in der Praxis noch zeigen. Hinzu kommt, dass
        auch das von CDU-Seite in die Koalitionsverhandlungen
        hineinverhandelte Moratorium, das eine Abweichung
        und Heranführung an den gesetzlichen Mindestlohn bis
        zum 31. Dezember 2016 vorsieht, Bedingungen enthält,
        die es weitestgehend zur Makulatur machen. Ferner ist
        zu bezweifeln, ob dieser massive staatliche Eingriff in
        die bisherige Form der Tarifautonomie tatsächlich
        langfristig die Tarifautonomie stärkt, wie das der Ge-
        setzestitel verheißt. Die geringe Tarifbindung in Ost-
        deutschland war historisch keine Folge von fehlenden
        Mindestlöhnen, sondern entwickelte sich aus der Sorge
        um den Erhalt des eigenen Arbeitsplatzes angesichts von
        Lohnentwicklungen, die die Produktivität der Arbeitneh-
        mer überforderte.
        Trotz dieser offenen Fragen halte ich das Gesetz für
        vertretbar, solange keine negativen Effekte auf dem Ar-
        beitsmarkt erkennbar sind. Sollten sich diese aber auf-
        grund der Evaluierung des Gesetzes durch die Bundesre-
        gierung zeigen, erwarte ich sofortiges Handeln.
        Uda Heller (CDU/CSU): Ich stehe zum Koalitions-
        vertrag und stimme dem Gesetz zur Stärkung der Tarif-
        autonomie, allerdings nur unter erheblichen Bedenken,
        zu. Ich gönne den Beschäftigten, die von der Einführung
        des flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohns profi-
        tieren werden, diesen hart erarbeiteten Lohnzuwachs in
        vollem Maße. Ich sehe jedoch die Gefahr dass die
        Einführung des flächendeckenden gesetzlichen Mindest-
        lohns zu massiven Arbeitsplatzverlusten in Ostdeutsch-
        land führen könnte.
        Nach Informationen, die mir von sehr vielen ostdeut-
        schen Unternehmen zugegangen sind, stehen mit der
        Einführung des flächendeckenden gesetzlichen Mindest-
        lohns Arbeitsplätze, Wachstum und Wohlstand in weiten
        Teilen Ostdeutschlands auf dem Spiel. Nach wie vor be-
        stehen erhebliche strukturelle ökonomische Unter-
        schiede zwischen Ost- und Westdeutschland. Produktion
        und Einkommen je Einwohner und je Beschäftigtem
        sind in den ostdeutschen Ländern deutlich niedriger. Die
        Arbeitslosenquote ist deutlich höher als in den westdeut-
        schen Ländern. In Ostdeutschland sind 22,4 Prozent der
        abhängig Beschäftigten von der Mindestlohnregelung
        betroffen, in Westdeutschland hingegen nur 10,7 Pro-
        zent. Es scheint mir nicht ausgeschlossen, dass sich in-
        folge der Einführung von Mindestlöhnen auch im über
        dem Mindestlohn liegenden Lohnbereich starke Steige-
        rungen ergeben könnten, die neben dem Mindestlohn an
        sich zu Arbeitsplatzverlusten führen könnten.
        Andererseits erkenne ich an, dass einigen meiner
        Forderungen zur Ausgestaltung des Mindestlohns in den
        Verhandlungen Rechnung getragen wurde, wie zum Bei-
        spiel: rechtzeitige Evaluation zu den Auswirkungen des
        Gesetzes auf den deutschen Arbeitsmarkt, keine unver-
        hältnismäßige Haftung aller Arbeitgeber für alle beauf-
        tragten Dienstleistungsunternehmen und Werkunterneh-
        mer sowie deren Subunternehmer, Ausnahme vom
        Mindestlohn für Praktika von bis zu drei Monaten und
        für Langzeitarbeitslose, Anrechnung von Kost und Logis
        bei der Mindestlohnvergütung von Saisonarbeitern in
        der Landwirtschaft.
        Folgende meiner Forderungen konnten leider nicht
        umgesetzt werden:
        Keine Verdrängung bestehender Tarifverträge – Si-
        cherstellung der Weitergeltung auch außerhalb des Ar-
        beitnehmer-Entsendegesetzes: Ich erwartete bei der
        Mindestlohnregelung, dass bislang gültige Haustarifver-
        träge als Tarifverträge repräsentativer Tarifpartner auf
        Branchenebene im Sinne des Koalitionsvertrages aner-
        kannt werden und bis zum 31. Dezember 2016 gültig
        bleiben.
        Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 46. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Juli 2014 4311
        (A) (C)
        (D)(B)
        Altersstaffelung – Keinen Fehlanreiz für Jugendliche
        setzen: Ich forderte, dass die Bereitschaft junger
        Menschen, eine Berufsausbildung aufzunehmen, nicht
        konterkariert werden darf, indem der Anreiz geschaffen
        wird, ein vermeintlich attraktiveres Arbeitsverhältnis zu
        Mindestlohnbedingungen aufzunehmen. Ich bin der
        Auffassung, dass jeder Jugendliche nach seinem Schul-
        abschluss eine qualifizierte Berufsausbildung absolvie-
        ren sollte. Das Durchschnittsalter bei Ausbildungsbe-
        ginn liegt in Deutschland bei 20,1 Jahren. Daher sollten
        Arbeitsverhältnisse mit jungen Menschen zumindest bis
        zur Vollendung ihres 25. Lebensjahres wie in anderen
        EU-Ländern nicht vom Mindestlohn erfasst werden. Da-
        rüber hinaus sollte der Mindestlohn auch an eine Min-
        destanforderung wie eine Berufsausbildung geknüpft
        werden, um sich von gering qualifizierter Arbeit zu un-
        terscheiden und Anreize für eine abgeschlossene Berufs-
        ausbildung zu schaffen.
        Ob die Neuregelung für eine allgemeinverbindliche
        Erklärung von Tarifverträgen ein taugliches Mittel ist,
        muss sich in der Praxis noch zeigen.
        Hinzu kommt, dass auch das von CDU-Seite in die
        Koalitionsverhandlungen hineinverhandelte Morato-
        rium, das eine Abweichung und Heranführung an den
        gesetzlichen Mindestlohn bis zum 31. Dezember 2016
        vorsieht, Bedingungen enthält, die es weitestgehend zur
        Makulatur machen. Ferner ist zu bezweifeln, ob dieser
        massive staatliche Eingriff in die bisherige Form der
        Tarifautonomie tatsächlich langfristig die Tarifautono-
        mie stärkt, wie das der Gesetzestitel verheißt. Die ge-
        ringe Tarifbindung in Ostdeutschland war historisch
        keine Folge von fehlenden Mindestlöhnen, sondern ent-
        wickelte sich aus der Sorge um den Erhalt des eigenen
        Arbeitsplatzes angesichts von Lohnentwicklungen, die
        die Produktivität der Arbeitnehmer überforderten.
        Trotz dieser offenen Fragen halte ich das Gesetz für
        vertretbar, solange keine negativen Effekte auf dem
        Arbeitsmarkt erkennbar sind. Sollten sich diese aber
        aufgrund der Evaluierung des Gesetzes durch die Bun-
        desregierung zeigen, erwarte ich sofortiges Handeln.
        Robert Hochbaum (CDU/CSU): Ich spreche mich
        für den Gesetzentwurf zum Mindestlohn aus. Mögliche
        Ausnahmen lehne ich jedoch ab, da ich der Überzeugung
        bin, dass eine Lohnuntergrenze allen Beschäftigten zu-
        gutekommen sollte.
        Ausnahmen zu bestimmten Personengruppen wie bei-
        spielsweise Praktikanten oder Zustellern führen lediglich
        dazu, dass Schlupflöcher – zumindest zeitweise – zur
        Umgehung der Regelungen genutzt werden.
        Dem Gesetzentwurf stimme ich zu, denn die Einfüh-
        rung eines Mindestlohnes war für mich schon immer ein
        wichtiges politisches Ziel.
        Carsten Körber (CDU/CSU): Ich stehe zum Koali-
        tionsvertrag und stimme dem Gesetz zur Stärkung der
        Tarifautonomie, allerdings nur unter erheblichen Beden-
        ken, zu. Ich gönne den Beschäftigten, die von der Ein-
        führung des flächendeckenden gesetzlichen Mindest-
        lohns profitieren werden, diesen hart erarbeiteten
        Lohnzuwachs in vollem Maße. Ich sehe jedoch die Ge-
        fahr, dass die Einführung des flächendeckenden gesetzli-
        chen Mindestlohns zu massiven Arbeitsplatzverlusten in
        Ostdeutschland führen wird.
        Nach Informationen, die mir von sehr vielen ostdeut-
        schen Unternehmen zugegangen sind, stehen mit der
        Einführung des flächendeckenden gesetzlichen Mindest-
        lohns Arbeitsplätze, Wachstum und Wohlstand in weiten
        Teilen Ostdeutschlands auf dem Spiel. Nach wie vor be-
        stehen erheblich strukturelle ökonomische Unterschiede
        zwischen Ost- und Westdeutschland. Produktion und
        Einkommen je Einwohner und je Beschäftigten sind in
        den ostdeutschen Ländern deutlich niedriger. Die Ar-
        beitslosenquote ist deutlich höher als in den westdeut-
        schen Ländern. In Ostdeutschland sind 22,4 Prozent der
        abhängig Beschäftigten von der Mindestlohnregelung
        betroffen, in Westdeutschland hingegen nur 10,7 Pro-
        zent. Es scheint mir nicht ausgeschlossen, dass sich in-
        folge der Einführung von Mindestlöhnen auch im über
        dem Mindestlohn liegenden Lohnbereich starke Steige-
        rungen ergeben könnten, die neben dem Mindestlohn an
        sich zu Arbeitsplatzverlusten führen könnten.
        Andererseits erkenne ich an, dass einigen meiner For-
        derungen zur Ausgestaltung des Mindestlohns in den
        Verhandlungen Rechnung getragen wurde, wie zum Bei-
        spiel: rechtzeitige Evaluation zu den Auswirkungen des
        Gesetzes auf den deutschen Arbeitsmarkt, keine unver-
        hältnismäßige Haftung aller Arbeitgeber für alle beauf-
        tragten Dienstleistungsunternehmen und Werkunterneh-
        mer sowie deren Subunternehmer, Ausnahme vom
        Mindestlohn für Praktika von bis zu drei Monaten und
        für Langzeitarbeitslose.
        Folgende meiner Forderungen konnten leider nicht
        umgesetzt werden:
        Keine Verdrängung bestehender Tarifverträge – Si-
        cherstellung der Weitergeltung auch außerhalb des Ar-
        beitnehmer-Entsendegesetzes; ich erwartete bei der Min-
        destlohnregelung, dass bislang gültige Haustarifverträge
        als Tarifverträge repräsentativer Tarifpartner auf Bran-
        chenebene im Sinne des Koalitionsvertrages anerkannt
        werden und bis zum 31. Dezember 2016 gültig bleiben.
        Altersstaffelung – Keinen Fehlanreiz für Jugendliche
        setzen; ich forderte, dass die Bereitschaft junger Men-
        schen mit Vermittlungshemmnissen, eine Berufsausbil-
        dung aufzunehmen, nicht konterkariert werden darf, in-
        dem der Anreiz geschaffen wird, ein vermeintlich
        attraktiveres Arbeitsverhältnis zu Mindestlohnbedingun-
        gen aufzunehmen. Daher sollten Arbeitsverhältnisse mit
        jungen Menschen zumindest bis zur Vollendung ihres
        25. Lebensjahres wie in anderen EU-Ländern nicht vom
        Mindestlohn erfasst werden.
        Ob die Neuregelung für eine Allgemeinverbindlich-
        keitserklärung von Tarifverträgen ein taugliches Mittel
        ist, muss sich in der Praxis noch zeigen.
        Hinzu kommt, dass auch das von CDU-Seite in die
        Koalitionsverhandlungen hineinverhandelte Morato-
        rium, das eine Abweichung und Heranführung an den
        gesetzlichen Mindestlohn bis zum 31. Dezember 2016
        4312 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 46. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Juli 2014
        (A) (C)
        (D)(B)
        vorsieht, Bedingungen enthält, die es weitestgehend zur
        Makulatur machen. Ferner ist zu bezweifeln, ob dieser
        massive staatliche Eingriff in die bisherige Form der Ta-
        rifautonomie tatsächlich langfristig die Tarifautonomie
        stärkt, wie das der Gesetzestitel verheißt. Die geringe
        Tarifbindung in Ostdeutschland war historisch keine
        Folge von fehlenden Mindestlöhnen, sondern entwi-
        ckelte sich aus der Sorge um den Erhalt des eigenen Ar-
        beitsplatzes angesichts von Lohnentwicklungen, die die
        Produktivität der Arbeitnehmer überforderten.
        Sollten sich jedoch bei der Evaluierung des Gesetzes
        durch die Bundesregierung negative Effekte auf den Ar-
        beitsmarkt zeigen, erwarte ich sofortiges Handeln.
        Katharina Landgraf (CDU/CSU): Dem Tarifauto-
        nomiestärkungsgesetz mit dem Gesetz zur Regelung ei-
        nes allgemeinen Mindestlohns, MiLoG, gebe ich nicht
        meine Zustimmung.
        Vorbemerkung:
        Es ist aus meiner Sicht unbestritten, dass jeder
        Mensch im erwerbsfähigen Alter durch seine Arbeit in
        der Lage sein soll, seinen Lebensunterhalt durch einen
        auskömmlichen Lohn und durch ein entsprechendes Ge-
        halt bei guter Haushaltsführung ohne weitere staatliche
        Unterstützung zu sichern. In aller Entschiedenheit lehne
        ich die Zahlung von sittenwidrigen Löhnen ab. Die Ent-
        lohnung muss dem Grundprinzip der sozialen Markt-
        wirtschaft entsprechen, Wohlstand für alle anzustreben.
        Das ist eine im höchsten Maße moralische Frage für die
        Unternehmerschaft, die sich zu unserem Gesellschafts-
        bild bekennt und bekennen sollte. Das trifft ebenso auf
        die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu, die durch
        Arbeit ihren Beitrag zur Solidargemeinschaft leisten.
        Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland
        gewährleistet im Artikel 9 Absatz 3 die Freiheit zum ge-
        deihlichen Miteinander für die wirtschaftliche Entwick-
        lung unseres Landes und verbietet in letzter Konsequenz
        die Einflussnahme des Staates in diese Freiheit, mit der
        die Tarifautonomie begründet ist. Die Bedeutung dieses
        Grundpfeilers unserer freiheitlich-demokratischen Grund-
        ordnung ist in den zurückliegenden Jahren vor allem
        durch Arbeitgeber und durch ihre Organisationen leider
        stark gemindert worden. Eine falsche Interpretation der
        Freiwilligkeit zur Tarifpartnerschaft hat den Boden für
        die Zahlung von sittenwidrigen Löhnen wesentlich be-
        reitet. Wir alle stehen vor der Herausforderung, die per
        Grundgesetz gesicherte Tarifautonomie in das Bewusst-
        sein der Gesellschaft neu zu implementieren und zu fes-
        tigen. Mit staatlichem Zwang dies zu erreichen, ist frag-
        würdig und entspricht schlussendlich nicht dem Geist
        der sozialen Marktwirtschaft. Ich vertrete jedoch auch
        die Auffassung, dass bei extremen und die Gesellschaft
        stark beeinträchtigenden Entwicklungen eine entspre-
        chende Regelungsverantwortung seitens des Gesetzge-
        bers wahrgenommen werden sollte. Entscheidend dabei
        ist für mich die Verhältnismäßigkeit des Eingriffes des
        Staates in die Freiheiten der Beteiligten und Betroffenen.
        Begründung zur Abstimmung:
        Das vorliegende „Gesetz zur Stärkung der Tarifauto-
        nomie“ ist darauf gerichtet, allen Arbeitnehmerinnen
        und Arbeitnehmern ungeachtet ihrer Qualifikation
        und der zu erbringenden Leistung und ohne Berück-
        sichtigung der Wertschöpfung einen Mindestlohn von
        8,50 Euro zu sichern. Dieses grundsätzliche Anliegen,
        auf diese Weise die Zahlung von sittenwidrigen Löhnen
        ein für alle Mal zu verhindern, ist unbestritten. Der per
        Gesetz festgelegte Preis einer Arbeitsstunde verletzt al-
        lerdings grundlegende ökonomische Gesetze und erin-
        nert an die Staatsplanwirtschaft der DDR und an die da-
        maligen Versuche der absoluten Gleichmacherei.
        Nicht zustimmungsfähig sind für mich der festgelegte
        Verfahrensweg und die Tragweite des Gesetzes für die
        künftige Ausgestaltung der Tarifautonomie und des ge-
        samten Arbeitsrechts und dessen Anwendung bezogen
        auf alle Arbeitsverhältnisse.
        Das Gesetz weitet die staatliche Einflussnahme auf
        das wirtschaftliche Leben in ungebührlicher Weise aus.
        Völlig unakzeptabel ist, dass in der Begründung im
        Abschnitt „Reform der Allgemeinverbindlichkeitserklä-
        rung nach dem Tarifvertragsgesetz“ festgestellt wird,
        dass der Allgemeinverbindlichkeitserklärung gegenüber
        anderen Tarifverträgen eine „verdrängende Vorrangwir-
        kung“ zukomme.
        Unklar ist das mehrfach in die gesetzlichen Regelun-
        gen eingebrachte Kriterium „wenn es im öffentlichen In-
        teresse steht“. Wer diesen subjektiven Faktor jeweils de-
        finiert, wird nicht einmal in Ansätzen erwähnt. Ein
        solcher Begriff ist dehn- und interpretierbar und schützt
        nicht vor willkürlichem Gebrauch.
        Die getroffenen Ausnahmeregelungen tragen den tat-
        sächlichen Verhältnissen vor allem in der Wirtschaft der
        neuen Bundesländer nicht annähernd Rechnung. Die
        festgelegten Ausnahmeregelungen beispielsweise für
        Erntehelfer sind unzureichend und tragen nicht dazu bei,
        dass die betroffenen Unternehmen ihre wirtschaftliche
        Existenz sichern können.
        Mangelhaft ist die lückenhafte Quantifizierung des
        gesamten Aufwandes in der staatlichen Verwaltung und
        in der betroffenen Wirtschaft. Das vorliegende Gesetzes-
        werk trägt insgesamt nicht zum nachhaltigen Bürokratie-
        abbau bei.
        Der parlamentarische Beratungsprozess wurde nicht
        mit der erforderlichen Solidität bewältigt. Eine Bearbei-
        tung des Gesetzentwurfes und der eingebrachten Ände-
        rungsanträge konnte meinerseits nicht im gebührenden
        Maße erledigt werden, vor allem auch deshalb, weil die
        letzten Änderungsanträge erst 24 Stunden vor der 2. und
        3. Lesung und Abstimmung in meinem Büro vorlagen.
        Eine gründliche Befassung war so nicht möglich.
        Dr. Andreas Lenz (CDU/CSU): Die Arbeit aller
        Menschen gilt es wertzuschätzen. Dies soll sich auch in
        einer dementsprechenden finanziellen Vergütung des je-
        weiligen Beschäftigungsverhältnisses zeigen. Die Tarif-
        vertragsparteien stehen hierzu in Deutschland in der Ver-
        Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 46. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Juli 2014 4313
        (A) (C)
        (D)(B)
        antwortung. Dieses Prinzip hat sich in Deutschland
        bewährt, deshalb sollte prinzipiell auch daran festgehal-
        ten werden. Es gilt die Tarifautonomie dementsprechend
        zu stärken. Jeder Mensch in Vollzeitbeschäftigung soll
        auch von seiner Arbeit leben können. Besonders im Be-
        reich der einfachen Tätigkeiten sind die Tarifvertrags-
        parteien oftmals nicht in der Lage, Arbeitnehmerinnen
        und Arbeitnehmer vor unangemessen niedrigen Löhnen
        zu schützen. Es ist notwendig, von staatlicher Seite
        Sorge zu tragen, dass dieser Schutz vor unangemessen
        niedrigen Löhnen auch gewährleistet wird. Dieses Ziel,
        das durch das Gesetz zur Stärkung der Tarifautonomie
        verfolgt wird, ist zu begrüßen.
        Allerdings ist es auch notwendig, dass die oft komple-
        xen Lebensrealitäten in einem solchen Gesetz auch dem-
        entsprechend abgebildet werden. Es ist deshalb zu be-
        grüßen, dass durch das Hinwirken der Unionsfraktion
        zahlreiche Ausnahmen in den Gesetzentwurf aufgenom-
        men wurden. Diese spiegeln die Lebenswirklichkeiten
        im Bereich der Saisonarbeitskräfte und im Bereich der
        Praktikaregelungen zumindest teilweise wider.
        Die Regelungen hinsichtlich der Praktika für Studie-
        rende sind dahingehend bedenklich, dass ein Praktikum
        auch zum Erwerb von Erfahrungen, Einblicken und
        Kompetenzen dient. Die Erwerbstätigkeit steht hier nicht
        zwangsläufig im Vordergrund. Dies sollte dementspre-
        chend in der gesetzlichen Regelung berücksichtigt wer-
        den. Die Ausnahmeregelungen für Pflichtpraktika mit
        einer Begrenzung auf drei Monate sind dementspre-
        chend zu gering. Gerade im Bereich der geisteswissen-
        schaftlichen Studiengänge wird dies dazu führen, dass
        Einblicke in die Praxis weniger häufig wahrgenommen
        werden können. Hinzu kommt, dass die Notwendigkeit,
        Pflichtpraktika in den Studienordnungen der Hochschu-
        len zu verankern, zu weniger Flexibilität und tendenziell
        zu längeren Studienzeiten führen kann.
        Ebenso ist die Altersgrenze von 18 Jahren zu niedrig
        angesetzt, um gerade für junge Menschen einen Anreiz
        zu setzen, eine Ausbildung einer Hilfsarbeitertätigkeit
        vorzuziehen.
        Ich halte es für bedenklich, dass durch die Überprü-
        fung der neuen Regelungen im Mindestlohnbereich zu-
        sätzlich 1 600 Mitarbeiter bei der Zollverwaltung einge-
        stellt werden sollen. Das entspricht einer zusätzlichen
        Belastung von circa 80 Millionen Euro.
        Es muss bei der Umsetzung dieses Vorhabens darauf
        geachtet werden, dass Unternehmer nicht in General-
        verdacht gestellt werden und sich der Erfüllungsaufwand
        in Grenzen hält.
        Auch im Bereich der Saisonarbeitskräfte wurden
        durch die Haftungsneuregelung, durch die Höchstaufent-
        haltsdauer in Höhe von 70 Tagen und die Abzugsfähig-
        keit von Verpflegung und Unterbringung richtig Akzente
        gesetzt. Im Bereich der Saisonarbeitskräfte ist der Tat-
        bestand, Menschen vor unangemessen niedrigen Löhnen
        schützen zu müssen, jedoch nicht in der Art gegeben wie
        für Inländer. Die Löhne, die während der Zeit der
        Saisonarbeit in Deutschland bezahlt werden, sind ent-
        sprechend im Herkunftsland auch wesentlich mehr wert,
        die Kaufkraft, die durch die Erwerbstätigkeit entsteht, im
        Herkunftsland entsprechend höher.
