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    Plenarprotokoll 17/238 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 238. Sitzung Berlin, Freitag, den 26. April 2013 I n h a l t : Ausschussüberweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 39: Unterrichtung durch die Bundesregierung: Vierzehnter Bericht zur Entwicklungspoli- tik der Bundesregierung – Weißbuch –  (Drucksache 17/13100) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dirk Niebel, Bundesminister  BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Sascha Raabe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Sibylle Pfeiffer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Heike Hänsel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Ute Koczy (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Christiane Ratjen-Damerau (FDP) . . . . . . Dr. Bärbel Kofler (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Christian Ruck (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Heike Hänsel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Sibylle Pfeiffer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Niema Movassat (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Thilo Hoppe (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jürgen Klimke (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Karin Roth (Esslingen) (SPD). . . . . . . . . . . . . Helmut Heiderich (CDU/CSU) . . . . . . . . . Dagmar G. Wöhrl (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Hartwig Fischer (Göttingen) (CDU/CSU) . . . Tagesordnungspunkt 40: Antrag der Abgeordneten Dr. Barbara Höll, Harald Koch, Richard Pitterle, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion DIE LINKE: Steueroasen trockenlegen – offshore und hierzulande (Drucksache 17/13129) . . . . . . . . . . . . . . . . . in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 9: Antrag der Abgeordneten Dr. Barbara Höll, Harald Koch, Dr. Axel Troost, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion DIE LINKE: Straf- freiheit bei Steuerhinterziehung durch Selbstanzeige abschaffen (Drucksache 17/13241) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Klaus-Peter Flosbach (CDU/CSU) . . . . . . . . Joachim Poß (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Volker Wissing (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Thomas Gambke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. h. c. Hans Michelbach (CDU/CSU) . . . . . Dr. Axel Troost (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Dr. h. c. Hans Michelbach (CDU/CSU) . . . . . Martin Gerster (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Holger Krestel (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Dr. Mathias Middelberg (CDU/CSU) . . . . . . Manfred Zöllmer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 29969 A 29969 B 29969 B 29971 B 29973 A 29974 B 29975 C 29976 D 29978 A 29979 C 29981 A 29981 C 29983 A 29985 A 29985 B 29986 C 29987 A 29988 D 29990 C 29992 A 29992 A 29992 B 29995 C 29997 C 29999 B 30001 B 30003 D 30005 C 30005 D 30006 C 30008 A 30009 A 30009 C 30011 B Inhaltsverzeichnis II Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 238. Sitzung. Berlin, Freitag, den 26. April 2013 Manfred Kolbe (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Antje Tillmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 41: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Bildung, Forschung und Tech- nikfolgenabschätzung – zu dem Antrag der Abgeordneten Marcus Weinberg (Hamburg), Michael Kretschmer, Peter Altmaier, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion der CDU/ CSU sowie der Abgeordneten Sylvia Canel, Dr. Martin Neumann (Lausitz), Patrick Meinhardt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Initiative zur Stärkung der Exzellenz in der Lehrer- ausbildung – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Ernst Dieter Rossmann, Swen Schulz (Spandau), Willi Brase, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion der SPD: Für ei- nen breiten Qualitätspakt in der Re- form der Lehrerbildung – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Rosemarie Hein, Jan Korte, Agnes Alpers, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Exzellente Lehrerbildung überall sichern – Pädagogische Berufe aufwerten (Drucksachen 17/9937, 17/11322, 17/10100, 17/13077) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär  BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Oliver Kaczmarek (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Sylvia Canel (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Rosemarie Hein (DIE LINKE) . . . . . . . . . Kai Gehring (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Marcus Weinberg (Hamburg) (CDU/CSU) . . Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) . . . . . . . . . Dr. Rosemarie Hein (DIE LINKE) . . . . . . Michael Kretschmer (CDU/CSU) . