Plenarprotokoll 18/23
Deutscher Bundestag
Stenografischer Bericht
23. Sitzung
Berlin, Donnerstag, den 20. März 2014
I n h a l t :
Wahl der Abgeordneten Klaus-Peter Willsch
und Swen Schulz (Spandau) als Mitglieder
des Kuratoriums Wissenschaftszentrum
Berlin für Sozialforschung . . . . . . . . . . . . . . 1753 A
Wahl der Abgeordneten Nadine Schön
(St. Wendel) und Waltraud Wolff (Wol-
mirstedt) als ordentliche Mitglieder sowie
Wahl weiterer stellvertretender Mitglieder in
den Beirat bei der Bundesnetzagentur für
Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post
und Eisenbahnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1753 B
Wahl der Abgeordneten Dr. Claudia
Lücking-Michel als Schriftführerin . . . . . . 1753 C
Erweiterung und Abwicklung der Tagesord-
nung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1753 C
Absetzung der Tagesordnungspunkte 3 und 9. 1754 A
Nachträgliche Ausschussüberweisungen . . . . 1754 A
Zusatztagesordnungspunkt 2:
Abgabe einer Regierungserklärung durch die
Bundeskanzlerin: zum Europäischen Rat
am 20./21. März 2014 in Brüssel . . . . . . . . . 1754 D
Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin . . . . . . . 1755 A
Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 1759 A
Thomas Oppermann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 1762 A
Heike Hänsel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 1763 B
Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1764 C
Volker Kauder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 1766 A
Norbert Spinrath (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 1768 C
Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1769 C
Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof)
(CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1770 C
Gabriele Groneberg (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 1772 B
Michael Stübgen (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 1773 B
Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1774 B
Christian Petry (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1775 A
Manfred Grund (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 1775 D
Klaus-Peter Willsch (CDU/CSU) . . . . . . . . . 1777 B
Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) . . . . . . . . . 1778 D
Manfred Grund (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 1779 B
Tagesordnungspunkt 4:
Beratung der Unterrichtung durch den Wehr-
beauftragten: Jahresbericht 2013 (55. Be-
richt)
Drucksache 18/300 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1780 A
Hellmut Königshaus, Wehrbeauftragter
des Deutschen Bundestages . . . . . . . . . . . . 1780 A
Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin
BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1782 A
Christine Buchholz (DIE LINKE) . . . . . . . . . 1784 B
Heidtrud Henn (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1786 C
Doris Wagner (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1788 A
Anita Schäfer (Saalstadt) (CDU/CSU) . . . . . 1789 B
Dr. Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1791 B
Dirk Vöpel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1792 C
Julia Bartz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . 1793 D
Inhaltsverzeichnis
II Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. März 2014
Dr. Fritz Felgentreu (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 1794 D
Gisela Manderla (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 1796 B
Tagesordnungspunkt 5:
Antrag der Abgeordneten Elisabeth
Scharfenberg, Kordula Schulz-Asche, Ulle
Schauws, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ge-
burtshilfe heute und in Zukunft sichern –
Haftpflichtproblematik bei Hebammen
und anderen Gesundheitsberufen ent-
schlossen anpacken
Drucksache 18/850 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1797 C
Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1797 D
Hermann Gröhe, Bundesminister
BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1799 A
Birgit Wöllert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 1800 D
Dr. Karl Lauterbach (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 1802 B
Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1803 D
Albert Weiler (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 1804 C
Dr. Roy Kühne (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 1805 A
Bettina Müller (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1806 B
Erich Irlstorfer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 1807 C
Marina Kermer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1808 C
Dr. Katja Leikert (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 1809 C
Tagesordnungspunkt 19:
a) Erste Beratung des von der Bundesregie-
rung eingebrachten Entwurfs eines Geset-
zes zum Vorschlag für einen Beschluss
des Rates zur Aufhebung des Beschlus-
ses 2007/124/EG, Euratom des Rates
Drucksache 18/824 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1810 D
b) Erste Beratung des von der Fraktion DIE
LINKE eingebrachten Entwurfs eines …
Gesetzes zur Änderung des Grund-
gesetzes (Artikel 23, 39, 44, 45a, 93)
Drucksache 18/838 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1811 A
c) Antrag der Abgeordneten Ulla Jelpke,
Matthias W. Birkwald, Jan Korte, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion DIE
LINKE: Renten für Leistungsberech-
tigte des Ghetto-Rentengesetzes ab dem
Jahr 1997 nachträglich auszahlen
Drucksache 18/636 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1811 A
d) Antrag der Abgeordneten Herbert
Behrens, Sabine Leidig, Thomas Lutze,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion
DIE LINKE: Keine Einführung einer
Pkw-Maut in Deutschland
Drucksache 18/806 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1811 A
e) Antrag der Abgeordneten Maria Klein-
Schmeink, Elisabeth Scharfenberg,
Kordula Schulz-Asche, weiterer Abgeord-
neter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN: Das psychiatrische Entgelt-
system überarbeiten und das Versor-
gungssystem qualitativ weiterentwi-
ckeln
Drucksache 18/849 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1811 B
Zusatztagesordnungspunkt 3:
Erste Beratung des vom Bundesrat einge-
brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Er-
leichterung der Umsetzung der Grund-
buchamtsreform in Baden-Württemberg
Drucksache 18/70 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1811 B
Tagesordnungspunkt 20:
a) Zweite und dritte Beratung des von der
Bundesregierung eingebrachten Entwurfs
eines Gesetzes zu dem Abkommen vom
8. April 2013 zwischen der Bundesrepu-
blik Deutschland und der Republik
Östlich des Uruguay über Soziale
Sicherheit
Drucksachen 18/272, 18/864 . . . . . . . . . . 1811 C
b) Beratung der Beschlussempfehlungen und
Berichte des Ausschusses für Wirtschaft
und Energie
– zu dem Antrag der Abgeordneten
Dr. Joachim Pfeiffer, Hansjörg Durz,
Axel Knoerig, weiterer Abgeordneter
und der Fraktion der CDU/CSU sowie
der Abgeordneten Wolfgang Tiefensee,
Lars Klingbeil, Matthias Ilgen, weite-
rer Abgeordneter und der Fraktion der
SPD: Technologie-, Innovations- und