        Dr. Carsten Linnemann (CDU/CSU): Der flächen-
        deckende Mindestlohn mit einer politisch gesetzten Ein-
        stiegshöhe stellt einen erheblichen staatlichen Eingriff in
        die Ökonomie des Arbeitsmarktes dar. Insbesondere die
        Tatsache, dass der erste Mindestlohn vom Parlament und
        nicht von den Tarifpartnern festgelegt wird, kommt
        einem Systembruch gleich. Es ist offenkundig, dass eine
        Lohnuntergrenze, die von den Tarifpartnern ausgehan-
        delt wird und regionale sowie branchenspezifische Un-
        terschiede aufgreift, die Wettbewerbsfähigkeit Deutsch-
        lands weniger stark herausgefordert hätte.
        Insofern begrüße ich ausdrücklich die im parlamenta-
        rischen Verfahren eingebrachten Veränderungen. Insbe-
        sondere die ausgehandelte Stärkung der Mindestlohn-
        kommission durch eine laufende Evaluation der
        Beschäftigungswirkungen auf bestimmte Branchen und
        Regionen ist ein wichtiger Schritt, um dem Namen des
        Gesetzes – Tarifautonomiestärkungsgesetz – wenigstens
        ansatzweise gerecht zu werden. Neben den nachträglich
        erreichten Verbesserungen in den Bereichen Bürokratie-
        und Erfüllungsaufwand für den Mittelstand in Deutsch-
        land ist dies einer der wesentlichen Punkte, die mir heute
        eine Zustimmung trotz weiterer Bedenken zum Gesetz
        möglich machen.
        Yvonne Magwas (CDU/CSU): Ich stimme dem Ge-
        setz zur Stärkung der Tarifautonomie und damit dem
        Mindestlohn zu, denn für mich gilt der Grundsatz „Gutes
        Geld für gute Arbeit“. Ich sehe jedoch die Gefahr, dass
        einige wenige Branchen, wie zum Beispiel die Textil-
        und Bekleidungsindustrie sowie einige Bereiche des
        Handels, den Mindestlohn von 8,50 Euro aufgrund der
        Weltmarktsituation und der besonderen Situation vor Ort
        nicht zahlen können.
        Nach Informationen, die mir von sehr vielen Unter-
        nehmen aus meiner Heimat, dem Vogtland, zugegangen
        sind, stehen mit der Einführung des flächendeckenden
        gesetzlichen Mindestlohns Arbeitsplätze auf dem Spiel,
        da sich die betroffenen Unternehmen hauptsächlich in
        direkter Konkurrenz zu asiatischen Herstellern behaup-
        ten müssen. Die noch in Deutschland produzierenden
        Textil- und Bekleidungsunternehmen und bestimmte Be-
        reiche des Handels geben oftmals gerade den Menschen
        Arbeit, die aufgrund ihres Alters oder ihres Wohnortes
        keine andere Beschäftigung finden. Dazu kommt, dass in
        einigen Fällen selbst die Inhaber ein Einkommen unter-
        halb der Mindestlohngrenze erzielen.
        Ich erwartete, dass für diese oft über Generationen
        hinweg familiengeführten Unternehmen in struktur-
        schwachen Regionen der Übergang zum Mindestlohn im
        Zeitraum vom 1. Januar 2015 bis zum 31. Dezember
        2016 abgefedert wird. Dafür sollte die auf den genannten
        Zeitraum befristete Ausnahmeregelung der Beschäftig-
        ten, die unter das Arbeitnehmer-Entsendegesetz fallen,
        auch auf die Textil- und Bekleidungsindustrie und be-
        stimmte Bereiche des Handels Anwendung finden. Die-
        ses Vorgehen gäbe den Unternehmen die Chance, den
        4314 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 46. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Juli 2014
        (A) (C)
        (D)(B)
        Mindestlohn wenigstens schrittweise bis zum 1. Januar
        2017 einzuführen und in der gewonnen Zeit die Unter-
        nehmen neu aufzustellen.
        Bei grundsätzlicher Zustimmung zum Mindestlohn
        scheint es mir nicht ausgeschlossen, dass das Gesetz in
        der vorliegenden Form zu Betriebsschließungen führt
        und weitere negativen Auswirkungen für die Menschen
        gerade in ländlichen Räumen wie meiner vogtländischen
        Heimat verursacht.
        Maria Michalk (CDU/CSU): Der Koalitionsvertrag
        als Handlungsgrundlage für die politische Arbeit in die-
        ser Wahlperiode ist für mich bindend. Gleichwohl habe
        ich Sorge, dass der flächendeckende Mindestlohn vor al-
        lem in Ostdeutschland Arbeitsplätze gefährdet.
        Grundsätzlich will auch ich Rahmenbedingungen, die
        Beschäftigten auskömmliche Löhne für ihre Arbeit si-
        chern. Die Praxis mancher Unternehmen, von vornhe-
        rein mit Lohnkostenzuschüssen und Aufstockerleistun-
        gen zu rechnen, ist gerade in Zeiten eines drohenden
        Fachkräftemangels nicht länger hinnehmbar.
        Ich werde dem Tarifautonomiestärkungsgesetz zu-
        stimmen. Meine Bedenken habe ich an vielen Stellen der
        parlamentarischen Arbeit angemerkt. So sind im Ver-
        gleich zum Gesetzentwurf jetzt erhebliche Klarstellun-
        gen erreicht worden.
        Mir ist wichtig, dass die staatliche Festlegung des
        Mindestlohns nur einmal am Anfang mit diesem Gesetz
        geschieht und dann die neu einzusetzende Kommission
        die Tarifautonomie der Arbeitgeber- und Arbeitnehmer-
        vertretung entsprechend den wirtschaftlichen Erforder-
        nissen in unserem Land vollzieht. Die geringe Tarifbin-
        dung in Ostdeutschland ist historisch keine Folge von
        fehlenden Mindestlöhnen, sondern entwickelte sich aus
        Sorge um den Erhalt der Arbeitsplätze. Das muss be-
        rücksichtigt werden. Deshalb ist die Evaluation von An-
        fang an wichtig, um im Gesetz mögliche Korrekturen
        einzuleiten.
        Dietrich Monstadt (CDU/CSU): Ich stimme dem
        Gesetz zur Stärkung der Tarifautonomie, allerdings nur
        unter erheblichen Bedenken, zu. Ich begrüße sehr, dass
        viele Beschäftigte von der Einführung des flächende-
        ckenden gesetzlichen Mindestlohns profitieren werden.
        Sie haben diesen hart erarbeiteten Lohnzuwachs in vol-
        lem Maße verdient. Ich sehe jedoch die Gefahr, dass die
        Einführung des flächendeckenden gesetzlichen Mindest-
        lohns zu massiven Arbeitsplatzverlusten in Ostdeutsch-
        land führen könnte.
        Nach Informationen, die mir von sehr vielen ostdeut-
        schen Unternehmen zugegangen sind, stehen mit der
        Einführung des flächendeckenden gesetzlichen Mindest-
        lohns Arbeitsplätze, Wachstum und Wohlstand in weiten
        Teilen Ostdeutschlands auf dem Spiel. Nach wie vor be-
        stehen erhebliche strukturelle ökonomische Unter-
        schiede zwischen Ost- und Westdeutschland. Produktion
        und Einkommen je Einwohner und je Beschäftigtem
        sind in den ostdeutschen Ländern deutlich niedriger. Die
        Arbeitslosenquote ist deutlich höher als in den westdeut-
        schen Ländern. In Ostdeutschland sind 22,4 Prozent der
        abhängig Beschäftigten von der Mindestlohnregelung
        betroffen, in Westdeutschland hingegen nur 10,7 Pro-
        zent. Es scheint mir nicht ausgeschlossen, dass sich in-
        folge der Einführung von Mindestlöhnen auch im über
        dem Mindestlohn liegenden Lohnbereich starke Steige-
        rungen ergeben könnten, die neben dem Mindestlohn an
        sich zu Arbeitsplatzverlusten führen könnten.
        Andererseits erkenne ich an, dass einigen meiner For-
        derungen zur Ausgestaltung des Mindestlohns in den
        Verhandlungen Rechnung getragen wurde, wie zum Bei-
        spiel: rechtzeitige Evaluation zu den Auswirkungen des
        Gesetzes auf den deutschen Arbeitsmarkt, keine unver-
        hältnismäßige Haftung aller Arbeitgeber für alle beauf-
        tragten Dienstleistungsunternehmen und Werkunter-
        nehmer sowie deren Subunternehmer, Ausnahme vom
        Mindestlohn für Praktika von bis zu drei Monaten und
        für Langzeitarbeitslose, Erhalt der Möglichkeit zur Ver-
        einbarung von Arbeitszeitkonten.
        Folgende meiner Forderungen konnten leider nicht
        umgesetzt werden:
        Keine Verdrängung bestehender Tarifverträge – Si-
        cherstellung der Weitergeltung auch außerhalb des Ar-
        beitnehmer-Entsendegesetzes; ich erwartete bei der Min-
        destlohnregelung, dass bislang gültige Haustarifverträge
        als Tarifverträge repräsentativer Tarifpartner auf Bran-
        chenebene im Sinne des Koalitionsvertrages anerkannt
        werden und bis zum 31. Dezember 2016 gültig bleiben.
        Altersstaffelung – Keinen Fehlanreiz für Jugendliche
        setzen; ich forderte, dass die Bereitschaft junger Men-
        schen mit Vermittlungshemmnissen, eine Berufsausbil-
        dung aufzunehmen, nicht konterkariert werden darf, in-
        dem der Anreiz geschaffen wird, ein vermeintlich
        attraktiveres Arbeitsverhältnis zu Mindestlohnbedingun-
        gen aufzunehmen. Daher sollten Arbeitsverhältnisse mit
        jungen Menschen zumindest bis zur Vollendung ihres
        25. Lebensjahres wie in anderen EU-Ländern nicht vom
        Mindestlohn erfasst werden.
        Keine gesetzliche Klarstellung bei Stücklohnverein-
        barungen; ich forderte eine gesetzliche Klarstellung,
        dass Stücklohnkostenvereinbarungen weiter in den Fäl-
        len möglich sind, in denen der am Monatsende ausge-
        zahlte Lohn bei einer „Normalleistung“ des Arbeitneh-
        mers den gesetzlich vorgegebenen Mindestlohn erreicht;
        die Nicht-Klarstellung dieses Sachverhaltes kann zu
        Fehlanreizen führen, die im Gegensatz zum Grundsatz
        einer leistungsorientierten Vergütung stehen.
        Keine Einschränkung der Dokumentationspflichten;
        ich forderte die Einschränkung der im Gesetzentwurf
        enthaltenen umfassenden Dokumentationspflichten, die
        unnötige Bürokratie verursachen würden. Darunter lei-
        den kleine und mittelständische Unternehmen beson-
        ders, insbesondere, weil die Dokumentationspflichten
        nicht nur den Mindestlohn, sondern alle Lohngruppen
        umfassen. Gleiches gilt für die umfassenden Aufzeich-
        nungspflichten für geringfügig Beschäftigte.
        Ob die Neuregelung für eine Allgemeinverbindlicher-
        klärung von Tarifverträgen ein taugliches Mittel ist,
        muss sich in der Praxis noch zeigen.
        Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 46. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Juli 2014 4315
        (A) (C)
        (D)(B)
        Hinzu kommt, dass auch das von CDU-Seite in die
        Koalitionsverhandlungen hineinverhandelte Moratorium,
        das eine Abweichung und Heranführung an den gesetzli-
        chen Mindestlohn bis zum 31. Dezember 2016 vorsieht,
        Bedingungen enthält, die es weitestgehend zur Makula-
        tur machen. Ferner ist zu bezweifeln, ob dieser massive
        staatliche Eingriff in die bisherige Form der Tarifautono-
        mie tatsächlich langfristig die Tarifautonomie stärkt, wie
        das der Gesetzestitel verheißt. Die geringe Tarifbindung
        in Ostdeutschland war historisch keine Folge von fehlen-
        den Mindestlöhnen, sondern entwickelte sich aus der
        Sorge um den Erhalt des eigenen Arbeitsplatzes ange-
        sichts von Lohnentwicklungen, die die Produktivität der
        Arbeitnehmer überforderten.
        Trotz dieser offenen Fragen halte ich das Gesetz für
        vertretbar, solange keine negativen Effekte auf dem Ar-
        beitsmarkt erkennbar sind. Sollten sich diese aber auf-
        grund der Evaluierung des Gesetzes durch die Bundes-
        regierung zeigen, erwarte ich sofortiges Handeln.
        Martin Patzelt (CDU/CSU): Ich stehe zum Koali-
        tionsvertrag und stimme dem Gesetz zur Stärkung der
        Tarifautonomie, allerdings nur unter erheblichen Beden-
        ken, zu. Ich gönne den Beschäftigten, die von der Ein-
        führung des flächendeckenden gesetzlichen Mindest-
        lohns profitieren werden, diesen hart erarbeiteten
        Lohnzuwachs in vollem Maße. Ich sehe jedoch die Ge-
        fahr, dass die Einführung des flächendeckenden gesetzli-
        chen Mindestlohns zu massiven Arbeitsplatzverlusten in
        Ostdeutschland führen könnte.
        Nach Informationen, die mir von sehr vielen ostdeut-
        schen Unternehmen zugegangen sind, stehen mit der
        Einführung des flächendeckenden gesetzlichen Mindest-
        lohns Arbeitsplätze, Wachstum und Wohlstand in weiten
        Teilen Ostdeutschlands auf dem Spiel. Nach wie vor be-
        stehen erhebliche strukturelle ökonomische Unter-
        schiede zwischen Ost- und Westdeutschland. Produktion
        und Einkommen je Einwohner und je Beschäftigtem
        sind in den ostdeutschen Ländern deutlich niedriger. Die
        Arbeitslosenquote ist deutlich höher als in den westdeut-
        schen Ländern. In Ostdeutschland sind 22,4 Prozent der
        abhängig Beschäftigten von der Mindestlohnregelung
        betroffen, in Westdeutschland hingegen nur 10,7 Pro-
        zent. Es scheint mir nicht ausgeschlossen, dass sich in-
        folge der Einführung von Mindestlöhnen auch im über
        dem Mindestlohn liegenden Lohnbereich starke Steige-
        rungen ergeben könnten, die neben dem Mindestlohn an
        sich zu Arbeitsplatzverlusten führen könnten.
        Dennoch bin ich zufrieden, dass einigen unserer For-
        derungen zur Ausgestaltung des Mindestlohns in den
        Verhandlungen Rechnung getragen wurde, wie zum Bei-
        spiel: rechtzeitige Evaluation zu den Auswirkungen des
        Gesetzes auf den deutschen Arbeitsmarkt, keine unver-
        hältnismäßige Haftung aller Arbeitgeber für alle beauf-
        tragten Dienstleistungsunternehmen und Werkunter-
        nehmer sowie deren Subunternehmer, Ausnahme vom
        Mindestlohn für Praktika von bis zu drei Monaten und
        für Langzeitarbeitslose.
        Folgende unserer Forderungen konnten leider nicht
        umgesetzt werden:
        Keine Verdrängung bestehender Tarifverträge – Si-
        cherstellung der Weitergeltung auch außerhalb des Ar-
        beitnehmer-Entsendegesetzes; wir erwarteten bei der
        Mindestlohnregelung, dass bislang gültige Haustarifver-
        träge als Tarifverträge repräsentativer Tarifpartner auf
        Branchenebene im Sinne des Koalitionsvertrages aner-
        kannt werden und bis zum 31. Dezember 2016 gültig
        bleiben.
        Altersstaffelung – Keinen Fehlanreiz für Jugendliche
        setzen; die Bereitschaft junger Menschen mit Vermitt-
        lungshemmnissen, eine Berufsausbildung aufzunehmen,
        darf nicht konterkariert werden, indem der Anreiz ge-
        schaffen wird, ein vermeintlich attraktiveres Arbeitsver-
        hältnis zu Mindestlohnbedingungen aufzunehmen; daher
        sollten Arbeitsverhältnisse mit jungen Menschen zumin-
        dest bis zur Vollendung ihres 25. Lebensjahres wie in an-
        deren EU-Ländern nicht vom Mindestlohn erfasst wer-
        den.
        Ob die Neuregelung für eine Allgemeinverbindlich-
        erklärung von Tarifverträgen ein taugliches Mittel ist,
        muss sich in der Praxis noch zeigen.
        Hinzu kommt, dass auch das von unserer Seite in den
        Koalitionsverhandlungen hineinverhandelte Morato-
        rium, das eine Abweichung und Heranführung an den
        gesetzlichen Mindestlohn bis zum 31. Dezember 2016
        vorsieht, Bedingungen enthält, die es weitestgehend zur
        Makulatur machen. Ferner ist zu bezweifeln, ob dieser
        massive staatliche Eingriff in die bisherige Form der Ta-
        rifautonomie tatsächlich langfristig die Tarifautonomie
        stärkt, wie das der Gesetzestitel verheißt. Die geringe
        Tarifbindung in Ostdeutschland war historisch keine
        Folge von fehlenden Mindestlöhnen, sondern entwi-
        ckelte sich aus der Sorge um den Erhalt des eigenen Ar-
        beitsplatzes angesichts von Lohnentwicklungen, die die
        Produktivität der Arbeitnehmer überforderten.
        Trotz dieser offenen Fragen halte ich das Gesetz für
        vertretbar, solange keine negativen Effekte auf dem Ar-
        beitsmarkt erkennbar sind. Sollten sich diese aber auf-
        grund der Evaluierung des Gesetzes durch die Bundes-
        regierung zeigen, erwarte ich sofortiges Handeln.
        Jana Schimke (CDU/CSU): Als Abgeordnete aus
        den neuen Bundesländern stehen die Schaffung und
        Sicherung von Arbeitsplätzen sowie gute Löhne und
        Gehälter im Mittelpunkt meiner Arbeit. Doch was aus-
        gegeben wird, muss auch erwirtschaftet werden. Wir
        wissen, dass der Osten über eine unterschiedliche Bran-
        chen- und Lohnstruktur verfügt, die das, was politisch
        wünschenswert ist, nicht immer leisten kann. So ent-
        spricht der Mindestlohn in den alten Ländern rund
        54 Prozent des Medianlohns, was auch im internationa-
        len Vergleich ein üblicher Wert ist. In den neuen Ländern
        hingegen beträgt er 71 Prozent des Medianlohns. Schon
        heute ist damit absehbar, dass ein flächendeckender
        Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde ab dem 1. Januar
        2015 im Osten Arbeitsplätze kosten wird.
        Die britischen Erfahrungen bei der Einführung des
        Mindestlohns haben mich nochmals darin bestärkt, dass
        das deutsche Mindestlohngesetz über drei entscheidende
        Konstruktionsfehler verfügt: Zunächst galt bei der Ein-
        4316 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 46. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Juli 2014
        (A) (C)
        (D)(B)
        führung des Mindestlohns in England die Prämisse, dass
        keine Arbeitsplätze verloren gehen. Diese Bedingung
        zog sich durch alle Entscheidungen, die den Mindest-
        lohn in England betrafen. In Deutschland hingegen wird
        der Verlust von Arbeitsplätzen jedoch in Kauf genom-
        men, sollten Unternehmen die steigenden Kosten nicht
        schultern können. Das ist nicht mein Verständnis einer
        vernünftigen und weitsichtigen Politik. Weiterhin wurde
        bereits der erstmalige Mindestlohn in England durch die
        Low Pay Commission auf einem zunächst niedrigen
        Niveau festgelegt und damit behutsam eingeführt. In
        Deutschland hingegen wurde der Mindestlohn politisch
        festgelegt und damit ohne Berücksichtigung regionaler
        und gesamtwirtschaftlicher Bedingungen. Schließlich
        verfügen in der Low Pay Commission Arbeitgeber,
        Arbeitnehmer und die Wissenschaft über gleiches
        Stimmrecht. Beschlüsse werden einstimmig gefasst. Die
        Wissenschaft als objektive Kontrollinstanz fehlt leider in
        unserer Mindestlohnkommission.
        Mein Anspruch ist es, dass sich die Vielfalt unserer
        Wirtschaft zugunsten von Beschäftigung und zum Wohl
        der Menschen auch in Gesetzen abbildet. Dies kann ich
        beim vorliegenden Gesetzentwurf nicht erkennen. Nach
        gründlicher Abwägung bin ich deshalb zu dem Ent-
        schluss gekommen, dem vorliegenden Gesetzentwurf
        nicht zuzustimmen.
        Tankred Schipanski (CDU/CSU): Ich stehe zum
        Koalitionsvertrag und stimme dem Gesetz zur Stärkung
        der Tarifautonomie, allerdings nur unter Bedenken, zu.
        Das grundsätzliche Ziel, dass jemand, der Vollzeit arbei-
        tet, damit auch ein Einkommen erwirtschaften können
        sollte, das über dem Niveau der Grundsicherung liegt, ist
        richtig. Dies ist letztlich auch eine Frage der Leistungs-
        gerechtigkeit. Der gefundene Kompromiss führt gleich-
        wohl teilweise zu problematischen Effekten. Meine dies-
        bezüglichen Bedenken möchte ich hiermit niederlegen.
        Insbesondere sehe ich die Gefahr, dass die Einfüh-
        rung des flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohns
        zu Arbeitsplatzverlusten in Ostdeutschland führen
        könnte. Nach Informationen, die mir von vielen ostdeut-
        schen Unternehmen zugegangen sind, stehen mit der
        Einführung des flächendeckenden gesetzlichen Mindest-
        lohns Arbeitsplätze, Wachstum und Wohlstand in weiten
        Teilen Ostdeutschlands auf dem Spiel. Nach wie vor be-
        stehen strukturelle ökonomische Unterschiede zwischen
        Ost- und Westdeutschland. Produktion und Einkommen
        je Einwohner und je Beschäftigten sind in den ostdeut-
        schen Ländern deutlich niedriger, und die Arbeitslosen-
        quote ist höher als in den westdeutschen Ländern. In
        Ostdeutschland sind 22,4 Prozent der abhängig Beschäf-
        tigten von der Mindestlohnregelung betroffen, in West-
        deutschland hingegen nur 10,7 Prozent. Es scheint mir
        nicht ausgeschlossen, dass sich infolge der Einführung
        von Mindestlöhnen auch im über dem Mindestlohn lie-
        genden Lohnbereich starke Steigerungen ergeben könn-
        ten, die neben dem Mindestlohn an sich zu Arbeitsplatz-
        verlusten führen könnten.
        Andererseits erkenne ich an, dass einigen meiner For-
        derungen zur Ausgestaltung des Mindestlohns in den
        Verhandlungen Rechnung getragen wurde, wie zum Bei-
        spiel: rechtzeitige Evaluation zu den Auswirkungen des
        Gesetzes auf den deutschen Arbeitsmarkt, keine unver-
        hältnismäßige Haftung aller Arbeitgeber für alle beauf-
        tragten Dienstleistungsunternehmen und Werkunterneh-
        mer sowie deren Subunternehmer, Ausnahme vom
        Mindestlohn für Praktika von bis zu drei Monaten und
        für Langzeitarbeitslose.
        Folgende meiner Forderungen konnten leider nicht
        umgesetzt werden:
        Keine Verdrängung bestehender Tarifverträgesicher-
        stellung der Weitergeltung auch außerhalb des Arbeit-
        nehmer-Entsendegesetzes: Ich erwarte bei der Mindest-
        lohnregelung, dass bislang gültige Haustarifverträge als
        Tarifverträge repräsentativer Tarifpartner auf Branchen-
        ebene im Sinne des Koalitionsvertrages anerkannt wer-
        den und bis zum 31. Dezember 2016 gültig bleiben.