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 42: Bericht des Rechtsausschusses gemäß § 62 Abs. 2 der Geschäftsordnung zu dem von den Abgeordneten Christine Lambrecht, Burkhard Lischka, Dr. Eva Högl, weiteren Abgeordne- ten und der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurf eines Strafrechtsänderungsgesetzes – Bekämpfung der Abgeordnetenbestechung (Drucksachen 17/8613, 17/13271) . . . . . . . . . Jörg van Essen (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Christine Lambrecht (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Ansgar Heveling (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Raju Sharma (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen)  (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Burkhard Lischka (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Wolfgang Götzer (CDU/CSU) . . . . . . . . . Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Wolfgang Götzer (CDU/CSU) . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 43: a) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Lebenslagen in Deutschland – Vierter Armuts- und Reichtumsbericht (Drucksache 17/12650) . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Hilde Mattheis, Gabriele Lösekrug-Möller, Anette Kramme, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Die notwendigen poli- tischen Konsequenzen aus der Armuts- und Reichtumsberichterstattung ziehen (Drucksache 17/13102) . . . . . . . . . . . . . . c) Beratung der Antwort der Bundesregie- rung auf die Große Anfrage der Abgeord- neten Markus Kurth, Katrin Göring- Eckardt, Volker Beck (Köln), weiterer Ab- geordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Der 4. Armuts- und Reichtumsbericht (Drucksachen 17/11900, 17/12837) . . . . . Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin  BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hilde Mattheis (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pascal Kober (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Matthias W. Birkwald (DIE LINKE) . . . . . . . Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Frank Heinrich (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Johannes Vogel (Lüdenscheid) (FDP) . . . . . . Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU) . . . Tagesordnungspunkt 44: a) Beratung der Antwort der Bundesregie- rung auf die Große Anfrage der Abgeord- neten Josef Philip Winkler, Memet Kilic, Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordne- 30012 C 30014 D 30016 D 30017 A 30018 A 30019 B 30020 B 30021 B 30022 D 30024 A 30024 D 30025 C 30027 B 30027 B 30029 A 30030 B 30031 D 30033 A 30034 A 30035 A 30036 A 30037 D 30038 A 30038 B 30038 C 30038 C 30038 D 30040 A 30041 C 30043 A 30044 A 30045 B 30046 C 30047 C Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 238. Sitzung. Berlin, Freitag, den 26. April 2013 III ter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Situation in deutschen Ab- schiebungshaftanstalten (Drucksachen 17/7442, 17/10596) . . . . . . b) Beratung der Antwort der Bundesregie- rung auf die Große Anfrage der Abgeord- neten Ulla Jelpke, Jan Korte, Agnes Alpers, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Umsetzung der Abschiebungsrichtlinie der Europäi- schen Union und die Praxis der Ab- schiebungshaft (Drucksachen 17/7446, 17/10597) . . . . . . c) Beschlussempfehlung und Bericht des In- nenausschusses zu dem Antrag der Abge- ordneten Josef Philip Winkler, Volker Beck (Köln), Memet Kilic, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Die Menschenwürde von Flüchtlingen ist migrationspolitisch nicht relativierbar – Konsequenzen aus dem Urteil des Bundesverfassungsge- richts zum Asylbewerberleistungsgesetz ziehen (Drucksachen 17/11663, 17/12674) . . . . . Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Frieser (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Daniela Kolbe (Leipzig) (SPD) . . . . . . . . . . . Hartfrid Wolff (Rems-Murr) (FDP) . . . . . . . . Ulla Jelpke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . Anlage 2 Neuabdruck einer Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Martina Bunge (DIE LINKE) zur Abstimmung über die Beschluss- empfehlung: Sammelübersicht 581 zu Petitio- nen (237. Sitzung, Tagesordnungspunkt 46 k) Anlage 3 Amtliche Mitteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30048 D 30049 A 30049 A 30049 B 30050 B 30052 A 30054 A 30055 B 30056 C 30057 A 30058 A 30058 D Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 238. Sitzung. Berlin, Freitag, den 26. April 2013 29969 (A) (C) (D)(B) 238. Sitzung Berlin, Freitag, den 26. April 2013 Beginn: 9.00 Uhr