Gründungsstandort Deutschland
stärken – Potenziale der Digitalen
Wirtschaft für Wachstum und nach-
haltige Beschäftigung ausschöpfen
und digitale Infrastruktur ausbauen
Drucksachen 18/764 (neu), 18/872 . . . 1811 D
– zu dem Antrag der Abgeordneten
Halina Wawzyniak, Herbert Behrens,
Dr. Petra Sitte, weiterer Abgeordneter
und der Fraktion DIE LINKE: Digitale
Gründungen unterstützen – Zu-
kunftsfähige Rahmenbedingungen
für die digitale Wirtschaft schaffen
Drucksachen 18/771, 18/873 . . . . . . . 1811 D
c)–i)
Beratung der Beschlussempfehlungen des
Petitionsausschusses: Sammelübersichten
21, 22, 23, 24, 25, 26 und 27 zu Petitionen
Drucksachen 18/785, 18/786, 18/787,
18/788, 18/789, 18/790, 18/791 . . . . . . . . 1812 B
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. März 2014 III
Zusatztagesordnungspunkt 4:
Wahl der Mitglieder des Kuratoriums der
„Stiftung Denkmal für die ermordeten
Juden Europas“
Drucksache 18/845 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1812 D
Zusatztagesordnungspunkt 7:
Beratung der Beschlussempfehlung des Aus-
schusses für Wahlprüfung, Immunität und Ge-
schäftsordnung: Antrag auf Genehmigung
zur Fortführung eines Strafverfahrens in
der 18. Wahlperiode
Drucksache 18/876 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1813 A
Zusatztagesordnungspunkt 8:
Beratung der Beschlussempfehlung des Aus-
schusses für Wahlprüfung, Immunität und Ge-
schäftsordnung: Antrag auf Genehmigung
zur Fortführung eines Strafverfahrens in
der 18. Wahlperiode
Drucksache 18/877 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1813 A
Katja Kipping (DIE LINKE)
(Erklärung nach § 31 GO) . . . . . . . . . . . . . 1813 B
Dr. Johann Wadephul (CDU/CSU)
(Erklärung nach § 31 GO) . . . . . . . . . . . . . 1814 C
Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
(Erklärung nach § 31 GO) . . . . . . . . . . . . . 1814 D
Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE)
(Erklärung nach § 31 GO) . . . . . . . . . . . . . 1815 C
Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1816 A
Zusatztagesordnungspunkt 5:
Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD,
DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN: Einsetzung eines Untersuchungsaus-
schusses
Drucksache 18/843 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1816 C
Dr. Patrick Sensburg (CDU/CSU) . . . . . . . . . 1816 D
Martina Renner (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 1818 B
Dr. Eva Högl (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1819 D
Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1821 A
Clemens Binninger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 1822 A
Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1823 D
Christian Flisek (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1824 C
Dr. Stephan Harbarth (CDU/CSU) . . . . . . . . . 1826 D
Tagesordnungspunkt 6:
a) Erste Beratung des von den Fraktionen der
CDU/CSU und SPD eingebrachten Ent-
wurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der
Entscheidung des Bundesverfassungs-
gerichts zur Sukzessivadoption durch
Lebenspartner
Drucksache 18/841 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1828 B
b) Erste Beratung des von den Abgeordneten
Volker Beck (Köln), Monika Lazar, Ulle
Schauws, weiteren Abgeordneten und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur Ergänzung des Lebenspartner-
schaftsgesetzes und anderer Gesetze im
Bereich des Adoptionsrechts
Drucksache 18/577 (neu) . . . . . . . . . . . . . 1828 C
c) Erste Beratung des von den Abgeordneten
Volker Beck (Köln), Luise Amtsberg,
Katja Keul, weiteren Abgeordneten und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN eingebrachten Entwurfs eines Geset-
zes zum Europäischen Übereinkom-
men über die Adoption von Kindern
(revidiert)
Drucksache 18/842 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1828 C
Heiko Maas, Bundesminister
BMJV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1828 D
Harald Petzold (Havelland) (DIE LINKE) . . 1829 D
Elisabeth Winkelmeier-Becker
(CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1830 D
Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1832 B
Dr. Karl-Heinz Brunner (SPD) . . . . . . . . . . . 1833 C
Dr. Sabine Sütterlin-Waack (CDU/CSU) . . . . 1834 C
Dr. Volker Ullrich (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 1835 D
Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1836 C
Tagesordnungspunkt 7:
Antrag der Bundesregierung: Beteiligung be-
waffneter deutscher Streitkräfte an der
EU-geführten Ausbildungsmission EUTM
Somalia auf Grundlage des Ersuchens der
somalischen Regierung mit Schreiben vom
27. November 2012 und 11. Januar 2013
sowie der Beschlüsse des Rates der Euro-
päischen Union 2010/96-GASP vom
15. Februar 2010 und 2013/44-GASP vom
22. Januar 2013 in Verbindung mit der Re-
solution 1872 (2009) des Sicherheitsrates
der Vereinten Nationen
Drucksache 18/857 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1837 B
IV Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. März 2014
Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin
BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1837 C
Jan van Aken (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 1838 C
Michael Roth, Staatsminister
AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1839 D
Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1841 D
Florian Hahn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 1842 D
Thorsten Frei (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 1843 D
Tagesordnungspunkt 8:
Antrag der Abgeordneten Michael Schlecht,
Klaus Ernst, Matthias W. Birkwald, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE:
Höhere Löhne in den Tarifverhandlungen
für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst
des Bundes und der Kommunen absichern
Drucksache 18/795 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1844 D
Sabine Zimmermann (Zwickau)
(DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1845 A
Oswin Veith (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . 1846 A
Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1847 C
Mahmut Özdemir (Duisburg) (SPD) . . . . . . . 1848 D
Alois Karl (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . 1851 B
Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1852 B
Wilfried Oellers (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 1853 A
Tagesordnungspunkt 11:
Beschlussempfehlung und Bericht des Aus-
wärtigen Ausschusses
– zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/
CSU und SPD: Einsetzung einer „Kom-
mission zur Überprüfung und Siche-
rung der Parlamentsrechte bei der
Mandatierung von Auslandseinsätzen
der Bundeswehr“
– zu dem Antrag der Abgeordneten
Dr. Frithjof Schmidt, Agnieszka Brugger,
Omid Nouripour, weiterer Abgeordneter
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN: Einsetzung einer „Parlamen-
tarischen Kommission zur Überprü-
fung, Sicherung und Stärkung der Par-
lamentsrechte bei der Mandatierung
von Auslandseinsätzen der Bundes-
wehr“
Drucksachen 18/766, 18/775, 18/870 . . . . . . . 1854 A
in Verbindung mit
Zusatztagesordnungspunkt 6:
Antrag der Abgeordneten Dr. Alexander S.