        Altersstaffelung – keinen Fehlanreiz für Jugendliche
        setzen: Ich forderte, dass die Bereitschaft junger Men-
        schen mit Vermittlungshemmnissen, eine Berufsausbil-
        dung aufzunehmen, nicht konterkariert werden darf, in-
        dem der Anreiz geschaffen wird, ein vermeintlich
        attraktiveres Arbeitsverhältnis zu Mindestlohnbedingun-
        gen aufzunehmen. Daher sollten Arbeitsverhältnisse mit
        jungen Menschen zumindest bis zur Vollendung ihres
        25. Lebensjahres oder bis zum Abschluss einer Berufs-
        qualifikation wie in anderen EU-Ländern nicht vom
        Mindestlohn erfasst werden.
        Ob die Neuregelung für eine Allgemeinverbindlich-
        erklärung von Tarifverträgen ein taugliches Mittel ist,
        muss sich in der Praxis noch zeigen.
        Hinzu kommt, dass auch das von CDU-Seite in die
        Koalitionsverhandlungen hineinverhandelte Morato-
        rium, das eine Abweichung und Heranführung an den
        gesetzlichen Mindestlohn bis zum 31. Dezember 2016
        vorsieht, Bedingungen enthält, die es weitestgehend zur
        Makulatur machen. Ferner ist zu bezweifeln, ob dieser
        massive staatliche Eingriff in die bisherige Form der
        Tarifautonomie tatsächlich langfristig die Tarifautono-
        mie stärkt, wie das der Gesetzestitel verheißt. Die ge-
        ringe Tarifbindung in Ostdeutschland war historisch
        keine Folge von fehlenden Mindestlöhnen, sondern ent-
        wickelte sich aus der Sorge um den Erhalt des eigenen
        Arbeitsplatzes angesichts von Lohnentwicklungen, die
        die Produktivität der Arbeitnehmer überforderte.
        Trotz dieser offenen Fragen halte ich das Gesetz für
        vertretbar, solange keine negativen Effekte auf dem
        Arbeitsmarkt erkennbar sind. Sollten sich diese aber auf-
        grund der Evaluierung des Gesetzes durch die Bundesre-
        gierung zeigen, erwarte ich sofortiges Handeln.
        Christel Voßbeck-Kayser (CDU/CSU): Dem von
        der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf eines
        „Gesetzes zur Stärkung der Tarifautonomie“ auf Bun-
        destagsdrucksache 18/1558, über den am Donnerstag,
        dem 3. Juli 2014 abgestimmt werden wird, stimme ich
        zu, möchte aber Folgendes dazu erklären:
        Ich bedaure, dass mit dem vorliegenden Gesetzent-
        wurf ein tiefer Eingriff in eine seit Jahrzehnten gut funk-
        tionierende Tarifpartnerschaft zwischen Arbeitgebern
        und Gewerkschaften stattfindet. Meine Bedenken gelten
        den zu erwartenden Auswirkungen des Gesetzes und
        Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 46. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Juli 2014 4317
        (A) (C)
        (D)(B)
        wurden in zahlreichen Gesprächen in meinem Wahlkreis
        von Unternehmern und Beschäftigten der unterschied-
        lichsten Branchen geteilt.
        Innerhalb der Koalition sind wir uns dessen bewusst,
        dass die Tarifautonomie ein sehr hohes Gut und eines der
        Kernelemente der sozialen Marktwirtschaft ist. Mit der
        Festsetzung des Mindestlohns durch eine Mindestlohn-
        kommission werden die wichtigen Vereinbarungen zwi-
        schen den Tarifpartnern, die branchen- und regionalspe-
        zifische Löhne zum Ergebnis hatten, konterkariert und
        finden nicht mehr statt. Gerade diese Vereinbarungen
        hatten für uns aber erhebliche positive Auswirkungen in
        der Bewältigung der Wirtschaftskrise 2008/2009.
        Mit der Verabschiedung dieses Gesetzes findet eine
        „Operation am offenen Herzen“ der Sozialen Marktwirt-
        schaft statt, die mich sehr nachdenklich stimmt. Ich
        hoffe, dass die Mindestlohnkommission negative Ent-
        wicklungen und Wettbewerbsverzerrungen erkennt und
        diesen mit energischen Nachbesserungen des Gesetzes
        entgegenwirkt.
        Auch die geringe Anzahl von Personen, die die Min-
        destlohnkommission bilden, beunruhigt mich. Denn die
        Befugnisse dieser Personen sind erheblich.
        Die Befürchtungen eines Teiles der CDU/CSU-Bun-
        destagsfraktion für die vom Mindestlohn betroffenen Ar-
        beitnehmer bleiben aus meiner Sicht weiterhin bestehen.
        Michael Groß (SPD): Die Verabschiedung des Ge-
        setzes zur Stärkung der Tarifautonomie ist ein großer
        Schritt für mehr Gerechtigkeit am Arbeitsmarkt. Nach
        einem langen Weg werden sozialdemokratische Grund-
        sätze umgesetzt. Für viele Arbeitnehmerinnen und Ar-
        beitnehmer wird mehr Einkommensgerechtigkeit herge-
        stellt und der Wert der Arbeit besser vergütet. Auch eine
        Gerechtigkeitslücke zwischen Ost und West ist damit ge-
        schlossen. Ab dem 1. Januar wird mit der Umsetzung
        des vorliegenden Gesetzes und der Einführung des Min-
        destlohnes für etwa 3,7 Millionen Menschen das Nied-
        riglohnzeitalter beendet.
        Ich halte einen flächendeckenden gesetzlichen Min-
        destlohn für den richtigen Weg. Dies trifft auch für unter
        18-Jährige zu, genau wie für Langzeitarbeitslose. Bei der
        Einführung des flächendeckenden gesetzlichen Mindest-
        lohns in Höhe von 8,50 Euro je Stunde müssen aus-
        nahmslos alle profitieren.
        Ausnahmen wirken meiner Meinung nach diskrimi-
        nierend und bergen die Gefahr neuer Geschäftsmodelle
        im Niedriglohnsektor. Ausnahmen vom Mindestlohn wi-
        dersprechen der Intention und dem Ziel des Mindest-
        lohns selbst.
        In der Abwägung der Argumente und politischen
        Durchsetzungsfähigkeit werde ich dem von der Bundes-
        regierung vorgelegten Gesetzentwurf zustimmen.
        Anlage 7
        Erklärung nach § 31 GO
        der Abgeordneten Inge Höger und Ulla Jelpke
        (beide DIE LINKE) zur namentlichen Abstim-
        mung über den von der Bundesregierung einge-
        brachten Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung
        der Tarifautonomie (Tarifautonomiestärkungs-
        gesetz) (Tagesordnungspunkt 4 a)
        Echter Mindestlohn statt schwarz-rote Mogelpa-
        ckung: Dem Mindestlohngesetz von Union und SPD
        können wir nicht zustimmen. Die Linke tritt seit ihrer
        Gründung für einen existenzsichernden und flächende-
        ckenden Mindestlohn ein.
        Das, was die Bundesregierung hier vorlegt, ist weder
        existenzsichernd noch flächendeckend. Die Mindestlohn-
        höhe von 8,50 Euro unterschreitet die Armutsgrenze –
        Existenzsicherung sieht anders aus. Etwa jeder sechste
        Deutsche lebt heute am Rande der Armutsgrenze. Die
        8,50 Euro der Koalition schaffen dagegen keine Abhilfe.
        Noch schlimmer ist, dass bestimmte Gruppen noch
        schlechtergestellt werden sollen: Die Ausnahmen für Ta-
        rifgebundene und die willkürlichen Sonderregelungen
        für Minderjährige, Langzeiterwerbslose, Praktikantinnen
        und Praktikanten, Zeitungszustellerinnen und -zusteller
        und Saisonarbeiterinnen und -arbeiter öffnen einer wei-
        teren Unterbezahlung Tor und Tür.
        Wir stehen weiterhin zu den Forderungen des Linke-
        Bundestagswahlprogrammes: Wir brauchen sofort einen
        Mindestlohn für alle in Höhe von 10 Euro. Bis spätes-
        tens 2017 sollte er auf 12 Euro angehoben werden.
        Anlage 8
        Erklärung nach § 31 GO
        der Abgeordneten Ulrike Bahr, Klaus
        Barthel, Dr. Matthias Bartke, Bärbel Bas,
        Dr. Karl-Heinz Brunner, Marco Bülow,
        Dr. Lars Castellucci, Petra Crone, Sabine
        Dittmar, Michael Gerdes, Martin Gerster,
        Michael Groß, Dr. Ute Finckh-Krämer,
        Bettina Hagedorn, Ulrich Hampel, Gabriela
        Heinrich, Gabriele Hiller-Ohm, Frank Junge,
        Josip Juratovic, Ralf Kapschack, Gabriele
        Katzmarek, Cansel Kiziltepe, Daniela Kolbe,
        Steffen-Claudio Lemme, Hiltrud Lotze,
        Kirsten Lühmann, Hilde Mattheis, Klaus
        Mindrup, Markus Paschke, Dr. Simone
        Raatz, Gerold Reichenbach, Andreas Rimkus,
        Annette Sawade, Dr. Dorothee Schlegel,
        Ewald Schurer, Stefan Schwartze, Ursula
        Schulte, Norbert Spinrath, Martina Stamm-
        Fibich, Kerstin Tack, Bernd Westphal,
        Waltraud Wolff (Wolmirstedt) und Gülistan
        Yüksel (alle SPD) zur namentlichen Abstim-
        mung über den von den Abgeordneten Klaus
        Ernst, Susanna Karawanskij, Jutta
        Krellmann, weiteren Abgeordneten und der
        Fraktion DIE LINKE eingebrachten Entwurf
        eines Gesetzes zur Abschaffung der sachgrund-
        losen Befristung (Tagesordnungspunkt 6 b)
        In der letzten Legislaturperiode hat sich die SPD-
        Bundestagsfraktion unter anderem mit dem Antrag
        „Langfristige Perspektive statt sachgrundlose Befris-
        4318 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 46. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Juli 2014
        (A) (C)
        (D)(B)
        tung“ – Drucksache 17/1769 – klar für die Abschaffung
        der sachgrundlosen Befristung ausgesprochen.
        Und auch im SPD-Wahlprogramm zur Bundestags-
        wahl 2013 ist diese Position ebenso klar formuliert wor-
        den: „Die Möglichkeit der sachgrundlosen Befristung
        von Arbeitsverträgen wollen wir abschaffen, den Kata-
        log möglicher Befristungsgründe überprüfen.“ Dafür
        tritt die SPD auch inhaltlich weiterhin ein.
        Es ist bedauerlich, dass in den Koalitionsverhandlun-
        gen mit CDU und CSU keine Abschaffung der sach-
        grundlosen Befristung vereinbart werden konnte und in
        der aktuellen Regierungskoalition daher derzeit leider
        keine parlamentarische Mehrheit dafür vorhanden ist.
        Im Koalitionsvertrag der Großen Koalition von
        CDU/CSU und SPD konnten jedoch viele wichtige und
        lange geforderte Verbesserungen für Arbeitnehmerin-
        nen und Arbeitnehmer vereinbart werden, die für gute
        Arbeit und gegen prekäre Beschäftigung, wozu auch die
        sachgrundlose Befristung zählt, wirken werden. Bei-
        spielsweise der gesetzliche Mindestlohn, die Auswei-
        tung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes auf alle Bran-
        chen – wodurch höhere Branchenmindestlöhne möglich
        sind – sowie die erleichterte Möglichkeit der Allge-
        meinverbindlichkeitserklärung von Tarifverträgen, die
        dann für alle Beschäftigten und Arbeitgeber einer Bran-
        che gelten. Zudem werden Werkverträge und Leiharbeit
        stärker reguliert bzw. wird gegen deren Missbrauch vor-
        gegangen.
        Im Koalitionsvertrag haben sich die Bundestagsfrak-
        tionen von CDU/CSU und SPD auf ein einheitliches Ab-
        stimmungsverhalten im Deutschen Bundestag verstän-
        digt. Daher werden wir dem Gesetzentwurf der Fraktion
        Die Linke nicht zustimmen.
        Die Abschaffung der sachgrundlosen Befristung wird
        aber auch weiterhin unser erklärtes politisches Ziel blei-
        ben, wofür wir uns auch zukünftig einsetzen werden.
        Anlage 9
        Erklärung nach § 31 GO
        der Abgeordneten Kerstin Griese und Dr. Martin
        Rosemann (beide SPD) zur namentlichen Ab-
        stimmung über den von den Abgeordneten
        Klaus Ernst, Susanna Karawanskij, Jutta
        Krellmann, weiteren Abgeordneten und der
        Fraktion Die Linke eingebrachten Entwurf ei-
        nes Gesetzes zur Abschaffung der sachgrundlo-
        sen Befristung (Tagesordnungspunkt 6 b)
        In der letzten Legislaturperiode hat sich die SPD-
        Bundestagsfraktion unter anderem mit dem Antrag
        „Langfristige Perspektive statt sachgrundlose Befris-
        tung“ – Drucksache 17/1769 – für die Abschaffung der
        sachgrundlosen Befristung ausgesprochen.
        Auch im SPD-Wahlprogramm zur Bundestagswahl
        2013 ist diese Position formuliert worden: „Die Mög-
        lichkeit der sachgrundlosen Befristung von Arbeitsver-
        trägen wollen wir abschaffen, den Katalog möglicher
        Befristungsgründe überprüfen.“ Dafür tritt die SPD auch
        inhaltlich weiterhin ein.
        Es ist bedauerlich, dass in den Koalitionsverhandlun-
        gen mit CDU und CSU keine Abschaffung der sach-
        grundlosen Befristung vereinbart werden konnte und in
        der aktuellen Regierungskoalition daher derzeit leider
        keine parlamentarische Mehrheit dafür vorhanden ist.
        Dies ist umso bedauerlicher, als in der öffentlichen An-
        hörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales zum
        Gesetzentwurf der Fraktion Die Linke deutlich wurde,
        dass die 14 möglichen Sachgründe alle von den Arbeit-
        gebern vorgebrachten Gründe für Befristungen abde-
        cken.
        Im Koalitionsvertrag der Großen Koalition von CDU/
        CSU und SPD konnten jedoch viele wichtige und lange
        geforderte Verbesserungen für Arbeitnehmerinnen und
        Arbeitnehmer vereinbart werden, die für gute Arbeit und
        gegen prekäre Beschäftigung wirken werden: beispiels-
        weise der gesetzliche Mindestlohn, die Ausweitung des
        Arbeitnehmer-Entsendegesetzes auf alle Branchen – wo-
        durch höhere Branchenmindestlöhne möglich sind – so-
        wie die erleichterte Möglichkeit der Allgemeinverbind-
        licherklärung von Tarifverträgen, die dann für alle
        Beschäftigten und Arbeitgeber einer Branche gelten. Zu-
        dem werden Werkverträge und Leiharbeit stärker regu-
        liert bzw. wird gegen deren Missbrauch vorgegangen.
        Im Koalitionsvertrag haben sich die Bundestagsfrak-
        tionen von CDU/CSU und SPD auf ein einheitliches Ab-
        stimmungsverhalten im Deutschen Bundestag verstän-
        digt. Daher werden wir dem Gesetzentwurf der Fraktion
        Die Linke nicht zustimmen.
        Anlage 10
        Erklärung nach § 31 GO
        des Abgeordneten Lothar Binding (Heidelberg)
        (SPD) zur namentlichen Abstimmung über den
        von den Abgeordneten Klaus Ernst, Susanna
        Karawanskij, Jutta Krellmann, weiteren Abge-
        ordneten und der Fraktion DIE LINKE einge-
        brachten Entwurf eines Gesetzes zur Abschaffung
        der sachgrundlosen Befristung (Tagesordnungs-
        punkt 6 b)
        In der vergangenen Legislaturperiode hat sich die
        SPD-Bundestagsfraktion unter anderem mit dem Antrag
        „Langfristige Perspektive statt sachgrundlose Befris-
        tung“ – Drucksache 17/1769 – für die Abschaffung der
        sachgrundlosen Befristung ausgesprochen. Und auch im
        SPD-Regierungsprogramm 2013 bis 2017 zur Bundes-
        tagswahl 2013 ist diese Position klar formuliert: „Die
        Möglichkeit der sachgrundlosen Befristung von Arbeits-
        verträgen wollen wir abschaffen, den Katalog möglicher
        Befristungsgründe überprüfen.“ Würde die SPD Frak-
        tion im Bundestag eine Mehrheit haben, wäre dies be-
        reits gesetzlich geregelt.
        In den Koalitionsverhandlungen mit CDU und CSU
        konnte die Abschaffung der sachgrundlosen Befristung
        nicht vereinbart werden, sodass in der aktuellen Regie-
        rungskoalition derzeit keine parlamentarische Mehrheit
        Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 46. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Juli 2014 4319
        (A) (C)
        (D)(B)
        dafür vorhanden ist. Das ist ärgerlich, aber dem Kom-
        promiss in der Koalition geschuldet. Über andere Ziele
        wurde sehr erfolgreich verhandelt: Im Koalitionsvertrag
        der Großen Koalition von CDU/CSU und SPD konnten
        viele wichtige und lange geforderte Verbesserungen für
        Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vereinbart wer-
        den, die für gute Arbeit und gegen prekäre Beschäfti-
        gung, wozu auch die sachgrundlose Befristung zählt, wir-
        ken werden: beispielsweise der gesetzliche Mindestlohn,
        die Ausweitung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes auf
        alle Branchen – wodurch höhere Branchenmindestlöhne
        möglich sind – sowie die erleichterte Möglichkeit der All-
        gemeinverbindlichkeitserklärung von Tarifverträgen, die
        dann für alle Beschäftigten und Arbeitgeber einer Bran-
        che gelten. Zudem werden Werkverträge und Leiharbeit
        stärker reguliert bzw. gegen deren Missbrauch vorgegan-
        gen. Das sind große Erfolge – und so wie ich von der
        CDU/CSU-Fraktion erwarte, dass für sie schwierige
        Punkte aus dem Koalitionsvertrag mitgetragen werden,
        werde ich auch den Gesetzentwurf der Fraktion Die
        Linke „Entwurf eines Gesetzes zur Abschaffung der
        sachgrundlosen Befristung“ ablehnen. Und die Linke
        verhält sich in Koalitionen ebenso – andernfalls würde
        die Linke einen Vertragsbruch an den anderen reihen.
        Und da die Fraktion Die Linke diesen Sachverhalt kennt,
        ist es ein durchschaubares Manöver, mich in die Position
        zu drängen, anders abstimmen zu müssen, als ich es bei
        entsprechenden Mehrheiten tun würde.
        Im Koalitionsvertrag haben sich die Bundestagsfrak-
        tionen von CDU/CSU und SPD darauf verständigt, dem
        Gesetzentwurf der Fraktion Die Linken nicht zuzustim-
        men.
        Die Abschaffung der sachgrundlosen Befristung wird
        gleichwohl auch weiterhin eines meiner politischen
        Ziele bleiben.
        Anlage 11
        Erklärung nach § 31 GO
        der Abgeordneten Dr. Petra Sitte (DIE LINKE)
        zur Abstimmung über die dritte Beschlussemp-
        fehlung des Wahlprüfungsausschusses zu Ein-
        sprüchen gegen die Gültigkeit der Wahl zum
        18. Deutschen Bundestag am 22. September
        2013 (Tagesordnungspunkt 33 k)
        Ich stimme der Beschlussempfehlung des Wahlprü-
        fungsausschusses zu, die aus den Anlagen ersichtlichen
        Beschlussempfehlungen zu den Wahleinsprüchen anzu-
        nehmen und damit alle betroffenen Wahleinsprüche zu-
        rückzuweisen. Ich stimme dem hier im Plenum zu, habe
        mich im Wahlprüfungsausschuss als Vertreterin der
        Fraktion Die Linke jedoch bei den Abstimmungen über
        die Zurückweisung derjenigen Wahleinsprüche, die sich
        allein gegen die 5-Prozent-Sperrklausel bei der Bundes-
        tagswahl richten, enthalten.
        Mein Abstimmungsverhalten begründe ich wie folgt:
        Die 5-Prozent-Sperrklausel bei der Bundestagswahl be-
        gegnet meines Erachtens nicht nur verfassungspoliti-
        schen, sondern auch verfassungsrechtlichen Bedenken.
        Sie ist unter den gegenwärtigen Verhältnissen in der
        Bundesrepublik nicht haltbar. Wie das Bundesverfas-
        sungsgericht über die 5-Prozent-Sperrklausel zukünftig
        entscheidet, können wir nicht genau wissen. Es hat zwar
        zuletzt in der Entscheidung über die Verfassungswidrig-
        keit der 3-Prozent-Hürde bei der Europawahl an seiner
        ständigen Rechtsprechung zu den Sperrklauseln festge-
        halten. Aber es hatte die Frage der Sperrklausel für die
        Bundestagswahl gar nicht zu entscheiden.
        Die Auffassung des Wahlprüfungsausschusses, dass
        die 5-Prozent-Sperrklausel bei der Bundestagswahl ver-
        fassungsrechtlich nicht zu beanstanden sei, teile ich
        nicht. Um dies zu verdeutlichen, habe ich mich dort ent-
        halten.
        Aus meiner Sicht ist es ohnehin schon gar nicht erfor-
        derlich, Parteien von der Sitzverteilung im Bundestag
        auszuschließen, um dessen Aufgabenerfüllung, also die
        Fähigkeit zur Regierungsbildung und seine Funktionsfä-
        higkeit als Gesetzgeber, zu sichern. Demokratie setzt
        doch das Aufeinandertreffen verschiedener Positionen
        und das Finden von Kompromissen gerade voraus. Wa-
        rum dies allein deshalb nicht möglich sein soll, wenn so-
        genannte Splitterparteien einziehen, ist schon theoretisch
        für mich nicht nachvollziehbar. Aber auch rein tatsäch-
        lich sind von der Sperrklausel aufgrund deren Höhe ja
        auch Parteien mit beachtlicher Größe – 4,8 und 4,7 Pro-
        zent der Zweitstimmen bei der Bundestagswahl 2013 –
        betroffen. Würde der Einzug solcher Parteien eine Funk-
        tionsunfähigkeit des Parlaments bewirken? Der Akt der
        Wahl ist der wichtigste Integrationsvorgang in der De-
        mokratie. Dies ist aus meiner Sicht gefährdet, wenn über
        15 Prozent der Stimmen der Wahlbevölkerung sich nicht
        im Parlament wiederfinden. Das lässt an der Verhältnis-
        mäßigkeit der Sperrklausel zweifeln. Es sind mittler-
        weile Zweitstimmen in einer Größenordnung betroffen,
        die einen ganz erheblichen Eingriff in die Wahlrechts-
        gleichheit und die Chancengleichheit der Parteien be-
        deuten. Und dass dies das Bundesverfassungsgericht
        nicht in die Abwägung einstellt, halte ich nicht für sehr
        wahrscheinlich. Damit abzuwägen ist die Sicherung der
        Funktionsfähigkeit des Parlaments, die angeblich durch
        die Sperrklausel erfolgt.