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    Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 238. Sitzung. Berlin, Freitag, den 26. April 2013 30057 (A) (C) (D)(B) Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten  Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Alpers, Agnes DIE LINKE 26.04.2013 Andreae, Kerstin BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 26.04.2013 Bätzing-Lichtenthäler, Sabine SPD 26.04.2013 Beck (Reutlingen), Ernst-Reinhard CDU/CSU 26.04.2013 Bilger, Steffen CDU/CSU 26.04.2013 Binding (Heidelberg), Lothar SPD 26.04.2013 Bleser, Peter CDU/CSU 26.04.2013 Bockhahn, Steffen DIE LINKE 26.04.2013 Dr. Böhmer, Maria CDU/CSU 26.04.2013 Bollmann, Gerd SPD 26.04.2013 Connemann, Gitta CDU/CSU 26.04.2013 Dobrindt, Alexander CDU/CSU 26.04.2013 Dreibus, Werner DIE LINKE 26.04.2013 Freitag, Dagmar SPD 26.04.2013 Fritz, Erich G. CDU/CSU 26.04.2013* Gabriel, Sigmar SPD 26.04.2013 Gerdes, Michael SPD 26.04.2013 Glos, Michael CDU/CSU 26.04.2013 Göppel, Josef CDU/CSU 26.04.2013 Günther (Plauen), Joachim FDP 26.04.2013 Hagedorn, Bettina SPD 26.04.2013 Heinen-Esser, Ursula CDU/CSU 26.04.2013 Hempelmann, Rolf SPD 26.04.2013 Dr. Hendricks, Barbara SPD 26.04.2013 Hiller-Ohm, Gabriele SPD 26.04.2013 Humme, Christel SPD 26.04.2013 Leibrecht, Harald FDP 26.04.2013 Leutert, Michael DIE LINKE 26.04.2013 Ludwig, Daniela CDU/CSU 26.04.2013 Mast, Katja SPD 26.04.2013 Menzner, Dorothée DIE LINKE 26.04.2013 Möller, Kornelia DIE LINKE 26.04.2013 Mortler, Marlene CDU/CSU 26.04.2013 Nahles, Andrea SPD 26.04.2013 Nink, Manfred SPD 26.04.2013 Pflug, Johannes SPD 26.04.2013 Ploetz, Yvonne DIE LINKE 26.04.2013 Roth (Heringen), Michael SPD 26.04.2013 Dr. Schick, Gerhard BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 26.04.2013 Schieder (Weiden), Werner SPD 26.04.2013 Schlecht, Michael DIE LINKE 26.04.2013 Schmidt (Eisleben), Silvia SPD 26.04.2013 Dr. Schockenhoff, Andreas CDU/CSU 26.04.2013 Schuster, Marina FDP 26.04.2013 Simmling, Werner FDP 26.04.2013 Steinbrück, Peer SPD 26.04.2013 Dr. h. c. Thierse, Wolfgang SPD 26.04.2013 Thönnes, Franz SPD 26.04.2013 Trittin, Jürgen BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 26.04.2013  Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Anlagen 30058 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 238. Sitzung. Berlin, Freitag, den 26. April 2013 (A) (C) (D)(B) * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versamm- lung des Europarates Anlage 2 Neuabdruck einer Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Martina Bunge (DIE LINKE) zur Abstimmung über die Beschluss- empfehlung: Sammelübersicht 581 zu Petitio- nen (237. Sitzung, Tagesordnungspunkt 46 k) Die Mehrheit des Petitionsausschusses empfiehlt, das Petitionsverfahren 3-16-11-822-001555 abzuschließen. Dieser Empfehlung werde ich nicht folgen. Ich stimme gegen den Abschluss der Petition zur Al- tersversorgung der Bergleute der Braunkohleveredlung Borna-Espenhain und fordere, die Petition zur Erwägung an die Bundesregierung zu überweisen. Es geht hier um Männer und auch Frauen, die bei ih- rer Arbeit großen gesundheitlichen Gefährdungen ausge- setzt waren. Viele erkrankten durch den Umgang mit to- xischen Gasen, Stäuben und weiteren giftigen Stoffen unter anderem an Krebs. Wegen dieser extremen Bedin- gungen hatte der DDR-Gesetzgeber die Arbeit in der Braunkohleveredlung einer bergmännischen Tätigkeit unter Tage gleichgestellt. Diese Gleichstellung sicherte die Anwendung eines Steigerungsfaktors von 2,0 bei der Berechnung der Altersversorgung und einen vorgezoge- nen Renteneintritt, bei Männern mit 60 Jahren, bei Frauen mit 55 Jahren. Durch das Rentenüberleitungsgesetz wurde diese Gleichstellung mit einer bergmännischen Tätigkeit für alle Betroffenen, die bis zum 31. Dezember 1996 in Rente gegangen sind, anerkannt. Allen anderen mit ei- nem späteren Renteneintritt werden diese Ansprüche auf eine Rente für „bergmännische Tätigkeit unter Tage, gleichgestellt“ vorenthalten. Das geschieht, obwohl die Ansprüche in den Sozial- versicherungsausweisen und in schriftlichen Bescheini- gungen des Bundesbergbauunternehmens dokumentiert sind und obwohl die Unternehmen dafür die gesetzlich vorgeschriebenen höheren Anteile an die für die Renten- versorgung zuständige Knappschaft geleistet haben. Im Rentenbescheid, Anlage 12, werden die vom Ar- beitgeber gemeldeten Leistungszeiten exakt ausgewie- sen, aber mit „0“ bewertet. Die Knappschaft ignoriert damit völlig die Gleichstellung der Tätigkeit mit einer Arbeit unter Tage. Zum vorgezogenen Renteneintritt: Da er nicht ge- währt wird, mussten und müssen viele Betroffene Ren- tenabschläge in Kauf nehmen. Und dies, obwohl im Rentenreformgesetz von 1999 ein Vertrauensschutz nach Montanuniongesetz zumindest für bestimmte Geburts- jahrgänge festgeschrieben ist, und zwar für diejenigen, die vor dem 7. Mai 1944 (Frauen) bzw. vor dem 14. Fe- bruar 1944 (Männer) geboren sind. Diese Gesetzeslage hat das Bundessozialgericht mit drei Urteilen vom 27. August 2009 (Aktenzeichen: B 13 R 107/08 R, B 13 R 111/08 R