Neu, Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken, wei-
terer Abgeordneter und der Fraktion DIE
LINKE: Einsetzung einer „Parlamentari-
schen Kommission zur Überprüfung,
Sicherung und Stärkung der Parlaments-
rechte bei der Mandatierung von Auslands-
einsätzen der Bundeswehr“
Drucksache 18/839 (neu) . . . . . . . . . . . . . . . . 1854 B
Dr. Johann Wadephul (CDU/CSU) . . . . . . . . 1854 C
Dr. Alexander S. Neu (DIE LINKE) . . . . . . . 1855 C
Dr. Rolf Mützenich (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 1857 B
Stefan Liebich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . 1858 A
Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) . . . . . . . 1858 C
Agnieszka Brugger (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1859 D
Elisabeth Motschmann (CDU/CSU) . . . . . . . 1861 B
Dr. Reinhard Brandl (CDU/CSU) . . . . . . . . . 1862 B
Tagesordnungspunkt 10:
Antrag der Abgeordneten Annalena
Baerbock, Dr. Julia Verlinden, Oliver
Krischer, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:
Urteil des Bundesverfassungsgerichts ernst
nehmen – Bundesberggesetz unverzüglich
reformieren
Drucksache 18/848 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1863 D
Annalena Baerbock (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1864 A
Dr. Herlind Gundelach (CDU/CSU) . . . . . . . 1865 C
Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . . . . 1868 A
Bernd Westphal (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1868 D
Andreas G. Lämmel (CDU/CSU) . . . . . . . . . 1869 D
Johann Saathoff (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1871 C
Tagesordnungspunkt 13:
Beschlussempfehlung und Bericht des Aus-
schusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und
Reaktorsicherheit zu der Verordnung der Bun-
desregierung: Sechste Verordnung zur
Änderung der Verpackungsverordnung
Drucksachen 18/496, 18/526 Nr. 2, 18/830 . . 1872 C
Tagesordnungspunkt 12:
Beschlussempfehlung und Bericht des Aus-
wärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Ab-
geordneten Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken,
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. März 2014 V
Christine Buchholz, weiterer Abgeordneter
und der Fraktion DIE LINKE: Den NATO-
Bündnisfall umgehend beenden
Drucksachen 18/202, 18/349 . . . . . . . . . . . . . 1872 D
Thomas Hitschler (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 1873 A
Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) . . . . . . . . . 1874 B
Roderich Kiesewetter (CDU/CSU) . . . . . . . . 1875 B
Dr. Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1876 B
Julia Bartz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . 1877 A
Tagesordnungspunkt 14:
a) Antrag der Abgeordneten Luise Amtsberg,
Tom Koenigs, Omid Nouripour, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN: Verantwortung
übernehmen – Zügig mehr syrische
Flüchtlinge aufnehmen
Drucksache 18/846 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1877 D
b) Antrag der Abgeordneten Ulla Jelpke, Jan
Korte, Jan van Aken, weiterer Abgeordne-
ter und der Fraktion DIE LINKE: Für
eine schnelle und unbürokratische Auf-
nahme syrischer Flüchtlinge in
Deutschland und in der EU
Drucksache 18/840 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1877 D
Luise Amtsberg (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1878 A
Nina Warken (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 1879 A
Ulla Jelpke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . 1880 A
Christina Kampmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 1880 D
Andrea Lindholz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 1882 A
Absetzung des Tagesordnungspunktes 15 . . . 1883 C
Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1883 C
Berichtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1883 A
Anlage 1
Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 1885 A
Anlage 2
Erklärungen nach § 31 GO zu den Abstim-
mungen über die Beschlussempfehlungen des
Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und
Geschäftsordnung zu:
Antrag auf Genehmigung zur Fortführung ei-
nes Strafverfahrens in der 18. Wahlperiode
(Zusatzpunkt 7)
Antrag auf Genehmigung zur Fortführung ei-
nes Strafverfahrens in der 18. Wahlperiode
(Zusatzpunkt 8) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1885 C
Sonja Steffen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1885 C
Renate Künast (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1885 D
Monika Lazar (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1886 A
Anlage 3
Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung
der Beschlussempfehlung und des Berichts:
Sechste Verordnung zur Änderung der Verpa-
ckungsverordnung (Tagesordnungspunkt 13) 1886 C
Dr. Thomas Gebhart (CDU/CSU) . . . . . . . . 1886 C
Dr. Anja Weisgerber (CDU/CSU) . . . . . . . . 1887 A
Michael Thews (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 1888 A
Ralph Lenkert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 1889 B
Peter Meiwald (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1890 A
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. März 2014 1753
(A) (C)
(D)(B)
23. Sitzung
Berlin, Donnerstag, den 20. März 2014
Beginn: 9.00 Uhr
(D)
Berichtigung
22. Sitzung, Seite 1735 A, Anlage 18: „Frage 24“ ist
durch „Frage 25“ zu ersetzen.
22. Sitzung, Seite 1748 B, Anlage 51: Der Name
„Stephan Kühn (Dresden) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN)“ ist durch den Namen „Herbert Behrens (DIE
LINKE)“ zu ersetzen.
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. März 2014 1885
(A) (C)
(B)
Anlagen zum Stenografischen Bericht
(D)
Anlage 1
Liste der entschuldigten Abgeordneten
Abgeordnete(r)
entschuldigt bis
einschließlich
Alpers, Agnes DIE LINKE 20.03.2014
Andreae, Kerstin BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
20.03.2014
Bätzing-Lichtenthäler,
Sabine
SPD 20.03.2014
Dağdelen, Sevim DIE LINKE 20.03.2014
Dr. Fechner, Johannes SPD 20.03.2014
Freitag, Dagmar SPD 20.03.2014
Gabriel, Sigmar SPD 20.03.2014
Dr. Gauweiler, Peter CDU/CSU 20.03.2014
Gohlke, Nicole DIE LINKE 20.03.2014
Hampel, Ulrich SPD 20.03.2014
Krichbaum, Gunther CDU/CSU 20.03.2014
Lanzinger, Barbara CDU/CSU 20.03.2014
Maisch, Nicole BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
20.03.2014
Dr. de Maizière, Thomas CDU/CSU 20.03.2014
Noll, Michaela CDU/CSU 20.03.2014
Özoğuz, Aydan SPD 20.03.2014
Poß, Joachim SPD 20.03.2014
Post (Minden), Achim SPD 20.03.2014
Rupprecht, Albert CDU/CSU 20.03.2014
Rüthrich, Susann SPD 20.03.2014
Schlecht, Michael DIE LINKE 20.03.2014
Schummer, Uwe CDU/CSU 20.03.2014
Stritzl, Thomas CDU/CSU 20.03.2014
Dr. Terpe, Harald BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
20.03.2014
Werner, Katrin DIE LINKE 20.03.2014
Widmann-Mauz,
Annette
CDU/CSU 20.03.2014
Anlage 2
Erklärungen nach § 31 GO
zu den Abstimmungen über die Beschlussemp-
fehlungen des Ausschusses für Wahlprüfung,
Immunität und Geschäftsordnung zu:
Antrag auf Genehmigung zur Fortführung
eines Strafverfahrens in der 18. Wahlperiode
(Zusatzpunkt 7)
Antrag auf Genehmigung zur Fortführung
eines Strafverfahrens in der 18. Wahlperiode
(Zusatzpunkt 8)
Sonja Steffen (SPD): Die Genehmigungspraxis des
Bundestages in Immunitätsfragen zielt darauf ab, die
Abgeordneten im Falle eines Strafverfahrens oder ande-
rer Zwangsmaßnahmen nicht anders als die übrigen
Bürgerinnen und Bürger zu behandeln. Die Immunität ist
gerade kein Sonderrecht für Abgeordnete, sondern soll
die Funktions- und Arbeitsfähigkeit des Parlaments
sicherstellen.
Gerade weil es sich um eine Angelegenheit handelte,
die einen sehr politischen Hintergrund hat, wurde das
Verfahren der Staatsanwaltschaft Dresden durch den
Immunitätsausschuss sehr sorgfältig geprüft. Sechs
Beratungen haben im Ausschuss stattgefunden. Mehrere
konkrete Nachfragen wurden gestellt und von der Staats-
anwaltschaft beantwortet.
Wegen der Teilnahme an der Blockade, um die es in
dem Verfahren geht, wurde wegen Verstoßes gegen § 21
VersammlG gegen zwölf Abgeordnete des Bundestages
und des Sächsischen Landtages aus mehreren Parteien
ermittelt. Insgesamt wurden mehr als 200 Ermittlungs-
verfahren geführt.