        Die Sperrklausel führt dazu, dass gewichtige Anlie-
        gen der Bevölkerung von der Volksvertretung ausge-
        schlossen werden. Das schadet der Demokratie. Zu be-
        denken ist auch der – allerdings vom Gesetzgeber bisher
        erwünschte – Effekt, dass Wählerinnen und Wähler den
        kleinen und vor allem neuen Parteien ihre Stimme
        deshalb nicht geben, weil sie um deren Überwindung der
        5-Prozent-Klausel fürchten (müssen). Das erschwert ins-
        besondere neuen Parteien den Einzug in den Bundestag.
        Eine gewisse Hürde, in den Bundestag zu kommen, liegt
        doch ohnehin schließlich in der „natürlichen“ Sperrklau-
        sel, die darin liegt, dass die jeweils notwendige Anzahl
        von Stimmen für einen Bundestagssitz zu erringen ist.
        Zu berücksichtigen ist außerdem, dass es sich bei der
        Sperrklausel auch um eine Gesetzgebung in eigener Sa-
        che handelt; das Bundesverfassungsgericht berücksich-
        tigt auch diesen Umstand. Die aufgezählten Gründe
        sprechen dagegen, dass die Sperrklausel verfassungs-
        4320 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 46. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Juli 2014
        (A) (C)
        (D)(B)
        rechtlich wirklich unbedenklich ist, wie es vom Wahl-
        prüfungsausschuss dargestellt wird.
        Im Ergebnis ist es aber dennoch vertretbar, wenn der
        Bundestag die Wahleinsprüche zurückweist, da die ein-
        fachgesetzlichen Wahlvorschriften ordnungsgemäß und
        nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfas-
        sungsgerichts auch verfassungsgemäß angewendet wor-
        den sind.
        Damit wird im Ergebnis die Prüfung der Verfassungs-
        mäßigkeit der Sperrklausel im geltenden Wahlrecht
        – wie in ständiger Praxis im Rahmen der Wahlprüfung
        üblich – dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten.
        Für die Änderung der Rechtslage ist der Bundestag in
        seiner Eigenschaft als Gesetzgeber, nicht im Rahmen der
        Wahlprüfung gefragt.
        Festzuhalten ist: Jenseits der Wahlprüfung kann der
        Bundestag als Gesetzgeber seine Verantwortung für ver-
        fassungskonforme Gesetze nicht zurückweisen. Der
        Bundestag muss daher – wie es die Fraktion Die Linke
        zuletzt in der 17.Wahlperiode (Bundestagsdrucksache
        17/5896) mit vielen überzeugenden historischen, syste-
        matischen und demokratietheoretischen Gründen gefor-
        dert hat – die Sperrklausel im Wahlrecht abschaffen. Das
        stärkt die Demokratie.
        Anlage 12
        Erklärung nach § 31 GO
        der Abgeordneten Ulrike Bahr, Marco Bülow,
        Petra Crone, Dr. Daniela De Ridder,
        Dr. Karamba Diaby, Petra Ernstberger, Saskia
        Esken, Elke Ferner, Christian Flisek, Kerstin
        Griese, Gabriele Groneberg, Josip Juratovic,
        Christina Kampmann, Steffen-Claudio Lemme,
        Caren Marks, Katja Mast, Klaus Mindrup, Ulli
        Nissen, Dr. Simone Raatz, Andreas Rimkus,
        Sönke Rix, Johann Saathoff, Dagmar Schmidt
        (Wetzlar), Ursula Schulte, Svenja Stadler, Sonja
        Steffen und Gülistan Yüksel (alle SPD) zur na-
        mentlichen Abstimmung über den von der Bun-
        desregierung eingebrachten Entwurf eines
        Gesetzes zur Einstufung weiterer Staaten als si-
        chere Herkunftsstaaten und zur Erleichterung
        des Arbeitsmarktzugangs für Asylbewerber
        und geduldete Ausländer (Zusatztagesord-
        nungspunkt 6 a)
        Mit diesem Gesetz sollen zwei verschiedene Punkte
        geregelt werden. Wir begrüßen ausdrücklich, dass mit
        der Erlaubnis zur Arbeitsaufnahme für Asylbewerberin-
        nen und Asylbewerber und für geduldete Ausländerin-
        nen und Ausländer nach drei Monaten Aufenthalt in
        Deutschland der Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtert
        wird. Damit wird den Menschen, die nach Deutschland
        geflohen sind, ermöglicht, ihren Lebensunterhalt zu ver-
        dienen und durch Erwerbsarbeit ihre Integration zu er-
        leichtern.
        Den zweiten in diesem Gesetz vorgeschlagenen
        Punkt, die Einstufung von Bosnien-Herzegowina, Ser-
        bien und Mazedonien als sichere Herkunftsstaaten, se-
        hen wir problematisch. Zum einen halten wir es ange-
        sichts der Erfahrungen besonders der Gruppe der Roma
        in diesen Ländern für nicht gesichert, dass sie dort nicht
        weiter Diskriminierung, sogar Verfolgung und Gewalt
        ausgesetzt sind. Für die Roma in diesen Ländern, aber
        auch in den südosteuropäischen EU-Mitgliedstaaten,
        muss endlich eine nachhaltige und langfristig wirksame
        Möglichkeit gefunden werden, dass Vorurteile, Ausgren-
        zung und Diskriminierung überwunden werden, dass sie
        Zugang zu Bildung, Wohnen, Gesundheitsleistungen
        und Erwerbsarbeit erhalten und dass ihre Fluchtursachen
        in den Herkunftsländern wirksam bekämpft werden. So-
        lange das nicht der Fall ist, bleibt der Wunsch von Fami-
        lien bestehen, aus bitterer Armut und Not nach Deutsch-
        land zu fliehen.
        Wir haben außerdem aus grundsätzlichen Gründen
        Probleme mit der Ausweitung des Systems sicherer Her-
        kunftsstaaten. Das Recht auf Asyl ist ein individuelles
        Recht, das eine Einzelfallprüfung zwingend verlangt.
        Dieses Recht sollte unseres Erachtens nicht einge-
        schränkt werden. Auch wenn die Anerkennungsquote
        von Flüchtlingen aus den im Gesetz genannten Ländern
        sehr gering ist, verdient jeder Einzelfall Beachtung. Wir
        sind besorgt, dass mit der Ausweitung der Liste der si-
        cheren Herkunftsstaaten eine falsche Richtung einge-
        schlagen wird. Stattdessen brauchen wir eine europäi-
        sche Flüchtlingspolitik, die legale Einwanderung
        ermöglicht und die die Flüchtlinge innerhalb Europas
        verteilt. Die Erfahrung zeigt, dass unser Land von Zu-
        wanderung profitiert und dass die weitaus größte Zahl
        der Zuwandernden in Deutschland Arbeit findet.
        In dieser Diskussion muss darauf hingewiesen werden,
        dass Deutschland zwar in absoluten Zahlen die meisten
        Flüchtlinge in Europa aufnimmt, im Vergleich zur Bevöl-
        kerungszahl kommen aber mehr Flüchtlinge in die EU-
        Staaten Schweden, Malta, Österreich, Luxemburg, Un-
        garn, Belgien sowie in die europäischen Länder Norwe-
        gen und die Schweiz – Zahlen aus 2013. Deshalb geht es
        um eine gerechte Verteilung der Flüchtlinge in Europa
        und nicht um Ängste vor zu hohen Flüchtlingszahlen.
        Den Großstädten in Deutschland, die besondere Pro-
        bleme haben, müssen wir helfen, damit sie Möglichkei-
        ten der Unterbringung und der medizinischen Versor-
        gung zur Verfügung stellen können.
        Mit dieser persönlichen Erklärung bringen wir unsere
        Kritik an der Ausweitung sicherer Herkunftsstaaten zum
        Ausdruck. Dem Gesetz werden wir aufgrund der Koali-
        tionsvereinbarung und wegen seiner Regelungen zum
        Arbeitsmarktzugang zustimmen.
        Anlage 13
        Erklärungen nach § 31 GO
        zur namentlichen Abstimmung über den von
        der Bundesregierung eingebrachten Entwurf
        eines Gesetzes zur Einstufung weiterer Staaten
        als sichere Herkunftsstaaten und zur Erleichte-
        rung des Arbeitsmarktzugangs für Asylbewer-
        ber und geduldete Ausländer (Zusatztagesord-
        nungspunkt 6 a)
        Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 46. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Juli 2014 4321
        (A) (C)
        (D)(B)
        Heike Baehrens (SPD): Mit diesem Gesetz werden
        zwei verschiedene Punkte geregelt. Ich begrüße aus-
        drücklich, dass mit der Erlaubnis zur Arbeitsaufnahme
        für Asylbewerberinnen und Asylbewerber und für gedul-
        dete Ausländerinnen und Ausländer nach drei Monaten
        Aufenthalt in Deutschland der Zugang zum Arbeits-
        markt erleichtert wird. Damit wird den Menschen, die
        nach Deutschland geflohen sind, ermöglicht, ihren
        Lebensunterhalt zu verdienen und durch Erwerbsarbeit
        ihre Integration zu erleichtern.
        Den zweiten in diesem Gesetz vorgeschlagenen
        Punkt, die Einstufung von Bosnien-Herzegowina, Ser-
        bien und Mazedonien als sichere Herkunftsstaaten, sehe
        ich als problematisch an. Zum einen halte ich es ange-
        sichts der Erfahrungen besonders der Gruppe der Roma
        in diesen Ländern für nicht gesichert, dass sie dort nicht
        weiter Diskriminierung, sogar Verfolgung und Gewalt
        ausgesetzt sind. Für die Roma in diesen Ländern, aber
        auch in den südosteuropäischen EU-Mitgliedstaaten,
        muss endlich eine nachhaltige und langfristig wirksame
        Möglichkeit gefunden werden, um Vorurteile, Ausgren-
        zung und Diskriminierung zu überwinden, ihnen Zugang
        zu Bildung, Wohnen, Gesundheitsleistungen und
        Erwerbsarbeit zu ermöglichen und ihre Fluchtursachen
        in den Herkunftsländern wirksam zu bekämpfen. So-
        lange das nicht der Fall ist, bleibt der Wunsch von Fami-
        lien bestehen, aus bitterer Armut und Not nach Deutsch-
        land zu fliehen.
        Ich habe außerdem aus grundsätzlicher Überzeugung
        Probleme mit der Ausweitung des Systems sicherer Her-
        kunftsstaaten. Das Recht auf Asyl ist ein individuelles
        Recht, das eine Einzelfallprüfung zwingend verlangt.
        Dieses Recht sollte meines Erachtens nicht einge-
        schränkt werden. Auch wenn die Anerkennungsquote
        von Flüchtlingen aus den im Gesetz genannten Ländern
        sehr gering ist, verdient jeder Einzelfall Beachtung. Ich
        bin besorgt, dass mit der Ausweitung der Liste der siche-
        ren Herkunftsstaaten eine falsche Richtung eingeschla-
        gen wird. Stattdessen brauchen wir eine europäische
        Flüchtlingspolitik, die legale Einwanderung ermöglicht
        und die die Flüchtlinge innerhalb Europas verteilt. Die
        Erfahrung zeigt, dass unser Land von Zuwanderung pro-
        fitiert und dass die weitaus größte Zahl der Zuwandern-
        den in Deutschland Arbeit findet.
        Mit dieser persönlichen Erklärung bringe ich meine
        Kritik an der Ausweitung sicherer Herkunftsstaaten zum
        Ausdruck. Dem Gesetz werde ich aufgrund der Koali-
        tionsvereinbarung und wegen seiner Regelungen zum
        Arbeitsmarktzugang zustimmen.
        Bärbel Bas (SPD): Mit diesem Gesetz sollen zwei
        verschiedene Punkte geregelt werden. Ich begrüße aus-
        drücklich, dass mit der Erlaubnis zur Arbeitsaufnahme
        für Asylbewerberinnen und Asylbewerber und für gedul-
        dete Ausländerinnen und Ausländer nach drei Monaten
        Aufenthalt in Deutschland der Zugang zum Arbeits-
        markt erleichtert wird. Damit wird den Menschen, die
        nach Deutschland geflohen sind, ermöglicht, ihren Le-
        bensunterhalt zu verdienen und durch Erwerbsarbeit ihre
        Integration zu erleichtern.
        Den zweiten in diesem Gesetz vorgeschlagenen
        Punkt, die Einstufung von Bosnien-Herzegowina, Ser-
        bien und Mazedonien als sichere Herkunftsstaaten, sehe
        ich problematisch. Zum einen halte ich es angesichts der
        Erfahrungen besonders der Gruppe der Roma in diesen
        Ländern für nicht gesichert, dass sie dort nicht weiter
        Diskriminierung, sogar Verfolgung und Gewalt ausge-
        setzt sind. Für die Roma in diesen Ländern, aber auch in
        den südosteuropäischen EU-Mitgliedstaaten, muss end-
        lich eine nachhaltige und langfristig wirksame Möglich-
        keit gefunden werden, dass Vorurteile, Ausgrenzung und
        Diskriminierung überwunden werden, dass sie Zugang
        zu Bildung, Wohnen, Gesundheitsleistungen und Er-
        werbsarbeit erhalten und dass ihre Fluchtursachen in den
        Herkunftsländern wirksam bekämpft werden. Solange
        das nicht der Fall ist, bleibt der Wunsch von Familien
        bestehen, aus bitterer Armut und Not nach Deutschland
        zu fliehen.
        Ich habe außerdem aus grundsätzlichen Gründen Pro-
        bleme mit der Ausweitung des Systems sicherer Her-
        kunftsstaaten. Das Recht auf Asyl ist ein individuelles
        Recht, das eine Einzelfallprüfung zwingend verlangt.
        Dieses Recht sollte meines Erachtens nicht einge-
        schränkt werden. Auch wenn die Anerkennungsquote
        von Flüchtlingen aus den im Gesetz genannten Ländern
        sehr gering ist, verdient jeder Einzelfall Beachtung. Ich
        bin besorgt, dass mit der Ausweitung der Liste der siche-
        ren Herkunftsstaaten eine falsche Richtung eingeschla-
        gen wird. Stattdessen brauchen wir eine europäische
        Flüchtlingspolitik, die legale Einwanderung ermöglicht
        und die die Flüchtlinge innerhalb Europas verteilt. Die
        Erfahrung zeigt, dass unser Land von Zuwanderung pro-
        fitiert und dass die weitaus größte Zahl der Zuwandern-
        den in Deutschland Arbeit findet.
        In dieser Diskussion muss darauf hingewiesen wer-
        den, dass Deutschland zwar in absoluten Zahlen die
        meisten Flüchtlinge in Europa aufnimmt, im Vergleich
        zur Bevölkerungszahl kommen aber mehr Flüchtlinge
        in die EU-Staaten Schweden, Malta, Österreich,
        Luxemburg, Ungarn, Belgien sowie in die europäischen
        Länder Norwegen und die Schweiz (Zahlen aus 2013).
        Deshalb geht es um eine gerechte Verteilung der Flücht-
        linge in Europa und nicht um Ängste vor zu hohen
        Flüchtlingszahlen. Den Großstädten in Deutschland, die
        besondere Probleme haben, müssen wir helfen, damit sie
        Möglichkeiten der Unterbringung und der medizinischen
        Versorgung zur Verfügung stellen können. Städte wie
        Duisburg, die bereits eine starke Zuwanderung aus Süd-
        osteuropa bewältigen, stoßen schon jetzt an die Grenzen
        ihrer Belastungsfähigkeit.
        Mit dieser persönlichen Erklärung bringe ich meine
        Kritik an der Ausweitung sicherer Herkunftsstaaten zum
        Ausdruck. Dem Gesetz werde ich aufgrund der Koali-
        tionsvereinbarung und wegen seiner Regelungen zum
        Arbeitsmarktzugang zustimmen.
        Karl-Heinz Brunner (SPD): Mit diesem Gesetz sol-
        len zwei verschiedene Punkte geregelt werden. Ich be-
        grüße ausdrücklich, dass mit der Erlaubnis zur Arbeits-
        aufnahme für Asylbewerberinnen und Asylbewerber und
        4322 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 46. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Juli 2014
        (A) (C)
        (D)(B)
        für geduldete Ausländerinnen und Ausländer nach drei
        Monaten Aufenthalt in Deutschland der Zugang zum Ar-
        beitsmarkt erleichtert wird. Damit wird den Menschen,
        die nach Deutschland geflohen sind, ermöglicht, ihren
        Lebensunterhalt zu verdienen und durch Erwerbsarbeit
        ihre Integration zu erleichtern.
        Den zweiten, in diesem Gesetz vorgeschlagenen
        Punkt, die Einstufung von Bosnien-Herzegowina, Ser-
        bien und Mazedonien als sichere Herkunftsstaaten, sehe
        ich problematisch. So halte ich es für nicht gesichert,
        dass Roma dort nicht weiter Diskriminierung, Verfol-
        gung und Gewalt ausgesetzt werden. Zum anderen be-
        steht weiterhin ein hoher Grad an Diskriminierung und
        Gewaltbereitschaft gegenüber homo-, bi-, trans- oder in-
        tersexuellen Menschen auf dem Westbalkan. Paraden
        werden teilweise verboten, die Justiz unternimmt wenig,
        um vor gewaltsamen Übergriffen zu schützen, Men-
        schenrechte werden allein durch die sexuelle Identität in-
        frage gestellt. Solange dies der Fall ist, bleibt der
        Wunsch vieler Menschen, nach Deutschland zu fliehen,
        verständlich.
        Mit dieser persönlichen Erklärung bringe ich meine
        Sorge an der Ausweitung sicherer Herkunftsstaaten zum
        Ausdruck. Dem Gesetz werde ich aufgrund der Koali-
        tionsvereinbarung und wegen seiner Regelungen zum
        Arbeitsmarktzugang zustimmen.
        Dr. Lars Castellucci (SPD): Mit diesem Gesetz sol-
        len zwei verschiedene Punkte geregelt werden. Ich be-
        grüße ausdrücklich, dass mit der Erlaubnis zur Arbeits-
        aufnahme für Asylbewerberinnen und Asylbewerber und
        für geduldete Ausländerinnen und Ausländer der Zugang
        zum Arbeitsmarkt erleichtert wird. Die Wartefrist beträgt
        künftig drei statt zwölf Monate Aufenthalt in Deutsch-
        land. Damit werden mehr Betroffene ihren Lebensunter-
        halt ganz oder teilweise selbst erwirtschaften können,
        sinnvoll beschäftigt und besser integriert sein; es wird
        den Fachkräftebedarf sichern helfen, und es wird die Ab-
        hängigkeit von Sozialleistungen mindern und damit
        Haushaltsmittel einsparen. Gleichzeitig bleibt die Vor-
        rangprüfung zugunsten hier ansässiger Arbeitskräfte be-
        stehen. Es wird folglich zu evaluieren sein, wie viel sich
        in der Realität tatsächlich ändert.
        Der wesentlichere Punkt in diesem Gesetz ist die Ein-
        stufung von Bosnien-Herzegowina, Serbien und EJR
        Mazedonien als sichere Herkunftsstaaten. Dieses Vorha-
        ben ist bereits im Koalitionsvertrag festgeschrieben wor-
        den. Ich halte es im Wortsinn für grundsätzlich proble-
        matisch. Man macht ein Grundrecht nicht besser, indem
        man es einschränkt. Das Recht auf Asyl ist ein individu-
        elles Recht, das eine Einzelfallprüfung zwingend ver-
        langt. Dies gilt auch, wenn die Anerkennungsquote von
        Flüchtlingen aus den im Gesetz genannten Ländern sehr
        gering ist. Die Ausweitung der Liste der sicheren Her-
        kunftsstaaten ist keine Antwort auf die drängenden Fra-
        gen von Migration und Flucht. Stattdessen brauchen wir
        eine europäische Flüchtlingspolitik, die unter anderem
        auch legale Einwanderung ermöglicht, die Flüchtlinge
        innerhalb Europas gerechter verteilt und Fluchtursachen
        bekämpft, nicht Flüchtlinge.
        In dieser Diskussion muss auch darauf hingewiesen
        werden, dass Deutschland zwar in absoluten Zahlen die
        meisten Flüchtlinge in Europa aufnimmt, im Vergleich
        zur Bevölkerungszahl aber hinter Schweden, Malta, Ös-
        terreich, Luxemburg, Ungarn, Belgien, Norwegen und
        der Schweiz liegt – Zahlen aus 2013. Die Zahl der Asyl-
        anträge liegt meilenweit entfernt von den Zahlen zu Be-
        ginn der 1990er-Jahre. Gleichzeitig sehen wir weltweit
        Höchststände bei Flucht und Migration. Deutschland hat
        historisch begründet eine besondere Verantwortung zu
        helfen, und Deutschland kann als wirtschaftlich starkes
        Land auch helfen. Die Großstädte in Deutschland, die
        besondere Probleme haben, müssen wir unterstützen, da-
        mit sie Möglichkeiten der Unterbringung und der medi-
        zinischen Versorgung zur Verfügung stellen können.
        Gleichzeitig können die Probleme der Welt nicht in
        Deutschland und auch nicht in Europa alleine gelöst
        werden. Das Asylrecht ist nicht dazu geeignet oder be-
        stimmt, Migration aus sozialen und wirtschaftlichen
        Gründen zu steuern. Auch Asylbewerberinnen und Asyl-
        bewerber aus sogenannten sicheren Herkunftsländern
        werden einzelfallgeprüft, wenn auch in einem verkürz-
        ten Verfahren. Schon heute beträgt die Schutzquote für
        Antragstellende der drei genannten Staaten nicht mehr
        als 0,5 Prozent. Dabei vertraue ich der Kompetenz der
        Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bundesamts für
        Migration und Flüchtlinge, deren Arbeit nicht auf Ab-
        wehr zielt, sondern darauf, die wirklich Schutzbedürfti-
        gen zu schützen. Vor diesem Hintergrund hoffe ich, dass
        die frei werdenden Ressourcen zu kürzeren Bearbei-
        tungszeiten führen, die dann beispielsweise den Bürger-
        kriegsflüchtlingen aus Syrien zugutekommen.
        Schließlich sollte die Bundesregierung gemeinsam
        mit der Europäischen Kommission in den laufenden Bei-
        trittsverhandlungen mit EJR Mazedonien und Serbien
        sowie über den Kandidatenstatus Bosniens und Herzego-
        winas insbesondere mit Blick auf die zu verhandelnden
        Kapitel 23 – Judikative und Grundrechte – und 24 – Jus-
        tiz, Freiheit und Sicherheit – der Verhandlungsagenda
        nachdrücklich vermitteln, dass die Einstufung als sichere
        Herkunftsstaaten nicht bedeutet, dass diese Staaten den
        Besitzstand der Europäischen Union in diesen wichtigen
        Bereichen bereits erfüllen.
        Ein Koalitionsvertrag enthält meist auch Zumutungen
        für beide Seiten. Wir können als Sozialdemokratinnen
        und Sozialdemokraten auch viel Gutes erreichen für ein
        vorurteilsfreieres Miteinander aller hier Lebenden und
        für mehr Humanität gegenüber denen, die zu uns kom-
        men wollen. Dies kommt auch in dem vorliegenden Ge-
        setzentwurf zum Ausdruck, dem ich mit diesen Ausfüh-
        rungen heute zustimmen werde.