und B 13 R 121/08 R) auf- gegriffen und Rentenabschläge bei einem vorgezogenen Renteneintritt gemäß Montanuniongesetz nach Arbeits- losigkeit bzw. Altersteilzeit als ungerechtfertigt bean- standet. Selbst für diese im Gesetz und in den Urteilen ge- nannte Personengruppe erfolgt die Umsetzung vor allem durch den Druck, den die Interessengemeinschaft der Bergleute ausübt. Die Knappschaft ist nach wie vor nicht bereit, alle Personen einzubeziehen, die eine Zusage für eine Rente für „bergmännische Tätigkeit unter Tage, gleichgestellt“ haben. Zum Steigerungsfaktor 2,0 bei der Berechnung der Altersversorgung: Die Anwendung des Steigerungsfak- tors von 2,0 ist für alle noch betroffenen Bergleute gänz- lich offen, obwohl dieser ebenfalls Bestandteil der Rente „für bergmännische Tätigkeit unter Tage, gleichgestellt“ ist. Auch hier besteht dringender Handlungsbedarf. Die Gleichstellung mit einer bergmännischen Tätig- keit unter Tage muss endlich erfolgen. Dann kann über die Anwendung des § 254 a des SGB VI („Ständige Ar- beiten unter Tage im Beitrittsgebiet“) für die betroffenen Bergleute deren bestätigte Leistungszeit im Rentenbe- scheid Anlage 12 neu bewertet werden. Von den einst rund 1 000 betroffenen Bergleuten kämpfen aktuell noch 406 Bergleute um ihren erarbeite- ten Rechtsanspruch. Der Rückgang, so die Information der Interessengemeinschaft der Bergleute, sei „auf To- desfälle und Aufgabe des Rechtskampfes aus Alters- gründen zurückzuführen“. Wir als Gesetzgeber sollten dafür sorgen, dass alle diese älteren und häufig durch die Arbeit erkrankten Menschen endlich ihre erworbenen Ansprüche erhalten. Anlage 3 Amtliche Mitteilungen Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat mitgeteilt, dass sie den Antrag Überprüfung und Neuordnung Ulrich, Alexander DIE LINKE 26.04.2013 Voß, Johanna DIE LINKE 26.04.2013 Walter-Rosenheimer, Beate BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 26.04.2013 Werner, Katrin DIE LINKE 26.04.2013* Winkler, Josef Philip BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 26.04.2013 Wunderlich, Jörn DIE LINKE 26.04.2013 Zimmermann, Sabine DIE LINKE 26.04.2013  Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 238. Sitzung. Berlin, Freitag, den 26. April 2013 30059 (A) (C) (D)(B) der Forschungsfinanzierung – Transparente und ver- bindliche Verfahren sicherstellen – Wissenschaftsge- rechte Strukturen weiterentwickeln auf Drucksache 17/3864 zurückzieht. Der Vorsitzende des Ausschuss für Wirtschaft und Technologie hat mitgeteilt, dass der Ausschuss gemäß § 80 Absatz 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu der nachstehenden Vorlage absieht: – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht nach § 3 des Energieleitungsausbaugesetzes – Drucksachen 17/11871, 17/12114 Nr. 1.2 – Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden Unionsdokumente zur Kenntnis genommen oder von ei- ner Beratung abgesehen hat. Auswärtiger Ausschuss Drucksache 17/12587 Nr. A.1 EuB-BReg 16/2013 Innenausschuss Drucksache 17/11108 Nr. A.5 Ratsdokument 13245/12 Drucksache 17/11108 Nr. A.6 Ratsdokument 13273/12 Drucksache 17/11108 Nr. A.10 Ratsdokument 14235/12 Drucksache 17/11108 Nr. A.11 Ratsdokument 14237/12 Drucksache 17/11242 Nr. A.1 Ratsdokument 14179/12 Drucksache 17/11242 Nr. A.2 Ratsdokument 14199/12 Drucksache 17/12126 Nr. A.7 Ratsdokument 16466/12 Drucksache 17/12126 Nr. A.8 Ratsdokument 16881/12 Drucksache 17/12126 Nr. A.9 Ratsdokument 16883/12 Drucksache 17/12244 Nr. A.11 Ratsdokument 16909/12 Drucksache 17/12244 Nr. A.12 Ratsdokument 16910/12 Finanzausschuss Drucksache 17/12783 Nr. A.3 EP P7_TA-PROV(2013)0057 Haushaltsausschuss Drucksache 17/10086 Nr. A.2 EuB-BReg 42/2012 Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Drucksache 17/12783 Nr. A.7 Ratsdokument 5890/13 Drucksache 17/12783 Nr. A.8 Ratsdokument 6521/13 Drucksache 17/12911 Nr. A.2 Ratsdokument 6952/13 Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft  und Verbraucherschutz Drucksache 17/12783 Nr. A.9 Ratsdokument 5892/13 Drucksache 17/12911 Nr. A.3 Ratsdokument 6996/13 Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Drucksache 17/136 Nr. A.80 Ratsdokument 12761/09 Drucksache 17/790 Nr. 1.26 Ratsdokument 13981/08 Drucksache 17/5434 Nr. A.10 EP P7_TA-PROV(2011)0086 Drucksache 17/10028 Nr. A.6 Ratsdokument 9486/12 Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit  und Entwicklung Drucksache 17/12449 Nr. A.14 EP P7_TA-PROV(2013)0024 Ausschuss für Kultur und Medien Drucksache 17/11242 Nr. A.14 Ratsdokument 14256/12 238. Sitzung Inhaltsverzeichnis TOP 39 Bericht zur Entwicklungspolitik TOP 40, ZP 9 Steuerhinterziehung und Steuervermeidung TOP 41 Reform der Lehrerausbildung TOP 42 Bekämpfung der Abgeordnetenbestechung TOP 43 Armuts- und Reichtumsbericht Tagesordnungspunkte Anlagen
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Gregor Gysi


