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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 18/27 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 27. Sitzung Berlin, Freitag, den 4. April 2014 I n h a l t : Tagesordnungspunkt 18: Antrag der Abgeordneten Philipp Mißfelder, Sibylle Pfeiffer, Frank Heinrich (Chemnitz), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Niels Annen, Dr. Bärbel Kofler, Gabriela Heinrich, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Kordula Schulz- Asche, Tom Koenigs, Omid Nouripour, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Erinnerung und Ge- denken an die Opfer des Völkermordes in Ruanda 1994 Drucksache 18/973 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2163 B Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2163 C Stefan Liebich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 2166 A Philipp Mißfelder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 2167 A Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2168 C Niels Annen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2170 B Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . 2171 C Dr. Andreas Nick (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 2172 C Gabriela Heinrich (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 2174 B Dagmar G. Wöhrl (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 2175 B Frank Heinrich (Chemnitz) (CDU/CSU) . . . . 2176 D Wilfried Lorenz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 2178 B Tagesordnungspunkt 19: a) Antrag der Abgeordneten Corinna Rüffer, Kerstin Andreae, Markus Kurth, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Fünf Jahre UN- Behindertenrechtskonvention – Sofort- programm für Barrierefreiheit und ge- gen Diskriminierung Drucksache 18/977 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2180 A b) Antrag der Abgeordneten Katrin Werner, Diana Golze, Sabine Zimmermann (Zwi- ckau), weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Programm zur Be- seitigung von Barrieren auflegen Drucksache 18/972 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2180 B Corinna Rüffer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2180 C Uwe Schummer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 2182 A Katrin Werner (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 2183 C Kerstin Tack (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2184 D Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2185 B Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2186 A Dr. Astrid Freudenstein (CDU/CSU) . . . . . . . 2187 A Sabine Zimmermann (Zwickau) (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2188 A Ulla Schmidt (Aachen) (SPD) . . . . . . . . . . . . 2188 D Jutta Eckenbach (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 2190 A Katrin Kunert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 2191 A Dr. Matthias Bartke (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 2192 A Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU) . . . 2193 A Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (SPD) . . . . . . . 2194 C Gabriele Schmidt (Ühlingen) (CDU/CSU) . . 2195 C Heike Baehrens (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2196 D Inhaltsverzeichnis II Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 27. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. April 2014 Uwe Lagosky (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 2197 C Dr. Martin Rosemann (SPD) . . . . . . . . . . . . . 2198 C Zusatztagesordnungspunkt 3: Antrag der Bundesregierung: Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte am maritimen Begleitschutz bei der Hydro- lyse syrischer Chemiewaffen an Bord der CAPE RAY im Rahmen der gemeinsamen VN/OVCW-Mission zur Vernichtung der syrischen Chemiewaffen Drucksache 18/984 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2200 A Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2200 B Jan van Aken (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 2200 C Christine Buchholz (DIE LINKE) . . . . . . . . . 2201 D Michael Roth, Staatsminister AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2203 A Heike Hänsel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 2204 A Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2205 B Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . 2205 D Michael Roth, Staatsminister AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2206 A Agnieszka Brugger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2206 C Philipp Mißfelder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 2207 C Dr. Reinhard Brandl (CDU/CSU) . . . . . . . . . 2208 C Tagesordnungspunkt 21: Antrag der Abgeordneten Pia Zimmermann, Sabine Zimmermann (Zwickau), Matthias W. Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Deckungslücken der Sozialen Pflegeversicherung schließen und die staatlich geförderten Pflegezusatzversi- cherungen – sogenannter Pflege-Bahr – ab- schaffen Drucksache 18/591 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2209 C Pia Zimmermann (DIE LINKE) . . . . . . . . . . 2209 D Erwin Rüddel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 2210 D Pia Zimmermann (DIE LINKE) . . . . . . . . 2211 A Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2212 C Mechthild Rawert (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 2213 C Tino Sorge (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . 2215 B Heiko Schmelzle (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 2216 D Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2217 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 2219 A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2220 A Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 27. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. April 2014 2163 (A) (C) (D)(B) 27. Sitzung Berlin, Freitag, den 4. April 2014 Beginn: 9.01 Uhr
