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    Plenarprotokoll 18/29 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 29. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 9. April 2014 I n h a l t : Tagesordnungspunkt 1: (Fortsetzung) a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes über die Feststellung des Bundes- haushaltsplans für das Haushaltsjahr 2014 (Haushaltsgesetz 2014) Drucksache 18/700 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2319 A b) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Finanzplan des Bundes 2013 bis 2017 Drucksache 17/14301 . . . . . . . . . . . . . . . . 2319 B Einzelplan 04 Bundeskanzlerin und Bundeskanzleramt Katja Kipping (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 2319 B Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2322 B Katrin Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2328 D Thomas Oppermann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 2333 B Volker Kauder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 2337 D Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) . . . . . . . . . 2341 B Bettina Hagedorn (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 2343 B Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2345 D Gerda Hasselfeldt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 2347 C Sigrid Hupach (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 2349 D Dr. Hans-Ulrich Krüger (SPD) . . . . . . . . . . . . 2350 C Monika Grütters, Staatsministerin BK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2352 C Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2353 D Dr. Eva Högl (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2354 D Rüdiger Kruse (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 2356 A Hiltrud Lotze (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2357 A Einzelplan 05 Auswärtiges Amt Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2358 A Michael Leutert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 2360 D Dr. Andreas Schockenhoff (CDU/CSU) . . . . 2361 D Dr. Frithjof Schmidt (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2364 B Niels Annen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2365 C Stefan Liebich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 2366 C Michael Brand (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 2367 C Dr. Franziska Brantner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2368 D Dr. Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2369 C Gabriela Heinrich (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 2370 C Alexander Ulrich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 2371 C Thomas Dörflinger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 2372 B Karl-Georg Wellmann (CDU/CSU) . . . . . . . . 2373 D Alois Karl (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . 2374 D Tagesordnungspunkt 4: – Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem An- trag der Bundesregierung: Beteiligung Inhaltsverzeichnis II Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. April 2014 bewaffneter deutscher Streitkräfte am maritimen Begleitschutz bei der Hydro- lyse syrischer Chemiewaffen an Bord der CAPE RAY im Rahmen der ge- meinsamen VN/OVCW-Mission zur Vernichtung der syrischen Chemie- waffen Drucksachen 18/984, 18/1067 . . . . . . . . . 2376 D – Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung Drucksache 18/1096 . . . . . . . . . . . . . . . . . 2376 D Dr. Rolf Mützenich (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 2377 A Jan van Aken (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 2378 D Dr. Johann Wadephul (CDU/CSU) . . . . . . . . . 2380 B Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2381 B Thorsten Frei (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 2382 C Julia Bartz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . 2383 B Namentliche Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . 2384 C Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2387 D Annette Groth (DIE LINKE) (Erklärung nach § 31 GO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2384 D Tagesordnungspunkt 1: (Fortsetzung) a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes über die Feststellung des Bundes- haushaltsplans für das Haushaltsjahr 2014 (Haushaltsgesetz 2014) Drucksache 18/700 b) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Finanzplan des Bundes 2013 bis 2017 Drucksache 17/14301 Einzelplan 14 Bundesministerium der Verteidigung Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2385 B Michael Leutert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 2390 A Rainer Arnold (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2391 A Dr. Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2393 D Henning Otte (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 2395 C Dr. Alexander S. Neu (DIE LINKE) . . . . . . . 2397 B Henning Otte (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 2397 D Wolfgang Hellmich (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 2399 B Dr. Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2399 C Doris Wagner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2401 C Ingo Gädechens (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 2402 C Karin Evers-Meyer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 2404 C Bartholomäus Kalb (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 2405 B Einzelplan 23 Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Dr. Gerd Müller, Bundesminister BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2407 A Michael Leutert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 2409 C Dr. Bärbel Kofler (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 2411 A Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2412 D Sabine Weiss (Wesel I) (CDU/CSU) . . . . . . . 2414 A Heike Hänsel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 2415 B Sonja Steffen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2416 D Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2418 B Jürgen Klimke (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 2419 D Stefan Rebmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 2420 D Peter Stein (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . 2422 B Volkmar Klein (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 2423 B Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2424 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 2425 A Anlage 2 Erklärungen nach § 31 GO zur namentlichen Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung: Beteiligung bewaffne- ter deutscher Streitkräfte am maritimen Be- gleitschutz bei der Hydrolyse syrischer Che- miewaffen an Bord der CAPE RAY im Rahmen der gemeinsamen VN/OVCW-Mis- sion zur Vernichtung der syrischen Chemie- waffen (Tagesordnungspunkt 4) . . . . . . . . . . . 2425 C Ulla Jelpke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . 2425 C Stefan Liebich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 2426 B Petra Pau (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . 2426 C Richard Pitterle (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 2426 D Halina Wawzyniak (DIE LINKE) . . . . . . . . . 2427 B Harald Weinberg (DIE LINKE) . . . . . . . . . . 2428 A Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. April 2014 III Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Herbert Behrens, Matthias W. Birkwald, Cornelia Möhring, Martina Renner, Kathrin Vogler (alle DIE LINKE) zur namentlichen Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung: Beteiligung bewaffne- ter deutscher Streitkräfte am maritimen Be- gleitschutz bei der Hydrolyse syrischer Che- miewaffen an Bord der CAPE RAY im Rahmen der gemeinsamen VN/OVCW-Mis- sion zur Vernichtung der syrischen Chemie- waffen (Tagesordnungspunkt 4) . . . . . . . . . . . 2428 A Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Christine Buchholz und Hubertus Zdebel (beide DIE LINKE) zur namentlichen Ab- stimmung über die Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung: Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte am maritimen Begleit- schutz bei der Hydrolyse syrischer Chemie- waffen an Bord der CAPE RAY im Rahmen der gemeinsamen VN/OVCW-Mission zur Vernichtung der syrischen Chemiewaffen (Ta- gesordnungspunkt 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2428 C Anlage 5 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Sevim Dağdelen, Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Alexander S. Neu, Heike Hänsel, Inge Höger, Annette Groth, Alexander Ulrich, Andrej Hunko, Karin Binder, Pia Zimmermann, Niema Movassat, Azize Tank, Katrin Werner (alle DIE LINKE) zur nament- lichen Abstimmung über die Beschlussemp- fehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung: Beteiligung be- waffneter deutscher Streitkräfte am maritimen Begleitschutz bei der Hydrolyse syrischer Chemiewaffen an Bord der CAPE RAY im Rahmen der gemeinsamen VN/OVCW-Mis- sion zur Vernichtung der syrischen Chemie- waffen (Tagesordnungspunkt 4) . . . . . . . . . . . 2429 A Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. April 2014 2319 (A) (C) (D)(B) 29. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 9. April 2014 Beginn: 9.00 Uhr