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DIE LINKE.)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE LINKE.)


    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Fall

    Hoeneß hat viele schockiert und enttäuscht, selbst die
    Bundeskanzlerin. Aber man muss auch feststellen: Die
    Regierungen haben das selbst politisch verschuldet;
    denn fast alle – gleich ob Union, SPD, FDP oder Grüne
    – haben mit ihrer Politik bei Reichen und Vermögenden
    ein Gesellschafts- und Staatsverständnis herbeigeführt,
    in dem der Staat als lästiges Übel erscheint und die so-
    zial Benachteiligten als Sozialschmarotzer verunglimpft
    wurden und werden.


    (Widerspruch bei der CDU/CSU und der FDP – Klaus-Peter Flosbach [CDU/CSU]: Unglaublich!)


    Keine der Bundesregierungen seit 2002, weder Rot-
    Grün noch Schwarz-Rot oder Schwarz-Gelb, hat irgend-
    etwas Wirksames gegen diese und andere Formen der
    Steuerflucht und der Steuerhinterziehung getan.


    (Beifall bei der LINKEN – Holger Krestel [FDP]: So ein Blödsinn!)


    Es ist interessant, eine Logik zu durchforsten. Bun-
    desminister Friedrich hat mit Blick auf die Armen aus
    Bulgarien und Rumänien gesagt: Wir müssen denen die
    Einreise verweigern. – Begründet hat er das damit, dass
    die Armen nicht das Land wechseln dürften, um ihre Ar-
    mut etwas erträglicher zu gestalten. Ich teile seine Logik
    überhaupt nicht, aber ich frage Sie: Wenn man schon
    eine solche Logik hat, warum ist dann noch niemand auf
    die Idee gekommen, den Reichen zu sagen: „Ihr könnt
    euch nicht das Land aussuchen, in dem ihr am wenigsten
    Steuern bezahlt“, und auch den Unternehmen zu sagen:
    „Ihr könnt euch das nicht aussuchen“? Wieso gilt diese
    Logik nur für die Armen?


    (Beifall bei der LINKEN)


    SPD und Grüne haben das Kasino für Spekulationen
    geöffnet. Dadurch kamen so dicke Gewinne zustande,
    dass der Anreiz zur Steuerhinterziehung gewachsen ist.


    (Holger Krestel [FDP]: Sie brauchen neue Texte!)


    Die Steuersenkungsgesetze wurden von Ihnen verab-
    schiedet – Sie wissen das –: Spitzensteuersatz gesenkt,
    Körperschaftsteuersatz gesenkt und vieles andere mehr.
    Das hat natürlich den Reichtum befördert. Andererseits
    haben Sie Armut verfestigt und sogar gesteigert, nämlich
    durch Hartz IV, durch prekäre Beschäftigungsverhält-
    nisse, durch reale Lohnsenkung, Rentensenkung und an-
    deres mehr.

    Wir haben in Deutschland jetzt ein privates Geldver-
    mögen von 10 Billionen Euro. 10 Prozent der Haushalte
    besitzen 61 Prozent davon. Das sind über 6 Billionen
    Euro. 50 Prozent der Haushalte besitzen von dem ge-
    samten Geldvermögen 1 Prozent. Vor über zehn Jahren
    besaßen diese 50 Prozent noch 4 Prozent. Auch das war
    schon wenig. Heute besitzen sie aber nur noch 1 Prozent.
    Wie wollen Sie das alles rechtfertigen?


    (Beifall bei der LINKEN)


    SPD und Grüne haben dann das Gesetz über die straf-
    befreiende Erklärung gemacht. Dahinter steckt der Ge-
    danke, den Steuerhinterzieherinnen und Steuerhinterzie-
    hern noch mehr Straffreiheit zu gewähren. Damals haben
    Sie gesagt, dass dadurch wahnsinnig viel Geld herein-
    kommt: 5 Milliarden Euro. Na gut, es wurden nur
    1,4 Milliarden Euro. Das hat sich also wesentlich weni-
    ger gelohnt.

    Das ganze Herangehen in den vergangenen Jahren hat
    die Steuerhinterziehung begünstigt. Damit muss jetzt
    Schluss sein. Der Zeitgeist beginnt sich zu ändern.


    (Beifall bei der LINKEN)


    Die Große Koalition hat zudem die Abgeltungsteuer
    eingeführt. Das muss man sich einmal überlegen: Da
    legt einer sein ganzes Geld an und bekommt hohe,
    höchste Zinsen. Außerdem beginnt die Steuerpflicht erst
    ab einem bestimmten Betrag. Und dann sagen Sie: Für
    dieses leistungslos erworbene Geld – dafür hat er nichts
    getan; er hat das einfach irgendwohin getan – muss er





    Dr. Gregor Gysi


    (A) (C)



    (D)(B)


    25 Prozent Steuern zahlen. Wenn er für dasselbe Geld
    gearbeitet hätte, müsste er dafür 42, gegebenenfalls
    45 Prozent Steuern zahlen. Wie erklären Sie den Leuten,
    dass derjenige, der arbeitet, viel zahlen muss und dass
    derjenige, der sein Geld bloß anlegt und dicke Zinsen
    macht, wenig zahlen muss?


    (Manfred Zöllmer [SPD]: Wo gibt es denn dicke Zinsen? Erzählen Sie mal!)