Die parteipolitische Wertung der Vorkommnisse
durch die Linkspartei stellt aus meiner Sicht eine politi-
sche Instrumentalisierung des Immunitätsausschusses
dar. Sonderrechte für Abgeordnete darf es nicht geben.
Diese haben ebenso wie alle anderen Bürgerinnen und
Bürger die Konsequenzen ihres Handelns zu tragen.
Der Kampf gegen Rechts ist zu wichtig, um ihn mit
populistischen Methoden voranzutreiben.
Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Nach den Ausführungen von Frau Kipping sehe ich mich
gezwungen, eine Erklärung zum Abstimmungsverhalten
abzugeben. Ich finde es inakzeptabel, dass von Ihnen die
Unterstellung formuliert wird, wer hier der Aufhebung
zustimme, wolle sich nicht klar gegen Rechtsextreme
positionieren. Ich verbitte mir diese Unterstellung. Ei-
nige hier im Hause – so auch ich – haben sich nicht nur
jahre- sondern jahrzehntelang engagiert gegen Rechts-
extremismus und nationalsozialistisches Gedanken-
gut. Wir können das gern gemeinsam tun. Aber Nach-
hilfe brauche ich nicht.
Anlagen
1886 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. März 2014
(A) (C)
(D)(B)
Warum ich hier heute mit Ja stimme: Für mich gilt,
dass die Immunität nicht ein Privileg des einzelnen Ab-
geordneten ist, sondern eine Sicherung der Arbeitsfähig-
keit des Parlamentes. Wir wollen uns damit schon aus
historischen Gründen davor schützen, dass durch Ermitt-
lungsverfahren das Parlament in seinen Entscheidungen
und Mehrheiten manipuliert wird. Das liegt hier aber
nicht vor.
Wir entscheiden auch nicht, ob ein Verfahren durch-
geführt wird, denn die Nichtaufhebung der Immunität
würde ein Verfahren nur auf den Zeitpunkt nach dem
Abgeordnetenstatus verlegen. Ich meine, wenn nicht die
Funktionsfähigkeit tangiert ist, sind wir alle gut beraten,
uns einem Verfahren zu stellen. Wie andere betroffene
Bürger und Bürgerinnen auch.
Kollege Gysi, Ihr Argument, dass die Nichtaufhebung
mittelbar eine Unterstützung anderer in gleicher Sache
Beschuldigter wäre, halte ich eigentlich für sachfremd.
Aber trotzdem: Vielleicht ist es ja genau anders herum,
dass die Anwesenheit von Abgeordneten im gleichen
Verfahren am Ende eine Unterstützung wird.
Monika Lazar (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es
geht um die erneute Aufhebung der Immunität von zwei
KollegInnen der Linksfraktion wegen Ermittlungen an
Gegenprotesten in Dresden im Februar 2011. Ebenso
wie die beiden KollegInnen der Linksfraktion waren
auch mehrere MdBs von Bündnis 90/ Die Grünen vor
Ort. Ich persönlich war vor und nach 2011 immer selber
bei den Protesten gegen den unerträglichen jährlichen
Naziaufmarsch in Dresden dabei, auch im Februar 2011.
Gegen mich wird nicht ermittelt. Verstehen tue ich die
Ermittlungen der sächsischen Justiz gegen die KollegIn-
nen der Linksfraktion nicht.
Allerdings ärgere ich mich über die Ausführungen der
Kollegin Kipping in dieser Debatte sehr. Es geht bei die-
ser Debatte nicht um den Wettbewerb um den besten An-
tifaschisten. Dass die Linksfraktion sich hier so insze-
niert, finde ich schwer erträglich.
Warum sollen Bundestagsabgeordnete anders und
besser behandelt werden, als die vielen BürgerInnen, ge-
gen die auch in dieser Sache ermittelt wird. Eine Sonder-
behandlung lehne ich ab.
Damit lasse ich mir aber nicht von der Rednerin der
Linksfraktion unterstellen, dass ich mich nicht ausrei-
chend gegen Rechtsextremismus engagiere. Das tue ich
seit Jahren in Sachsen und anderen Regionen unseres
Landes. Als Sprecherin für Strategien gegen Rechts-
extremismus und sächsische Bundestagsabgeordnete bin
ich seit vielen Jahren auf diesem Gebiet aktiv. Dieser
hier diskutierte Fall eignet sich aber nicht dazu, festzu-
stellen, wer bei dem Thema besser ist als der andere
Kollege. Hier sollten wir uns als DemokratInnen nicht
auseinanderdividieren lassen. Da ich aber finde, Bundes-
tagsabgeordnete sollten nicht besser als andere Bürge-
rInnen vor Gericht behandelt werden, stimme ich der
Aufhebung der Immunität der beiden KollegInnen zu.
Anlage 3
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung der Beschlussempfehlung und des
Berichts: Sechste Verordnung zur Änderung
der Verpackungsverordnung (Tagesordnungs-
punkt 13)
Dr. Thomas Gebhart (CDU/CSU): Die Verpa-
ckungsverordnung ist ein Erfolgsmodell. Was damals
Klaus Töpfer als Umweltminister in Deutschland einge-
führt hat, war wegweisend. Inzwischen haben viele Län-
der dieses Konzept übernommen. Die Idee: das Prinzip
der Produktverantwortung. Diejenigen, die Verpackun-
gen in den Markt bringen, sind dafür verantwortlich,
diese hinterher zurückzunehmen und möglichst wieder-
zuverwerten.
Es ist eine marktwirtschaftliche Lösung: Die Entsor-
gungskosten werden Teil des Preises. Es entsteht von
Anfang an ein Anreiz, Verpackungen möglichst zu ver-
meiden.
Was waren die Wirkungen? Die Kosten für die Ver-
braucher sind gesunken. In Deutschland wurden hoch-
moderne Recyclingtechnologien entwickelt. 14 Prozent
der Rohstoffe, die die deutsche Wirtschaft einsetzt, wer-
den aus Abfällen gewonnen. Abfälle sind wichtige Roh-
stoffe.
Schauen wir uns die Situation über Deutschland hi-
naus an: Die Weltbevölkerung wächst, die Nachfrage
nach Rohstoffen steigt. Insofern liegt es auf der Hand,
dass die Volkswirtschaften, die es am besten schaffen,
Kreisläufe zu schließen und effizient mit knappen Res-
sourcen umzugehen, auch wirtschaftlich erfolgreich sein
werden.
Wir wollen daher die Produktverantwortung erhalten,
und wir wollen sie stärken. Deshalb müssen wir beste-
hende Schwachstellen bei der konkreten Ausgestaltung
der Verpackungsverordnung beheben. Und wir müssen
die Dinge in Ordnung bringen. Aus diesem Grund
− während wir heute über die sechste Novelle debattie-
ren − wird die siebte Novelle bereits vorbereitet. Wir
werden hier bald eine gründliche Debatte darüber füh-
ren.
