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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 18/27 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 27. Sitzung Berlin, Freitag, den 4. April 2014 I n h a l t : Tagesordnungspunkt 18: Antrag der Abgeordneten Philipp Mißfelder, Sibylle Pfeiffer, Frank Heinrich (Chemnitz), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Niels Annen, Dr. Bärbel Kofler, Gabriela Heinrich, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Kordula Schulz- Asche, Tom Koenigs, Omid Nouripour, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Erinnerung und Ge- denken an die Opfer des Völkermordes in Ruanda 1994 Drucksache 18/973 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2163 B Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2163 C Stefan Liebich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 2166 A Philipp Mißfelder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 2167 A Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2168 C Niels Annen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2170 B Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . 2171 C Dr. Andreas Nick (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 2172 C Gabriela Heinrich (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 2174 B Dagmar G. Wöhrl (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 2175 B Frank Heinrich (Chemnitz) (CDU/CSU) . . . . 2176 D Wilfried Lorenz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 2178 B Tagesordnungspunkt 19: a) Antrag der Abgeordneten Corinna Rüffer, Kerstin Andreae, Markus Kurth, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Fünf Jahre UN- Behindertenrechtskonvention – Sofort- programm für Barrierefreiheit und ge- gen Diskriminierung Drucksache 18/977 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2180 A b) Antrag der Abgeordneten Katrin Werner, Diana Golze, Sabine Zimmermann (Zwi- ckau), weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Programm zur Be- seitigung von Barrieren auflegen Drucksache 18/972 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2180 B Corinna Rüffer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2180 C Uwe Schummer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 2182 A Katrin Werner (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 2183 C Kerstin Tack (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2184 D Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2185 B Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2186 A Dr. Astrid Freudenstein (CDU/CSU) . . . . . . . 2187 A Sabine Zimmermann (Zwickau) (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2188 A Ulla Schmidt (Aachen) (SPD) . . . . . . . . . . . . 2188 D Jutta Eckenbach (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 2190 A Katrin Kunert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 2191 A Dr. Matthias Bartke (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 2192 A Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU) . . . 2193 A Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (SPD) . . . . . . . 2194 C Gabriele Schmidt (Ühlingen) (CDU/CSU) . . 2195 C Heike Baehrens (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2196 D Inhaltsverzeichnis II Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 27. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. April 2014 Uwe Lagosky (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 2197 C Dr. Martin Rosemann (SPD) . . . . . . . . . . . . . 2198 C Zusatztagesordnungspunkt 3: Antrag der Bundesregierung: Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte am maritimen Begleitschutz bei der Hydro- lyse syrischer Chemiewaffen an Bord der CAPE RAY im Rahmen der gemeinsamen VN/OVCW-Mission zur Vernichtung der syrischen Chemiewaffen Drucksache 18/984 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2200 A Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2200 B Jan van Aken (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 2200 C Christine Buchholz (DIE LINKE) . . . . . . . . . 2201 D Michael Roth, Staatsminister AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2203 A Heike Hänsel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 2204 A Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2205 B Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . 2205 D Michael Roth, Staatsminister AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2206 A Agnieszka Brugger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2206 C Philipp Mißfelder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 2207 C Dr. Reinhard Brandl (CDU/CSU) . . . . . . . . . 2208 C Tagesordnungspunkt 21: Antrag der Abgeordneten Pia Zimmermann, Sabine Zimmermann (Zwickau), Matthias W. Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Deckungslücken der Sozialen Pflegeversicherung schließen und die staatlich geförderten Pflegezusatzversi- cherungen – sogenannter Pflege-Bahr – ab- schaffen Drucksache 18/591 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2209 C Pia Zimmermann (DIE LINKE) . . . . . . . . . . 2209 D Erwin Rüddel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 2210 D Pia Zimmermann (DIE LINKE) . . . . . . . . 2211 A Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2212 C Mechthild Rawert (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 2213 C Tino Sorge (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . 2215 B Heiko Schmelzle (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 2216 D Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2217 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 2219 A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2220 A Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 27. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. April 2014 2163 (A) (C) (D)(B) 27. Sitzung Berlin, Freitag, den 4. April 2014 Beginn: 9.01 Uhr