    Das ist durch nichts gerechtfertigt. Das ist vielleicht eine
    Logik!


    (Beifall bei der LINKEN)


    Das Steuerhinterziehungsbekämpfungsgesetz von
    Peer Steinbrück war ein zahnloser Tiger. Allerdings war
    das jetzt von der Koalition aus CDU/CSU und FDP ge-
    plante Abkommen zwischen Deutschland und der
    Schweiz ein Skandal.


    (Beifall bei der LINKEN)


    Gegen einen kleinen Obolus – Sie müssen sich das ein-
    mal vorstellen – wären die größten Steuerhinterzieher
    einschließlich Uli Hoeneß legalisiert worden.


    (Holger Krestel [FDP]: 10 Milliarden Euro sind kein kleiner Obolus!)


    Es war völlig richtig, dass SPD, Grüne und Linke das im
    Bundesrat verhindert haben.


    (Beifall bei der LINKEN – Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Das ist objektiv falsch, was Sie sagen!)


    Im Übrigen: Wenn das durchgekommen wäre, dann hät-
    ten die ehrlichen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler in
    Deutschland endgültig wie die Dummen ausgesehen.
    Auch das wäre nicht gerechtfertigt gewesen.

    Steuer-CDs. Ich bestreite doch gar nicht, dass der An-
    kauf solcher CDs problematisch ist. Man bezahlt Krimi-
    nelle; man hält Kriminelle anonym. Ich hätte zwar
    wahnsinnige Bauchschmerzen, aber – das muss ich Ih-
    nen sagen – ich wüsste als Landesfinanzminister zurzeit
    nicht, wie ich anders an die Informationen über schwere
    Straftäter und an das Geld für meine Bevölkerung heran-
    kommen soll. Wir müssen endlich eine Lösung finden,
    damit Landesfinanzminister nicht mehr gezwungen sind,
    solche Wege zu gehen. Ich kann aber verstehen, dass sie
    zurzeit diese Wege gehen.


    (Beifall bei der LINKEN)


    Offshore-Leaks. Ich will einmal darstellen, was dort
    geschehen ist. Da haben nicht etwa Politikerinnen und
    Politiker etwas ermittelt, sondern Journalistinnen und
    Journalisten und andere Personen. Sie haben Millionen
    Daten von über 130 000 Steuerhinterzieherinnen und
    Steuerhinterziehern weltweit mit einem Gesamtvermö-
    gen von 25 Billionen Euro ermittelt. Das ist das Zehnfa-
    che der Wirtschaftsleistung in Deutschland. Das ist ein
    Drittel der Weltwirtschaftsleistung. Mein Gott, lassen
    sich die Staaten betrügen! Es wird höchste Zeit, dass da-
    gegen etwas unternommen wird.


    (Beifall bei der LINKEN)


    Wir haben wiederholt Anträge zur Trockenlegung von
    Steueroasen vorgelegt. Wir hatten damit bei Ihnen im-
    mer schlechte Karten. Sie haben als Argument gegen un-
    sere Anträge zum Beispiel die Bürokratie genannt. Ich
    will gar nicht im Einzelnen darauf eingehen, weil ich
    hoffe, dass Sie sich jetzt anders verhalten. Wir müssen
    uns jetzt auch anders verhalten.

    Wir haben zwei Anträge eingebracht. Was fordern wir
    im ersten Antrag?

    Erstens. Wir fordern den Aufbau einer Bundesfinanz-
    polizei. Diese brauchen wir zur wirksamen Bekämpfung
    großer Finanzstraftaten dringend. Der Staatssekretär des
    Bundesfinanzministers hat dies inzwischen auch gefor-
    dert. Also sehe ich bei Union und FDP keinen Grund
    mehr, dagegen zu stimmen. Wollen wir einmal sehen,
    was passiert.

    Zweitens. Wir fordern mehr Fachpersonal. Dieses
    braucht man, wenn man wirksam Steuern einziehen will.
    Um die Steuerdelikte zu bekämpfen, braucht man
    Steuerfahnderinnen und Steuerfahnder. Allein in Bayern
    brauchen wir 1 500 weitere Mitarbeiterinnen und Mit-
    arbeiter. Wissen Sie, was nicht geht? Es geht nicht, dass
    sich Bayern bei den Reichen mit dem Hinweis beliebt
    macht, man mache in Bayern nur wenige Betriebsprü-
    fungen, man schaue gar nicht genau hin. Die Begünsti-
    gung von Steuerstraftaten darf nicht länger ein Lockmit-
    tel einiger Bundesländer in Deutschland sein.


    (Beifall bei der LINKEN)


    Das heißt, Bayern muss aufhören, das Eldorado der
    Steuerhinterzieherinnen und Steuerhinterzieher zu sein.
    Wir müssen auch hier andere Wege gehen.

