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    Plenarprotokoll 18/29 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 29. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 9. April 2014 I n h a l t : Tagesordnungspunkt 1: (Fortsetzung) a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes über die Feststellung des Bundes- haushaltsplans für das Haushaltsjahr 2014 (Haushaltsgesetz 2014) Drucksache 18/700 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2319 A b) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Finanzplan des Bundes 2013 bis 2017 Drucksache 17/14301 . . . . . . . . . . . . . . . . 2319 B Einzelplan 04 Bundeskanzlerin und Bundeskanzleramt Katja Kipping (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 2319 B Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2322 B Katrin Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2328 D Thomas Oppermann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 2333 B Volker Kauder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 2337 D Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) . . . . . . . . . 2341 B Bettina Hagedorn (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 2343 B Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2345 D Gerda Hasselfeldt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 2347 C Sigrid Hupach (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 2349 D Dr. Hans-Ulrich Krüger (SPD) . . . . . . . . . . . . 2350 C Monika Grütters, Staatsministerin BK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2352 C Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2353 D Dr. Eva Högl (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2354 D Rüdiger Kruse (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 2356 A Hiltrud Lotze (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2357 A Einzelplan 05 Auswärtiges Amt Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2358 A Michael Leutert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 2360 D Dr. Andreas Schockenhoff (CDU/CSU) . . . . 2361 D Dr. Frithjof Schmidt (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2364 B Niels Annen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2365 C Stefan Liebich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 2366 C Michael Brand (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 2367 C Dr. Franziska Brantner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2368 D Dr. Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2369 C Gabriela Heinrich (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 2370 C Alexander Ulrich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 2371 C Thomas Dörflinger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 2372 B Karl-Georg Wellmann (CDU/CSU) . . . . . . . . 2373 D Alois Karl (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . 2374 D Tagesordnungspunkt 4: – Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem An- trag der Bundesregierung: Beteiligung Inhaltsverzeichnis II Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. April 2014 bewaffneter deutscher Streitkräfte am maritimen Begleitschutz bei der Hydro- lyse syrischer Chemiewaffen an Bord der CAPE RAY im Rahmen der ge- meinsamen VN/OVCW-Mission zur Vernichtung der syrischen Chemie- waffen Drucksachen 18/984, 18/1067 . . . . . . . . . 2376 D – Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung Drucksache 18/1096 . . . . . . . . . . . . . . . . . 2376 D Dr. Rolf Mützenich (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 2377 A Jan van Aken (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 2378 D Dr. Johann Wadephul (CDU/CSU) . . . . . . . . . 2380 B Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2381 B Thorsten Frei (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 2382 C Julia Bartz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . 2383 B Namentliche Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . 2384 C Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2387 D Annette Groth (DIE LINKE) (Erklärung nach § 31 GO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2384 D Tagesordnungspunkt 1: (Fortsetzung) a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes über die Feststellung des Bundes- haushaltsplans für das Haushaltsjahr 2014 (Haushaltsgesetz 2014) Drucksache 18/700 b) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Finanzplan des Bundes 2013 bis 2017 Drucksache 17/14301 Einzelplan 14 Bundesministerium der Verteidigung Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2385 B Michael Leutert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 2390 A Rainer Arnold (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2391 A Dr. Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2393 D Henning Otte (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 2395 C Dr. Alexander S. Neu (DIE LINKE) . . . . . . . 2397 B Henning Otte (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 2397 D Wolfgang Hellmich (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 2399 B Dr. Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2399 C Doris Wagner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2401 C Ingo Gädechens (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 2402 C Karin Evers-Meyer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 2404 C Bartholomäus Kalb (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 2405 B Einzelplan 23 Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Dr. Gerd Müller, Bundesminister BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2407 A Michael Leutert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 2409 C Dr. Bärbel Kofler (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 2411 A Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2412 D Sabine Weiss (Wesel I) (CDU/CSU) . . . . . . . 2414 A Heike Hänsel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 2415 B Sonja Steffen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2416 D Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2418 B Jürgen Klimke (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 2419 D Stefan Rebmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 2420 D Peter Stein (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . 2422 B Volkmar Klein (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 2423 B Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2424 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 2425 A Anlage 2 Erklärungen nach § 31 GO zur namentlichen Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung: Beteiligung bewaffne- ter deutscher Streitkräfte am maritimen Be- gleitschutz bei der Hydrolyse syrischer Che- miewaffen an Bord der CAPE RAY im Rahmen der gemeinsamen VN/OVCW-Mis- sion zur Vernichtung der syrischen Chemie- waffen (Tagesordnungspunkt 4) . . . . . . . . . . . 2425 C Ulla Jelpke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . 2425 C Stefan Liebich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 2426 B Petra Pau (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . 2426 C Richard Pitterle (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 2426 D Halina Wawzyniak (DIE LINKE) . . . . . . . . . 2427 B Harald Weinberg (DIE LINKE) . . . . . . . . . . 