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    Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 27. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. April 2014 2219 (A) (C) (B) Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten (D) Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Alpers, Agnes DIE LINKE 04.04.2014 Bahr, Ulrike SPD 04.04.2014 Dr. Bartels, Hans-Peter SPD 04.04.2014 Barthel, Klaus SPD 04.04.2014 Bätzing-Lichtenthäler, Sabine SPD 04.04.2014 Bluhm, Heidrun DIE LINKE 04.04.2014 Brähmig, Klaus CDU/CSU 04.04.2014 Brase, Willi SPD 04.04.2014 Dr. Brunner, Karl-Heinz SPD 04.04.2014 Bülow, Marco SPD 04.04.2014 Dr. Diaby, Karamba SPD 04.04.2014 Ernst, Klaus DIE LINKE 04.04.2014 Ernstberger, Petra SPD 04.04.2014 Fuchtel, Hans-Joachim CDU/CSU 04.04.2014 Dr. Gauweiler, Peter CDU/CSU 04.04.2014 Gohlke, Nicole DIE LINKE 04.04.2014 Groß, Michael SPD 04.04.2014 Gunkel, Wolfgang SPD 04.04.2014 Ilgen, Matthias SPD 04.04.2014 Karawanskij, Susanna DIE LINKE 04.04.2014 Kaster, Bernhard CDU/CSU 04.04.2014 Krellmann, Jutta DIE LINKE 04.04.2014 Dr. Krings, Günter CDU/CSU 04.04.2014 Kühn-Mengel, Helga SPD 04.04.2014 Maisch, Nicole BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 04.04.2014 Meiwald, Peter BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 04.04.2014 Dr. Priesmeier, Wilhelm SPD 04.04.2014 Roth (Heringen), Michael SPD 04.04.2014 Rüthrich, Susann SPD 04.04.2014 Schieder (Schwandorf), Marianne SPD 04.04.2014 Schlecht, Michael DIE LINKE 04.04.2014 Schmidt (Fürth), Christian CDU/CSU 04.04.2014 Silberhorn, Thomas CDU/CSU 04.04.2014 Dr. Sitte, Petra DIE LINKE 04.04.2014 Stritzl, Thomas CDU/CSU 04.04.2014 Dr. Terpe, Harald BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 04.04.2014 Trittin, Jürgen BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 04.04.2014 Ulrich, Alexander DIE LINKE 04.04.2014 Dr. Wagenknecht, Sahra DIE LINKE 04.04.2014 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Anlagen 2220 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 27. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. April 2014 (A) (C) (D)(B) Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur hat mitgeteilt, dass er gemäß § 80 Absatz 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: – Unterrichtung durch die Bundesregierung Sondergutachten der Monopolkommission gemäß § 36 des Allgemeinen Eisenbahngesetzes Bahn 2013 – Reform zügig umsetzen! Drucksachen 17/14076, 18/641 Nr. 16 – Unterrichtung durch die Bundesregierung Tätigkeitsbericht 2012 der Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisen- bahnen für den Bereich Eisenbahnen mit Stellungnahme der Bundesregierung Drucksachen 18/356, 18/526 Nr. 1.4 – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht über die Projektfortschritte beim Ausbau der grenzüberschreitenden Schienenverkehrsachsen Drucksachen 18/357, 18/526 Nr. 1.5 Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden Unions- dokumente zur Kenntnis genommen oder von einer Be- ratung abgesehen hat. Wagner, Doris BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 04.04.2014 Weinberg, Harald DIE LINKE 04.04.2014 Dr. Weisgerber, Anja CDU/CSU 04.04.2014 Wunderlich, Jörn DIE LINKE 04.04.2014 Ziegler, Dagmar SPD 04.04.2014 Zypries, Brigitte SPD 04.04.2014 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Offsetdruc sellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 K Auswärtiger Ausschuss Drucksache 18/419 Nr. C.1 Ratsdokument 9706/13 Drucksache 18/419 Nr. A.2 EuB-BReg 43/2013 Drucksache 18/419 Nr. A.14 Ratsdokument 11396/13 Sportausschuss Drucksache 18/642 Nr. A.1 Ratsdokument 5842/14 Haushaltsausschuss Drucksache 18/544 Nr. A.27 Ratsdokument 5359/14 Drucksache 18/822 Nr. A.15 Ratsdokument 6266/14 Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft Drucksache 18/642 Nr. A.4 Ratsdokument 5958/14 Drucksache 18/822 Nr. A.24 Ratsdokument 6054/14 Drucksache 18/822 Nr. A.25 Ratsdokument 6445/14 Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur Drucksache 18/419 Nr. A.114 Ratsdokument 10275/13 Drucksache 18/419 Nr. A.122 Ratsdokument 13065/13 Drucksache 18/419 Nr. A.123 Ratsdokument 13234/13 Drucksache 18/419 Nr. A.126 Ratsdokument 13716/13 Drucksache 18/419 Nr. A.127 Ratsdokument 13717/13 Drucksache 18/544 Nr. A.41 Ratsdokument 5166/14 Drucksache 18/544 Nr. A.42 Ratsdokument 17967/13 Drucksache 18/544 Nr. A.43 Ratsdokument 18136/13 Drucksache 18/822 Nr. C.2 Ratsdokument 10154/13 Drucksache 18/822 Nr. C.3 Ratsdokument 10160/13 Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Drucksache 18/419 Nr. A.170 Ratsdokument 12453/13 Drucksache 18/642 Nr. A.11 Ratsdokument 5855/14 kerei, Bessemerstraße 83–91, 1 öln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de 22 27. Sitzung Inhaltsverzeichnis TOP 18 Gedenken an die Opfer des Völkermordes in Ruanda TOP 19 Programm für Barrierefreiheit ZP 3 Bundeswehreinsatz Vernichtung syrischer Chemiewaffen TOP 21 Soziale Pflegeversicherung Anlagen
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Niels Annen


