Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Kollege Brinkhaus hat gerade der Bundeskanzlerin und
dem Bundesfinanzminister gratuliert und ihnen alles
Gute gewünscht. Ich möchte von meiner Seite die guten
Wünsche und Gratulationen an den neuen alten Bundes-
außenminister, Herrn Steinmeier, nachholen. Wir freuen
uns, wenn ich das so für die Europapolitiker sagen darf,
auf eine gute und fruchtbare weitere Zusammenarbeit
und wünschen alles Gute.
Viele Themen, die jetzt beim Europäischen Rat eine
Rolle spielen werden, wurden schon angeschnitten, na-
mentlich auch die Situation in Irland.
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 18. Dezember 2013 267
Gunther Krichbaum
(B)
In der Tat – ich glaube, wir sagen das nicht zu häufig,
sondern noch zu selten –: Die Rettungspolitik, die die
Europäische Union und die Euro-Zone an den Tag gelegt
haben, ist überaus erfolgreich. Das gilt insbesondere für
die Arbeit, die Klaus Regling als Chef des ESM geleistet
hat, indem er kompetent und im Stillen sehr vieles beein-
flusst hat.
Die Bürger haben in den letzten Jahren zunehmend
den Eindruck gewonnen, als müsse jedes Land noch ir-
gendwie unter einen Rettungsschirm passen, bis man
sich am Ende gemeinsam in einer Höhle befindet. Nein,
es ist Licht am Ende dieses Tunnels. Dass Irland den
Rettungsschirm als erstes Land verlassen kann, ist ein
ermutigendes Signal für alle weiteren Länder; Portugal
wurde schon erwähnt. Hier sind wir auf einem guten
Weg.
Auf dem Europäischen Rat werden natürlich nicht nur
Albanien und Serbien eine große Rolle spielen; hierzu
hat Kollege Kiesewetter das Erforderliche gesagt. Nur
ganz kurz: Ja, wir können es begrüßen, dass Albanien
zum 1. Juli 2014 den Kandidatenstatus bekommen wird.
Es werden damit aber noch keine Entscheidungen da-
rüber getroffen – das muss man in der Öffentlichkeit im-
mer wieder sagen –, wann Beitrittsverhandlungen aufge-
nommen werden. Aber es gilt, auch dieses Land an die
Standards der Europäischen Union heranzuführen.
Auch die Entscheidung, am 1. Januar 2014 mit Bei-
trittsverhandlungen mit Serbien zu beginnen, ist vertret-
bar. Wenn ich „vertretbar“ sage, dann deswegen, weil die
dicken Brocken am Anfang der Verhandlungen wegge-
räumt werden müssen. Das betrifft die Kapitel 23 und 24,
in denen es um die Bereiche „Justiz und Grundrechte“
sowie „Sicherheit, Freiheit und Recht“ geht, aber auch
das Kapitel 35, das unter anderem die gutnachbarschaft-
lichen Beziehungen beinhaltet. Was die gutnachbar-
schaftlichen Beziehungen betrifft, müssen wir darauf
achten, dass sich aus dem Abkommen, das jüngst zwi-
schen Serbien und dem Kosovo unterzeichnet wurde,
auch gute nachbarschaftliche Beziehungen entwickeln.
Es reicht nicht aus, dieses Thema in ein einziges Kapitel
zu packen und zu denken, damit sei alles erledigt. Nein,
der Gedanke der gutnachbarschaftlichen Beziehungen
muss sich vielmehr wie ein roter Faden durch die Bei-
trittsverhandlungen ziehen. Denn wenn ein Land Mit-
glied der Europäischen Union werden will, dann muss es
grenzüberschreitend denken und auch grenzüberschrei-
tend handeln. Auch hierzu eine persönliche Bemerkung
meinerseits: Mir fehlt in der serbischen Politik bisweilen
eine kritische Selbstreflexion im Hinblick auf die eigene
Geschichte.
Erst wenn diese erfolgt, ist eine Gesellschaft für weitere
Entwicklungen offen.
Die Östliche Partnerschaft, namentlich die Partner-
schaft mit den sechs Ländern Aserbaidschan, Armenien,
Weißrussland, Georgien, Moldau und Ukraine, wurde
2008 in dem Bewusstsein, aber auch mit dem Ziel ini-
tiiert, dass wir diese Länder gezielt an die Standards der
Europäischen Union heranführen wollen, ohne aller-
dings eine Aussage darüber zu treffen, ob es ihnen eines
Tages möglich sein wird, Mitglied der Europäischen
Union zu werden.
Die Europäische Union hat ein großes Interesse da-
ran, zu verhindern, dass es an ihren Außengrenzen ein
großes Gefälle gibt, sei es ein Gefälle wirtschaftlicher
Art, sei es eines im Bereich von Demokratie und Rechts-
staatswesen. Ein solches Gefälle würde automatisch zu
Spannungen führen, und solche Spannungen sind nie zu
unserem Vorteil. Das sehen wir gerade auch bei den Um-
brüchen in den nordafrikanischen Ländern.