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    Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. April 2014 2425 (A) (C) (B) Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten (D) Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Alpers, Agnes DIE LINKE 09.04.2014 Bätzing-Lichtenthäler, Sabine SPD 09.04.2014 Ehrmann, Siegmund SPD 09.04.2014 Ernstberger, Petra SPD 09.04.2014 Dr. Fabritius, Bernd CDU/CSU 09.04.2014 Gehrcke, Wolfgang DIE LINKE 09.04.2014 Gleicke, Iris SPD 09.04.2014 Gohlke, Nicole DIE LINKE 09.04.2014 Groß, Michael SPD 09.04.2014 Hardt, Jürgen CDU/CSU 09.04.2014 Haßelmann, Britta BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 09.04.2014 Hellmuth, Jörg CDU/CSU 09.04.2014 Keul, Katja BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 09.04.2014 Lezius, Antje CDU/CSU 09.04.2014 Maisch, Nicole BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 09.04.2014 Dr. Priesmeier, Wilhelm SPD 09.04.2014 Pronold, Florian SPD 09.04.2014 Rawert, Mechthild SPD 09.04.2014 Rüthrich, Susann SPD 09.04.2014 Scharfenberg, Elisabeth BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 09.04.2014 Schlecht, Michael DIE LINKE 09.04.2014 Schwabe, Frank SPD 09.04.2014 Dr. Tauber, Peter CDU/CSU 09.04.2014 de Vries, Kees CDU/CSU 09.04.2014 Wunderlich, Jörn DIE LINKE 09.04.2014 Zech, Tobias CDU/CSU 09.04.2014 Ziegler, Dagmar SPD 09.04.2014 Anlage 2 Erklärungen nach § 31 GO zur namentlichen Abstimmung über die Be- schlussempfehlung des Auswärtigen Ausschus- ses zu dem Antrag der Bundesregierung: Betei- ligung bewaffneter deutscher Streitkräfte am maritimen Begleitschutz bei der Hydrolyse syri- scher Chemiewaffen an Bord der CAPE RAY im Rahmen der gemeinsamen VN/OVCW-Mis- sion zur Vernichtung der syrischen Chemiewaf- fen (Tagesordnungspunkt 4) Ulla Jelpke (DIE LINKE): In diesem Parlament wer- den zurzeit im Wochentakt Militäreinsätze beschlossen. Es wird umgesetzt, was die Große Koalition angekün- digt und was Bundespräsident Joachim Gauck bei der Münchner Sicherheitskonferenz gefordert haben: Deutsch- land will militärisch wieder an möglichst vielen Schau- plätzen der Welt mitmischen, Deutschland will zur welt- weiten Militärmacht werden, der bewaffnete Einsatz – früher hat man einfach Krieg gesagt – soll zur norma- len Option deutscher Außenpolitik werden. Ich bin nicht in dieses Parlament gewählt worden, um dieser militaristischen Politik zuzustimmen. Ich habe in den vielen Wahlkämpfen, die ich bislang für die PDS und die Linke geführt habe, immer klargestellt, dass ich gegen jeden deutschen Militäreinsatz bin, so wie es auch heute im Programm der Linkspartei und auch im Wahl- programm verankert ist. Es ist bezeichnend, dass eine kompromisslose Anti- kriegspolitik vom Mainstream der deutschen Medien und von deutlich über 90 Prozent dieses Hauses als „nicht regierungsfähig“ abgetan wird. Ich mache keinen Hehl daraus: Wenn die Bereitschaft zum Krieg, die Be- reitschaft zur Entsendung der Bundeswehr, die Eintritts- karte zum Regieren sein soll, dann bin ich gegen das Mitregieren. Das gilt auch bei der heutigen Abstimmung. Da ist zunächst festzuhalten: Es gibt für die von der Bundesre- gierung geforderte Militärmission nicht einmal ein UN- Mandat. Es gibt keine präzise Gefährdungseinschätzung und keinerlei konkrete Hinweise auf mögliche Angriffe auf das US-amerikanische Schiff, auf dem die Chemie- waffen neutralisiert werden sollen. Die Bundesregierung Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Anlagen 2426 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. April 2014 (A) (C) (D)(B) hat in ihrer Antwort auf eine schriftliche Frage vage auf mögliche „organisierte Kriminalität, Piraterie und Terro- rismus“ verwiesen. Damit lässt sich aber kein Bundes- wehrmandat rechtfertigen. Die aufgezählten „mögli- chen“ Bedrohungen sind allesamt nichtmilitärischer Natur. Ihre Abwehr ist eine Polizeiaufgabe. Das betont die Linke schon in der Kritik des „Antipiraterie“-Einsat- zes vor Somalia, und das gilt es auch jetzt zu betonen. Die EU-Mittelmeeranrainer verfügen über entspre- chende polizeiliche Ressourcen, ihre Küstenwachen und andere Grenzbehörden sind für den Einsatz auch auf See ausgestattet. Davon abgesehen ist das Mittelmeer ohne- hin schon hochmilitarisiert und wimmelt nur so von Kriegsschiffen der NATO. Ein zusätzlicher Bundes- wehreinsatz ist daher auch sachlich unnötig und dient einzig dem politischen Zweck, Deutschland wieder an eine Art vorderster Front zu bringen. Hinzu kommt, dass das Mandat, wie gewohnt, extrem „großzügig“ ist und nicht nur das Mittelmeer, sondern auch bei Bedarf den Nordatlantik mit angrenzenden See- gebieten in internationalen Gewässern umfasst. Mit an die 50 Millionen Quadratkilometer deckt das Mandat da- mit einen äußerst großen Teil der Nordhalbkugel der Erde ab. Das ist sachlich völlig unnötig und nur Aus- druck des Großmachtstrebens, das hinter dem Mandat steckt. Eine Zustimmung zu einem solchen Einsatz würde nicht nur die prinzipielle Haltung der Linken gegen Bun- deswehreinsätze im Ausland durch eine nur scheinbar harmlose Einzelfallentscheidung durchlöchern. Sie würde auch den Einsatz der Bundeswehr zum Zwecke der „Ab- wehr“ einer „Gefahr“ gutheißen, die ganz und gar im Va- gen bleibt. Und sie würde die Mandatierung der Bundes- wehr mit Polizeiaufgaben legitimieren. Das sind viele Gründe, dagegenzustimmen. Stefan Liebich (DIE LINKE): Die Debatte um den Schutz der Vernichtung der syrischen Chemiewaffen wird innerhalb meiner Fraktion kontrovers geführt. Ich respektiere viele Argumente derer, die dem vorliegenden Mandat nicht ihre Zustimmung erteilt haben, bin aber zu einem anderen Schluss gekommen. Ich habe dem Antrag der Bundesregierung zugestimmt und möchte hier meine Begründung darlegen. Ich halte den Schutz der Zerstörung von Massenver- nichtungswaffen für den besten Auftrag, den eine Armee erfüllen kann. Als am 27. September 2013 der einstim- mige Beschluss des Sicherheitsrates der Vereinten Natio- nen mit der Zustimmung Russlands und der Volksrepu- blik China für die Ausfuhr und die Vernichtung der Chemiewaffen aus Syrien – Resolution 2118 – gefasst wurde, ist eine weitere Eskalation des Bürgerkriegs ver- hindert worden. Die angekündigte Intervention der Ver- einigten Staaten von Amerika in diesen Krieg konnte so vermieden werden und der erneute Einsatz von Massen- vernichtungswaffen wurde bis zu deren vollständigem Abzug erschwert bzw. danach verhindert. Die Vereinten Nationen haben in der Resolution 2118 des Sicherheitsrates alle Mitgliedstaaten um die Hilfe bei der Beseitigung der Chemiewaffen gebeten. Dänische Schiffe bringen die Chemiewaffen unter dem Schutz rus- sischer und chinesischer Schiffe nach Italien, dort wer- den sie auf die US-amerikanische „Cape Ray“ verladen; es ist unter anderem ein deutsches Schiff, das dann den Prozess der Hydrolyse bewacht. Viele Länder beteiligen sich an diesem wichtigen Prozess. Die Bundesrepublik Deutschland steht durch ihr Han- deln in der Vergangenheit in diesem Konflikt in beson- derer Verantwortung. Die Auslieferung von Dual-Use- Gütern, die zur Herstellung von Chemiewaffen genutzt werden können, an Syrien, ein Land, das zu diesem Zeit- punkt die Chemiewaffenkonvention nicht ratifiziert hatte, war falsch. Auch darum ist es jetzt wichtig, dass die Bundesrepublik Deutschland sich in besonderem Maße bei der Vernichtung der syrischen Chemiewaffen engagiert. Ich bin für eine konsequente Abrüstung von Massen- vernichtungswaffen weltweit. Ich bin für eine starke UNO. Ich bin für eine konsequente Einhaltung des Völ- kerrechts. Daher habe ich dem Antrag der Bundesregie- rung zugestimmt. Petra Pau (DIE LINKE): Hiermit erkläre ich, dass ich zur vorliegenden Beschlussempfehlung mit Enthal- tung stimme. Erstens. Zur Abstimmung stand die Beschlussempfeh- lung des Auswärtigen Ausschusses – Drucksache 18/1067 – zu einem Antrag der Bundesregierung – Drucksache 18/984 – zur „Beteiligung bewaffneter deutscher Streit- kräfte am maritimen Begleitschutz bei der Hydrolyse syrischer Chemiewaffen an Bord der CAPE RAY im Rahmen der gemeinsamen VN/OVCW-Mission zur Ver- nichtung der syrischen Chemiewaffen“. Ich habe mit Enthaltung votiert. Zweitens. Es geht um die Vernichtung syrischer Che- miewaffen, also um Abrüstung. Das findet meine Zu- stimmung, zumal die Bundesrepublik Deutschland dafür eine große Verantwortung trägt, da sie maßgeblich an der Hochrüstung Syriens – und weiterer Staaten – betei- ligt war bzw. ist. Das spräche für ein Ja. Drittens. Zugleich ist nicht auszuschließen, dass die USA und weitere NATO-Staaten diese Beteiligung der Deutschen Bundeswehr als Entlastung missdeuten, um die angedrohte militärische Eskalation gegen Russland im aktuellen Krim-Konflikt zu forcieren. Das spräche für ein klares Nein. Viertens. Meine gewissenhafte politische Abwägung zwischen einem Ja zum militärischer Abrüstung und ei- nem Nein zu militärischer Eskalation