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)


    Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr verehrten

    Damen und Herren! Liebe Kollegin Schulz-Asche, ich
    möchte Ihnen für Ihre eindrücklichen, sehr persönlichen
    Worte recht herzlich danken.


    (Beifall im ganzen Hause)


    Am 6. April 1994 wurde die Maschine des ruandi-
    schen Präsidenten im Landeanflug auf Kigali abgeschos-
    sen. Dabei kamen alle Insassen ums Leben. Nur wenige
    Minuten später begann der Mord an Hunderttausenden
    Tutsi, aber auch an moderaten Hutu, die sich schützend
    vor ihre Nachbarn gestellt hatten. Es war keine spontane
    Eruption von Gewalt, sondern ein von langer Hand orga-
    nisatorisch und ideologisch vorbereiteter Mord. In den
    Reden ist darauf hingewiesen worden: Die Verantwortli-
    chen dafür – meine Damen und Herren, das macht es be-
    sonders schwer zu verstehen – waren bekannt.

    Auch für mich hat die Erinnerung an den Genozid in
    Ruanda einen sehr persönlichen Bezug: Am 6. April
    1994 habe ich meinen 21. Geburtstag gefeiert. Die Trag-
    weite der Ereignisse, die wir eher beiläufig über das Ra-
    dio erfahren haben, habe ich damals, wie so viele andere
    auch, nicht erfasst.
    In Ruanda sind zwischen April und Juli 1994 syste-
    matisch unvorstellbare Verbrechen begangen worden,
    Verbrechen, die unser Fassungsvermögen auf eine harte
    Probe stellen; der Außenminister hat dazu die richtigen
    Worte gefunden. Ich glaube – ohne unpassende Verglei-
    che anstellen zu wollen –: Für uns Deutsche stellt dieser
    Gedenktag eine besondere – wie soll man sagen? – He-
    rausforderung dar. Wir wissen, wie schwer es ist, zu den
    dunklen Seiten der eigenen Vergangenheit zu stehen. Ich
    bin deshalb dankbar und ich freue mich darüber, dass es
    CDU/CSU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen gelungen
    ist, einen gemeinsamen Antrag vorzulegen, den wir
    heute verabschieden wollen.

    Liebe Kolleginnen und Kollegen, der heutige Ge-
    denktag erinnert uns nicht nur an den von Deutschen be-
    gangenen Völkermord an den Juden, sondern auch an
    das Versagen der internationalen Gemeinschaft, dem
    Morden in Ruanda ein Ende zu bereiten; auch darauf ist
    zu Recht hingewiesen worden. Dieses – man kann das
    gar nicht häufig genug betonen – Versagen der interna-
    tionalen Gemeinschaft ist auch unser Versagen, ist auch
    ein Versagen der deutschen Politik gewesen.

