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    Plenarprotokoll 18/34 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 34. Sitzung Berlin, Freitag, den 9. Mai 2014 I n h a l t : Tagesordnungspunkt 18: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Weiterentwicklung der Finanzstruktur und der Qualität in der gesetzlichen Kranken- versicherung (GKV-Finanzstruktur- und Qualitäts-Weiterentwicklungsgesetz – GKV-FQWG) Drucksache 18/1307 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2867 B Hermann Gröhe, Bundesminister BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2867 D Harald Weinberg (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 2869 D Dr. Karl Lauterbach (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 2871 B Harald Weinberg (DIE LINKE) . . . . . . . . . 2872 C Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2873 A Jens Spahn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . 2874 B Kathrin Vogler (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 2876 C Sabine Dittmar (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2877 C Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2877 D Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2879 B Dr. Karl Lauterbach (SPD) . . . . . . . . . . . . 2879 D Erich Irlstorfer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 2881 A Kathrin Vogler (DIE LINKE) . . . . . . . . . . 2881 D Helga Kühn-Mengel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 2883 A Dietrich Monstadt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 2884 B Hilde Mattheis (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2885 C Thomas Stritzl (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 2886 D Tagesordnungspunkt 19: Vereinbarte Debatte: 10 Jahre „EU-Ost- erweiterung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2887 D Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2888 A Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) . . . . . . . . . 2889 D Dr. Christoph Bergner (CDU/CSU) . . . . . . . . 2891 B Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2893 A Maik Beermann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 2894 C Andrej Hunko (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 2896 A Dr. Dorothee Schlegel (SPD) . . . . . . . . . . . . . 2897 A Annalena Baerbock (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2898 A Matern von Marschall (CDU/CSU) . . . . . . . . 2899 B Dietmar Nietan (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2900 D Dr. Bernd Fabritius (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 2902 A Josip Juratovic (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2904 A Dr. Johann Wadephul (CDU/CSU) . . . . . . . . 2904 D Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) . . . . . . . . . 2906 A Dr. Johann Wadephul (CDU/CSU) . . . . . . . . 2906 C Tagesordnungspunkt 20: a) Antrag der Abgeordneten Katja Keul, Dr. Konstantin von Notz, Luise Amtsberg, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Europäi- schen Grundrechtsschutz gewährleisten – Nationale Vorratsdatenspeicherung ver- hindern Drucksache 18/1339 . . . . . . . . . . . . . . . . . 2907 A Inhaltsverzeichnis II Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. Mai 2014 b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucher- schutz – zu dem Antrag der Abgeordneten Jan Korte, Dr. Petra Sitte, Dr. André Hahn, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion DIE LINKE: Endgültig auf Vor- ratsdatenspeicherung verzichten – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Konstantin von Notz, Katja Keul, Luise Amtsberg, weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Vorratsdatenspei- cherung verhindern Drucksachen 18/302, 18/381, 18/999 . . . . 2907 A Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2907 B Dr. Volker Ullrich (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 2908 D Jan Korte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . 2909 C Christian Flisek (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2911 A Dieter Janecek (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2912 B Dr. Patrick Sensburg (CDU/CSU) . . . . . . . . . 2912 D Lars Klingbeil (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2914 B Marian Wendt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 2915 C Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2915 D Tagesordnungspunkt 21: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Geset- zes zur Änderung des Gesetzes zur Zahl- barmachung von Renten aus Beschäftigun- gen in einem Ghetto Drucksache 18/1308 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2917 A Gabriele Lösekrug-Möller, Parl. Staatssekretärin BMAS . . . . . . . . . . . 2917 B Ulla Jelpke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . 2918 A Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU) . . . 