Rede:
ID1801013400

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 10
    1. Als: 1
    2. nächste: 1
    3. Rednerin: 1
    4. hat: 1
    5. das: 1
    6. Wort: 1
    7. Kollegin: 1
    8. HeikeHänsel,: 1
    9. Die: 1
    10. Linke.\n: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 18/10 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 10. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 29. Januar 2014 I n h a l t : Änderung der Tagesordnung . . . . . . . . . . . . . 561 A Tagesordnungspunkt 1: Regierungserklärung durch die Bundes- kanzlerin mit anschließender Aussprache . . . 561 B Dr. Angela Merkel,  Bundeskanzlerin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 561 C Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 571 B Thomas Oppermann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 575 B Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 580 A Volker Kauder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 583 A Gerda Hasselfeldt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 586 B Monika Grütters, Staatsministerin  BK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 588 D Sigrid Hupach (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 592 A Dr. Eva Högl (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 592 D Ulle Schauws (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 594 C Michael Kretschmer (CDU/CSU) . . . . . . . . . 595 D Martin Dörmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 597 A Außen, Europa und Menschenrechte . . . . . 598 C Dr. Frank-Walter Steinmeier,  Bundesminister AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . 598 D Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) . . . . . . . . . 600 D Dr. Andreas Schockenhoff (CDU/CSU) . . . . . 601 D Dr. Frithjof Schmidt (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 603 C Frank Schwabe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 605 A Dr. Diether Dehm (DIE LINKE) . . . . . . . . . . 606 A Thomas Strobl (Heilbronn) (CDU/CSU) . . . . 606 C Erika Steinbach (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 608 C Tagesordnungspunkt 2: – Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung: Fortsetzung der Entsendung bewaffneter deutscher Streitkräfte zur Verstärkung der inte- grierten Luftverteidigung der NATO auf Ersuchen der Türkei und auf Grundlage des Rechts auf kollektive Selbstverteidigung (Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen) sowie des Beschlusses des Nordatlantikrates vom 4. Dezember 2012 Drucksachen 18/262, 18/347. . . . . . . . . . . 609 D – Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung  Drucksache 18/382 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 610 A Dr. Rolf Mützenich (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 610 A Sevim Dağdelen (DIE LINKE) . . . . . . . . . 610 D Jan van Aken (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 612 B Katrin Kunert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 613 C Roderich Kiesewetter (CDU/CSU) . . . . . . . . 614 C Dr. Franziska Brantner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 615 B Dr. Reinhard Brandl (CDU/CSU) . . . . . . . . . 616 B Sevim Dağdelen (DIE LINKE) . . . . . . . . . 616 D Inhaltsverzeichnis II Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 10. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. Januar 2014 Namentliche Abstimmung. . . . . . . . . . . . . . . . 618 A Ergebnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 620 D Tagesordnungspunkt 3: – Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung: Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der NATO-geführten Operation Active Endeavour im gesam- ten Mittelmeer Drucksachen 18/263, 18/348 . . . . . . . . . . . 618 C – Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung  Drucksache 18/383 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 618 C Niels Annen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 618 D Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 619 C Dr. Alexander S. Neu (DIE LINKE) . . . . . . . 623 A Peter Beyer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . 624 B Dr. Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 625 B Julia Bartz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . 625 D Stefan Liebich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 626 D Julia Bartz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . 627 A Namentliche Abstimmung. . . . . . . . . . . . . . . . 627 B Ergebnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 628 C Tagesordnungspunkt 4: a) – Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Einsetzung des Ver- trauensgremiums gemäß § 10a Ab- satz 2 der Bundeshaushaltsordnung Drucksache 18/358. . . . . . . . . . . . . . . . 627 C – Wahl der Mitglieder des Vertrauens- gremiums gemäß § 10a Absatz 2 der Bundeshaushaltsordnung Drucksache 18/359. . . . . . . . . . . . . . . . 627 C b) – Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Einsetzung eines Gremiums gemäß § 3 des Bundes- schuldenwesengesetzes Drucksache 18/360. . . . . . . . . . . . . . . . 627 C – Wahl der Mitglieder des Gremiums gemäß § 3 des Bundesschulden- wesengesetzes Drucksache 18/361. . . . . . . . . . . . . . . . 