2428 A Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. April 2014 III Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Herbert Behrens, Matthias W. Birkwald, Cornelia Möhring, Martina Renner, Kathrin Vogler (alle DIE LINKE) zur namentlichen Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung: Beteiligung bewaffne- ter deutscher Streitkräfte am maritimen Be- gleitschutz bei der Hydrolyse syrischer Che- miewaffen an Bord der CAPE RAY im Rahmen der gemeinsamen VN/OVCW-Mis- sion zur Vernichtung der syrischen Chemie- waffen (Tagesordnungspunkt 4) . . . . . . . . . . . 2428 A Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Christine Buchholz und Hubertus Zdebel (beide DIE LINKE) zur namentlichen Ab- stimmung über die Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung: Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte am maritimen Begleit- schutz bei der Hydrolyse syrischer Chemie- waffen an Bord der CAPE RAY im Rahmen der gemeinsamen VN/OVCW-Mission zur Vernichtung der syrischen Chemiewaffen (Ta- gesordnungspunkt 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2428 C Anlage 5 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Sevim Dağdelen, Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Alexander S. Neu, Heike Hänsel, Inge Höger, Annette Groth, Alexander Ulrich, Andrej Hunko, Karin Binder, Pia Zimmermann, Niema Movassat, Azize Tank, Katrin Werner (alle DIE LINKE) zur nament- lichen Abstimmung über die Beschlussemp- fehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung: Beteiligung be- waffneter deutscher Streitkräfte am maritimen Begleitschutz bei der Hydrolyse syrischer Chemiewaffen an Bord der CAPE RAY im Rahmen der gemeinsamen VN/OVCW-Mis- sion zur Vernichtung der syrischen Chemie- waffen (Tagesordnungspunkt 4) . . . . . . . . . . . 2429 A Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. April 2014 2319 (A) (C) (D)(B) 29. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 9. April 2014 Beginn: 9.00 Uhr
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    Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. April 2014 2425 (A) (C) (B) Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten (D) Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Alpers, Agnes DIE LINKE 09.04.2014 Bätzing-Lichtenthäler, Sabine SPD 09.04.2014 Ehrmann, Siegmund SPD 09.04.2014 Ernstberger, Petra SPD 09.04.2014 Dr. Fabritius, Bernd CDU/CSU 09.04.2014 Gehrcke, Wolfgang DIE LINKE 09.04.2014 Gleicke, Iris SPD 09.04.2014 Gohlke, Nicole DIE LINKE 09.04.2014 Groß, Michael SPD 09.04.2014 Hardt, Jürgen CDU/CSU 09.04.2014 Haßelmann, Britta BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 09.04.2014 Hellmuth, Jörg CDU/CSU 09.04.2014 Keul, Katja BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 09.04.2014 Lezius, Antje CDU/CSU 09.04.2014 Maisch, Nicole BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 09.04.2014 Dr. Priesmeier, Wilhelm SPD 09.04.2014 Pronold, Florian SPD 09.04.2014 Rawert, Mechthild SPD 09.04.2014 Rüthrich, Susann SPD 09.04.2014 Scharfenberg, Elisabeth BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 09.04.2014 Schlecht, Michael DIE LINKE 09.04.2014 Schwabe, Frank SPD 09.04.2014 Dr. Tauber, Peter CDU/CSU 09.04.2014 de Vries, Kees CDU/CSU 09.04.2014 Wunderlich, Jörn DIE LINKE 09.04.2014 Zech, Tobias CDU/CSU 09.04.2014 Ziegler, Dagmar SPD 09.04.2014 Anlage 2 Erklärungen nach § 31 GO zur namentlichen Abstimmung über die Be- schlussempfehlung des Auswärtigen Ausschus- ses zu dem Antrag der Bundesregierung: Betei- ligung bewaffneter deutscher Streitkräfte am maritimen Begleitschutz bei der Hydrolyse syri- scher Chemiewaffen an Bord der CAPE RAY im Rahmen der gemeinsamen VN/OVCW-Mis- sion zur Vernichtung der syrischen Chemiewaf- fen (Tagesordnungspunkt 4) Ulla Jelpke (DIE LINKE): In diesem Parlament wer- den zurzeit im Wochentakt Militäreinsätze beschlossen. Es wird umgesetzt, was die Große Koalition angekün- digt und was Bundespräsident Joachim Gauck bei der Münchner Sicherheitskonferenz gefordert haben: Deutsch- land will militärisch wieder an möglichst vielen Schau- plätzen der Welt mitmischen, Deutschland will zur welt- weiten Militärmacht werden, der bewaffnete Einsatz – früher hat man einfach Krieg gesagt – soll zur norma- len Option deutscher Außenpolitik werden. Ich bin nicht in dieses Parlament gewählt worden, um dieser militaristischen Politik zuzustimmen. Ich habe in den vielen Wahlkämpfen, die ich bislang für die PDS und die Linke geführt habe, immer klargestellt, dass ich gegen jeden deutschen Militäreinsatz bin, so wie es auch heute im Programm der Linkspartei und auch im Wahl- programm verankert ist. Es ist bezeichnend, dass eine kompromisslose Anti- kriegspolitik vom Mainstream der deutschen Medien und von deutlich über 90 Prozent dieses Hauses als „nicht regierungsfähig“ abgetan wird. Ich mache keinen Hehl daraus: Wenn die Bereitschaft zum Krieg, die Be- reitschaft zur Entsendung der Bundeswehr, die Eintritts- karte zum Regieren sein soll, dann bin ich gegen das Mitregieren. Das gilt auch bei der heutigen Abstimmung. Da ist zunächst festzuhalten: Es gibt für die von der Bundesre- gierung geforderte Militärmission nicht einmal ein UN- Mandat. Es gibt keine präzise Gefährdungseinschätzung und keinerlei konkrete Hinweise auf mögliche Angriffe auf das US-amerikanische Schiff, auf dem die Chemie- waffen neutralisiert werden sollen. Die Bundesregierung Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Anlagen 2426 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. April 2014 (A) (C) (D)(B) hat in ihrer Antwort auf eine schriftliche Frage vage auf mögliche „organisierte Kriminalität, Piraterie und Terro- rismus“ verwiesen. Damit lässt sich aber kein Bundes- wehrmandat rechtfertigen. Die aufgezählten „mögli- chen“ Bedrohungen sind allesamt nichtmilitärischer Natur. Ihre Abwehr ist eine Polizeiaufgabe. Das betont die Linke schon in der Kritik des „Antipiraterie“-Einsat- zes vor Somalia, und das gilt es auch jetzt zu betonen. Die EU-Mittelmeeranrainer verfügen über entspre- chende polizeiliche Ressourcen, ihre Küstenwachen und andere Grenzbehörden sind für den Einsatz auch auf See ausgestattet. Davon abgesehen ist das Mittelmeer ohne- hin schon hochmilitarisiert und wimmelt nur so von Kriegsschiffen der NATO. Ein zusätzlicher Bundes- wehreinsatz ist daher auch sachlich unnötig und dient einzig dem politischen Zweck, Deutschland wieder an eine Art vorderster Front zu bringen. Hinzu kommt, dass das Mandat, wie gewohnt, extrem „großzügig“ ist und nicht nur das Mittelmeer, sondern auch bei Bedarf den Nordatlantik mit angrenzenden See- gebieten in internationalen Gewässern umfasst. Mit an die 50 Millionen Quadratkilometer deckt das Mandat da- mit einen äußerst großen Teil der Nordhalbkugel der Erde ab. Das ist sachlich völlig unnötig und nur Aus- druck des Großmachtstrebens, das hinter dem Mandat steckt. Eine Zustimmung zu einem solchen Einsatz würde nicht nur die prinzipielle Haltung der Linken gegen Bun- deswehreinsätze im Ausland durch eine nur scheinbar harmlose Einzelfallentscheidung durchlöchern. Sie würde auch den Einsatz der Bundeswehr zum Zwecke der „Ab- wehr“ einer „Gefahr“ gutheißen, die ganz und gar im Va- gen bleibt. Und sie