Plenarprotokoll 17/231
Deutscher Bundestag
Stenografischer Bericht
231. Sitzung
Berlin, Donnerstag, den 21. März 2013
I n h a l t :
Wahl der Frau Petra Morawe als Mitglied in
den Beirat beim Bundesbeauftragten für
die Unterlagen des Staatssicherheitsdiens-
tes der ehemaligen DDR . . . . . . . . . . . . . . . .
Erweiterung und Abwicklung der Tagesord-
nung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Absetzung der Tagesordnungspunkte 9, 16
und 19 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 3:
a) Unterrichtung durch die Bundesregierung:
Zukunftsprojekte der Hightech-Strate-
gie – (HTS-Aktionsplan)
(Drucksache 17/9261) . . . . . . . . . . . . . . . .
b) Beschlussempfehlung und Bericht des Fi-
nanzausschusses
– zu dem Antrag der Abgeordneten René
Röspel, Lothar Binding (Heidelberg),
Dr. Ernst Dieter Rossmann, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion der
SPD: Innovative kleine und mittlere
Unternehmen stärken – Ein nach-
haltiges steuerliches Forschungs- und
Entwicklungs-Förderkonzept (FuE-
Förderkonzept) vorlegen
– zu dem Antrag der Abgeordneten
Priska Hinz (Herborn), Kerstin Andreae,
Dr. Thomas Gambke, weiterer Abge-
ordneter und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN: Innovations-
kraft von kleinen und mittleren
Unternehmen durch Steuergutschrift
für Forschung stärken
(Drucksachen 17/247, 17/130, 17/1600) .
c) Beschlussempfehlung und Bericht des
Ausschusses für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung zu dem An-
trag der Abgeordneten Dr. Petra Sitte,
Dr. Martina Bunge, Jan Korte, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE:
Soziale Innovationen und Dienstleis-
tungsinnovationen erforschen und för-
dern
(Drucksachen 17/8952, 17/12812) . . . . . .
in Verbindung mit
Zusatztagesordnungspunkt 2:
Beschlussempfehlung und Bericht des Aus-
schusses für Bildung, Forschung und Tech-
nikfolgenabschätzung zu dem Antrag der Ab-
geordneten René Röspel, Dr. Ernst Dieter
Rossmann, Willi Brase, weiterer Abgeordne-
ter und der Fraktion der SPD: Starke Fach-
hochschulen für Innovationen in Gesell-
schaft und Wirtschaft
(Drucksachen 17/9574, 17/12813) . . . . . . . . .
Dr. Johanna Wanka, Bundesministerin
BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
René Röspel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Martin Neumann (Lausitz) (FDP) . . . . . .
Dr. Petra Sitte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . .
Krista Sager (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Albert Rupprecht (Weiden) (CDU/CSU) . . . .
René Röspel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Michael Gerdes (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
28765 B
28765 B
28767 A
28767 A
28767 B
28767 B
28767 C
28767 D
28770 B
28772 D
28774 B
28776 B
28777 D
28778 D
28779 D
Inhaltsverzeichnis
II Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 231. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 21. März 2013
Birgit Homburger (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Heinz Riesenhuber (CDU/CSU) . . . . . . .
Lothar Binding (Heidelberg) (SPD) . . . . . . . .
Axel Knoerig (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . .
Michael Kretschmer (CDU/CSU) . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 4:
a) Antrag der Abgeordneten Eva Bulling-
Schröter, Dorothée Menzner, Caren Lay,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion
DIE LINKE: Stromsteuer senken für
eine konsequent sozial-ökologische Ener-
giewende
(Drucksache 17/12840) . . . . . . . . . . . . . . .
b) Beschlussempfehlung und Bericht des
Ausschusses für Wirtschaft und Technolo-
gie zu dem Antrag der Abgeordneten
Caren Lay, Eva Bulling-Schröter, Ralph
Lenkert, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion DIE LINKE: Energiewende so-
zial gestalten – Bezahlbare Strompreise
gewährleisten
(Drucksachen 17/10800, 17/11704) . . . . .
c) Beschlussempfehlung und Bericht des
Ausschusses für Wirtschaft und Technolo-
gie zu dem Antrag der Abgeordneten
Caren Lay, Dr. Barbara Höll, Dr. Kirsten
Tackmann, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion DIE LINKE: Energiewende so-
zial gestalten – Stromsperren gesetzlich
untersagen
(Drucksachen 17/11655, 17/12767) . . . . .
in Verbindung mit
Zusatztagesordnungspunkt 3:
Beschlussempfehlung und Bericht des Aus-
schusses für Wirtschaft und Technologie zu
dem Entschließungsantrag der Abgeordneten
Rita Schwarzelühr-Sutter, Rolf Hempelmann,
Hubertus Heil (Peine), weiterer Abgeordne-
ter und der Fraktion der SPD zu der Bera-
tung der Antwort der Bundesregierung auf
die Große Anfrage der Abgeordneten Rita
Schwarzelühr-Sutter, Rolf Hempelmann, Dirk
Becker, weiterer Abgeordneter und der Frak-
tion der SPD: Die Energiewende – Kosten
für Verbraucherinnen, Verbraucher und
Unternehmen
(Drucksachen 17/10366, 17/12246, 17/12538,
17/12874) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Caren Lay (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . .
Thomas Bareiß (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . .
Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (SPD) . . . .
Hubertus Heil (Peine) (SPD) . . . . . . . . . . . . .
Klaus Breil (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . .
Hubertus Heil (Peine) (SPD) . . . . . . . . . . .
Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Klaus Breil (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Thomas Gambke (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU) . . . . . . . . . . .
Ulrich Kelber (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU) . . . . . . . . . . .
Rolf Hempelmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . .
Horst Meierhofer (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . .
Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . . . .
Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Norbert Schindler (CDU/CSU) . . . . . . . . . . .
Ulrich Kelber (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . .
Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Gabriele Groneberg (SPD) . . . . . . . . . . . . . . .
Franz Obermeier (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . .
Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Franz Obermeier (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 36:
a) Erste Beratung des von der Bundesregie-
rung eingebrachten Entwurfs eines Geset-
zes zur Neuregelung des gesetzlichen
Messwesens
(Drucksache 17/12727) . . . . . . . . . . . . . .
b) Erste Beratung des von der Bundesregie-
rung eingebrachten Entwurfs eines Geset-
zes zur Anpassung von Rechtsvorschrif-
ten des Bundes infolge des Beitritts der
Republik Kroatien zur Europäischen
Union
(Drucksachen 17/12769, 17/12852) . . . . .
c) Antrag der Abgeordneten Dietmar Nietan,
Axel Schäfer (Bochum), Michael Roth
(Heringen), weiterer Abgeordneter und der
Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten
Manuel Sarrazin, Volker Beck (Köln),
Marieluise Beck (Bremen), weiterer Abge-
ordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/
28781 B
28782 D
28783 D
28785 B
28786 C
28788 A
28789 C
28789 C
28789 C
28789 D
28790 A
28791 B
28792 A
28794 C
28796 B
28796 C
28797 B
28798 C
28799 A
28799 B
28800 C
28802 C
28802 D
28803 B
28805 A
28807 B
28808 B
28809 D
28811 A
28812 A
28813 C
28815 A
28816 B
28816 C
28817 B
28817 B
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 231. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 21. März 2013 III
DIE GRÜNEN: Zivilgesellschaft stärker
an EU-Beitrittsprozessen beteiligen
(Drucksache 17/12821) . . . . . . . . . . . . . . .
d) Antrag der Abgeordneten Angelika Graf
(Rosenheim), Wolfgang Gunkel, Dr. h. c.
Gernot Erler, weiterer Abgeordneter und
der Fraktion der SPD sowie der Abgeord-
neten Volker Beck (Köln), Ute Koczy, Tom
Koenigs, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:
Menschenrechtslage und humanitäre Si-
tuation in der Westsahara verbessern
und Klärung des völkerrechtlichen Sta-
tus voranbringen
(Drucksache 17/12822) . . . . . . . . . . . . . . .
e) Antrag der Abgeordneten Frank Tempel,
Dr. Martina Bunge, Agnes Alpers, weite-
rer Abgeordneter und der Fraktion DIE
LINKE: Abhängigen helfen – Substitu-
tionstherapie erleichtern
(Drucksache 17/12825) . . . . . . . . . . . . . . .
f) Antrag der Abgeordneten Frank Tempel,
Dr. Martina Bunge, Karin Binder, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE:
WHO-Tabakrahmenkonvention umset-
zen – Vollständiges Tabakwerbeverbot
einführen
(Drucksache 17/12838) . . . . . . . . . . . . . . .
g) Antrag der Abgeordneten Uwe Kekeritz,
Markus Kurth, Thilo Hoppe, weiterer Ab-
geordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN: Rechte von Menschen
mit Behinderungen in der deutschen
Entwicklungszusammenarbeit sichern
und Inklusion weltweit ermöglichen
(Drucksache 17/12844) . . . . . . . . . . . . . . .
Zusatztagesordnungspunkt 4:
a) Antrag der Abgeordneten Elvira Drobinski-
Weiß, Willi Brase, Petra Crone, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion der SPD
sowie der Abgeordneten Harald Ebner,
Cornelia Behm, Bärbel Höhn, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN: Kennzeichnung
von Honig mit Gentech-Pollen sicher-
stellen – Schutz der Imkerei vor GVO-
Verunreinigungen gewährleisten
(Drucksache 17/12839) . . . . . . . . . . . . . . .
b) Antrag der Abgeordneten Wolfgang Gehrcke,
Jan van Aken, Christine Buchholz, weite-
rer Abgeordneter und der Fraktion DIE
LINKE: Keine Waffenlieferungen an
Syrien
(Drucksache 17/12824) . . . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 37:
a) – Zweite und dritte Beratung des von der
Bundesregierung eingebrachten Ent-
wurfs eines Gesetzes zur Abschaffung
des Branntweinmonopols (Brannt-
weinmonopolabschaffungsgesetz)
(Drucksachen 17/12301, 17/12765) . .
– Bericht des Haushaltsausschusses ge-
mäß § 96 der Geschäftsordnung
(Drucksache 17/12766) . . . . . . . . . . . .
b) Beschlussempfehlung und Bericht des
Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und
Reaktorsicherheit zu der Verordnung der
Bundesregierung: Zweite Verordnung zur
Änderung der Deponieverordnung
(Drucksachen 17/12454, 17/12583,
17/12853) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
c)–k)
Beratung der Beschlussempfehlungen
des Petitionsausschusses: Sammelüber-
sichten 553, 554, 555, 556, 557, 558, 559,
560 und 561 zu Petitionen
(Drucksachen 17/12713, 17/12714, 17/12715,
17/12716, 17/12717, 17/12718, 17/12719,
17/12720, 17/12721) . . . . . . . . . . . . . . . .
Zusatztagesordnungspunkt 5:
a)–j)
Beratung der Beschlussempfehlungen
des Petitionsausschusses: Sammelüber-
sichten 562, 563, 564, 565, 566, 567, 568,
569, 570 und 571 zu Petitionen
(Drucksachen 17/12860, 17/12861, 17/12862,
17/12863, 17/12864, 17/12865, 17/12866,
17/12867, 17/12868, 17/12869) . . . . . . . .
Zusatztagesordnungspunkt 6:
Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion
DIE LINKE: Sicherheit der Sparguthaben
in Europa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE) . . . . . . . . . . .
Peter Aumer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . .
Manfred Zöllmer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Volker Wissing (FDP) . . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Norbert Barthle (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . .
Dr. Carsten Sieling (SPD) . . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Daniel Volk (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Andrej Hunko (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . .
Bettina Kudla (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . .
28817 B
28817 C
28817 D
28817 D
28817 D
28818 A
28818 A
28818 B
28818 C
28818 C
28818 D
28819 D
28820 C
28820 D
28822 B
28823 C
28824 C
28826 A
28827 A
28828 B
28829 C
28830 B
28831 B
IV Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 231. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 21. März 2013
Carsten Schneider (Erfurt) (SPD) . . . . . . . . . .
Ralph Brinkhaus (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 5:
Beschlussempfehlung und Bericht des Aus-
schusses für Wirtschaft und Technologie zu
der Verordnung des Bundesministeriums für
Wirtschaft und Technologie: Verordnung
zur Markttransparenzstelle für Kraftstoffe
(MTS-Kraftstoff-Verordnung)
(Drucksachen 17/12390, 17/12441 Nr. 2.5,
17/12746) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Erik Schweickert (FDP) . . . . . . . . . . . . . .
Ingo Egloff (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU) . . . . . . . . . . .
Johanna Voß (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . .
Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Erik Schweickert (FDP) . . . . . . . . . . . .
Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU) . . . . . . . . .
Klaus Breil (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD) . . . . . . . . . . .
Dr. Matthias Heider (CDU/CSU) . . . . . . . . . .
Mechthild Heil (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 6:
Beratung der Antwort der Bundesregierung
auf die Große Anfrage der Abgeordneten Ulla
Schmidt (Aachen), Rainer Arnold, Sabine
Bätzing-Lichtenthäler, weiterer Abgeordneter
und der Fraktion der SPD: Paradigmenwech-
sel im Konzept zur Auswärtigen Kultur-
und Bildungspolitik des Auswärtigen Am-
tes vom September 2011
(Drucksachen 17/9839, 17/11981) . . . . . . . . .
Ulla Schmidt (Aachen) (SPD) . . . . . . . . . . . .
Ruprecht Polenz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . .
Dr. h. c. Jürgen Koppelin (FDP) . . . . . . . .
Stefan Liebich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . .
Dr. h. c. Jürgen Koppelin (FDP) . . . . . . . . . . .
Cornelia Pieper, Staatsministerin
AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Claudia Roth (Augsburg) (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Peter Gauweiler (CDU/CSU) . . . . . . . . . .
Edelgard Bulmahn (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . .
Patrick Kurth (Kyffhäuser) (FDP) . . . . . . . . .
Dagmar Freitag (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Monika Grütters (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 7:
a) Erste Beratung des von den Fraktionen der
CDU/CSU und FDP eingebrachten Ent-
wurfs eines Gesetzes zum Ausbau der
Hilfen für Schwangere und zur Rege-
lung der vertraulichen Geburt
(Drucksache 17/12814) . . . . . . . . . . . . . .
b) Beratung der Unterrichtung durch den
Deutschen Ethikrat: Stellungnahme des
Deutschen Ethikrates – Das Problem
der anonymen Kindesabgabe
(Drucksache 17/190) . . . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Kristina Schröder, Bundesministerin
BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Caren Marks (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Miriam Gruß (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Diana Golze (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . .
Katja Dörner (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Norbert Geis (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 8:
a) Antrag der Abgeordneten Friedrich
Ostendorff, Cornelia Behm, Harald Ebner,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Tierge-
rechte Legehennenhaltung stärken
(Drucksache 17/12842) . . . . . . . . . . . . . .
b) Beschlussempfehlung und Bericht des
Ausschusses für Ernährung, Landwirt-
schaft und Verbraucherschutz zu dem An-
trag der Abgeordneten Friedrich Ostendorff,
Nicole Maisch, Cornelia Behm, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN: Kennzeichnungs-
pflicht auf verarbeitete Eier ausweiten
(Drucksachen 17/9170, 17/9973) . . . . . . .
Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Dieter Stier (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . .
Heinz Paula (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Rainer Erdel (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Karin Binder (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . .
Josef Rief (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . .
Elvira Drobinski-Weiß (SPD) . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 11:
Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und
FDP: Unterstützung der Initiative der G 20
28832 B
28833 C
28834 D
28835 A
28836 A
28837 C
28838 D
28840 C
28841 B
28841 C
28843 C
28844 B
28845 A
28846 B
28847 D
28848 A
28849 B
28849 C
28851 A
28852 B
28852 C
28854 A
28855 D
28857 C
28859 A
28860 A
28861 A
28862 B
28862 C
28862 D
28863 D
28865 A
28866 B
28867 A
28868 A
28869 A
28869 B
28869 C
28870 C
28872 D
28873 D
28875 A
28876 A
28877 B
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 231. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 21. März 2013 V
und der OECD zur Bekämpfung der Aus-
höhlung der Steuerbemessungsgrundlage
und der Gewinnverschiebung internationa-
ler Konzerne
(Drucksache 17/12827) . . . . . . . . . . . . . . . . .
in Verbindung mit
Zusatztagesordnungspunkt 7:
Antrag der Fraktion der SPD: Aggressive
Steuerplanung und Steuervermeidung in-
ternationaler Konzerne bekämpfen
(Drucksache 17/12819) . . . . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Mathias Middelberg (CDU/CSU) . . . . . .
Lothar Binding (Heidelberg) (SPD) . . . . . . . .
Dr. Mathias Middelberg (CDU/CSU) . . . .
Dr. Daniel Volk (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Axel Troost (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . .
Dr. Thomas Gambke (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Dr. h. c. Hans Michelbach (CDU/CSU) . . . . .
Tagesordnungspunkt 10:
Antrag der Abgeordneten Josip Juratovic,
Anette Kramme, Gabriele Hiller-Ohm, weite-
rer Abgeordneter und der Fraktion der SPD:
Arbeitsfähigkeit von Beschäftigten erhal-
ten – Psychische Belastungen in der Ar-
beitswelt reduzieren
(Drucksache 17/12818) . . . . . . . . . . . . . . . . .
Josip Juratovic (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Matthias Zimmer (CDU/CSU) . . . . . . . . .
Jutta Krellmann (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . .
Dr. Heinrich L. Kolb (FDP) . . . . . . . . . . . . . .
Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Ulrich Lange (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 13:
a) Zweite und dritte Beratung des von der
Bundesregierung eingebrachten Entwurfs
eines Gesetzes zur Schlichtung im Luft-
verkehr
(Drucksachen 17/11210, 17/12876) . . . . .
b) Beschlussempfehlung und Bericht des
Rechtsausschusses zu dem Antrag der Ab-
geordneten Ulrike Gottschalck, Heinz
Paula, Sören Bartol, weiterer Abgeordne-
ter und der Fraktion der SPD: Schlichtung
für Luftfahrtunternehmen verkehrsträ-
gerübergreifend einführen
(Drucksachen 17/7337, 17/9228) . . . . . . .
c) Beschlussempfehlung und Bericht des
Rechtsausschusses zu dem Antrag der Ab-
geordneten Caren Lay, Herbert Behrens,
Dr. Ilja Seifert, weiterer Abgeordneter und
der Fraktion DIE LINKE: Fluggastrechte
stärken
(Drucksachen 17/2021, 17/4125) . . . . . . .
Judith Skudelny (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Marianne Schieder (Schwandorf) (SPD) . . . .
Marco Wanderwitz (CDU/CSU) . . . . . . . . . .
Herbert Behrens (DIE LINKE) . . . . . . . . . . .
Markus Tressel (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Erik Schweickert (FDP) . . . . . . . . . . . . . .
Ulrike Gottschalck (SPD) . . . . . . . . . . . . . . .
Marco Wanderwitz (CDU/CSU) . . . . . . . .
Judith Skudelny (FDP) . . . . . . . . . . . . . . .
Marlene Mortler (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 12:
Beschlussempfehlung und Bericht des Aus-
schusses für Arbeit und Soziales
– zu dem Antrag der Fraktionen SPD und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Renten-
zahlungen für Beschäftigungen in ei-
nem Getto rückwirkend ab 1997 ermög-
lichen
– zu dem Antrag der Abgeordneten Ulla
Jelpke, Matthias W. Birkwald, Diana Golze,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion
DIE LINKE: Renten für Leistungsbe-
rechtigte des Getto-Rentengesetzes ab
dem Jahr 1997 nachträglich auszahlen
(Drucksachen 17/10094, 17/7985, 17/12870)
Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU) . . .
Anton Schaaf (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Heinrich L. Kolb (FDP) . . . . . . . . . . . . . .
Ulla Jelpke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . .
Max Straubinger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 15:
Zweite und dritte Beratung des von der Bun-
desregierung eingebrachten Entwurfs eines
Gesetzes zur Änderung des Telekommuni-
28878 B
28878 B
28878 C
28879 D
28880 C
28882 A
28883 C
28884 B
28885 B
28886 B
28886 C
28888 A
28889 A
28889 C
28890 D
28891 C
28892 C
28892 D
28892 D
28893 A
28894 A
28895 A
28896 D
28897 C
28898 C
28899 B
28900 A
28900 C
28901 B
28903 A
28903 B
28904 B
28905 B
28906 C
28907 C
28908 C
VI Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 231. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 21. März 2013
kationsgesetzes und zur Neuregelung der
Bestandsdatenauskunft
(Drucksachen 17/12034, 17/12879) . . . . . . . .
Armin Schuster (Weil am Rhein) (CDU/CSU)
Michael Hartmann (Wackernheim) (SPD) . . .
Gisela Piltz (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Jan Korte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 14:
Antrag der Abgeordneten Cornelia Möhring,
Yvonne Ploetz, Diana Golze, weiterer Abge-
ordneter und der Fraktion DIE LINKE: Ver-
bandsklagerecht im Allgemeinen Gleichbe-
handlungsgesetz implementieren
(Drucksache 17/11590) . . . . . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 17:
Erste Beratung des von der Bundesregierung
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur
Neuordnung der Regulierung im Eisen-
bahnbereich
(Drucksache 17/12726) . . . . . . . . . . . . . . . . .
Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär
BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Sören Bartol (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Oliver Luksic (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Sabine Leidig (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . .
Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Martin Burkert (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Dirk Fischer (Hamburg) (CDU/CSU) . . . . . .
Martin Burkert (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . .
Zusatztagesordnungspunkt 8:
Antrag der Abgeordneten Katja Dörner, Ekin
Deligöz, Kai Gehring, weiterer Abgeordneter
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN: Rückkehrrecht auf Vollzeit gesetzlich
verankern
(Drucksache 17/12843) . . . . . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 18:
Erste Beratung des von den Fraktionen der
CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs
eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes
über die Kreditanstalt für Wiederaufbau
und weiterer Gesetze
(Drucksache 17/12815) . . . . . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 20:
Zweite und dritte Beratung des von der Bun-
desregierung eingebrachten Entwurfs eines
Gesetzes über Intelligente Verkehrssysteme
im Straßenverkehr und deren Schnittstel-
len zu anderen Verkehrsträgern (Intelli-
gente-Verkehrssysteme-Gesetz – IVSG)
(Drucksachen 17/12371, 17/12768) . . . . . . . .
Ulrich Lange (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . .
Gero Storjohann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . .
Kirsten Lühmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . .
Petra Müller (Aachen) (FDP) . . . . . . . . . . .
Herbert Behrens (DIE LINKE) . . . . . . . . . . .
Harald Ebner (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 21:
Antrag der Abgeordneten Daniela Kolbe
(Leipzig), Gabriele Fograscher, Wolfgang
Gunkel, weiterer Abgeordneter und der Frak-
tion der SPD: Nationalen Aktionsplan gegen
Rassismus weiterentwickeln
(Drucksache 17/9975) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Michael Frieser (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . .
Daniela Kolbe (Leipzig) (SPD) . . . . . . . . . .
Serkan Tören (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Sevim Dağdelen (DIE LINKE) . . . . . . . . . . .
Monika Lazar (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 22:
Zweite Beratung und Schlussabstimmung des
von der Bundesregierung eingebrachten Ent-
wurfs eines Gesetzes zu dem Handelsüber-
einkommen vom 26. Juni 2012 zwischen
der Europäischen Union und ihren Mit-
gliedstaaten einerseits sowie Kolumbien
und Peru andererseits
(Drucksachen 17/12354, 17/12810, 17/12875) .
Klaus Barthel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Erich G. Fritz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . .
Heike Hänsel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . .
Ernst Hinsken (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . .
Thilo Hoppe (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Sascha Raabe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . .
28909 D
28910 A
28912 C
28913 C
28915 A
28916 C
28917 D
28918 A
28918 A
28919 A
28920 A
28921 A
28922 A
28923 A
28923 D
28924 D
28925 C
28926 A
28926 A
28926 B
28927 B
28927 D
28928 D
28929 C
28930 B
28931 B
28931 B
28932 C
28934 A
28934 D
28936 C
28937 C
28938 A
28939 A
28941 A
28941 C
28942 D
28943 D
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 231. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 21. März 2013 VII
Zusatztagesordnungspunkt 9:
Antrag der Abgeordneten Rüdiger Veit, Rainer
Arnold, Klaus Barthel, weiterer Abgeordneter
und der Fraktion der SPD: Syrische Flücht-
linge schützen
(Drucksache 17/12820) . . . . . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 23:
Beschlussempfehlung und Bericht des Aus-
schusses für Bildung, Forschung und Tech-
nikfolgenabschätzung zu dem Antrag der Ab-
geordneten Nicole Gohlke, Dr. Petra Sitte, Jan
Korte, weiterer Abgeordneter und der Frak-
tion DIE LINKE: Keine Rüstungsforschung
an öffentlichen Hochschulen und For-
schungseinrichtungen – Forschung und
Lehre für zivile Zwecke sicherstellen
(Drucksachen 17/9979, 17/12800) . . . . . . . . .
Florian Hahn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . .
René Röspel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Martin Neumann (Lausitz) (FDP) . . . . .
Nicole Gohlke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . .
Krista Sager (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 24:
Zweite und dritte Beratung des von den Abge-
ordneten Krista Sager, Wolfgang Wieland,
Kai Gehring, weiteren Abgeordneten und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN einge-
brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Strei-
chung des Doktorgrades aus dem Passge-
setz, dem Gesetz über Personalausweise
und den elektronischen Identitätsnachweis,
der Personalausweisverordnung sowie dem
Aufenthaltsgesetz und der Aufenthaltsver-
ordnung
(Drucksachen 17/8128, 17/11908) . . . . . . . . .
Clemens Binninger (CDU/CSU) . . . . . . . . . .
Gabriele Fograscher (SPD) . . . . . . . . . . . . .
Manuel Höferlin (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . .
Ulla Jelpke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . .
Krista Sager (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 25:
Antrag der Abgeordneten Katja Kipping,
Diana Golze, Matthias W. Birkwald, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE:
Verschleierung verhindern – Berichterstat-
tung über Armut und Reichtum auf eine
unabhängige Kommission übertragen
(Drucksache 17/12709) . . . . . . . . . . . . . . . . .
Max Straubinger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . .
Dr. Matthias Zimmer (CDU/CSU) . . . . . . . .
Gabriele Lösekrug-Möller (SPD) . . . . . . . . .
Pascal Kober (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Matthias W. Birkwald (DIE LINKE) . . . . . .
Markus Kurth (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 26:
Beschlussempfehlung und Bericht des Fi-
nanzausschusses zu dem Antrag der Abgeord-
neten Thilo Hoppe, Dr. Gerhard Schick, Lisa
Paus, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Für die Ein-
führung eines transparenten und unabhän-
gigen Staateninsolvenzverfahrens
(Drucksachen 17/8162, 17/10031) . . . . . . . . .
Bettina Kudla (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . .
Manfred Zöllmer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . .
Holger Krestel (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Axel Troost (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . .
Thilo Hoppe (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 27:
Beschlussempfehlung und Bericht des Vertei-
digungsausschusses zu dem Antrag der Abge-
ordneten Kornelia Möller, Inge Höger,
Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter
und der Fraktion DIE LINKE: Luft-Boden-
Schießplatz Siegenburg schließen
(Drucksachen 17/5757, 17/8388) . . . . . . . . . .
Dr. Wolfgang Götzer (CDU/CSU) . . . . . . . .
Anita Schäfer (Saalstadt) (CDU/CSU) . . . .
Wolfgang Hellmich (SPD) . . . . . . . . . . . . . .
Joachim Spatz (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Inge Höger (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Thomas Gambke (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 28:
Beschlussempfehlung und Bericht des Aus-
schusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit
und Entwicklung zu dem Antrag der Abgeord-
neten Ute Koczy, Tom Koenigs, Thilo Hoppe,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Entwicklungs-
politische Zusammenarbeit fit machen für
die Kooperation mit fragilen Staaten
(Drucksachen 17/10791, 17/11961) . . . . . . . .
28944 D
28945 A
28945 A
28946 A
28947 A
28947 D
28949 A
28949 D
28950 A
28951 A
28951 D
28952 B
28952 D
28953 C
28953 D
28954 C
28955 C
28956 A
28957 A
28957 D
28958 D
28959 A
28960 B
28961 B
28962 A
28963 A
28964 B
28964 B
28965 A
28965 D
28966 C
28967 A
28968 A
28969 A
VIII Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 231. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 21. März 2013
Dagmar G. Wöhrl (CDU/CSU) . . . . . . . . . . .
Stefan Rebmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . .
Joachim Günther (Plauen) (FDP) . . . . . . . .
Heike Hänsel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . .
Ute Koczy (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Tagesordnungspunkt 29:
Beschlussempfehlung und Bericht des Aus-
schusses für Arbeit und Soziales zu dem An-
trag der Abgeordneten Markus Kurth, Ulrich
Schneider, Katrin Göring-Eckardt, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN: Zweckgebundene und steu-
erfreie Übungsleiterpauschalen und Auf-
wandsentschädigungen für bürgerschaftli-
ches Engagement nicht auf Leistungen nach
dem Zweiten und Zwölften Buch Sozialge-
setzbuch anrechnen
(Drucksachen 17/9950, 17/11253 Buchstabe c) .
Paul Lehrieder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . .
Dr. Carsten Linnemann (CDU/CSU) . . . . . .
Angelika Krüger-Leißner (SPD) . . . . . . . . . .
Dr. Birgit Reinemund (FDP) . . . . . . . . . . . . .
Harald Koch (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . .
Markus Kurth (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Berichtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Anlage 1
Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . .
Anlage 2
Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung
des Antrags: Verbandsklagerecht im Allge-
meinen Gleichbehandlungsgesetz implemen-
tieren (Tagesordnungspunkt 14 )
Dr. Jan-Marco Luczak (CDU/CSU) . . . . . . .
Sonja Steffen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Nicole Bracht-Bendt (FDP) . . . . . . . . . . . . .
Pascal Kober (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Cornelia Möhring (DIE LINKE) . . . . . . . . .
Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Anlage 3
Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung
des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung
des Gesetzes über die Kreditanstalt für Wie-
deraufbau und weiterer Gesetze (Tagesord-
nungspunkt 18)
Peter Aumer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . .
Bettina Kudla (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . .
Manfred Zöllmer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . .
Björn Sänger (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) . . . . . . . . .
Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Anlage 4
Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung des
Entwurfs eines Gesetzes zu dem Handels-
übereinkommen vom 26. Juni 2012 zwischen
der Europäischen Union und ihren Mitglied-
staaten einerseits sowie Kolumbien und Peru
andererseits (Tagesordnungspunkt 22)
Dr. Martin Lindner (Berlin) (FDP) . . . . . . .
Anlage 5
Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des
Antrags: Rückkehrrecht auf Vollzeit gesetzlich
verankern (Zusatztagesordnungspunkt 8)
Paul Lehrieder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . .
Gabriele Lösekrug-Möller (SPD) . . . . . . . . .
Johannes Vogel (Lüdenscheid) (FDP) . . . . .
Jutta Krellmann (DIE LINKE) . . . . . . . . . . .
Katja Dörner (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Anlage 6
Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung
des Antrags: Syrische Flüchtlinge schützen
(Zusatztagesordnungspunkt 9)
Reinhard Grindel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . .
Rüdiger Veit (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Hartfrid Wolff (Rems-Murr) (FDP) . . . . . . .
Ulla Jelpke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . .
Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
28969 B
28970 C
28971 C
28972 C
28973 B
28974 B
28974 C
28975 B
28976 A
28976 D
28977 C
28979 A
28980 C
28980 C
28981 A
28981 D
28983 C
28984 C
28984 D
28985 C
28986 B
28987 B
28988 A
28989 A
28989 C
28990 B
28990 D
28991 C
28992 B
28993 D
28994 C
28995 B
28996 A
28996 C
28998 B
28999 C
29000 C
29001 B
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 231. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 21. März 2013 28765
(A) (C)
(D)(B)
231. Sitzung
Berlin, Donnerstag, den 21. März 2013
Beginn: 9.00 Uhr
Berichtigung
230. Sitzung, Seite 28744 B, letzter Absatz, zweiter
Satz ist wie folgt zu lesen: „Es ist passiert, dass Peter
Ramsauer ins Amt gekommen ist.“
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 231. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 21. März 2013 28981
(A) (C)
(D)(B)
Anlagen zum Stenografischen Bericht
Anlage 1
Liste der entschuldigten Abgeordneten
* für die Teilnahme an der 128. Jahreskonferenz der Interparlamenta-
rischen Union
Anlage 2
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des Antrags: Verbandsklagerecht
im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz im-
plementieren (Tagesordnungspunkt 14)
Dr. Jan-Marco Luczak (CDU/CSU): Wir debattie-
ren heute über den Antrag der Fraktion Die Linke mit
dem Titel „Verbandsklagerecht im Allgemeinen Gleich-
behandlungsgesetz implementieren“.
Mit dem Antrag fordert Die Linke ergänzend zur indi-
viduellen Klagemöglichkeit von Einzelpersonen, auch
Verbänden ein Klagerecht einzuräumen. Mit einem sol-
chen Verbandsklagerecht möchte Die Linke einen effek-
tiveren Abbau von Diskriminierungen erreichen und
macht dies am Beispiel der Entlohnung zwischen Frauen
und Männern fest.
Pünktlich zum heutigen Equal-Pay-Day entdeckt Die
Linke das Thema der Ungleichbehandlung bei der Ent-
lohnung zwischen Mann und Frau. Mir kommt es ein
bisschen so vor, als ob die Linke alles versucht, um Öf-
fentlichkeit zu erheischen: Mal gratuliert die Parteispitze
Fidel Castro zum Geburtstag, mal trauert Die Linke „im
Geiste der SED“ – wie es eine große deutsche Tageszei-
tung auf den Punkt gebracht hat – um den kürzlich ver-
storbenen Diktator Venezuelas, Hugo Chavez. Das ist
Politik für das Schaufenster. Das hat aber nichts mit
sachlicher Arbeit zu tun.
Abgeordnete(r)
entschuldigt bis
einschließlich
Bleser, Peter CDU/CSU 21.03.2013
Dr. Böhmer, Maria CDU/CSU 21.03.2013
Bosbach, Wolfgang CDU/CSU 21.03.2013
Canel, Sylvia FDP 21.03.2013
Goldmann, Hans-
Michael
FDP 21.03.2013
Günther (Plauen),
Joachim
FDP 21.03.2013
Dr. Happach-Kasan,
Christel
FDP 21.03.2013
Dr. Jochimsen, Lukrezia DIE LINKE 21.03.2013
Krumwiede, Agnes BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
21.03.2013
Kühn, Stephan BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
21.03.2013
Laurischk, Sibylle FDP 21.03.2013
Maisch, Nicole BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
21.03.2013
Mayer (Altötting),
Stephan
CDU/CSU 21.03.2013
Menzner, Dorothée DIE LINKE 21.03.2013
Möller, Kornelia DIE LINKE 21.03.2013
Nešković, Wolfgang fraktionslos 21.03.2013
Paus, Lisa BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
21.03.2013
Dr. Pfeiffer, Joachim CDU/CSU 21.03.2013
Rebmann, Stefan SPD 21.03.2013
Reiche (Potsdam),
Katherina
CDU/CSU 21.03.2013
Dr. Reimann, Carola SPD 21.03.2013
Remmers, Ingrid DIE LINKE 21.03.2013
Schlecht, Michael DIE LINKE 21.03.2013
Schmidt (Eisleben),
Silvia
SPD 21.03.2013
Schreiner, Ottmar SPD 21.03.2013
Dr. Schwanholz, Martin SPD 21.03.2013
Simmling, Werner FDP 21.03.2013
Strothmann, Lena CDU/CSU 21.03.2013
Süßmair, Alexander DIE LINKE 21.03.2013
Winkler, Josef Philip BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
21.03.2013*
Abgeordnete(r)
entschuldigt bis
einschließlich
Anlagen
28982 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 231. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 21. März 2013
(A) (C)
(D)(B)
Denn wenn es der Linken tatsächlich um die Gleich-
behandlung von Mann und Frau bei der Entlohnung
ginge, dann hätte sie Gelegenheit gehabt, hier etwas zu
tun. Sie hätte nämlich dem Antrag der Fraktionen von
CDU/CSU und FDP mit dem Titel „Entgeltgleichheit für
Frauen und Männer verwirklichen – Familienfreundliche
Unternehmen als Beitrag zur Gleichstellung der Ge-
schlechter“ zustimmen können. Den haben wir vor einer
Woche im Rechtsausschuss beraten – Zustimmung von
der linken Seite des Hauses haben wir dafür allerdings
nicht bekommen!
Ich finde das bedauerlich. Denn in der Sache ist
meine Fraktion wie auch ich persönlich sehr für die glei-
che Bezahlung von Frauen und Männern. Das ist ein
ganz einfaches Prinzip: gleiche Leistung – gleiche Be-
zahlung! Das in der gesellschaftlichen Realität umzuset-
zen, ist ein wichtiges politisches und gesellschaftliches
Ziel, ein Ziel, das auch und gerade die christlich-liberale
Koalition mit allem Nachdruck verfolgt.
Denn es ist schon bemerkenswert: Nach den Ge-
haltsstatistiken des Statistischen Bundesamtes verdienen
Frauen beim Einstieg in den Beruf fast genauso viel wie
männliche Berufseinsteiger. Die Lücke beträgt etwa
zwei Prozent. Dann passiert aber Merkwürdiges: Bei den
25- bis 29-Jährigen beträgt die Lücke schon 8 Prozent,
und bei den 35- bis 39-Jährigen liegt sie schließlich bei
über 20 Prozent.
Im Durchschnitt verdienen Frauen knapp 22 Prozent
weniger als Männer, eine bemerkenswerte Zahl. Zwar
wird dieser Lohnunterschied ein wenig relativiert, wenn
man sich das statistische Hintergrundmaterial genauer
ansieht. Denn in dieser Zahl kommt nicht zum Aus-
druck, dass es sich hierbei um Durchschnittswerte für
alle berufstätigen Frauen und Männer handelt, unabhän-
gig von der Qualifikation, der Berufserfahrung, der Posi-
tion und der Ausbildung. Ein erheblicher Teil der Lohn-
lücke erklärt sich neben der hohen Teilzeitquote bei
Frauen dadurch, dass Frauen und Männer unterschied-
liche Studienfächer und unterschiedliche Ausbildungs-
berufe wählen: So sind über 70 Prozent der Studien-
anfänger in den Kultur- und Sprachwissenschaften
weiblich, während der Frauenanteil in den Ingenieurwis-
senschaften bei 20 Prozent liegt. Das wirkt sich natürlich
auch auf die Durchschnittsgehälter aus. Ein Ingenieur
wird in der Regel besser bezahlt als eine Germanistin –
eine Ingenieurin aber eben auch.
Aber dennoch: Eines kann man sehr deutlich an den
Durchschnittszahlen ablesen: Eine der wesentlichen Ur-
sachen für schlechtere Einkommensperspektiven von
Frauen ist, dass viele Frauen irgendwann Mütter werden.
Die Lebensrealität vieler Mütter ist dann, dass sie, wenn
sie beruflich einmal pausiert haben oder wegen der Fa-
milie in Teilzeit arbeiten wollen, keine gleichwertigen
Jobs mehr bekommen. Hier wird Zeit für Familie mit
schlechteren Chancen bestraft – das ist die Ungerechtig-
keit, die es zu beseitigen gilt!
Wir müssen uns fragen: Ist das, was die Linke uns
hier vorschlägt, ein allgemeines Verbandsklagerecht im
Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz zu verankern,
das richtige Instrument dafür? Und da muss man ganz
klar sagen: Nein! Das ist nicht das richtige Instrument.