627 C c) Wahl der Mitglieder des Wahlausschus- ses für die vom Deutschen Bundestag zu berufenden Richter des Bundesverfas- sungsgerichts gemäß § 6 Absatz 2 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes Drucksachen 18/362, 18/363, 18/364, 18/365 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 627 C d) Wahl der Mitglieder des Ausschusses für die Wahl der Richter der obersten Gerichtshöfe des Bundes gemäß § 5 des Richterwahlgesetzes (Richterwahlaus- schuss) Drucksachen 18/366, 18/367, 18/368, 18/369 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 627 D Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 659 C, D; 660 A Tagesordnungspunkt 1: Regierungserklärung durch die Bundes- kanzlerin  (Fortsetzung der Aussprache) . . . . . . . . . . . . . 631 D Verteidigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 631 D Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 631 D Dr. Alexander S. Neu (DIE LINKE) . . . . . . . 633 D Albert Weiler (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 635 D Rainer Arnold (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 636 B Heike Hänsel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 637 A Niema Movassat (DIE LINKE) . . . . . . . . . 638 A Kathrin Vogler (DIE LINKE). . . . . . . . . . . 638 D Agnieszka Brugger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 640 B Henning Otte (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 641 B Dr. Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 643 A Gabi Weber (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 643 C Florian Hahn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 645 A Doris Wagner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 645 D Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Ent- wicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 646 C Dr. Gerd Müller, Bundesminister  BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 646 D Heike Hänsel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 649 B Dr. Bärbel Kofler (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 650 B Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 651 D Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 10. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. Januar 2014 III Sibylle Pfeiffer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 652 D Niema Movassat (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 653 D Stefan Rebmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 655 A Claudia Roth (Augsburg) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 656 A Dagmar G. Wöhrl (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 657 A Gabriela Heinrich (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 658 C Nächste Sitzung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 660 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten. . . . . . 661 A Anlage 2 Erklärungen nach § 31 GO zur namentlichen Abstimmung über den Antrag der Bundesre- gierung: Fortsetzung der Entsendung bewaff- neter deutscher Streitkräfte zur Verstärkung der integrierten Luftverteidigung der NATO auf Ersuchen der Türkei und auf Grundlage des Rechts auf kollektive Selbstverteidigung (Artikel 51 der Charta der Vereinten Natio- nen) sowie des Beschlusses des Nordatlantik- rates vom 4. Dezember 2012 (Tagesordnungs- punkt 2) Cansel Kiziltepe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 661 B Sevim Dağdelen (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 661 D Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 10. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. Januar 2014 561 (A) (C) (D)(B) 10. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 29. Januar 2014 Beginn: 11.00 Uhr
  • folderAnlagen
    (D) Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 10. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. Januar 2014 661 (A) (C) (B) Anlagen zum Stenografischen Bericht (D) Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlage 2 Erklärungen nach § 31 GO zur namentlichen Abstimmung über den An- trag der Bundesregierung: Fortsetzung der Entsendung bewaffneter deutscher Streitkräfte zur Verstärkung der integrierten Luftverteidi- gung der NATO auf Ersuchen der Türkei und auf Grundlage des Rechts auf kollektive Selbst- verteidigung (Art. 51 der Charta der Vereinten Nationen) sowie des Beschlusses des Nordatlan- tikrates vom 4. Dezember 2012 (Tagesord- nungspunkt 2) Cansel Kiziltepe (SPD): Ich konnte der Mandats- verlängerung der Operation Active Fence nicht zustim- men.  Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Alpers, Agnes DIE LINKE 29.01.2014 Bätzing-Lichtenthäler, Sabine SPD 29.01.2014 Freese, Ulrich SPD 29.01.2014 Gerdes, Michael SPD 29.01.2014 Heller, Uda CDU/CSU 29.01.2014 Juratovic, Josip SPD 29.01.2014 Maisch, Nicole BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 29.01.2014 Petzold (Havelland), Harald DIE LINKE 29.01.2014 Rüthrich, Susann SPD 29.01.2014 Dr. Schick, Gerhard BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 29.01.2014 Schmidt (Wetzlar), Dagmar SPD 29.01.2014 Steinbrück, Peer SPD 29.01.2014 Vogel (Kleinsaara), Volkmar CDU/CSU 29.01.2014 Walter-Rosenheimer, Beate BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 29.01.2014 Die Entwicklung in Syrien bedaure ich zutiefst, vor allem das Leiden der Zivilbevölkerung im Bürgerkrieg verurteile ich aufs Schärfste. Es muss das Ziel sein, so bald als möglich einen Waffenstillstand zwischen den Konfliktparteien herbeizuführen. Gerade werden in Genf die ersten Verhandlungen zu einer Lösung des syrischen Konflikts geführt. Ich begrüße und unterstütze diesen Verhandlungsprozess. Für meinen Entschluss, der Mandatsverlängerung nicht zuzustimmen gibt es gute Gründe. Die Gesamtkon- zeption des Einsatzes ist, abgesehen von einer symboli- schen Solidaritätshandlung gegenüber der Türkei, frag- lich. So sind die Patriot-Flugabwehrraketenstellungen nicht geeignet, um gegnerische Artillerie- oder Mörser- granaten