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    Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 27. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. April 2014 2219 (A) (C) (B) Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten (D) Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Alpers, Agnes DIE LINKE 04.04.2014 Bahr, Ulrike SPD 04.04.2014 Dr. Bartels, Hans-Peter SPD 04.04.2014 Barthel, Klaus SPD 04.04.2014 Bätzing-Lichtenthäler, Sabine SPD 04.04.2014 Bluhm, Heidrun DIE LINKE 04.04.2014 Brähmig, Klaus CDU/CSU 04.04.2014 Brase, Willi SPD 04.04.2014 Dr. Brunner, Karl-Heinz SPD 04.04.2014 Bülow, Marco SPD 04.04.2014 Dr. Diaby, Karamba SPD 04.04.2014 Ernst, Klaus DIE LINKE 04.04.2014 Ernstberger, Petra SPD 04.04.2014 Fuchtel, Hans-Joachim CDU/CSU 04.04.2014 Dr. Gauweiler, Peter CDU/CSU 04.04.2014 Gohlke, Nicole DIE LINKE 04.04.2014 Groß, Michael SPD 04.04.2014 Gunkel, Wolfgang SPD 04.04.2014 Ilgen, Matthias SPD 04.04.2014 Karawanskij, Susanna DIE LINKE 04.04.2014 Kaster, Bernhard CDU/CSU 04.04.2014 Krellmann, Jutta DIE LINKE 04.04.2014 Dr. Krings, Günter CDU/CSU 04.04.2014 Kühn-Mengel, Helga SPD 04.04.2014 Maisch, Nicole BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 04.04.2014 Meiwald, Peter BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 04.04.2014 Dr. Priesmeier, Wilhelm SPD 04.04.2014 Roth (Heringen), Michael SPD 04.04.2014 Rüthrich, Susann SPD 04.04.2014 Schieder (Schwandorf), Marianne SPD 04.04.2014 Schlecht, Michael DIE LINKE 04.04.2014 Schmidt (Fürth), Christian CDU/CSU 04.04.2014 Silberhorn, Thomas CDU/CSU 04.04.2014 Dr. Sitte, Petra DIE LINKE 04.04.2014 Stritzl, Thomas CDU/CSU 04.04.2014 Dr. Terpe, Harald BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 04.04.2014 Trittin, Jürgen BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 04.04.2014 Ulrich, Alexander DIE LINKE 04.04.2014 Dr. Wagenknecht, Sahra DIE LINKE 04.04.2014 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Anlagen 2220 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 27. Sitzung. Berlin, Freitag, den 4. April 2014 (A) (C) (D)(B) Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur hat mitgeteilt, dass er gemäß § 80 Absatz 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: – Unterrichtung durch die Bundesregierung Sondergutachten der Monopolkommission gemäß § 36 des Allgemeinen Eisenbahngesetzes Bahn 2013 – Reform zügig umsetzen! Drucksachen 17/14076, 18/641 Nr. 16 – Unterrichtung durch die Bundesregierung Tätigkeitsbericht 2012 der Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisen- bahnen für den Bereich Eisenbahnen mit Stellungnahme der Bundesregierung Drucksachen 18/356, 18/526 Nr. 1.4 – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht über die Projektfortschritte beim Ausbau der grenzüberschreitenden Schienenverkehrsachsen Drucksachen 18/357, 18/526 Nr. 1.5 Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden Unions- dokumente zur Kenntnis genommen oder von einer Be- ratung abgesehen hat. Wagner, Doris BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 04.04.2014 Weinberg, Harald DIE LINKE 04.04.2014 Dr. Weisgerber, Anja CDU/CSU 04.04.2014 Wunderlich, Jörn DIE LINKE 04.04.2014 Ziegler, Dagmar SPD 04.04.2014 Zypries, Brigitte SPD 04.04.2014 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Offsetdruc sellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 K Auswärtiger Ausschuss Drucksache 18/419 Nr. C.1 Ratsdokument 9706/13 Drucksache 18/419 Nr. A.2 EuB-BReg 43/2013 Drucksache 18/419 Nr. A.14 Ratsdokument 11396/13 Sportausschuss Drucksache 18/642 Nr. A.1 Ratsdokument 5842/14 Haushaltsausschuss Drucksache 18/544 Nr. A.27 Ratsdokument 5359/14 Drucksache 18/822 Nr. A.15 Ratsdokument 6266/14 Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft Drucksache 18/642 Nr. A.4 Ratsdokument 5958/14 Drucksache 18/822 Nr. A.24 Ratsdokument 6054/14 Drucksache 18/822 Nr. A.25 Ratsdokument 6445/14 Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur Drucksache 18/419 Nr. A.114 Ratsdokument 10275/13 Drucksache 18/419 Nr. A.122 Ratsdokument 13065/13 Drucksache 18/419 Nr. A.123 Ratsdokument 13234/13 Drucksache 18/419 Nr. A.126 Ratsdokument 13716/13 Drucksache 18/419 Nr. A.127 Ratsdokument 13717/13 Drucksache 18/544 Nr. A.41 Ratsdokument 5166/14 Drucksache 18/544 Nr. A.42 Ratsdokument 17967/13 Drucksache 18/544 Nr. A.43 Ratsdokument 18136/13 Drucksache 18/822 Nr. C.2 Ratsdokument 10154/13 Drucksache 18/822 Nr. C.3 Ratsdokument 10160/13 Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Drucksache 18/419 Nr. A.170 Ratsdokument 12453/13 Drucksache 18/642 Nr. A.11 Ratsdokument 5855/14 kerei, Bessemerstraße 83–91, 1 öln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de 22 27. Sitzung Inhaltsverzeichnis TOP 18 Gedenken an die Opfer des Völkermordes in Ruanda TOP 19 Programm für Barrierefreiheit ZP 3 Bundeswehreinsatz Vernichtung syrischer Chemiewaffen TOP 21 Soziale Pflegeversicherung Anlagen
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Stefan Liebich