würde die Mandatierung der Bundes- wehr mit Polizeiaufgaben legitimieren. Das sind viele Gründe, dagegenzustimmen. Stefan Liebich (DIE LINKE): Die Debatte um den Schutz der Vernichtung der syrischen Chemiewaffen wird innerhalb meiner Fraktion kontrovers geführt. Ich respektiere viele Argumente derer, die dem vorliegenden Mandat nicht ihre Zustimmung erteilt haben, bin aber zu einem anderen Schluss gekommen. Ich habe dem Antrag der Bundesregierung zugestimmt und möchte hier meine Begründung darlegen. Ich halte den Schutz der Zerstörung von Massenver- nichtungswaffen für den besten Auftrag, den eine Armee erfüllen kann. Als am 27. September 2013 der einstim- mige Beschluss des Sicherheitsrates der Vereinten Natio- nen mit der Zustimmung Russlands und der Volksrepu- blik China für die Ausfuhr und die Vernichtung der Chemiewaffen aus Syrien – Resolution 2118 – gefasst wurde, ist eine weitere Eskalation des Bürgerkriegs ver- hindert worden. Die angekündigte Intervention der Ver- einigten Staaten von Amerika in diesen Krieg konnte so vermieden werden und der erneute Einsatz von Massen- vernichtungswaffen wurde bis zu deren vollständigem Abzug erschwert bzw. danach verhindert. Die Vereinten Nationen haben in der Resolution 2118 des Sicherheitsrates alle Mitgliedstaaten um die Hilfe bei der Beseitigung der Chemiewaffen gebeten. Dänische Schiffe bringen die Chemiewaffen unter dem Schutz rus- sischer und chinesischer Schiffe nach Italien, dort wer- den sie auf die US-amerikanische „Cape Ray“ verladen; es ist unter anderem ein deutsches Schiff, das dann den Prozess der Hydrolyse bewacht. Viele Länder beteiligen sich an diesem wichtigen Prozess. Die Bundesrepublik Deutschland steht durch ihr Han- deln in der Vergangenheit in diesem Konflikt in beson- derer Verantwortung. Die Auslieferung von Dual-Use- Gütern, die zur Herstellung von Chemiewaffen genutzt werden können, an Syrien, ein Land, das zu diesem Zeit- punkt die Chemiewaffenkonvention nicht ratifiziert hatte, war falsch. Auch darum ist es jetzt wichtig, dass die Bundesrepublik Deutschland sich in besonderem Maße bei der Vernichtung der syrischen Chemiewaffen engagiert. Ich bin für eine konsequente Abrüstung von Massen- vernichtungswaffen weltweit. Ich bin für eine starke UNO. Ich bin für eine konsequente Einhaltung des Völ- kerrechts. Daher habe ich dem Antrag der Bundesregie- rung zugestimmt. Petra Pau (DIE LINKE): Hiermit erkläre ich, dass ich zur vorliegenden Beschlussempfehlung mit Enthal- tung stimme. Erstens. Zur Abstimmung stand die Beschlussempfeh- lung des Auswärtigen Ausschusses – Drucksache 18/1067 – zu einem Antrag der Bundesregierung – Drucksache 18/984 – zur „Beteiligung bewaffneter deutscher Streit- kräfte am maritimen Begleitschutz bei der Hydrolyse syrischer Chemiewaffen an Bord der CAPE RAY im Rahmen der gemeinsamen VN/OVCW-Mission zur Ver- nichtung der syrischen Chemiewaffen“. Ich habe mit Enthaltung votiert. Zweitens. Es geht um die Vernichtung syrischer Che- miewaffen, also um Abrüstung. Das findet meine Zu- stimmung, zumal die Bundesrepublik Deutschland dafür eine große Verantwortung trägt, da sie maßgeblich an der Hochrüstung Syriens – und weiterer Staaten – betei- ligt war bzw. ist. Das spräche für ein Ja. Drittens. Zugleich ist nicht auszuschließen, dass die USA und weitere NATO-Staaten diese Beteiligung der Deutschen Bundeswehr als Entlastung missdeuten, um die angedrohte militärische Eskalation gegen Russland im aktuellen Krim-Konflikt zu forcieren. Das spräche für ein klares Nein. Viertens. Meine gewissenhafte politische Abwägung zwischen einem Ja zum militärischer Abrüstung und ei- nem Nein zu militärischer Eskalation führt mich im kon- kreten Fall zu einer Enthaltung in oben genannter Ab- stimmung. Richard Pitterle (DIE LINKE): Dem Wunsch der Bundesregierung, dem beantragten Mandat meine Zu- stimmung zu geben, kann ich nicht entsprechen. Grundsätzlich befürworte ich den Einsatz der Bundes- wehr im Ausland nicht. Dies nicht aus einer pazifisti- schen, sondern aus einer antimilitaristischen Grundhal- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. April 2014 2427 (A) (C) (D)(B) tung heraus, weil alle Erfahrungen zeigen, dass sich letztlich Probleme in der Welt nicht militärisch lösen las- sen. Darüber hinaus bin ich der festen Überzeugung, dass sich Deutschland aus historischen Gründen – aufgrund der bei den europäischen Völkern unvergessenen Verbrechen der Deutschen Wehrmacht – militärisch nicht engagieren sollte. Gegenwärtig erleben wir eine Politik der systemati- schen Ausweitung von Bundeswehreinsätzen, die mit der „gewachsenen Verantwortung“ Deutschlands be- gründet wird. Diese lehnt die Linke zu Recht als einzige Fraktion ab. Trotz meiner grundsätzlichen Ablehnung der deut- schen Auslandseinsätze war ich bereit, das vorliegende Mandat auf seine Zustimmungsfähigkeit zu prüfen, weil es sich meines Erachtens um keinen Kriegseinsatz han- delt. Denn eine grundsätzliche Haltung entbindet den Abgeordneten nicht von der Verantwortung, zu prüfen, ob eine Teilnahme der Bundeswehr an Abrüstungsmaß- nahmen sinnvoll wäre. Die Abrüstung und Vernichtung der chemischen Waffen Syriens sind ein positiver Schritt, der von mir und meiner Fraktion als Ganzes be- grüßt wird. Insbesondere die Entsorgung der Waffen in der niedersächsischen Anlage in Munster ist ein wichti- ger Beitrag, den Deutschland leisten kann. Die hingegen von der Bundesregierung beantragte Teilnahme einer Fregatte der Bundeswehr zur Sicherung des Vorgangs der Demontage auf einem Kriegsschiff halte ich für nicht erforderlich und für reine Symbolpoli- tik. Auf Kosten der Steuerzahler soll die Fregatte der Bundeswehr eingesetzt werden, damit Frau von der Leyen ihren Anspruch auf „Mitverantwortung“ unter- streichen kann. Die hierbei von der Bundesregierung ge- nannten Kosten von 7,2 Millionen Euro sind reine Steu- erverschwendung und könnten anderweitig sinnvoller eingesetzt werden. Als Finanzpolitiker muss ich den Einsatz daher bereits aus fiskalischen Gründen ablehnen. Ich habe mich nach gründlicher Abwägung aller Ar- gumente entschieden, mit Nein zu stimmen, aber will festhalten, dass ich ausdrücklich die Entscheidung mei- ner Kolleginnen und Kollegen respektiere, die nach Ab- wägung der Argumente zustimmen oder sich enthalten. Es ist eine Stärke unserer Fraktion, dass wir unsere un- terschiedliche Meinung respektieren und dem anders Entscheidenden nicht andere Motive für seine Entschei- dung unterstellen. Halina Wawzyniak (DIE LINKE): Der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte am maritimen Be- gleitschutz bei der Hydrolyse syrischer Chemiewaffen an Bord der „Cape Ray“ im Rahmen der gemeinsamen VN/OVCW-Mission zur Vernichtung der syrischen Che- miewaffen habe ich nicht zugestimmt. Die nachfolgen- den, im Wesentlichen vom Journalisten René Heilig be- reits im Neuen Deutschland vom 5. April 2014 unter dem Titel „Deutsche Marine als Lückenbüßer“ genann- ten Argumente haben mich zu einem Nein bei der Ab- stimmung bewogen. Erstens. Deutschland beteiligt sich an der Vernichtung der syrischen Chemiewaffen im eigenen Land, in Muns- ter. Die Abfallprodukte der Zerstörung auf hoher See werden nach Deutschland transportiert und von einer bundeswehreigenen Gesellschaft am