führt mich im kon- kreten Fall zu einer Enthaltung in oben genannter Ab- stimmung. Richard Pitterle (DIE LINKE): Dem Wunsch der Bundesregierung, dem beantragten Mandat meine Zu- stimmung zu geben, kann ich nicht entsprechen. Grundsätzlich befürworte ich den Einsatz der Bundes- wehr im Ausland nicht. Dies nicht aus einer pazifisti- schen, sondern aus einer antimilitaristischen Grundhal- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. April 2014 2427 (A) (C) (D)(B) tung heraus, weil alle Erfahrungen zeigen, dass sich letztlich Probleme in der Welt nicht militärisch lösen las- sen. Darüber hinaus bin ich der festen Überzeugung, dass sich Deutschland aus historischen Gründen – aufgrund der bei den europäischen Völkern unvergessenen Verbrechen der Deutschen Wehrmacht – militärisch nicht engagieren sollte. Gegenwärtig erleben wir eine Politik der systemati- schen Ausweitung von Bundeswehreinsätzen, die mit der „gewachsenen Verantwortung“ Deutschlands be- gründet wird. Diese lehnt die Linke zu Recht als einzige Fraktion ab. Trotz meiner grundsätzlichen Ablehnung der deut- schen Auslandseinsätze war ich bereit, das vorliegende Mandat auf seine Zustimmungsfähigkeit zu prüfen, weil es sich meines Erachtens um keinen Kriegseinsatz han- delt. Denn eine grundsätzliche Haltung entbindet den Abgeordneten nicht von der Verantwortung, zu prüfen, ob eine Teilnahme der Bundeswehr an Abrüstungsmaß- nahmen sinnvoll wäre. Die Abrüstung und Vernichtung der chemischen Waffen Syriens sind ein positiver Schritt, der von mir und meiner Fraktion als Ganzes be- grüßt wird. Insbesondere die Entsorgung der Waffen in der niedersächsischen Anlage in Munster ist ein wichti- ger Beitrag, den Deutschland leisten kann. Die hingegen von der Bundesregierung beantragte Teilnahme einer Fregatte der Bundeswehr zur Sicherung des Vorgangs der Demontage auf einem Kriegsschiff halte ich für nicht erforderlich und für reine Symbolpoli- tik. Auf Kosten der Steuerzahler soll die Fregatte der Bundeswehr eingesetzt werden, damit Frau von der Leyen ihren Anspruch auf „Mitverantwortung“ unter- streichen kann. Die hierbei von der Bundesregierung ge- nannten Kosten von 7,2 Millionen Euro sind reine Steu- erverschwendung und könnten anderweitig sinnvoller eingesetzt werden. Als Finanzpolitiker muss ich den Einsatz daher bereits aus fiskalischen Gründen ablehnen. Ich habe mich nach gründlicher Abwägung aller Ar- gumente entschieden, mit Nein zu stimmen, aber will festhalten, dass ich ausdrücklich die Entscheidung mei- ner Kolleginnen und Kollegen respektiere, die nach Ab- wägung der Argumente zustimmen oder sich enthalten. Es ist eine Stärke unserer Fraktion, dass wir unsere un- terschiedliche Meinung respektieren und dem anders Entscheidenden nicht andere Motive für seine Entschei- dung unterstellen. Halina Wawzyniak (DIE LINKE): Der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte am maritimen Be- gleitschutz bei der Hydrolyse syrischer Chemiewaffen an Bord der „Cape Ray“ im Rahmen der gemeinsamen VN/OVCW-Mission zur Vernichtung der syrischen Che- miewaffen habe ich nicht zugestimmt. Die nachfolgen- den, im Wesentlichen vom Journalisten René Heilig be- reits im Neuen Deutschland vom 5. April 2014 unter dem Titel „Deutsche Marine als Lückenbüßer“ genann- ten Argumente haben mich zu einem Nein bei der Ab- stimmung bewogen. Erstens. Deutschland beteiligt sich an der Vernichtung der syrischen Chemiewaffen im eigenen Land, in Muns- ter. Die Abfallprodukte der Zerstörung auf hoher See werden nach Deutschland transportiert und von einer bundeswehreigenen Gesellschaft am Bundeswehrstand- ort Munster endgültig vernichtet. Diese Beteiligung an der Vernichtung der syrischen Chemiewaffen ist aus- drücklich zu begrüßen und zu unterstützen. Das Argu- ment, Deutschland würde sich nicht an der Vernichtung beteiligen, gilt demnach nicht. Deutschland beteiligt sich an der Vernichtung. Zweitens. Die „Cape Ray“ ist nicht schutzlos. Für ih- ren Schutz bedarf es der deutschen Marine nicht. Für den Abtransport der syrischen Kampfstoffe aus dem Hafen von Latakia durch den dänischen Frachter „Ark Futura“ und die norwegische „Taiko“ ist eine Nahsicherung vor- gesehen, die von der russischen und der chinesischen Marine gestellt wird. Derzeit sind rund 60 Prozent der syrischen Kampfstoffe, die in der Masse in Tanks gela- gert sind, auf die Schiffe gebracht. Auf hoher See über- nehmen drei Kriegsschiffe aus Norwegen, Dänemark und Großbritannien den Schutz der beiden Frachter. Die sollen die Kampfstoffe in den italienische Containerha- fen Gioia Tauro nördlich der Straße von Messina brin- gen. Dort werden diese unter Schutz der italienischen Sicherheitskräfte auf die „Cape Ray“ umgeladen. Außer- halb der italienischen Hoheitsgewässer wird das US- Spezialschiff durch die US-Navy gesichert. Das Argu- ment, die Vernichtung der Chemiewaffen müsse geschützt werden, ist richtig. Es ist aber nicht erkennbar, dass zum Schutz der Vernichtung die deutsche Marine erforderlich ist. Drittens. Die US-Mittelmeerflotte hat zwei Fregatten ins Schwarze Meer abgestellt, um vor den Krim-Gewäs- sern Manöver mit Verbündeten abzuhalten. Soweit diese beim weiteren Schutz der „Cape Ray“ fehlen sollten, kann und darf dies nicht durch die deutsche Marine aus- geglichen werden. Diese wäre dann tatsächlich Lücken- büßer und legitimiert damit das militärische Manöver vor der Krim. Militärische Manöver statt Schutz von Ab- rüstungsaktivitäten sind keine gute Begründung, um ei- nen Einsatz der deutschen Marine im Ausland als Lü- ckenbüßer zu rechtfertigen. Viertens. Das Mandat umfasst – Punkt 3 – auch Tran- sitfahrten im Mittelmeer und bei Bedarf auch im Nordat- lantik mit angrenzenden Seegebieten – also der Nord- und Ostsee. Damit sollen jene Schiffe eskortiert werden, die die nach der Hydrolyse der syrischen Kampfstoffe auf der „Cape Ray“ anfallenden chemischen Stoffe zu den endgültigen Vernichtungsstätten in Großbritannien, im deutschen Munster und nach Finnland bringen. Diese Fracht ist dann aber gar nicht mehr als Waffe verwend- bar. Ein militärischer Begleitschutz ist hier also gar nicht nötig. Ganz klar will ich aber auch sagen: Es handelt sich nicht um einen Kriegseinsatz der Bundeswehr. Krieg ist etwas anderes. Wer hier von Kriegseinsatz spricht, ver- harmlost Krieg. 2428 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. April 2014 (A) (C) (D)(B) Harald Weinberg (DIE LINKE): Ich bin für die Ver- nichtung dieser syrischen und aller anderen Chemiewaf- fen sowie aller weiteren Massenvernichtungswaffen – sie hätten niemals hergestellt werden dürfen –, auch wenn ich den Antrag der Bundesregierung ablehne. Ich begrüße es, dass die endgültige Entsorgung in Deutschland – Munster, GEKA – vorgenommen wird. Mit der Lieferung von Ausgangsstoffen hat Deutschland mit hoher Wahrscheinlichkeit einen wesentlichen Anteil an der Existenz dieser Chemiewaffen und leistet durch die Entsorgung einen wichtigen Beitrag zu ihrer Ver- nichtung. Für die Gesamtaktion der Vernichtung der syrischen Chemiewaffen an Bord der „Cape Ray“ ist eine Beteili- gung bewaffneter deutscher Streitkräfte am maritimen Begleitschutz aus meiner Sicht völlig entbehrlich. Das gilt selbst dann, wenn man berücksichtigt, dass die von Russland im Rahmen des NATO-Russland-Rats angebo- tene Unterstützung mit Begleitschiffen nun seitens der NATO im Zusammenhang mit der Krim-Krise abgewie- sen wurde. Sogar die Bundesverteidigungsministerin spricht von einem eher symbolischen Beitrag, den die deutsche Fregatte hier leiste. Deshalb werde ich den Antrag der Bundesregierung ablehnen. Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Herbert Behrens, Matthias W. Birkwald, Cornelia Möhring, Martina Renner, Kathrin Vogler (alle DIE LINKE) zur namentlichen Abstimmung über die Beschluss- empfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung: Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte am mariti- men Begleitschutz bei der Hydrolyse syrischer Chemiewaffen an Bord der CAPE RAY im Rahmen der gemeinsamen VN/OVCW-Mission zur Vernichtung der syrischen Chemiewaffen (Tagesordnungspunkt 4) Die Vernichtung syrischer Chemiewaffen ist ein be- deutsamer Beitrag zur Abrüstung und ein notwendiger, jedoch nicht hinreichender Beitrag zum Schutz der syri- schen Zivilbevölkerung in einem anhaltenden, grausa- men Bürgerkrieg, dem bereits Zehntausende zum Opfer gefallen sind. In Übereinstimmung mit unserer Fraktion unterstützen wir die Beteiligung Deutschlands an dieser Aktion durch die Entsorgung der Reststoffe im nieder- sächsischen Munster. Die Entsendung deutscher Solda- tinnen und Soldaten auf der Fregatte „Augsburg“ zum militärischen Begleitschutz im Rahmen der US-geführ- ten Aktion lehnen wir jedoch ab und stimmen deswegen mit Nein. Das von der Bundesregierung vorgelegte Mandat be- gründet unserer Ansicht nach weder die Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit dieses erneuten Bundeswehrein- satzes noch schafft es hinreichende Klarheit über Art und Umfang von Einsatzgebiet und Auftrag. Zudem steht dieser Einsatz symbolisch für eine Politik der syste- matischen Ausweitung von Bundeswehreinsätzen, die wir ablehnen. Wir haben uns intensiv mit dieser Frage auseinander- gesetzt und unsere Entscheidung begründet nach Abwä- gung aller Argumente getroffen. Wir erklären ausdrück- lich unseren Respekt vor denjenigen Kolleginnen und Kollegen, die nach ebenso ernsthafter Abwägung der Argumente und Hintergründe für sich zu einer anderen Schlussfolgerung gekommen sind. Wir halten das für ei- nen Gewinn an politischer Kultur. Die Linke ist diejenige Fraktion im Bundestag, die sich am deutlichsten für eine Zivilisierung der deutschen Außenpolitik, für umfassende Abrüstung, Vernichtung von Massenvernichtungswaffen und gegen Rüstungs- exporte einsetzt. Das konsequente Nein zu den Kampf- einsätzen der Bundeswehr und das Aufzeigen von Alter- nativen bleibt Grundlage unserer gemeinsamen Politik. Damit vertritt die Linke auch eine Mehrheit in der Be- völkerung, die diese Einsätze ablehnt und ohne uns keine Stimme im Bundestag hätte. Das wird auch so bleiben. Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Christine Buchholz und Hubertus Zdebel (beide DIE LINKE) zur na- mentlichen Abstimmung über die Beschluss- empfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung: Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte am mariti- men Begleitschutz bei der Hydrolyse syrischer Chemiewaffen an Bord der CAPE RAY im Rahmen der gemeinsamen VN/OVCW-Mission zur Vernichtung der syrischen Chemiewaffen (Tagesordnungspunkt 4) Wir haben heute gegen den Antrag der Bundesregie- rung zur Entsendung eines bewaffneten Kriegsschiffes der Bundeswehr mit 300 Soldatinnen und Soldaten ins Mittelmeer, den Nordatlantik und angrenzende Seege- biete gestimmt. Wir sind für die Vernichtung des syrischen Giftgases und auch dafür, dass die Reststoffe in der bundeswehrei- genen Firma GEKA in Munster vernichtet werden. Den Begleitschutz durch die Fregatte „Augsburg“ lehnen wir ab. Denn er findet nicht im luftleeren Raum statt. Er ist Teil der Neuausrichtung der Bundeswehr, die in immer mehr internationale Einsätze geschickt werden soll. Die Bundesregierung will die Öffentlichkeit weiter an Auslandseinsätze der Bundeswehr gewöhnen. Vor nicht mal einer Woche wurde ein neuer Bundeswehreinsatz in Somalia beschlossen, morgen stimmen wir über einen weiteren neuen Einsatz in der Zentralafrikanischen Re- publik ab. Wir lehnen diese Neuausrichtung ab. Die Bundesregierung nutzt die Vernichtung der Chemiewaf- fen auch, um das schlechte Bild von Auslandseinsätzen zu korrigieren. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 29. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. April 2014 2429 (A) (C) (D)(B) Die Bundesregierung hat in den Fachausschüssen des Bundestages falsch informiert. Sie hat ein Mandat vor- gelegt, das ein weit über den geplanten Einsatz hinaus- gehendes Einsatzgebiet vorsieht. Dieses Vorgehen zeigt zum wiederholten Mal, dass die Regierung zum Teil keine korrekten Informationen über die Planung von Bundeswehreinsätzen und die Einsätze selbst gibt. Deutsche Unternehmen haben jahrelang Material für Giftgasfabriken und Giftgasbestandteile, sogenannte Dual-Use-Güter, nach Syrien geliefert. Es wäre wichtig, sofort die Lieferung von Dual-Use-Chemikalien an Län- der, die nicht Mitglied der Chemiewaffenkonvention sind, einzustellen. Dies wäre, neben der Beteiligung an der Vernichtung des Chemiewaffenprogramms Syriens in Munster, der wichtigste Beitrag, den zukünftigen Ein- satz von Chemiewaffen zu verhindern, nicht die Entsen- dung der Bundeswehr ins Mittelmeer. Deshalb haben wir heute gegen die Entsendung der Marine gestimmt. Anlage 5 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Sevim Dağdelen, Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Alexander S. Neu, Heike Hänsel, Inge Höger, Annette Groth, Alexander Ulrich, Andrej Hunko, Karin Binder, Pia Zimmermann, Niema Movassat, Azize Tank, Katrin Werner (alle DIE LINKE) zur namentli- chen Abstimmung über die Beschlussempfeh- lung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung: Beteiligung be- waffneter deutscher Streitkräfte am maritimen Begleitschutz bei der Hydrolyse syrischer Che- miewaffen an Bord der CAPE RAY im Rahmen der gemeinsamen VN/OVCW-Mission zur Ver- nichtung der syrischen Chemiewaffen (Tages- ordnungspunkt 4) Wir haben heute aus prinzipieller Sicht, aber gerade auch angesichts der konkreten Sachlage gegen den An- trag der Bundesregierung zur Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte am maritimen Begleitschutz bei der Hydrolyse syrischer Chemiewaffen an Bord der „Cape Ray“ gestimmt. Wir teilen die Einschätzung aus der Friedensbewegung, von Friedensaktivisten und Frie- densforschern, dass „kein plausibler Grund erkennbar (ist), den zwischen Syrien und den Vereinten Nationen bzw. der OPCW ausgehandelten Abzug des gesamten syrischen Chemiewaffenarsenals und dessen Vernich- tung mit einer militärischen Komponente vonseiten der Bundesrepublik Deutschland zu begleiten“ (Stellung- nahme Bundesausschuss Friedensratschlag 08.04.2014). Unsere Antwort muss zivil bleiben. Wir möchten, dass der zivile Beitrag Deutschlands zur Vernichtung der syri- schen Chemiewaffen ausgeweitet wird. Deutschland darf in Zukunft nicht weiter Chemikalien oder Anlagen, die zur Herstellung von Chemiewaffen dienen, in Länder exportieren, die die Chemiewaffenkonvention nicht rati- fiziert haben. Wir haben gegen den Antrag der Bundesregierung ge- stimmt, weil wir überzeugt sind, dass unsere Antwort eben nicht militärisch sein darf. Auslandseinsätze der Bundeswehr lösen kein einziges Problem. Im Gegenteil schaffen sie ständig neue Probleme. Deutschland ist an der Vernichtung der Chemiewaffen aus Syrien beteiligt, ohne dass es an einem Auslandseinsatz teilnehmen muss: Die sichergestellten Chemiewaffen werden unter anderem nach Munster in Niedersachsen gebracht, wo sie vernichtet werden. Deutschland erbringt damit einen maßgeblichen Beitrag zur Vernichtung der Chemiewaf- fen. Das ist konkrete Abrüstungspolitik. Wir haben heute gegen den Einsatz gestimmt, weil sich zudem eine ganze Reihe von neuen Risiken, die mit dem Einsatz eines deutschen Kriegsschiffs verbunden sind, ergeben. Gerade auch vor dem Hintergrund der Be- endigung der militärischen NATO-Russland-Koopera- tion, einer neuen Eskalation der USA, Saudi-Arabiens und der Türkei mit False-Flag-Operations und der mög- lichen Vorbereitung eines Angriffskriegs gegen Syrien ist äußerste Vorsicht geboten. Auf Nachfragen konnte die Bundesregierung keine schlüssige Erklärung liefern, warum das Mandat nicht nur das Mittelmeer, sondern auch den Nordatlantik und dessen angrenzende Seege- biete umfasst. Unklar ist weiterhin, wie viele Kriegs- schiffe insgesamt überhaupt eingesetzt werden sollen. Auch was die Aufgaben angeht, ist das Mandat einfach unklar. Diese Situation gebietet es, der Bundesregierung nicht eine unwidersprochene Carte blanche für ihren Mi- litäreinsatz zu erteilen. Die Anfrage für die Entsendung des deutschen Kriegsschiffs kommt direkt von den USA. Die Frage, ob neben einer symbolischen Funktion hier eine deutsche Entlastung der Kriegsmarine der USA für andere Aufgaben nach dem Vorbild der Abstellung deut- scher Wachmannschaften zur Bewachung von US-Ka- sernen im Vorfeld des Irak-Krieges übernommen werden soll, bleibt ungeklärt. Sie stellt sich allerdings aktuell verschärft, da ein weiteres US-amerikanisches Kriegs- schiff ins Schwarze Meer entsandt wurde und die Bundeswehr hier somit eine Entlastungsfunktion für die US-Streitkräfte im Mittelmeer übernimmt. Die 12 Mil- lionen Euro für diesen neuen Militäreinsatz wären für die Aufstockung des Etats des World Food Programme für die syrischen Flüchtlinge besser aufgehoben. So stimmen wir auch deshalb gegen den Einsatz, weil er ne- ben einer symbolischen Funktion dazu beiträgt, Kriegs- schiffe für eine Eskalationspolitik der USA gegen Russ- land freizusetzen. Wir sagen aber nicht zuletzt auch heute Nein zum Einsatz deutscher Kriegsschiffe im Mittelmeer, weil es der Kontext einer verstärkt militarisierten deutschen Au- ßenpolitik ist, der eine Ablehnung des Einsatzes nahe- legt. Seit der Münchner Sicherheitskonferenz und den Erklärungen von Außenminister Steinmeier und Vertei- digungsministerin von der Leyen, mehr deutsche Welt- geltung mit einer Ausweitung deutscher Auslandsein- sätze erreichen zu wollen, wird im Bundestag nahezu in jeder Sitzungswoche über einen neuen Auslandseinsatz abgestimmt. Wie die große Mehrheit der Bevölkerung lehnen wir Auslandsabsätze der Bundeswehr ab. Deutsch- land sollte sich nicht militärisch engagieren, sondern zi- vil. Offsetdruc sellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 K kerei, Bessemerstraße 83–91, 1 öln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de 22 29. Sitzung Inhaltsverzeichnis Epl 04 Bundeskanzlerin und Bundeskanzleramt Epl 05 Auswärtiges Amt TOP 4 Bundeswehreinsatz VN/OVCW (Syrische C-Waffen) Epl 14 Verteidigung Epl 23 Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Anlagen
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Petra Pau