2919 A Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2920 B Kerstin Griese (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2921 D Stephan Stracke (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 2923 A Tagesordnungspunkt 22: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Ge- schäftsverkehr Drucksache 18/1309 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2924 B Christian Lange, Parl. Staatssekretär BMJV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2924 B Richard Pitterle (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 2925 C Dr. Stephan Harbarth (CDU/CSU) . . . . . . . . . 2926 B Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2927 C Dirk Wiese (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2928 C Dr. Silke Launert (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 2929 C Nächste Sitzung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2930 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten. . . . . . 2931 A Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede des Abgeordneten Christian Petry (SPD) zur Beratung des Ent- wurfs eines Gesetzes zur Anpassung steuer- licher Regelungen an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (33. Sitzung, Ta- gesordnungspunkt 17) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2931 D Anlage 3 Amtliche Mitteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2932 C Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. Mai 2014 2867 (A) (C) (D)(B) 34. Sitzung Berlin, Freitag, den 9. Mai 2014 Beginn: 9.00 Uhr
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    Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. Mai 2014 2931 (A) (C) (B) Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten (D) Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Alpers, Agnes DIE LINKE 09.05.2014 Bätzing-Lichtenthäler, Sabine SPD 09.05.2014 Binder, Karin DIE LINKE 09.05.2014 Dobrindt, Alexander CDU/CSU 09.05.2014 Dr. Gauweiler, Peter CDU/CSU 09.05.2014 Gohlke, Nicole DIE LINKE 09.05.2014 Göring-Eckardt, Katrin BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 09.05.2014 Groß, Michael SPD 09.05.2014 Heil (Peine), Hubertus SPD 09.05.2014 Held, Marcus SPD 09.05.2014 Dr. Hendricks, Barbara SPD 09.05.2014 Hirte, Christian CDU/CSU 09.05.2014 Hoffmann, Alexander CDU/CSU 09.05.2014 Dr. Hofreiter, Anton BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 09.05.2014 Junge, Frank SPD 09.05.2014 Kekeritz, Uwe BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 09.05.2014 Dr. Kofler, Bärbel SPD 09.05.2014 Lay, Caren DIE LINKE 09.05.2014 Lotze, Hiltrud SPD 09.05.2014 Meier, Reiner CDU/CSU 09.05.2014 Mindrup, Klaus SPD 09.05.2014 Nouripour, Omid BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 09.05.2014 Dr. Rosemann, Martin SPD 09.05.2014 Rützel, Bernd SPD 09.05.2014 Schavan, Annette CDU/CSU 09.05.2014 Schmidt (Fürth), Christian CDU/CSU 09.05.2014 Spinrath, Norbert SPD 09.05.2014 Strässer, Christoph SPD 09.05.2014 Strothmann, Lena CDU/CSU 09.05.2014 Trittin, Jürgen BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 09.05.2014 Ulrich, Alexander DIE LINKE 09.05.2014 Dr. Wagenknecht, Sahra DIE LINKE 09.05.2014 Wagner, Doris BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 09.05.2014 Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede des Abgeordneten Christian Petry (SPD) zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Anpassung steuerlicher Regelungen an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (33. Sitzung, Tagesordnungspunkt 17) Vor ziemlich genau einem Jahr hat das Bundesverfas- sungsgericht die Ungleichbehandlung von eingetragenen Lebenspartnerschaften und Ehen im Steuerrecht für ver- fassungswidrig erklärt. Das Gericht stellte klar, dass das sogenannte Ehegattensplitting in seiner damaligen Form gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz verstößt. Damit hat das Gericht nochmals unterstrichen, dass der besondere Schutz der Ehe, der in unserer Verfassung festgeschrieben ist, keine Ungleichbehandlung zwischen Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft rechtfertigt. Für mich steht fest: Diese Entscheidung ist richtig und war absolut überfällig. Die SPD setzt sich seit Jah- ren für eine vollständige Gleichstellung von Ehen und eigetragenen Lebenspartnerschaften ein. Es muss der Grundsatz gelten: Wer gleiche Pflichten übernimmt wie in der Ehe, wer sich verspricht, für den Partner einzuste- hen, der bekommt auch die gleichen Rechte. Alles an- dere ist mit meinem Rechtsverständnis nicht vereinbar. Bereits im letzten Jahr hat der Bundestag mit den Stimmen aller Fraktionen das Einkommensteuerrecht angepasst. Hier wurde die Diskriminierung von Schwu- len und Lesben beseitigt – ein wichtiger erster Schritt. Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Anlagen 2932 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. Mai 2014 (A) (C) (D)(B) Allerdings blieben viele damit zusammenhängende dis- kriminierende Formulierungen im Steuerrecht unange- tastet. Die SPD hat im Sommer 2013 dazu bereits einen umfassenden Vorschlag zur Beseitigung dieser Diskri- minierungen vorgelegt. Leider wurde unser Vorschlag damals noch von der schwarz-gelben Mehrheit im Par- lament blockiert. Heute haben wir eine neue Bundesre- gierung, die diese Ungleichbehandlungen endlich besei- tigt. Damit sind wir beim Kern der heutigen Debatte: Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf des Bundesfinanz- ministeriums werden noch bestehende Ungleichbehand- lungen der eingetragenen Lebenspartnerschaft etwa in den Bereichen des Bundeskindergeldgesetzes, des Ei- genheimzulagegesetzes, der Abgabenordnung und des Altersvorsorge-Zertifizierungsgesetzes abgeschafft. Die Bundesregierung hat es sich zur Aufgabe ge- macht, die vielen, kleinteiligen technischen Änderungen in einem Gesetz zu bündeln. Dieses liegt nun dem Deut- schen Bundestag vor und wird heute in den zuständigen Fachausschuss überwiesen. Ich bin mir sicher, dass un- sere Änderungsvorschläge auf breite Zustimmung sto- ßen werden. Die Abschaffung von Diskriminierung von eingetragenen Lebenspartnerschaften im Steuerrecht muss schließlich im Interesse aller im Deutschen Bun- destag vertretenen Fraktionen liegen. Kurzum: Im Steuerrecht hat die Bundesregierung da- mit ihre Hausaufgaben gemacht. Ich will an dieser Stelle aber auch auf andere, offen gebliebene Fragen bei der Gleichstellung der eingetrage- nen Lebenspartnerschaft eingehen: Die Unionsfraktion hat lange gesetzliche Änderungen für eingetragene Lebenspartnerschaften blockiert und musste erst vom Bundesverfassungsgericht zu einem Umdenken gezwungen werden. Auch heute sind sich SPD und Union etwa in der Frage nach einem vollen Adoptionsrecht für eingetragene Lebenspartnerschaften uneins. Das bedauere ich sehr. Ich blicke aber dennoch optimistisch in die Zukunft, wenn ich in unseren Koalitionsvertrag schaue, in dem wir verabredet haben, dass „bestehende Diskriminierun- gen von gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften in allen gesellschaftlichen Bereichen beendet werden“. Wir als SPD fordern bereits seit Jahren die vollstän- dige Gleichstellung der eingetragenen Lebenspartner- schaften. Ich nehme unseren Koalitionspartner daher beim Wort. Unser Justizminister Heiko Maas hat mit seinem Gesetzentwurf zur Sukzessivadoption hier die Marschrute vorgegeben. Ich bin mir sicher, dass wir in den kommenden Jahren weitere Schritte hin zur vollstän- digen Gleichstellung gehen werden. Regenbogenfamilien sind Teil unseres Alltags. Das gilt nicht nur für Großstädte wie Berlin oder Hamburg, sondern auch für die vielen ländlichen Gegenden in Deutschland. Überall dort leben Kinder glücklich in Re- genbogenfamilien zusammen und meistern ihren Alltag. Diese Vielfalt ist eine Bereicherung für unsere Gesell- schaft, die es auch mit unserem politischen Wirken zu unterstützen gilt. In den kommenden Beratungen im Finanzausschuss werden wir dieses Thema noch mal ausführlich diskutie- ren. Ich bin überzeugt, dass der vorliegende Gesetzent- wurf dabei im großen Konsens verabschiedet wird. Es ist wichtig, dass fraktionsübergreifend ein Signal hin zur Abschaffung von Diskriminierungen von eingetragenen Lebenspartnerschaften gesendet wird. Der Deutsche Bundestag übernimmt damit auch eine Vorbildfunktion: für eine offene, für eine tolerante und für eine bunte Ge- sellschaft, in der wir leben wollen. Anlage 3 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner 921. Sitzung am 11. April 2014 beschlossen, dem nachstehenden Gesetz zuzustim- men: Gesetz zu dem Abkommen vom 8. April 2013 zwi- schen der Bundesrepublik Deutschland und der Re- publik Östlich des Uruguay über Soziale Sicherheit Darüber hinaus hat der Bundesrat in seiner 921. Sit- zung am 11. April 2014 gemäß § 3 Absatz 1 Satz 2 Num- mer 1 bis 3, Satz 3 bis 5 des Standortauswahlgesetzes folgende Mitglieder der „Kommission Lagerung hoch radioaktiver Abfallstoffe“ gewählt: Vorsitz der Kommission im Wechsel je Sitzung: Ursula Heinen-Esser Michael Müller Vertreter der Wissenschaft: Dr. Detlef Appel (Geologe) Hartmut Gaßner (Jurist) Prof. Dr. Armin Grunwald (Physik und Biologie) Dr. Ulrich Kleemann (Geologe) Prof. Dr.