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DIE LINKE.)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE LINKE.)


    Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! „Ihr

    habt gute Arbeit geleistet“, so bedankte sich der Präfekt
    des Verwaltungsbezirks Gikongoro im Süden Ruandas
    bei jenen, die innerhalb weniger Stunden Abertausende
    von Menschen getötet hatten. Damals, vor 20 Jahren, hat
    kein Virus des Tötens, wie manche sagen, das Land be-
    fallen. Es waren keine vermeintlichen Wilden, die sich
    in einen Stammeskrieg verirrten. Es waren gebildete,
    moderne Eliten, die Unvorstellbares taten. Sie organi-
    sierten einen hunderttausendfachen Mord an den Tutsi
    und den gemäßigten Hutu und führten ihn teilweise auch
    eigenhändig durch. Eine Frage, der wir uns heute stellen
    müssen, ist, wie es zu diesem Völkermord kommen
    konnte und wer dafür in Ruanda, in Afrika, in Europa, in
    unserer Weltgemeinschaft die Verantwortung trägt. Wie
    konnte so etwas geschehen in einem Land, in dem die
    Menschen die gleiche Sprache sprechen, meist auch die
    gleiche Religion haben, in dem man über sehr lange Zeit
    friedlich miteinander lebte und sich vor allem dadurch
    unterschied, dass der eine Ackerbauer und der andere
    Viehbesitzer war?

    Hutu und Tutsi wurden erst von Europäern zu Fein-
    den gemacht. Es war der Engländer John Speke, der
    1860 fand, dass die Tutsi den neolithisch-hamitischen
    Völkern zugerechnet werden müssten und den afrikani-
    schen Hutu überlegen seien. Festgeschrieben wurden die
    angeblichen Rassenunterschiede durch die Deutschen,
    deren Kolonie das Territorium Ruandas zunächst war,
    und vor allem durch die belgischen Kolonialherren, die
    in Pässe eintragen ließen, ob jemand Hutu oder Tutsi ist.
    Soziale Unterschiede wurden ethnisiert, damit die euro-
    päischen Mächte das Land leichter beherrschen und die
    Gruppen gegeneinander ausspielen konnten. Hier liegt
    die Wurzel des Übels.