abzuwehren. Dies ist jedoch die einzige realis- tische Bedrohung, welche aktuell für die Türkei von Sy- rien ausgeht. Des Weiteren ist die Befürchtung eines möglichen Einsatzes von syrischem Giftgas hinfällig ge- worden. Seit der Resolution des Sicherheitsrats der Ver- einten Nationen zur Vernichtung der syrischen Chemie- waffen und dem bereits begonnenen Abtransport dieser Waffen ist dieses Bedrohungsszenario ausgeschlossen. Mit einem Abzug der Patriot-Flugabwehrraketenstel- lungen könnte von westlicher Seite ein Signal für eine Entmilitarisierung und Deeskalation der Region gesen- det werden. Es muss in erster Linie um die humanitäre Situation der Menschen in Syrien sowie der syrischen Flüchtlinge in den Anrainerstaaten gehen und nicht um ein sehr unwahrscheinliches Bedrohungsszenario. Das Ende des Patriot-Mandats in der Türkei wäre ein erstes Signal vonseiten der NATO, dass eine friedliche Lösung für Syrien gewünscht ist. Dies gilt insbesondere als Un- terstützung für die aktuellen Friedensverhandlungen in Genf. Denn ohne einen stabilen Waffenstillstand ist der Weg hin zu Frieden und humanitärer Hilfe unmöglich. Ähnlich wie es ein symbolischer Akt war, im Winter 2012/13 der Türkei die Bündnissolidarität deutlich zu zeigen, ist es heute angesagt, ein Zeichen zur Deeskala- tion und für die Friedensverhandlungen zu setzen. Sevim Dağdelen (DIE LINKE): Ich stimme gegen den Antrag der Bundesregierung, deutsche Truppen an die türkisch-syrische Grenze zu entsenden, vor allem auch, weil die Begründung für den Einsatz auf einer Lüge und einer massiven Täuschung von Öffentlichkeit und Parlament durch die Bundesregierung beruht. Im Antrag der Bundesregierung zur Entsendung deut- scher Streitkräfte in die Türkei (NATINADS) heißt es unter Abs. 2, „Völkerrechtliche Grundlagen“, wörtlich: Auf Antrag der Türkei waren im Nordatlantikrat am 26. Juni und 3. Oktober 2012 Konsultationen nach Art. 4 des Nordatlantikvertrages durchgeführt wor- den. Angesichts einer dargelegten Bedrohung der Un- versehrtheit des türkischen Staatsgebiets und der ei- genen Sicherheit hatte der Nordatlantikrat auf An- Anlagen 662 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 10. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. Januar 2014 (A) (C) (D)(B) trag der türkischen Regierung vom 21. November 2012 am 4. Dezember 2012 beschlossen, die Fähig- keiten im Bereich der integrierten Luftverteidigung der NATO zu verstärken. Mit ihrem Beschluss und einer entsprechenden Ver- legung schuf die NATO die Voraussetzung für die beteiligten Parteien, für den Fall eines bewaffneten Angriffes auf die Türkei (Artikel 5 des Nordatlan- tikvertrags) vom Recht zur individuellen oder kol- lektiven Selbstverteidigung (Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen) Gebrauch machen zu kön- nen. Anlass dieser Konsultationen war zunächst der ver- meintliche Abschuss eines türkischen Aufklärungsflug- zeuges und später der vermeintliche Granatenbeschuss durch die syrische Armee. Auf dieser Grundlage und bei diesen Gelegenheiten wurde die Bedrohung der Türkei nach Art. 4 des Nordatlantikvertrages festgestellt. In ei- ner Erklärung des Nordatlantikrates nach diesem Treffen wurde festgestellt, dass es sich um einen „unacceptable“ Akt handele, der zu verurteilen sei. Zudem wurde der vermeintliche Abschuss des türkischen Kampfflugzeugs als weiteres Beispiel der syrischen Behörden in ihrer Missachtung völkerrechtlicher Normen, des Friedens, der Sicherheit und des menschlichen Lebens betrachtet, so der NATO-Rat. Auf diese Weise ist die NATO als for- males Verteidigungsbündnis überhaupt erst ins Spiel ge- kommen, und das hat die Türkei in ihrem eskalierenden Kurs gegenüber Syrien gestärkt. Die Darstellung der türkischen Regierung und der Vorwurf der NATO lautet also, dass die syrische Luftab- wehr über internationalen Gewässern ein Aufklärungsflug- zeug der türkischen Armee abgeschossen hätte, nachdem dieses versehentlich – und zwar im Tiefflug – in syri- schen Luftraum eingedrungen wäre. Ursächlich und un- umstritten liegt also eine türkische Verletzung des syri- schen Hoheitsgebietes vor. Dass aber der Abschuss über internationalen Gewäs- sern stattfand, wurde schnell bezweifelt; die Kenntnisse der NATO weichen von den Angaben der Türkei über die Absturzstelle ab und werden zudem geheim gehal- ten. Die Bundesregierung hat die Geheimhaltung dieser Informationen verteidigt und in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage entsprechend dargelegt: „Eine Offenle- gung könnte zur Folge haben, dass dem Bundesnachrich- tendienst künftig keine schutzbedürftigen Erkenntnisse anvertraut werden.“ (Bundestagsdrucksache 17/13515) Ich stimme gegen die Entsendung deutscher Bundes- wehrsoldaten, auch weil der Standpunkt der Bundesre- gierung einfach nicht der Wahrheit entspricht. Denn sicher ist doch, dass das türkische Flugzeug von keiner Rakete getroffen wurde, womit ein Abschuss in internationalem Luftraum ausscheidet. Mittlerweile er- scheint zweifelhaft, ob es überhaupt einen Beschuss des türkischen Flugzeugs gab oder dieses nicht aufgrund des riskanten Manövers und veralteter Technik abgestürzt ist. In einem Text der International Crisis Group heißt es hierzu: „Wie auch immer, es wurden keine Anzeichen ei- nes Raketeneinschlags auf dem Wrack des Flugzeugs, einer Phantom F4, entdeckt.“ Auch die Stiftung Wissen- schaft und Politik schreibt zu diesem Vorfall und der er- zwungenen Landung eines aus Moskau kommenden sy- rischen Flugzeugs: „In beiden Fällen musste die Türkei schon bald einräumen, dass ihre jeweilige Darstellung unrichtig war“. Trotzdem haben der NATO-Generalsekretär und der Nordatlantikrat, an dem Vertreter der Bundesregierung teilgenommen haben, denen zu diesem Zeitpunkt schon eigene und von der türkischen Darstellung stark abwei- chende Informationen vorlagen, anlässlich der Art.