Bundeswehrstand- ort Munster endgültig vernichtet. Diese Beteiligung an der Vernichtung der syrischen Chemiewaffen ist aus- drücklich zu begrüßen und zu unterstützen. Das Argu- ment, Deutschland würde sich nicht an der Vernichtung beteiligen, gilt demnach nicht. Deutschland beteiligt sich an der Vernichtung. Zweitens. Die „Cape Ray“ ist nicht schutzlos. Für ih- ren Schutz bedarf es der deutschen Marine nicht. Für den Abtransport der syrischen Kampfstoffe aus dem Hafen von Latakia durch den dänischen Frachter „Ark Futura“ und die norwegische „Taiko“ ist eine Nahsicherung vor- gesehen, die von der russischen und der chinesischen Marine gestellt wird. Derzeit sind rund 60 Prozent der syrischen Kampfstoffe, die in der Masse in Tanks gela- gert sind, auf die Schiffe gebracht. Auf hoher See über- nehmen drei Kriegsschiffe aus Norwegen, Dänemark und Großbritannien den Schutz der beiden Frachter. Die sollen die Kampfstoffe in den italienische Containerha- fen Gioia Tauro nördlich der Straße von Messina brin- gen. Dort werden diese unter Schutz der italienischen Sicherheitskräfte auf die „Cape Ray“ umgeladen. Außer- halb der italienischen Hoheitsgewässer wird das US- Spezialschiff durch die US-Navy gesichert. Das Argu- ment, die Vernichtung der Chemiewaffen müsse geschützt werden, ist richtig. Es ist aber nicht erkennbar, dass zum Schutz der Vernichtung die deutsche Marine erforderlich ist. Drittens. Die US-Mittelmeerflotte hat zwei Fregatten ins Schwarze Meer abgestellt, um vor den Krim-Gewäs- sern Manöver mit Verbündeten abzuhalten. Soweit diese beim weiteren Schutz der „Cape Ray“ fehlen sollten, kann und darf dies nicht durch die deutsche Marine aus- geglichen werden. Diese wäre dann tatsächlich Lücken- büßer und legitimiert damit das militärische Manöver vor der Krim. Militärische Manöver statt Schutz von Ab- rüstungsaktivitäten sind keine gute Begründung, um ei- nen Einsatz der deutschen Marine im Ausland als Lü- ckenbüßer zu rechtfertigen. Viertens. Das Mandat umfasst – Punkt 3 – auch Tran- sitfahrten im Mittelmeer und bei Bedarf auch im Nordat- lantik mit angrenzenden Seegebieten – also der Nord- und Ostsee. Damit sollen jene Schiffe eskortiert werden, die die nach der Hydrolyse der syrischen Kampfstoffe auf der „Cape Ray“ anfallenden chemischen Stoffe zu den endgültigen Vernichtungsstätten in Großbritannien, im deutschen Munster und nach Finnland bringen. Diese Fracht ist dann aber gar nicht mehr als Waffe verwend- bar. Ein militärischer Begleitschutz ist hier also gar nicht nötig. Ganz klar will ich aber auch sagen: Es handelt sich nicht um einen Kriegseinsatz der Bundeswehr. Krieg ist etwas anderes. Wer hier von Kriegseinsatz spricht, ver- harmlost Krieg. 2428 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. April 2014 (A) (C) (D)(B) Harald Weinberg (DIE LINKE): Ich bin für die Ver- nichtung dieser syrischen und aller anderen Chemiewaf- fen sowie aller weiteren Massenvernichtungswaffen – sie hätten niemals hergestellt werden dürfen –, auch wenn ich den Antrag der Bundesregierung ablehne. Ich begrüße es, dass die endgültige Entsorgung in Deutschland – Munster, GEKA – vorgenommen wird. Mit der Lieferung von Ausgangsstoffen hat Deutschland mit hoher Wahrscheinlichkeit einen wesentlichen Anteil an der Existenz dieser Chemiewaffen und leistet durch die Entsorgung einen wichtigen Beitrag zu ihrer Ver- nichtung. Für die Gesamtaktion der Vernichtung der syrischen Chemiewaffen an Bord der „Cape Ray“ ist eine Beteili- gung bewaffneter deutscher Streitkräfte am maritimen Begleitschutz aus meiner Sicht völlig entbehrlich. Das gilt selbst dann, wenn man berücksichtigt, dass die von Russland im Rahmen des NATO-Russland-Rats angebo- tene Unterstützung mit Begleitschiffen nun seitens der NATO im Zusammenhang mit der Krim-Krise abgewie- sen wurde. Sogar die Bundesverteidigungsministerin spricht von einem eher symbolischen Beitrag, den die deutsche Fregatte hier leiste. Deshalb werde ich den Antrag der Bundesregierung ablehnen. Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Herbert Behrens, Matthias W. Birkwald, Cornelia Möhring, Martina Renner, Kathrin Vogler (alle DIE LINKE) zur namentlichen Abstimmung über die Beschluss- empfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung: Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte am mariti- men Begleitschutz bei der Hydrolyse syrischer Chemiewaffen an Bord der CAPE RAY im Rahmen der gemeinsamen VN/OVCW-Mission zur Vernichtung der syrischen Chemiewaffen (Tagesordnungspunkt 4) Die Vernichtung syrischer Chemiewaffen ist ein be- deutsamer Beitrag zur Abrüstung und ein notwendiger, jedoch nicht hinreichender Beitrag zum Schutz der syri- schen Zivilbevölkerung in einem anhaltenden, grausa- men Bürgerkrieg, dem bereits Zehntausende zum Opfer gefallen sind. In Übereinstimmung mit unserer Fraktion unterstützen wir die Beteiligung Deutschlands an dieser Aktion durch die Entsorgung der Reststoffe im nieder- sächsischen Munster. Die Entsendung deutscher Solda- tinnen und Soldaten auf der Fregatte „Augsburg“ zum militärischen Begleitschutz im Rahmen der US-geführ- ten Aktion lehnen wir jedoch ab und stimmen deswegen mit Nein. Das von der Bundesregierung vorgelegte Mandat be- gründet unserer Ansicht nach weder die Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit dieses erneuten Bundeswehrein- satzes noch schafft es hinreichende Klarheit über Art und Umfang von Einsatzgebiet und Auftrag. Zudem steht dieser Einsatz symbolisch für eine Politik der syste- matischen Ausweitung von Bundeswehreinsätzen, die wir ablehnen. Wir haben uns intensiv mit dieser Frage auseinander- gesetzt und unsere Entscheidung begründet nach Abwä- gung aller Argumente getroffen. Wir erklären ausdrück- lich unseren Respekt vor denjenigen Kolleginnen und Kollegen, die nach ebenso ernsthafter Abwägung der Argumente und Hintergründe für sich zu einer anderen Schlussfolgerung gekommen sind. Wir halten das für ei- nen Gewinn an politischer Kultur. Die Linke ist diejenige Fraktion im Bundestag, die sich am deutlichsten für eine Zivilisierung der deutschen Außenpolitik, für umfassende Abrüstung, Vernichtung von Massenvernichtungswaffen und gegen Rüstungs- exporte einsetzt. Das konsequente Nein zu den Kampf- einsätzen der Bundeswehr und das Aufzeigen von Alter- nativen bleibt Grundlage unserer gemeinsamen Politik. Damit vertritt die Linke auch eine Mehrheit in der Be- völkerung, die diese Einsätze ablehnt und ohne uns keine Stimme im Bundestag hätte. Das wird auch so bleiben. Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Christine Buchholz und Hubertus Zdebel (beide DIE LINKE) zur na- mentlichen Abstimmung über die Beschluss- empfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung: Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte am mariti- men Begleitschutz bei der Hydrolyse syrischer Chemiewaffen an Bord der CAPE RAY im Rahmen der gemeinsamen VN/OVCW-Mission zur Vernichtung der syrischen Chemiewaffen (Tagesordnungspunkt 4) Wir haben heute gegen den Antrag der Bundesregie- rung zur Entsendung eines bewaffneten Kriegsschiffes der Bundeswehr mit 300 Soldatinnen und Soldaten ins Mittelmeer, den Nordatlantik und angrenzende Seege- biete gestimmt. Wir sind für die Vernichtung des syrischen Giftgases und auch dafür, dass die Reststoffe in der bundeswehrei- genen Firma GEKA in Munster vernichtet werden. Den Begleitschutz durch die Fregatte „Augsburg“ lehnen wir ab. Denn er findet nicht im luftleeren Raum statt. Er ist Teil der Neuausrichtung der Bundeswehr, die in immer mehr internationale Einsätze geschickt werden soll. Die Bundesregierung will die Öffentlichkeit weiter an Auslandseinsätze der Bundeswehr gewöhnen. Vor nicht mal einer Woche wurde ein neuer Bundeswehreinsatz in Somalia beschlossen, morgen stimmen wir über einen weiteren neuen Einsatz in der Zentralafrikanischen Re- publik ab. Wir lehnen diese Neuausrichtung ab. Die Bundesregierung nutzt die Vernichtung der Chemiewaf- fen auch, um das schlechte Bild von Auslandseinsätzen zu korrigieren. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. April 2014 2429 (A) (C) (D)(B) Die Bundesregierung hat in den Fachausschüssen des Bundestages falsch informiert. Sie hat ein Mandat vor- gelegt, das ein weit über den geplanten Einsatz hinaus- gehendes Einsatzgebiet vorsieht. Dieses Vorgehen zeigt zum wiederholten Mal, dass die Regierung zum Teil keine korrekten Informationen über die Planung von Bundeswehreinsätzen und die Einsätze selbst gibt. Deutsche Unternehmen haben jahrelang Material für Giftgasfabriken und Giftgasbestandteile, sogenannte Dual-Use-Güter, nach Syrien geliefert. Es wäre wichtig, sofort die Lieferung von Dual-Use-Chemikalien an Län- der, die nicht Mitglied der Chemiewaffenkonvention sind, einzustellen. Dies wäre, neben der Beteiligung an der Vernichtung des Chemiewaffenprogramms Syriens in Munster, der wichtigste Beitrag, den zukünftigen Ein- satz von Chemiewaffen zu verhindern, nicht die Entsen- dung der Bundeswehr ins Mittelmeer. Deshalb haben wir heute gegen die Entsendung der Marine gestimmt. Anlage 5 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Sevim Dağdelen, Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Alexander S. Neu, Heike Hänsel, Inge Höger, Annette Groth, Alexander Ulrich, Andrej Hunko, Karin Binder, Pia Zimmermann, Niema Movassat, Azize Tank, Katrin Werner (alle DIE LINKE) zur namentli- chen Abstimmung über die Beschlussempfeh- lung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung: Beteiligung be- waffneter deutscher Streitkräfte am maritimen Begleitschutz bei der Hydrolyse syrischer Che- miewaffen an Bord der CAPE RAY im Rahmen der gemeinsamen VN/OVCW-Mission zur Ver- nichtung der syrischen Chemiewaffen (Tages- ordnungspunkt 4) Wir haben heute aus prinzipieller Sicht, aber gerade auch angesichts der konkreten Sachlage gegen den An- trag der Bundesregierung zur Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte am maritimen Begleitschutz bei der Hydrolyse syrischer Chemiewaffen an Bord der „Cape Ray“ gestimmt. Wir teilen die Einschätzung aus der Friedensbewegung, von Friedensaktivisten und Frie- densforschern, dass „kein plausibler Grund erkennbar (ist), den zwischen Syrien und den Vereinten Nationen bzw. der OPCW ausgehandelten Abzug des gesamten syrischen Chemiewaffenarsenals und dessen Vernich- tung mit einer militärischen Komponente vonseiten der Bundesrepublik Deutschland zu begleiten“ (Stellung- nahme Bundesausschuss Friedensratschlag 08.04.2014). Unsere Antwort muss zivil bleiben. Wir möchten, dass der zivile Beitrag Deutschlands zur Vernichtung der syri- schen Chemiewaffen ausgeweitet wird. Deutschland darf in Zukunft nicht weiter Chemikalien oder Anlagen, die zur Herstellung von Chemiewaffen dienen, in Länder exportieren, die die Chemiewaffenkonvention nicht rati- fiziert haben. Wir haben gegen den Antrag der Bundesregierung ge- stimmt, weil wir überzeugt sind, dass unsere Antwort eben nicht militärisch sein darf. Auslandseinsätze der Bundeswehr lösen kein einziges Problem. Im Gegenteil schaffen sie ständig neue Probleme. Deutschland ist an der Vernichtung der Chemiewaffen aus Syrien beteiligt, ohne dass es an einem Auslandseinsatz teilnehmen muss: Die sichergestellten Chemiewaffen werden unter anderem nach Munster in Niedersachsen gebracht, wo sie vernichtet werden. Deutschland erbringt damit einen maßgeblichen Beitrag zur Vernichtung der Chemiewaf- fen. Das ist konkrete Abrüstungspolitik. Wir haben heute gegen den Einsatz gestimmt, weil sich zudem eine ganze Reihe von neuen Risiken, die mit dem Einsatz eines deutschen Kriegsschiffs verbunden sind, ergeben. Gerade auch vor dem Hintergrund der Be- endigung der militärischen NATO-Russland-Koopera- tion, einer neuen Eskalation der USA, Saudi-Arabiens und der Türkei mit False-Flag-Operations und der mög- lichen Vorbereitung eines Angriffskriegs gegen Syrien ist äußerste Vorsicht geboten. Auf Nachfragen konnte die Bundesregierung keine schlüssige Erklärung liefern, warum das Mandat nicht nur das Mittelmeer, sondern auch den Nordatlantik und dessen angrenzende Seege- biete umfasst. Unklar ist weiterhin, wie viele Kriegs- schiffe insgesamt überhaupt eingesetzt werden sollen. Auch was die Aufgaben angeht, ist das Mandat einfach unklar. Diese Situation gebietet es, der Bundesregierung nicht eine unwidersprochene Carte blanche für ihren Mi- litäreinsatz zu erteilen. Die Anfrage für die Entsendung des deutschen Kriegsschiffs kommt direkt von den USA. Die Frage, ob neben einer symbolischen Funktion hier eine deutsche Entlastung der Kriegsmarine der USA für andere Aufgaben nach dem Vorbild der Abstellung deut- scher Wachmannschaften zur Bewachung von US-Ka- sernen im Vorfeld des Irak-Krieges übernommen werden soll, bleibt ungeklärt. Sie stellt sich allerdings aktuell verschärft, da ein weiteres US-amerikanisches Kriegs- schiff ins Schwarze Meer entsandt wurde und die Bundeswehr hier somit eine Entlastungsfunktion für die US-Streitkräfte im Mittelmeer übernimmt. Die 12 Mil- lionen Euro für diesen neuen Militäreinsatz wären für die Aufstockung des Etats des World Food Programme für die syrischen Flüchtlinge besser aufgehoben. So stimmen wir auch deshalb gegen den Einsatz, weil er ne- ben einer symbolischen Funktion dazu beiträgt, Kriegs- schiffe für eine Eskalationspolitik der USA gegen Russ- land freizusetzen. Wir sagen aber nicht zuletzt auch heute Nein zum Einsatz deutscher Kriegsschiffe im Mittelmeer, weil es der Kontext einer verstärkt militarisierten deutschen Au- ßenpolitik ist, der eine Ablehnung des Einsatzes nahe- legt. Seit der Münchner Sicherheitskonferenz und den Erklärungen von Außenminister Steinmeier und Vertei- digungsministerin von der Leyen, mehr deutsche Welt- geltung mit einer Ausweitung deutscher Auslandsein- sätze erreichen zu wollen, wird im Bundestag nahezu in jeder Sitzungswoche über einen neuen Auslandseinsatz abgestimmt. Wie die große Mehrheit der Bevölkerung lehnen wir Auslandsabsätze der Bundeswehr ab. Deutsch- land sollte sich nicht militärisch engagieren, sondern zi- vil. Offsetdruc sellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 K kerei, Bessemerstraße 83–91, 1 öln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de 22 29. Sitzung Inhaltsverzeichnis Epl 04 Bundeskanzlerin und Bundeskanzleramt Epl 05 Auswärtiges Amt TOP 4 Bundeswehreinsatz VN/OVCW (Syrische C-Waffen) Epl 14 Verteidigung Epl 23 Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Anlagen
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Rolf Mützenich