-Ing. Wolfram Kudla (Bauingenieur; Boden- und Felsenmechanik) Michael Sailer (Chemiker) Hubert Steinkemper (Jurist) Prof. Dr. Bruno Thomauske (Physiker) Vertreter der gesellschaftlichen Gruppen: Edeltraud Glänzer (Deutscher Gewerkschaftsbund) Dr. Ralf Güldner (Bundesverband der Deutschen Industrie) Prof. Dr. Gerd Jäger (Bundesverband der Deutschen In- dustrie) Ralf Meister (Evangelische Kirche in Deutschland) Prof. Dr. Georg Milbradt (Kommissariat der Deutschen Bischöfe) Erhard Ott (Deutscher Gewerkschaftsbund) N.N. (Umweltverbände) N.N. (Umweltverbände) Mitglieder der Landesregierungen: Minister Franz Untersteller (Baden-Württemberg) Staatsminister Dr. Marcel Huber (Bayern) Minister Christian Pegel (Mecklenburg-Vorpommern) Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. Mai 2014 2933 (A) (C) (D)(B) Minister Stefan Wenzel (Niedersachsen) Minister Garrelt Duin (Nordrhein-Westfalen) Ministerpräsident Stanislaw Tillich (Sachsen) Ministerpräsident Dr. Reiner Haselhoff (Sachsen-Anhalt) Minister Dr. Robert Habeck (Schleswig-Holstein) Stellvertretende Mitglieder der Landesregierungen: Senator Michael Müller (Berlin) Ministerin Anita Tack (Brandenburg) Senator Dr. Joachim Lohse (Bremen) Staatsministerin Priska Hinz (Hessen) Senatorin Jutta Blankau-Rosenfeldt (Hamburg) Staatsministerin Eveline Lemke (Rheinland-Pfalz) Minister Reinhold Jost (Saarland) Minister Jürgen Reinholz (Thüringen) Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat mit- geteilt, dass sie den Antrag Erneute Überprüfung der Deutschen Energieagentur (dena) durch den Bundes- rechnungshof auf Drucksache 18/181 zurückzieht. Die folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, dass sie gemäß § 80 Absatz 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absehen: Auswärtiger Ausschuss – Unterrichtung durch die deutsche Delegation in der Parla- mentarischen Versammlung der NATO Frühjahrstagung der Parlamentarischen Versammlung der NATO vom 25. bis 28. Mai 2012 in Tallinn, Estland Drucksachen 18/231, 81/817 Nr. 1 – Unterrichtung durch die Delegation der Bundesrepublik Deutschland in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Tagung der Parlamentarischen Versammlung des Euro- parates vom 23. bis 27. April 2012 in Straßburg Drucksachen 18/625, 18/817 Nr. 3 Ausschuss für Wirtschaft und Energie – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über ein Konzept zur För- derung, Entwicklung und Markteinführung von geo- thermischer Stromerzeugung und Wärmenutzung Drucksachen 16/13128, 18/770 Nr. 13 Bericht gem. § 56a GO-BT des Ausschusses für Bil- dung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Technikfolgenabschätzung (TA) Gesetzliche Regelungen für den Zugang zur Informa- tionsgesellschaft Drucksachen 17/11959, 18/641 Nr. 7 – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesnetzagentur nach § 112a Absatz 3 des Energiewirtschaftsgesetzes zu den Erfahrungen mit der Anreizregulierung Drucksachen 18/536, 18/817 Nr. 2 Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht über Verkehrsverlagerungen auf das nachge- ordnete Straßennetz infolge der Einführung der Lkw- Maut auf vier- und mehrstreifigen Bundesstraßen Drucksachen 18/689, 18/817 Nr. 7 – Unterrichtung durch die Bundesregierung Verkehrsinvestitionsbericht für das Berichtsjahr 2012 Drucksachen 18/580, 18/891 Nr. 1 Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgen- abschätzung Unterrichtung durch die Bundesregierung 15. Bericht des Ausschusses für die Hochschulstatistik für den Zeitraum 1. Juni 2008 bis 31. Mai 2012 Drucksachen 17/13668, 18/641 Nr. 11 Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden Unionsdokumente zur Kenntnis genommen oder von ei- ner Beratung abgesehen hat. Auswärtiger Ausschuss Drucksache 18/1048 Nr. A.1 EuB-BReg 23/2014 Drucksache 18/1048 Nr. A.2 EuB-BReg 25/2014 Drucksache 18/1048 Nr. A.3 Ratsdokument 7505/14 Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft Drucksache 18/1048 Nr. A.13 Ratsdokument 7635/14 Ausschuss für Gesundheit Drucksache 18/642 Nr. C.10 Ratsdokument 12751/12 Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit Drucksache 18/419 Nr. A.128 EP P7_TA-PROV(2013)0443 Drucksache 18/419 Nr. A.129 Ratsdokument 11064/13 Drucksache 18/419 Nr. A.130 Ratsdokument 11851/13 Drucksache 18/419 Nr. A.131 Ratsdokument 11917/13 Drucksache 18/419 Nr. A.132 Ratsdokument 12242/13 Drucksache 18/419 Nr. A.133 Ratsdokument 12633/13 Drucksache 18/419 Nr. A.134 Ratsdokument 13068/13 Drucksache 18/419 Nr. A.135 Ratsdokument 13457/13 Drucksache 18/419 Nr. A.136 Ratsdokument 14637/13 Drucksache 18/419 Nr. A.137 Ratsdokument 14912/13 Drucksache 18/419 Nr. A.138 Ratsdokument 15030/13 Drucksache 18/419 Nr. A.139 Ratsdokument 15051/13 2934 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. Mai 2014 (A) (C) (B) Drucksache 18/419 Nr. A.140 Ratsdokument 15468/13 Drucksache 18/419 Nr. A.141 Ratsdokument 15845/13 Drucksache 18/419 Nr. A.142 Ratsdokument 15878/13 Drucksache 18/419 Nr. A.143 Ratsdokument 15889/13 Drucksache 18/544 Nr. A.44 Ratsdokument 5190/14 (D) 34. Sitzung Inhaltsverzeichnis TOP 18 Finanzstruktur und Qualität in der GKV TOP 19 10 Jahre „EU-Osterweiterung“ TOP 20 Vorratsdatenspeicherung TOP 21 Renten aus Beschäftigung in einem Ghetto TOP 22 Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr Anlagen
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Wolfgang Gehrcke