-4- Konsultationen gegenüber der Öffentlichkeit folgende Aussage gemacht: „Das ist ein weiteres Beispiel für die Missachtung der internationalen Normen, des Friedens, der Sicherheit und des Menschenlebens durch das syri- sche Regime.“ Damit haben die NATO, deren Generalsekretär und die deutsche Bundesregierung die Öffentlichkeit be- wusst und gezielt falsch informiert. Noch am 7. November 2012 wertete die Bundesregie- rung den vermeintlichen Abschuss des türkischen Mili- tärjets als „unverhältnismäßigen Akt“. Im Mai 2013 be- gründete sie diese Einschätzung mit „den zugrunde gelegten Informationen, dass ein Abschuss im interna- tionalen Luftraum ohne Vorwarnung erfolgt sei“. Bereits im November 2013 spätestens lagen jedoch auch der Bundesregierung die Erkenntnisse der NATO vor, wo- nach der Abschuss nicht in internationalem Luftraum er- folgt sein kann – sofern er überhaupt erfolgt ist. Ich stimme gegen eine Entsendung der Patriot-Rake- ten, weil auch der zweite Grund, der angebliche Grana- tenbeschuss durch syrische Streitkräfte ohne vorherige Angriffe türkischer Streitkräfte, äußerst zweifelhaft ist: Denn was die zweiten Konsultationen angeht, so er- folgten diese aufgrund von vermeintlichem Granatenbe- schuss türkischen Territoriums von Syrien aus. Auch hier wurden schnell auch aus NATO-Kreisen Zweifel laut, ob diese tatsächlich von der syrischen Armee oder den eng mit der Türkei kooperierenden Rebellen abge- schossen wurden: NATO-Vertreter gaben an, dass es sich um Granaten aus NATO-Beständen handelte. Eine Un- tersuchung der Vorfälle hat nach Angaben der Bundesre- gierung nicht stattgefunden und sei auch nicht angestrebt worden; auch hier hat man sich einfach und unkritisch der türkischen Darstellung angeschlossen. Die Bundes- regierung hat dazu keine eigenen Informationen und auch keine eigenen Untersuchungen angestrebt, aber „geht davon aus“, dass es zumindest in einem Fall Ende September „Beschuss türkischen Territoriums durch sy- rische Artilleriekräfte gab“. Am 3. Oktober 2012, am Tag der zweiten NATO-Konsultationen, gab es auch Be- schuss syrischen Territoriums durch die türkische Ar- mee. Hierzu gibt die Bundesregierung an, dass ihr „über die Presseberichterstattung hinaus … keine eigenen Er- kenntnisse“ vorlägen. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Türkei zweifellos Handlungen vorgenommen hat, die völker- rechtlich als Angriffshandlungen gewertet werden kön- nen, Bundesregierung und NATO diese jedoch nicht zur Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 10. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. Januar 2014 663 (A) (C) (B) Kenntnis nehmen. Demgegenüber werden vermeintliche Reaktionen der syrischen Armee auf diese Angriffshand- lungen als „Bedrohung der Unversehrtheit des türki- schen Staatsgebiets“ aufgefasst, welche die „Solidarität“ des Bündnisses unter anderem in Form der Patriot-Sta- tionierung aktivieren. Ich stimme gegen die Patriot-Entsendung, weil die Abgeordneten von der Bundesregierung bisher regel- recht getäuscht worden sind. Beide Begründungen für die Entsendung der Patriots sind schlicht nicht haltbar. Ich finde, in einer so wichtigen Frage, wenn es um Krieg oder Frieden geht, wichtige Informationen vor der Öffentlichkeit zurückzuhalten, wie den abweichen- den NATO-Bericht, ist schon bemerkenswert. Da ist et- was ins Rutschen geraten, was die Demokratie in Deutsch- land insgesamt infrage stellt. Mit der Befreiung vom Faschismus und vom deutschen Militarismus hatte die Bundesrepublik einst auch mit einer Kriegspolitik gebro- chen, die von einer Geheimdiplomatie vorbereitet wird. Dies steht jetzt infrage. Ich habe den Eindruck, die Bundesregierung manipuliert Informationen, um Aus- landseinsätze der Bundeswehr zu legitimieren. Deshalb stimme ich gegen den Einsatz der Bundeswehr. Der Fall der Patriots, aber nicht nur dieser Fall, zeigt klar und deutlich: Um Auslandseinsätze durchzusetzen, werden Öffentlichkeit und Parlament gnadenlos belogen. Wer dann auch nur wagt, kritisch nachzufragen, wird als Assad-Unterstützer diffamiert. Das ist ein Prinzip, das sich in Deutschland leider mittlerweile etabliert hat. Die NATO hat diese Kriegslüge mit auf den Weg gebracht. Sie wusste, dass an der türkischen Version etwas nicht stimmen kann. Damit werden die Deutschen mit zu Geiseln der AKP und der Brüsseler NATO-Zentrale und ihrer Desinformationspolitik. Von Bündnisverteidi- gung kann keine Rede mehr sein. Man kann sich des Ein- drucks nicht erwehren, als ginge es darum, die Bundes- wehr in möglichst viele Auslandseinsätze zu schicken. Die NATO sucht zudem nach ihrer sich abzeichnenden Niederlage am Hindukusch nach neuen Betätigungsfel- dern. Dass sie nunmehr an der Seite von islamistischen Milizen und Al-Qaida-Kämpfern in Syrien steht, ist mehr als eine Ironie der Geschichte. Für mich ist es ein Verbrechen. (D) 10. Sitzung Inhaltsverzeichnis TOP 1 Regierungserklärung durch die Bundeskanzlerin TOP 1 Außen, Europa und Menschenrechte TOP 2 Bundeswehr-Einsatz OAF (Türkei) TOP 3 Bundeswehr-Einsatz OAE TOP 4 a Wahl: Vertrauensgremium TOP 4 b Wahl: Gremium Bundesschuldenwesengesetz TOP 4 c Wahl: Wahlausschuss Bundesverfassungsrichter TOP 4 d Wahl: Richterwahlausschuss TOP 1 Verteidigung TOP 1 Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Anlagen
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Peter Hintze