Denn mit Verbandsklagen ändern Sie nichts, rein gar
nichts an den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Ur-
sachen für die unterschiedliche Entlohnung. Sie be-
kämpfen lediglich Symptome. Damit ist den betroffenen
Frauen aber in keiner Weise geholfen. Sie, meine Damen
und Herren von den Linken, schießen also mit ihrer Ini-
tiative völlig am Ziel vorbei, deshalb werden wir das
nicht mitmachen!
Aber nicht nur, weil es sich bei der Initiative der Lin-
ken mit Blick auf das Ziel der Verwirklichung der Ent-
geltgleichheit um einen untauglichen Versuch handelt,
werden wir diesen nicht mittragen, in Bezug auf das von
der Linken geforderte Verbandsklagerecht bei der Ent-
geltgleichheit würde dem Missbrauch Tür und Tor geöff-
net. Es würde Unfrieden in Betriebe tragen, wenn über-
motivierte Verbände im Extremfall auch gegen den
Willen des Betroffenen klagen könnten. Die Situation,
dass Verbände gegen den Willen der Betroffenen klagen
können, wird dann besonders absurd, wenn sich der oder
die Beschäftigte bereits mit dem Arbeitgeber geeinigt
und den Konflikt einvernehmlich gelöst hat.
Oder was ist, wenn ein Betroffener zunächst noch
nicht klagen möchte, die Klage aber bereits ohne sein
Wissen von einem Verband erhoben worden ist? Ist das
mit dem verfassungsrechtlichen Anspruch auf rechtli-
ches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes ver-
einbar? Das sind Fragen, auf die Die Linke keine Ant-
worten in ihrem Antrag präsentiert – vielleicht weil sie
diese Punkte gar nicht bedacht hat? Das ist alles nicht
schlüssig und nicht bis ans Ende durchdacht.
Neben diesen Fragen lassen sich gegen allgemeine
Verbandsklagerechte weitere sehr grundsätzliche Argu-
mente anführen, die selbst den europäischen Gesetzgeber
bei den vier maßgebenden Richtlinien zur Antidiskrimi-
nierung aus den Jahren 2000 bis 2004 dazu bewogen ha-
ben, ein europaweites Verbandsklagerecht gerade nicht
einzuführen.
Verbandsklagen sind grundsätzlich ein Fremdkörper
im deutschen Verfahrensrecht. Unsere Prozessordnun-
gen gehen von dem Prinzip des individuellen Rechts-
schutzes aus – nur wenn jemand selbst betroffen, also in
eigenen Rechten verletzt ist, kann er klagen. Dieses Prin-
zip hat sich bewährt. Damit werden missbräuchliche
Klagen verhindert. Verbandsklagen aber durchbrechen
dieses Prinzip und sind daher grundsätzlich sehr kritisch
zu betrachten.
Weiterhin besteht bei Verbandsklagen allgemein die
Gefahr, dass sich eine unheilvolle Dynamik entwickelt:
Geklagt wird nicht mehr um der Rechtsdurchsetzung
willen, sondern weil wirtschaftliche Interessen im Vor-
dergrund stehen. Denn klar ist: Jeder Verband muss sich
irgendwo durch seine Tätigkeiten selbst legitimieren.
Klagen sind da ein gutes Mittel, um sich selbst in der Öf-
fentlichkeit zu inszenieren. Da kann es sehr fraglich sein,
ob wirklich die Interessen der Betroffenen im Vorder-
grund stehen.
Verbandsklagen gehen häufig mit einer öffentlich-
keitswirksamen medialen Kampagne des klagenden Ver-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 231. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 21. März 2013 28983
(A) (C)
(D)(B)
bandes gegen das vermeintlich rechtswidrig handelnde
Unternehmen einher. Dies führt bereits vor einem rich-
terlichen Urteilsspruch zu einer erheblichen Rufschädi-
gung des betroffenen Unternehmens. Insbesondere bei
kleineren und mittleren Unternehmen bestehen ange-
sichts der mitunter existenzbedrohenden Folgen insofern
große Befürchtungen.
Viele Unternehmen werden daher bemüht sein, Kla-
gen auf dem Vergleichswege beizulegen, selbst wenn die
zugrunde liegenden materiellen Ansprüche mehr als
fraglich sind. Die Unternehmen werden quasi genötigt,
alles zu tun, um das Verfahren so schnell und geräusch-
los wie möglich zu einem Ende zu bringen. Sie werden
auf diese Weise teilweise zu unangemessenen und sach-
lich nicht begründeten Zahlungen gedrängt, um weitere
Prozess-, insbesondere Anwaltskosten und weiteren
Imageschaden zu vermeiden. All das kann leider auch
kaum wirksam gesetzlich durch Schutzvorkehrungen
ausgeschlossen werden.
Folge ist zudem, dass Streitfälle im Vergleichsfall
nicht ausgeurteilt werden und somit keine rechtliche
Signalwirkung für vergleichbare Fälle erzeugt wird. Eine
richterliche Rechtsfortbildung ist damit nur noch sehr
eingeschränkt möglich. Für die Union ist die richterliche
Rechtsfortbildung aber ein ganz wesentlicher Faktor des
deutschen Rechtssystems. Wir wollen daher die richter-
liche Rechtsfortbildung erhalten und stärken.
Deswegen ist es nach meiner Auffassung richtig, dass
kollektive Rechtsschutzinstrumente wie Verbandskla-
gen Ausnahmen bleiben und das bewährte System unse-
rer Prozessordnungen des individuellen Rechtsschutzes
nicht unterminieren. Es muss stets genau bestimmt sein,
wer aus welchem Rechtsgrund zu klagen berechtigt ist –
denn die Prozessordnungen sind dazu da, materielles
Recht durchzusetzen und nicht, um daraus wirtschaftli-
che Vorteile zu ziehen.
Es gibt eine Vielzahl von Argumenten, die gegen die
Einführung einer allgemeinen Verbandsklagebefugnis
im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz sprechen. Die
Linke hat sich mit diesen Argumenten in keiner Weise
auseinandergesetzt, geschweige denn sie entkräftet. Im
Gegenteil: In ihrer Antragsbegründung liefert sie noch
Argumente, die an der Sache vorbeigehen und evident
falsch sind.
Als Argument für eine Verbandsklage führt sie etwa
an, dass eine Individualklage im Gegensatz zur Ver-
bandsklage das finanzielle Risiko auf die Schultern der
klagenden Frau lege. Gerade im Arbeitsrecht trifft dies
aber gar nicht zu: Zum einen ist die gerichtliche Aus-
einandersetzung vor deutschen Arbeitsgerichten grund-
sätzlich mit sehr überschaubaren Kosten verbunden. An-
ders als zum Beispiel in Bauprozessen müssen in der
Regel auch keine teuren Sachverständigen gehört wer-
den.
Zum anderen trägt gerade – anders als in einem zivil-
gerichtlichen Verfahren – jede Partei im arbeitsgerichtli-
chen Verfahren ihre gerichtlichen und außergerichtlichen
Anwaltskosten selbst, ganz unabhängig davon, ob sie
den Rechtsstreit gewonnen oder verloren hat. Ziel dieser
Regelung ist es, zu verhindern, dass die wirtschaftlich in
aller Regel schwächeren Arbeitnehmer von der Durch-
setzung ihrer Ansprüche aufgrund des Kostenrisikos ab-
sehen. Hier steht der Schutz der Arbeitnehmer an erster
Stelle – egal, ob es sich um eine Frau oder einen Mann
handelt. Das ist gelebte Gleichberechtigung!
Ich komme zum Schluss: Das Ziel des Antrags der
Linken, Männer und Frauen bei gleicher Leistung gleich
zu entlohnen, teile ich vollständig. Das Instrument der
Verbandsklage im Allgemeinen Gleichbehandlungsge-
setz ist dafür aber untauglich und ist auch aus grundsätz-
lichen rechtspolitischen Erwägungen abzulehnen. Des-
wegen werden wir Ihren Antrag nicht mittragen. Ich
kann Sie nur auffordern, stimmen Sie beim nächsten Mal
unseren Anträgen zu, damit erreichen Sie dann, anders
als mit ihren Schaufensteranträgen, auch wirklich etwas!
Sonja Steffen (SPD): Wir beraten heute über einen
Antrag der Fraktion Die Linke. Mit diesem Antrag soll
das Verbandsklagerecht in das AGG eingefügt werden.
Das Verbandsklagerecht ist dem deutschen Recht
nicht besonders vertraut. Denn nach unserem öffentli-
chen Recht gilt das System des Individualrechtsschutzes.
Es soll nur derjenige klagen dürfen, der durch die öffent-
liche Gewalt in eigenen Rechten verletzt ist. In den letz-
ten Jahren sind wir von diesem Grundsatz allerdings
– aus guten Gründen – häufiger abgewichen: 2002 haben
wir im Naturschutzrecht eine Verbandsklage ermöglicht.
Damit können anerkannte Naturschutzverbände gegen
Entscheidungen von Bundesbehörden klagen.
Seit 2006 wurde die Position der Umweltverbände
durch das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz entscheidend ge-
stärkt.
Auch das Gesetz zur Gleichstellung behinderter Men-
schen enthält ein Verbandsklagerecht, nach dem ein
anerkannter Behindertenschutzverband Klage erheben
kann auf Feststellung eines Verstoßes gegen bestimmte
behindertenschutzrechtliche Vorschriften.
Schließlich können auch Verbraucherschutzverbände
auf Unterlassung oder Widerruf zur Durchsetzung von
Verbraucherschutzvorschriften Klage erheben.
Das AGG bietet den betroffenen Menschen die Mög-
lichkeit der Individualklage, wenn eine Benachteiligung
aus Gründen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts,
der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinde-
rung, des Alters oder der sexuellen Identität vorliegt.
Die meisten Fälle des Allgemeinen Gleichbehand-
lungsgesetzes beschäftigen sich mit Diskriminierungen
wegen einer Behinderung oder wegen des Geschlechts,
je ein Fünftel der Beschwerden erfolgen aufgrund des
Alters oder der ethnischen Herkunft. Es folgen Anfragen
wegen einer Benachteiligung aufgrund sexueller Identi-
tät und aufgrund von Religion oder Weltanschauung.
Der Bundesgerichtshof hat beispielsweise eine Ent-
scheidung zur Altersdiskriminierung getroffen: Ein frü-
herer Kölner Klinikchef hat Anspruch auf eine hohe Ent-
schädigung, weil er wegen seines Alters keinen neuen
Vertrag bekam.
28984 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 231. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 21. März 2013
(A) (C)
(D)(B)
Ein anderer Kläger machte erfolgreich Entschädi-
gungsansprüche gegen den Betreiber einer Diskothek
geltend, weil der Türsteher ihm wegen seiner Hautfarbe
und seines Geschlechts den Eintritt verweigerte.
Einer schwerbehinderten Bewerberin um ein Richter-
amt steht eine Entschädigung nach dem AGG zu, weil
sie nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen
wurde.
Erfolgreich geklagt hat auch ein Arbeitnehmer, der in
einem Warenhaus als Ladenhilfe tätig war. Er sah sich
aufgrund seines muslimischen Glaubens gehindert, die
Weisung des Arbeitgebers zu befolgen und Alkoholika
einzuräumen.
Das AG Halle verurteilte einen Betrieb wegen einer
Diskriminierung einer weiblichen Führungskraft als
Frau und Mutter. Nach Rückkehr aus der Elternzeit hatte
der Arbeitgeber der Klägerin mitgeteilt, weibliche Füh-
rungskräfte mit zwei kleinen Kindern hätten ein zu ho-
hes Ausfallrisiko und kündigte ihr betriebsbedingt.
Das im AGG geregelte „eingeschränkte Verbandskla-
gerecht“, das den Betriebsräten und Gewerkschaften nun
ermöglicht, bei grobem Verstoß des Arbeitgebers für
Kollegen und Kolleginnen bei Gericht ein Verfahren an-
zustrengen, um den Arbeitgeber zu einem diskriminie-
rungsfreien Vorgehen zu verpflichten, hat sich unlängst
erstmals beim AG Hamburg bewährt. Bisher sind aller-
dings nur einige hundert Fälle vor Gericht gelandet. Eine
Umfrage hat darüber hinaus ergeben, dass nur ein Drittel
der Befragten das AGG – und damit verbunden ihre
Rechte – überhaupt kennen. Das wirft natürlich Fragen
auf: Warum kennen viele Menschen ihre Rechte gar
nicht? Scheuen sie den Weg der Individualklage?
Das AGG bietet zwar theoretisch die rechtlichen Mit-
tel, um gegen erlebte Diskriminierung vorzugehen.
Diese bleiben aber wirkungslos, weil sie praktische
Mängel aufweisen. Darum ist tatsächlich eine Weiterent-
wicklung des AGG notwendig.
Die SPD-Bundestagsfraktion hat einen Aktionsplan
für die tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Män-
nern erstellt. Dieser Plan enthält wichtige Forderungen
wie das Entgeltgleichheitsgesetz: Die Entgeltlücke zwi-
schen Frauen und Männern muss geschlossen werden.
Auch die Frauenquote für die Besetzung der Aufsichts-
räte und Vorstände bedarf einer gesetzlichen Regelung,
weil freiwillige Vereinbarungen zwischen Bundesregie-
rung und Wirtschaft leider keine nennenswerten Fort-
schritte gebracht haben. Der Plan setzt sich auch mit der
Weiterentwicklung des AGG auseinander. Hier ist zu
prüfen, ob die Beweislastregeln konform mit den Richt-
linien der EU sind. Betroffene, die sich auf eine Benach-
teiligung berufen, müssen nämlich zunächst den Vollbe-
weis führen, dass sie gegenüber einer anderen Person
ungünstiger behandelt worden sind. Nach EU-Gesetzge-
bung reicht hier jedoch bereits die Glaubhaftmachung.
Darüber hinaus sollten die Verbände in der Tat stärker
beteiligt werden, und auch die Einführung einer Ver-
bandsklage sollten wir gründlich prüfen.
Nicole Bracht-Bendt (FDP): Die FDP verurteilt
jede Diskriminierung wegen des Geschlechts, der Rasse,
der ethnischen Herkunft, der Religion oder der Welt-
anschauung, wegen Behinderung, des Alters oder der
sexuellen Orientierung. Der Schutz vor Diskriminierung
ist ein Menschenrecht und wesentliches Element einer je-
den demokratischen Gesellschaft. Freiheit zu garantieren,
heißt auch, die Rechte von Minderheiten zu schützen. Das
Grundgesetz enthält in Art. 3 sowohl einen Schutz vor Be-
nachteiligung als auch das Gebot, grundsätzlich alle
Menschen gleichzubehandeln. Auch Art. 14 der Euro-
päischen Menschenrechtskonvention und das darin ent-
haltene Diskriminierungsverbot sind eine Verpflichtung.
Gerade in der europäischen Wertegemeinschaft müs-
sen Benachteiligungen beseitigt und die Rechte von
Minderheiten gestärkt werden.
Diesem Ziel fühlt sich die FDP seit jeher in besonde-
rer Weise verpflichtet.
Der Abbau von Diskriminierungen lässt sich aber
nicht per Gesetz verordnen. Er ist eine gesamtgesell-
schaftliche Aufgabe und beginnt bei der Erziehung zur
Toleranz und nicht mit der Schaffung von Verbands-
klagerechten.
Die FDP hält die vorhandenen rechtlichen Möglich-
keiten, gegen Diskriminierungen vorzugehen, für ausrei-
chend. Daher lehnen wir die Initiative der Linken ab.
Das AGG bietet Antidiskriminierungsverbänden nach
§ 23 AGG bereits die Möglichkeit, Benachteiligte in ge-
richtlichen Verfahren als Beistand in der Verhandlung zu
unterstützen. Die im Arbeits- und allgemeinen Zivilrecht
geregelten Rechte sind weithin Individualansprüche. Der
Benachteiligte entscheidet selbst, ob und wie er seine
Rechte verfolgt. Das im Antrag benannte „strukturelle
Ungleichgewicht“ besteht für Kläger in jedem Rechtsge-
biet, seien ihre Klagen auch noch so berechtigt. Dass
Kläger in der Regel die Beweislast tragen, ist unserem
Rechtssystem immanent und dient der Rechtssicherheit,
vor allem der Sicherheit vor grundlosen Klagen.
Im Übrigen sind in anderen Bereichen, zum Beispiel
im Arbeitsrecht, weit höhere strukturelle Ungleichge-
wichte vorzufinden als bei Klagen nach dem AGG.
Ein Verbandsklagerecht lehnen wir aus rechtspoliti-
schen Erwägungen ab.
Die Linken schildern in ihrem Antrag übrigens nicht,
wie sie ein Verbandsklagerecht ausgestalten wollen, ins-
besondere nicht, ob es ein Abtretungsrecht geben soll,
wie dies im ADG-E vorgesehen war. Hierbei wäre auch
zu befürchteten, dass die Verbände aus eigenem Inte-
resse Klagen „akquirieren“. Das Ziel wäre dann, Scha-
denersatz einzuklagen, um die finanzielle Situation des
Verbandes zu verbessern und nicht die Situation des Dis-
kriminierten.
Das derzeitige AGG stellt einen sinnvollen Kompro-
miss der betroffenen Interessen dar und bedarf daher un-
seres Erachtens keiner Novellierung.
Pascal Kober (FDP): Wahrscheinlich ist es kein Zu-
fall, dass die Fraktion Die Linke den Antrag zum Thema
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 231. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 21. März 2013 28985
(A) (C)
(D)(B)
„Verbandsklagerecht im Allgemeinen Gleichbehand-
lungsgesetz implementieren“ heute am sogenannten
Equal Pay Day zur Debatte gestellt hat, der allerdings
heute gar nicht stattfindet, weil sich die Organisatoren
verrechnet haben.
Richtig ist, dass es in Deutschland noch Unterschiede
in der Bezahlung von Männern und Frauen gibt. Diese
hängen jedoch fast vollständig von den durchschnittli-
chen Lohnhöhen in den gewählten Berufen ab. Es ist
noch immer so, dass Berufe, in denen verstärkt Frauen
arbeiten, schlechter bezahlt sind als solche, in denen ver-
stärkt Männer arbeiten. Oder anders ausgedrückt: In der
Automobilbranche verdient man mehr als eine Friseurin.
Interessant bei den Gründen für die Unterschiede ist,
dass Frauen auch viel weniger in Gewerkschaften orga-
nisiert sind, und es daher gerade in typischen Frauenbe-
rufen einen geringeren Organisationsgrad gibt, der dann
auch in schlechteren Tarifabschlüssen seinen Ausdruck
findet. Daher sollten Sie, liebe Kolleginnen und Kolle-
gen, vielleicht lieber Frauen ermuntern, Mitglied einer
Gewerkschaft zu werden und sich für ihre Interessen ein-
zusetzen, statt hier Anträge einzubringen, die in die fal-
sche Richtung führen.
Betrachtet man den sogenannten bereinigten Gender
Pay Gap, also die Lohnunterschiede, die sich nicht auf
erklärbare strukturelle Unterschiede, wie zum Beispiel
die unterschiedlichen Durchschnittslöhne in unterschied-
lichen Branchen, begründen, liegt der Gender Pay Gap
bei 6 Prozent. Das ist die Zahl, bei der es möglicher-
weise Verstöße gegen das Allgemeine Gleichbehand-
lungsgesetz gibt, nicht, wie von Ihnen angesprochen, die
über 20 Prozent.
Sie fordern in Ihrem Antrag, dass auch im Allgemei-
nen Gleichbehandlungsgesetz die Möglichkeit zur Ver-
bandsklage geschaffen wird. Ich halte dies für einen fal-
schen Ansatz.
Das deutsche Recht ist aus gutem Grund als ein Indi-
vidualklagerecht gewachsen. Die Klagegründe der Klä-
ger sind bisher sehr unterschiedlich und jeweils spezifi-
sche Einzelfälle. Es ist ja gerade nicht so, dass ein
kompletter Tarifvertrag gegen das Allgemeine Gleichbe-
handlungsgesetz verstößt – dann hätten die Tarifpartner
versagt –, sondern, dass, wenn es zu Verstößen gegen
das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz kommt, dies
individuelle Fälle sind. Von daher würde eine Verbands-
klage gar keinen Sinn ergeben.