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DIE LINKE.)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE LINKE.)


    Dann kann ich mir ja Zeit nehmen. – Frau Präsiden-

    tin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Auch ich
    denke, man muss zurückblicken, wenn man bestimmen
    will, was erreicht worden ist, und wenn man feststellen
    will, wo die Defizite liegen.

    Mein Rückblick beginnt nicht nur wegen des heutigen
    Datums am 8. und 9. Mai 1945. Das war der entschei-
    dende Punkt: dass mit dem Faschismus in Deutschland
    und mit dem europäischen Faschismus gebrochen wor-
    den ist. Das ist der Ausgangspunkt, an dem klar war:
    Dieses Land muss neues Vertrauen erwerben. Das kann
    man nur erwerben, indem man kategorisch auch mit der
    eigenen Geschichte ins Gericht geht.

    Ich bitte darum, von diesem Ausgangspunkt aus ei-
    nige Dinge zu überlegen. Die einfache Botschaft, die zu
    dem gehören müsste, was der Außenminister hier für un-
    ser Land und für Europa vorgetragen hat, heißt für mich:
    Nie wieder Krieg und nie wieder Faschismus! Das





    Wolfgang Gehrcke


    (A) (C)



    (D)(B)

    möchte ich in der europäischen Entwicklung durchge-
    setzt sehen.


    (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Sylvia KottingUhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


    Wenn man das will, muss man auch Spaltungen in Eu-
    ropa überwinden, dann muss man eine andere Art und
    Weise der Zusammenarbeit erreichen.

    Ich bitte sehr darum – das sage ich mit Blick auf die
    Kollegen der CDU-Fraktion –: Lassen Sie uns auch dem
    Ehrenmal der damaligen Sowjetunion und dem heutigen
    Russland in unserer Nähe, das an den Akt der Befreiung
    erinnert, diesen Respekt entgegenbringen. Ich bitte Sie
    sehr: Hände weg von diesem Ehrenmal! Hier geht es
    auch um die Symbolik.


    (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Ich sage Ihnen: Die Panzer, die zu diesem Ehrenmal
    gehören, waren die Panzer, die Deutschland, das deut-
    sche Volk, vom Faschismus befreit haben. Das anzuer-
    kennen, gebietet ein Mindestmaß an Respekt. 27 Millio-
    nen Sowjetbürger sind in diesem Krieg umgekommen –
    auf verschiedene Art und Weise. 6 Millionen Jüdinnen
    und Juden sind industriell vernichtet worden. Wenn man
    sich diese Zahlen vergegenwärtigt, kommt man zu einer
    Beurteilung, die vielleicht etwas quer zu dem liegt, was
    heute so oft gesagt wird.

    Ich will Ihnen ein kleines Zitat von Arno Lustiger
    vorlesen, für mich einer der wichtigsten jüdischen Intel-
    lektuellen und Schriftsteller. Er hat in einem Buch – ein
    großes Werk –, in dem er Stalin kritisiert, am Ende ge-
    schrieben:

    … unerlässlich, der Millionen sowjetischer Solda-
    ten zu gedenken, die im Kampf gegen Hitler-
    deutschland gefallen sind oder in der Gefangen-
    schaft ermordet wurden. Ohne ihr Opfer wäre die
    Welt verloren; sie haben uns vor der Herrschaft des
    mörderischen Nazismus gerettet.

    Ich finde, die Panzer dieses Ehrenmals sind Symbole für
    diese Aussage von Arno Lustiger, von der ich möchte,
    dass wir sie uns selber aneignen.

    Wenn das der Ausgangspunkt ist, dann muss man
    auch dazusagen: Das Ziel war, die Spaltung Europas zu
    überwinden. Meine Einschätzung ist, dass Europa nach
    wie vor tief gespalten ist, vielleicht sogar tiefer denn je:
    in Ost und West, sozial gespalten, militärisch tief gespal-
    ten.

    Im Verbund mit der Europäischen Union – darüber
    sprachen Sie nicht, Herr Außenminister – kam leider die
    NATO. Die Friedensdividende, die möglich gewesen
    wäre, ist nicht eingebracht worden. Die NATO steht
    heute an den Grenzen Russlands. All das kann die Spal-
    tung nicht überwinden; es ist vielmehr Ausdruck von
    Spaltung.

    Spaltungen müssen überwunden werden, in Europa
    und weltweit. Ich sage das sehr bewusst – auch das
    fehlte mir in Ihrer Rede –: Wenn man Spaltungen über-
    winden will, dann darf Europa keine Festung werden
    wollen, sondern dann muss Europa sich der Welt gegen-
    über öffnen. Ich finde es nach wie vor völlig unerträg-
    lich, dass Europa sich als Festung gegen andere Teile der
    Welt geriert.