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)


    Weitere Wortmeldungen zum Thema Verteidigung

    liegen nicht vor.

    Ich rufe damit den Bereich Wirtschaftliche Zusam-
    menarbeit und Entwicklung auf.

    Das Wort hat Bundesminister Dr. Gerd Müller.


    (Beifall bei der CDU/CSU)


    Dr. Gerd Müller, Bundesminister für wirtschaftliche
    Zusammenarbeit und Entwicklung:

    Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-
    ren! Die Welt steht vor gewaltigen Herausforderungen.
    Über 4 Millionen Jahre hat es gedauert, bis die Mensch-
    heit im 19. Jahrhundert die Schwelle der ersten Milliarde
    durchbrach. Heute wächst die Weltbevölkerung täglich
    um 230 000 Menschen – das sind 80 Millionen Men-
    schen im Jahr, einmal die Einwohnerzahl von Deutsch-
    land – auf 9 Milliarden Menschen im Jahr 2050. Die
    Bevölkerung in Afrika wird sich in diesem Zeitraum ver-
    doppeln. Ein Staat wie Nigeria, der noch überhaupt nicht
    in unserem Blickfeld ist, wird dann 500 Millionen Ein-
    wohner haben.

    Seit meiner Geburt 1955 hat sich die Weltbevölke-
    rung verdoppelt. Wir haben in diesem Zeitraum aber
    auch eine Verdreifachung des Wasserverbrauchs, eine
    Vervierfachung des CO2-Ausstoßes und eine Versieben-
    fachung der Produktion der Weltwirtschaft zu verzeich-
    nen. Würden alle Menschen heute auf der Erde auf dem
    Konsumniveau von uns Deutschen und Europäern leben,
    dann brauchten wir drei Planeten; denn die Menschen
    hinterlassen einen gewaltigen ökologischen Fußabdruck.
    So stellt sich für uns natürlich auch die Frage nach den
    Grenzen dieses Wachstums. Unter diesem Gesichtspunkt
    globaler Herausforderungen ist die Entwicklungspolitik,
    der Sie, meine Damen und Herren, verehrte Kolleginnen
    und Kollegen, sich seit vielen Jahren – die allermeisten
    in diesem Raum mit so viel Idealismus – widmen, nicht
    Nischenpolitik, weil der Tagesordnungspunkt heute um
    halb acht aufgerufen wird, sondern sie steht im Zentrum





    Bundesminister Dr. Gerd Müller


    (A) (C)



    (D)(B)

    der Politik; sie ist Zukunftspolitik, Friedenspolitik, sie ist
    Innenpolitik.


    (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Niema Movassat [DIE LINKE])


    Auch wenn es noch nicht alle gemerkt haben, haben
    diese Entwicklungen gewaltige Rückwirkungen auch auf
    uns in Deutschland. Wir stehen für eine werteorientierte
    Entwicklungspolitik, und das aus ethisch-moralischer
    Verpflichtung, aus globaler Verantwortung heraus, aber
    auch aus nationalem Interesse. Uns allen ist klar: Die
    Menschheit überlebt nur dann in Würde, wenn wir die
    Schöpfung erhalten und uns an global geltenden Grund-
    werten orientieren, eine humane und gerechte Weltord-
    nung schaffen, die Lebensperspektive für alle schafft.
    An dieser Stelle sind wir uns einig, dass wir nicht busi-
    ness as usual, einfach so weitermachen können; wir
    brauchen vielmehr einen Paradigmenwechsel, im Den-
    ken und im Handeln, national, europäisch und internatio-
    nal.

    Es ist ganz klar: Niemand in der Welt – schon aus hu-
    manitären Gründen – darf zurückgelassen werden. Ein
    Ende der Armut und des Hungers, von Krankheit und
    Seuchen ist möglich. Dennoch lassen wir es zu, dass na-
    hezu 1 Milliarde Menschen unterernährt ist, hungert und
    täglich 20 000 bis 30 000 Kinder sterben, während wir,
    1 Milliarde Menschen auf der Sonnenseite des Lebens,
    mit Übergewicht und Fettleibigkeit kämpfen. Das ist
    nicht hinnehmbar. Hier müssen wir handeln.


    (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Dazu brauchen wir ein neues Denken, ein neues Han-
    deln von Staat und Gesellschaft, aber auch von jedem
    Einzelnen. Nachhaltigkeit muss das Prinzip allen Tuns
    und aller Entwicklung sein. Deshalb müssen wir die
    Globalisierung so gestalten, dass sie den Menschen dient
    und nicht ausschließlich den Märkten und der Wirt-
    schaft.


    (Beifall im ganzen Hause – Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Sagen Sie das einmal der Kanzlerin!)


    Nicht der freie Markt ohne jegliche Kontrolle ist un-
    ser Leitbild, sondern eine ökologisch-soziale Marktwirt-
    schaft. Der Markt braucht Grenzen. Wir haben eine Vor-
    lage für ein wirtschaftlich verträgliches System. Im
    ökologischen Sinne müssen wir unser Konsumverhalten
    verändern, den Wachstumsbegriff qualitativ neu definie-
    ren. Die Enquete-Kommission „Wachstum, Wohlstand,
    Lebensqualität“ des Bundestages hat dazu vor einem
    Jahr eine hervorragende Vorlage geliefert, die wir nur
    aufzugreifen haben.

    Wir müssen die Ressourcen effizienter nutzen, etwa
    mit dem Faktor fünf oder mit dem Faktor zehn. Wir müs-
    sen also mit weniger Einsatz mehr produzieren. Das ist
    möglich, und das zeigt auch auf, dass die Probleme lös-
    bar sind. Ökologische und soziale Standards müssen
    Eingang in die Finanz- und in die Wirtschaftswelt fin-
    den, in internationale Handelsabkommen und in globale
    Handelsströme. Ich denke an Doha. Hier müssen wir
    Deutsche, hier müssen wir Europäer ein Stück weit
    Maßstäbe setzen und Vorreiter sein.


    (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Wenn man es will, kann man mit anderen zusammen
    auch etwas bewegen. Wir können einiges bewegen. Wir
    haben in meiner Zeit als Parlamentarischer Staatssekre-
    tär im Agrarministerium beispielsweise das Thema „Be-
    grenzung und Verbot der Lebensmittelspekulationen“ in
    den G-20-Gipfel eingebracht. Ein Anfang ist gemacht.
    Wir müssen auch bei anderen Themen vorangehen. Ich
    habe mich heute mit der niederländischen Ministerin für
    Außenhandel und Entwicklungszusammenarbeit über
    die Situation der Textilwirtschaft, beispielsweise in Ban-
    gladesch, unterhalten. Es ist absolut nicht hinnehmbar,
    dass dort Näherinnen für 5 Cent in der Stunde 90 Stun-
    den die Woche Jeans nähen, damit wir für 9,90 Euro eine
    Jeans kaufen können.