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DIE LINKE.)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE LINKE.)


    Weitere Wortmeldungen zu diesem Einzelplan liegen

    nicht vor.

    Wir kommen jetzt zu dem Geschäftsbereich des Aus-
    wärtigen Amts, Einzelplan 05.

    Das Wort hat der Bundesminister Dr. Frank-Walter
    Steinmeier.


    (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


    Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister des
    Auswärtigen:

    Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Meine sehr verehr-
    ten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kolle-
    gen! Außenpolitik ist erkennbar zurück auf der politi-
    schen Tagesordnung, und das in einer Dringlichkeit, die
    sich kaum jemand von uns gewünscht hätte, nicht einmal
    die Außenpolitiker in den unterschiedlichen Fraktionen
    dieses Parlaments.


    (Dr. Frithjof Schmidt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Anders!)


    – Oder anders, ganz richtig. Vielen Dank.

    Es ist kein Jahr her, da konnte man den Eindruck ge-
    winnen, unter den politischen Disziplinen sei die Außen-
    politik vielleicht diejenige, die schon auf die Rote Liste
    der aussterbenden Arten gehört. Fall der Mauer, Ende
    der Blockkonfrontation, deutsche Wiedervereinigung –
    manche haben gedacht: Wenn es nicht das Ende der Ge-
    schichte ist, dann ist es aber zumindest der Anfang vom
    ewigen Frieden. Viele von uns haben gedacht: Jetzt be-
    ginnt die Zeit, in der die jährliche Auszahlung der Frie-
    densdividende kommt. Der Bedarf an klassischer Au-
    ßenpolitik des 20. Jahrhunderts schien sozusagen schon
    gedeckt. Große Teile des politischen Feuilletons – und
    nicht nur die – haben sich darin überboten, den Bedeu-
    tungsschwund von Außenpolitik mit immer neuen Argu-
    menten zu belegen. Wer dem widersprochen hat, der
    wurde – ich kann mich erinnern – gleich als politischer
    Nostalgiker behandelt. Sie wissen: Ich war da immer an-
    derer Meinung.