Wenn es Ihnen aber darum geht, dass ein Verband ei-
nen einzelnen Fall beklagen können soll, dann sage ich
Ihnen, dass es dafür nicht eines Verbandsklagerechts be-
darf.
Schon heute können Verbände auf freiwilliger Basis
die Rechtskosten von Klägern übernehmen. Die Einzel-
person klagt und ihre Kosten werden von einem Ver-
band, Verein oder einer Gewerkschaft übernommen.
Hinzu kommt, dass gerade Gewerkschaften ihren Mit-
gliedern Rechtsschutz anbieten.
Ihr Antrag ist überflüssig und scheint mir reine Sym-
bolpolitik für den heutigen Tag. Bei Verstößen gegen das
Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz gibt es schon
heute ausreichend Möglichkeiten, dagegen vorzugehen.
Wir sollten daher unsere Rechtstradition nicht verän-
dern.
Cornelia Möhring (DIE LINKE): Wir fordern mit
unserem hier vorliegenden Antrag ein Verbandsklage-
recht in das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, AGG,
aufzunehmen, also das Recht von Verbänden – Umwelt-
verbänden, Frauenverbänden, Gewerkschaften –, stell-
vertretend für die Einzelnen, die von Diskriminierung
betroffen sind, zu klagen.
Ich möchte am Beispiel der Entgeltdiskriminierung
begründen, warum ein Verbandsklagerecht dringend er-
forderlich ist.
Warum wollen wir eine solche Regelung im Allge-
meinen Gleichbehandlungsgesetz – kurz AGG – aufneh-
men?
Eben dort heißt es, dass Benachteiligungen wegen des
Geschlechts in Bezug auf Arbeitsbedingungen ein-
schließlich Arbeitsentgelt unzulässig sind und verhindert
oder beseitigt werden müssen: § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG.
Wie sieht es aber in der Praxis aus? Meist werden die
einzelnen Personen, die von Entgeltdiskriminierung be-
troffen sind, darauf verwiesen, dass sie doch eine indivi-
duelle Beschwerde oder Klage einreichen können. Das
ist aber ein Weg, der sich als völlig ungeeignet erwiesen
hat.
Sehr wenige Beschäftigte trauen sich zu, alleine ge-
gen den eigenen Arbeitgeber vor Gericht zu ziehen. Das
hat eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft be-
reits 2008 nachgewiesen. Ich finde es auch mehr als ver-
ständlich angesichts des Drucks in den Betrieben und der
ständigen Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes.
Ich vermute, das wird sich auch erst ändern, wenn die
Menschen wieder angstfrei in unserem Land leben kön-
nen, ohne ständige Existenzsorgen.
Zu der Angst um den Arbeitsplatz kommen erhebli-
che finanzielle Risiken dazu. Denn ein individueller Kla-
geweg dauert lange und kostet. Das können sich die We-
nigsten leisten. Eine einzelne Person hat zudem meist
keinen Zugang zu den Unterlagen, die eine strukturelle
Benachteiligung gerichtsfest nachweisen. Es gab einmal
eine erfolgreiche Klägerin, die bei der GEMA beschäf-
tigt war. Sie konnte den Beweis der Benachteiligung von
Frauen im Unternehmen nur erbringen, weil sie im Per-
sonalbereich tätig war und dadurch Einsicht in die Akten
hatte.
Und selbst wenn es den einen oder anderen erfolgrei-
chen Klagefall gibt, bleiben die zugrunde liegenden dis-
kriminierenden Entlohnungssysteme und Tarifvertrags-
strukturen erhalten, weil die Urteile keine Breitenwirkung
entfalten.
Heute ist der Equal Pay Day. Und wieder stellen wir
fest: Frauen erhalten 22 Prozent weniger Lohn als Män-
ner. Sie müssen 80 Tage länger arbeiten als ihre männli-
chen Kollegen, um gleich viel Lohn zu erhalten. Deutsch-
28986 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 231. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 21. März 2013
(A) (C)
(D)(B)
land ist damit immer noch an drittletzter Stelle der
27 EU-Mitgliedstaaten.
Ich habe ihnen bereits einmal hier im Plenum vorge-
rechnet, welche Ausmaße dieser „tolerierte“ Lohnraub
ganz konkret annimmt. Immerhin geht es um Beträge, die
sich im Laufe eines Berufslebens locker auf den Gegen-
wert eines Einfamilienhauses hochrechnen lassen. Eine
Folge dieser Diskriminierung von Frauen zeigt sich dra-
matisch in der Differenz der durchschnittlichen Rente:
Während eine Frau heute eine durchschnittliche Rente
von 645 Euro erhält, liegt die durchschnittliche Rente ei-
nes Mannes bei 1 595 Euro. Das sind immerhin 59,6 Pro-
zent Unterschied und eine nicht unwesentliche struktu-
relle Diskriminierung. Davon kann eigentlich niemand
die Augen verschließen.
Ich finde, dies sind sehr deutliche Beispiele für eine
zwar verbotene, aber tatsächlich existierende Ungleich-
behandlung von Frauen und Männern. Und es darf nicht
länger tatenlos zugesehen werden.
Wir haben ein echtes Defizit im Diskriminierungs-
schutz, und diese Lücke möchten wir mit unserem An-
trag verkleinern. Ein Schritt wäre eben, neben diversen
notwendigen Maßnahmen zur Beseitigung der Diskrimi-
nierung, Rechtsschutz herzustellen. Entgeltdiskriminie-
rung ist nun mal kein Einzelschicksal, sondern eine
strukturelle Benachteiligung.
Mit der Aufnahme des Verbandsklagerechts in das
AGG könnten Verbände genau gegen diese Benachteili-
gung Vieler vorgehen.
Werte Koalitionskolleginnen und -kollegen, Ihre Re-
gierung müsste nicht mal, wie üblich, einen Haufen
Prüfaufträge auslösen, weil die Situation völlig eindeutig
ist. Und eine Formulierung für die Aufnahme des Ver-
bandsklagerechts bekommen sie sicherlich in kürzester
Zeit beim Juristinnenbund, DJB. Liebe Kolleginnen und
Kollegen von SPD und Grünen, ich gehe einmal davon
aus, dass Sie zustimmen, es sei denn, Sie nehmen Ihre
Forderungen aus Ihren Anträgen zur Entgeltgleichheit
nicht wirklich ernst.
Wir könnten also gemeinsam einen wesentlichen
Schritt gegen die Fortsetzung von Diskriminierungen
und für mehr Demokratie schaffen und noch in dieser
Legislaturperiode den Arbeitsauftrag an die Regierung
für eine entsprechende Gesetzesänderung auslösen.
Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Sieben Jahre nach Inkrafttreten des Allgemeinen Gleich-
behandlungsgesetzes ist es Zeit für eine Bestandsauf-
nahme und eine Evaluation. Welche Erfolge hat das Ge-
setz zum Kampf gegen Diskriminierung beigetragen,
und welche der Befürchtungen der Gegner sind eingetre-
ten? Diese Evaluation sollten wir in der nächsten Legis-
laturperiode angehen und entsprechend Nachbesserun-
gen beim Gesetz vornehmen.
Gewisse Tendenzen lassen sich aber schon feststellen:
Es gab spektakuläre Urteile, die aufgrund des AGG ge-
fällt wurden. Da war das Urteil des Landesarbeitsgerich-
tes Düsseldorf, das die Altersgrenze für Flugbegleiter
aufgehoben hat. Oder das Oberlandesgericht Stuttgart,
das einem Mann Schadensersatz zugestand, weil er
allein wegen seiner Hautfarbe bei einer Diskothek abge-
wiesen wurde. Und wir alle haben das Urteil des Bun-
desarbeitsgerichtes mittlerweile umgesetzt, wonach jün-
geren Angestellten nicht weniger Urlaubstage zustehen
als älteren. Das alles sind Entwicklungen, die Ungerech-
tigkeiten beseitigen helfen und die den Betroffenen von
Diskriminierung die Handhabe geben, dagegen vorzuge-
hen. Das AGG ist rechtliches Empowerment und damit
eine Erfolgsgeschichte.
Das sieht ja mittlerweile auch die Bundesregierung
so. Maria Böhmer, die zuständige Integrationsbeauf-
tragte sagte zum fünfjährigen Jubiläum vor zwei Jahren,
dass „das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz in den
fünf Jahren seines Bestehens eine wichtige Säule für ein
tolerantes und gleichberechtigtes Zusammenleben in un-
serem Land geworden“ sei. Hubert Hüppe, der Beauf-
tragte der Bundesregierung für Behinderte, sagt: „Das
Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz stärkt die Rechte
von Menschen mit Behinderung. Es schützt sie vor
Diskriminierungen in wichtigen Lebensbereichen.“
Christian Ahrendt, der Vizepräsident des Bundesrech-
nungshofes und damals noch Parlamentarischer Ge-
schäftsführer der FDP hier im Bundestag, sagte: „Der
rechtspolitische Ansatz des Allgemeinen Gleichbehand-
lungsgesetzes ist der Schritt in die richtige Richtung.“
Es gibt also in allen Fraktionen dieses Hauses Aner-
kennung und Zuspruch zum Allgemeinen Gleichbehand-
lungsgesetz. Das ist erst einmal positiv.
Dennoch halte ich das AGG in verschiedenen Punk-
ten für nachbesserungsbedürftig. Das betrifft die zu kur-
zen Klagefristen ebenso wie die Formulierungen zur
Beweislastumkehr. Vor allem müssen wir auch eine
ernsthafte Debatte führen, ob die Kirchenklausel des
AGG, die den Religionsgemeinschaften sehr weitge-
hende Ausnahmen zugesteht, noch zeitgemäß ist.
Die Fraktion der Linken beantragt heute die Einfüh-
rung eines Verbandsklagerechts im Allgemeinen Gleich-
behandlungsgesetz. Für meine Fraktion kann ich diese
Forderung nur unterstützen. Wir haben dies auch bereits
an verschiedenen Stellen hier im Bundestag gefordert,
zuletzt in unserem Antrag zur Entgeltgleichheit, den wir
vor einem Jahr debattiert haben. Das Verbandsklagerecht
lenkt den Fokus darauf, dass Diskriminierung nicht nur
ein individuelles Problem ist. Es gibt in unserer Gesell-
schaft strukturelle Diskriminierung. Es ist klar, dass Opfer
von Diskriminierung hohe emotionale Hürden übersprin-
gen müssen, bevor sie etwa ihre Arbeitgeber verklagen.
Die Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes, fehlende
Rechtsberatung oder schlicht die Prozesskosten sind nur
einige der Gründe. Häufig fehlen aber schlicht die Daten
und die Kenntnisse, um eine Diskriminierung im Sinne
des AGG mit Indizien untermauern zu können.
Deswegen ist es notwendig, dass die Beschäftigten,
die Betriebs- oder Personalräte sowie die Mitarbeiterver-
tretungen und die zuständigen Gewerkschaften grund-
sätzlich in die Lage versetzt werden, gegen Diskriminie-
rungen rechtlich vorgehen zu können. Der bisher
mögliche individuelle Klageweg ist für die Beschäftig-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 231. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 21. März 2013 28987
(A) (C)
(D)(B)
ten risikoreich und unüberschaubar. Daher wird gar nicht
oder erst zum Ende des Beschäftigungsverhältnisses ge-
klagt. Und selbst wenn die Klage erfolgreich war, bedeu-
tet das nicht, dass andere Beschäftigte davon profitieren.
Das Verbandsklagerecht könnte zu mehr Musterklagen
führen, die grundsätzliche Rechtssicherheit und -ver-
bindlichkeit schaffen. All denjenigen, die nun erneut die
Sorge vor Klagewellen und Bürokratiekosten vor sich
hertragen, sage ich: Diese Klagewellen sind nach dem
Erlass des AGG ausgeblieben, und sie werden auch jetzt
nicht kommen.
Von einem Verbandsklagerecht und mehr Musterkla-
gen profitieren nicht nur die Arbeitnehmerinnen und Ar-
beitnehmer. Auch für die Unternehmen ist es doch von
Interesse, klare Regeln zu haben, die nicht diskriminie-
ren. Denn natürlich findet Diskriminierung am Arbeits-
platz heutzutage nur noch selten aus einer bewussten
Entscheidung heraus statt. Dazu haben die Debatten um
Diversity – Vielfalt – als Bestandteil der Unternehmens-
kultur der letzten Jahrzehnte beigetragen. Nein – Diskri-
minierung, etwa bei der Entgeltungleichheit, ist struktu-
rell begründet, durch falsche Eingruppierungen oder
Geringschätzung von Teilzeitarbeit.
Der Antrag der Fraktion der Linken steht heute zur
ersten Lesung an. Angesichts der wenigen verbleibenden
Sitzungswochen in dieser Legislaturperiode sollten wir
das Thema schnell in den Ausschüssen debattieren.
Nach der Bundestagswahl brauchen wir eine umfassende
Evaluation des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes
und eine Stärkung der Rechte der von Diskriminierung
betroffenen Menschen. Dabei wird ein Verbandsklage-
recht ein zentraler Baustein sein.
Anlage 3
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur
Änderung des Gesetzes über die Kreditanstalt
für Wiederaufbau und weiterer Gesetze (Tages-
ordnungspunkt 18)
Peter Aumer (CDU/CSU): Gegründet in wirtschaft-
lich schwierigen Zeiten nach dem Zweiten Weltkrieg im
Jahre 1948 mit dem Ziel, die deutsche Wirtschaft mit
den Mitteln aus dem Marshallplan wiederaufzubauen, ist
die Kreditanstalt für Wiederaufbau heute ein einzigarti-
ges Beispiel eines bestens funktionierenden staatlichen
Förderinstituts. In 60 Jahren Geschichte hat die KfW bis
heute etwa fast 1 Billion Euro an Darlehen vergeben.
Sie ist heute die weltweit größte staatliche Förder-
bank und hat sich in den letzen Jahren, mit einer Bilanz-
summe von derzeit etwa 500 Milliarden Euro, zur dritt-
größten Bank in ganz Deutschland entwickelt. Vielen
Staaten dient die KfW heute als Vorbild für den Aufbau
eines eigenen Förderinstituts.
Für Deutschland ist die KfW ein unverzichtbarer Be-
standteil unserer staatlichen Förderpolitik geworden. Im
Rahmen ihres Auftrags, der ihr durch das KfW-Gesetz
vorgegeben ist, ist sie vor allem zuständig für die Förde-
rung des technischen Fortschritts und von Innovationen,
des Mittelstands, der Wohnungswirtschaft, der Finanzie-
rung von höherer Bildung, der Entwicklungspolitik und
von vielen weiteren Feldern.
Insbesondere ist die KfW ein unverzichtbarer Partner,
um die Herausforderungen der Energiewende zu meis-
tern. Sie unterstützt die Bereiche, die für eine erfolgrei-
che Wende notwendig sind, nämlich erneuerbare Ener-
gien ausbauen, Energie effizient nutzen und Energie
effizient erzeugen.
Die KfW ist außerdem ein nachhaltig und verantwor-
tungsvoll handelndes Institut. Im Lichte der Finanz-
marktkrise erscheint es dennoch sinnvoll, die zentralen
bankenaufsichtsrechtlichen Standards, die etwa die Min-
destanforderungen an das Risikomanagement, die Ei-
genmittelanforderungen und die Vorgaben für das Kre-
ditgeschäft betreffen, auch auf die KfW anzuwenden.
Bereits heute hält die KfW wesentliche Aufsichtsvor-
schriften freiwillig ein, soweit sie mit ihrem Geschäfts-
modell und dem daraus resultierenden Förderauftrag zu
vereinbaren sind.
Mit dem Entwurf des KfW-Änderungsgesetzes, wel-
chen wir heute in erster Lesung beraten, kommen wir
den Ansprüchen einer effektiven Beaufsichtigung der
KfW nach und legen rechtsverbindliche und transparente
Vorschriften fest, an die sich die KfW in Zukunft halten
muss.
Im Rahmen dessen wird das Bundesministerium der
Finanzen gesetzlich ermächtigt, im Benehmen mit dem
Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie
durch Rechtsverordnung festzulegen, welche bankenauf-
sichtsrechtlichen Vorschriften von der KfW beziehungs-
weise der KfW-Gruppe entsprechend anzuwenden sind.
Dabei muss auch zukünftig die besondere Rolle der
KfW berücksichtigt werden. Der Gesetzentwurf ändert
daher nichts daran, dass die KfW auch weiterhin kein
Kreditinstitut und kein Finanzdienstleistungsinstitut im
Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 6 Nr. 2 KWG ist
und auch weiterhin von den bankenaufsichtsrechtlichen
Regelungen der Europäischen Union ausgenommen
wird. Die KfW gehört ferner zu den „Einrichtungen des
öffentlichen Bereichs“ gemäß § 1 Abs. 30 Satz 2 KWG.
Das Geschäftsmodell und der besondere Förderauftrag
der KfW werden also in ausreichendem Maße beachtet.
Gerade durch das Instrument der Verordnungser-
mächtigung kann sichergestellt werden, welche Regeln
für die KfW im Einzelnen sinnvoll sind und verbindlich
gelten sollten. Zudem kann somit flexibel auf Verände-
rungen der bankenaufsichtsrechtlichen Vorschriften, ins-
besondere auf europäischer Ebene, und auf Veränderun-
gen der deutschen Förderlandschaft reagiert werden. Die
Aufsicht wird in Zukunft in bewährter Weise durch die
Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht und die
Deutsche Bundesbank übernommen.
Die KfW ist ein für Deutschland extrem wichtiges
Förderinstitut. Mit den Regelungen, die wir heute in ers-
ter Lesung beraten, schaffen wir die Grundlage für eine
künftig weitere exzellente Stabilität des Instituts.
28988 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 231. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 21. März 2013
(A) (C)
(D)(B)
Bettina Kudla (CDU/CSU): Mit dem Gesetzentwurf
zur Änderung des Gesetzes über die Kreditanstalt für
Wiederaufbau und weiterer Gesetze schafft die Koalition
mehr Rechtssicherheit und Transparenz in Bezug auf die
Einhaltung bankenaufsichtsrechtlicher Vorschriften durch
die KfW. Das dient einer effektiven Aufsicht wie auch
dem zu Beaufsichtigenden. Kern des Entwurfs ist die
Verordnungsermächtigung für das Bundesfinanzministe-
rium, entsprechend gesetzgeberisch tätig zu werden. Die
Details der Ermächtigung sind dargelegt im neu einzufü-
genden § 12 a des Gesetzes über die KfW.
Bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau handelt es
sich um eine Anstalt öffentlichen Rechts mit speziellem
staatlichen Auftrag. Die KfW gilt daher nach § 2 Abs. 1
des Kreditwesengesetzes – unabhängig von den Ge-
schäften, die sie tatsächlich betreibt – nicht als Kredit-
institut oder Finanzdienstleistungsinstitut im Sinne des
KWG und ist daher im Sinne des § 2 Abs. 2 des Kredit-
wesengesetzes von Vorschriften ausgenommen. Sie ist
grundsätzlich nicht mit Kreditinstituten des privatrechtli-
chen, genossenschaftlichen oder öffentlich-rechtlichen
Sektors zu vergleichen.
Das besondere Geschäftsmodell liegt in ihrem festge-
legten staatlichen Förderauftrag gemäß § 2 des Gesetzes
über die KfW. Dieser umfasst insbesondere die Finanzie-
rung in den Bereichen Mittelstand – also kleine und mitt-
lere Unternehmen – und Existenzgründungen, Wohnungs-
wirtschaft, Umweltschutz, Bildungsförderung für private
Kunden, international vereinbarte Förderprogramme in
Transformations- und Entwicklungsländern sowie Ex-
port- und Projektfinanzierung – auch Projekte im Inte-
resse der Europäischen Union. Die Geschäftstätigkeit
der KfW erstreckt sich somit über Deutschland, Europa
und die Welt. Hierzu unterhält die Kreditanstalt weltweit
Vertretungen.