Dabei wird es darum gehen müssen, den Wettbewerb
zu erhalten, die Regeln für den Wettbewerb jedoch zu
verbessern. Es wird darum gehen müssen, die aktuellen
Schwierigkeiten zu lösen, ohne funktionierende Systeme
kaputtzumachen.
Heute geht es zunächst aber um die sechste Novelle.
Es geht um kleine Punkte: Wir setzen europäisches
Recht um, und zwar eins zu eins. Ich bitte Sie, diesem
vorliegenden Verordnungsentwurf zuzustimmen.
Im Wesentlichen geht es um die Übernahme einer
Liste von Beispielen, was als Verpackung gilt und was
nicht. Die materielle Rechtslage ändert sich dadurch
übrigens nicht.
Es klingt auf den ersten Blick überzogen, dass jetzt
ausdrücklich in die Verpackungsverordnung hineinge-
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. März 2014 1887
(A) (C)
(D)(B)
schrieben wird, dass zum Beispiel Grablichtbecher keine
Verpackungen sind, Streichholzschachteln aber schon.
Oder: Kleiderbügel, die mit einem Kleidungsstück ver-
kauft werden, sind Verpackungen, die gleichen Kleider-
bügel, die getrennt verkauft werden, jedoch nicht.
Das klingt in der Tat überzogen. Aber es weist uns auf
einen wichtigen Punkt hin: Wir müssen das Kreislauf-
wirtschaftssystem weiterentwickeln. Künftig sollten
Verpackungen und sonstige Abfälle aus den gleichen
Materialien in einer einheitlichen Wertstofftonne ent-
sorgt werden. Wir sollten das angehen.
Und dabei wird es dann auch um folgende Punkte ge-
hen – ich nenne hier nur drei –:
Erstens. Die Recyclingquote für Kunststoffverpa-
ckungen muss erhöht werden. Technisch ist dies mach-
bar.
Zweitens. Im Zuge des Wertstoffgesetzes braucht es
eine umfassende Neuregelung und eine bessere Organi-
sation, zum Beispiel mit einer zentralen Stelle.
Drittens. Die bestehende Trittbrettfahrerproblematik
muss in diesem Zusammenhang gelöst werden.
Wir haben viel vor uns: Es ist aber auch eine gewal-
tige Chance. Wir können unser Land in einem wichtigen
Feld weiter fit machen für die Zukunft. Diese Chance
sollten wir nutzen. Gehen wir es an.
Dr. Anja Weisgerber (CDU/CSU): Abfall oder Müll
verbinden wir im allgemeinen Sprachgebrauch mit etwas
Wertlosem. Dass dies ganz und gar nicht der Fall ist,
zeigt die heutige Debatte. Verpackungsabfälle sind Wert-
stoffe.
Um diese Wertstoffe in den Kreislauf wieder zurück-
zuführen, haben wir in Deutschland vor fast einem Vier-
teljahrhundert das Duale System eingeführt. Dass in
Deutschland die Verwertungsquoten von Verpackungen
allgemein im europäischen Vergleich so gut sind, haben
wir auch dem Dualen System zu verdanken. Nach einer
Auswertung von Eurostat liegen wir mit knapp 72 Pro-
zent Verwertungsquote von Verpackungsabfällen in
Deutschland auch klar über dem europäischen Durch-
schnitt von rund 64 Prozent.
Die deutsche Verpackungsverordnung von 1991 war
sogar Beispiel für die europäische Verpackungsricht-
linie, die drei Jahre später kam. Damit nehmen wir mit
unserem Modell der Abfall- und Verwertungspolitik
– wie bei so vielen anderen Umweltthemen auch – in
Europa eine Vorreiterrolle ein. Und das ist gut so.
Die sechste Novelle, die wir heute diskutieren, ist
eine 1:1-Umsetzung der europäischen Richtlinie. Natür-
lich soll Europa nicht jedes Detail regeln. Auch während
meiner Zeit als Europaabgeordnete war immer meine
Devise: Wir brauchen mehr Europa im Großen und we-
niger im Kleinen. Mehr Leitplanken, aber weniger
Stoppschilder!
Aber zu den großen Fragen, die sich manchmal bis ins
Detail auswirken können, zählen auch grenzüberschrei-
tende Herausforderungen. Umweltschutz sowie Res-
sourceneffizienz sind solche grenzüberschreitenden He-
rausforderungen, die wir auch auf europäischer Ebene
angehen müssen.
Mein Ziel in der europäischen Umweltpolitik war es
immer, die hohen deutschen Standards und die umwelt-
politischen Erfolge, wie zum Beispiel hier bezüglich der
Verwertungsquoten, auf die europäische Ebene zu he-
ben. Diese Harmonisierung durch europäische Umwelt-
gesetze birgt dann die Chance, dass wir für die Bürger
ein einheitlich hohes Umwelt- und Ressourcenschutz-
niveau in ganz Europa bekommen, und für die Unter-
nehmen und Landwirte verbessern wir die Wettbewerbs-
bedingungen im Vergleich mit den anderen europäischen
Ländern. Deswegen macht es durchaus Sinn, die Abfall-
politik auf europäischer Ebene zu harmonisieren.
Aber wir müssen nicht nur bei den Verwertungsquo-
ten eine Vorbildfunktion übernehmen, sondern auch bei
der Umsetzung der harmonisierten europäischen Vorga-
ben. Wenn wir – wie die Grünen das fordern – die
sechste mit der siebten Novelle, die ausführlicher disku-
tiert werden muss, zusammenfassen, dann kommen wir
sicher noch weiter in Verzug mit der Umsetzung.
Zum Inhalt der sechsten Novelle ist noch Folgendes
zu sagen: Wenn man sich den Text anschaut, der die EU-
Richtlinie 1:1 umsetzt, findet man natürlich schon sehr
detaillierte Beispiele dazu, was Verpackung ist und was
nicht. Aber: Wir schaffen damit auch in allen EU-Mit-
gliedstaaten klare Kriterien, was Verpackung ist und was
nicht. Das hilft den Behörden in allen EU-Mitgliedstaa-
ten, besser entscheiden zu können, ob bestimmte Verpa-
ckungen den Rücknahme- und Verwertungspflichten
unterliegen. Letztendlich entwickeln wir damit die
Kreislaufwirtschaft fort und erreichen, dass mehr Ab-
fälle wiederverwertet werden.
Von der Linksfraktion wird kritisiert, dass die Bei-
spielliste für Verpackungen nicht stimmig sei. Die Linke
befürchtete in der Debatte im Umweltausschuss, dass
Glasflaschen für Injektionslösungen, die noch gefährli-
che Stoffe oder Medikamente enthalten, in den gelben
Sack gelangen könnten. Man muss sich die Verpa-
ckungsverordnung aber mal genau anschauen. Diese Be-
fürchtungen kann ich nicht nachvollziehen. Es gibt spe-
zielle Regeln für die Entsorgung von toxischen und
infektiösen Abfällen. Und die Verpackungsverordnung
regelt in § 2 ganz klar, dass diese speziellen Rechtsvor-
schriften von der Verordnung unberührt bleiben und die
speziellen Rechtsvorschriften weiterhin gelten. Der
Grund, weshalb die Linksfraktion im Ausschuss nicht
zugestimmt hat, ist also vorgeschoben und die Sorge
nicht begründet. Das muss man den Abgeordneten der
Linksfraktion so deutlich sagen!
