Rede von
Ulla
Jelpke
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(DIE LINKE.)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE LINKE.)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der ak-
tuelle Anlass für den vorliegenden Antrag der Fraktion
Die Linke sind die tragischen Schiffsunglücke auf Lam-
pedusa und anderswo, die im Herbst vergangenen Jahres
im Mittelmeer weit über 500 Flüchtlingen das Leben ge-
kostet haben.
Betroffenheit war allgemein zu spüren. Herr Gabriel
zum Beispiel sprach davon, dass es eine große Schande
für die Europäische Union sei. Der italienische Präsident
Napolitano sprach von einem Massaker, EU-Kommis-
sionspräsident Barroso von einem europäischen Not-
stand, und der Papst prangerte die Gleichgültigkeit in
den Industriestaaten an.
Leider sind die Tragödien vor Lampedusa alles andere
als einzigartig. Seit 1988 starben etwa 20 000 Flüchtlinge
entlang der europäischen Außengrenzen, die meisten im
Mittelmeer. Die Toten sind Ergebnis der Abschottungs-
politik der Europäischen Union. Daher will ich zu Be-
ginn ganz klar sagen: Es genügt eben nicht, sich nur er-
schüttert zu zeigen, sondern es müssen endlich Taten
folgen, um eine Wiederholung solcher Katastrophen zu
vermeiden.
Das heißt in erster Linie, dass Asylsuchende eine le-
gale und sichere Möglichkeit haben müssen, nach
Europa einzureisen. Aber daran, meine Damen und Her-
ren, denken die Innenminister der EU überhaupt nicht.
Die Leichen von Lampedusa waren noch nicht gebor-
gen, da nutzten die Innenminister diese Tragödie als Vor-
wand, einen weiteren Ausbau der Festung Europa fest-
zulegen. Nicht „Hilfen für Flüchtlinge“ ist ihre Devise,
sondern „Noch mehr Abschottung“.
Kürzlich hat die EU das milliardenteure Grenzüber-
wachungssystem EUROSUR in Betrieb genommen.
Polizei, Geheimdienste, Militär sollen mit Satelliten und
Drohnen die Seeüberwachung perfektionieren. Fakt ist:
Nicht die Rettung Schiffbrüchiger steht hier im Vorder-
grund, sondern das Abfangen von Flüchtlingsschiffen,
lange bevor sie die EU-Grenzen erreichen.
Deswegen wird die libysche Grenzpolizei beispielsweise
mithilfe der EU und NATO aufgerüstet. Deswegen ma-
chen die ägyptischen und libyschen Küstenwachen Jagd
auf Flüchtlingsboote. Solange die EU keine Anstren-
gung unternimmt, Kriege und ökonomische Not als
Fluchtursachen anzuerkennen und diese auch endlich zu
bekämpfen, und solange sie keine Hilfe leistet, ist diese
Abschottungspolitik einfach nur skrupellos, menschen-
verachtend und beschämend.
Es gibt noch mehr Beispiele. Derzeit wird in der EU
über eine neue Frontex-Verordnung diskutiert. Im Rah-
men von Frontex-Operationen auf hoher See sollen auf-
gebrachte Schiffe in den Staat zurückgebracht werden,
von dem sie gestartet sind. Flüchtlingsschutz auf hoher
See gibt es in dieser Realität schlicht nicht; das Beispiel
Griechenland zeigt es. Pro Asyl spricht hier beispiels-
weise von systematischen völkerrechtswidrigen Men-
schenrechtsverstößen und einer erschreckenden Brutali-
tät der griechischen Küstenwache gegenüber den
Flüchtlingen.