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)


    Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

    Für eine Region, die seit langem keinen Frieden mehr
    kennt, ist die Vernichtung der syrischen Chemiewaffen
    einer der wenigen Lichtblicke. Wir sollten uns das ange-
    sichts der Dramatik, die in dieser Region derzeit vor-
    herrscht, vergegenwärtigen. Insbesondere in Syrien – da-
    rauf haben alle Rednerinnen und Redner bei der
    Diskussion über den Einzelplan des Auswärtigen Amtes
    hier im Deutschen Bundestag hingewiesen – kennen die
    Barbarei und die Verzweiflung der Menschen, die tag-
    täglich mit Gewalt und Vertreibung konfrontiert sind,
    kein Ende.

    Ich bin sicher, ich spreche für das gesamte Haus,
    wenn ich sage, dass viele der Kolleginnen und Kollegen
    auch in den eigenen Wahlkreisen von den Schicksalen
    Einzelner wissen und versuchen, ganz persönlich zu hel-
    fen. Das ist einer der Beiträge, die Deutschland leisten
    kann, insbesondere wenn es um humanitäre Hilfe geht.

    Es gibt weitere Punkte in der Region, die Anlass zu
    Pessimismus geben: die Rückkehr autoritärer Regime,
    Aufrüstung und Mangel an Vertrauensbildung. Leider
    herrscht an vielen Stellen noch Misstrauen. So wissen
    wir immer noch nicht, ob wir Mitte dieses Jahres eine er-
    folgreiche Lösung der iranischen Atomkrise erleben
    werden.

    In diesen Tagen – der Bundesaußenminister hat es an-
    gesprochen – müssten wir uns die größten Sorgen auch
    darum machen, dass die Friedensbemühungen im Nahen
    Osten, die insbesondere vom amerikanischen Außen-
    minister immer wieder sehr stark vorangetrieben worden
    sind, am seidenen Faden hängen. Möglicherweise sind
    sie bereits gescheitert.

    Deswegen war es gut – das sage ich auch an die Mit-
    glieder der Bundesregierung gerichtet –, dass die neue
    Bundesregierung sofort entschieden hat, sich an der Ver-
    nichtung der Chemiewaffen zu beteiligen. Ich danke
    dem Bundesaußenminister und der Verteidigungsminis-
    terin für ihre gemeinsame Initiative. Wir brauchen dafür
    heute ein starkes Signal der Unterstützung aus dem
    Deutschen Bundestag.

    Das, worüber wir heute diskutieren, ist alles andere
    als ein symbolisches Mandat. Deswegen will ich auf ein-
    zelne Punkte eingehen, die in den letzten Tagen immer
    wieder verzweifelt gesucht wurden – so muss ich das sa-
    gen –, um eine Ablehnung zu rechtfertigen. Ich fand die
    Argumente, die in der ersten Lesung vorgetragen worden
    sind, schon sehr zweifelhaft. Das, was ich in den letzten
    Tagen gehört und gelesen habe, hat diesen Eindruck ver-
    stärkt. Ich will einige Punkte benennen:

    Einige sagen, es liege keine ausdrückliche Einladung
    an die Bundesregierung, an Deutschland vor, sich an die-
    ser Mission zu beteiligen. Ich bitte diejenigen, die das so
    sehen, in die Resolution 2118 (2013) des Sicherheitsra-
    tes der Vereinten Nationen zu schauen. Unter Ziffer 10
    heißt es, dass der Sicherheitsrat die Mitgliedsländer bit-
    tet – ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin –,

    Unterstützung bereitzustellen, darunter Personal,
    technischen Sachverstand, Informationen, Ausrüs-
    tung, Finanzmittel und sonstige Ressourcen und
    Hilfe, um die OVCW

    – Organisation für das Verbot chemischer Waffen –

    und die Vereinten Nationen in die Lage zu verset-
    zen, die Beseitigung des Chemiewaffenprogramms
    der Arabischen Republik Syrien durchzuführen,
    und beschließt, die Mitgliedstaaten zu ermächtigen,
    die vom Generaldirektor der OVCW ermittelten
    chemischen Waffen zu erwerben, zu kontrollieren,
    zu transportieren, weiterzugeben und zu vernich-
    ten …

    Ich weiß nicht, ob es eine bessere Einladung geben
    kann als die vom höchsten Souverän in der internationa-
    len Politik. Ich finde, das sollten wir zur Kenntnis neh-
    men. Möglicherweise ist die Einladung etwas kompli-
    ziert ausgedrückt. Aber ich finde schon, dass wir die
    Einladung annehmen sollten. Deutschland ist ein guter
    Partner in den Vereinten Nationen. Deswegen sollten wir
    diese Debatte nicht mehr führen.

    Ein anderes Argument war, der Schutz sei unnötig.
    Nun haben wir oft eine Debatte darüber geführt, ob die
    syrische Regierung oder möglicherweise die Aufständi-
    schen für den Einsatz der Chemiewaffen, für den Angriff
    mit chemischen Waffen verantwortlich sind. Ich glaube
    immer noch, dass eine Menge Indizien dafür sprechen,
    dass es das Regime Assad gewesen ist. Sie wissen auch,
    dass diejenigen, die das im Namen der Vereinten Natio-
    nen überprüft haben, nicht ermächtigt waren, genau fest-
    zustellen, wer es war. Wenn Sie darauf hinweisen, dass
    es auch die Aufständischen gewesen sein könnten, dann
    ist es doch umso notwendiger, dass wir einen Schutz or-
    ganisieren, insbesondere weil wir vor mehreren Jahren
    Angriffe auf Kriegsschiffe erlebt haben, zum Beispiel
    auf die USS „Cole“. Deswegen glaube ich, dass Schutz
    letztlich notwendig ist, und es liegt auf der Hand, dass
    sich Deutschland daran beteiligt.

    Dann gab es das Argument: Das können die USA al-
    leine. – In der Tat: Die USA können das alleine. Sie ver-
    fügen über das notwendige militärische Gerät. Wir wol-
    len aber ausdrücklich nicht, dass die USA dies alleine
    tun, und zwar aus einem ganz wichtigen Grund, einem
    Grund, den wir nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges
    in der Charta der Vereinten Nationen niedergelegt haben.
    Wir wollen das gemeinsam machen, nicht nur, um mit-
    bestimmen zu können, sondern auch, um die Einbindung
    von Partnern in ein solches Mandat zu erreichen. Ich
    habe mich über dieses Argument gewundert; denn dieje-
    nigen, die gesagt haben: „Die USA können das alleine“,
    reden sonst immer von der amerikanischen Hegemonie.
    Ich glaube, wir sollten gemeinsam dafür sorgen, dass wir
    die USA bei diesem Mandat unterstützen.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Es gab ein viertes Argument. Es wurde gesagt, dass
    wir andere herausdrängen. Das stimmt überhaupt nicht.
    Immer noch sind seitens der Vereinten Nationen viele
    Staaten eingeladen. Russland und China haben es nicht
    abgelehnt, beispielsweise den Transport weiterhin mit zu





    Dr. Rolf Mützenich


    (A) (C)



    (D)(B)

    übernehmen. Sie können sich beteiligen. Sie haben eben
    nicht ausdrücklich feststellen wollen, dass sie nicht mehr
    mit dabei sind. Es ist letztlich in ihrem Interesse, an der
    Vernichtung der chemischen Waffen Syriens beteiligt zu
    sein. Weiterhin steht diese Tür sehr weit offen. Ich
    glaube, dass Russland sich in den nächsten Wochen aus
    Eigeninteresse wieder massiv daran beteiligen wird, ins-
    besondere weil – das hat der Außenminister festgestellt –
    bisher nur 54 Prozent der chemischen Waffen gesichert
    sind.