Lassen Sie uns die sechste Novelle, die im Wesentli-
chen eine 1:1-Umsetzung der Europäischen Richtlinie
von Januar letzten Jahres ist, schnell verabschieden. Hier
müssen wir jetzt alle an einem Strang ziehen.
In einem nächsten Schritt müssen wir uns dann sehr
schnell um die siebte Novelle und die Stärkung des Dua-
len Systems kümmern. Die Vorbereitungen dazu laufen
bereits. Wir müssen diese Novelle aber gut und gründ-
1888 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. März 2014
(A) (C)
(D)(B)
lich beraten. Ich denke, dass wir uns alle einig sind, dass
wir das Duale System mit der flächendeckenden haus-
haltsnahen Entsorgung mit hohen Verwertungsquoten er-
halten wollen. Gut funktionierende Systeme – die in Eu-
ropa Schule gemacht haben – dürfen nicht ohne Not
kaputtgemacht werden.
Deshalb müssen wir mit der siebten Novelle zur Ver-
packungsverordnung Lösungen finden, um den Miss-
brauch der Ausnahmen bei der Lizenzierung von Verpa-
ckungsmüll einzudämmen. Dafür werden wir uns hier
alle einsetzen.
Michael Thews (SPD): Diese kleinen Backförm-
chen, die man kauft, um da drin Schokoladenmuffins für
den Kindergeburtstag zu backen – kennen Sie die? Nein?
Aber vielleicht haben Sie schon einmal einen fertig ge-
backenen Muffin in einer Bäckerei gekauft, der Ihnen in
einem solchen braunen oder bunten Förmchen verkauft
wurde. Zwischen diesen beiden Förmchen gibt es tatsäch-
lich einen Unterschied. Das eine – aus der Bäckerei – ge-
hört in den gelben Sack oder die gelbe Tonne, weil es als
Verpackung verkauft wird, das andere in die graue Rest-
mülltonne, weil es keine Verpackung ist. Das eine Förm-
chen in der gelben Tonne wird auf Kosten des Herstel-
lers und Vertreibers des Muffins abtransportiert, der
Abtransport des anderen in der grauen Tonne wird durch
die Müllgebühren finanziert. Denn das eine ist Verpa-
ckungsmüll, für den die Herstellerverantwortung gilt,
das andere Förmchen nicht.
Die Unterscheidung dieser beiden Fälle – und weiterer –
ist wesentlicher Inhalt dieser sechsten Novelle der Verpa-
ckungsverordnung, über die wir heute debattieren. Denn
diese sechste Novelle, die eine europäische Richtlinie
umsetzt, enthält lediglich einige Klarstellungen dazu,
was als Verpackung zu werten ist und was nicht, was in
die gelbe Tonne gehört und was nicht. Sie ändert an kei-
ner Stelle die bestehende Rechtssituation, sondern liefert
nur zusätzliche Beispiele für die Unterscheidung zwi-
schen Verpackungen und Nichtverpackungen. Außer-
dem enthält sie noch eine von der Kommission ange-
mahnte Klarstellung zum Begriff der
Transportverpackung, wie Container.
Mein Beispiel mit den Muffinförmchen mag ihnen lä-
cherlich und als Ausdruck der absurden Auswüchse des
deutschen Mülltrennungswesens erscheinen. Und wenn
es nach der SPD geht, und ich glaube das ist ein ganz
wichtiger Aspekt, werden wir auch bald beide Förmchen
in eine Wertstofftonne werfen, so wie es bereits in vielen
Fällen in Deutschland getan wird, wo die Wertstofftonne
jetzt schon angeboten wird.
Zurzeit aber ist dieser Unterschied wesentlich. Denn
seit Einführung der Verpackungsverordnung im Jahre
1991 wird Verpackungsmüll anders behandelt.
Aber zunächst zurück zu dieser sechsten Novelle:
Das Land Nordrhein-Westfalen wollte ursprünglich
bereits mit dieser sechsten Novelle weitere Änderungen
der Verpackungsverordnung auf den Weg bringen. Diese
Änderungen richten sich darauf, bestimmte Schlupflö-
cher im System der Verpackungsverordnung zu stopfen.
Da die Bundesregierung aber mit der Umsetzung der
oben erwähnten EU-Richtlinie im Verzug ist und bereits
ein Vertragsverletzungsverfahren läuft, wollen wir zu-
nächst diese sechste Novelle ohne weiteren Verzug um-
setzen – wir halten diesen Weg für den besseren. Die
weiter notwendigen Änderungen wollen wir mit der
siebten Novelle noch vor der Sommerpause anpacken.
Der Entwurf dieser siebten Novelle liegt bereits vor.
Dennoch stellt sich die Frage: Warum so viele Ände-
rungen? Das mag nachdenklich stimmen und lässt die
Frage aufkommen: Wieso muss denn da so oft nachge-
bessert werden? Sind wir denn mit unserem System der
Verpackungsentsorgung und -verwertung und dem Prin-
zip der Produktverantwortung auf dem richtigen Weg?
Ich meine die Antwort ist ganz klar: Ja! Die Verpa-
ckungsverordnung ist ein klares Erfolgsmodell, was
manchmal vielleicht etwas aus dem Blick gerät.
Die Verpackungsverordnung hat dafür gesorgt, dass
es in Deutschland eine qualitativ hochwertige stoffliche
Verwertung von Verpackungen gibt. Hierbei sind wir eu-
ropaweit und weltweit an der Spitze.
Die Verpackungsverordnung hat für den Aufbau einer
leistungsstarken Recyclingindustrie und vorbildlichen
Recyclingtechnik in Deutschland gesorgt. Laut Zahlen
aus dem BMUB arbeiten fast 200 000 Beschäftigte in
etwa 3 000 Unternehmen im Bereich der Kreislaufwirt-
schaft.
Die Verpackungsverordnung hat für einen wichtigen
Paradigmenwechsel gesorgt. Sie hat die Verantwortung
der Hersteller für die Entsorgung und Verwertung ihrer
Verpackungen und der daraus entstehenden Abfälle ein-
geführt. Diese Produktverantwortung ist für mich der
Schlüssel, um das primäre Ziel der Abfallhierarchie des
Kreislaufwirtschaftsgesetzes – nämlich die Vermeidung
von Abfällen – erreichen zu können.
Natürlich gibt es bei diesem System Verbesserungs-
möglichkeiten und auch Verbesserungsnotwendigkei-
ten. Der ehemalige Richter am Bundesverfassungsge-
richt Udo di Fabio hat es in einem Gutachten zur
Selbstregulierung im Verpackungsbereich so formuliert:
Eine gesetzlich regulierte Kreislaufwirtschaft, die
öffentliche und private Abfallverantwortung zu-
sammenführt, entwickelt sich dynamisch und be-
darf immer wieder einer steuernden Nachkorrektur
und einer angemessenen Aufsicht.