    Seit dem Völkermord in Ruanda stellen wir uns in
    diesem Parlament, in der deutschen Öffentlichkeit bei
    Nachrichten über massive Menschenrechtsverletzungen
    die Frage: Ist unsere Antwort angemessen? Der häufig
    ausgesprochene, manchmal aber auch unausgesprochene
    Maßstab für die Antwort ist Ruanda; in gewisser Weise
    ist Ruanda somit zum Synonym für Menschheitsverbre-
    chen geworden.

    Wenn wir heute der Opfer gedenken, müssen wir uns
    auch die Frage stellen, ob wir aus diesem gemeinschaft-
    lichen Versagen die notwendigen, die richtigen Lehren
    gezogen haben. Krisen betreffen häufig nicht nur ein
    Land – wir haben häufig nicht mehr die klassischen
    Akteure innerstaatlicher Konflikte –, Konfliktursachen
    kennen oftmals keine Staatsgrenzen mehr. Das stellt uns
    vor große Herausforderungen. Gerade die aktuellen Kri-
    sen in Mali, in der Zentralafrikanischen Republik und im
    Südsudan, die den Deutschen Bundestag und die deut-
    sche Öffentlichkeit beschäftigen, machen allesamt nicht
    an – manchmal aus der Kolonialzeit stammenden, will-
    kürlichen – Grenzen halt, und sie können leicht über
    diese Grenzen hinaus Auswirkungen haben. Unsere
    Politik, liebe Kolleginnen und Kollegen, muss darauf an-
    gemessen reagieren. Wir alle wissen: Das ist nicht im-
    mer einfach.

    Ruanda hat, auch wenn uns einige innenpolitische
    Entwicklungen durchaus Sorgen bereiten, in den letzten
    Jahren beeindruckende Fortschritte gemacht. Wir ermu-
    tigen die Regierung, auf diesem Wege weiterzugehen.
    Ich möchte die Gelegenheit deshalb gerne nutzen, den
    Generalkonsul Ruandas in Vertretung der Botschafterin
    heute auf der Bühne zu begrüßen: Seien Sie uns herzlich
    willkommen!


    (Beifall)


    Der Genozid in Ruanda hat in der Zwischenzeit sehr
    konkrete politische, aber auch völkerrechtliche Konse-
    quenzen ausgelöst. So wurde die sogenannte Schutzver-





    Niels Annen


    (A) (C)



    (D)(B)

    antwortung als Kategorie des Völkerrechts entwickelt.
    Das ist ein Fortschritt, weil Staaten, die massive Men-
    schenrechtsverletzungen zu verantworten haben, sich
    nicht mehr hinter der nationalen Souveränität verstecken
    können. Natürlich ist auch diese Norm nicht perfekt, und
    die Diskussion über den Einsatz der NATO in Libyen
    zeigt uns, wie schmal der Grat zwischen berechtigtem
    – auch militärischem – Eingreifen auf der einen und der
    Überinterpretation eines auf der Schutzverantwortung
    basierenden Mandates der Vereinten Nationen auf der
    anderen Seite ist.

    Gerade deshalb sei hier ausdrücklich daran erinnert:
    Die eigentliche Bedeutung der Schutzverantwortung
    liegt in der Verpflichtung, Staaten in die Lage zu verset-
    zen, Massengewalttaten im Vorfeld solcher Ereignisse zu
    verhindern. Ich halte es für eine zentrale Aufgabe der
    deutschen Politik, diese Fähigkeiten aufzubauen und da-
    bei mit den afrikanischen Staaten und der Afrikanischen
    Union zusammenzuarbeiten.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Liebe Kolleginnen und Kollegen, deswegen möchte
    ich dem Bundesaußenminister dafür danken, dass er aus-
    drücklich darauf hingewiesen hat, wie wichtig diese Ko-
    operation mit den afrikanischen Staaten ist. Ich will das
    hier einmal vielleicht auch etwas salopp formulieren: In
    der Wahrnehmung der deutschen Politik, aber auch in
    der Wahrnehmung der deutschen Öffentlichkeit wird
    Afrika manchmal wie ein Land behandelt, und dabei
    vergessen wir, wie unterschiedlich die Entwicklungen in
    Afrika sind. Wir müssen die positiven Entwicklungen
    unterstützen, und ich glaube, dazu können wir als Parla-
    mentarier beitragen.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Heute – und das ist ein Fortschritt – herrscht ein weit-
    gehender Konsens darüber, dass die Staatengemein-
    schaft in Ruanda versagt hat. Der ehemalige amerikani-
    sche Präsident Bill Clinton, der sein Wegschauen in
    Ruanda als das schwerste Versäumnis seines Lebens be-
    zeichnet hat, hat in einer Rede in Kigali Folgendes for-
    muliert – ich zitiere –: Wir haben nicht schnell genug re-
    agiert, die Verbrechen nicht das genannt, was sie waren:
    ein Genozid. Wir können die Vergangenheit nicht än-
    dern, aber alles in unserer Macht Stehende tun, um eine
    Zukunft ohne Angst, aber voller Hoffnung zu bauen.