Die Kreditanstalt für Wiederaufbau ist zwar kein Kre-
ditinstitut im eigentlichen Sinne, jedoch entspricht ihre
Tätigkeit im Grunde denen einer klassischen Bank. Mit
einer Bilanzsumme von 450 Milliarden Euro gehört sie
zu den drei größten Banken in Deutschland und gehört
heute zu 80 Prozent dem Bund und zu 20 Prozent den
Bundesländern. Die KfW refinanziert sich fast aus-
schließlich über die internationalen Kapitalmärkte; allein
im Jahr 2011 mit rund 79 Milliarden Euro, da sie weder
klassische Filialen noch Kundeneinlagen hat. Bei dieser
Größenordnung der Bank selbst und der Tätigkeit an den
Kapitalmärkten sowie aufgrund des Geschäftsmodells
der Kreditvergabe kann man durchaus von einer gewis-
sen Systemrelevanz sprechen, weshalb eine effektive,
rechtssichere Aufsicht Sinn macht.
Die Kreditanstalt für Wiederaufbau ist im Rahmen ih-
res Förderauftrags herkömmlichen Bankenrisiken ausge-
setzt. „Im inländischen Förderkreditgeschäft liegen die
Risikoschwerpunkte im Bereich der Finanzierung von
Gründern von mittelständischen Unternehmen und von
Beteiligungen, da die KfW insbesondere in diesen Seg-
menten der inländischen Förderung auch Endkreditneh-
merrisiken trägt …“, heißt es im Finanzbericht 2011 der
Kreditanstalt. Hieraus wird ersichtlich, dass eine effek-
tive Aufsicht auch im Interesse der Förderbegünstigten
ist.
Um ihren Auftrag sachgerecht und weitgehend risiko-
vorbeugend wahrnehmen und möglichst effektiv fördern zu
können, hält die KfW bereits heute wesentliche Aufsichts-
vorschriften freiwillig ein. Diese sollen nun gesetzlich in
Wort und Schrift durch das Bundesfinanzministerium im
Benehmen mit dem Bundeswirtschaftsministerium
rechtssicher formuliert werden. Hieraus sollen Klarheit
und Sicherheit für alle Beteiligten, das heißt für die Kre-
ditanstalt und deren Aufsicht, entstehen.
Neben einigen eher redaktionellen Änderungen im
Gesetz über die KfW ist der neu einzufügende § 12 a das
Kernstück des Gesetzentwurfs und enthält die Verord-
nungsermächtigung für das Bundesfinanzministerium
sowie die Anforderungsbefugnis. Das heißt, das BMF
wird im Benehmen mit dem Bundeswirtschaftsministe-
rium gesetzlich ermächtigt, durch Rechtsverordnung
festzulegen, welche bankenaufsichtsrechtlichen Vor-
schriften von der KfW bzw. der KfW-Gruppe entspre-
chend anzuwenden sind. Das Instrument der Verordnung
bringt die geeignete Flexibilität und Fallspezifität mit.
Die KfW ist auch weiterhin kein Kreditinstitut und
kein Finanzdienstleistungsinstitut. Die KfW bleibt daher
von bestimmten bankenaufsichtsrechtlichen Regelun-
gen der EU ausgenommen.
Bisher steht die Kreditanstalt für Wiederaufbau unter
der Aufsicht des Bundesfinanzministeriums. Ein Bun-
desministerium kann eine wirksame Aufsicht über ein
solch großes Kreditinstitut nicht mehr gewährleisten –
schließlich handelt es sich um ein Kreditvolumen von
fast 500 Milliarden Euro. Die Überwachungsinstrumente
der BaFin sind ein wirksamer Schutz. Die Aufsicht wird
in Zusammenarbeit mit der Deutschen Bundesbank ge-
mäß den Vorgaben aus dem Kreditwesengesetz erfolgen.
Wichtig ist, dass eine klar abgegrenzte Aufgabenvertei-
lung erfolgt, damit es keine Informationsverluste gibt.
Die Rechtsgrundlage für die Aufsicht durch die BaFin
ergibt sich aus § 6 KWG, die Rechtsgrundlage zur Zu-
sammenarbeit mit der Deutschen Bundesbank aus § 7
KWG. Die Hauptziele der BaFin – so die Bundesanstalt
selbst – bestehen darin, „Missständen im Kreditwesen
entgegenzuwirken, die die Sicherheit der den Instituten
anvertrauten Vermögenswerte gefährden, die ordnungs-
gemäße Durchführung der Bankgeschäfte beeinträchti-
gen oder erhebliche Nachteile für die Gesamtwirtschaft
nach sich ziehen können“.
Hierzu unterzieht die BaFin die betroffenen Institute
der Solvenzaufsicht, der sogenannten laufenden Auf-
sicht. Diese umfasst insbesondere die Überprüfung einer
angemessenen Ausstattung mit Eigenmitteln – deren er-
forderliche Mindesthöhe abhängig ist von den eingegan-
genen Risiken – und einer ausreichenden Liquidität, die
jederzeit die Zahlungsfähigkeit eines Instituts gewähr-
leisten soll. Darüber hinaus prüft die BaFin die Risiken,
welche nicht nach der Solvabilitätsverordnung mit Ei-
genmitteln zu unterlegen sind, und prüft, ob das Institut
über ein geeignetes Risikomanagement verfügt.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 231. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 21. März 2013 28989
(A) (C)
(D)(B)
Als Arbeitsgrundlage dienen der BaFin die Jahresab-
schlüsse und Prüfungsberichte sowie die sogenannten
Monatsausweise – Kurzbilanzen, die die beaufsichtigten
Institute monatlich bei der BaFin einreichen müssen. Da-
neben gibt es eine Reihe von Meldepflichten, beispiels-
weise für Bilanzverluste, Veränderungen in der Ge-
schäftsleitung oder bei Beteiligungen ab 10 Prozent.
Meldepflichtig sind ferner Groß- und Millionenkredite.
Zudem darf sich die BaFin angemeldete wie unangemel-
dete Prüfungen vor Ort vorbehalten.
Auch in ihrer weitreichenden Befugnis, greift die
BaFin nicht in die Geschäftspolitik der Institute ein, son-
dern achtet die Grundpfeiler unserer Wirtschaftsord-
nung.
Lassen Sie mich zum Schluss kommen. Das Gesetz
ist gut. Es fügt sich ein in den neuen Ordnungsrahmen
für die Finanzmärkte. Ein Mehr an Aufsicht stärkt das
Vertrauen in die Kreditanstalt für Wiederaufbau. Für die
„Kunden“ der KfW wird der „Hafen KfW“ noch sicherer
gemacht. Nicht zuletzt profitiert die KfW selbst von ei-
ner effektiven Aufsicht.
Manfred Zöllmer (SPD): Die Kreditanstalt für Wie-
deraufbau gilt heutzutage nicht als Kreditinstitut oder
Finanzdienstleistungsinstitut gemäß dem Kreditwesen-
gesetz. Dies muss schon verwundern, angesichts der Tat-
sache, dass sie nach der Bilanzsumme die drittgrößte
Bank Deutschlands ist.
Die Geschichte dieser Bank geht zurück auf das Jahr
1948. Sie ist die größte nationale Förderbank der Welt
und eine Anstalt des öffentlichen Rechts. Damit hat sie
ein besonderes Geschäftsmodell und unterscheidet sich
fundamental von den normalen Universalbanken.
Wir haben durch die Finanzmarktkrise erlebt, dass
Probleme der Bankenaufsicht nicht unwesentlich zur
Krise beigetragen haben. In Deutschland sind die BaFin
und die Bundesbank für die Bankenaufsicht zuständig.
Zukünftig soll mit der Errichtung der Bankenunion in
Europa die Beaufsichtigung systemrelevanter, grenz-
überschreitender Banken durch die Europäische Zentral-
bank erfolgen.
Die ordnungsgemäße Anwendung der bankenauf-
sichtsrechtlichen Regelungen soll durch die BaFin be-
aufsichtigt werden. Die BaFin nimmt diese Aufgabe
auch bei anderen Förderbanken wahr. Die KfW hält rele-
vante Aufsichtsvorschriften schon jetzt freiwillig ein.
Eine vollständige Übertragung der aufsichtsrechtlichen
Vorschriften für Geschäftsbanken allerdings ist unsinnig,
da das besondere Geschäftsmodell und der Förderauftrag
der KfW dies nicht zulassen.
Der vorliegende Gesetzentwurf der Bundesregierung
will nun festschreiben, welche bankenaufsichtsrechtli-
chen Standards in Zukunft von der KfW verbindlich ein-
zuhalten sind. Dies soll zukünftig mit einer Rechtsver-
ordnung des Bundesministeriums der Finanzen und des
Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie ge-
regelt werden.
Wir begrüßen im Prinzip den vorliegenden Gesetzent-
wurf. Es macht Sinn, auch die KfW verbindlichen auf-
sichtsrechtlichen Verpflichtungen zu unterwerfen. Es
gibt allerdings ein Problem. Die Details der aufsichts-
rechtlichen Verpflichtungen sollen erst nach der Verab-
schiedung des Gesetzes in der angesprochenen Verord-
nung geregelt werden.
In dieser Rechtsverordnung soll geregelt werden, wie
zum Beispiel die Eigenmittelanforderungen, die Min-
destanforderungen an das Risikomanagement und die
Vorgaben für das Kreditgeschäft von der KfW entspre-
chend anzuwenden sind. Wir kennen aber den Inhalt
oder einen konkreten Entwurf der Rechtsverordnung
nicht. Deshalb ist es uns zum gegenwärtigen Zeitpunkt
nicht möglich, eine inhaltliche Prüfung der Vorschläge
jenseits einer grundsätzlichen Zustimmung zu dem Vor-
haben durchzuführen.
Entscheidend für uns ist es, dass das Geschäftsmodell
der KfW als Förderbank des Bundes vollständig erhalten
bleibt. Es bleibt deshalb die Notwendigkeit, die offenen
Fragen im Gesetzgebungsverfahren zu klären.
Björn Sänger (FDP): Die FDP-Fraktion steht die-
sem Gesetzesvorhaben durchaus positiv gegenüber.
Auch stimmen wir dem Vorhaben zu, die staatliche För-
derbank KfW auch weiterhin nicht unter die geplante
europäische Bankenkontrolle fallen zu lassen. Demge-
genüber sieht das Gesetzesvorhaben vor, die Bankge-
schäfte des von Bund und Ländern getragenen Instituts
künftig strenger von der Finanzaufsicht BaFin zusam-
men mit der Bundesbank überwachen zu lassen. Diese
Überwachung ist wichtig und richtig.
Bei der geplanten Bankenaufsicht durch die Europäi-
sche Zentralbank, EZB, sollen Förderinstitute ausge-
nommen werden. Die KfW zählt nicht nur zu den größ-
ten Geldhäusern in Deutschland. Mit einem Gewinn von
voraussichtlich erneut mehr als 2 Milliarden Euro 2012
ist sie auch an die Spitze der ertragsstärksten Banken
Deutschlands gerückt – noch vor der Deutschen Bank.
Als Anstalt öffentlichen Rechts unterliegt die KfW bis-
her aber trotzdem nicht der normalen Bankenaufsicht.
Wesentliche bankrechtliche Regeln setzt die KfW aller-
dings bereits auf freiwilliger Basis um.
Insofern ist es nur vernünftig, dass die KfW ange-
sichts von Größe und Komplexität der Geschäfte künftig
der BaFin-Aufsicht und teils dem KWG unterstellt wer-
den soll. Wie eine Geschäftsbank dürfte sie regelmäßig
über Eigenmittel und Liquidität an die Finanzaufsicht
berichten. Die BaFin nimmt diese Aufgabe auch bei an-
deren Förderbanken wahr und ist dafür am besten geeig-
net.
Mit dem Gesetzentwurf soll diese Praxis also erwei-
tert, kodifiziert und transparent gemacht werden. Die
Regelungen werden damit verbindlich. Zentrale banken-
aufsichtsrechtliche Standards des Kreditwesengesetzes,
KWG, werden entsprechend auf die KfW angewendet.
Die KfW ist auch in Zukunft kein normales Kreditinsti-
tut im Sinne des Kreditwesengesetzes.
28990 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 231. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 21. März 2013
(A) (C)
(D)(B)
Was die KfW jedoch somit ist, ist systemrelevant. Als
solche birgt sie auch Gefahren und Risiken.
Die FDP-Fraktion sieht hier eine Möglichkeit, die Ri-
siken jedenfalls teilweise umzuwandeln; die Gewinne
gereichen dabei wieder dem eigentlichen Zweck der
KfW. Die KfW könnte künftig mehr Projekte in der Ent-
wicklungshilfe, beim Straßen- und Netzausbau sowie in
der Energiepolitik finanzieren, die der Bund bisher di-
rekt aus seinem Etat bestreitet. Diese Umverteilung darf
natürlich nicht die Förderfähigkeit der KfW gefährden.
Mit dem Instrument der Verordnungsermächtigung
wird sichergestellt, dass der Verordnungsgeber die we-
sentlichen Aufsichtsvorschriften detailliert und spezi-
fisch im Hinblick auf die KfW prüfen und nur solche
Regelungen verbindlich für entsprechend anwendbar er-
klären kann, die dem gesetzlichen Förderauftrag und
dem Fördergeschäft der KfW nicht widersprechen. Zu-
dem ist das Instrument der Verordnungsermächtigung
geeignet, flexibel auf Veränderungen der bankenauf-
sichtsrechtlichen Vorschriften, insbesondere auf europäi-
scher Ebene, und auf Veränderungen der deutschen För-
derlandschaft zu reagieren.
Vor diesem Hintergrund wird in der Rechtsverord-
nung geregelt werden, dass zum Beispiel die Eigen-
mittelanforderungen, die Mindestanforderungen an das
Risikomanagement und die Vorgaben für das Kreditge-
schäft von der KfW entsprechend anzuwenden sind. Bei
der Auswahl und Anwendung der im Einzelnen gelten-
den Rechtsvorschriften müssen der staatliche Förderauf-
trag und das besondere Geschäftsmodell der KfW Be-
rücksichtigung finden. Am Gewinnausschüttungsverbot
ändert sich durch das KfW-Änderungsgesetz nichts.
Wir können aufgrund der aufgezeigten Aufsichtsmaß-
nahmen und Kontrollmechanismen ein ausgewogenes
Verhältnis von marktwirtschaftlicher Freiheit und Kon-
trolle erkennen und können dieses Gesetzesvorhaben so-
mit befürworten.
Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE): Wir können von
Glück reden, dass sich die FDP und die Marktradikalen
in der CDU/CSU bei diesem Gesetzentwurf nicht durch-
gesetzt haben. Für diese Kreise ist die staatliche Förder-
bank ein rotes Tuch. Für uns ist es eine Bank, die sich
positiv von den Zockerbanken unterscheidet. Die KfW
versteht sich mit ihren Programmen als Dienstleister für
Bürgerinnen und Bürger und Unternehmen. Ich möchte
hier nur den altersgerechten Umbau von Wohnungen
hervorheben.
Ich will daran erinnern, dass die KfW auch eine wich-
tige Rolle zur Bekämpfung der Finanz- und Wirtschafts-
krise von 2008 spielte. Auf Verlangen der Linken hat die
Bundesregierung von CDU/CSU und SPD – nach lan-
gem Zaudern – ein umfangreiches Konjunkturprogramm
aufgelegt, das von der KfW umgesetzt wurde.
Als Mitglied des Bundestages und des Verwaltungsrats
der KfW war ich besorgt, als die Koalition von CDU/CSU
und FDP den Griff in die Kasse der KfW plante. Sie
wollte das gesetzlich vorgeschriebene Gewinnausschüt-
tungsverbot aufheben. 1 Milliarde Euro wollte die Koali-
tion an Gewinnen abschöpfen, um ihre eigene Haus-
haltsbilanz aufzupolieren. Offensichtlich konnte dieser
Angriff auf die KfW abgewehrt werden. Das ist erfreu-
lich.
Aber: Der Gesetzentwurf hat schwere Mängel. Der
Finanzminister versucht mit diesem Gesetz den Bundes-
tag und den Verwaltungsrat der KfW zu schwächen und
seinen eigenen Einfluss zu erhöhen. Er will mit Verord-
nungsermächtigungen die KfW an die kurze Leine neh-
men. Der Minister könnte als Vorsitzender des Verwal-
tungsrats, ohne Rücksprache mit dem Verwaltungsrat,
gegenüber dem KfW-Vorstand den Willen des Verwal-
tungsrats vertreten. Das ist gefährlich.
So kann die öffentlich-rechtliche Bank zum Spielball
von politischen Interessen werden. Das ist keine gute
Entwicklung.
Die teilweise Kontrolle durch die BaFin ist sinnvoll,
wenn der Verwaltungsrat einbezogen wird. Das ist bisher
nicht geregelt.
Wir bevorzugen das französische Modell. In Frank-
reich muss die Bankenaufsicht bei Problemen mit der
Förderbank den Verwaltungsrat der Bank einschalten.
Der Verwaltungsrat kann dann die notwendigen Maß-
nahmen ergreifen. Das Modell des Finanzministers sieht
dagegen den Direkteingriff der BaFin vor. Das wäre eine
Entmachtung des Verwaltungsrats.
Dem Gesetzentwurf sieht man an, dass sich die Koali-
tionsparteien nur noch gegenseitig blockieren.
Es gibt Regelungsbedarf, doch CDU/CSU und FDP
haben kein Interesse. Ich nenne nur ein Beispiel. In der
FAZ vom 17. März 2013 wird behauptet, dass der Ver-
waltungsrat über die Gehälter der KfW-Vorstände ent-
scheidet. Das ist nicht der Fall. Der sehr kleine Präsidial-
ausschuss entscheidet darüber. Es ist schon verlogen,
wenn die Bundesregierung über die Begrenzung der Ma-
nagergehälter öffentlich debattiert und die Aktionärsver-
sammlung über die Gehälter der Vorstände abstimmen
lassen will und gleichzeitig bei der staatlichen Förder-
bank den Verwaltungsrat vor die Tür setzt, wenn es um
die Gehälter der KfW-Vorstände geht.
Der neue KfW-Chefökonom Jörg Zeuner hat in einem
Interview (Berliner Zeitung; 2/3. März 2013) Investitio-
nen von 30 bis 40 Milliarden Euro pro Jahr gefordert.
Diese Forderung teilt unsere Fraktion. Die KfW
könnte bei einem solchen Investitionsprogramm eine
zentrale Rolle spielen. Doch die Bundesregierung hat in
ihrem Haushaltsentwurf für 2014 die Investitionen ge-
kürzt. Das ist der falsche Weg.
Der Gesetzentwurf muss unbedingt ausführlich bera-
ten werden, um die handwerklichen Fehler zu beseitigen,
aber vor allem, um die Entmachtung des Bundestages
und des Verwaltungsrats zu verhindern.
Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Die Kreditanstalt für Wiederaufbau ist nach Deutscher
Bank und Commerzbank das drittgrößte Geldinstitut in
Deutschland. Ihre Bilanzsumme ist mit 500 Milliarden
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 231. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 21. März 2013 28991
(A) (C)
(D)(B)
Euro fast doppelt so groß wie der Bundeshaushalt. Des-
wegen muss man dafür sorgen, dass hier keine Fehler
passieren. Denn der Bund haftet für die Verbindlichkei-
ten der KfW. Viel wichtiger ist daher eine effektive Be-
aufsichtigung, die allerdings bisher nicht gewährleistet
ist. Denn die KfW untersteht weder wie normale Banken
der Aufsicht von Bundesbank und BaFin, noch gelten
für sie die Regeln des Kreditwesengesetzes. Vielmehr
sind Wirtschafts- und Finanzministerium dafür zustän-
dig, auf die KfW aufzupassen.
Nicht nur wir Grünen haben in den vergangenen Jah-
ren deshalb immer wieder auf die bisher unzureichende
Beaufsichtigung der KfW hingewiesen. Auch der Bun-
desrechungshof rügte die aus seiner Sicht unzureichende
Aufsichtspraxis. So konnte der Rechnungshof „eine ak-
tive Wahrnehmung der gesetzlich geregelten Aufsichts-
möglichkeiten gegenüber der KfW durch das BMWi
nicht nachvollziehen“ und sah Interessenkonflikte beim
BMF.