        Mechthild Rawert (SPD): Die Erlaubnis zur Ar-
        beitsaufnahme für Asylbewerberinnen und Asylbewer-
        ber und für geduldete Ausländerinnen und Ausländer
        wird in Zukunft bereits nach drei Monaten Aufenthalt in
        Deutschland gewährt. Diese neue Regelung im Gesetz
        begrüße ich nachdrücklich. Sie erleichtert den Zugang
        zum Arbeitsmarkt und ermöglicht nach Deutschland ge-
        flohenen Menschen, ihren Lebensunterhalt zu verdienen
        Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 46. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Juli 2014 4323
        (A) (C)
        (D)(B)
        und durch Erwerbsarbeit ihre Integration zu beschleuni-
        gen.
        Bosnien-Herzegowina, Mazedonien und Serbien sol-
        len nun gemäß Unionswunsch asylrechtlich als sichere
        Herkunftsländer eingestuft werden. Sichere Herkunft-
        staaten sind nach dem Asylverfahrensgesetz Staaten, bei
        denen aufgrund der allgemeinen politischen Verhältnisse
        die gesetzliche Vermutung besteht, dass dort weder poli-
        tische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedri-
        gende Bestrafung oder Behandlung stattfindet (§ 29 a
        AsylVfG). Mazedonien beispielsweise ist aber zerrissen
        von nationalen Konflikten, Gewerkschaften können
        nicht frei agieren, die Meinungs- und Pressefreiheit wird
        eingeschränkt. Diese Fluchtursachen in den Herkunfts-
        ländern von nach Deutschland kommenden Flüchtlin-
        gen, zum Beispiel Roma, sind wirksam zu bekämpfen.
        Es bestand der Eindruck, dass das Ziel der Auswei-
        tung des Prinzips der „sicheren Herkunftsstaaten“ die
        Einschränkung des Asylrechts ist. Das Asylrecht fordert,
        den individuellen Asylgründen gerecht zu werden.
        Hierzu ist jeweils eine Einzelfallprüfung notwendig.
        Dieses Recht darf nicht eingeschränkt werden. Dies gilt
        auch für die Gruppe der Roma. Mir ist bekannt, dass die
        Anerkennungsquote von Flüchtlingen aus den im Gesetz
        genannten Ländern sehr gering ist. Aber jeder Einzelfall
        verdient gebührende Beachtung.
        Ich kritisiere die Ausweitung der „sicheren Her-
        kunftsstaaten“. Dem Gesetz stimme ich wegen der ho-
        hen Beteiligung der SPD-Mitglieder beim Mitgliedervo-
        tum (knapp 78 Prozent) und ihrer hohen Zustimmung
        (76 Prozent) zur Koalitionsvereinbarung und insbeson-
        dere wegen seiner Regelungen zum Arbeitsmarktzugang
        zu.
        Dr. Martin Rosemann (SPD): Mit diesem Gesetz
        sollen zwei verschiedene Punkte geregelt werden, die in
        keinem Sachzusammenhang stehen.
        Ich begrüße ausdrücklich, dass mit der Erlaubnis zur
        Arbeitsaufnahme für Asylbewerberinnen und Asylbe-
        werber und für geduldete Ausländerinnen und Ausländer
        nach drei Monaten Aufenthalt in Deutschland der
        Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtert wird. Damit wird
        den Menschen, die nach Deutschland geflohen sind, er-
        möglicht, ihren Lebensunterhalt zu verdienen und durch
        Erwerbsarbeit ihre Integration zu erleichtern.
        Den zweiten in diesem Gesetz geregelten Punkt, die
        Einstufung von Bosnien-Herzegowina, Serbien und
        Mazedonien als sichere Herkunftsstaaten, sehe ich pro-
        blematisch. Zum einen halte ich es angesichts der Erfah-
        rungen besonders der Gruppe der Roma in diesen Län-
        dern für nicht gesichert, dass sie dort nicht weiter
        Diskriminierung, sogar Verfolgung und Gewalt ausge-
        setzt sind. Für die Roma in diesen Ländern, aber auch in
        den südosteuropäischen EU-Mitgliedstaaten, muss end-
        lich eine nachhaltige und langfristig wirksame Möglich-
        keit gefunden werden, dass Vorurteile, Ausgrenzung und
        Diskriminierung überwunden werden, dass sie Zugang
        zu Bildung, Wohnen, Gesundheitsleistungen und Er-
        werbsarbeit erhalten und dass ihre Fluchtursachen in den
        Herkunftsländern wirksam bekämpft werden.
        Zum anderen bin ich besorgt, dass mit der Auswei-
        tung der Liste der sicheren Herkunftsstaaten generell
        eine falsche Richtung eingeschlagen wird. Stattdessen
        brauchen wir eine europäische Flüchtlingspolitik, die le-
        gale Einwanderung ermöglicht und die die Flüchtlinge
        innerhalb Europas gerecht verteilt. Die Erfahrung zeigt,
        dass unser Land von Zuwanderung profitiert und dass
        die weitaus größte Zahl der Zuwandernden in Deutsch-
        land Arbeit findet.
        In dieser Diskussion muss darauf hingewiesen wer-
        den, dass Deutschland zwar in absoluten Zahlen die
        meisten Flüchtlinge in Europa aufnimmt, im Vergleich
        zur Bevölkerungszahl kommen aber mehr Flüchtlinge
        in die EU-Staaten Schweden, Malta, Österreich,
        Luxemburg, Ungarn, Belgien sowie in die europäischen
        Länder Norwegen und die Schweiz – Zahlen aus 2013.
        Deshalb geht es um eine gerechte Verteilung der Flücht-
        linge in Europa und nicht um Ängste vor zu hohen
        Flüchtlingszahlen. Den Großstädten in Deutschland, die
        besondere Probleme haben, müssen wir helfen, damit sie
        Möglichkeiten der Unterbringung und der medizinischen
        Versorgung zur Verfügung stellen können.
        Dem Gesetz werde ich aufgrund des aus meiner Sicht
        für die Integration von Flüchtlingen zentralen verbesser-
        ten Arbeitsmarktzugangs zustimmen.
        Susann Rüthrich (SPD): Mit diesem Gesetz sollen
        zwei verschiedene Punkte geregelt werden. Ich begrüße
        ausdrücklich, dass mit der Erlaubnis zur Arbeitsauf-
        nahme für Asylbewerberinnen und Asylbewerber und
        für geduldete Ausländerinnen und Ausländer nach drei
        Monaten Aufenthalt in Deutschland der Zugang zum Ar-
        beitsmarkt erleichtert wird. Damit wird den Menschen,
        die nach Deutschland geflohen sind, ermöglicht, ihren
        Lebensunterhalt zu verdienen und durch Erwerbsarbeit
        ihre Integration zu erleichtern.
        Den zweiten in diesem Gesetz vorgeschlagenen
        Punkt, die Einstufung von Bosnien-Herzegowina, Ser-
        bien und Mazedonien als sichere Herkunftsstaaten, sehe
        ich problematisch. Zum einen halte ich es angesichts der
        Erfahrungen besonders der Gruppe der Roma in diesen
        Ländern für nicht gesichert, dass sie dort nicht weiter
        Diskriminierung, sogar Verfolgung und Gewalt ausge-
        setzt sind. Für die Roma in diesen Ländern, aber auch in
        den südosteuropäischen EU-Mitgliedstaaten, muss end-
        lich eine nachhaltige und langfristig wirksame Möglich-
        keit gefunden werden, dass Vorurteile, Ausgrenzung und
        Diskriminierung überwunden werden, dass sie Zugang
        zu Bildung, Wohnen, Gesundheitsleistungen und Er-
        werbsarbeit erhalten und dass ihre Fluchtursachen in den
        Herkunftsländern wirksam bekämpft werden. Solange
        das nicht der Fall ist, bleibt der Wunsch von Familien
        bestehen, aus bitterer Armut und Not nach Deutschland
        zu fliehen.
        Ich habe außerdem aus grundsätzlichen Gründen Pro-
        bleme mit der Ausweitung des Systems sicherer Her-
        kunftsstaaten. Das Recht auf Asyl ist ein individuelles
        4324 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 46. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Juli 2014
        (A) (C)
        (D)(B)
        Recht, das eine Einzelfallprüfung zwingend verlangt.
        Dieses Recht sollte meines Erachtens nicht einge-
        schränkt werden. Auch wenn die Anerkennungsquote
        von Flüchtlingen aus den im Gesetz genannten Ländern
        sehr gering ist, verdient jeder Einzelfall Beachtung. Ich
        bin besorgt, dass mit der Ausweitung der Liste der siche-
        ren Herkunftsstaaten eine falsche Richtung eingeschla-
        gen wird. Stattdessen brauchen wir eine europäische
        Flüchtlingspolitik, die legale Einwanderung ermöglicht
        und die die Flüchtlinge innerhalb Europas verteilt. Die
        Erfahrung zeigt, dass unser Land von Zuwanderung pro-
        fitiert und dass die weitaus größte Zahl der Zuwandern-
        den in Deutschland Arbeit findet.
        In dieser Diskussion muss darauf hingewiesen wer-
        den, dass Deutschland zwar in absoluten Zahlen die
        meisten Flüchtlinge in Europa aufnimmt, im Vergleich zur
        Bevölkerungszahl kommen aber mehr Flüchtlinge in die
        EU-Staaten Schweden, Malta, Österreich, Luxemburg,
        Ungarn, Belgien sowie in die europäischen Länder Nor-
        wegen und die Schweiz – Zahlen aus 2013. Deshalb geht
        es um eine gerechte Verteilung der Flüchtlinge in Europa
        und nicht um Ängste vor zu hohen Flüchtlingszahlen.
        Den Großstädten in Deutschland, die besondere Pro-
        bleme haben, müssen wir helfen, damit sie Möglichkei-
        ten der Unterbringung und der medizinischen Versor-
        gung zur Verfügung stellen können.
        Mit dieser persönlichen Erklärung möchte ich meine
        schweren Bedenken hinsichtlich der im Gesetz beabsich-
        tigen Ausweitung sicherer Herkunftsstaaten zum Aus-
        druck bringen.
        Dr. Carsten Sieling (SPD): Mit diesem Gesetz sol-
        len zwei verschiedene Punkte geregelt werden. Ich be-
        grüße ausdrücklich, dass mit der Erlaubnis zur Arbeits-
        aufnahme für Asylbewerberinnen und Asylbewerber und
        für geduldete Ausländerinnen und Ausländer nach drei
        Monaten Aufenthalt in Deutschland der Zugang zum Ar-
        beitsmarkt erleichtert wird. Damit wird den Menschen,
        die nach Deutschland geflohen sind, ermöglicht, ihren
        Lebensunterhalt zu verdienen und durch Erwerbsarbeit
        ihre Integration zu erleichtern.
        Den zweiten in diesem Gesetz vorgeschlagenen
        Punkt, die Einstufung von Bosnien-Herzegowina, Ser-
        bien und Mazedonien als sichere Herkunftsstaaten, sehe
        ich aus grundsätzlichen Erwägungen als problematisch
        an, da die Ausweitung des Systems sicherer Herkunfts-
        staaten das Recht auf Asyl schwächt. Das Recht auf Asyl
        ist ein individuelles Recht, das eine Einzelfallprüfung
        zwingend verlangt. Dieses Recht sollte meines Erach-
        tens nicht eingeschränkt werden. Auch wenn die Aner-
        kennungsquote von Flüchtlingen aus den im Gesetz ge-
        nannten Ländern sehr gering ist, verdient jeder Einzelfall
        Beachtung. Ich bin besorgt, dass mit der Ausweitung der
        Liste der sicheren Herkunftsstaaten eine falsche Rich-
        tung eingeschlagen wird. Stattdessen brauchen wir eine
        europäische Flüchtlingspolitik, die legale Einwande-
        rung ermöglicht und die die Flüchtlinge innerhalb Euro-
        pas verteilt. Die Erfahrung zeigt, dass unser Land von
        Zuwanderung profitiert und dass die weitaus größte Zahl
        der Zuwandernden in Deutschland Arbeit findet.
        Anlage 14
        Erklärung nach § 31 GO
        der Abgeordneten Veronika Bellmann (CDU/
        CSU) zur namentlichen Abstimmung über den
        von der Bundesregierung eingebrachten Ent-
        wurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des
        Staatsangehörigkeitsgesetzes (Zusatztagesord-
        nungspunkt 7 a)
        Ja, es stimmt, auch ich habe dem Koalitionsvertrag
        zugestimmt. Dass ich das nicht mit großer Freude getan
        habe, ist allgemein bekannt. Sowohl im Koalitionsver-
        trag als auch im konkreten Gesetzgebungsverfahren
        steckt einiges, was ich mit meinem Verständnis von Uni-
        onspolitik nicht vereinbaren kann.
        Nun stellt sich in vielem heraus, dass die Zweifel
        durchaus angebracht waren bei der Rente mit 63, dem
        Mindestlohn und nun auch bei der doppelten Staats-
        bürgerschaft – so zum Beispiel in Bezug auf die
        Abschaffung der Optionspflicht der Kinder aus Zuwan-
        derfamilien, mit 23 Jahren zu entscheiden, welcher
        Staatsbürgerschaft sie angehören möchten. Im Koali-
        tionsvertrag wurde vereinbart, dass jeder, der in
        Deutschland geboren und aufgewachsen ist, seinen deut-
        schen Pass nicht verlieren und keiner Optionspflicht un-
        terliegen soll.
        Schon damit haben wir uns weit von unserer bisheri-
        gen Position entfernt, da sich die Optionspflicht bewährt
        hat und wir daran aus gutem Grund festhalten sollten.
        Mehrstaatlichkeit, das wissen wir, erschwert die Integra-
        tion und führt zu Rosinenpickerei, weil man auf die
        jeweiligen Vorteile der verschiedenen Länder zurück-
        greifen kann. Bestes Beispiel ist die Aussetzung der
        Wehrpflicht in Deutschland und das Fortbestehen der
        Wehrpflicht in der Türkei. Es ist davon auszugehen, dass
        sich ein Großteil der Jugendlichen, die sich bisher ohne
        Probleme für die deutsche Staatsbürgerschaft entschie-
        den haben, von dieser Form der Integration aus Gründen
        oberflächlicher Vorteilsnahme einfach verabschieden
        wird. Davon abgesehen hat überhaupt keine Not bestan-
        den, die Optionspflicht abzuschaffen. Denn in der Ver-
        gangenheit haben sich ungefähr 98 Prozent der Betroffe-
        nen für die deutsche Staatsbürgerschaft entschieden. Wir
        lösen mit dem Koalitionsvertrag und dem dazugehörigen
        Gesetz sozusagen ein Problem, was überhaupt nicht be-
        standen hat. Aber wir schaffen eine Unmenge neuer Pro-
        bleme, vom wiederholten Opfern unserer eigenen Prinzi-
        pien ganz abgesehen. Und wir tragen dazu bei, den bis
        dahin unauflösbaren Zusammenhang zwischen der
        Staatsangehörigkeit und den damit verbundenen Pflich-
        ten und Rechten aufzuweichen.
        Bisher mussten sich Jugendliche im Alter von 23 Jah-
        ren, wenn sie ihre volle sittliche und geistige Reife er-
        reicht haben, entscheiden, welche Staatsbürgerschaft sie
        tragen wollen. Jetzt soll es reichen, gerade einmal sechs
        Jahre in Deutschland aufgewachsen zu sein, um die
        deutsche und weitere Staatsbürgerschaften zu behalten.
        Auch sollen Kinder die deutsche Staatsbürgerschaft be-
        kommen, die im Ausland geboren sind und deren Eltern
        Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 46. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Juli 2014 4325
        (A) (C)
        (D)(B)
        die deutsche Staatsbürgerschaft nur aufgrund der Tatsa-
        che besitzen, dass sie acht Jahre in Deutschland gelebt
        haben. Daraus können unmöglich aufrichtige Bekennt-
        nisse zum Grundgesetz, unseren Werten und Grundsät-
        zen und ein ebenso aufrichtiger Wille, sich in unsere Ge-
        sellschaft zu integrieren, erwachsen. Wir werden weder
        gesellschaftlich noch rechtlich Integrationsverweigerern
        wirksam entgegentreten können. Der Hilfeschrei der Po-
        lizistin Tania Kambouri aus Bochum, die gegenüber der
        Staatsgewalt über respektlose moslemische Jugendliche
        klagt, ist ein beredtes Zeugnis dafür. Stattdessen werden
        wir tatenlos zusehen müssen, wie sich Parallelgesell-
        schaften unkontrolliert und unkorrigiert entwickeln und
        weiterverbreiten, deren Mitglieder zwar in unserem
        Land und von unserem Land, aber nie mit unserem Land
        leben (wollen).
        Anlage 15
        Erklärung nach § 31 GO
        des Abgeordneten Hubert Hüppe (CDU/CSU)
        zur Abstimmung über den Antrag der Fraktio-
        nen der CDU/CSU und SPD: 20 Jahre nach
        Kairo – Bevölkerungspolitik im Kontext interna-
        tionaler Entwicklungszusammenarbeit und der
        Post-2015-Agenda (Tagesordnungspunkt 31)
        Der Antrag verwendet den Begriff „sexuelle und re-
        produktive Gesundheit und Rechte“, der allerdings im
        Aktionsprogramm von Kairo nicht verwendet wird. Hin-
        gegen definiert das Aktionsprogramm die Begriffe „re-
        produktive Rechte“ und „sexuelle und reproduktive
        Gesundheit“. Die Terminologie im Kairoer Schlussdo-
        kument ist – als Ergebnis der Verhandlungen zwischen
        mit offiziellem Mandat der VN-Mitgliedstaaten ausge-
        statteten Delegationen – bis heute die maßgebliche inter-
        national legitimierte Grundlage.
        Radikale Gruppen propagieren unter dem Begriff
        „sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte“,
        SRHR, Vorstellungen, die sich nicht auf den im Aktions-
        programm von Kairo vereinbarten internationalen Kon-
        sens berufen können, und sind bemüht, mit der SRHR-
        Terminologie diese Vorstellungen in Beschlüsse und
        Dokumente internationaler, regionaler und nationaler
        Gremien einfließen zu lassen. Zu diesen radikalen Vor-
        stellungen zählt ein behauptetes Menschenrecht auf Ab-
        treibung ohne jegliche gesetzliche Beschränkungen, wie
        es etwa in der aktuellen IPPF-Kampagne „I decide“ er-
        klärt wird. Eine IPPF-Jugendbroschüre „Healthy, happy
        and hot. A young person’s guide to their rights, sexuality
        and living with HIV“ erklärt, dass zu den „sexuellen
        Rechten“ HIV-positiver Jugendlicher das Recht gehört,
        ihre Sexualpartner über ihre HIV-Infektion nicht zu in-
        formieren.
        In den Beratungen über den Antragsentwurf wurde
        verdeutlicht, dass der Bundestag keine vermeintliche In-
        terpretationshoheit radikaler Gruppen wie IPPF über die
        Terminologie anerkennen will.
        Deshalb wird im Antrag klargestellt, dass der Begriff
        „sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte“ als
        identisch mit den im Aktionsprogramm von Kairo defi-
        nierten Begriffen „reproduktive Rechte“ und „sexuelle
        und reproduktive Gesundheit“ zu verstehen ist und keine
        über diese Definitionen hinausgehende Bedeutung hat,
        insbesondere kein Recht auf Schwangerschaftsabbruch
        statuiert.
        Damit ist jeder Spekulation die Grundlage entzogen,
        der Bundestag bekenne sich zu einem beliebig interpre-
        tierbaren Begriff „sexuelle und reproduktive Gesundheit
        und Rechte“ und böte so radikalen Interpretationen Carte
        blanche. Dieses Ergebnis begrüße ich.
        Ich hätte mir gewünscht, dass die Berücksichtigung
        von Gruppen mit Migrationshintergrund und deren be-
        sonderen Bedürfnissen, was den Kairoer Beschlüssen
        entspräche, erwähnt wird. Weiterhin hätte ich befürwor-
        tet, auch das weltweit zunehmende Problem des uner-
        füllten Kinderwunsches als Bereich der sexuellen und
        reproduktiven Gesundheit und der Wahrnehmung repro-
        duktiver Rechte anzusprechen.
        Zwangsabtreibungen und Zwangssterilisationen, über
        die bis in die letzte Zeit hinein von den Medien berichtet
        wurde, werden im Feststellungsteil als Menschenrechts-
        verletzungen angesprochen, was zu begrüßen ist. Ich
        hätte mir gewünscht, dass die naheliegenden Konse-
        quenzen – eine unparteiische Aufklärung dieser Vor-
        gänge und wirksame Abhilfe für die Zukunft – ebenfalls
        angesprochen werden. Insbesondere wäre zu fordern,
        dass sowohl im Handeln von UNFPA als auch in den
        von UNFPA geförderten nationalen und regionalen Pro-
        grammen sowie von den von UNFPA geförderten Nicht-
        regierungsorganisationen die im Kairoer Aktionsplan
        enthaltenen Prinzipien der Freiwilligkeit, der Freiheit
        von Zwang und der Nichtförderung von Abtreibung als
        Familienplanungsinstrument respektiert werden.
        Anlage 16
        Zu Protokoll gegebene Reden
        zur Beratung des Entwurfs eines Bundesbesol-
        dungs- und -versorgungsanpassungsgesetzes
        2014/2015 (BBVAnpG 2014/2015) (Tagesord-
        nungspunkt 9)
        Armin Schuster (Weil am Rhein) (CDU/CSU): Ich
        hoffe auch in diesem Jahr, dass wir mit der Besoldungs-
        und Versorgungsanpassung im öffentlichen Dienst nicht
        zum Topthema an den Stammtischen landauf, landab
        werden. Ist zwar populär, wäre aber dennoch nicht ge-
        rechtfertigt. Tatsächlich geht es uns bei diesem Gesetz
        darum, eine starke Marke, nämlich unser „Made in Ger-
        many“ weiter zu fördern. Welcher ausländische Unter-
        nehmer schätzt zum Beispiel nicht die Verlässlichkeit
        der deutschen Verwaltung, wenn er sich hier niederlas-
        sen will? Aus Sicht von Industrie und Wirtschaft gehört
        der feste und stabile Ordnungsrahmen zu den Trümpfen
        Deutschlands. Der öffentliche Dienst ist ein hervorra-
        gender Standortfaktor. Und unsere Bürgerinnen und Bür-
        ger unterscheiden bei ihren Erwartungen doch längst
        nicht mehr zwischen einer hochleistungsfähigen Wirt-
        4326 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 46. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Juli 2014
        (A) (C)
        (D)(B)
        schaft, wie wir sie haben, und einer ebenso leistungsfähi-
        gen Verwaltung. Wer aber in einem Hochleistungsland
        diesen Anforderungen standhalten will, braucht leis-
        tungsfähiges Personal. Die Frage ist also nicht: Bekom-
        men die Beamten schon wieder mehr Geld? Die Frage
        ist: Haben die Personalchefs in unseren Behörden die
        Möglichkeiten und Mittel, die sie brauchen, um hoch-
        qualifizierte Fachkräfte zu gewinnen? Eine sehr gut
        funktionierende Verwaltung ist aktive Wirtschaftspolitik,
        und sie ist die Voraussetzung für Lebensqualität in unse-
        rem Land. Deshalb ist sich die Union sicher, dass wir mit
        diesem Gesetz heute genau am richtigen Punkt investie-
        ren.
        IT-Systeme auf dem Stand der Technik erwarte ich
        bei der Bundespolizei oder dem Bundesamt für Verfas-
        sungsschutz. Für unsere Strategie Digitale Verwaltung
        2020 brauchen wir Geschäftsmodelle mit dem Geist vom
        Silicon Valley. Wir müssen attraktiv sein für hochspezia-
        lisierte IT-Fachkräfte. Wenn wir im Bereich der organi-
        sierten Kriminalität bei der Vermögensabschöpfung aus
        Straftaten und von Straftätern weiterkommen wollen,
        geht das nicht ohne versierte Wirtschaftswissenschaftler,
        Juristen und Steuerexperten.