    Liebe Kolleginnen und Kollegen, das bleibt auch wei-
    terhin unsere Aufgabe.

    Herzlichen Dank.


    (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)




Rede von Dr. Norbert Lammert
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

Wolfgang Gehrcke hat nun das Wort für die Fraktion

Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Wolfgang Gehrcke


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE LINKE.)


    Herzlichen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kollegin-

    nen und Kollegen! Es bleibt natürlich die Fassungslosig-
    keit über das, was in Ruanda passiert ist. Ich finde, das
    können der menschliche Verstand und erst recht die
    menschliche Seele nicht aufnehmen und verarbeiten. Ich
    wünsche mir sehr, dass diese Fassungslosigkeit frak-
    tionsübergreifend alle Mitglieder dieses Parlamentes be-
    wegt.

    Vielleicht können wir eines tun, nämlich zu gleichen
    Fragen kommen. Ob wir dann auch zu gleichen Antwor-
    ten kommen, weiß ich nicht. Ich möchte Ihnen aber an-
    bieten, dass wir über gleiche Fragen an gleichen Ant-
    worten arbeiten. Ich biete Ihnen also meine Fragen an
    und bitte Sie, mit darüber nachzudenken.

    Meine erste Frage lautet natürlich: Was kann Men-
    schen dazu bringen, andere Menschen in einer kollekti-
    ven Raserei umzubringen? Brecht hat das einmal so for-
    muliert: Welche Kälte muss über Menschen gekommen
    sein, um so etwas vollbringen zu können? – Auf diese
    Frage suche ich eine Antwort: Was kann Menschen dazu
    bringen?

    Ich blicke dabei nicht nur auf Ruanda, und ich sage
    das schon gar nicht in Verbindung mit Afrika. Wir kön-
    nen hier auch auf die Killing Fields in Kambodscha
    blicken, und wir können blicken auf die Geschichte un-
    seres eigenen Landes. Ich fand es sehr in Ordnung, dass
    der Außenminister auch angesprochen hat, dass wir von
    Deutschland als von einem Land reden, das industriell,
    massenhaft, Menschen ermordet hat. Wir kommen also
    auch aus einer Tradition der Schuld.

    Meine nächste Frage lautet: Was kann man dafür tun,
    dass Menschen so immun gemacht werden, dass sie
    nicht gegen andere Menschen aufgehetzt werden kön-
    nen? Das ist doch eine Frage, die wir weltweit beantwor-
    ten müssen.

    Ich suche eine Antwort darauf, dass solche Aufhet-
    zungen wie in Ruanda nicht vom Himmel fallen, son-
    dern Ursachen haben. Wenn man Bevölkerungsteile auf-
    einander hetzt, hat das zuletzt und am wenigsten
    ethnische und religiöse, sondern auch konkrete ökono-
    mische und politische Ursachen.

    Ich möchte gerne, dass wir Anstrengungen dafür un-
    ternehmen, Ausgleichsformen zu finden, und ein staatli-
    ches Gewaltmonopol entwickeln, das tatsächlich an
    Recht, Rechtsstaatlichkeit und Gerechtigkeit gebunden
    ist.

    Wir können, wenn wir über Ruanda diskutieren, nicht
    von uns weisen, auch über koloniale Geschichte zu re-
    den. Ich möchte den Außenminister und auch die Bun-
    desregierung sehr bitten: Wenn Sie von einer neuen
    Afrika-Konzeption sprechen, die dringend notwendig
    ist, dann lassen Sie uns auch darüber reden, dass sich die
    europäischen Staaten, auch Deutschland, gegenüber der
    Bevölkerung in vielen Ländern Afrikas schuldig ge-
    macht haben.