Richtig ist also der Grundsatz, die KfW stärker zu be-
aufsichtigen. Richtig ist auch, dass man die KfW nicht
einfach dem Kreditwesengesetz und der Bankenaufsicht
unterwerfen sollte, als wäre sie eine ganz normale Ge-
schäftsbank. Denn das ist die KfW nicht. Sie hat als För-
derinstitut Aufgaben in der Entwicklungszusammen-
arbeit und bei der Durchführung von Transaktionen für
den Bund, was sie deutlich von normalen Banken unter-
scheidet.
Falsch ist allerdings, dass Sie die konkreten Anwen-
dungsbereiche des künftig durch die KfW zu erfüllenden
Bankenaufsichtsrechts auf ungewisse Zukunft verschie-
ben und per Ermächtigung des Bundesfinanzministe-
riums – also vorbei an Bundestag und Bundesrat – regeln
wollen. Offenbar wollen Sie mit dem Gesetzentwurf
nach außen vor allem Ihren Koalitionsvertrag abarbei-
ten, sind sich intern aber gar nicht einig darüber, welche
konkreten Regelungen nach dem Kreditwesengesetz die
KfW künftig überhaupt erfüllen soll. Das eigentlich Inte-
ressante und Wichtige, welchen Regeln denn die KfW
unterworfen werden soll, steht also in dem Gesetzent-
wurf gar nicht drin.
Offenbar herrscht bei Ihnen noch nicht einmal da-
rüber Konsens, die KfW künftig der Aufsicht von BaFin
und Bundesbank zu unterstellen. Denn ansonsten wür-
den Sie diesen Weg ja hier per Gesetz gehen und nicht
nur eine entsprechende Ermächtigung für die Bundesre-
gierung schaffen.
Dass die schwarz-gelbe Koalition für diesen Gesetz-
entwurf dreieinhalb Jahre gebraucht hat, ist eine schwa-
che Leistung. Vor allem aber verschiebt sie die Verant-
wortung aus dem Bundestag heraus hin zur Regierung.
Warum sollten wir Parlamentarier das nach den Er-
fahrungen mit der unzureichenden Beaufsichtigung der
KfW durch die Ministerien tun?
Auch die Neuregelungen zum Verwaltungsrat sind
vor allem fragwürdig und schwächen dieses wichtige
Kontrollorgan eher, als dass sie es stärken. So kann der
Verwaltungsrat künftig nur noch allgemeine und keine
besonderen Weisungen mehr an den Vorstand erlassen.
Auch darf der Verwaltungsrat künftig nicht mehr eines
seiner Mitglieder in den Vorstand abordnen. Außerdem
werden Sie dem Anspruch Ihres Koalitionsvertrags, die
Verwaltungs- und Aufsichtsstrukturen der KfW deutlich
zu straffen, nicht gerecht. Dazu wäre dann wohl eine
Verkleinerung des Verwaltungsrats erforderlich. Warum
macht die Koalition denn da gar nichts? Gilt Ihr Koali-
tionsvertrag schon nicht mehr?
Die eigenen Ziele zu erreichen, übersteigt immer wie-
der die Kraft dieser Koalition. Der vorliegende Gesetz-
entwurf ist ein weiterer Beleg dieses Befundes. Sie
liefern gerade noch die richtigen Überschriften. Aber die
konkreten Inhalte sind – wie schon so oft – schlicht man-
gelhaft.
Anlage 4
Zu Protokoll gegebene Rede
zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zu
dem Handelsübereinkommen vom 26. Juni 2012
zwischen der Europäischen Union und ihren
Mitgliedstaaten einerseits sowie Kolumbien und
Peru andererseits (Tagesordnungspunkt 22)
Dr. Martin Lindner (Berlin) (FDP): Der von der
Bundesregierung eingebrachte Entwurf eines Gesetzes
zu dem Handelsübereinkommen zwischen der Europäi-
schen Union sowie Kolumbien und Peru birgt immense
wirtschaftliche und gesellschaftliche Potenziale. Frei-
handel und der Abbau von tarifären sowie nichttarifären
Handelshemmnissen führt ohne Zweifel für alle Akteure
zu mehr Wohlstand. Es ist ein klares Zeichen gegen Pro-
tektionismus und Rückwärtsgewandheit.
Die Ausgestaltung des Freihandelsabkommens zwi-
schen der Europäischen Union und Peru und Kolumbien
wurde einvernehmlich vereinbart und führt zu einer Ver-
tiefung der Handelsbeziehungen. Das Abkommen schafft
stabile Regeln und einen institutionellen Rahmen, der die
wirtschaftlichen und sozialen Umstände substanziell ver-
bessert. Allein durch die sukzessive Abschaffung von
Zollbarrieren tun sich bis zu 500 Millionen Euro Ein-
sparpotenziale auf. Deshalb wurde das Ratifizierungsge-
setz zur Zustimmung zum bilateralen Abkommen auch
ohne Einwände einstimmig am 1. Februar 2013 im Bun-
desrat beschlossen. Und auch das Europäische Parla-
ment hat dem mit großer Mehrheit zugestimmt. Ausnah-
men bildeten lediglich die Linken und Grünen.
Das Handelsabkommen gewährt Peru und Kolumbien
einseitige Übergangsfristen bis zur vollständigen Ab-
schaffung von Zöllen. Insbesondere empfindliche Er-
zeugnisse des Agrarsektors werden berücksichtigt und
genießen einen angemessenen Schutz durch längere
Übergangszeiten, Zollkontingente und weitere Maßnah-
men, wenn es zu übermäßigen Einfuhren kommt.
Unsere Wirtschaftspolitik eröffnet den beiden Ländern
die Möglichkeit, in einem geeigneten Anpassungsprozess
ihre Chancen zu nutzen und mithilfe der Europäischen
Union ihre Wirtschaftskraft stetig weiterzuentwickeln.
Die Befürchtungen einiger NGOs und Gewerkschafts-
28992 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 231. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 21. März 2013
(A) (C)
(D)(B)
verbände der betreffenden Länder, dass es im eigenen
Markt zu Benachteiligungen kommt, sind somit nicht
haltbar.
Die inhaltliche Ausgestaltung unseres Gesetzentwurfs
ist in ihrer Form einmalig und geht weit über die Anfor-
derungen der WTO-Übereinkommen hinaus. Art. 1 und
8 des Vertrages besagen, dass bei Verstößen gegen Men-
schenrechte und Rechtsstaatlichkeit konkrete Maßnah-
men ergriffen werden können, die letztlich auch zu einer
Aufhebung des Vertrages führen können. Art. 23 setzt
außerdem fundamentale Standards bezüglich der Ar-
beitsrechte. Die populistischen Anwürfe der Opposition
gehen somit ins Leere und sind eindeutig widerlegt.
Festzuhalten ist, dass das Handelsübereinkommen in
unserer vorgelegten Form zu einer erheblichen Transpa-
renz und Verfahrenssicherheit für alle beteiligten Ak-
teure führt, auch für die Zivilgesellschaft. Mit einem
effizienten Streitschlichtungs- und Mediationsmechanis-
mus wurde die Basis geschaffen, auch politische Be-
lange zu thematisieren und zu schnellen und einver-
nehmlichen Lösungen zu kommen. Der konstruktive
Austausch während des Verhandlungsprozesses und die
Entwicklung der Roadmaps für Menschenrechte, Ar-
beitsrechte und Umweltschutz zeigen die Entschlossen-
heit Perus und Kolumbiens. Die Bemühungen und zahl-
reichen Zugeständnisse der Regierungen, um ihre
zugegebenermaßen schwierige innenpolitische Situation
zu bewältigen, muss auch die Opposition anerkennen.
Deshalb ist die Haltung der Opposition nicht nach-
vollziehbar, die unternommenen Anstrengungen der bei-
den Länder nicht zu honorieren. Wir geben ihnen mit
dem Handelsabkommen die Chance, durch freien Zu-
gang zum europäischen Markt zu mehr Wohlstand zu
kommen und sich gesellschaftlich zu entwickeln. Pater-
nalistische Bevormundung, wie sie Linke und Grüne in
diesem Haus mit ihrem neokolonialistischen Gebaren
immer wieder betreiben, ist vor allem im Rahmen eines
Handelsabkommens völlig deplatziert.
Demgegenüber erkennen wir Peru und Kolumbien als
souveräne und selbstbewusste Staaten an, die gerade in
ihrer Region in den letzten Jahren eine große Erfolgsge-
schichte geschrieben haben. Das Übereinkommen setzt
nicht nur auf eine Ausweitung von Handelsbeziehungen
zwischen Südamerika und Europa, sondern bietet vor al-
lem einen institutionellen Rahmen, eine echte Partner-
schaft einzugehen.
Anlage 5
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des Antrags: Rückkehrrecht auf
Vollzeit gesetzlich verankern (Zusatztagesord-
nungspunkt 8)
Paul Lehrieder (CDU/CSU): Die Familienpolitik
spielt in der CSU seit jeher eine große Rolle. Die Familie
ist und bleibt die tragende Säule unserer Gesellschaft.
Zentraler Grundsatz christlich-sozialer Politik ist es, die
Institution Familie zu schützen, zu fördern und deren
Werte zu bewahren. Getreu unseres Grundsatzes „näher
am Menschen“ stellt sich die Familie als ein Ort dar, wo
Werte und Einstellungen geprägt und Respekt und Ver-
antwortung für unsere Mitmenschen vorgelebt werden.
Der Zusammenhalt der verschiedenen Generationen
wird bei uns großgeschrieben.
Daher wollen wir eine Familienpolitik, die alle Fami-
lien in jeder Hinsicht verlässlich unterstützt, ihnen je-
doch gleichzeitig auch genügend Freiheit zur eigenen
Entfaltung bietet.
Wir möchten die Kinder- und Familienfreundlichkeit
in Deutschland weiter voranbringen. Dies beinhaltet
aber auch, dass das Verständnis für die jeweiligen Situa-
tionen innerhalb der Familien in der Arbeitswelt Berück-
sichtigung findet. Das Arbeitsumfeld muss den Bedürf-
nissen der Familien gerecht werden, statt umgekehrt
zunehmend eine Anpassung der Familien zu fordern.
Neben flexiblen Arbeitszeitmodellen, mehr Anerken-
nung für Väter in Elternzeit und mehr Frauen in Füh-
rungspositionen gehört in diese Aufzählung auch – und
da bin ich Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen der
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, für Ihren Diskussions-
beitrag sehr dankbar – die Auseinandersetzung mit ei-
nem Rückkehrrecht auf einen Vollzeitjob für Väter und
Mütter, die wegen Kindererziehung ihre Arbeitszeit ver-
kürzt haben.
Nicht nur zur Unterstützung der Familien, sondern
gerade auch vor dem Hintergrund des drohenden Fach-
kräftemangels muss das berufliche Engagement von
Müttern gesteigert werden. Die heutige Generation der
jungen Frauen ist so gut ausgebildet wie keine Genera-
tion vor ihr. In der heutigen Zeit steht nicht mehr die
Entscheidung „Familie oder Beruf“ an, sondern es muss
ganz selbstverständlich die Entscheidung „Familie und
Beruf“ getroffen werden können, ohne hierdurch Nach-
teile zu erleiden.
Der bereits eingeführte Rechtsanspruch auf Teilzeit
hat dazu beigetragen, nicht nur die Vereinbarkeit von Fa-
milie und Beruf zu erleichtern und Eltern für ihre ver-
schiedenen Lebensphasen das passende Modell bereitzu-
stellen, sondern auch dafür Sorge getragen, dass wir im
Bereich der Beschäftigungsquote bei Müttern an zweiter
Stelle in Europa stehen.
Die Entscheidung für die Teilzeit ist eine Entschei-
dung für die Familie und muss als Ausdruck der Wahl-
freiheit der Familien geschützt und gefördert werden.
Gerade im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 GG werden dafür
auch in gewissem Rahmen wirtschaftliche Belastungen
für den Arbeitgeber gerechtfertigt.
Dieser Tatsache wurde mit dem Bundeselterngeld-
und Elternzeitgesetz, BEEG, Rechnung getragen. Dem-
nach haben Eltern bis zur Vollendung des dritten Le-
bensjahres des Kindes einen Anspruch auf Elternzeit.
Diese kann auch in einer Vereinbarung zur Verringerung
der Arbeitszeit bestehen. Somit haben Eltern im Rahmen
der Elternzeit einen Anspruch auf Teilzeitarbeit.
Zudem haben Arbeitnehmer in Teilzeit bereits heute
ein Recht auf Verlängerung ihrer Arbeitszeit. § 9 Teilzeit-
und Befristungsgesetz, TzBfG, begründet ein solches
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 231. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 21. März 2013 28993
(A) (C)
(D)(B)
Recht, wenn sie diese ihrem Arbeitgeber anzeigen und
keine dringenden betrieblichen Gründe entgegenstehen.
Damit wurde die EU-Richtlinie 97/81/EG umgesetzt, die
einen Anspruch auf vorzugsweise Befriedigung von Ar-
beitnehmern vorsieht, die einen Teilzeitwunsch geltend
gemacht haben und ihre Arbeitszeit wieder erhöhen wol-
len.
Des Weiteren muss der Arbeitgeber nach § 106
GewO bei der Bestimmung der Zeit der Arbeitsleistung
billiges Ermessen walten lassen. Damit ist heute bereits
sichergestellt, dass der Arbeitgeber Arbeitszeiten nicht
einseitig und willkürlich bestimmt.
In Deutschland arbeiten momentan 81 Prozent der
Männer und 71 Prozent der Frauen zwischen 20 und
64 Jahren. 45 Prozent der Frauen arbeiten in Teilzeit;
hier liegt der EU-Durchschnitt bei 32 Prozent – lediglich
die Niederlande haben mit 76 Prozent eine höhere Teil-
zeitquote bei Frauen.
Allerdings darf eine Beschäftigung in Teilzeit nicht
– wie es jedoch leider noch zu oft der Fall ist – in einen
Dauerzustand münden. Oft wird der Arbeitnehmer und
noch öfter die Arbeitnehmerin in Teilzeit auf einen ge-
ringer qualifizierten und weniger ambitionierten Arbeits-
platz versetzt. Hier wird oft sehr präsenzorientiert ge-
dacht.
Gefragt sind hier auch in erster Linie die Unterneh-
men, die in ihrem eigenen Interesse Eltern den Übergang
von einer Teilzeitstelle hin zu einer Vollzeitstelle erleich-
tern sollten. Im Rahmen der besseren Vereinbarkeit von
Pflege und Beruf muss meiner Ansicht nach auch die
Wirtschaft beispielsweise durch den verstärkten Aufbau
von sogenannten Betriebskitas in die Pflicht genommen
werden.
Auch die Sozialpartner und Tarifpartner müssen sich
verstärkt um Umsetzung von diesbezüglichen Vereinba-
rungen bemühen.
Unser Ziel ist es, dass auf lange Sicht die Entschei-
dung zwischen Karriere und Familie überflüssig wird
und beides Hand in Hand geht.
Als weiterer Schritt in diese Richtung muss natürlich
auch die gesetzliche Regelung der Rückkehr zur Vollzeit
angedacht und diskutiert und überprüft werden, ob das
geltende Teilzeitrecht noch den Anforderungen unserer
modernen Arbeitsgesellschaft in ausreichendem Maße
Rechnung trägt. Eltern dürfen keine Angst haben, durch
den Wunsch, das eigene Kind zu betreuen und aufwach-
sen zu sehen, die Chance auf berufliches Voranschreiten
nach der Teilzeit verspielt zu haben.
Eine gesetzliche Regelung zur Rückkehr in die Voll-
zeit muss eindeutig Rechte und Pflichten sowohl von Ar-
beitgeber als auch Arbeitnehmer beinhalten. Hier muss
ein gerechter Interessenausgleich gefunden werden. So
ist es einerseits, wie bereits festgestellt, dem Arbeitneh-
mer nicht zuzumuten, durch die Elternzeit auf ein Ab-
stellgleis zu geraten, andererseits kann auch der Arbeit-
geber nicht über Jahre genau diesen einen Arbeitsplatz
frei halten. Flexibilität und Planungssicherheit sowohl
für Arbeitnehmer wie Arbeitgeber sind zur nachhaltigen
Problemlösung die zentralen Eckpunkte.
Der im europäischen Vergleich sehr hohe Anteil an teil-
zeitbeschäftigten Frauen bei einer gleichzeitig geringen
durchschnittlichen Wochenarbeitszeit von 18,5 Stunden
spricht für einen Handlungsbedarf zur Fortentwicklung
des Teilzeitrechts. Gerade im Zuge des demografischen
Wandels und des Fachkräftemangels könnten hierdurch
zusätzliche Vollzeitstellen geschaffen werden. Unterneh-
men, die keine flexiblen und zeitlich begrenzten Teilzeit-
möglichkeiten anbieten, laufen Gefahr, die dringend be-
nötigten Fachkräfte sowie auch die Investitionen in die
Qualifizierung der Mitarbeiter zu verlieren.
Die Tatsache, dass Teilzeitarbeit als Haupterwerbstä-
tigkeit für einen langen Zeitraum im Hinblick auf den
weiteren Erwerbsverlauf und eine Absicherung im Alter
negative Auswirkungen hat, darf ebenfalls nicht außer
Betracht bleiben – vom geringen Bruttoeinkommen wird
nur ein geringer Betrag in die Rentenkasse abgeführt.
Mit der Möglichkeit der Inanspruchnahme der Teil-
zeit nicht nur für eine unbestimmte Zeit, sondern auch
für eine zeitlich begrenzte Dauer und der Möglichkeit,
anschließend automatisch zur früheren Arbeitszeit zu-
rückzukehren, erhalten Arbeitnehmerinnen und Arbeit-
nehmer mehr Flexibilität bezüglich der Vereinbarkeit
von Familie und Beruf. Hierdurch hätten die Arbeitgeber
zusätzlich Planungssicherheit, wären nicht unzumutbar
belastet und könnten die jeweiligen Fachkräfte im Unter-
nehmen halten.
Auf dem Weg zur besseren Vereinbarkeit von Familie
und Beruf sind neben den bereits durch die christlich-li-
berale Koalition auf den Weg gebrachten Verbesserun-
gen weitere möglich.
Ich bin davon überzeugt, dass wir bei den Überlegun-
gen für eine mögliche Weiterentwicklung des Teilzeit-
rechts einen ausgewogenen Ausgleich der Interessen der
Arbeitgeber und Arbeitnehmer erreichen werden.
Sie sind herzlich eingeladen, uns hierbei weiter durch
konstruktive Diskussionsbeiträge zu unterstützen.
Gabriele Lösekrug-Möller (SPD): Unser Ziel ist,
dass Menschen selbst über ihr Leben entscheiden – so,
wie sie es für richtig halten. Ja, dafür braucht es eine in-
dividuelle und effektivere Gestaltung von Arbeitsweise,
Arbeitszeit und Arbeitsort. Nur mit einer neuen Arbeits-
kultur und mit flexiblen Karrierewegen werden Frei-
räume geschaffen, die alle brauchen – hier und jetzt und
im Laufe des Lebens. Mehr Zeit für sich und seine bzw.
ihre Familie ist die wichtigste Voraussetzung für indivi-
duelle Zufriedenheit und gesellschaftlichen Zusammen-
halt.
Und ja, der Antrag der Grünen greift eine Facette die-
ses großen Themas auf. Sozialdemokratinnen und So-
zialdemokraten sind allerdings davon überzeugt, dass
gute Lösungen nur in einem abgestimmten Gesamtkon-
zept ihre positiven Wirkungen entfalten können.
Um die Voraussetzungen dafür schaffen zu können,
müssen unterschiedliche Maßnahmen ineinandergreifen.