    Wäre es nicht ein Anlass, Herr Außenminister, einen
    solchen Appell „Spaltung überwinden, Festung Europa
    abbauen!“ im deutschen Parlament aufzugreifen? Ich
    möchte, dass Menschen in Not in dieses Land, nach Eu-
    ropa kommen können, ohne die Gefahr einer Mittelmeer-
    überquerung auf sich nehmen zu müssen.


    (Beifall bei der LINKEN)


    Ich möchte, dass soziale Spaltungen durch Umvertei-
    lung überwunden werden, und zwar von oben nach un-
    ten statt umgekehrt. Ich möchte Umverteilung zwischen
    den Regionen, und ich möchte, dass militärische Spal-
    tungen durch Abrüstung überwunden werden. Dazu ge-
    hört auch, nach wie vor daran zu arbeiten, Militärbünd-
    nisse zu überwinden.


    (Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sagen Sie doch einmal einen positiven Satz!)


    Abrüstung kann man erreichen, auch heute in Europa.
    Ich will Ihnen kurz einen Gedanken von Michael
    Gorbatschow vortragen. Sie haben vom gemeinsamen
    Haus Europa gesprochen, ohne den Namen Gorbatschow
    zu erwähnen. Gorbatschow hat 1988 in einer Rede zum
    gemeinsamen Haus Europa gesagt:

    Wir sehen in der Zukunft ein Europa, in dem West
    und Ost keine Waffen mehr gegeneinander richten,
    sondern im Gegenteil einen früher nie dagewesenen
    Nutzen aus dem Austausch von Waren und Werten,
    Fachkenntnissen, Menschen und Ideen ziehen, die
    es gelernt haben, trotz aller Unterschiede einander
    nicht als Gegner, sondern als Partner zu betrachten.

    Gilt das nicht auch heute im Verhältnis dieses Teils Eu-
    ropa zum anderen Teil Europas, nämlich zu Russland
    und anderen Ländern, diese nicht als Gegner zu betrach-
    ten?


    (Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sagen Sie doch einmal noch etwas zur EU-Erweiterung, Herr Gehrcke! Sie reden die ganze Zeit über Russland!)


    All das hat die Osterweiterung der Europäischen
    Union aus meiner Sicht nicht eingebracht. Daran ist zu
    arbeiten.

    Im Gegenteil: Neoliberale Zerstörung in Europa hat
    die soziale Lage schwieriger und teilweise aussichtslos
    gemacht. Ich möchte auch im Namen der Linken sagen,
    dass wir daran arbeiten, Europa vom Kopf auf die Füße
    zu stellen. Das würde für mich unter anderem bedeuten,
    wenn man den Gedanken des gemeinsamen Hauses Eu-
    ropa weiterverfolgt, heute die Arbeit an einer europäi-
    schen Verfassung wieder aufzunehmen,


    (Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gegen die Sie gestimmt haben!)






    Wolfgang Gehrcke


    (A) (C)



    (D)(B)

    die Friedfertigkeit statt Aufrüstung festschreibt, Antifa-
    schismus für ganz Europa verbindlich vorschreibt und
    sich an Abrüstung und sozialer Gerechtigkeit orientiert.

    Wäre das nicht eine Aufgabe, die dem angemessen
    ist, was hier debattiert worden ist, Europa vom Kopf auf
    die Füße zu stellen? Sie wissen, dass die Verträge von
    Lissabon und Maastricht nur unter unendlichen Schwie-
    rigkeiten geändert werden können.

    Wir müssen feststellen, dass mit einer gestärkten Eu-
    ropäischen Union zugleich das Gesellschaftsmodell Ka-
    pitalismus in ganz Europa durchgesetzt worden ist.


    (Dr. Andreas Schockenhoff [CDU/CSU]: Soziale Marktwirtschaft!)


    Werfen Sie einen Blick in unser Grundgesetz! Es ist vor-
    bildlich in dieser Frage. Das Grundgesetz hält die wirt-
    schaftliche und gesellschaftliche Ordnung offen. Um das
    zur Freude der CDU/CSU ein bisschen zugespitzt zu sa-
    gen: Ich bin für eine Revolution mit dem Grundgesetz
    statt gegen das Grundgesetz, weil das Grundgesetz eine
    grundlegende wirtschaftliche und gesellschaftliche Um-
    gestaltung möglich macht. Wäre es nicht ein Impuls für
    Europa, sich eine solche Verfassung zu geben, dass Eu-
    ropa umgestaltet werden kann?


    (Dr. Andreas Schockenhoff [CDU/CSU]: Wir haben doch eine Verfassung!)


    Lassen Sie mich zum Schluss sagen: Ich habe nicht
    den Eindruck, dass Deutschland europäischer, sondern
    dass Europa deutscher geworden ist.


    (Gunther Krichbaum [CDU/CSU]: Polen findet sich in Ihrer Rede wieder, Herr Gehrcke! Polen wäre stolz auf diese Rede! Halten Sie diese Rede mal in Polen, im Baltikum! Meine Güte! Peinlich!)