    Es waren auch die Belgier, die eine Hutu-Regierung
    in Ruanda ins Amt brachten und damit der jahrhunderte-
    alten Tutsi-Herrschaft ein Ende setzten. Die Hutu diskri-
    minierten die Tutsi. Die Tutsi flohen. Es gab Kämpfe
    und Tote, und die Invasion der Tutsi der Ruandischen
    Patriotischen Front, der heutigen Regierungspartei
    Ruandas, unter Paul Kagame von Uganda aus konnte nur
    durch das Eingreifen Frankreichs, das die Hutu-Regie-
    rung unterstützte, gestoppt werden.

    Nun begann die Vorbereitung zum Völkermord: Ra-
    dios wurden umsonst im Land verteilt, um Hass- und
    Gewaltaufrufe zu verbreiten. Als das Präsidentenflug-
    zeug am 6. April 1994 abgeschossen wurde, brachen alle
    Dämme. Mit Namenslisten gingen die Anhänger von
    Hutu Power, so der Name einer rassistischen Partei, als
    Erstes zu den Häusern der gemäßigten Hutu-Politiker
    und brachten sie um. Am 7. April 1994, also einen Tag
    später, war die gesamte Regierung ausgelöscht oder un-
    tergetaucht. Dann wurde den Milizen freie Hand ge-
    währt. Allen, die sich an den Massakern beteiligten, bot
    man materielle Anreize. Wer nicht mitmischte, wurde
    mitsamt seiner Familie getötet. In 100 Tagen wurden
    75 Prozent der ruandischen Tutsi ermordet. Das Grauen
    wird noch heute in zahlreichen Gedenkstätten deutlich.
    Viele stellten und stellen sich die Frage, warum die
    Weltgemeinschaft den Geschehnissen keinen Riegel vor-
    geschoben hat, warum die UNO nicht militärisch einge-
    griffen hat, als die Dimension der Unmenschlichkeit be-
    kannt wurde. Ich finde diese Frage verständlich.

    Noch wichtiger ist es, sich damit auseinanderzuset-
    zen, was man hätte tun können, um den Völkermord
    schon vor seinem Geschehen zu verhindern. Vor der Ver-
    antwortung zum Schutz der Zivilbevölkerung, vor sol-
    chen Verbrechen liegt die Verantwortung, zu vermeiden,
    dass es überhaupt so weit kommen kann.


    (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Warum wurden vor 130 Jahren hier ganz in der Nähe
    in der Wilhelmstraße die Grundlagen für die Aufteilung
    der Kolonien Afrikas gelegt und willkürlich Grenzen ge-
    zogen, ohne irgendeinen der Menschen zu fragen, die
    seit Jahrhunderten auf diesem Kontinent lebten? Was
    war die Rolle Deutschlands und Belgiens bei der Zie-
    hung der Grenzen zwischen den Bewohnern Ruandas?
    Schließlich: Was ist mit Frankreich? „Hebt endlich die
    Geheimhaltung der Rolle Frankreichs in Ruanda auf!“,
    fordert seit vergangenem Mittwoch eine Petition, die be-
    reits von Tausenden Franzosen unterschrieben wurde.
    Denn immer noch hält die Regierung Hollande die Ak-
    ten unter Verschluss.