    (Beifall bei der LINKEN)






    Wolfgang Gehrcke


    (A) (C)



    (D)(B)

    Nur wenn wir unsere Schuld eingestehen, wird eine neue
    Konzeption überhaupt möglich werden. Darüber sollten
    wir gemeinsam nachdenken, gerade vor dem Hinter-
    grund dessen, was heute in vielen Teilen Afrikas pas-
    siert.

    Wir sollten auch darüber nachdenken, dass soziale
    Konflikte durch Landknappheit, Landraub, Land-Grab-
    bing und durch Wasserknappheit verstärkt werden
    – Landknappheit und Wasserknappheit sind die ökono-
    mischen Ursachen von Kriegen der Gegenwart und auch
    der Zukunft –, dass Konflikte durch Spekulationen auf
    Preise verstärkt werden, durch die Zerstörung gewachse-
    ner Strukturen, durch die Verführung von Elitekonzep-
    tionen und auch durch sprachliche Spaltung. Kann man
    nicht, wenn wir aus Ruanda lernen wollen, eine Afrika-
    Politik entwickeln, die sich ganz klar gegen Land- und
    Wasserraub ausspricht, gegen die Fortsetzung des Kolo-
    nialismus mit ökonomischen Mitteln? Darauf müssen
    wir Antworten geben.

    Ich denke, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass
    Konflikte nicht vom Himmel fallen. Es ist immer ko-
    misch, wenn es heißt, irgendetwas sei plötzlich eingetre-
    ten. Nichts tritt plötzlich ein; Konflikte werden vorberei-
    tet und geschürt. Ruanda hat eine halbe Million
    Macheten im Ausland gekauft. Hat sich niemand die
    Frage gestellt, wozu man eine halbe Million Macheten
    kauft? Vielleicht sind wir, was Ruanda angeht, über das
    Archaische des Völkermordes erschrocken. Ich frage
    mich selbst und auch uns: Was ist mit Kleinwaffen? Sind
    die Kleinwaffen nicht die moderne Form der Macheten?


    (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Müssen wir nicht zumindest zu einer Initiative „Schluss
    mit dem Handel und dem Profit durch den weltweiten
    Verkauf von Kleinwaffen“ kommen? Diese Fragen rich-
    ten sich an uns selbst. Muss man nicht zusammen und
    öffentlich der Propaganda nachgehen und Propaganda
    sofort aufgreifen, wo sie rassistisch ist oder zum Rassis-
    mus führt, auch in Europa, auch im eigenen Land? Das
    müssen die Schlussfolgerungen sein.


    (Beifall bei der LINKEN)


    Kofi Annan hat nach dem Völkermord gesagt: „Der
    Grund für das Scheitern von Ruanda war fehlender poli-
    tische Wille.“ – Bringen wir einen wirklichen Willen zur
    Gleichberechtigung auf, politisch und ökonomisch, da-
    mit so etwas nicht wieder eintritt!

    Ich möchte zum Schluss noch ganz knapp einige
    Punkte ansprechen, die mir sehr am Herzen liegen.
    Wenn wir über Völkermord sprechen, müssen wir dann
    nicht zugleich auch darüber reden, dass jeden Tag welt-
    weit 57 000 Menschen verhungern? Auch das ist eine
    Form von Völkermord, die wir bekämpfen müssen.
    Müssen wir nicht darüber reden, dass im Mittelmeer
    19 000 Menschen ertrunken sind, Menschen, die gehofft
    hatten, in Europa ein besseres Leben zu finden? Ist nicht
    auch das ein Teil der Verantwortung, die wir wahrneh-
    men müssen? Ich finde, das ist unsere Verantwortung.
    Indem wir solche Fragen aufwerfen, finden wir einen
    neuen Weg zu den afrikanischen Ländern. Indem wir un-
    sere Schuld anerkennen, können wir die Schuld anderer
    besser benennen. Diese Botschaft wollte ich Ihnen von
    dieser Stelle aus überbringen. Lassen Sie uns zumindest
    gemeinsame Fragen stellen! Über die Antworten kann
    man dann streiten.

    Ich hätte gerne an diesem fraktionsübergreifenden
    Antrag mitgearbeitet. Das Verhalten, diese Kleinkariert-
    heit, dass man im Zusammenhang mit einem Völker-
    mord die Linke ausgrenzt und sie daran hindert, an ei-
    nem solchen Antrag mitzuarbeiten und ihre Fragen
    einzubringen, muss sich hier in diesem Hause ändern.

    Herzlichen Dank.


    (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)