        Ich glaube nicht, dass der öffentliche Dienst allein im
        Bereich Vergütung mit der Wirtschaft konkurrieren kann
        oder je können wird. Wir merken das schmerzlich, wenn
        wir nur mühsam dringend benötigten Nachwuchs in na-
        turwissenschaftlichen Bereichen finden. Die CDU/CSU
        verfolgt seit Jahren eine andere, erfolgversprechende
        Strategie: Wir wollen mit einem ganzen Bündel an Maß-
        nahmen für gute Vereinbarkeit von Familie und Beruf,
        moderne, attraktive Arbeitsbedingungen und eine ad-
        äquate Vergütung den Bewerbern eine bestens ausbalan-
        cierte Attraktivität bieten. Und: Wir haben in den letzten
        Jahren in dieser Hinsicht schon viel erreicht. Mit dem
        Fachkräftegewinnungsgesetz haben wir Anreize bei der
        Besoldung gesetzt, mit dem Familienpflegezeitgesetz
        haben wir für bessere Vereinbarkeit von Dienst und
        Pflege von Angehörigen gesorgt, und wir haben den Ein-
        tritt in den Ruhestand flexibler gestaltet.
        Gestern hieß es in der FAZ: Eine führende Unterneh-
        mensberatung hat im Frühjahr dieses Jahres knapp vier-
        einhalbtausend Studenten in ganz Deutschland befragt.
        Und wissen Sie, was dabei herausgekommen ist? Knapp
        ein Drittel der Studenten will später in den öffentlichen
        Dienst. Diese 32 Prozent wollen später nicht in die Pri-
        vatwirtschaft. Hier darf die Union sagen: Wir sind mit
        unserer Beamtenpolitik mitten in einem Reformprozess,
        und der ist offensichtlich erfolgreich. Ansonsten hätte so
        eine Befragung anders ausgesehen.
        Die Steigerungsraten sind besorgniserregend: Allein
        im April 2014 gab es insgesamt 37 Gewalttaten gegen
        die Polizei in Deutschland. Wie viele Repräsentanten un-
        seres Staates in Arbeitsagenturen oder bei den Rettungs-
        diensten und Feuerwehren in Ausübung ihres Amtes
        nicht mehr den Respekt erfahren, den die Menschen in
        unseren Verwaltungen zu Recht erwarten dürfen, wissen
        wir letztlich nicht. Aber dass eine rote Linie unterschrit-
        ten ist, das wissen wir. „Mehr Achtung für Menschen,
        die unseren Staat repräsentieren“ ist deshalb ein innen-
        politischer Schwerpunkt der Unionsfraktion in dieser Pe-
        riode.
        Die Union schreibt die verantwortliche Politik der
        letzten fünf Jahre fort. Wir beraten heute den dritten Ge-
        setzentwurf in Folge, mit dem wir das Tarifergebnis für
        den öffentlichen Dienst zeit- und inhaltsgleich auf die
        Beamtinnen und Beamten, Richterinnen und Richter,
        Soldatinnen und Soldaten und Versorgungsempfängerin-
        nen und Versorgungsempfänger des Bundes übertragen.
        Die Dienst- und Versorgungsbezüge werden in zwei
        Schritten steigen: im ersten Schritt rückwirkend ab 1. März
        2014 um 2,8 Prozent und nicht weniger als 90 Euro-So-
        ckelbetrag. Im zweiten Schritt ab 1. März 2015 sollen
        die Bezüge um weitere 2,2 Prozent steigen. Mit dem Ab-
        schlag von 0,2 Prozent pro Anpassungsschritt leisten die
        Beamten ihren Beitrag zur Versorgungsrücklage des
        Bundes, und sie helfen dabei, die Beamtenversorgung
        langfristig auf solide Füße zu stellen. Das ist gut und
        richtig; leider wird wenig darüber berichtet.
        Faire Besoldung sollte uns am Herzen liegen; sie
        macht uns am Arbeitsmarkt wettbewerbsfähig, stärkt das
        Binnenklima unserer Behörden und ist gerecht. Ich be-
        danke mich deshalb bei unserem Koalitionspartner. Dass
        vorausschauende Beamtenpolitik nicht in allen Ländern
        so reibungslos funktioniert, liegt vielleicht auch an der
        Partnerwahl, liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD.
        Drum prüfe, wer sich ewig bindet! Diese Koalition und
        die CDU/CSU-Fraktion im Besonderen tun dem öffentli-
        chen Dienst jedenfalls gut. Und so soll es bleiben!
        Mahmut Özdemir (Duisburg) (SPD): Wir beraten
        heute in erster Lesung das Bundesbesoldungs- und -ver-
        sorgungsanpassungsgesetz für die Jahre 2014/2015. Es
        ist uns ein zentrales Anliegen, dass wir dieses Gesetz
        hier und heute debattieren. Denn dieser gesetzgeberische
        Akt sollte nicht nur als Selbstverständlichkeit gelten,
        sondern auch und gerade als eine bewusste Entscheidung
        des Bundestages mit der Regelungskompetenz zum Bun-
        desbeamtenrecht und als Haushaltsgesetzgeber, seine
        Staatsdiener und deren Arbeit zu würdigen.
        Zu Beginn betone ich, dass sich eine solche Würdi-
        gung der Arbeit für den Staat nicht ausschließlich in
        Geld ausdrücken lässt. Dennoch ist und war uns bereits
        im Rahmen der vorhergehenden Plenardebatte vom
        20. März 2014 anlässlich der Tarifverhandlungen für die
        Beschäftigten im öffentlichen Dienst des Bundes und der
        Kommunen im Deutschen Bundestag gewiss, dass es ein
        Mehr auch für die Beamtinnen und Beamten geben wird.
        Die Tarifautonomie in unserem Land funktioniert und
        wird zumindest von weit überwiegenden Teilen des
        Deutschen Bundestages auch entsprechend respektiert.
        Ebendieser Respekt gegenüber dem erfreulich erfolg-
        ten Tarifabschluss für den öffentlichen Dienst vom
        1. April 2014 gebietet es daher, alle – und ich betone:
        alle – diejenigen, die „öffentliche Aufgaben“ im Dienste
        des Staates verrichten, in jedem Falle und damit unge-
        achtet ihres offiziellen Dienststatus gleich zu behandeln.
        In dieser Tradition stehen die bisherigen und langjährig
        praktizierten Übertragungen der Tarifergebnisse im öf-
        fentlichen Dienst auf die Beamtinnen und Beamten,
        Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 46. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Juli 2014 4327
        (A) (C)
        (D)(B)
        Richterinnen und Richter sowie Soldatinnen und Solda-
        ten.
        Der öffentliche Dienst des Bundes bietet hervorra-
        gende Arbeitsbedingungen, seien es – um nur einige
        Punkte zu nennen – die Möglichkeit zur flexiblen
        Arbeitszeitgestaltung oder aber auch die vorbildliche
        Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
        Die Arbeitsbedingungen einschließlich der Entloh-
        nung machen den öffentlichen Dienst attraktiv und auch
        zu einem unverzichtbaren Bestandteil und Garanten ei-
        nes funktionierenden Staates. Über 1,9 Millionen Be-
        amte in ganz Deutschland und davon alleine 250 000 in
        der unmittelbaren Bundesverwaltung sorgen tagtäglich
        dafür, dass diejenigen Gesetze, die wir Abgeordneten für
        die Menschen im Land beschließen, auch in die Tat um-
        gesetzt werden, dass die Gesetze, die wir beschließen,
        im Einzelfall im Verhältnis unter Privaten oder aber auch
        im Verhältnis der Bürgerinnen und Bürger zum Staat von
        Richterinnen und Richtern unabhängig entschieden wer-
        den, dass transatlantische und europäische Bündnisse
        von Soldatinnen und Soldaten repräsentiert werden, die
        in letzter und wesentlicher Instanz dem Einsatzbefehl
        des Parlamentes unterstehen.
        Diese anspruchsvollen Aufgaben sind nur mit gut
        ausgebildetem Personal zu stemmen, und damit dieses
        Personal auch täglich zufrieden an den Dienst geht, gilt
        es für uns als Deutschen Bundestag, die Arbeitsbedin-
        gungen beginnend bei der Mitbestimmung im öffentli-
        chen Dienst und der Besoldung sowie darüber hinaus bei
        der Versorgung der Beamtinnen und Beamten sicherzu-
        stellen. Eine solche Sicherstellung der Qualität, Attrakti-
        vität und Stabilität der Verwaltung erzielen wir nicht zu-
        letzt mit diesem Gesetzentwurf, wie er heute vorliegt.
        Dieses Vorgehen entspricht im Übrigen einer lange
        gepflegten Praxis. Der Haushaltsvorbehalt ist kein
        Selbstzweck, und noch viel weniger darf er eine Recht-
        fertigung für ein zaghaftes Verhalten der Politik sein,
        Ansprüche per se anzunehmen oder abzulehnen.
        Die aktuelle Übertragung des Tarifabschlusses vom
        1. April 2014 sieht vor, dass rückwirkend zum 1. März
        2014 eine Erhöhung der Bezüge von 2,8 Prozent, min-
        destens jedoch um 90 Euro, und ab dem 1. März 2015
        2,2 Prozent Erhöhung der Bezüge auf die Beamtenschaft
        übertragen werden. Die Bildung und Anpassung der
        Versorgungsrücklage wiederum speist sich aus beiden
        Stufen der Übertragung mit jeweils 0,2 Prozent. Dies
        stellt eine systemimmanente inhalts- bzw. wirkungs-
        gleiche Übertragung dar, in Würdigung des geltenden
        Beamtenrechts.
        Seit Jahrzehnten wird die soeben vorgestellte Anpas-
        sung nach jeder Tarifrunde im öffentlichen Dienst auch
        zum Anfang des Monats auf dem Konto der Beamtinnen
        und Beamten, Richterinnen und Richter und Soldatinnen
        und Soldaten in Gänze spürbar. Dabei gibt es diese
        Übertragung natürlich nicht zum Nulltarif. Jedoch
        können wir aus den vorgenannten Gründen, die die Leis-
        tungsbereitschaft und Leistungsfähigkeit des öffentli-
        chen Dienstes beschreiben, als zuständige Innenpolitiker
        selbstbewusst in jeder Haushaltsrunde etwaige Mehr-
        belastungen guten Gewissens vertreten.
        Die Mehrbelastungen für die Anpassung der Dienst-
        und Versorgungsbezüge im Bundeshaushalt stellen sich
        wie folgt dar: Im Jahre 2014 wird die Anpassung mit
        542 Millionen Euro etatisiert, im Jahre 2015 mit
        1,05 Milliarden Euro und im Haushaltsjahr 2016 mit
        1,13 Milliarden Euro. Die Versorgungsrücklage wird in
        den Haushaltsjahren 2014 und 2015 hierbei mit rund
        105 Millionen Euro gespeist werden.
        Diese Zahlen machen deutlich, dass wir uns den öf-
        fentlichen Dienst sprichwörtlich „etwas kosten lassen“.
        Dies geschieht jedoch niemals, ohne zugleich die haus-
        halterische Vernünftigkeit sowie die Leistungsmerkmale
        ins Verhältnis zu setzen. Stellen Sie sich vor, es gäbe
        keine hoheitliche Instanz, die die Steuergesetze, die wir
        beschließen, auch durch Staatsdiener vollstreckt. Stellen
        Sie sich vor, es gäbe keine Zollbeamten, die Schwarzar-
        beit verfolgen und zur Ahndung vorbereiten würden.
        „Stellen Sie sich vor“ – diese Liste wäre derart lang, dass
        die Redezeit aller Redner nicht ausreichen würde, das
        Aufgabenprofil des öffentlichen Dienstes angemessen zu
        umreißen.
        Mit diesem Gesetz und den künftigen Haushalten drü-
        cken wir neben den Tarifbeschäftigten, die im März
        2014 aufrecht mit dem Bund verhandelt haben, auch den
        Staatsdienern im Beamtenstatus die ihnen gebührende
        Wertschätzung aus. Dies zeigt, dass die kompromissori-
        entierte Kooperation zwischen dem Bundesministerium
        des Innern, dem Bundestag und den Beschäftigten im öf-
        fentlichen Dienst des Bundes eine verlässliche Grund-
        lage ist, auf der die deutsche Verwaltung und letztlich
        der Staat als solcher fußt.
        Matthias Schmidt (Berlin) (SPD): Als ich Mitte der
        80er-Jahre in den öffentlichen Dienst kam, hatte dieser
        noch ein anderes Gesicht. Die Büros hießen Amtsstuben,
        anstelle eines PCs war an der Schreibtischkante ein Blei-
        stiftspitzer angeschraubt. Obrigkeitshörigkeit, so schien
        es, war stets wichtiger als die Sache. Dieses Bild des öf-
        fentlichen Dienstes hält sich zwar hartnäckig in vielen
        Vorurteilen, es hat aber mit der heutigen Situation nichts
        mehr gemein. Wir alle haben zahlreiche Kontakte zu
        Verwaltungen in Bund, Ländern und Gemeinden. Ich
        hoffe, Sie teilen meine Einschätzung, dass wir uns – von
        wenigen Ausnahme abgesehen – auf allen Ebenen auf ei-
        nen effizienten, beratenden und verwaltenden öffentli-
        chen Dienst verlassen können. Oftmals sind es Beamtin-
        nen und Beamte, die uns zuarbeiten und beraten. Es ist
        nur gerecht, dass dieses in angemessenem Rahmen
        durch Erhöhung der Besoldung entlohnt wird. Im vorge-
        legten Gesetzentwurf greift die Bundesregierung auf das
        Ergebnis des Tarifabschlusses für den öffentlichen
        Dienst des Bundes zurück, und das ist auch gut so! Wir
        haben mit der Tarifpartnerschaft ein starkes Prinzip in
        unserer Gesellschaft verankert.
        Die Übernahme der Ergebnisse der Tarifverhandlun-
        gen ist also erfreulich: 2,8 Prozent rückwirkend zum
        1. März 2014 und 2,2 Prozent ab März 2015 bei einem
        Mindestbetrag von 90 Euro. Von Letzterem werden die
        unteren Besoldungsstufen profitieren, und das ist richtig.
        Es ist ein gutes Signal in Richtung Attraktivität der vie-
        4328 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 46. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Juli 2014
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        len Berufsbilder im Dienst der Bundesbehörden. Junge
        Menschen orientieren sich bei ihrer Berufswahl nicht nur
        an den beruflichen Inhalten, sondern auch an den finan-
        ziellen Perspektiven. Das ist doch vollkommen klar und
        verständlich. Und der Nimbus des Berufsbeamtentums
        hat durch vielerlei Einflüsse schon lange an Glanz verlo-
        ren. Personalabbau, Leihbeamte, Ausstattungsmängel –
        das sind Schlagworte aus heutiger Zeit, die den Berufs-
        wunsch „Bundesbeamter“ schmälern. Natürlich stehen
        die Begriffe für eine sehr eingeschränkte Sicht auf die
        Dinge, in der öffentlichen Wahrnehmung des Berufsbil-
        des spielen sie dennoch eine wichtige Rolle. Der öffent-
        liche Dienst muss also wie die Privatwirtschaft um seine
        Attraktivität kämpfen, und das gilt besonders mit Blick
        auf die demografische Entwicklung. Der öffentliche
        Dienst steht vor einer dramatischen Pensionierungswelle
        und damit vor immensen Herausforderungen. Es ist vor
        diesem Hintergrund ein richtiger Schritt, dass auch die
        Anwärterbezüge steigen. Reichen wird das jedoch nicht.
        Lassen Sie mich an dieser Stelle insbesondere einen
        Punkt nennen, der den Beschäftigten im öffentlichen
        Dienst unter den Nägeln brennt. Der Anteil der befristet
        Beschäftigten hat deutlich zugenommen. Das bedeutet
        nicht nur eine Herausforderung für eine nachhaltige Per-
        sonalpolitik, sondern stellt auch den Faktor immer mehr
        infrage, der lange Zeit als der Garant im öffentlichen
        Dienst galt: die Beschäftigungssicherheit. Dieser Faktor
        verliert durch die Befristungspraxis der letzten Jahre an
        Gewicht, und das ist keine gute Botschaft in Richtung
        Nachwuchssicherung. Lassen Sie uns darüber nachden-
        ken, ob das der richtige Weg für eine gute Personalpoli-
        tik ist. Wir Sozialdemokraten haben da Zweifel.
        Ich möchte somit zum Schluss das klare Signal in
        Richtung unserer Beamtinnen und Beamten senden: Uns
        ist bewusst: Mit der Übertragung der Tarifergebnisse ist
        die Arbeit noch nicht gemacht. Wir bleiben dran.
        Frank Tempel (DIE LINKE): Es ist ausgesprochen
        begrüßenswert, dass die Bundesregierung auch in die-
        sem Jahr die Tarifergebnisse zeitnah und inhaltsgleich
        für die Beamten übernimmt. Die Zugewinne für die
        niedrigen Besoldungsgruppen freut uns ebenso wie die
        angekündigte Vereinheitlichung der Urlaubstage auf
        30 pro Jahr. Leider wird immer noch der Anteil für die
        Versorgungsrücklage von 0,2 Prozent bei jeder Stufe der
        Erhöhung abgezogen. Eine einmalige Berechnung pro
        Tarifrunde wäre deutlich gerechter. Mit dem Folgegesetz
        ab 2016 sollte dies geändert werden!
        Ich gehe nun aber fest davon aus, dass es den persön-
        lichen Überzeugungen des Innenministers Dr. Thomas
        de Maizière entspricht, auch in kommenden Jahren die
        Übernahme der Tarifergebnisse genauso zu gestalten wie
        in diesem Jahr. Das ist aber kein Grund, sich jedes Mal
        als Fraktion so überschwänglich selbst zu feiern, wie es
        zum Beispiel der Kollege Schuster gern macht. Jede
        Menge Hausaufgaben sind noch offen: Die größte Unzu-
        friedenheit bei den Bundesbeamten ist die Wochenar-
        beitszeit. Die 41 Wochenstunden der Beamten sollten
        auf das Maß der Tarifbeschäftigten des öffentlichen
        Dienstes (West) mit 38,5 Wochenstunden abgesenkt
        werden. Es gibt, wie es der Vorsitzende des Deutschen
        Beamtenbundes, dbb, Klaus Dauderstädt, im Gespräch
        mit dem Innenausschuss des Bundestages vor wenigen
        Tagen formulierte, „keinen Grund für geldwerte Son-
        deropfer der Beamten“. Eine Absenkung der Arbeitszei-
        ten würde die Attraktivität des öffentlichen Dienstes er-
        heblich steigern.
        Sie wissen so gut wie ich, dass die öffentliche Hand
        im Wettbewerb um Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
        weniger mit Gehaltssteigerungen als vielmehr mit fami-
        lienfreundlichen Arbeitsbedingungen, flexiblen Lebens-
        arbeitszeitregelungen und einer besonders ausgeprägten
        Kultur der Mitbestimmung gewinnen kann. Angesichts
        der demografischen Entwicklung steht das Problem im-
        mer schärfer auf der Tagesordnung. In den kommenden
        zehn Jahren fehlen rund 700 000 Beschäftigte.
        Die Arbeitszeitregelungen sind da ein zentrales Ele-
        ment der Attraktivitätssteigerung, aber auch Maßnah-
        men wie die Übernahme der Regelungen zur Mütterrente
        und der Rente mit 63 aus dem Bereich der Angestellten.
        In der Vergangenheit ist die Beamtenversorgung stets
        einbezogen worden, wenn es um Einschnitte in die Al-
        tersversorgung ging. Gerechterweise muss diese Über-
        tragung vom Rentenbereich zur Beamtenversorgung
        auch gelten, wenn es zu Verbesserungen kommt.
        Die mangelnde Attraktivität des öffentlichen Dienstes
        korrespondiert mit dem Problem der viel zu schmalen
        Einstellungskorridore. Wenn nicht im gleichen Maße
        ausgebildet und eingestellt wird, wie Beamte in die Ver-
        sorgung gehen, nimmt die Arbeitsverdichtung immer
        mehr zu. Weniger Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind
        für eine gleichbleibende oder gar ansteigende Menge
        von Aufgaben zuständig. Das hat auf die Dauer physi-
        sche und psychische Überforderungen, eine Qualitätsab-
        nahme der Dienstleistungen und mittelfristig eine Ge-
        fährdung der öffentlichen Vorsorge zur Folge. Leider
        habe ich in den letzten vier Jahren meiner Tätigkeit im
        Bundestag nicht den politischen Willen auf Regierungs-
        seite gesehen, grundhaft umzusteuern. Der Koalitions-
        vertrag, aber auch das bisherige Handeln der Großen
        Koalition macht mir allerdings keinen Mut, dass sich
        dies ändern wird.
        Irene Mihalic (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die
        Anpassung der Dienst- und Versorgungsbezüge ist zwei-
        fellos eine gute Sache. Es gibt für Sie, liebe Kolleginnen
        und Kollegen der Koalition, keinen Grund, sich hier be-
        sonders auf die Schulter zu klopfen. Denn es ist schlicht
        Ihr gesetzlicher Auftrag, die Besoldung und Versorgung
        regelmäßig an die allgemeinen wirtschaftlichen und fi-
        nanziellen Verhältnisse anzupassen.
        Das gilt im Wesentlichen auch für die Übertragung
        des Tarifabschlusses des öffentlichen Dienstes. Auch
        hier erfüllen Sie nur Ihre rechtliche Verpflichtung, die
        Beamtenbesoldung von der Einkommensentwicklung
        nicht abzukoppeln. Das ist eine Frage der Angemessen-
        heit der Besoldung und damit der Wertschätzung unserer
        Beschäftigten.
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        Zugleich machen Sie es sich hier aber auch reichlich
        einfach. Die Attraktivität des öffentlichen Dienstes allein
        mit dem Öffnen der Geldbörse zu erhöhen, funktioniert
        nur in den Zeiten, in denen die Staatskassen ausreichend
        gefüllt sind. Sowohl die demografische Entwicklung als
        auch der Wettbewerb mit der Wirtschaft um die besten
        Köpfe erfordern aber viel mehr. Das Durchschnittsalter
        im öffentlichen Dienst liegt inzwischen bei rund 45 Jah-
        ren – Tendenz steigend. Wir brauchen dringend ein Um-
        steuern bei der Gewinnung von Beschäftigten. Welche
        Ideen bringen Sie denn mit, um die Attraktivität im
        öffentlichen Dienst zu erhöhen? Wie wollen Sie denn
        konkret für familienfreundliche und moderne Arbeitsbe-
        dingungen sorgen, wie Sie es im Koalitionsvertrag ver-
        einbart haben?