    Mit dem Fall der Mauer war der Kalte Krieg zu Ende.
    Den mutigen Bürgerinnen und Bürgern in Polen und der
    früheren DDR und denen, die in Tschechien, Ungarn und
    anderswo geholfen haben, gebührt unser Dank. Aber
    was war passiert? Die alte Ordnung mit ihren zynischen
    Gewissheiten, die die Welt in zwei Lager geteilt hat, in
    Ost und West, war hinweggefegt. Aber eine neue Ord-
    nung war eben nicht entstanden. Im Gegenteil: 25 Jahre
    nach dem Mauerfall ist die Welt immer noch auf der Su-
    che nach einer neuen Ordnung, und sie wird es bleiben.
    Es gibt ganz neue Spieler auf der Weltbühne, in Asien
    und Südamerika, die nicht nur nach wirtschaftlichem
    Einfluss suchen, sondern auch um politische Macht rin-
    gen. Es entstehen neue Interessen und natürlich auch neue
    Konflikte um Interessen. Die Welt wird multipolar – ja;
    aber das macht sie ganz offenbar nicht einfacher.

    Was viele nicht geglaubt hätten, zeigt sich jetzt im
    Konflikt um die Ukraine: Der Kalte Krieg wirft seine
    langen Schatten immer noch auf diese neue, veränderte
    Welt. Der Konflikt um die Ukraine holt uns auf den har-
    ten Boden der Realität zurück. Deshalb, meine Damen
    und Herren, ist jetzt nicht die Zeit für Rückschau und
    Rechtfertigung, sondern jetzt ist es an der Zeit, zu han-
    deln. Wenn wir eine neue Spaltung Europas verhindern
    wollen, dann kommt es jetzt auf eine kraftvolle und
    kluge deutsche Außenpolitik im Bündnis mit unseren
    Nachbarn und der Europäischen Union an. Das ist das,
    was wir tun.


    (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


    Inmitten dieser Welt, die seit 25 Jahren auf der Suche
    nach einer neuen Rangordnung ist und neue Interessen-
    konflikte austrägt, ist auf diesem Kontinent dennoch et-
    was gewachsen, was aus den Jahrhunderten von Kriegen
    und Konfrontationen in Europa herausragt: eine europäi-
    sche Sicherheitsarchitektur, die uns vor dem Rückfall in
    Gewalt geschützt hat. Ich könnte es auch anders sagen:
    Nach endlosem Leid, Abermillionen von Opfern und
    Toten ist sie in jahrzehntelanger Arbeit von vielen Gene-
    rationen von Politikerinnen und Politikern mühevoll er-
    richtet worden: eine Sicherheitsarchitektur mit Verzicht
    auf nationale Eiferei, mit Versöhnung, mit guter Nach-
    barschaft, mit transatlantischen Beziehungen, mit Ost-
    politik, mit der KSZE, mit europäischer Integration, mit
    dem Abriss des Eisernen Vorhangs, mit der Annäherung
    von Ost und West.

    Weil das alles so ist, sage ich auch: Jetzt, da an der
    Grenze Europas gezündelt wird, müssen sich die Staaten
    Europas geschlossen vor dieses Friedenswerk stellen.
    Wir dürfen nicht erlauben, dass dieses in Jahrzehnten ge-
    wachsene Friedenswerk in wenigen Wochen zerstört
    wird. Wir dürfen das nicht zulassen! Dagegen werden
    wir uns mit aller Macht stemmen, meine Damen und
    Herren.


    (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Ich glaube, dass dies einer der vielen Gründe ist, wes-
    halb wir seit Beginn des Jahres etwas intensiver als sonst
    über die Verantwortung unseres Landes in der Welt re-
    den. Ich habe hier in einer meiner ersten Reden in mei-
    ner zweiten Amtsperiode davor gewarnt, die Wahrneh-
    mung von Außenpolitik zu sehr aus der Öffentlichkeit
    und der Politik zu verdrängen, und habe gesagt: Wir sind
    ein wenig zu groß und ein wenig zu wichtig, um interna-
    tionale Politik immer nur von der Seitenauslinie zu kom-
    mentieren. – Andere erwarten da mehr von uns, mehr als
    Schulnoten, die wir von hier aus vergeben, mehr als öf-
    fentliches Reden und kraftvolle Statements. Wenn es
    nottut und wenn es nicht kontraproduktiv ist, eben auch
    Einmischung, mindestens aber Engagement. Ich erinnere
    uns alle daran: Nicht nur durch Tun, sondern auch durch
    Unterlassen können wir uns schuldig machen, wenn die
    Möglichkeit des Handelns besteht.

    Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und
    Kollegen, genau das ist gemeint. Mit „Verantwortung in
    der Außenpolitik“ ist nicht eine Militarisierung der Au-
    ßenpolitik gemeint. „Verantwortung“ ist kein mehr oder
    weniger verschlüsseltes Codewort für Militäreinsätze.
    Außenpolitik kann Militäreinsätze als Ultima Ratio nicht





    Bundesminister Dr. Frank-Walter Steinmeier


    (A) (C)



    (D)(B)

    ausschließen, aber sie ist das Gegenteil von militärischer
    Eiferei. Sie ist ihrem Wesen nach ausgerichtet auf Ver-
    hinderung von gewaltsamen Konflikten, auf Vermeidung
    von Sackgassen und Automatismen sowie auf Vermei-
    dung von Eskalationen ohne Exit. Das ist der Weg, für
    den die deutsche Außenpolitik weiter stehen will. Für
    diesen Weg bin ich mir der Unterstützung dieses Hauses
    ganz gewiss. Herzlichen Dank dafür!


    (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Nun mag der Weg, den ich damit beschreibe, gele-
    gentlich etwas anstrengend und – das kann ich Ihnen
    versichern – häufig sogar frustrierend sein. Er verlangt
    auch Mut. Es ist sogar riskant, diesen Weg zu gehen,
    weil das Risiko des Scheiterns leichter sichtbar wird als
    bei lang dauernden militärischen Konflikten. Dennoch:
    Aus meiner Sicht bleibt es der einzige Weg, auf dem wir
    unserer Verantwortung gerecht werden können.

    Schwierig ist der Weg auch deshalb, weil politische
    Lösungen, über die ich rede, langsamer reifen als die öf-
    fentlichen Erwartungen. Die öffentlichen Erwartungen
    – das verstehe ich auch – sind getrieben von Sorgen – zu
    Recht. Öffentliche Erwartungen sind getrieben von Bil-
    dern. Jede dieser Sorgen, jede Ungeduld im Angesicht
    solcher Krisen – ob in der Ukraine, in Syrien oder in
    Afrika – kann ich verstehen, und dennoch warne ich vor
    der Erwartung einfacher oder sogar ganz schneller Lö-
    sungen. Ich sage im Gegenteil – das ist mein Credo,
    meine Damen und Herren –: Wo andere kopflos handeln,
    da dürfen nicht auch wir noch kopflos sein, sondern
    müssen für Vernunft in der Außenpolitik stehen.


    (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie der Abg. Stefan Liebich [DIE LINKE] und Tom Koenigs [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


    Das ist jedenfalls die Haltung, mit der ich mit meinen
    beiden Kollegen aus Polen und Frankreich am 20. Fe-
    bruar nach Kiew gereist bin, im Wissen um die Risiken
    – das Ganze kann schiefgehen – und im Wissen um die
    Verantwortung, die man dann übernimmt, wenn man
    hinfährt.

    Ich kann Ihnen versichern: Auch am Ende des Tages,
    nach 30 Stunden Verhandlungen, als das Blutvergießen
    beendet war, hat sich niemand von uns dreien irgend-
    welche Illusionen gemacht. Noch vor der Abfahrt aus
    Kiew, noch bevor wir überhaupt wussten, dass Herr
    Janukowitsch an diesem Tag sein eigenes Land und die
    Menschen in der Ukraine im Stich lassen wird, haben
    wir gesagt: Das, was erreicht ist, ist allenfalls ein Zwi-
    schenschritt, aber nicht die politische Lösung.

    Leider erleben wir jeden Tag, wie berechtigt diese Be-
    fürchtung war. Wenige Tage später eskalierte die Krise
    erneut, auch durch die politisch inakzeptable, verfas-
    sungswidrige und völkerrechtswidrige Annexion der
    Krim. Ich sage es auch hier noch einmal – ich habe es öf-
    fentlich viele Male gesagt –: Wer sieben Jahrzehnte nach
    Kriegsende beginnt, bestehende Grenzen in Europa mut-
    willig zu korrigieren, der verletzt nicht nur Völkerrecht,
    sondern öffnet auch die Büchse der Pandora, aus der,
    wenn das zum Modell wird, Unfrieden immer wieder
    neu entstehen wird.