    Französische Experten hatten die rassistische Hutu
    Power bei der statistischen Erfassung und Organisation
    der gesamten Bevölkerung beraten. Die Statistiken ha-
    ben später beim Völkermord geholfen. Die Genozid-
    Regierung selbst wurde in den Räumen der französi-
    schen Botschaft in Kigali gegründet, und als der Völker-
    mord bereits auf Hochtouren lief, wurde sie noch in
    Paris empfangen. Wer Außenpolitik nicht nur von der
    Seitenlinie machen möchte, Frau Merkel, Herr
    Steinmeier, und wer Afrika dabei im Blick hat, der sollte
    schleunigst gegenüber den französischen Freunden aktiv
    werden und hier Aufklärung fordern.


    (Beifall bei der LINKEN)


    Wenn wir die Opfer des Völkermords ehren wollen,
    dann sollten wir Ruanda helfen, zum Beispiel den Über-
    lebenden des Völkermords, die heute unter HIV und
    Aids leiden, und jenen, die an ihrem Lebensabend keine
    Familien mehr haben, die sie unterstützen können. Wir
    helfen nicht, wenn wir mit Kritik an der Scheindemokra-
    tie, die Ruanda heute ist, sparen. Unterdrückung der
    Opposition, mangelnde Pressefreiheit und die Rolle
    Kagames im Kongo dürfen nicht verschwiegen werden.

    Eines noch zum Schluss: Bitte legitimieren Sie keine
    neuen Militäreinsätze in Situationen, die mit Ruandas
    Völkermord mit Hunderttausenden Toten nicht zu ver-
    gleichen sind!


    (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


    Eine soziale und gerechte Weltwirtschaftsordnung und
    daraus erwachsende Stabilität – der Außenminister hat
    darauf hingewiesen – sind sicher keine Garantie, aber





    Stefan Liebich


    (A) (C)



    (D)(B)

    können helfen, solche Abgründe der Unmenschlichkeit
    zu vermeiden. Hier haben wir noch viel zu tun.

    Vielen Dank.


    (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)




Rede von Dr. Norbert Lammert
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

Nächster Redner ist der Kollege Philipp Mißfelder für

die CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Philipp Mißfelder


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)


    Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In

    diesen Tagen jährt sich der Völkermord in Ruanda – am
    kommenden Montag findet eine Gedenkveranstaltung in
    Ruanda selbst statt – zum 20. Mal. Zwischen April und
    Juni 1994 wurden über 800 000 Menschen, vorwiegend
    Tutsi, aber auch gemäßigte Hutu, Opfer eines unbe-
    schreiblichen Sterbens. Der Deutsche Bundestag ver-
    neigt sich mit diesem Gedenken und den Initiativen, die
    wir ergriffen haben, vor den Opfern von Gewalt, Mord
    und Vertreibung. Wir wollen durch unser Gedenken si-
    cherstellen, dass dies nicht vergessen wird.

    Wir bedauern insbesondere, dass es der internationa-
    len Gemeinschaft trotz zahlreicher Hinweise aus dem
    Land und außerhalb des Landes damals nicht gelungen
    ist, die Vorboten des Völkermords zu erkennen und die
    Entwicklung zu verhindern. Deshalb wollen wir mit die-
    ser Debatte nicht nur anregen, der Opfer zu gedenken
    – dies tun wir –, sondern wir wollen auch darüber spre-
    chen – das ist in den vorherigen Wortbeiträgen bereits
    geschehen –, wie Völkermord insgesamt verhindert wer-
    den kann und welchen Einfluss europäische Politik, po-
    sitiv wie negativ, auf Afrika haben kann.

    Die Ursachen dieses Völkermords sind von meinem
    Vorredner sehr deutlich herausgearbeitet worden. Eines
    muss man sagen: Selbstverständlich haben auch europäi-
    sche Länder dort aufgrund ihrer Interessenpolitik herum-
    experimentiert. Dies hat dem Land nicht gutgetan, und
    das haben viele Menschen mit dem Tod bezahlt.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)


    Die autoritäre Militärregierung hat damals versucht,
    die Opposition niederzuringen und dringend notwendige
    Reformen zu verhindern. Als 1973 Präsident Juvénal
    Habyarimana durch einen Staatsstreich ins Amt kam,
    war die Rollenverteilung nicht nur in ethnischer Hinsicht
    klar, sondern auch machtpolitisch zementiert. Zur Kon-
    solidierung seiner Macht platzierte der Präsident diverse
    Hutu-Anhänger in nahezu allen Schlüsselpositionen, vor
    allem in der Armee des Landes.