    (Beifall im ganzen Hause)


    An diesem Beispiel wird auch deutlich, dass jeder von
    uns aufgefordert ist, zu handeln. Auch der Konsument,
    der Verbraucher, kann durch nachhaltiges Handeln Zei-
    chen setzen. Wir müssen als reiche Industrienationen da-
    bei wesentlich stärker unserer Verantwortung gerecht
    werden. Europa, die USA und Japan, 20 Prozent der
    Weltbevölkerung, beanspruchen 80 Prozent des Reich-
    tums und hinterlassen zwei Drittel der Umwelt- und Kli-
    maschäden. Hier sind ein Umdenken und ein Umsteuern
    angesagt.


    (Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)


    Ich werde zusammen mit Ihnen, den engagierten Par-
    lamentarierinnen und Parlamentariern, die auch in der
    Vergangenheit immer wieder auf diese Themen auf-
    merksam gemacht haben, jetzt unter Beteiligung aller in
    der deutschen Gesellschaft und Öffentlichkeit Interes-
    sierten einen Diskussionsprozess einleiten. Wir wollen
    in diesem Jahr eine nationale Zukunftscharta nach dem
    Motto „Eine Welt – unsere Verantwortung“ entwickeln,
    die am Ende des Jahres in einen großen Eine-Welt-Kon-
    gress münden soll.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Wir bereiten damit ein neues globales Zielsystem für
    nachhaltige Entwicklung nach 2015, den Post-2015-Pro-
    zess – die Neudefinition der Millenniumsziele –, vor.
    Deutschland kann und muss hier eine starke inhaltliche
    Vorgabe machen. Liebe Kolleginnen und Kollegen des
    Ausschusses, die Sie kämpfen, die Sie die letzten Jahre
    auch um politische Reputation gekämpft haben, es zeigt,
    dass wir weit vorangekommen sind. Unser Ministerium
    bekommt morgen Besuch von Ban Ki-moon. Mit ihm
    starten wir diesen Prozess und leiten wir die Diskussion
    dieses globalen Zielsystems ein. Das BMZ ist auch und
    gerade das Ministerium für globale Entwicklungen.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)






    Bundesminister Dr. Gerd Müller


    (A) (C)



    (D)(B)

    Die Koalition verstärkt die Mittel für die Entwick-
    lungszusammenarbeit.


    (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nicht genug!)


    Natürlich hätten wir uns gewünscht, Herr Raabe, dass es
    mehr als 2 Milliarden Euro für die nächsten vier Jahre
    wären. Aber: Die Notwendigkeit dieser Mittel ist bei den
    Spitzen der Fraktionen angekommen. Ich bedanke mich
    bei der Kanzlerin, beim Vizekanzler, bei Herrn Gabriel.
    Wir haben einen großen Konsens. Es ist eine große
    Chance, dass wir diese Themen, diese Herausforderun-
    gen nicht im kleinen innerparteilichen Streit diskutieren
    müssen, sondern dass wir uns im Großen und Ganzen ei-
    nig sind, dass wir etwas bewegen und nach vorne kom-
    men wollen. Dafür bedanke ich mich bei Ihnen.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Als neuer Bundesminister mache ich mich mit großer
    Freude an die Arbeit. Ich fühle und finde viel Idealismus
    und Unterstützung bei Ihnen. Das gibt mir auch die
    Kraft, neue konkrete Akzente und Ansatzpunkte zu fin-
    den. Neue Schwerpunkte werden wir in den nächsten
    Monaten im Ausschuss miteinander entwickeln. Mit
    meinen beiden Staatssekretären Joachim Fuchtel und
    Christian Schmidt haben wir eine Verstärkung bekom-
    men. Sie sind gewichtige politische Akteure an meiner
    Seite, profilierte Außenpolitiker und Entwicklungspoliti-
    ker.


    (Beifall bei der CDU/CSU)


    Thema Nummer eins, meine Damen und Herren, ist
    die Entwicklungszusammenarbeit. Sie ist kein Ni-
    schenthema, wie ich gesagt habe, und deshalb müssen
    wir Wirtschaft, Gesellschaft, Kirchen, Medien und Poli-
    tik mitnehmen.

    Die größte Ungerechtigkeit sind die absolute Armut
    und der Hunger. Deshalb werden wir unsere Anstren-
    gungen hier weiter verstärken und besonders in Afrika
    investieren – die Frau Verteidigungsministerin ist weg –;
    wir werden unsere Anstrengungen mit einer Sonderini-
    tiative für eine Welt ohne Hunger verstärken und in
    Mali, in Zentralafrika einen Schwerpunkt setzen. Ich be-
    absichtige, mit jährlich 1 Milliarde Euro gezielt die länd-
    liche Entwicklung voranzubringen. Wir streben den Auf-
    bau von zehn grünen Wertschöpfungszentren in Afrika
    an. Unser Leitbild sind nicht Agrofabriken, sondern leis-
    tungsfähige bäuerliche Betriebe, die die lokale Ernäh-
    rung sichern und die Wertschöpfung im Lande belassen.
    Wir sind davon überzeugt: Afrika kann sich selbst ernäh-
    ren.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


    Wir haben das Wissen, das Können. Wir müssen in
    Partnerschaft diesen Transfer leisten; dann ist Afrika sel-
    ber imstande, sich zu ernähren. Viele Länder Afrikas
    können mit diesem Know-how, mit unserer Hilfe die
    Produktivität verdoppeln, verdreifachen. Wir haben sol-
    che Erfahrungen in Äthiopien und in vielen anderen
    Staaten bereits gemacht. Also machen wir uns auf, die-
    sen Schwerpunkt zu setzen.