    (Beifall des Abg. Dr. Andreas Schockenhoff [CDU/CSU])


    Selbst wenn auch wir in Europa nicht jeden Tag alles
    richtig machen, meine Damen und Herren: Dafür trägt
    Russland die Verantwortung.


    (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Aber was bedeutet das? Auch wenn wir sagen: „Russ-
    land trägt die Verantwortung für die Lage, wie sie jetzt
    entstanden ist“, kann uns die weitere Entwicklung in die-
    sem Raum, in der Ukraine und in der Nachbarschaft der
    Ukraine, nicht gleichgültig sein. Es ist ein Konflikt in
    unserer allernächsten Nachbarschaft. Meine Hoffnung
    ist immer noch, dass Russland es am Ende so sieht, dass
    weder es selbst noch die Europäische Union ein Inte-
    resse daran haben kann – keiner kann ein Interesse daran
    haben –, dass in dem Raum zwischen uns die Ukraine
    politisch und wirtschaftlich kollabiert.

    Das ist der Grund dafür, dass wir gesagt haben: Das
    kann uns nicht gleichgültig sein. Wir werden versuchen,
    Hilfe zu organisieren: über den IWF, über die Europäi-
    sche Union. Aber das wird auch bilateral stattfinden
    müssen. Es geht dabei doch weiß Gott nicht nur um
    Geld.

    Was steht in der Ukraine an? Ein Kampf gegen die
    Korruption, der für viele von uns Voraussetzung dafür
    ist, dass wir überhaupt Geldleistungen tätigen; eine Re-
    form der Verwaltung, die von Grund auf stattfinden
    muss; eine Reform des Justizwesens, damit wieder Ver-
    trauen in eine ordentlich arbeitende Justiz geschaffen
    werden kann; eine Dezentralisierung, von der man in der
    Ukraine nur ganz vage Vorstellungen hat, weil sie dort
    nie betrieben worden ist. Überall ist eben nicht nur guter
    Rat, sondern tatkräftige Unterstützung gefragt.

    Deshalb sind nicht nur einzelne Fachminister in Kiew
    und in der Ukraine gewesen. In der vergangenen Woche
    waren auch Staatssekretäre aus fünf Bundesministerien
    dort, die einen Tag lang abgeglichen haben, wo es Be-
    darf für jetzt zu leistende Unterstützung und Beratung
    gibt. Daraus werden wir ein Programm stricken.

    Ich darf mich auch für die Bereitschaft dieses Hohen
    Hauses, eine Parlamentarierdelegation in diesen Tagen
    in die Ostukraine zu schicken, ganz herzlich bedanken.
    Damit machen wir deutlich: Ihr seid nicht vergessen. –
    Das ist ganz besonders wichtig. Deshalb sage ich in Ver-
    antwortung für die deutsche Außenpolitik: Herzlichen
    Dank für die Initiative und herzlichen Dank an diejeni-
    gen, die dorthin reisen!


    (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Stefan Liebich [DIE LINKE])


    Das alles ist notwendig zur Stabilisierung. Aber es
    bringt uns den politischen Lösungen nicht näher. Des-
    halb muss unser Ehrgeiz darüber hinaus greifen. Sie ha-
    ben gesehen, wie mühevoll es war, die internationale





    Bundesminister Dr. Frank-Walter Steinmeier


    (A)



    (D)(B)

    Staatengemeinschaft davon zu überzeugen, eine Be-
    obachtermission auf den Weg zu bringen. Das ist Gott
    sei Dank gelungen. Aber auch das hat uns nur eine
    kleine Atempause verschafft; denn die Lage in der Ost-
    ukraine – in Donezk, in Luhansk und anderen Städten –
    eskaliert täglich aufs Neue.

    Man kann nur froh und dankbar sein, dass bisher kei-
    ner die Nerven verloren hat und dass keine Opfer zu ver-
    zeichnen sind. Es zeigt uns aber täglich, wie riskant die
    Lage ist. Mein Credo ist daher: Es muss uns im nächsten
    Schritt gelingen, das zu realisieren, worüber wir seit vie-
    len Wochen öffentlich sprechen, nämlich Russland und
    die Ukraine zu einem direkten Gespräch über das, was in
    den nächsten Tagen und Wochen zu tun ist, zusammen-
    zuführen, begleitet von der Europäischen Union und den
    Vereinigten Staaten. In vielen Tickermeldungen wird be-
    reits berichtet, dass die internationale Kontaktgruppe,
    auf die wir Tag für Tag hinarbeiten, vielleicht schon in
    der kommenden Woche ihr erstes Vorbereitungstreffen
    haben wird und dann ihre Arbeit aufnehmen wird. Das
    ist notwendig, und ich hoffe, wir kommen dahin.


    (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Wir konzentrieren uns auf die Ukraine. Irgendjemand
    hat in der Debatte heute Morgen bereits kritisiert, dass
    uns dabei aus dem Blick gerät, dass in Syrien weiter ge-
    storben wird. Deshalb muss es uns gelingen, uns in den
    nächsten Wochen wieder intensiver um die Bürger-
    kriegssituation in Syrien und um den Nahost-Friedens-
    prozess zu kümmern. Ich werde noch heute mit dem
    amerikanischen Außenminister telefonieren und mit ihm
    über den Stand der Gespräche und auch über die Krise
    des nahöstlichen Friedensprozesses sprechen. Ich werde
    am Wochenende in Hiroshima sein und dort der Ereig-
    nisse des Zweiten Weltkrieges und der vielen Opfer und
    Toten gedenken. Auf dem Rückweg werde ich in China
    über Chinas Verantwortung im Sicherheitsrat diskutie-
    ren, insbesondere was angesichts der jetzt anstehenden
    Fragen die Haltung Chinas zur Lage in der Ukraine be-
    trifft.

    Meine Damen und Herren, all das ist wichtig. Aber
    genauso wichtig und in der Gesamtheit unverzichtbar,
    obwohl weniger beachtet in der Öffentlichkeit, die Sank-
    tionsdebatten viel aufregender findet, sind eine deutsche
    Schule in Athen oder Mexiko, ein Wasserkraftwerk in
    Angola, die Polizistenausbildung in Afghanistan, die
    Chemiewaffenvernichtung in Syrien, ein deutsch-afrika-
    nisches Rechtsinstitut in Daressalam oder ein deutsch-
    russisches Jahr der Literatur.

    Ein abschließendes Wort. Auch die klassische Außen-
    politik muss erkennen, dass sich die Konflikte auf der
    Welt verändern, dass konfessionelle, religiöse und ethni-
    sche Dimensionen in internationalen Konflikten inzwi-
    schen eine große Dominanz gefunden haben und dass
    wir unseren Blick auf die Welt verändern müssen. Mit
    den geostrategischen Ansätzen des 19. und 20. Jahrhun-
    derts werden wir uns Lösungen nicht mehr nähern kön-
    nen.
    Henry Kissinger hat gesagt: Außenpolitik ist Perzep-
    tion. – Wir müssen versuchen, mit den Köpfen anderer
    zu denken. Dazu ist auswärtige Kultur- und Bildungs-
    politik erforderlich. Dazu gehören beispielsweise der
    Austausch, den das Goethe-Institut organisiert, die vie-
    len Studenten, die der DAAD zueinanderbringt, und
    viele andere Initiativen.


    (Beifall der Abg. Michelle Müntefering [SPD])


    Meine Damen und Herren, wir werden das auch benö-
    tigen; denn demografisch gesehen sind wir in der Situa-
    tion, dass unsere Gesellschaft älter wird. Daher brauchen
    wir viele junge Leute bei uns. Ich bin ganz gewiss: Es
    wird nicht reichen, dass wir an den Botschaften Bro-
    schüren der deutschen Hochschulen auslegen. Wir wer-
    den in diese Länder hineingehen müssen und werden
    über die Vermittlung der deutschen Sprache einen Kon-
    takt zu unserem Land herstellen müssen, um den Ehrgeiz
    und das Interesse zu einem frühen Zeitpunkt zu wecken,
    nämlich zu Schulbeginn und nicht erst am Ende der Bil-
    dungslaufbahn.