    Drittens. Wir müssen die Steuerpflicht für Einkom-
    men und – wenn wir endlich wieder eine Vermögen-
    steuer erheben – für Vermögen an die Staatsbürgerschaft
    binden. Was schlagen wir Ihnen denn hier Schlimmes
    vor? Wir schlagen Ihnen vor, US-Recht in Deutschland
    zu übernehmen. Was sollte dagegen sprechen? Die USA
    machen das so. Ein Deutscher darf ja auf den Seychellen
    wohnen. Die Reichen können nach Lichtenstein ziehen;
    sie können ziehen, wohin sie wollen. Aber sie sind ver-
    pflichtet, bei dem in Deutschland dafür zuständigen
    Finanzamt ihr Einkommen anzugeben, ihr Vermögen an-
    zugeben und mitzuteilen, wie viele Steuern sie dafür bei-
    spielsweise auf den Seychellen zu zahlen haben.


    (Klaus-Peter Flosbach [CDU/CSU]: Sie fahren dahin und prüfen das dann? Gysi auf die Seychellen!)


    Die Differenz zu den Steuern, die in Deutschland gelten,
    müssen sie dann überweisen. Diese Pflicht ist an die
    Staatsbürgerschaft gebunden. Das machen die USA so.
    Weniger als eine Handvoll haben deshalb die US-ameri-
    kanische Staatsbürgerschaft aufgegeben. Für Deutsch-
    land gilt: Die Betreffenden haben schon ihre Gründe,
    warum sie Deutsche sein wollen. Versuchen Sie einmal,
    Monegasse zu werden. Ich kann Ihnen sagen: Das ist
    sehr schwierig.


    (Beifall bei der LINKEN – Holger Krestel [FDP]: Wieso? Haben Sie das schon versucht, Dr. Gregor Gysi oder was? – Manfred Zöllmer [SPD]: Herr Gysi hat es schon ausprobiert!)





    (A) (C)


    (D)(B)


    – Nein, aber ich habe mich erkundigt, weil ich wusste,
    dass so viele von Ihnen darauf reagieren würden. Mir
    war gleich klar, dass dieses Argument kommt; aber es
    zieht nicht.


    (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


    Ich sage Ihnen noch eines. Ich gönne Herrn Becken-
    bauer alle Bundesverdienstkreuze, die er bekommen hat.
    Aber ich finde, es ist eine Unverschämtheit, dass er
    Tricks nutzt, um in Deutschland keine Steuern zahlen zu
    müssen. Jemand wie er, der in Deutschland wirkt und
    agiert, hier aber keine Steuern zahlt, sollte wenigstens
    keine Bundesverdienstkreuze bekommen.


    (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Wir könnten das ganze Thema beenden, indem wir sa-
    gen: Du kannst in Österreich wohnen. Aber die Diffe-
    renz bei der Steuer hast du an Deutschland zu zahlen. –
    Was spricht dagegen?

    Viertens. Wir müssen, wie es ebenfalls in den USA
    der Fall ist, eine Informationspflicht der Banken im Hin-
    blick auf steuerrelevante Tatsachen einführen.


    (Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Eine Vorratsdatenspeicherung, ja?)


    Was spricht denn dagegen? Wenn eine Bank diese Infor-
    mationspflicht verletzt, dann gibt es in den USA emp-
    findliche Geldstrafen; auch diese könnten wir einführen.

    Fünftens. Wir brauchen natürlich auch einen Informa-
    tionsaustausch zwischen Staaten und Banken. Wenn sich
    eine ausländische Bank verweigert und sagt: „Von uns
    erfahrt ihr nichts“, dann entziehen wir dieser ausländi-
    schen Bank in Deutschland die Lizenz. Wenn das auch
    Frankreich und – das ist allerdings sehr unwahrschein-
    lich – Großbritannien machen würden, wenn wir also
    immer mehr Länder dafür gewinnen könnten, was glau-
    ben Sie, wie schnell die Banken diszipliniert wären?
    Man merkt es ja schon jetzt: In Luxemburg denkt man
    um, in Liechtenstein denkt man um, selbst in der
    Schweiz beginnt man vorsichtig, umzudenken.

    Nun zu unserem zweiten Antrag, in dem es um die
    Straffreiheit von Steuerhinterzieherinnen und Steuerhin-
    terziehern bei Selbstanzeige geht. Ich weiß, diese Rege-
    lung gilt seit über 100 Jahren;


    (Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Nein, noch nicht so lange!)


    deshalb hat man sich daran gewöhnt. Ich halte sie für
    grundlegend falsch.


    (Beifall bei der LINKEN)


    Ich halte sie für ungerecht, weil es eine vergleichbare
    Regelung für kleinere Delikte anderer Art nicht gibt.


    (Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Natürlich!)


    – Das ist Quatsch, was Sie sagen.


    (Dr. Mathias Middelberg [CDU/CSU]: Selbstverständlich gibt es strafbefreiende Tatbestände!)


    Es gibt kein Gesetz, das bei Selbstanzeige Straffreiheit
    garantiert.


    (Dr. Mathias Middelberg [CDU/CSU]: Sie kennen sich nicht aus im Strafgesetzbuch!)


    Das gibt es nicht für den Schwarzfahrer, nicht für den
    Verkehrssünder, nicht für den kleinen Betrüger und nicht
    für den kleinen Dieb. Nur im Hinblick auf Steuerhinter-
    ziehung in Millionenhöhe gibt es eine gesetzliche Rege-
    lung.