    Dazu gehört Bildung. Bildung ist für uns der Schlüs-
    sel für eine bessere Zukunft. Bildung ist die Grundlage
    jeglicher Veränderung. Deshalb werden wir hier einen
    weiteren Schwerpunkt setzen und gezielt Haushaltsmit-
    tel zur Stärkung der Grundbildung und zum Aufbau be-
    ruflicher Ausbildungszentren, aber auch für die tertiäre
    Bildung einsetzen. Wir werden diese Haushaltsmittel auf
    mindestens 400 Millionen Euro jährlich erhöhen und
    dazu auch eine Afrika-Initiative starten. Ich habe mich
    gestern mit der Präsidentin des DAAD getroffen. Wir
    haben vereinbart, den jetzt schon erfolgreichen Aus-
    tausch von Studenten und Professoren zwischen
    Deutschland und Afrika zu verdoppeln. 1 000 neue Aus-
    tauschplätze für afrikanische Studenten in Deutschland
    sind das Ziel.

    Afrika bleibt unser regionaler Schwerpunkt. Ich sage:
    Trotz aller Probleme ist Afrika der Chancenkontinent.
    Deshalb arbeiten wir an einem neuen entwicklungspoli-
    tischen Afrika-Konzept. Ich lade insbesondere die deut-
    sche Wirtschaft ein, in Partnerschaft mit uns die Chan-
    cen zu nutzen.

    Ein schwieriges, aber drängendes Thema ist das
    Flüchtlingsthema. Wir brauchen ein europäisch abge-
    stimmtes Flüchtlingskonzept. Meine Damen und Herren,
    Lampedusa wird es hundertmal geben, wird es tausend-
    mal geben. Es genügt nicht, dass wir im Mittelmeerraum
    die Zäune und die Polizeipräsenz verstärken; wir müssen
    Lebensperspektiven für die Menschen vor Ort schaffen.


    (Beifall im ganzen Hause)


    Wir müssen eine Antwort geben. Frau Roth war gerade
    unterwegs in Jordanien und im Libanon, wo 3 bis 4 Mil-
    lionen syrische Flüchtlinge in Flüchtlingslagern, in Not-
    unterkünften leben und humanitäre Hilfe, das tägliche
    Essen erhalten. Aber wir brauchen eine Antwort auf die
    Frage der Reintegration, wo es darum geht, diese Men-
    schen wieder in ihre Heimat zurückzuführen. Ich sage
    auch mit Blick auf die Diskussion in Deutschland: Die
    syrischen Flüchtlinge, aber auch die Flüchtlinge an an-
    deren Orten in der Welt wollen nicht hierherkommen; sie
    wollen Heimat und Zukunft, Frieden und Stabilität zu
    Hause, und dazu müssen und werden wir beitragen.


    (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Dies gilt auch für Afghanistan. Ich kann das Thema
    heute nicht weiter vertiefen. Es geht auch dort um die
    Frage einer echten Entwicklungsperspektive. Der Abzug
    der ISAF-Soldaten, Herr Staatssekretär, ist nur die eine
    Seite. Wenn wir nach zwölf Jahren herausgehen, brau-
    chen wir zur Stabilisierung Investitionen und eine Stär-
    kung der zivilen Infrastruktur, wenn wir nicht innerhalb
    von fünf Jahren erleben wollen, dass der militärische
    Einsatz der ISAF-Truppen erfolglos war, weil das Land
    im Chaos versinkt. Das wollen wir nicht, deshalb müs-
    sen wir die zivilen Strukturen stärken.

    Der Klimaschutz bleibt Eckpfeiler der Entwicklungs-
    politik; das ist ganz natürlich. Die Aufgabe, vor der wir





    Bundesminister Dr. Gerd Müller


    (A) (C)



    (D)(B)

    stehen, ist, ein rechtsverbindliches Klimarahmenabkom-
    men im Jahr 2015 abzuschließen. Dieser eine Satz be-
    inhaltet eine große Ankündigung. Es ist nämlich eine
    riesige Aufgabe, zu einem rechtsverbindlichen Klima-
    rahmenabkommen im Jahr 2015 zu kommen.

    Meine Damen und Herren, unser Einsatz gilt der För-
    derung von Demokratie, Menschenrechten, Gleichbe-
    rechtigung, Rechtsstaatlichkeit und guter Regierungs-
    führung. Wirksame Entwicklungszusammenarbeit hat
    dies natürlich auch zum Ziel und zur Grundlage. Deswe-
    gen werden wir uns verstärkt auf Aufbauleistungen ins-
    besondere im Mittelmeerraum konzentrieren und dabei
    die so wertvolle Arbeit unserer politischen Stiftungen
    fördern.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Vieles ist zu tun, und viele sind unterwegs. Zum
    Schluss möchte ich unseren vielen Tausend Entwick-
    lungshelfern und -experten in der Welt – Soldaten leisten
    ihren wertvollen, herausragenden Dienst, aber auch Tau-
    sende von Entwicklungshelfer – für ihren unermüdli-
    chen und auch gefährlichen Dienst danken. Sie verdie-
    nen, dass ihnen unsere ganz besondere Wertschätzung
    gilt.


    (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


    Unsere Entwicklungshelfer sind Botschafter Deutsch-
    lands im besten Sinne: Botschafter für den Frieden in der
    Welt. Sie stehen für unsere Kultur, für Gerechtigkeit,
    Frieden, Demokratie und Zukunft. Wir im Deutschen
    Bundestag stehen fraktionsübergreifend hinter ihnen.
    Wir alle kämpfen für eine gerechte Welt, für eine bessere
    Zukunft und den Erhalt unserer Schöpfung. Mit ihnen
    zusammen gehen wir an die Arbeit.

    Herzlichen Dank.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)




Rede von Peter Hintze
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

Als nächste Rednerin hat das Wort Kollegin Heike

Hänsel, Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Heike Hänsel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DIE LINKE.)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE LINKE.)


    Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegin-

    nen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister Müller,
    Sie schlagen neue Töne in der Entwicklungspolitik an,
    auch im Gegensatz zu Ihrem Vorgänger. Ich muss sagen:
    Dies begrüßen wir ausdrücklich hier in der entwick-
    lungspolitischen Debatte.