    – Regen Sie sich doch nicht so auf! – Ich wünsche mir
    ein Deutschland, das europäischer wird, in einer Vielfalt,
    die zur Einheit führt. Das ist meine politische Zielrich-
    tung. Das ist meine Wertung, und das ist die Herausfor-
    derung.

    Herzlichen Dank.


    (Beifall bei der LINKEN)




Rede von Claudia Roth
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege. – Nächster Redner ist

Dr. Christoph Bergner für die CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dietmar Nietan [SPD])



  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Christoph Bergner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)


    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr

    Kollege Gehrcke, ich bin mir nicht ganz sicher, ob Sie
    angesichts des EU-Bildes, das Sie gezeichnet haben,
    überhaupt daran gedacht haben, dass Sie über den Frie-
    densnobelpreisträger des Jahres 2012 sprechen.


    (Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Ja und?)

    Die Europäische Union ist zu Recht Friedensnobelpreis-
    träger des Jahres 2012 geworden, weil es kein vergleich-
    bares Friedens- oder Konsolidierungsprojekt in Europa
    in den letzten Jahrhunderten gegeben hat. Bei allen Ihren
    Zerrbildern hätten Sie dies ruhig einmal würdigen dür-
    fen.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Ich möchte die Aussage unseres Bundesaußenminis-
    ters unterstreichen, dass das, dessen wir nun gedenken
    und was am 1. Mai gefeiert wurde, mehr war als eine
    Vergrößerung der Europäischen Union. Bereits der Mau-
    erfall bedeutete das Ende der Spaltung Europas und die
    friedliche Rückkehr der mittelosteuropäischen Staaten
    nach Europa, wohin sie kulturell jahrhundertelang ge-
    hörten. Die erste deutsche Universität war die Prager
    Karls-Universität. Geistesgrößen und Künstler wie
    Kopernikus, Chopin, Jan Hus, Dvořák, Liszt, Celan und
    andere sind ebenso Kinder Mitteleuropas wie Luther,
    Melanchthon, Rousseau und wen auch immer wir hier
    aufzählen wollen.


    (Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Marx zum Beispiel!)


    Das heißt, für die mittelosteuropäischen Staaten mit
    jahrhundertelangem Souveränitätsstreben und kurzer
    zwischenkriegszeitlicher Erfüllung der Träume von
    Selbstbestimmung bedeutete die Aufnahme in die politi-
    sche Familie Europas die Überwindung dessen, was Mi-
    lan Kundera als Die Tragödie Mitteleuropas bezeichnet
    hat. Diese Tragödie besteht darin, dass man kulturell zu
    einem bestimmten Raum gehört, während man politisch
    an einen anderen Raum gekettet ist, dem man sich nicht
    zugehörig fühlt. Insoweit ist der Begriff „Osterweite-
    rung“ zu technisch, um zu kennzeichnen, worum es ei-
    gentlich geht. Es ist das Ende der Teilungsperiode Euro-
    pas. Es ist – so dürfen wir vielleicht mit etwas Emphase
    sagen – eine Art kulturelle Familienzusammenführung
    der europäischen Staaten gewesen.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Wir sollten im 25. Jahr des Mauerfalls durchaus be-
    kennen, dass die Osterweiterung der Europäischen
    Union nicht nur logische Folge, sondern auch inhaltliche
    Fortsetzung der friedlichen Revolution im zuvor kom-
    munistischen Teil Europas war; denn es waren die Vor-
    denker dieser friedlichen Revolution, die immer den eu-
    ropäischen Gedanken hochgehalten haben.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Als Deutscher und ehemaliger DDR-Bürger sage ich:
    Das, was wir als nationales Ereignis, als deutsche Ein-
    heit feiern, können wir mit gutem Recht als die erste
    Etappe der Osterweiterung der EU klassifizieren.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Die Staaten haben ihre zurückgewonnene Souveränität
    und Freiheit genutzt, um dorthin zurückzukehren, wohin





    Dr. Christoph Bergner


    (A) (C)



    (D)(B)

    sie sich politisch wie kulturell zugehörig fühlten, und ha-
    ben mit der zwangsverordneten Brudervolkideologie der
    staatssozialistischen Ära gebrochen, die im Grunde ge-
    nommen ein Herrschaftsinstrument der kommunisti-
    schen Ideologie und des sowjetischen Weltmachtstre-
    bens gewesen ist. Diese Erweiterung war zuallererst eine
    Entscheidung der Beitrittsstaaten mit Blick auf ihre poli-
    tische Identifikation.