    Als letzter Aspekt wurde in die Debatte die Frage ein-
    gebracht: Warum der Nordatlantik? Ich frage mich: Wa-
    rum diskutieren wir hier ständig über Auslandseinsätze,
    über Klarheit und Wahrheit eines Mandats? Wenn in den
    nächsten Wochen möglicherweise aus Sicherheitsgrün-
    den, aus Witterungsgründen oder anderen Gründen die
    Vernichtung im Mittelmeer nicht stattfinden kann, dann
    machen wir das eben im Nordatlantik. Was spricht denn
    gegen konkrete Abrüstung an dieser Stelle?

    Ich möchte sehr deutlich sagen: Ich glaube, gerade
    dieses neue Mandat schafft eine neue Qualität im Be-
    reich der internationalen Politik, aber auch bei der Be-
    handlung von Bürgerkriegen. Wir haben es damals beim
    Vertrag von Dayton bezüglich des jugoslawischen Bür-
    gerkriegs gesehen. Auch da ist Rüstungskontrolle einge-
    bracht worden, leider zu spät, aber immerhin wurde sie
    eingebracht. Jetzt sollen Abrüstung und Rüstungskon-
    trolle helfen, die schlimme Situation in Syrien zu verbes-
    sern. Was spricht denn dagegen, für dieses Mandat zu
    stimmen?


    (Jan van Aken [DIE LINKE]: Das sage ich Ihnen gleich!)


    Ich glaube, es geht mit diesem Mandat mehr und ver-
    stärkt darum, den diplomatischen Weg zu gehen. Die
    Bundesregierung versucht seit Wochen – der Bundes-
    außenminister hat es gerade in seiner Rede gesagt –, hier
    wieder voranzukommen. Dass es keine Waffenlieferun-
    gen von Saudi-Arabien, von Katar, aber auch von Russ-
    land und vielen anderen Ländern aus geben darf, gehört
    auf die Tagesordnung. Es geht auch um humanitäre Kor-
    ridore im Rahmen einer Waffenruhe. Und in der Tat, die
    Türkei muss in den nächsten Wochen in den Gremien
    darüber Auskunft geben, wie sie heute auf diesen Kon-
    flikt in Syrien blickt. Auch das gehört zu einer ehrlichen
    Diskussion.

    Bundeswehrmandate – das sage ich an alle Fraktionen –
    sind immer eine Einzelfallentscheidung. Ich habe hohen
    Respekt vor jedem Einzelnen, der für sich in der Vergan-
    genheit begründet hat, dass er einem bestimmten Mandat
    nicht zustimmen kann. Das hat das Bundesverfassungs-
    gericht so niedergelegt, und das hat insbesondere auch
    dieses Hohe Haus immer wieder gewürdigt. Auch in un-
    serer Fraktion gab es immer wieder unterschiedliche
    Stimmen zu Bundeswehrmandaten.

    Aber, ich finde, Sie sollten sich darüber klar werden,
    dass es heute nicht darum geht, zu intervenieren oder
    vielleicht Soldaten zur Friedenssicherung in Blauhelm-
    missionen oder anderweitig mit einem robusten Mandat
    auszustatten. Das heute zur Abstimmung stehende Man-
    dat ist vielmehr ein konkreter Beitrag zur Abrüstung. Es
    soll helfen, das umzusetzen, was in dieser Region ver-
    sucht wird, und gerade auch in Syrien ist es dringend
    notwendig, die Fragen von Abrüstung und Diplomatie in
    den Vordergrund zu stellen. Wenn man heute für dieses
    Mandat stimmt, unterstützt man Abrüstung und Rüs-
    tungskontrolle.

    Ich komme zu einem anderen Aspekt. Ich glaube, die
    Beratungen über dieses Mandat hätten auch einen Bei-
    trag zu einer in diesem Haus notwendigen Diskussion
    zwischen allen Fraktionen leisten können, wann und ob
    militärische Beteiligungen im Rahmen von Beschlüssen
    der Vereinten Nationen sinnvoll sind und zur Friedenssi-
    cherung beitragen. Das habe ich vermisst. Ich finde, Sie
    haben die Möglichkeit, zu dieser Debatte sachlich beizu-
    tragen, nicht genutzt.

    Die internationale Politik steht in diesen Wochen vor
    ungeahnten Herausforderungen. Noch immer hören und
    sehen wir an zu vielen Orten verantwortungslose Unru-
    hestifter. Die Vernichtung der syrischen Chemiewaffen
    unterstreicht deshalb mehr denn je auch die Bedeutung
    der Diplomatie und der Abrüstung für die Wiederherstel-
    lung des Friedens. In diesen Tagen brauchen Diplomatie
    und Abrüstung eine starke Stimme. Ich bitte um Ihre Un-
    terstützung.

    Vielen Dank.


    (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)




Rede von Claudia Roth
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Rolf Mützenich. – Für die Linke Jan

van Aken.


(Beifall bei der LINKEN)



  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Jan van Aken


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE LINKE.)


    Grüß Gott, Frau Präsidentin! Meine Damen und Her-

    ren! Ich finde, es ist wirklich keine einfache Frage. Es
    gibt sehr viele sehr gute Argumente für diesen Einsatz,
    und es gibt sehr viele sehr gute Argumente gegen diesen
    Einsatz. Wir haben in der Fraktion darüber diskutiert. Er
    wurde von verschiedenen Personen unterschiedlich be-
    wertet. Einige werden dafür stimmen, einige dagegen,
    andere werden sich enthalten.

    Ich will ganz vorne anfangen. Es geht um die Ver-
    nichtung syrischer Chemiewaffen im Mittelmeer und
    den militärischen Schutz durch eine deutsche Fregatte.
    Ich glaube, in einem Punkt sind wir uns alle einig: Es ist
    völlig richtig und wichtig, dass die syrischen Chemie-
    waffen jetzt komplett vernichtet werden.


    (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Ich muss sagen, dass es für mich ganz persönlich auch
    eine Herzensangelegenheit ist. Ich habe die letzten
    15 Jahre vor allem damit zugebracht, für die Vernichtung
    aller biologischen und chemischen Waffen auf der Welt
    zu kämpfen, zwei Jahre lang auch als UN-Biowaffen-
    inspektor. Deswegen bin ich jetzt sehr erleichtert und





    Jan van Aken


    (A) (C)



    (D)(B)

    froh darüber, dass auch das syrische Chemiewaffenpro-
    gramm endgültig vernichtet wird. Ich möchte an dieser
    Stelle den UN-Inspektoren in Syrien danken, die teil-
    weise unter Einsatz ihres Lebens dieses Programm mit
    aufgeklärt und untersucht haben. Das verdient unser al-
    ler Respekt.


    (Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Es ist richtig, wie die Vernichtung der Waffen ge-
    schieht, nämlich auf einem Schiff im Mittelmeer. Das ist
    unter Sicherheitsaspekten und aus ökologischer Sicht die
    beste Methode. Da wird nichts ins Meer gekippt. Das ist
    ein geschlossenes und solides System. Das finde ich als
    alter Umweltaktivist völlig in Ordnung. Herr Mützenich,
    natürlich muss dieser Prozess und muss auch das Schiff
    bewacht werden. Dazu gibt es keine zwei Meinungen;
    denn niemand kann ernsthaft riskieren, 20 Tonnen Senf-
    gas mehrere Monate lang ungeschützt über das Mittel-
    meer schippern zu lassen. So gering die Gefahr auch sein
    mag: Sie ist nicht gleich null.