    (Antje Tillmann [CDU/CSU]: Ach was! Selbst der BFH-Präsident sieht das anders!)


    Schon deshalb kann diese Regelung nicht aufrechterhal-
    ten werden.


    (Beifall bei der LINKEN)


    Es gibt natürlich auch andere Möglichkeiten, ein Ver-
    fahren einzustellen.


    (Zuruf des Abg. Dr. Mathias Middelberg [CDU/CSU])


    – Hören Sie zu! – Ich habe gerade die Anklage gegen ei-
    nen Mann gelesen, der auf der Autobahn rechts überholt
    hat. Das ist nicht in Ordnung; aber mehr ist nicht pas-
    siert. Es beschäftigen sich zwei Polizisten, ein gut ausge-
    bildeter und teurer Staatsanwalt sowie ein gut ausgebil-
    deter und teurer Richter mit so einem Pipifax! Das muss
    aufhören.


    (Antje Tillmann [CDU/CSU]: Das ist für Sie Pipifax? Na, dann kann ich mir ja vorstellen, wie Sie sich im Straßenverkehr verhalten!)


    Wir brauchen endlich eine vernünftige Regelung, die be-
    sagt, dass Bagatelldelikte anders behandelt werden.


    (Beifall bei der LINKEN)


    Wir könnten zum Beispiel sagen – das Stichwort „Ba-
    gatelldelikte“ spielt nämlich auch beim Thema Steuern
    eine Rolle –: Bei Bagatelldelikten gibt es eine polizeili-
    che Strafverfügung. Wer sie anerkennt, für den ist die
    Angelegenheit erledigt. Wer sie nicht anerkennt, der
    kann Einspruch einlegen; erst dann beschäftigt sich ein
    Gericht damit. Was spricht denn dagegen? In anderen
    Ländern gibt es solche Regelungen. Bei uns müssen sich
    Staatsanwälte und Richter mit Kikikram befassen, und
    für die großen Fälle haben sie dann keine Zeit mehr. Das
    geht gar nicht.


    (Beifall bei der LINKEN)


    Deshalb sage ich: Dieses Privileg muss weg.

    Das Argument – es ist auch von Herrn Steinbrück an-
    geführt worden, wegen dieses Privilegs habe man so viel
    Geld eingenommen – hat sich doch überhaupt nicht be-
    stätigt. Auch Uli Hoeneß hat seine Entscheidung nicht
    ganz so freiwillig getroffen, wie er sagt. Vielmehr war es
    doch so: Erst wurde das Steuerabkommen mit der
    Schweiz abgelehnt, dann wurden die Steuer-CDs ge-





    Dr. Gregor Gysi


    (A) (C)



    (D)(B)


    kauft, und dann folgte sein Geständnis. Ich sage Ihnen:
    Das hilft uns nicht wirklich weiter, und das ist auch kein
    Argument gegen Strafgerechtigkeit.

    Ich sage Ihnen noch etwas: Hugo Müller-Vogg hat
    gestern in der Bild-Zeitung Folgendes geschrieben


    (Johannes Selle [CDU/CSU]: Oh, Sie lesen die Bild-Zeitung?)


    – hören Sie zu, liebe Kolleginnen und Kollegen von der
    Union; in Ihrer Bild-Zeitung –:

    Deshalb gehört die Strafbefreiungs-Möglichkeit für
    asoziale Reiche endlich abgeschafft.

    Recht hat die Bild-Zeitung von gestern; das muss ich zu-
    geben.


    (Beifall bei der LINKEN)


    Ich weiß, dass noch viel mehr gegen Steuerhinterzie-
    hung zu tun wäre.


    (Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Er spricht jetzt schon 13 Minuten, Frau Präsidentin!)


    Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht
    kümmert sich plötzlich darum, dass deutsche Banken in
    22 Steueroasen Sitze haben.


    (Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Ihre Redezeit ist schon länger abgelaufen!)


    Da geht es um ein riesiges Vermögen von 152 Milliarden
    Euro. Die Deutsche Bank unterhält in ihrer Filiale in
    Singapur ein Netzwerk von über 300 Trusts und Firmen.



Rede von Katrin Dagmar Göring-Eckardt
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Gysi? – Ich weiß, Sie sind immer erstaunt da-

rüber, dass ausgerechnet ich Ihnen sagen muss, dass Ihre
Redezeit vorbei ist.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Gregor Gysi


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DIE LINKE.)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE LINKE.)


    Ist meine Redezeit schon vorbei? Das ist sehr bedau-

    erlich.

    Zum Schluss sage ich Ihnen nur noch eins: Wir haben
    die Chance, mit gutem Beispiel voranzugehen. Heute
    müssen Sie Farbe bekennen. Stimmen Sie beiden Anträ-
    gen zu,


    (Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Ja, ist gut jetzt! – Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Schluss! – Holger Krestel [FDP]: Auf Wiedersehen!)


    und das Werk der Steuerflucht und der Steuerhinterzie-
    hung ist arg beeinträchtigt. Glauben Sie es mir!


    (Beifall bei der LINKEN)