    Nun sollten wir nicht nur abstrakt darüber sprechen.
    Der Bundesaußenminister hat zu Recht auf die wirt-
    schaftlichen Erfolge, die sich messen lassen, hingewie-
    sen. Diese können, gemessen an den Sorgen und Beden-
    ken, die gerade in dieser Hinsicht vor zehn Jahren
    bestanden, nicht hoch genug geschätzt werden. In
    Deutschland fürchteten wir Lohndumping und Billig-
    konkurrenz sowie eine finanzielle Überforderung der EU
    in den Agrar- und Strukturfonds, von den Sorgen um ei-
    nen Anstieg der Kriminalität ganz zu schweigen. In den
    Beitrittsländern fürchtete man strukturellen Anpassungs-
    druck, Abwanderung qualifizierter Kräfte und vieles an-
    dere mehr. Gemessen an diesen Befürchtungen können
    wir heute mit gutem Recht von einem Erfolg sprechen.

    Mit Ausnahme Tschechiens ist die Zustimmungsrate
    der Bevölkerung zur EU in den Mitgliedstaaten nirgends
    so hoch wie in den östlichen Beitrittsländern, und das
    trotz schwerer Transformationslasten, die man dort tra-
    gen musste. Neben den Erfolgen hinsichtlich der wirt-
    schaftlichen Konvergenz sind – unterschiedlich in den
    einzelnen Ländern – unübersehbare Fortschritte bei Ver-
    waltung, Rechtsstaatlichkeit und anderem festzustellen.
    Ja, es sind beispielhafte Erfolge erzielt worden, die wir
    durchaus hervorheben sollten. Dass sich das Handelsvo-
    lumen im Zuge des Beitritts erhöht hat, war sicher zu er-
    warten, aber dass sich in den Beitrittsstaaten in einem
    Maße, wie es in Südeuropa gar nicht der Fall war, ge-
    samteuropäische Wertschöpfungsketten entwickeln konn-
    ten und diese Länder in gesamteuropäische Wertschöp-
    fungsketten eingebunden wurden, verdient ebenso eine
    würdigende Erwähnung wie die geräuschlose Bewälti-
    gung der Finanzkrise, beispielsweise in den baltischen
    Staaten, obwohl die Probleme dort durchaus nicht gerin-
    ger waren als andernorts.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


    Auch wir in den alten Mitgliedstaaten der EU können
    durchaus eine positive Bilanz ziehen. Wir haben einen
    Zuwachs an Arbeitsplätzen zu verzeichnen, und die
    Wirtschaft hat eine Entwicklung genommen, die sie
    durch die europäische Einbindung krisenfester macht
    und Fortschritt und Wachstum ermöglicht.

    Wir haben – das hat der deutsche Historiker Karl
    Schlögel gesagt – eine Verschiebung des Mittelpunkts
    Europas in den letzten zehn Jahren erlebt. Der Puls des
    politischen Europas schlägt nicht nur in Berlin und Paris,
    sondern auch in Warschau, Prag, Tallinn und Budapest.
    Ich bin nicht sicher, ob im öffentlichen Bewusstsein und
    in den Institutionen in Brüssel und Straßburg diese Mit-
    telpunktverschiebung schon hinreichend wahrgenom-
    men wurde. Ich weiß, dass wir gerade wegen ausstehen-
    der Transformationsleistungen den Integrationsprozess
    unterstützend und kritisch begleiten müssen, aber ich
    wünschte mir manchmal, dass nicht so schnell der schul-
    meisterliche Zeigefinger erhoben wird, wenn es darum
    geht, politische Entwicklungen in den Beitrittsstaaten zu
    bewerten.

    Ich will ausdrücklich sagen, dass diese Erweiterung
    auch eine Bereicherung auf unterschiedlichen Gebieten
    für uns gewesen ist. Minister Steinmeier hat Verschiede-
    nes erwähnt. Ich will aus meiner Perspektive noch die
    vielfältigere nationalkulturelle Zusammensetzung dieser
    Beitrittsstaaten nennen, die eine neue Dimension der
    Minderheitenpolitik in Europa aus meiner Sicht zur
    Folge hat, die aber auch neue Chancen der Mehrspra-
    chigkeit und der staatenübergreifenden Identitätsbil-
    dung mit sich bringt.

    Wir können nicht an der Tatsache vorbeigehen, dass
    das Jahr des Beitritts 2004 nicht zufällig auch das Jahr
    der Orangenen Revolution in der Ukraine war. Wenn da-
    mals das Volk gegen die Wahlfälschung Janukowitschs
    aufstand, so war sicherlich die europäische Inspiration,
    die auch durch den Beitritt der osteuropäischen Staaten
    zustande gekommen ist, ein wichtiger Impuls für den
    Aufstand. Auch wenn die Orangene Revolution aus mei-
    ner Sicht rückblickend deprimierende Resultate brachte,
    so sollten wir uns doch darüber klar werden, dass die
    Vorbildwirkung der Mitgliedschaft der Beitrittsländer
    Osteuropas Erwartungen an uns bei Ländern, die weiter
    im Osten sind, geweckt bzw. verstärkt hat.

    Leider reicht meine Zeit nicht mehr für weitere Aus-
    führungen über ein weiteres wichtiges Thema.