28994 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 231. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 21. März 2013
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(D)(B)
Gern erläutere ich unseren Ansatz: Wir wollen ein umfas-
sendes Konzept für Arbeitszeitmodelle. Denn Menschen
haben in unterschiedlichen Abschnitten ihres Lebens
verschiedene Zeitbedürfnisse. Daher brauchen wir recht-
liche Regelungen, um eine bessere Vereinbarkeit von
Beruf und Familie und mehr Partnerschaftlichkeit zu er-
möglichen. Dazu gehören: Ein Recht auf Teilzeit, das
sich besser durchsetzen lässt. Dabei geht es vor allem
auch um geschlechtergerechte Teilzeitmodelle von
30 Wochenstunden. Ein Rechtsanspruch auf befristete
Teilzeit, der den Wechsel von Teilzeit- in Vollzeitbe-
schäftigung erleichtert. Damit gilt für Arbeitnehmerin-
nen und Arbeitnehmer nach einer bestimmten Zeit in
Teilzeit wieder ihre alte Arbeitszeit. So kann verhindert
werden, dass eine Reduzierung der Arbeitszeit in eine
„Teilzeitfalle“ mündet. Arbeitnehmerinnen und Arbeit-
nehmer sollen die befristete Arbeitszeitreduzierung auch
verlängern können. Auch ein Rückkehranspruch auf
Vollzeit muss gesetzlich verankert werden. Eine klare
Regelung, wie der Anspruch auf Aufstockung der Ar-
beitszeit verwirklicht werden kann. Vorgaben für Ar-
beitszeitkonten. Dadurch werden kurzzeitige Arbeits-
unterbrechungen beispielsweise zur Organisation von
Pflege und Betreuung möglich. Anreizsysteme für Be-
triebe, um Optionszeiten – Erziehungs-, Bildungs- oder
Pflegezeit oder auch andere Formen sozialer Arbeit –,
Flexibilisierungsmodelle und Lebensarbeitszeitkonten
einzuführen. Wir brauchen ein neues Konzept zur Wo-
chenarbeitszeit. Es soll an einem Runden Tisch mit den
Sozialpartnern erarbeitet werden. Wir wollen die Verein-
barkeit von Ausbildung und Familie verbessern – in al-
len Lebensphasen. Ausbildung muss auch in Teilzeit
möglich sein. Ein „Erwachsenen-BAföG“ und die Auf-
hebung von Altersbegrenzungen für Ausbildungen und
Stipendien sind vonnöten. Wir wollen eine geschlechter-
gerechte Arbeitsmarktpolitik. Dazu gehört die Einfüh-
rung eines flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohns
von 8,50 Euro die Stunde. Auch die Entgeltgleichheit für
Männer und Frauen muss verwirklicht werden. Die sach-
grundlose Befristung muss abgeschafft werden. Und wir
brauchen eine gendersensible Betreuung durch Arbeits-
agenturen und Jobcenter.
Ich könnte hier noch viele weitere Punkte aufführen,
weit über die Arbeitsmarktpolitik hinaus. Denn Fragen
der Betreuung und Bildung unserer Kinder gehören ge-
nauso dazu wie Regelungen im Bereich der Pflege.
Ein Hinweis ist mir besonders wichtig. Ganz
Deutschland diskutiert zurzeit den bestehenden und wei-
ter drohenden Fachkräftemangel. In den SAGE-Berufen
und manchem MINT-Beruf haben wir tatsächlich bereits
so lange Vakanzzeiten, dass wir von einem Mangel spre-
chen müssen. Die SPD-Bundestagsfraktion hat dazu ein
schlüssiges Konzept vorgelegt, dessen Lektüre ich allen
empfehlen kann. Neben vielen guten Ansätzen ist ein
zentraler Lösungsansatz die Verbesserung der Vollzeit-
beschäftigungsquote von Frauen. Aus der Teilzeit in die
Vollzeit ist eine der größten und am schnellsten zu reali-
sierende Ressource. Blockiert wird dieser Lösungsweg
aber häufig durch fehlende Betreuungsangebote für Kin-
der und zu betreuende Familienangehörige. Auch hier
hat diese Bundesregierung versagt.
Gern komme ich zurück auf den Antrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen. Er greift die Ankündigungs-
politik von Familienministerin Schröder auf. Oft genug
lässt uns diese Ministerin teilhaben an ihren gewonnen
Erkenntnissen aus dem Alltag von Frauen und Familien.
Aber weder halten diese Erkenntnisse vor – man/frau
kann nur vermuten, dass sie das Kurzzeitgedächtnis
nicht überstehen –, es folgt auch ganz konsequent kei-
nerlei Tat. Über fehlende Durchsetzungskraft mag ich
nicht mehr philosophieren; denn das würde Handlungs-
absicht voraussetzen.
Ich fasse zusammen: guter Antrag, weitgehende
Übereinstimmung und deshalb Zustimmung.
Johannes Vogel (Lüdenscheid) (FDP): Niemand,
aber auch wirklich niemand – denke ich zumindest, für
meine Fraktion jedenfalls kann ich das bestätigen – hält
das Thema „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ nicht
für ein zentrales. Mal abgesehen davon, dass es uns im-
mer darum gehen sollte, die Rahmenbedingungen für El-
tern und ihre Kinder möglichst sinnvoll auszugestalten,
gibt es auch eine ganz schlichte arbeitsmarktpolitische
Notwendigkeit, und die nennt sich Fachkräftemangel.
Wir dürfen uns nicht mehr ein gesellschaftliches Klima
und ein rechtliches Gerüst leisten, das im Grunde den
vollständigen Rückzug aus der Arbeitswelt für zumin-
dest ein Elternteil nahelegt, sobald erst einmal ein Kind
da ist. Stattdessen brauchen wir ein gesellschaftliches
Klima und ein rechtliches Gerüst, das den Eltern die
Freiheit lässt, eine Lösung gemäß ihren individuellen
Bedürfnissen zu finden. Im Ergebnis – da bin ich mir si-
cher – hätten wir dann einen geringeren Rückzug aus der
Arbeitswelt, weil für ganz viele Menschen Arbeit zu
Recht mehr bedeutet als Broterwerb, nämlich Teilhabe,
Selbstverwirklichung und Lebensqualität. Und dies än-
dert sich auch nicht, nur weil ein Mann oder eine Frau
dann auch Vater oder Mutter ist. Deswegen ist es extrem
wichtig, dass wir uns intensiv und breit mit dem Thema
Vereinbarkeit beschäftigen.
Dass die Bundesregierung dies auch tut, steht glückli-
cherweise außer Zweifel. Die beiden Ministerinnen
Schröder und von der Leyen haben ja gerade ein Eck-
punktepapier zu einem bestimmten Teilaspekt der Ge-
samtproblematik vorgestellt, nämlich zu der Frage, wie
eine einmal reduzierte Arbeitszeit wieder ausgedehnt
werden kann und ob es dazu einer Änderung bestehender
Gesetze bedarf. Die Ministerinnen haben dazu Vor-
schläge gemacht, und – da spreche ich zumindest für un-
sere liberale Bundestagsfraktion – wir werden das breit
und differenziert diskutieren: erstens, weil wir der Über-
zeugung sind, dass ein breiter und differenzierter Ansatz
sinnvoll ist, und zweitens, weil Schnellschüsse über-
haupt nichts bringen.
Damit, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grü-
nen, bin ich bei Ihrem Antrag angekommen. Der kam ja
ganz schnell, und wenn man ihn mal liest, dann weiß
man auch, warum. Es steht nämlich so gut wie nichts
drin, nur ein mickriger Satz, mit dem die Bundesregie-
rung aufgefordert wird, einen Gesetzentwurf vorzulegen,
mit dem der gesetzliche Anspruch auf Reduzierung der
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 231. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 21. März 2013 28995
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(D)(B)
Arbeitszeit, der Teilzeitanspruch, mit einem gesetzlichen
Anspruch auf Ausdehnung der zuvor reduzierten Ar-
beitszeit ergänzt werden soll. Sie nennen das „Rückkehr-
recht auf Vollzeit“. Einfacher hätten Sie es sich nicht
machen können, und deshalb sage ich Ihnen auch: Sie
machen es sich zu einfach, viel zu einfach. Jeder Mensch
weiß, dass man Arbeitszeiten nicht einfach so heute run-
ter- und morgen wieder hochschrauben kann. Denken
Sie denn beispielsweise gar nicht an Ihre Arbeitnehmer
und Arbeitnehmerinnen? Sie sind als Abgeordnete doch
alle selbst Arbeitgeber. Da frage ich mich doch schon,
wie Sie sich das vorstellen. Einer ihrer Mitarbeiter redu-
ziert seine Arbeitszeit, Sie stellen dafür eine weitere Mit-
arbeiterin ein, die aber sofort wieder gefeuert werden
muss, wenn der Mitarbeiter Nummer eins seine Vollzeit-
stelle wieder zurückhaben möchte, oder wie? Und bitte
lassen Sie doch auch diese vollkommen unlogischen und
unnötigen Spielereien, und schreiben Sie nicht mehr in
Ihre Anträge, dass beispielsweise Minijobs eine eigen-
ständige Existenzsicherung von Frauen verhindern. Das
tut nämlich nicht der Minijob – bei Frauen nicht und bei
Männern auch nicht –, sondern eine eigenständige Exis-
tenzsicherung wird allein durch ein zu geringes Einkom-
men oder Arbeitslosigkeit verhindert. Jeder wünscht
sich, dass beispielsweise in Teilzeit beschäftigte Frauen
ihre Arbeitszeit ausdehnen, wenn sie es denn wollen.
Aber die Hürden liegen hier nun wirklich nicht im Mini-
job begründet, sondern ganz woanders.
Klar sind also zwei Dinge: Das Thema „Vereinbarkeit
von Familie und Beruf“ ist enorm wichtig, und für Ihren
Antrag gilt das Gegenteil. Wir diskutieren das mit der
gebotenen Sorgfalt, und wir werden da zu einer umfas-
senden Position kommen. Das schulden wir auch den
Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmern und den Unterneh-
mern und Unternehmerinnen im Land. Wenn wir alle in-
tensiv nachdenken und dann an einem Strang ziehen,
wird es uns gelingen, zu passgenauen Lösungen zu kom-
men. Wenn Sie jetzt völlig einseitig die Brechstange an-
setzen, lösen Sie gar nichts, sondern machen allenfalls
etwas kaputt.
Jutta Krellmann (DIE LINKE): 39 Prozent der
Frauen und 28 Prozent der Männer bereuen, dass sie El-
ternzeit genommen haben! Da müssen doch bei uns allen
die Alarmglocken läuten, was ist denn da los? Was pas-
siert, wenn diese Menschen zurück an ihren Arbeitsplatz
kommen?
Wegen Elternschaft in Teilzeit zu gehen ist inzwi-
schen in den meisten Betrieben kein Problem mehr, zu-
mindest für die Frauen. Für Männer ist es nach wie vor
ein ungewöhnlicher Schritt und sie werden oft schief an-
geguckt. Die Linke sagt: Das Recht auf Teilzeitarbeit
muss uneingeschränkt für alle gelten. Der Wechsel von
Voll- in Teilzeit ist in den meisten Betrieben/Fällen mög-
lich, aber einmal drin in der Teilzeitfalle, kommen die
wenigsten wieder heraus.
Teilzeit ist allerdings auch Karrierekiller Nummer
eins in Deutschland, sagt man. Das erschließt sich auch
jedem, wenn man an die Unternehmenskultur in
Deutschland denkt. Denn als fleißig gilt derjenige, der
um 19 Uhr noch im Büro sitzt, und nicht vielleicht derje-
nige, der schon um 16 Uhr gegangen ist, weil er effizien-
ter gearbeitet hat. Wer in Teilzeit arbeitet, der ist bei
wichtigen Besprechungen oft nicht mehr da, der ist
abends auch nicht mehr dabei, wenn noch gemeinsam
das eine oder andere besprochen wird, der wird auch
nicht auf Dienstreise geschickt und bekommt die Beför-
derung nicht.
Arbeitszeit muss so gestaltet werden, dass Mütter und
Väter die Möglichkeit haben, sowohl erwerbstätig zu
sein als auch ihren Beruf mit der Familie zu vereinbaren.
Die Linke fordert deshalb eine kürzere Vollzeit bei vol-
lem Lohnausgleich für alle. Das wäre durchaus machbar,
wenn Arbeit umverteilt würde und nicht auf der einen
Seite Beschäftigte mit Burn-out vor lauter Überstunden
zusammenbrechen würden und auf der anderen Seite
Menschen wegen Ihrer Erwerbslosigkeit Depressionen
bekämen und Ihre Existenz verlören.
Die Linke sagt: Es ist wichtig, dass Eltern einen ver-
besserten Kündigungsschutz erhalten. Denn oft werden
Beschäftigte nach der Elternzeit oder in der Erziehungs-
phase gekündigt. Der besondere Kündigungsschutz
sollte deswegen bis zur Vollendung des sechsten Lebens-
jahres des Kindes ausgeweitet werden.
Stellt eigentlich auch jemand mal die Frage, ob der
Wechsel in Teilzeit freiwillig ist oder ob er einfach man-
gelnden Betreuungsplätzen für Kinder geschuldet ist?
Wie viele Väter und Mütter würden in Teilzeit gehen,
wenn es für alle Kinder die Möglichkeit gäbe, qualitativ
hochwertig und gebührenfrei ganztags betreut zu wer-
den? Wir werden es wohl erst mal nicht erfahren, denn
die Bundesregierung hat es nach wie vor nicht geschafft,
diese notwendigen Kitaplätze zu schaffen, nicht mal für
ein Drittel der Kinder unter drei Jahren! Und was ist mit
den Schulkindern, für die es keine Hortplätze gibt?
Der beste Weg, unfreiwillige Teilzeit abzubauen, ist
der Ausbau von qualitativ hochwertigen, gebührenfreien
Kinderbetreuungseinrichtungen!
Aber was machen wir mit den Menschen, die gerne
für ihre Kinder in Teilzeit gegangen sind und später wie-
der Vollzeit arbeiten möchten? Gerade Frauen wird das
oft nicht ermöglicht. Die gesetzliche Verankerung des
Rückkehranspruchs von Teilzeit auf Vollzeit ist deshalb
eine richtige und wichtige Forderung, die auch von der
Linken voll unterstützt wird.
Die FDP sitzt das Problem mal wieder aus und
möchte es am liebsten zum Privatproblem der einzelnen
Familie machen, anstatt eine vernünftige gesetzliche Re-
gelung zu machen. Frau Schröder von der CDU hat wie-
der viele warme Worte für Familien, aber passieren wird
mal wieder gar nichts.
Anstatt sich das teure und unsägliche Betreuungsgeld
zu leisten, sollten Sie das Geld mal lieber in den Ausbau
der Kinderbetreuung stecken. Dann hätten wir dieses
Problem sicher nicht mehr in dem Ausmaß.
Und Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von den
Grünen, die nun diesen Antrag einbringen, hätten schon
oft die Möglichkeit gehabt, unseren inhaltlich identi-
28996 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 231. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 21. März 2013
(A) (C)
(D)(B)
schen Anträgen zuzustimmen. Warum machen Sie das
eigentlich nicht einfach mal? Alleine diese Woche haben
wir hier einen Antrag unserer Fraktion zur Verbesserung
der Lage Alleinerziehender diskutiert, in dem genau
diese Forderung enthalten war. Sie haben ihn abgelehnt!
Das ist doch scheinheilig! Der Linken geht es um In-
halte, deshalb stimmen wir Ihrem Antrag natürlich trotz-
dem zu.
Katja Dörner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es ist
immer gut, dazuzulernen. Es ist gut, sich eine Sachlage
anzugucken und den Handlungsbedarf anzuerkennen. Es
ist nie gut, vollmundige Ankündigungen zu machen und
nichts umzusetzen. Es ist auch nie gut, es angeblich bes-
ser zu wissen, sich aber hinter einem unwilligen Koali-
tionspartner zu verstecken.
Um welche Sachlage geht es? Es geht um die Verein-
barkeit von Familie und Beruf. Es geht um familien-
freundliche Arbeitszeiten. Es geht konkret darum, zu
verhindern, dass Teilzeit für Frauen zur Falle wird. Und
es geht darum, die partnerschaftliche Aufteilung von Fa-
milienarbeit und Erwerbsarbeit zu befördern.
Um sowohl Familie als auch Beruf gerecht zu wer-
den, arbeiten zurzeit vor allem Frauen in Teilzeit.
Das ist ihr gutes Recht. Aber diese Frauen wollen
meist nur phasenweise Teilzeit arbeiten … Die Rea-
lität sieht jedoch zurzeit so aus, dass viele Frauen
ungewollt auf der Teilzeitstelle sitzen bleiben. Das
schlägt sich lebenslang auf die Entgelthöhe und die
Altersversorgung nieder … Unser Ziel ist es daher,
Teilzeitarbeit attraktiver zu machen – für Frauen und
Männer … Dazu gehört die Förderung von Füh-
rungspositionen in Teilzeit. Aber vor allem der
Rechtsanspruch, nach einer phasenweisen Teilzeit-
stelle in die Vollzeitberufstätigkeit zurückzukehren.
Das war ein Zitat, und zwar nicht einer grünen Fami-
lienministerin oder unserer Fraktionsvorsitzenden, son-
dern aus einer Pressemitteilung der geschätzten Kollegin
Dorothee Bär, herausgegeben zum Internationalen Frau-
entag am 8. März dieses Jahres.
Dem ist wenig hinzuzufügen, wohl aber, dass das
Rückkehrrecht auf Vollzeit auch große Bedeutung für
Männer und insbesondere für junge Väter hat, weil viele
Männer auch deshalb heute nicht für einen befristeten
Zeitraum in Teilzeit gehen, weil viele auch deshalb nicht
in Elternzeit gehen, weil sie befürchten müssen, nicht in
Vollzeit zurückkehren zu können. Deshalb ist das Rück-
kehrrecht auf Vollzeit ganz zentral für Frauen wie für
Männer.
Aber es ist nicht nur Frau Bär, die eine wichtige Maß-
nahme einfordert, aber keinerlei Bemühungen zeigt, ein
solches Rückkehrrecht auch tatsächlich durchzusetzen.
Ich zitiere Frau von der Leyen aus dem Focus: „Ich
möchte das Teilzeitgesetz so ändern, dass es ein verläss-
liches Rückkehrrecht in Vollzeit gibt.“ Ein entsprechen-
der Gesetzentwurf sei sogar schon fertig. Auch Fami-
lienministerin Schröder geht mit der Forderung nach
einem Rückkehrrecht auf Vollzeit hausieren.
Ich finde es bezeichnend, dass die Regierungsmehr-
heit unseren Verfahrensvorschlag ablehnt, den Antrag
direkt abzustimmen. Es ist mehr als durchsichtig – es ist
regelrecht billig, sich wenige Monate vor der Bundes-
tagswahl eine familienpolitisch so wichtige Forderung
wie das Rückkehrrecht auf Vollzeit zu eigen zu machen,
aber nichts für dessen Umsetzung zu tun. Zwei Fachmi-
nisterinnen, die da einer Meinung sind, lassen sich von
einer Splitterpartei wie der FDP auf der Nase herumtan-
zen. Das ist nicht nur peinlich; es ist vor allem völlig in-
akzeptabel, den Frauen und Männern, die auf eine Um-
setzung eines solchen Rechtsanspruchs hoffen und auch
darauf angewiesen sind, Sand in die Augen zu streuen.
Deshalb heißt es mit unserem Antrag: Butter bei die
Fische! An die Adresse der Kolleginnen und Kollegen
aus der Union sage ich: Nehmen Sie Ihre eigene Ankün-
digung ernst! Veräppeln Sie die Bürgerinnen und Bürger
nicht! Stimmen Sie unserem Antrag zu!
Anlage 6
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des Antrags: Syrische Flüchtlinge
schützen (Zusatztagesordnungspunkt 9)
Reinhard Grindel (CDU/CSU): Die aktuelle politi-
sche Lage hat die Inhalte des SPD-Antrags längst über-
holt. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich hat nach
intensiven Gesprächen mit den Innenpolitikern der Ko-
alitionsfraktionen entschieden, dass wir in den kommen-
den Monaten insgesamt 5 000 syrischen Bürgerkriegs-
flüchtlingen in Deutschland Zuflucht bieten werden. Wir
werden im Sommer etwa 3 000 Menschen eine vorüber-
gehende Bleibeperspektive in unserem Land geben und
dann im Herbst noch einmal 2 000.