        Lassen Sie mich dazu mal einen Blick auf das Bun-
        deskriminalamt und die Bundespolizei werfen. Die Ant-
        wort der Bundesregierung auf unsere Kleine Anfrage zur
        Situation von Frauen in der Bundespolizei und dem
        BKA spricht hier Bände: Frauen sind eklatant unterre-
        präsentiert. Und sie werden auch noch schlechter beur-
        teilt. Dabei ist die Beurteilung doch Grundlage jeder Be-
        förderung. Vor allem in Führungspositionen findet
        Gleichberechtigung quasi nicht statt. Bei der Bundes-
        polizei zum Beispiel waren im Jahr 2014 insgesamt we-
        niger als 14 Prozent Frauen beschäftigt. Das muss man
        sich einmal vorstellen. Im höheren Dienst waren gerade
        mal 6 Prozent der Beschäftigten weiblich, im gehobenen
        Dienst noch gut 9 Prozent, und im mittleren Dienst wa-
        ren es 17 Prozent. Also haben wir hier sowieso schon
        kaum Frauen, und je höher es geht, desto weniger. Au-
        ßerdem wurden Spitzennoten bei dienstlichen Beurtei-
        lungen an Frauen viel seltener vergeben als an ihre
        männlichen Kollegen. Das ist eine strukturelle Unge-
        rechtigkeit, und das darf nicht so bleiben!
        Die vom Bundesinnenministerium beanspruchte
        „Vorbildfunktion des öffentlichen Dienstes für familien-
        freundliche Arbeitszeiten“ widerlegt die Antwort auf un-
        sere Kleine Anfrage übrigens gleich mit. Denn darin
        kann man sehen, dass Teilzeitarbeit fast ausschließlich
        von Frauen wahrgenommen wird und dass Teilzeitarbeit
        dienstlich schlechter beurteilt wird als Vollzeitarbeit.
        Deutlich wird die Problematik auch hier anhand schnö-
        der Zahlen. Im BKA befinden sich nur 5 von 197 Be-
        schäftigten in Leitungsfunktionen in Teilzeit.
        Polizistinnen und Verwaltungsbeamtinnen werden
        also in doppelter Weise schlechter behandelt als ihre
        männlichen Kollegen: Sie werden ohnehin – warum
        auch immer – schlechter beurteilt als Männer, und dann
        auch noch zusätzlich schlechter durch die häufigere Teil-
        zeitarbeit.
        Doch wenn man die Bundesregierung danach fragt,
        welche Konsequenzen aus diesen Erkenntnissen gezo-
        gen werden, dann steht sie einfach blank da. Es gibt von
        ihrer Seite keine konkreten Vorschläge, diese Missstände
        zu beseitigen. Können wir uns das leisten? Ich meine,
        nicht. Sie verschenken damit nicht nur das Potenzial der
        Hälfte der Bevölkerung, sondern sie kommen auch Ih-
        rem verfassungsrechtlichen Auftrag zur Gleichberechti-
        gung nicht nach.
        Lassen Sie mich zum Schluss noch darauf hinweisen,
        dass Sie sich auch den Ländern gegenüber aus der Ver-
        antwortung stehlen. Dem Bund, dem insgesamt nur
        11 Prozent aller Beschäftigten im öffentlichen Dienst zu-
        zurechnen sind, fällt es leichter, Tarifabschlüsse auf
        seine Beamten zu übertragen. Schwieriger ist das für die
        Länder und Gemeinden, bei denen Personalkosten einen
        Großteil der Ausgaben ausmachen. Genau deren Haus-
        haltslage ist aber häufig angespannt, und sie haben es be-
        sonders schwer, die Schuldenbremse einzuhalten. An-
        stelle den Flickenteppich an Vergütungsregelungen zu
        ignorieren, ist eine zukunfts- und generationengerechte
        Finanzierung des öffentlichen Dienstes eine gesamtstaat-
        liche Aufgabe, für die ich von einer so großen Koali-
        tionsmehrheit konstruktive Vorschläge erwarte.
        Dr. Günter Krings, Parl. Staatssekretär beim Bun-
        desminister des Innern: Die Bundesregierung hat rasch
        nach den Tarifverhandlungen den vorliegenden Gesetz-
        entwurf eingebracht. Wie Sie wissen, haben sich die
        Tarifvertragsparteien nach schwierigen Verhandlungen
        am 1. April 2014 für die Tarifbeschäftigten von Bund
        und Kommunen auf einen Abschluss verständigt, der mit
        5,4 Prozent Entgelterhöhung im Rahmen vergleichbarer
        Tarifabschlüsse anderer Branchen liegt. Dies war ein gu-
        tes, weil faires Ergebnis – fair gegenüber den Beschäf-
        tigten von Bund und Kommunen, die sich zu Recht mehr
        Lohn wünschen, fair aber auch gegenüber den Steuer-
        zahlern, die hierfür aufkommen.
        Der Tarifvertrag hat eine Laufzeit von zwei Jahren.
        Dementsprechend deckt auch die Anpassung für Besol-
        dungs- und Versorgungsempfänger den Zeitraum bis
        2015 ab. Das gibt Stabilität und Planungssicherheit. Ge-
        lungen ist das ohne Schlichtung und Erzwingungs-
        streiks. Die Sozialpartnerschaft hat funktioniert.
        Diese Erhöhung, die natürlich auch eine Anerken-
        nung der Leistungen der Beschäftigten darstellt, soll nun
        auf die Besoldungs- und Versorgungsempfängerinnen
        und -empfänger des Bundes übertragen werden.
        Mit dem Gesetzentwurf werden die Dienst- und Ver-
        sorgungsbezüge im Bund für die Jahre 2014 und 2015 in
        zwei Schritten um insgesamt 5 Prozent angehoben. Im
        ersten Schritt werden sie rückwirkend zum 1. März 2014
        um 2,8 Prozent erhöht, jedoch mindestens um 90 Euro.
        Im zweiten Schritt steigen sie zum 1. März 2015 um
        2,2 Prozent.
        Damit wird das Ergebnis der Tarifverhandlungen zeit-
        und inhaltsgleich übernommen. Die Bezüge werden so
        an die Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen
        und finanziellen Verhältnisse für die nächsten zwei Jahre
        angepasst. Alle Statusgruppen – Tarifbeschäftigte, Be-
        amte, Richter, Soldaten – nehmen gleichgerichtet an der
        Anpassung teil. Der öffentliche Dienst des Bundes bildet
        eine Einheit – daran halten wir fest.
        Mit dem vereinbarten Mindestbetrag in Höhe von
        90 Euro enthält das Tarifergebnis eine soziale Kompo-
        nente für die unteren Einkommensgruppen, die in den
        Tarifverhandlungen besonders umkämpft war. Diese
        Komponente enthält jetzt auch das vorliegende Anpas-
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        sungsgesetz. Für die Zukunft müssen wir bei solchen
        Vereinbarungen zweierlei im Auge behalten:
        Erstens müssen wir prüfen, ob im Vergleich der Ver-
        dienststrukturen des öffentlichen Dienstes mit denen der
        gewerblichen Wirtschaft tatsächlich ein entsprechender
        Korrekturbedarf besteht.
        Zweitens müssen wir auch die innere Stimmigkeit des
        öffentlichen Gehaltssystems bewahren. Das Besoldungs-
        recht spricht hier von Ämtergefüge, was letztlich nichts
        anderes bedeutet als das Gebot, auch in der Vergütung
        nicht alle Unterschiede zwischen den Verantwortungs-
        stufen einzuebnen. Denn eigentlich sind verbesserte
        Bedingungen für Fachkräfte das Gebot der Stunde. Das
        räumen auch die Gewerkschaften ein, die aber dennoch
        die soziale Komponente forderten, selbst wenn davon
        Fachkräfte wenig profitieren.
        Die vorgesehenen Erhöhungen liegen jeweils 0,2 Pro-
        zentpunkte unter der Anpassung im Tarifbereich. Die
        Verminderung hat ihren Grund in gesetzlichen Vorgaben,
        wonach die Bezügeanpassung um 0,2 Prozentpunkte zu-
        gunsten der Versorgungsrücklage des Bundes zu vermin-
        dern ist. Die entsprechenden Beträge fließen in die seit
        1999 bestehende Versorgungsrücklage des Bundes. Dies
        entspricht der Strategie der Bundesregierung zur nach-
        haltigen Sicherung der Finanzierungsgrundlagen der Be-
        amtenversorgung und kommt letztlich allen Besoldungs-
        und Versorgungsempfängern zugute.
        Die Anwärterbezüge erhöhen sich entsprechend dem
        Ergebnis der Tarifverhandlungen zum 1. März 2014 um
        40 Euro und zum 1. März 2015 um 20 Euro. Dies ist ein
        Signal für den Nachwuchs im öffentlichen Dienst des
        Bundes.
        Die Attraktivität des öffentlichen Dienstes folgt nicht
        allein aus der Bezahlung. Interessante und herausfor-
        dernde Aufgaben sowie angemessene, den Lebensent-
        würfen der Menschen gerecht werdende Arbeitsbedin-
        gungen stellen ebenso gewichtige Elemente für die
        Anziehungskraft eines Arbeitsplatzes dar. Gleichwohl
        können die Beschäftigten – dies gilt für Tarifbeschäftigte
        und Beamte gleichermaßen – eine Teilhabe an der allge-
        meinen wirtschaftlichen Entwicklung erwarten. Mit dem
        Tarifabschluss und diesem Gesetzentwurf stellt der Bund
        dies sicher. Ich bitte deshalb um Ihre Zustimmung zu
        dem Gesetzentwurf.
        Anlage 17
        Zu Protokoll gegebene Rede
        zur Beratung des von der Bundesregierung ein-
        gebrachten Entwurfs eines Achten Gesetzes zur
        Änderung des Weingesetzes (Tagesordnungs-
        punkt 15)
        Roland Claus (DIE LINKE): Es gibt nicht viele poli-
        tische Sachverhalte hier im Hohen Hause, über die ein so
        großes Einvernehmen besteht wie beim Wein. Wir ste-
        hen derzeit vor der Aufgabe, EU-rechtliche Änderungen
        angemessen in nationales Recht zu übertragen. Und da
        sage ich: Der vorliegende Gesetzentwurf der Bundesre-
        gierung trägt dieser Aufgabe Rechnung. Dies wird auch
        durch die Fachverbände im Bereich des Weinanbaus be-
        stätigt: Der Gesetzentwurf der Bundesregierung wird all-
        gemein als Verbesserung der bislang geltenden gesetzli-
        chen Regelungen bewertet.
        Meine Fraktion begrüßt dabei, dass im Zuge der
        Rechtsangleichung die Bundesanstalt für Landwirtschaft
        und Ernährung, BLE, in ihrer Funktion als Gesundheits-
        behörde mithilfe eines Sachverständigenausschusses
        zukünftig Aussagen zu den Auswirkungen des Weinkon-
        sums auf die Gesundheit und das Verhalten der Konsu-
        mierenden bewerten wird. Die Linke hielte jedoch,
        ebenso wie der Deutsche Weinbauverband, die Teil-
        nahme eines Sachverständigen der Weinwirtschaft am
        Sachverständigenausschuss für sinnvoll. Durch die Er-
        weiterung des Sachverständigenausschusses um eine
        Fachkraft der Weinwirtschaft würden deren spezifische
        Kenntnisse Bestandteil der Gesamturteilsfindung des
        Gremiums. Die Gefahr einer überdimensionierten Ein-
        flussnahme der Weinwirtschaft auf die Tätigkeit des
        Sachverständigenausschusses sieht die Linke, ebenso
        wie der Deutsche Weinbauverband, nicht.
        Die Weiterentwicklung der Weinwirtschaft, der
        Schutz des Kulturgutes Wein und die gesundheitliche
        Aufklärung und Vorsorge im Umgang mit Alkohol gehö-
        ren für uns zusammen. Deshalb wird die Linke dem Ge-
        setzentwurf zustimmen.
        Lassen Sie mich noch auf zwei Dinge hinweisen: Ers-
        tens hat sich am Montag dieser Woche, am 30. Juni
        2014, das Parlamentarische Weinforum der Abgeordne-
        ten des Deutschen Bundestages mit einer ersten und, wie
        ich finde, sehr erfolgreichen Veranstaltung ganz im Zei-
        chen des Weinanbaus an Saale und Unstrut konstituiert.
        Wie ich eingangs schon sagte: Beim Wein besteht über
        die Fraktionsgrenzen hinweg großes Einvernehmen. Je-
        weils ein Mitglied aller im Bundestag vertretenen Frak-
        tionen ist zugleich Mitglied des Parlamentarischen
        Weinforums. Bei den von uns gemeinsam veranstalteten
        Parlamentarischen Abenden sind Winzerinnen und Win-
        zer, Vertreterinnen der Weinbauverbände, des Deutschen
        Weininstituts, Weinköniginnen und Weinprinzessinnen
        ebenso Gast wie Abgeordnete aller Fraktionen und inte-
        ressierte Journalistinnen und Journalisten. Auf ein Neues
        und weiterhin so erfolgreich im Namen des deutschen
        Weines!
        Aber, nicht erst wir beschäftigen uns intensiv mit der
        Gesetzgebung zum Wein. Auch andere Politiker vor uns
        haben dies bereits getan. Friedrich Engels etwa suchte
        nach einer Gesetzmäßigkeit des Zusammenhangs von
        geistigen Getränken und politischer Tätigkeit. Ich zi-
        tiere: „Ernstliche und besonders erfolgreiche Aufstände
        kamen nur in Weinländern oder in solchen deutschen
        Staaten vor, die sich durch Zölle vor preußischem
        Schnaps mehr oder weniger geschützt hatten.“ (Marx-
        Engels-Werke; Band 19; Seite 41–42; Dietz 1982). Und
        ernstliche gesellschaftliche Veränderungen brauchen wir
        auch in Europa und in Deutschland. Wenn der Genuss
        guten Weins dazu führt, dass die zunehmende soziale
        Spaltung der Gesellschaft überwunden und die zuneh-
        Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 46. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Juli 2014 4331
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        mende Verwicklung Deutschlands in militärische Aben-
        teuer verhindert wird, dann sollten wir hier im Bundes-
        tag noch viele dem Weine dienliche Gesetzesnovellen
        verabschieden.
        Anlage 18
        Zu Protokoll gegebene Reden
        zur Beratung des Antrags: LKW-Maut nach-
        haltig und ökologisch ausrichten (Tagesord-
        nungspunkt 22)
        Steffen Bilger (CDU/CSU): „Ohne mich wäre die
        Autobahn schön leer. Genau wie Ihr Kühlschrank.“ So
        steht es auf einigen Lastern, denen wir als Autofahrer
        gelegentlich auf der Autobahn hinterherfahren. Und der
        Spruch stimmt – es bringt überhaupt nichts, den Laster
        zu verteufeln. Natürlich wollen auch wir mehr Güter auf
        Bahn und Binnenschiff verlagern. Aber erstens muss uns
        allen klar sein, dass dies nicht von jetzt auf gleich geht,
        und zweitens sollen dabei weiterhin alle Gütertranspor-
        ter ihre Stärken ausspielen dürfen. Wir brauchen beides,
        den Transport auf der Straße wie auch den auf Schiene
        und Wasserwegen. Dazu ist allen Beteiligten klar, dass
        der Lkw seinen Beitrag zur Straßennutzung leisten muss.
        Und das tut er ja bereits in sehr großem Umfang: Zur
        Straßenbenutzungsgebühr kommen auch noch die Mine-
        ralölsteuer und die Kraftfahrzeugsteuer. Dabei sind uns
        selbstverständlich alle Gutachten bekannt, die auf die
        immensen – errechneten – externen Kosten hinweisen.
        Das neue Wegekostengutachten 2013 enthält ja bereits
        Berechnungen zu den externen Kosten aus Luftver-
        schmutzung und Lärmbelastung, die seit einer Änderung
        des EU-Rechts im Jahr 2011 zusätzlich angelastet wer-
        den können. Dass dabei erst einmal nur die Kosten der
        Luftverschmutzung angelastet werden sollen, beruht auf
        technischen Voraussetzungen für eine Anlastung der
        Lärmbelastungskosten. Eine schnelle Umsetzung der
        Einbeziehung der Lärmbelastung wäre nicht möglich ge-
        wesen. Außerdem ist einmal anzumerken, dass der Lkw
        nicht nur externe Kosten, sondern auch externe Nutzen
        hat. Um ein bekanntes Sprichwort abzuwandeln, könnte
        man auch sagen: Nicht nur die Stoßstange ist aller Laster
        Anfang – auch die von der Wirtschaft bezahlten Steuern
        beginnen oft mit Lastwagen.
        Eine Lieblingsforderung der Grünen ist und bleibt die
        sogenannte Internalisierung der externen Staukosten.
        Stau entsteht aber bekanntlich durch viele Fahrzeuge auf
        zu wenigen Fahrbahnen. Lkw würden also doppelt be-
        straft: einerseits durch staubedingten Zeit- und Geldver-
        lust sowie andererseits dadurch, dass diese auch noch
        zusätzlich bezahlt werden müssten. Dabei sollte nicht
        vergessen werden: Auch diese Kosten würde am Ende
        der Verbraucher bezahlen. Zudem kann die Logistik-
        branche noch nicht einmal etwas für nicht vom Staat
        ausgebaute Strecken. In William Shakespeares Hamlet
        heißt es einmal: „Ist dies schon Irrsinn, so hat es doch
        Methode.“
        Als Union sind wir weiterhin für den Ausbau der
        Schiene und eine Verlagerung auf diesen ökologischen
        Verkehrsträger. Aber: Die Schiene ist auch kein Allheil-
        mittel! Zum einen ist die Bahn oftmals systembedingt
        einfach nicht mit dem Lkw konkurrenzfähig. Die Bahn
        ist vor allem auf längeren Strecken bei größeren Güter-
        mengen gut bzw. wenn der Zeitverbrauch weniger eine
        Rolle spielt. Daneben wäre eine baldige Verlagerung von
        größeren Gütermengen von der Straße auf die Schiene
        – wie sie letztendlich der Antrag der Grünen fordert –
        gar nicht leistbar. Es geht nicht nur um Verlagerung, son-
        dern um Bewältigung des auf uns zukommenden Ver-
        kehrswachstums. Schon heute gibt es auf vielen Stre-
        cken Stau auf der Schiene. Wir arbeiten dabei am Abbau
        von Engpässen und dem Ausbau wichtiger Abschnitte.
        Das alles kostet neben viel Geld vor allem auch viel Zeit.
        Es bringt deshalb nichts, jetzt umfassend die Lkw-Kos-
        ten in die Höhe zu treiben, wenn eine echte Alternative
        fehlt.
        Man muss sich schon manches Mal wundern, was so
        in Anträgen steht. Die Grünen beklagen, dass das Wege-
        kostengutachten für niedrigere Lkw-Mautsätze verant-
        wortlich sei – bei angeblich steigenden Kosten für den
        Erhalt der Straßen. Die steigenden Kosten wurden in ers-
        ter Linie durch fehlende frühere Sanierungen verursacht
        und erst an zweiter Stelle durch mehr Lkw. Der Bundes-
        verkehrsminister ist sicher nicht verantwortlich dafür,
        dass unabhängige Gutachter im Einklang mit EU-Recht
        niedrige Mautsätze festlegen. Und an den historisch
        niedrigen Zinsen – der Grund für die niedrigeren Maut-
        sätze – ist der Minister genauso wenig schuld. Dazu ver-
        schweigt der Antrag ebenfalls, dass die ganze Lkw-Maut
        aus grün-roter Regierungszeit stammt. Viele Forderun-
        gen aus dem Antrag hätten also schon damals gleich er-
        ledigt werden können.
        Es ist aber nicht alles schlecht, was im Antrag steht.
        Einige Ideen sind so gut, dass wir sogar selbst schon vor-
        her darauf gekommen sind. Bereits im April – und damit
        zwei Monate vor Einbringung des grünen Antrags – hat
        Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt angekün-
        digt, dass er sich bei der EU-Kommission dafür starkma-
        chen wird, dass wir das Wegekostengutachten auf neue
        Beine stellen dürfen. Dabei hat er unsere volle Unterstüt-
        zung.
        Zu guter Letzt will ich natürlich noch einmal daran
        erinnern, dass wir als CDU/CSU-Verkehrspolitiker un-
        sere Verantwortung der Verkehrsinfrastruktur gegenüber
        sehr ernst nehmen. Viele Forderungen des Antrags wer-
        den wir in dieser Wahlperiode sowieso angehen. Immer-
        hin haben wir bisher schon mehr Mittel durchsetzen kön-
        nen als die Vorgängerregierungen. Auch bei der Zukunft
        von Toll Collect wird Bundesverkehrsminister Dobrindt
        in Abstimmung mit uns anderen Verkehrspolitikern der
        Koalition ein tragfähiges Konzept vorlegen. Aus den ge-
        nannten Gründen lehnen wir den Antrag der Grünen des-
        halb ab.
        Karl Holmeier (CDU/CSU): Ich bin sehr verwun-
        dert, in welchem Maße die Grünen versuchen, Ge-
        schichte umzuschreiben, wohl um von eigenen Fehlern
        abzulenken. Die Lkw-Maut wurde von einer Bundesre-
        gierung eingeführt, in der die Grünen in der Verantwor-
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        tung standen. Die Grünen haben es damals zum Beispiel
        zugelassen, dass die Details des Mautbetreibervertrages
        geheim waren, selbst für die Abgeordneten des Deut-
        schen Bundestages. Erst nach ausufernden Spekulatio-
        nen in der Öffentlichkeit und dem Druck der Unions-
        fraktion wurde der Vertrag den Mitgliedern des
        Verkehrsausschusses zugänglich gemacht. Was hat uns
        Ihr geheimer Betreibervertrag gebracht, meine Damen
        und Herren von den Grünen? Ein Schiedsverfahren we-
        gen der verspäteten Einführung der Maut, in dem der
        Bund eine Forderung gegen die Mautbetreiber in Höhe
        von 5 Milliarden Euro plus Zinsen geltend macht, eine
        Summe, die uns heute bei Erhalt und Ausbau der Ver-
        kehrsinfrastruktur fehlt. Das ist die Realität grüner Infra-
        strukturpolitik.
        Die deutsche Verkehrspolitik steht tatsächlich vor ge-
        waltigen Herausforderungen, vor allem bei der Straßen-
        infrastruktur. Hier bedarf es enormer Anstrengungen.
        Dies hat die Union mit ihren CSU-Verkehrsministern
        Dr. Peter Raumsauer und Alexander Dobrindt erkannt.
        Wir haben es angepackt. Wir werden besondere Anstren-
        gungen unternehmen, um zusätzliche Ausgaben für eine
        moderne, sichere und leistungsstarke Verkehrsinfra-
        struktur auf den Weg zu bringen. Damit werden wir Stra-
        ßen, Schienen- und Wasserwege erhalten und ausbauen.
        Diesem Ziel dient auch die Ausweitung der Lkw-Maut.
        In der Tat stellt die neue Wegekostenstudie eine neue
        Herausforderung dar: Die Mautsätze müssen reduziert
        werden; bis 2017 werden 2 Milliarden Euro fest einge-
        planter Einnahmen fehlen. Wir stehen aber zu den An-
        sprüchen, die wir selbst an unsere Verkehrspolitik ge-
        stellt haben: Unser Bundesfinanzminister Wolfgang
        Schäuble hat bereits zugesichert, diese Lücke aus dem
        allgemeinen Bundeshaushalt zu schließen. So sieht ver-
        antwortliche Infrastrukturpolitik der Union aus, ressort-
        übergreifend.
        Wir werden die im Koalitionsvertrag zugesagten
        5 Milliarden Euro für die dringend notwendigen Investi-
        tionen in die öffentliche Verkehrsinfrastruktur verwen-
        den. Natürlich wäre ein höherer Betrag besser. Wir kön-
        nen und wollen aber nicht weiter Geld ausgeben, das wir
        nicht haben. Unser haushaltspolitisches Ziel steht: netto-
        schuldenfreier Haushalt für das Jahr 2015. Das sind wir
        den nachfolgenden Generationen schuldig.