    Deshalb sage ich Ihnen: Außenpolitik ist in diesem
    Bereich der auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik
    nicht nur jeden Euro wert. Mit Blick auf die nächsten
    Jahre sollten wir gemeinsam schauen, wie viel Abstand
    wir zu Frankreich, Großbritannien und vielen anderen
    Staaten noch aufzuholen haben.

    Herzlichen Dank Ihnen allen.


    (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)




Rede von Claudia Roth
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frank-Walter Steinmeier. – Das Wort

hat Michael Leutert für die Linke.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Michael Leutert


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DIE LINKE.)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE LINKE.)


    Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

    Sehr geehrter Herr Außenminister, seit Ihrem Amtsan-
    tritt und heute wieder sprechen Sie davon, dass die Rolle
    Deutschlands in der Welt größer geworden ist und dass
    wir uns mehr engagieren müssen. Sie selbst haben Ihre
    Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz angespro-
    chen. Der Satz „Deutschland ist zu groß, um Weltpolitik
    nur von der Außenlinie zu kommentieren“ ist der am
    meisten zitierte Satz. Ich glaube allerdings, dass der
    nächste Satz, den Sie dort sagten, wesentlich wichtiger
    ist, zumindest für die heutige Beratung:

    Entscheidend ist aber vor allem anderen, dass wir
    gemeinsam mit anderen intensiver und kreativer da-
    rüber nachdenken, wie wir den Instrumentenkasten
    der Diplomatie ausstatten und für kluge Initiativen
    nutzbar machen.

    Nun ist die Stunde der Wahrheit gekommen. Wir ha-
    ben die Stunde der Haushaltsberatungen. Ich frage Sie:
    Wie viel Geld sind Sie denn bereit zu geben für die krea-
    tiveren Ideen, die klugen Initiativen oder die Ausstattung
    des diplomatischen Instrumentenkastens?


    (Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister: Sie geben Geld! Das Parlament gibt Geld!)


    (C)






    Michael Leutert


    (A) (C)



    (D)(B)

    Sie haben einen Haushaltsentwurf vorgelegt, der eine
    Antwort darauf gibt, die Sie kennen, Herr Außenminis-
    ter: Sie geben nichts dafür. Sie geben nicht mehr, son-
    dern Sie nehmen. Noch immer bewegt sich der Anteil
    des Haushalts des Auswärtigen Amts am Gesamthaus-
    halt bei ungefähr 1 Prozent. Das war schon vor zehn Jah-
    ren so, daran hat sich nichts geändert.


    (Alois Karl [CDU/CSU]: Es sind 1,2 Prozent!)


    – Vorher waren es 0,9 Prozent. Wir sind bei ungefähr
    1 Prozent.

    Dass es aber auch anders geht, kann man sehen, wenn
    man sich zum Beispiel den Bereich Bildung und For-
    schung anschaut. Alle Fraktionen waren sich vor Jahren
    einig, dass in diesem Bereich mehr getan werden muss.
    Aus diesem Grund ist der Etat im Bereich Bildung und
    Forschung von 8 auf mittlerweile fast 14 Milliarden
    Euro, das sind 6 Milliarden Euro mehr, angewachsen.
    Das heißt, wenn der politische Wille da ist, kann man et-
    was tun.

    Im Bereich der zivilen Außenpolitik allerdings, wo
    die Aufgaben nicht kleiner sind – Sie haben es angespro-
    chen: Syrien, Ukraine, die arabischen Länder oder die
    vielen Brennpunkte in Afrika, derzeit Mali und die Zen-
    tralafrikanische Republik –, wo die Aufgaben also uner-
    messlich groß sind, sind wir gerade einmal bereit,
    3,5 Milliarden Euro auszugeben. In den wichtigsten Be-
    reichen, die in den 3,5 Milliarden Euro versteckt sind,
    kürzen Sie auch noch: zum Beispiel im Bereich Abrüs-
    tung und Rüstungskontrolle 2 Millionen Euro weniger,
    im Bereich Krisenprävention, Friedenserhaltung und
    Konfliktbewältigung ebenfalls 2 Millionen Euro weni-
    ger und für die Afrika-Initiative – Afrika wird bei uns in
    der Politik zurzeit ganz großgeschrieben – 1 Million
    Euro weniger.

    Das, liebe Genossen – –


    (Lachen bei der CDU/CSU)


    – Das war ein Freud’scher Versprecher. Ich freue mich,
    dass sich so viele angesprochen fühlen. – Das, liebe Kol-
    leginnen und Kollegen


    (Zuruf von der CDU/CSU: Es kommt Ihnen schwer über die Lippen!)


    – Sie sind gerne eingeladen –, ist exakt der falsche Weg.
    Wir brauchen mehr Geld in der zivilen Außenpolitik.
    Herr Steinmeier, haben Sie Mut! Die Linke unterstützt
    Sie dabei.


    (Beifall bei der LINKEN)


    Ich habe soeben die Afrika-Initiative angesprochen.
    Es wurde groß ein neues, umfassendes Afrika-Konzept
    angekündigt, zusammen mit dem Entwicklungshilfemi-
    nisterium und dem Verteidigungsministerium. In der öf-
    fentlichen Wahrnehmung hat derzeit allerdings Frau von
    der Leyen die Federführung. Von aktuell 15 Auslands-
    mandaten werden 8 in Afrika wahrgenommen. Damit,
    liebe Kolleginnen und Kollegen, geht die Glaubwürdig-
    keit der Außenpolitik verloren. Ich kann es niemandem
    übel nehmen, wenn er denkt, es gehe Deutschland nur
    um mehr militärische Präsenz im Ausland. Wir befinden
    uns bei der Gewichtung von militärischem und zivilem
    Engagement im Ausland gerade in einer Schieflage, die
    wir als Linke so nicht hinnehmen werden.


    (Beifall bei der LINKEN)


    Sie macht es auch für Sie schwierig, liebe Kollegen von
    der Koalition, der Öffentlichkeit einen Einsatz zu erklä-
    ren, der einmal etwas sinnvoller ist.

    Schauen Sie bitte nach Mali: Dort haben wir in den
    letzten Jahren 225 Millionen Euro in die Entwicklungs-
    hilfe investiert. Für den Bundeswehreinsatz werden jetzt
    100 Millionen Euro ausgegeben. Wir müssen uns doch
    fragen, was dort schiefgelaufen ist: Wurde zu wenig
    Geld eingesetzt? Wurde das Geld in Mali falsch einge-
    setzt? Was sind die Gründe dafür, dass islamistische
    Fundamentalisten dort die Oberhand gewinnen konnten?

    Ich bin fest davon überzeugt, dass Extremisten – egal
    ob es islamisch-fundamentalistische Extremisten wie in
    Mali oder faschistische Gruppen wie in der Ukraine sind –
    überall dort, wo soziale Schieflagen existieren, wo Ar-
    mut um sich greift, ein leichtes Spiel haben. Aus diesem
    Grund, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist es dringend
    notwendig, in der Außenpolitik präventiv aktiv zu wer-
    den. Es ist notwendig, im internationalen Bereich zivile
    Maßnahmen, Maßnahmen, die Armut beseitigen und
    Demokratie und Sicherheit stärken, nachhaltig zu ergrei-
    fen. Das sind im Übrigen die besten Garanten dafür, dass
    die Bundeswehr nicht eingesetzt werden muss.


    (Beifall bei der LINKEN)


    Das ist langfristige Friedenspolitik. Insofern ist es zwin-
    gend erforderlich, dass die Mittel für Abrüstung, Rüs-
    tungskontrolle und Friedenserhaltung erhöht werden. Sie
    hätten für diese Maßnahmen die volle Unterstützung der
    Linken.

    Danke.


    (Beifall bei der LINKEN)