Deshalb müssen wir uns zeitnah, sobald wir hier die
sechste Novelle beschlossen haben, an die Beratung der
siebten Novelle machen. Denn wir wollen dieses System
weiter stabilisieren und verbessern, um die Ziele des
Kreislaufwirtschaftsgesetzes zu verfolgen. Mit der sieb-
ten Novelle sollen bestehende Wettbewerbsverzerrungen
beseitigt und Missbrauchsmöglichkeiten eingedämmt
werden. Schon der SPD-Abgeordnete Gerd Bollmann
hat in seiner Rede zur fünften Novelle am 21. Februar
2008 von unseriösen Selbstentsorgern und Trittbrettfah-
rern gesprochen, denen Einhalt geboten werden muss.
Ähnliches müssen wir leider auch heute feststellen: In
der letzten Zeit wurden offenbar verstärkt Regelungen
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. März 2014 1889
(A) (C)
(D)(B)
der Verpackungsverordnung zur Eigenrücknahme und
zur sogenannten Branchenlösung als Schlupflöcher ge-
nutzt; vielleicht zum Teil um Geld zu sparen oder um
sich Wettbewerbsvorteile gegenüber unliebsamen Kon-
kurrenten zu verschaffen. Die Folge ist: Das System
wurde destabilisiert.
Die Menge der bei den Dualen Systemen lizenzierten
Verkaufsverpackungen, für deren Abtransport und Ent-
sorgung der Hersteller zahlt, hat als Folge davon abge-
nommen, die Menge der Verpackungen im gelben Sack
ist aber gleich geblieben. Diese Fehlentwicklung müssen
und werden wir aufhalten. Wir sollten die Errungen-
schaften, die uns die Verpackungsverordnung gebracht
hat, aber eben auch das große Engagement der Bürgerin-
nen und Bürger bei der Mülltrennung nicht aufs Spiel
setzen. Wir müssen die Glaubwürdigkeit des Systems
wiederherstellen. Denn es ist immer noch so, dass nur
eine vernünftige Mülltrennung hochwertige Recycling-
ergebnisse bringen kann.
Die Grünen haben einen Entschließungsantrag zu die-
ser sechsten Novelle eingebracht, in dem sie fordern,
dass die Recyclingziele für Verpackungsabfälle in der
Verpackungsverordnung auf das derzeit technisch Mög-
liche erhöht werden sollen. Das ist definitiv nicht unser
Ziel. Bei der Erhöhung der Recyclingquoten, die wir
auch wollen, müssen wir immer auch die ökologischen,
energetischen und finanziellen Auswirkungen mit abwä-
gen. Vernünftige Recyclingquoten müssen sich am öko-
logisch und am ökonomisch Sinnvollen orientieren und
nicht nur am technisch Machbaren.
Auch die anstehende siebte Novelle wird sicher nicht
die letzte Überarbeitung des Systems sein. Denn das,
was wir als Nächstes brauchen, ist ein vernünftiges
Wertstoffgesetz. Wir wollen in Zukunft auch die Wert-
stoffe, die in den Muffinförmchen, Kleiderbügeln, Gum-
mienten und Blumentöpfen stecken, die bisher in der
grauen Tonne landen, in einen Stoffkreislauf überführen,
um wertvolle Rohstoffe und Energie einzusparen.
Die sechste Novelle ist nun die Pflicht, die siebte ist
dringend erforderlich, aber die Kür, da bin ich sicher,
wird ein Wertstoffgesetz sein für mehr Ressourcenschutz
und für mehr Verbraucherfreundlichkeit.
Ralph Lenkert (DIE LINKE): Elf Duale Systeme,
also Betreiberfirmen, kümmern sich um die gelbe Tonne
für Verpackungen. Aber so wie es ist, funktioniert es
nicht.
Die elf Betreiber gingen 2013 davon aus, dass
1,1 Millionen Tonnen Verpackungen in den gelben
Tonnen und Säcken landen, denn darüber schlossen die
Betreiberfirmen Entsorgungsverträge ab. Tatsächlich ka-
men jedoch 2,4 Millionen Tonnen Verpackungen in den
gelben Tonnen zusammen.
Wie konnte denn das passieren? Ich schaue mal in un-
sere Runde. Frau Kollegin, haben Sie nicht neulich den
Plastikkleiderbügel, den Sie mit Ihrem neuen Mantel
kauften, in die gelbe Tonne geworfen? Ich kann Sie be-
ruhigen, das war richtig, aber falsch war, dass Sie die
fünf Plastikkleiderbügel von Ikea beim Aufräumen auch
in der gelben Tonne entsorgten – die gehörten in den
Müll. Nur Kleiderbügel, die zusammen mit Kleidungs-
stücken gekauft wurden, sind Verpackungen – schreibt
die Verpackungsverordnung.
Ein zweites Beispiel:
Wie man weiß, essen viele von uns Männern unter-
wegs gern mal eine Currywurst – mit Pommes. Aber wo-
hin dann mit der Plastikschale und dem Plastikbesteck?
Die Plastikschale darf in die gelbe Tonne, das Plastik-
besteck jedoch nicht, das gehört in den Müll – schreibt
die Verpackungsverordnung.
Aber wenn Sie die Currywurst zu Hause braten und
dann in eine Plastikschale legen, um sie draußen zu es-
sen, dann ist die Plastikschale auch keine Verpackung
und gehört in den Müll und auf keinen Fall in die gelbe
Tonne – schreibt die Verpackungsverordnung.
Haben Sie das Prinzip verstanden, oder wird Ihnen
unwohl? Das zweite wäre normal, nur Mülltrennerinnen
und Mülltrenner mit Diplom sehen noch bei diesen und
noch absurderen Regelungen durch. Ich erinnere an die
Begründung dieser Verpackungsverordnung: EU und
Bundesregierung wollen mehr Klarheit schaffen –
heraus kommt Chaos, aber das ist perfekt. Ich bedanke
mich auch für den zweckdienlichen Hinweis in dieser
Verordnung, dass ein Schiffscontainer keine Verpackung
ist und darum nicht in die gelbe Tonne gehört.
Das Problem liegt woanders. Auch diese Verpa-
ckungsverordnung lässt große Lücken. Ein Beispiel:
Ein Möbeldiscounter erklärt, dass er alle Verpackun-
gen selbst einsammelt. Deshalb braucht er keinen
Entsorgungsvertrag mit einem der elf Betreiberfirmen
abzuschließen. Bei ausgelieferten Möbelstücken nehmen
die Monteure Folien, Schaumpolysterol und Luftpolster
mit. Aber die vielen Selbstabholer schaffen die Verpa-
ckungen einfach nicht zum Discounter, sondern werfen
alles in die gelbe Tonne. Wer bezahlt das dann? Der Dis-
counter nicht, und die elf Betreiberfirmen streiten sich
dann um jeden Cent bis vor Gericht, und am Ende blei-
ben Kommunen und kleine Dienstleister auf den Kosten
sitzen. Dieses untaugliche System kann man aus Sicht
der Linken nicht verbessern, man muss es abschaffen.