        Bei den Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur
        werden wir weiter Wege gehen, die bislang noch sehr zu-
        rückhaltend beschritten werden: Mit der mittelstands-
        freundlichen Fortentwicklung von öffentlich-privaten
        Partnerschaften können wir Synergieeffekte erzeugen,
        die der Verkehrsinfrastruktur zugute kommen. Auch dies
        ist ein Bestandteil verantwortungsvoller Infrastrukturpo-
        litik der Union.
        Unter dem Strich kann ich zum Antrag der Grünen
        feststellen, dass er im Großen und Ganzen nur das wie-
        derholt, was bereits realisiert wird oder kurz vor der
        Umsetzung steht. Wir werden die Maut in Deutschland
        im Einklang mit dem europäischen Recht reformieren.
        Bei der Lkw-Maut werden wir die externen Kosten für
        Luftverschmutzung und Lärm anrechnen; wir gehen von
        zusätzlichen Einnahmen in Höhe von 400 Millionen
        Euro pro Jahr aus. Ab dem 1. Juli 2015 werden weitere
        1 000 Kilometer autobahnähnliche Bundesstraßen maut-
        pflichtig; die Einnahmen betragen rund 500 Millionen
        Euro bis 2017. Zum 1. Oktober 2015 wird die Grenze, ab
        der die Lkw-Maut zu zahlen ist, auf 7,5 Tonnen abge-
        senkt; das sind rund 200 Millionen Euro Mehreinnah-
        men bis 2017. Am 1. Juli 2018 kommt die Mautpflicht
        für Lkw auf allen Bundesstraßen, wie im Koalitionsver-
        trag vereinbart. Zudem werden wir den Umweltfaktor
        beim Lkw-Verkehr stärken, indem wir besonders um-
        weltfreundliche Fahrzeuge der Euro-VI-Klasse durch
        eine eigene günstige Mautklasse fördern. Bei der Re-
        form des Mautwesens wird auch die Angleichung der
        Mautsätze auf Bundesautobahnen und Bundesstraßen
        Berücksichtigung finden.
        Ich stelle also fest: Unser Verkehrsminister und die
        Große Koalition haben die Situation fest im Griff. Ver-
        meintlich guter Vorschläge der Grünen bedarf es nicht,
        und populistische Schuldzuweisungen sind vollkommen
        fehl am Platz. Wir werden die Maut in Deutschland zu-
        kunftssicher weiterentwickeln.
        Sebastian Hartmann (SPD): Jedem Ansinnen, die
        Lkw-Maut weiterzuentwickeln, gebührt Lob und Aner-
        kennung. Eine solche Weiterentwicklung hat zwei ent-
        scheidende Dimensionen: Zum einen ist dies die Berech-
        nung der Wegekosten und damit auch eine europäische
        Systematik. Die zweite Dimension ist die Effizienz der
        Mauterhebung und damit verbunden die Frage der Zu-
        kunft der TollCollect GmbH.
        Greifen wir einen der Gedanken im Antrag der Grü-
        nen auf: Auf einsamen ländlichen Bundesstraßen fährt
        eine Handvoll Lkw herum, deren Kostenanteil an den
        verursachten Schäden höher sein muss, weil sie sie nur
        unter sich aufteilen können. Aus horrenden Mautgebüh-
        ren, die demnächst dabei entstehen, wird in durchaus be-
        merkenswerter Logik die theoretische Möglichkeit abge-
        leitet, dass entlegene Regionen nun – Zitat – „verstärkt
        fordern, an eine Autobahn angeschlossen zu werden“.
        Aus dem Wegekostengutachten sind tatsächlich eine
        Reihe von Schlussfolgerungen zu ziehen. Dass sich aber
        aus ihm ergibt, demnächst Autobahnen bauen zu müs-
        sen, um Mautgebühren zu sparen, halte ich für unzutref-
        fend.
        Und da sind wir bei der Entscheidung. Entweder sind
        Ihnen die Berechnungsgrundlagen des Wegekostengut-
        achtens zu niedrig oder die Auswirkungen zu hoch.
        88,2 Milliarden Euro an externen Kosten hat die TU
        Dresden zusammengerechnet, indem sie jede einzelne
        Nebenwirkung von Verkehr betrachtet. Entlang einer
        Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung würde man dann
        allerdings erst recht dazu neigen, Ihre „Kostenwahrheit“
        auch auf entlegene Regionen auszudehnen – dieselben
        Regionen, in denen auch die von Ihnen geforderte Ab-
        senkung der Gewichtsgrenze auf 3,5 Tonnen am stärks-
        ten durchschlagen würde.
        Das Ziel der Maut ist eine dauerhafte Finanzierung
        der tatsächlichen Kosten. Dazu zählen nicht nur die
        Finanzierungskosten bei Wiederbeschaffung – das ist
        richtig –, sondern auch die externen Kosten wie Lärm-
        Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 46. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Juli 2014 4333
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        und Umweltschutz, die in die Berechnung hineingehö-
        ren. Dies sieht die SPD-Bundestagsfraktion genauso.
        Die Zinsfixierung der Bau- und Beschaffungskosten ist
        ein systematisches Problem der Wegekostenberechnung,
        das wir durch Anrechnung der anderen Faktoren in ange-
        messener Weise korrigieren müssen. Aber man darf
        nicht an der einen Stelle einer finanziellen Überlastung
        des Transportgewerbes das Wort reden, um es an anderer
        Stelle zu beklagen.
        In Wahrheit ist es doch so: Gerade in ländlichen Re-
        gionen ist der Ausbau von Bundesstraßen nötig. Dass
        man daran diejenigen beteiligt, die sie benutzen, er-
        scheint mir logisch. Es ist daran zu erinnern, dass sich
        unter wohlfahrtsökonomischen Aspekten ein solcher
        Beitrag in vielfacher Hinsicht auszahlt: Eine gute Infra-
        struktur im ländlichen Raum schafft ja überhaupt erst die
        Voraussetzungen, Handel und Gewerbe vorwärtszubrin-
        gen. Das gilt für Straßen und Schienen übrigens im sel-
        ben Maße wie für die Breitbandversorgung.
        Die Ausweitung der Lkw-Maut auf alle Bundesstra-
        ßen ist eine Forderung, die die SPD schon vor Jahren
        aufgestellt hat und die uns in den Koalitionsverhandlun-
        gen besonders wichtig war. Wir freuen uns, dass der
        Minister diesen Auftrag ernst nimmt und die Umsetzung
        in der schnellsten ihm möglichen Weise angekündigt hat,
        nämlich zum Ende dieser Legislaturperiode. Ich finde,
        wir halten uns in der Debatte häufig mit Fragen auf, die
        mit dem Ziel wenig zu tun haben, sondern nur mit unter-
        schiedlichen Auffassungen über den Weg dahin. Übri-
        gens ist die Erweiterung um 30 000 Kilometer auch im
        Sinne nicht nur ökonomischer, sondern auch ökologi-
        scher Betrachtung vernünftig. Sie hat auch Nebenef-
        fekte, die nicht außer Acht gelassen werden sollten, wie
        eine Vermeidung oder immerhin Reduzierung von Ver-
        kehrsverlagerung und Lärm.
        Ich habe es letzte Woche an dieser Stelle gesagt, und
        ich stehe dazu: Zur konzeptionellen Weiterentwicklung
        der Maut gehört auch die Ziehung der Call-Option zur
        zumindest zeitweiligen Übernahme der TollCollect
        GmbH in Bundeseigentum. Es würde uns in die Lage
        versetzen, dauerhaft die Mauteinnahmen zu sichern und
        die Ausweitung und Vertiefung der Maut zu ermögli-
        chen. Allerdings glaube ich nicht, dass am Ende das ge-
        samte System der Mauteinnahme zusammenbricht,
        wenn wir die Call-Option nicht noch in dieser Woche
        ziehen.
        Leitlinie des Vorgehens sind drei Dinge: Wir wollen
        die Mauteinnahmen über den vertraglich vereinbarten
        Betriebszeitraum hinaus sichern, wir wollen so bald wie
        möglich die zusätzlichen Einnahmen aus der Erweite-
        rung auf das gesamte Verkehrsnetz der Bundesstraßen
        vornehmen, und wir wollen die Erhebung der Maut in
        möglichst effizienter Weise organisieren. Ich bin ein An-
        hänger der Idee, dass die TollCollect GmbH in Bundes-
        eigentum übernommen werden muss, um diese drei
        Ziele zu erreichen; aber ich stelle nicht in Abrede, dass
        dieselben Ziele vielleicht auch anders zu erreichen sind.
        Selbstverständlich ist dies eine Übergangsphase. Der
        Mautbetrieb ist erneut auszuschreiben und ein, zwei
        starke Partner sind zu gewinnen.
        Die Weiterentwicklung der Maut muss auf europäi-
        scher Ebene stattfinden. Wir unterhalten uns dieser Tage
        über die Umsetzung der EU-Richtlinie für den europäi-
        schen elektronischen Mautdienst in Deutschland. Der
        Gesetzentwurf liegt dazu dankenswerterweise auf dem
        Tisch und befindet sich derzeit in der Verbändeanhö-
        rung.
        Was wir bei der Lkw-Maut wollen, ist völlig geklärt:
        Wir wollen das beste europäische System mit den ge-
        ringsten möglichen Erhebungskosten.
        Die faire Abbildung der Kosten aller Verkehrsträger
        ist unsere Aufgabe. Der Hinweis auf die Transparenz an-
        derer Kostenarten und ihrer Berechnung wie bei den
        Trassenpreisen im Schienenverkehr ist zulässig, aber an
        dieser Stelle nicht sinnvoll. Wir müssen hier die Kosten
        der Lkw realistisch darstellen, wenn wir über die Maut
        in Bezug auf den Verschleiß der Verkehrsinfrastruktur
        und die Folgen für die Umwelt reden; aber die Belastung
        der anderen Verkehrsträger sollte man lieber in einer an-
        deren parlamentarischen Initiative thematisieren als in
        einem Antrag zur Lkw-Maut.
        Ich fasse zusammen: Die Ermittlung der tatsächlichen
        Wegekosten ist im Interesse des Systems der Nutzer-
        finanzierung. Es darf aber zu keiner Überbelastung der
        Spediteure kommen. Beim Beitrag zur Finanzierung der
        Infrastruktur muss aber auch berücksichtigt werden, dass
        die Leistungen und Angebote von Handel und Gewerbe
        von der Existenz einer hervorragenden verkehrlichen
        Anbindung abhängen – die im wirklich entlegenen
        Raum übrigens regelmäßig ohne Autobahnanschluss
        auskommen wird, Frau Wilms. Die Wertschöpfung, die
        auf der Basis dieser Anbindung erst ermöglicht wird, ist
        einer Gesamtbetrachtung im wohlfahrtsökonomischen
        Sinn zuzurechnen.
        Die Grünen werfen die Frage auf, in welcher Weise
        die Bundesregierung den Rückbau des Verkehrsnetzes
        zu treiben gedenkt, wenn die Finanzierung von Erhalt,
        Betrieb und Sanierung nicht gewährleistet werden kann.
        Bevor wir dieses Schreckgespenst an die Wand werfen,
        schlage ich einen anderen Weg vor: Sorgen wir für aus-
        kömmliche Einnahmen, indem wir die Maut und ihre Er-
        hebung weiterentwickeln und verstärken! Mehr Mut!
        Wir schaffen das!
        Herbert Behrens (DIE LINKE): Es ist nicht das
        erste Mal am heutigen Tage, dass wir uns mit dem
        Thema der Nutzerfinanzierung im Bereich der Straßen-
        verkehrsinfrastruktur befassen. Im Gegensatz zur De-
        batte am Nachmittag zu den Plänen der Koalition zur
        Einführung einer Pkw-Maut geht es jetzt jedoch um et-
        was Substanzielles.
        Wir alle wissen, dass die Zeit drängt. Zum einen ver-
        fällt die Verkehrsinfrastruktur zusehends, und der Nach-
        holbedarf bei der Sanierung von Straßen, Schienen und
        Wasserstraßen ist enorm. Wenn der Sanierungsstau nicht
        unverzüglich aufgelöst wird, drohen gravierende Kapa-
        zitätsengpässe im deutschen Verkehrsnetz. Zweitens
        pressiert die Frage, wie es denn weitergehen soll mit der
        Lkw-Maut. Im Verkehrsministerium wird jedoch seit
        4334 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 46. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Juli 2014
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        Jahren so getan, als ob man auf die jährlichen Nettoein-
        nahmen von mehr als drei Milliarden Euro verzichten
        könnte. Es wird der Eindruck aufrechterhalten, dass man
        sich noch entscheiden könnte, den Vertrag mit Toll
        Collect zu verlängern, das System neu auszuschreiben
        oder die sogenannte Call-Option zu ziehen.
        Dies leugnet jedoch die Fakten. Wie im Antrag völlig
        richtig ausgeführt wird, muss Toll Collect spätestens bis
        zum 28. Februar nächsten Jahres vom Bund übernom-
        men werden. Mit einer Vertragsverlängerung kann die
        Lkw-Maut nämlich nicht auf alle Bundesstraßen erwei-
        tert werden, wie es SPD und die Unionsfraktionen im
        Koalitionsvertrag festgeschrieben haben. Für eine Neu-
        ausschreibung des Systems ist es inzwischen zu spät, das
        heißt, sie wäre gleichbedeutend mit einem kompletten
        Ausfall der Mauteinnahmen über mehrere Jahre. Davor
        sollte auch die Große Koalition nicht mehr die Augen
        verschließen. Wenn das immer noch nicht arbeitsfähige
        Verkehrsministerium hier nicht tätig wird, muss die
        Kanzlerin ein Machtwort sprechen und auf die Über-
        nahme von Toll Collect drängen. Denn hier ist Angela
        Merkels Lieblingsvokabel, bei der sich mir die Nacken-
        haare sträuben, ausnahmsweise mal angebracht – näm-
        lich die Alternativlosigkeit.
        Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen,
        Ihre Forderung, die Call-Option zu ziehen, trifft den
        Kern des Problems, und wir unterstützen selbige ohne
        Vorbehalte. Leider haben Sie eine entscheidende Frage
        nicht bedacht: Warum ist die Bundesregierung nicht ge-
        willt, zu tun, worüber inhaltlich eigentlich Konsens
        herrscht?
        Mit anderen Worten, Sie haben es schlicht unterlas-
        sen, eine zentrale Forderung zu stellen, nämlich die nach
        der Beendigung der Schiedsverfahren zwischen dem
        Bund und dem Betreiber des Mautsystems. Es ist klar,
        dass, solange die Bundesregierung auf Zahlungen von
        Toll Collect in Milliardenhöhe hofft, sie keine Anstalten
        machen wird, den einzig logischen Schritt der vorüber-
        gehenden Verstaatlichung von Toll Collect zu machen.
        Die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt.
        Die Gesellschafter von Toll Collect haben freilich
        kein Interesse an einer Übernahme durch den Bund und
        spielen daher die Verzögerungskarte im Schiedsverfah-
        ren wirklich sehr geschickt. Die Telekom, Daimler und
        Vinci wissen genau, dass ein Schiedsspruch zulasten von
        Toll Collect nach einer Verstaatlichung den Bund vor ein
        Dilemma stellt. Zum einen würde er dann gegen sich
        selbst Ansprüche geltend machen, was an Ironie kaum
        zu überbieten wäre. Zum anderen macht dies eine an-
        schließende Reprivatisierung unmöglich, denn niemand
        übernimmt ein Unternehmen mit einer Hypothek im
        zehnstelligen Bereich. Warum haben die Gesellschafter
        von Toll Collect wohl keine Rücklagen für Schadenser-
        satzzahlungen gebildet? Weil sie am längeren Hebel sit-
        zen und den Bund am Nasenring durch die Arena ziehen
        können.
        Die Beendigung des Schiedsverfahrens ist eine uner-
        lässliche Bedingung für das Ziehen der Call-Option. Den
        Vertrag mit Toll Collect jetzt zu verlängern, verschiebt
        das Problem nur in die Zukunft, löst es aber nicht. Jetzt
        muss abgewogen werden, ob man, um die Zukunft des
        Mautsystems nicht zu verspielen, den Traum von den
        Milliarden aus dem Schiedsverfahren nicht begräbt und
        einen Vergleich schließt, der den wechselseitigen Ver-
        zicht auf Schadensersatz zum Inhalt hat. Dies ist zumin-
        dest der Extremfall, über den man angesichts des knap-
        pen Zeitrahmens sehr bald wird debattieren müssen.
        Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne
        Ende! Anders könnte man den Zustand nämlich nicht be-
        schreiben, ab 2018 ganz ohne Mautsystem dazustehen.
        Liebe Kolleginnen und Kollegen der Grünen, wir un-
        terstützen Ihren Antrag, der mit unseren Vorstellungen
        zur Zukunft des Mautsystems weitgehend überein-
        stimmt. Aber eine sichere Zukunft wird die Lkw-Maut
        nur haben, wenn die Schiedsverfahren mit Toll Collect
        noch vor März 2015 beendet werden und damit erst der
        Weg für eine vorübergehende Verstaatlichung frei ge-
        macht wird.
        Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
        Jahrzehnte haben wir die Verkehrsinfrastruktur immer
        nur auf Verschleiß gefahren und das begrenzte Geld nur
        in schöne neue Leuchtturmprojekte in den Wahlkreisen
        gesteckt. Das rächt sich jetzt. Nur bei der Regierung
        scheint diese Erkenntnis noch nicht angekommen zu
        sein. Sie fahren munter den bisherigen Kurs weiter.
        Unser Problem ist: Trotz Maut fehlen uns Milliarden
        für die Straßeninfrastruktur, wie die Daehre- und die
        Bodewig-Kommissionen zweifelsfrei belegt haben. Ei-
        nen Teil des Problems könnte man sicherlich schon lö-
        sen, wenn man mit den vorhandenen Mitteln besser um-
        gehen würde.
        Wir werden aber nicht darum herumkommen, insge-
        samt mehr Gelder für die Verkehrsinfrastruktur bereit-
        stellen zu müssen. Dafür können und müssen wir die
        Mitfinanzierung durch die Nutzer stärken, und zwar
        durch diejenigen Nutzer, die entscheidend zum Ver-
        schleiß der Straßen beitragen, also die Lkw.
        Die Lkw-Maut ist konsequent und richtig, weil sie
        den Ansatz der verursachergerechten Anlastung an den
        Unterhaltungskosten verfolgt. Mittlerweile werden die
        erzielten Einnahmen zweckgebunden verwendet. Die
        Idee, dass der Verursacher für die von ihm verursachten
        Kosten anteilig herangezogen wird, ist einleuchtend und
        steht für eine nachhaltige Politik.
        Wir meinen: Das Mautsystem ist noch ausbaufähig.
        Bisher werden die externe Kosten etwa für Gesundheits-
        schäden gar nicht ausreichend berücksichtigt. Diese
        Kosten trägt immer noch die Gesellschaft, also wir alle,
        und nicht der Lkw-Betreiber. Nur durch eine konse-
        quente Internalisierung der externen Kosten, wie die
        Fachkreise dazu sagen, kann eine Wettbewerbsgleichheit
        zwischen den verschiedenen Verkehrsträgern wie Straße,
        Schiene, Wasserstraße und Luftverkehr erreicht werden.
        Verkehrsträgern, die mehr Schäden verursachen, sollen
        auch die wahren höheren Kosten auferlegt werden.
        Verursachergerechtigkeit muss für alle Lkw gelten,
        auf allen Bundesfernstraßen. Weil es inzwischen immer
        mehr Schwertransporte gibt, müssen wir uns die Frage
        Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 46. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Juli 2014 4335
        (A) (C)
        (B)
        stellen: Was machen wir mit den richtig schweren Trans-
        porten mit über 100 Tonnen über unsere Straßen?
        Derzeit entrichten sie ihren Mautsatz wie ein norma-
        ler Sattelzug, obwohl die Schwertransporte unsere Brü-
        cken und Straßen deutlich stärker belasten. So sind schon
        Autobahnbrücken für Schwertransporte gesperrt worden,
        weil sie unter den hohen Lasten der Schwertransporte
        zusammenbrechen würden. Wo bleibt da endlich eine
        verursachergerechte Lösung?
        Zu guter Letzt: Es fehlt immer noch eine klare Aus-
        sage aus dem Verkehrsministerium, wie es mit dem
        Mauterfassungssystem Toll Collect weitergeht, wenn der
        Vertrag Ende August nächsten Jahres ausläuft. Wollen
        Sie sich dann etwa einen neuen Betreiber suchen? Oder
        wollen sie gar auf die Einnahmen aus der Lkw-Maut ver-
        zichten? Ich denke, nein. Denn zu groß ist das Risiko,
        dass wir am Ende ohne Mauteinnahmen dastehen. Dann
        fehlen 4,5 Milliarden in der Kasse. Woher wollen Sie die
        dann nehmen?
        Viel Zeit ist nicht mehr, und es bleibt auch nur noch
        eine realistische Lösung übrig. Daher brauchen wir im
        Herbst eine klare Entscheidung, auch im Interesse der
        Mitarbeiter von Toll Collect. Das geht nur noch über die
        Nutzung der vertraglich vereinbarten Call-Option.
        Nehmen wir Toll Collect in Bundeshand, so wie es
        der Vertrag mit dem Konsortium vorsieht. Nur so kön-
        nen wir das System Maut und Straßen aus einer Hand
        sinnvoll weiterentwickeln. Das erwarten die Menschen
        und die Wirtschaft im Land von der Politik.
        (D)
        46. Sitzung
        Inhaltsverzeichnis
        TOP 4 Einführung eines Mindestlohnes
        TOP 5 Ausbau des schnellen Internets
        TOP 6 Befristung von Arbeitsverhältnissen
        TOP 32, ZP 3 Überweisungen im vereinfachten Verfahren
        TOP 33, ZP 4 Abschließende Beratungen ohne Aussprache
        TOP 7 Gremienwahl (Standortauswahlgesetz)
        ZP 5 Aktuelle Stunde zu EU-Einwänden gegen PKW-Maut
        ZP 6 Einstufung sicherer Herkunftsstaaten
        ZP 7 Staatsangehörigkeitsgesetz
        TOP 10 Geschlechtergerechte Besetzung von Führungsgremien
        TOP 30 Renten in Ostdeutschland
        TOP 12 100 Jahre Erster Weltkrieg
        TOP 13 Fortentwicklung des Meldewesens
        TOP 14 Erkenntnisse des NSU-Untersuchungsausschusses
        TOP 9 Bundesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetz
        TOP 16 Teilhabesicherung
        TOP 15 Weingesetz
        TOP 18 Aufnahme syrischer Flüchtlinge
        TOP 17 Anpassung steuerrechtlicher Vorschriften
        TOP 20 Bestandsobergrenzen für Tierhaltungen
        TOP 19 Bericht der Stelle zur Verhütung von Folter
        TOP 22 LKW-Maut
        TOP 21 Stabilisierung des Künstlersozialabgabesatzes
        TOP 23 Europäische Perspektive für die Republik Moldau
        TOP 24 Schutz von Elefanten und Nashörnern vor Wilderei
        TOP 25 Verringerung der Abhängigkeit von Ratings
        TOP 31 Bevölkerungspolitik 20 Jahre nach Kairo
        Anlagen