    Anfang der 90er-Jahre eskalierten die Auseinander-
    setzungen mit der Patriotischen Front, der Rwandese
    Patriotic Front, des heutigen Staatspräsidenten Paul
    Kagame, der später den Völkermord beendet hat. Lokale
    Pogrome kosteten damals bereits Hunderte von Tutsi das
    Leben.
    Nach langwierigen Verhandlungen unterzeichneten
    Regierung und Opposition am 4. August 1993 in Tansa-
    nia ein Friedensabkommen, das eine Teilung der Macht
    sowie eine Integration der Rebellenarmee vorsah. Beide
    Parteien befürworteten die Stationierung einer UN-Blau-
    helmtruppe, um die Umsetzung der Vereinbarung zu
    überwachen.

    Am 5. Oktober 1993 richtete der UN-Sicherheitsrat
    mit der Resolution 872 auf Vorschlag des damaligen Ge-
    neralsekretärs Boutros Boutros-Ghali eine UNO-Mis-
    sion für Ruanda ein. Aber auch das hat den späteren Völ-
    kermord nicht verhindert. Der damalige UNAMIR-
    Kommandeur traf am 22. Oktober 1993 in der ruandi-
    schen Hauptstadt Kigali ein, die ersten Soldaten fünf
    Tage später. Das heißt, die UNO war damals schon prä-
    sent. Die Etablierung einer Übergangsregierung unter
    Einschluss der Patriotischen Front Kagames scheiterte
    jedoch. Über Radio – das wurde bereits gesagt – wurde
    damals bereits dazu aufgerufen, die Tutsi umzubringen.

    Die Situation eskalierte vollkommen, als am 6. April
    1994 das Flugzeug abgeschossen wurde, in dem Präsi-
    dent Habyarimana saß, und dieser dabei ums Leben kam.
    Dadurch wurde eine neue Eskalationsstufe erreicht. Die
    Planungen dazu wurden aber wahrscheinlich schon vor-
    her getroffen.

    Wir müssen kritisch überprüfen, was die UNO-Mis-
    sion damals gebracht hat und ob sie vielleicht Schlimme-
    res hätte verhindern können. Die UNO hat sich deshalb
    Jahre später, im Jahr 1999, unter dem früheren schwedi-
    schen Premierminister Carlsson ausführlich mit diesem
    Völkermord und mit seinem Zustandekommen beschäf-
    tigt. Ich möchte aus dem Bericht zitieren:

    Die Unabhängige Untersuchungskommission stellt
    fest, daß die Vereinten Nationen im Vorfeld und
    während des Völkermordes in Ruanda 1994 in
    mehreren grundsätzlichen Punkten versagt haben.
    Die Verantwortung für das Versagen der Vereinten
    Nationen, den Völkermord in Ruanda zu verhin-
    dern oder zu stoppen, liegt bei einer Reihe verschie-
    dener Akteure, insbesondere beim Generalsekretär,
    dem Sekretariat, dem UNO-Sicherheitsrat, der
    UNAMIR und bei der breiteren Mitgliedschaft der
    Vereinten Nationen. Diese internationale Verant-
    wortung verlangt eine klare Entschuldigung der Or-
    ganisation und der betreffenden Mitgliedstaaten ge-
    genüber dem ruandischen Volk. Hinsichtlich der
    Verantwortung jener Ruander, die den Völkermord
    an ihren Landsleuten planten, dazu aufhetzten und
    ihn begingen, sind fortgesetzte Bemühungen erfor-
    derlich, sie vor Gericht zu stellen, vor den Interna-
    tionalen Strafgerichtshof für Ruanda und vor natio-
    nale Gerichte in Ruanda selbst.