    (Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Es gibt – das haben wir auch schon heute Morgen im
    Ausschuss gesagt – zahlreiche Ideen von Ihnen, von de-
    nen auch wir einige unterstützen. Die Frage der Wert-
    schöpfung in den Ländern des Südens ist eine der ent-
    scheidenden Fragen für Entwicklung. Ebenso stimmt es,
    dass es um Veränderungen hier im Norden gehen muss.
    All das sind Ansätze, die wir unterstützen. Da werden
    wir Ihre Vorstellungen sicherlich kritisch-konstruktiv be-
    gleiten.


    (Beifall bei der LINKEN)


    Ich bin aber nicht erst jetzt zu dieser Debatte gekom-
    men, sondern sitze hier seit heute Morgen und habe eine
    Regierungserklärung nach der anderen gehört. Da gab es
    auch andere Töne. Wenn ich mir Kanzlerin Merkel in Er-
    innerung rufe,


    (Johannes Selle [CDU/CSU]: Gute Kanzlerin!)


    so war für mich ihre Hauptbotschaft: Wir sind besser aus
    der Krise herausgekommen als andere, wir wollen im
    harten Wettbewerb bestehen, wir wollen an die Spitze,
    wir wollen als starkes Europa unseren Platz an der Spitze
    der globalen Entwicklung halten, usw.


    (Johannes Selle [CDU/CSU]: Da hat sie doch recht! – Weiterer Zuruf der Abg. Sibylle Pfeiffer [CDU/CSU])


    Hier ging es nur um Konkurrenz. Hier ging es nur um
    ein System von wirtschaftlicher Konkurrenz, um knall-
    harten Wettbewerb der Volkswirtschaften weltweit, im
    Grunde um den Kampf um Ressourcen, den Schutz von
    Handelswegen, um billige Arbeitskräfte und neue Ab-
    satzmärkte. Hier ging es nicht um Kooperation, sondern
    hier ging es um knallharten Wettbewerb. Und das lehnen
    wir ab.


    (Beifall bei der LINKEN)


    Diese Form des weltweiten Wirtschaftens, diese neolibe-
    rale Globalisierung – genau so soll es demnach ja jetzt
    weitergehen –, steht gegen die Vorstellungen und Ziele
    und Ideen, die Minister Müller gerade formuliert hat.


    (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Zuruf der Abg. Sibylle Pfeiffer [CDU/CSU])


    Wir brauchen uns nur die aktuellen Zahlen anzu-
    schauen. Oxfam hat letzte Woche neu ausgerechnet, dass
    die 85 reichsten Menschen auf der Erde über genauso
    viel Vermögen verfügen wie die ärmere Hälfte der Welt-
    bevölkerung. Das ist eine enorme Konzentration von
    Reichtum. Diese Form des Reichtums dürfen wir nicht
    akzeptieren.


    (Beifall bei der LINKEN)


    Es ist eine wirtschaftliche Machtkonzentration, die die
    demokratischen Fundamente weltweit massiv bedroht.

    Genau deswegen wollen wir weg von dieser Profit-
    maximierung hin zu einem solidarischen Wirtschaftssys-
    tem. Dann wäre auch eine Wertschöpfung in den Län-
    dern des Südens möglich.


    (Beifall bei der LINKEN)


    Ich habe in der vorherigen Debatte ganz andere Töne
    von der Verteidigungsministerin von der Leyen – wenn
    man sie denn so nennen kann – gehört. Ich finde es ganz





    Heike Hänsel


    (A) (C)



    (D)(B)

    interessant, dass sie eine Afrika-Strategie entwickeln
    will, bei der Afrika in den Fokus für immer neue Mili-
    täreinsätze kommen soll. Im Grunde wäre es viel besser,
    die wirtschaftliche Entwicklung zu befördern, anstatt
    noch mehr Militäreinsätze durchzuführen.

    100 Jahre nach Beginn des Ersten Weltkriegs sollten
    wir die Mahnung verstanden haben. Es war deutsche
    Großmachtpolitik, die Millionen von Menschen ins
    Elend und ins Verderben gestürzt hat. Genau deswegen
    brauchen wir andere Schlussfolgerungen als die, die ich
    vorhin in der verteidigungspolitischen Debatte gehört
    habe.


    (Beifall bei der LINKEN)


    Ich kann heute nicht alle Punkte thematisieren. Wir
    werden darüber noch diskutieren.

    Herr Müller, für uns gibt es noch weitere Bereiche, in
    denen wir hoffen, dass Sie auch dort neue Akzente set-
    zen. Zum einen geht es – Sie sind Mitglied des Bundes-
    sicherheitsrates – um die Frage der Rüstungsexporte.
    Wir fordern Sie auf: Stimmen Sie gegen Rüstungs-
    exporte in die Länder des Südens! Aus Krisen werden
    Kriege. Wir erleben es in Syrien. Kriege verhindern Ar-
    mutsbekämpfung und tragen zum Entstehen neuer Ar-
    mut bei.


    (Beifall bei der LINKEN)


    Zum anderen geht es darum, dass die Entwicklungs-
    zusammenarbeit ständig im Zusammenhang mit Militär-
    strategien erwähnt wird. Entwicklungspolitik soll Militär-
    einsätze flankieren, so sagte Frau von der Leyen. Dies ist
    eine katastrophale Entwicklung. Wir und auch Entwick-
    lungsorganisationen warnen seit Jahren davor. Die zivil-
    militärische Zusammenarbeit und eine vernetzte Sicher-
    heit tragen nicht zur wirtschaftlichen Entwicklung und
    zur Armutsbekämpfung bei. Die Entwicklungszusam-
    menarbeit wird dadurch militarisiert und nur an sicher-
    heitspolitischen Interessen ausgerichtet. Diese Instru-
    mentalisierung dürfen wir alle nicht zulassen. Wir
    brauchen die Stärkung des Zivilen. Das muss unser An-
    spruch sein.

    Danke.


    (Beifall bei der LINKEN)