    Das alles sind sehr gute Argumente für diesen Ein-
    satz. Aber wir können den Einsatz doch nicht isoliert be-
    trachten. Er findet nicht in einem luftleeren Raum statt.
    Praktisch zeitgleich, innerhalb einer Woche werden hier
    im Bundestag zwei ganz neue Bundeswehrmandate ver-
    abschiedet: eines für Somalia und eines für die Zentral-
    afrikanische Republik. Da wird doch in allerkürzester
    Zeit genau das zur Realität, was Herr Gauck, Frau von
    der Leyen und Herr Steinmeier erst vor kurzem verkün-
    det haben, nämlich eine systematische Ausweitung von
    Auslandseinsätzen der Bundeswehr. Diese Militarisie-
    rung der deutschen Außenpolitik wird die Linke niemals
    mittragen.


    (Beifall bei der LINKEN – Thomas Hitschler [SPD]: In diesem Zusammenhang? Das ist nicht zu glauben!)


    Sie reden hier immer von Verantwortung. Aber wis-
    sen Sie eigentlich, was in diesem Fall echte Verantwor-
    tung hieße? Fangen wir doch einmal an:

    Erstens. Stoppen Sie endlich alle heiklen Chemiewaf-
    fenlieferungen,


    (Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


    vor allen Dingen an die Länder, die die Chemiewaffen-
    konvention noch nicht ratifiziert haben! Das haben wir
    beantragt. Dem können Sie gleich zustimmen. Das wäre
    einmal ein Beispiel dafür, wie man Verantwortung über-
    nimmt.

    Zweitens. Binden Sie Russland wieder ein! Es war ein
    fataler Fehler, Russland rauszukegeln.


    (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


    Wir wissen doch alle, dass Assad sein Chemiewaffen-
    programm ohne den Druck aus Moskau nie aufgegeben
    hätte. Sie aber kegeln Russland jetzt raus.

    (Beifall bei der LINKEN – Dr. Andreas Schockenhoff [CDU/CSU]: Völliger Unsinn! – Florian Hahn [CDU/CSU]: Es kegelt sich selbst raus!)


    Drittens. Ziehen Sie sofort die Bundeswehr samt ihrer
    Patriot-Raketen aus der Türkei zurück!


    (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


    Denn damit unterstützen Sie eine ganz gefährliche Poli-
    tik der Türkei auf Kosten der Menschen in Syrien. Das
    wäre für mich Verantwortung. Diese verweigern Sie
    aber. Das einzige, was Sie in einer solchen Situation tun,
    ist das, was Sie so oft tun: mal wieder ein deutsches
    Kriegsschiff schicken. Das ist zu wenig.

    Hinzu kommt, dass das konkrete Mandat, zu dem Sie
    hier einen Bericht vorgelegt haben, wirklich zum Him-
    mel stinkt. Das gibt mir allen Grund zu Misstrauen. Sie
    legen den gesamten Einsatz als NATO-Mandat an. Wa-
    rum machen Sie daraus keine UN-geführte Operation?
    Das machen Sie nicht; Sie legen das als NATO-Mandat
    an. Dann weiten Sie den Einsatz auf den Nordatlantik
    und alle angrenzenden Seegebiete aus. Wir haben nach-
    gefragt: Warum? Herr Mützenich, auch von Ihnen habe
    ich heute keine Antwort bekommen. Ich bekomme auch
    aus den Ministerien keine Antwort. Der Einsatz wird
    ohne jeden Grund auf die halbe Welt ausgeweitet. Was
    soll das?

    Jetzt kommt etwas, von dem ich befürchte, dass es
    draußen in der Welt kein Mensch versteht: Sie wussten
    vorgestern noch nicht einmal, wie viele Kriegsschiffe ei-
    gentlich vor Ort sind. Mir wurde vom Verteidigungsmi-
    nisterium im Auswärtigen Ausschuss gesagt, dort seien
    zwei Kriegsschiffe, und zwar eines von den USA und ei-
    nes von Deutschland – mehr nicht. Zur gleichen Zeit
    hieß es im Verteidigungsausschuss, es seien drei Kriegs-
    schiffe, ein U-Boot und vielleicht noch ein bisschen
    mehr.


    (Florian Hahn [CDU/CSU]: Das stimmt doch gar nicht!)


    Wir haben nachgefragt. 24 Stunden lang haben wir keine
    Antwort bekommen. Sowohl im Verteidigungsministe-
    rium als auch im Auswärtigen Amt wusste niemand, wie
    viele Schiffe beteiligt sind.


    (Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Sie waren doch gar nicht im Verteidigungsausschuss! – Henning Otte [CDU/CSU]: Sind Sie denn von Ihren Kollegen nicht informiert worden?)


    Es kann doch nicht Ihr Ernst sein, ein Mandat für einen
    Bundeswehreinsatz auf einer so dubiosen Basis vorzu-
    schlagen.


    (Beifall bei der LINKEN)


    Das alles sind aus meiner Sicht sehr gute Argumente
    gegen diesen Einsatz.


    (Henning Otte [CDU/CSU]: Sie sind isoliert in Ihrer Argumentation!)


    Wir haben diese Fragen, wie gesagt, innerhalb der Frak-
    tion diskutiert. Jeder und jede von uns hat unterschiedli-





    Jan van Aken


    (A) (C)



    (D)(B)

    che Gewichtungen vorgenommen. Deswegen werden
    wir unterschiedlich abstimmen. Das ist auch gut so.

    Ich selbst habe hier zwei Herzen in meiner Brust.
    Schon aufgrund meiner persönlichen Geschichte in Sa-
    chen Abrüstung werde ich auf gar keinen Fall gegen die-
    sen Einsatz stimmen. Aber ich kann ihm auch auf gar
    keinen Fall zustimmen. Ich persönlich werde mich des-
    halb enthalten.


    (Gabi Weber [SPD]: Das ist Verantwortung! – Florian Hahn [CDU/CSU]: Sie übernehmen ja große Verantwortung! Das ist schwach! – Henning Otte [CDU/CSU]: So kommt die Welt weiter! Das heißt, Sie unterstützen die Mission nicht!)


    Ich bin im Übrigen der Meinung, dass Deutschland
    keine Waffen exportieren und auch keine Chemiewaf-
    fenfabriken unterstützen sollte; das will ich ganz zum
    Schluss noch sagen. Es waren – das wissen Sie – vor al-
    lem deutsche Firmen, die in den 80er- und 90er-Jahren
    das syrische Chemiewaffenprogramm mit aufgebaut ha-
    ben.


    (Dr. Rolf Mützenich [SPD]: Richtig! Und daraus erwächst die Verantwortung!)


    Ich befürchte sogar, dass der tödliche Einsatz von Gift-
    gas am 21. August 2013 ohne deutsche Hilfe nicht mög-
    lich gewesen wäre. Ich finde, wir müssen alle endlich
    Konsequenzen daraus ziehen und dafür sorgen, dass nie
    wieder irgendwo auf der Welt ein Chemiewaffenpro-
    gramm aus Deutschland unterstützt wird.


    (Florian Hahn [CDU/CSU]: Und dann enthalten Sie sich! Ganz groß!)


    Ich danke Ihnen.


    (Beifall bei der LINKEN – Henning Otte [CDU/CSU]: Endlich ist es vorbei!)