Die Linke will, dass Verpackungen und Rohstoffe gut
erfasst werden, dass jeder das Sammelsystem auch ver-
stehen kann, dass dieses System Verschwendung bei
Verpackungen bestraft und Recycling unterstützt, dass
Verbraucherinnen und Verbraucher stoffgleiche oder so-
gar identische Produkte über die gelbe Tonne entsorgen
können. Deshalb will die Linke eine Verpackungsver-
ordnung, die funktioniert.
Erstens: Statt aufwendiger Lizenzierungen werden
Verpackungsabgaben eingeführt – das vermindert den
Betrug.
Zweitens: Statt Scheinwettbewerb zwischen Dualen
Systemen setzen wir auf kommunale Erfassungssysteme –
das spart Doppelstrukturen.
1890 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. März 2014
(A) (C)
(D)(B)
Drittens setzen wir auf Positivlisten bei Verpackungs-
materialien und auch bei Verpackungsgrößen – das er-
leichtert das Recycling.
Arbeiten wir gemeinsam an besseren Lösungen, statt
an dieser vorgeschlagenen Verordnung Zeit und Arbeits-
kraft zu verschwenden. Die Dualen Systeme sind ein
totes Pferd, das niemand mehr reiten kann.
Peter Meiwald (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Was
bewegt aktuell die Verpackungs- und Recyclingbranche?
Es geht um die Zukunft und die aktuellen Probleme der
Dualen Systeme, es geht um Recyclingquoten, die weit
hinter dem technisch Machbaren zurückbleiben. Es geht
um Planungs- und Investitionssicherheit für Kommunen,
private Entsorger und Verwerter.
Und was legt die Bundesregierung uns heute vor?
Eine „Strafarbeit“, weil die letzte Bundesregierung es
über Jahre trotz vielfacher Ankündigungen nicht fertig-
gebracht hat, EU-Recht in deutsches Recht umzusetzen.
Diese „Strafarbeit“ regelt nun nicht etwa die anstehen-
den Zukunftsfragen, sondern so wichtige Themen wie:
a) dass Teebeutel, Seecontainer und Grablichter nicht als
Verpackung gelten, b) Wimperntuschebürsten als Be-
standteil des Packungsverschlusses dagegen schon.
Dagegen haben wir im Prinzip gar nichts einzuwen-
den. Es fehlen aber einige weitere Änderungen. Dazu
zählen einfache Anpassungen, um Fehler der jetzigen
Verpackungsverordnung aufzufangen, und einige we-
sentlichere Änderungen.
Kurz zu den offensichtlichen Fehlern der Verpa-
ckungsverordnung, die auch keiner bestreitet: die Aus-
nahmen von der Lizensierung von Verpackungen – die
sogenannten Branchenlösungen und Eigenrücknahmen.
Eigentlich war es Ziel dieser Ausnahmen, die direkte
Produktverantwortung zu stärken, also zu fördern, dass
sich Hersteller und Handel selber um das Recycling ihrer
Verpackungen kümmern, anstatt sich über Lizenzgebüh-
ren „freizukaufen“. Darum sollte es eigentlich gehen.
Was inzwischen aber passiert, sind Ausweichmanö-
ver, um sich um die Lizenzabgaben zu drücken. Bei den
Eigenrücknahmemengen kann nicht kontrolliert wer-
den, ob diese Verpackungen tatsächlich in den Läden zu-
rückgenommen werden oder ob sie nicht doch in der gel-
ben Tonne landen. Missbrauch und Trittbrettfahrertum
konterkarieren den eigentlichen Sinn der Ausnahmen.
Wir haben daher weitere Änderungen der Verpa-
ckungsverordnung vorgeschlagen, um diese negativen
Entwicklungen einzudämmen. Auch das Umweltminis-
terium hat diese Vorschläge für gut befunden. Aber an-
statt sie in der sechsten Novelle noch aufzunehmen,
wurde bereits eine siebte Novelle der Verpackungsver-
ordnung auf den Weg gebracht. Dieses Verfahren er-
schließt sich uns nicht. Die Zeit drängt. Die in der sieb-
ten Novelle enthaltenen Änderungen sollten hier in der
sechsten Novelle bereits drin sein. Dieses haben wir im
Umweltausschuss durch einen Änderungsantrag einge-
bracht. Dieser wurde aber von den Regierungsfraktionen
abgelehnt. Wir fragen uns: Warum? Denn diese Ableh-
nung ergibt überhaupt keinen Sinn. Sie verzögern nur
das Verfahren der Umsetzung dieser wichtigen Änderun-
gen.
Darüber hinaus müssten noch einige weitere Punkte
angegangen werden. In der Verpackungsentsorgung gibt
es seit nunmehr neun Jahren Stillstand. Die jetzige No-
velle ist halbherzig.
Unsere Vorschläge für eine neue Verpackungsentsor-
gung: Die Recyclingquoten für Verpackungen müssen
deutlich angehoben und dynamisch ausgestaltet werden.
Eine Erhöhung des Recyclingzieles von derzeit 36 auf
mindestens 60 Prozent ist für Plastik sofort machbar. Für
uns ist dies ein absolutes Minimum, und es ginge pro-
blemlos auch nach Aussagen der Recyclingbranche.
Dies gäbe Investitionssicherheit für neue moderne Recy-
clinganlagen und leistete einen wichtigen Beitrag zum
Erreichen unserer Klimaziele. Die Recyclingquoten
müssten sich zudem automatisch nach oben anpassen,
wenn sich noch bessere Recyclingverfahren durchset-
zen. Die besten Ergebnisse vom Vorjahr sollten jeweils
für das nächste Jahr zugrunde gelegt werden.
Außerdem: Die letzte Bundesregierung hat ein unzu-
reichendes Abfallvermeidungsprogramm vorgelegt, wel-
ches bis heute in den Kommunen nahezu unbekannt ist.
Warum wird das Abfallvermeidungsziel hier nicht kon-
kret gefasst? Überdimensionierte und überflüssige Ver-
packungen müssen verhindert werden.
Dies alles sind Punkte, die verbal auch von dieser und
der Vorgängerregierung unterstützt wurden und werden.
Da wir der Regierung gerne bei der Umsetzung helfen
wollen, bitten wir um Unterstützung aus diesem Hause
für unseren Entschließungsantrag, der gleich zur Ab-
stimmung stehen wird.
23. Sitzung
Inhaltsverzeichnis
ZP 2 Regierungserklärung zum Europäischen Rat
TOP 4 Jahresbericht 2013 des Wehrbeauftragten
TOP 5 Haftpflichtproblematik bei Hebammen
TOP 19, ZP 3 Überweisungen im vereinfachten Verfahren
TOP 20 Abschließende Beratungen ohne Aussprache
ZP 4 Wahl eines Gremiums
ZP 7 u. 8 Entscheidungen in Immunitätsangelegenheiten
ZP 5 Einsetzung eines Untersuchungsausschusses (NSA)
TOP 6 Adoption durch Lebenspartner
TOP 7 Bundeswehreinsatz EUTM Somalia
TOP 8 Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst
TOP 11, ZP 6 Kommission zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr
TOP 10 Bergbaurecht
TOP 13 Änderung der Verpackungsverordnung
TOP 12 NATO-Bündnisfall
TOP 14 Aufnahme syrischer Flüchtlinge
Anlagen