    Aus diesem Bericht und aus den vielen Bemühungen,
    die es damals gab, um den Völkermord und das Versa-
    gen der internationalen Staatengemeinschaft aufzuarbei-
    ten, ist die Diskussion um die sogenannte Responsibility
    to Protect entstanden. Sie spielt hier sehr häufig eine
    Rolle. Häufig wird aber vergessen, dass der Ausgangs-
    punkt eigentlich das Versagen der UNO im Hinblick auf
    den Völkermord in Ruanda war. Deshalb ist es richtig,





    Philipp Mißfelder


    (A) (C)



    (D)(B)

    wenn man die Responsibility to Protect bemüht oder als
    politisches Hilfsargument anführt, dass man sich verge-
    wissert, dass dieser Gedenktag eine ganz wichtige Funk-
    tion hat, und dass man sieht – es ist uns gelungen, die
    Debatte um RtoP in der UNO voranzubringen –: Häufig
    führt die Selbstblockade der UNO dazu, dass es keine
    Garantie dafür gibt, dass dieses Prinzip auch angewandt
    wird.

    Vor diesem Hintergrund möchte ich an einem Punkt
    – gar nicht polemisch – widersprechen. Auch hier im
    Hause gibt es unterschiedliche Auffassungen darüber, ob
    man im Rahmen der Responsibility to Protect oder im
    Rahmen weiterer Möglichkeiten zur Verhinderung eines
    Völkermordes militärische Maßnahmen ergreifen sollte
    oder nicht.

    Ich stimme dem, was gesagt worden ist, zu. Man kann
    generell sagen: Es ist besser, wenn man vorausschauend
    agiert. – Die verfehlte Kolonialpolitik hat dazu geführt,
    dass man Ruanda zu wenig geholfen hat, dass man
    Ruanda in diese Situation gebracht hat, dass man Eth-
    nien zuerst kreiert und sie dann gegeneinander aufge-
    hetzt hat. Aber nichtsdestotrotz: Wenn so etwas falsch
    gelaufen ist und sich ein Land in eine falsche Richtung
    bewegt, dann muss man bereit sein, zum Schutz der Zi-
    vilbevölkerung als äußerstes Mittel der Politik auch mili-
    tärische Maßnahmen zu ergreifen. Da stimmen wir hier
    im Haus eben nicht alle überein. Deshalb möchte ich
    mich noch einmal dafür starkmachen, dass ein Mittel im
    Rahmen der Responsibility to Protect als äußerste Mög-
    lichkeit eben auch militärische Maßnahmen sein sollten.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Cem Özdemir [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


    Der Bundesaußenminister hat klargemacht, dass er ei-
    nen Schwerpunkt seiner Arbeit auf Afrika legt; ich
    glaube, seine jüngste Reise vor ein paar Tagen dokumen-
    tiert das sehr deutlich. Deshalb möchte ich heute unsere
    Bereitschaft betonen, mit der Regierung in Ruanda ein
    neues Kapitel der bilateralen Zusammenarbeit aufzu-
    schlagen. Kritische Punkte in Bezug auf Präsident
    Kagame sind angesprochen worden. Aber eines sollten
    wir nicht vergessen: Dieser Mann hat den Völkermord
    damals beendet und zur Aussöhnung im Land erheblich
    beigetragen.

    Wir sehen, dass Ruanda Schwierigkeiten hat. Wir se-
    hen aber auch, dass die wirtschaftlichen Perspektiven,
    die Perspektiven von Good Governance und Regierungs-
    führung im Allgemeinen viel besser sind als in vielen an-
    deren Ländern. Vor diesem Hintergrund sollten wir am
    heutigen Tage mit Blick auf die Zukunft festhalten, dass
    wir, gerade was die Region der Großen Seen oder die
    Diskussion über den Kongo angeht, mit Ruanda zusam-
    menarbeiten, die politische und die bilaterale Zusam-
    menarbeit vertiefen und weiterhin versuchen wollen, ein
    freundschaftliches und partnerschaftliches Verhältnis zur
    Regierung zu pflegen.

    Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)