Wenn wir die Östliche Partnerschaft weiterhin ernst
nehmen, dann müssen wir in diesem Bereich mehr tun.
Die Östliche Partnerschaft ist, obwohl es ernsthafte
Rückschläge gibt, nicht tot, wie manche vielleicht be-
fürchten. Die Eurasische Zollunion wurde angesprochen,
und auch die Situation in Russland wurde schon er-
wähnt; das muss ich an dieser Stelle nicht weiter vertie-
fen. Die betreffenden Länder haben allerdings unsere
Rückendeckung verdient. Ich meine damit zum einen die
Ukraine, zum anderen Moldau. Georgien ist auf einem
durchaus respektablen Weg. Aber die Entwicklungen in
anderen Ländern sind wohl eher ernüchternder Natur, als
dass sie ermutigend wären.
Gleichwohl: Für Moldau wünsche ich mir persönlich
mehr Aufmerksamkeit hier im Deutschen Bundestag.
Dieses Land ist oft eher im toten Winkel der Europapoli-
tik, als dass es im Zentrum stünde. Mit dem Transnis-
trien-Konflikt haben wir einen sogenannten Frozen Con-
flict mitten in Europa. Die russische Regierung hat
abermals verkündet, dass moldauischer Wein – eines der
Hauptexportgüter der Republik Moldau – den techni-
schen Standards, die für den Export nach Russland gel-
ten, nicht entspreche. Europa hat reagiert: Die Europäi-
sche Union hat die Bedingungen für den Import
moldauischen Weins gelockert. Das ist wichtig; aber die
moldauische Regierung braucht unsere Unterstützung.
Iurie Leanca hat nach schwierigen Monaten in der Ver-
gangenheit jetzt als Premierminister das Zepter in der
Hand. Er geht entschlossen den Weg nach Europa und ist
sich der Risiken – gerade des Risikos russischer Repres-
sionen – voll bewusst.
Ein Wort auch noch zur Ukraine. Ich glaube, wir soll-
ten die Ukraine, vor allem die Regierung der Ukraine,
nicht nur in einer Opferrolle sehen; das würde der Regie-
rung Janukowitsch, mit Verlaub, nicht gerecht. Ich habe
in diesen Tagen öfters gelesen, die Ukraine-Politik der
Europäischen Union sei gescheitert. Umgekehrt wird ein
Schuh daraus: Die Europapolitik der Regierung
Janukowitsch ist gescheitert. Ein Beispiel aus jüngster
Vergangenheit: Janukowitsch hat die Ausreise Julija
Timoschenkos zunächst bejaht; anschließend hat er sie
in der Rada, dem ukrainischen Parlament, jedoch wieder
hintertrieben, sodass das Parlament sie eben nicht mehr
gutgeheißen hat. Ich könnte viele andere Beispiele nen-
nen. Die Ukraine muss sich entscheiden, welchen Weg
sie gehen möchte. – Die Ukraine ist ein Land, das inner-
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lich fast zerrissen ist zwischen dem östlichen Teil – der
Region Donezk, dem ganzen Donbass-Becken –, in dem
ausschließlich Russisch gesprochen wird, und dem west-
lichen Teil – um Lemberg und andere Städte herum –,
wo Ukrainisch gesprochen wird und man sich schon seit
vielen Jahren der Europäischen Union annähern möchte.
Deswegen werden wir das beherzte weitere Vorgehen
der Ukraine auf diesem Weg unterstützen. Aber es ist
wichtig, darauf hinzuweisen: Ein Land, das sich der Eu-
ropäischen Union annähern möchte, muss auch dazu be-
reit sein, die Standards der Europäischen Union und die
Werte der Europäischen Union zu teilen – wie Frieden,
wie Freiheit, wie Rechtsstaatlichkeit und Demokratie.
Lassen Sie mich zum Schluss noch einen Punkt an-
sprechen: Ich denke, es ist wichtig, dass wir – wir alle in
unseren Fraktionen und Parteien – die Arbeit unserer ei-
genen Stiftungen, die mit ihren Rechtsstaatsprogrammen
vor Ort eine hervorragende Arbeit machen, stärken.
Ich habe in diesen Tagen einer sozusagen Brandmail
der Bundestagsverwaltung entnommen, dass sich noch
zu wenige Kolleginnen und Kollegen bereit erklärt ha-
ben, IPSler – die Kollegen wissen, wovon ich rede – auf-
zunehmen. Ich glaube, es wäre an der Zeit, noch einmal
zu überlegen, ob die Büros in dieser Zeit nicht noch den
einen oder anderen Praktikanten, besonders aus diesen
Ländern, aufnehmen können. Jeder von uns kann hier
seinen persönlichen Beitrag leisten.
Herzlichen Dank.