Deutschland kommt damit innerhalb der Europäi-
schen Union bei dieser wichtigen humanitären Frage
eine Vorbildfunktion zu. Kein anderes europäisches
Land hat bereits in der Vergangenheit so viel für syrische
Flüchtlinge getan und wird in den kommenden Monaten
so viel Verantwortung für syrische Flüchtlinge überneh-
men wie Deutschland. Ich gratuliere dem Bundesinnen-
minister zu dieser großherzigen humanitären Geste.
CDU und CSU unterstützen das nachdrücklich und sa-
gen ihm dafür Dank und Anerkennung.
Anders als es heute in einer großen deutschen Tages-
zeitung geschrieben steht, hat der Zeitpunkt der Ent-
scheidung überhaupt nichts mit dem Drängen der Oppo-
sition zu tun. Der Zeitpunkt erklärt sich aus dem
Verhalten des UN-Flüchtlingskommissars und der tat-
sächlichen Lage vor Ort in den Flüchtlingslagern in Jor-
danien und im Libanon. Ich will hier ausdrücklich kri-
tisch anmerken, dass wir eigentlich bis zum heutigen
Tage kein klares Wort des UNHCR hören und keine
klare Linie des UNHCR erkennen können, was die Auf-
nahme von Flüchtlingen aus Syrien anbelangt.
Wir haben nicht weil wir humanitär hartherzig gewe-
sen wären in den letzten Wochen und Monaten eine Auf-
nahme von Syrern eher kritisch gesehen, sondern weil
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 231. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 21. März 2013 28997
(A) (C)
(D)(B)
der UNHCR ausdrücklich erklärt hat, dass er etwaige
Übernahmeaktionen nicht unterstützt, sondern nach wie
vor die Hoffnung hat, den Flüchtlingen eine vorläufige
Bleibe in Nachbarstaaten Syriens bieten zu können, um
dann ihre rasche Rückkehr in ihr Heimatland zu ermögli-
chen. Der UNHCR hat offenbar die Situation in Syrien
und den ganz erheblich wachsenden Flüchtlingsdruck
aus diesem armen Land völlig falsch eingeschätzt.
Nunmehr müssen wir im Lichte der tatsächlichen Ent-
wicklung handeln. Die tatsächliche Entwicklung bedeu-
tet, dass über 1 Million vor dem Bürgerkrieg fliehende
Syrer sich jetzt in die Nachbarstaaten gerettet haben und
dass mehrere Millionen weiterer innerhalb ihres Landes
auf der Flucht sind.
Die Situation in den Flüchtlingslagern wird immer
dramatischer. Eine humanitär vertretbare Unterbringung
ist dort kaum noch gewährleistet. Deshalb heißt es jetzt,
so wie wir das etwa im Fall der irakischen Flüchtlinge
auch schon getan haben, gerade denjenigen Zuflucht zu
geben, die besonders schutzbedürftig sind.
Das ist der Grund, weshalb wir vor allem der Auffas-
sung sind, dass wir Flüchtlingen christlichen Glaubens
eine Aufnahme in Deutschland ermöglichen sollten. Ich
will in diesem Zusammenhang nur auf die Lage der
Christen im Irak hinweisen, die sich einem unglaubli-
chen Verfolgungsdruck ausgesetzt sehen. Selbst wenn
sich die Lage im Irak unter militärischen Gesichtspunk-
ten etwas beruhigen sollte, heißt das noch lange nicht,
dass eine Rückkehr von Flüchtlingen in ihre alte Heimat
möglich ist, weil sie dort nach wie vor an Leib und Le-
ben bedroht sind, nicht durch den Bürgerkrieg, aber
durch religiöse Fanatiker, die ihnen nach dem Leben
trachten. Eine solche Entwicklung kann man leider auch
langfristig in Syrien nicht ausschließen, sondern sie ist
sogar leider eher wahrscheinlich.
Und weil wir wissen, dass in vielen Fällen Bürger-
kriegsflüchtlinge, die wir nach Deutschland geholt ha-
ben, sich in unserem Land wesentlich länger aufhalten,
als dieses ursprünglich beabsichtigt war, macht es gerade
auch unter integrationspolitischen Gesichtspunkten gro-
ßen Sinn, vor allem solche vom Flüchtlingselend betrof-
fene Menschen zu uns zu holen, die aller Voraussicht
nach in unserem Land leben werden.
Insofern geht die Twitter-Botschaft des SPD-Vorsit-
zenden, von der ich heute in einer Zeitung gelesen habe,
völlig am Thema vorbei, wenn er geradezu kritisiert,
dass wir vor allem Flüchtlinge christlichen Glaubens in
Deutschland aufnehmen wollen. Ich erwarte, dass auch
SPD und Grüne endlich einmal zur Kenntnis nehmen,
wie sehr Christen im arabischen Raum, der angeblich
von einem demokratischen Frühling durchweht wird, an
Leib und Leben bedroht sind. Ihnen eine neue Heim-
stätte oder zumindest eine langfristig sichere Fluchtper-
spektive zu geben, ist eine humanitäre Verantwortung,
die wir wahrnehmen und bei der auch Sozialdemokraten
und Grüne nicht beiseitestehen sollten.
Es ist auch integrationspolitisch sinnvoll, weil wir da-
von ausgehen können, dass sich diese Familien christli-
chen Glaubens sehr schnell in unserer Gesellschaft ein-
gliedern und zurechtfinden werden, nicht nur, weil sie
hoffentlich in den christlichen Kirchengemeinden eine
gute Aufnahme finden; viele Familienmitglieder dieser
Flüchtlinge leben bereits in Deutschland und können ih-
ren Landsleuten dementsprechend helfen, sich schnell
und gut in unserem Land einzuleben.
CDU und CSU unterstützen auch die angekündigte Ini-
tiative unseres Bundesinnenministers, auf europäischer
Ebene für ein gemeinsames Vorgehen in der Flüchtlings-
frage und für eine koordinierte Aufnahmeaktion der euro-
päischen Länder zu sorgen. Es wäre nun wirklich
höchste Zeit, wenn der Hohe Flüchtlingskommissar der
UN endlich einen offiziellen Hilfsappell an die EU rich-
ten würde, der dazu beitragen muss, dass sich unserer
Hilfsaktion auch andere Länder anschließen und sich zu
einer Aufnahme syrischer Flüchtlinge entschließen.
Ich habe das bereits erwähnt und will das mit Zahlen
noch einmal hervorheben. Deutschland hat in der Vergan-
genheit einer Vielzahl von Syrern Schutz geboten. Die
Asylanträge aus Syrien sind in den letzten Jahren deutlich
angestiegen. Waren es 2010 nur rund 2 000 Asylantrag-
steller, so waren es bereits 2012 fast 8 000 Asylbewer-
ber, die zu uns gekommen sind, und alleine in den ersten
zwei Monaten des Jahres 2013 sind es noch einmal deut-
lich über 1 800 asylsuchende Menschen gewesen, die
sich bei unseren Behörden in Deutschland gemeldet ha-
ben.
Wir wollen jetzt mit unserer humanitären Hilfsaktion
neben den besonders schutzbedürftigen Christen auch
denjenigen Familien helfen, die Kinder haben und ge-
rade deshalb besonders auf eine Hilfe angewiesen sind,
um ihnen das Leben erträglicher zu machen und den
Kindern eine neue Lebensperspektive zu geben.
Darüber hinaus hat Deutschland weitere Maßnahmen
ergriffen, um die Einreise von syrischen Staatsangehöri-
gen zu erleichtern. Deutschland hat den Ehegattennach-
zug für syrische Staatsangehörige bereits dadurch ver-
einfacht, dass die Auslandsvertretungen angewiesen
sind, syrischen Staatsangehörigen auch dann ein Visum
zum Ehegattennachzug zu erteilen, wenn der an sich er-
forderliche Nachweis deutscher Sprachkenntnisse noch
nicht erbracht wurde. Selbstverständlich wollen wir auch
nicht, dass Menschen in der jetzt schwierigen Lage ihres
Heimatlandes nach Syrien abgeschoben werden.
Der amtierende Vorsitzende der Innenministerkonfe-
renz, Minister Pistorius aus Niedersachsen, hat Mitte
März den Bundesinnenminister um eine Verlängerung
des Abschiebestopps um weitere sechs Monate gebeten.
Unser Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich hat
dazu sein Einvernehmen erteilt. Insofern ist auch dieser
Teil des SPD-Antrages erfüllt.
CDU und CSU nehmen ihre humanitäre Verantwor-
tung für die von Flucht und Verfolgung so stark betroffe-
nen Bürger wahr. Dieses will ich hier ausdrücklich noch
einmal festhalten. Ich will auch noch einmal unterstrei-
chen, dass in den Fällen, wo bei geduldeten syrischen
Staatsangehörigen absehbar ist, etwa wegen ihrer Zuge-
hörigkeit zu einer religiösen Minderheit, dass sie auf
Dauer wohl nicht nach Syrien zurückkehren können, die
28998 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 231. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 21. März 2013
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Ausländerbehörden selbstverständlich angehalten sind,
nicht nur eine Duldung auszusprechen, die eine Abschie-
bung verhindert, sondern aus besonderen humanitären
Gründen im Einzelfall auch eine Aufenthaltserlaubnis zu
erteilen, die dann auch zahlreiche Integrationsperspekti-
ven eröffnet und diesen Menschen eine Eingliederung in
unserem Land erleichtert, bis hin dazu, hier natürlich
auch arbeiten zu können.
Das schließt selbstverständlich auch ein, dass wir die
bei uns lebenden durchaus zahlreichen syrischen Studen-
ten nicht indirekt zu Opfern der Entwicklung in ihrem
Heimatland werden lassen, indem wir ihren Aufenthalts-
status wegen ausbleibender finanzieller Unterstützung
aus ihrer Heimat infrage stellen. Hier müssen vor Ort die
Behörden und auch die Studentenwerke prüfen, inwie-
weit den Studenten aus Syrien geholfen werden kann.
Ich will nochmals mit Blick auf diese Twitter-Botschaft
des SPD-Vorsitzenden betonen, dass ja offenbar alle The-
men, mit denen wir uns hier im Deutschen Bundestag be-
schäftigen, von der Opposition aus Wahlkampfgründen
zugespitzt werden und dass versucht wird, hier Gegen-
sätze aufzubauen bis hin dazu, dem anderen abzuspre-
chen, in dieser Frage von Humanität politisch zuverläs-
sig zu sein. Dafür haben die Menschen in unseren
Wahlkreisen kein Verständnis. Ich glaube, dass sie nicht
wollen, dass auf dem Rücken der syrischen Flüchtlinge
billige und kleinkarierte politische Süppchen gekocht
werden, sondern dass sie erwarten, dass alle Demokraten
im Deutschen Bundestag kraftvoll und nachhaltig daran
arbeiten, das Schicksal der syrischen Flüchtlinge mit ge-
eigneten Mitteln zu bekämpfen.
Das gilt zum einen für die Bekämpfung der eigentli-
chen Fluchtursache. Das ist der Bürgerkrieg in Syrien,
der schleunigst beendet werden muss und wozu die Staa-
tengemeinschaft noch kraftvollere Beiträge leisten muss.
Aber es bezieht sich eben auch auf die Verpflichtung,
das in unserer Kraft Stehende in Deutschland durch eine
Aufnahmeaktion auch zu leisten und – ich wiederhole
das – vor allem Menschen christlichen Glaubens hier in
Deutschland eine Heimstätte zu geben, nicht weil wir sie
aus religiösen Gründen privilegieren, sondern weil sie
wegen ihres Glaubens eben besonders schutzbedürftig
sind. Ich rufe uns alle dazu auf, gemeinsam den syri-
schen Flüchtlingen Hilfe und Menschlichkeit nicht zu
verweigern.
Rüdiger Veit (SPD): Am 8. November 2012 habe ich
anlässlich der Beratung der Anträge der Kolleginnen und
Kollegen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen „Flüchtlinge
aus Syrien aufnehmen“, Bundestagsdrucksache 17/10638,
und der Fraktion Die Linke „Für einen wirksamen
Schutz und die Aufnahme syrischer Flüchtlinge in der
Europäischen Union und in Deutschland“, Bundestags-
drucksache 17/10786, gesagt, dass sich zu diesem Zeit-
punkt rund 340 000 Menschen aus Syrien auf der Flucht
befinden. Heute, knapp fünf Monate später, hat die Zahl
der syrischen Flüchtlinge die Millionengrenze über-
schritten. Im Antrag „Syrische Flüchtlinge nicht im
Stich lassen“ der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom
27. Februar 2013 haben die Kolleginnen und Kollegen
noch geschrieben, dass nach Schätzungen der Vereinten
Nationen die Zahl der Flüchtlinge bis Juni 2013 auf
1,1 Millionen ansteigen wird. Das ist nun jetzt schon, vier
Monate vorher, der Fall. Nach Angaben von UNHCR er-
reichen täglich circa 8 000 neue Flüchtlinge die syri-
schen Nachbarstaaten. Diese leisten täglich Großes, sind
aber mittlerweile stark überlastet und benötigen drin-
gend internationale Unterstützung.
So werden für das ohnehin belastete Jordanien 1 Mil-
lion Flüchtlinge erwartet. Im Libanon halten sich derzeit
rund 350 000 Syrer auf, was zu einem Anstieg der Ein-
wohnerzahl im Libanon insgesamt um 10 Prozent in nur
einem Jahr geführt hat. Der Hohe Flüchtlingskommissar
schätzt heute, dass die Zahl der Syrienflüchtlinge bis
Ende des Jahres die 3-Millionen-Grenze erreicht haben
wird.
Diese Zahlen verdeutlichen das Ausmaß der Katastro-
phe und die Dringlichkeit von Hilfsmaßnahmen; das
Ausmaß des menschlichen Elends vermögen wir den-
noch nicht zu erfassen.
Ohne Zweifel ist die weitere Hilfe vor Ort absolut
notwendig. Aber die Situation in den überfüllten Auf-
nahmelagern in den syrischen Grenzstaaten erfordert
jetzt und heute unsere Solidarität. Wir müssen handeln.
Dabei wäre eine gemeinsame europäische Initiative
zur Aufnahme syrischer Flüchtlinge vorrangig erstre-
bens- und wünschenswert – was wir auch so in unserem
vorliegenden Antrag fordern –, wenn aber erkenntlich
wird, dass es auf EU-Ebene nicht schnell zu einer Eini-
gung kommen wird, dann muss die Bundesrepublik al-
leine handeln und Flüchtlinge aufnehmen.
Entscheidendes Aufnahmekriterium sollte dabei die
besondere Schutzbedürftigkeit des jeweiligen Flücht-
lings sein, die wir zum Beispiel bei Angehörigen religiö-
ser Minderheiten, Folteropfern, alleinstehenden Frauen,
Kindern, Alten und Kranken für gegeben ansehen. Ver-
wandtschaftsbeziehungen zu sich bereits in einem euro-
päischen Mitgliedstaat aufhaltenden Familienangehöri-
gen müssen berücksichtigt werden.
Wir freuen uns daher, dass der Innenminister am Mitt-
woch ganz in unserem Sinne angekündigt hat, Deutsch-
land wolle nicht länger warten und mit der Aufnahme
von syrischen Flüchtlingen beginnen. Eine deutsche
Delegation solle gemeinsam mit dem UNHCR in den
Flüchtlingslagern eine Auswahl treffen. Dabei sei
Hauptkriterium die Schutzbedürftigkeit des Flüchtlings,
so der Innenminister. Das ist auch unserer Ansicht nach
das zentrale Kriterium. Eine solche sei vor allem bei Fa-
milien mit Kindern und Kindern, die sich allein in
Flüchtlingslagern aufhalten, aber auch bei Christen, die
einem besonderen Verfolgungsdruck ausgesetzt seien,
anzunehmen. Wenn das die Kriterien sind, dann sind sie
gut.
Bereits Anfang November letzten Jahres sagte der Kol-
lege Ruprecht Polenz in Phoenix – vor Ort, er begrüße
Überlegungen, syrische Bürgerkriegsflüchtlinge bei An-
gehörigen in Deutschland aufzunehmen: „Es wäre eine
Möglichkeit, wirklich zu prüfen, ob man diese Art der
vorübergehenden Familienzusammenführung nicht er-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 231. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 21. März 2013 28999
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möglichen könnte. Das würde wahrscheinlich auch ein
paar Tausend Syrern helfen, und sie wären hier bei ihren
Familienangehörigen in Deutschland untergebracht.“
Diesen Gedanken würde ich gerne aufgreifen und kon-
kretisieren. In der jetzigen Situation macht es Sinn, da-
rüber nachzudenken, ob in Deutschland lebende Syrer
nicht dazu aufgerufen werden sollten, ihre sich in Flücht-
lingslagern aufhaltenden Verwandten nach Deutschland
einzuladen. Flankierend dazu könnten die Visaantrags-
stellen angewiesen werden, diese Anträge großzügig und
schnell zu bearbeiten. Ohne komplizierte Verteilungs-
strategien würden diese Flüchtlinge dann bestmöglich
von Familienangehörigen aufgenommen.
Aufgenommen werden soll nach den Worten des In-
nenministers ein Kontingent von 5 000 Syrienflüchtlin-
gen. Das ist immerhin etwas. Auch wenn seit Ausbruch
des Bürgerkrieges bislang rund 8 000 Asylbewerber aus
Syrien nach Deutschland geflohen und damit zwei Drit-
tel aller aus Syrien nach Europa geflüchteten Menschen
in Deutschland und Schweden untergekommen sind, so
ist das angesichts von 4 Millionen Menschen, die sich
insgesamt durch die Kriegshandlungen in Syrien auf der
Flucht befinden, ein Schritt in die richtige Richtung, aber
letztendlich nicht ausreichend.
Aufgrund der anhaltenden Kampfhandlungen in Sy-
rien erhalten viele syrische Studenten keine Unterstüt-
zung mehr von ihren Familien, was zu einer Gefährdung
der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis zu Studien-
zwecken führen kann, da die Studierenden das Erforder-
nis der Lebensunterhaltssicherung nicht mehr erfüllen
können. In solchen Fällen fordern wir die Bundesregie-
rung auf, den Studenten eine Aufenthaltserlaubnis aus
humanitären Gründen zu erteilen.
Insgesamt fordern wir die Bundesregierung des Wei-
teren auf, sich gegenüber den Ländern dafür einzusetzen,
dass Möglichkeiten zur Erteilung von humanitären Blei-
berechten für sich bereits hier aufhaltende Syrer großzü-
gig genutzt und der Abschiebestopp nach Syrien verlän-
gert wird. Die Bundesrepublik soll zudem dafür sorgen,
dass keine Abschiebungen von syrischen Flüchtlingen
gemäß der Dublin-II-Verordnung in einen Mitgliedstaat
der EU erfolgen, der nach Syrien weiterschiebt.
Bereits 2010 haben wir in unserem Antrag „Syrien –
Abschiebungen beenden, politischen Dialog fortführen“,
Bundestagsdrucksache 17/525, die Bundesregierung auf-
grund der massiven Verletzung von Menschenrechten in
Syrien dazu aufgefordert, einen Abschiebestopp nach
Syrien zu erlassen und das bilaterale Rückübernahmeab-
kommen mit Syrien zu kündigen. Das ist angesichts der
dramatisch verschlechterten Zustände heute erst recht
weiterhin unsere Forderung.
Wir alle hier sind der Meinung, dass wir die Nachbar-
länder Syriens bei der Aufnahme und Betreuung der
Flüchtlinge unterstützen müssen und der Druck in den
Aufnahmeländern zu groß ist; wir alle sind der Meinung,
dass wir das Flüchtlingselend lindern müssen. Lassen
Sie uns das auch tun.
Hartfrid Wolff (Rems-Murr) (FDP): Die syrische Re-
gierung bekämpft ihr eigenes Volk. Der Bürgerkrieg
bedroht alle Menschen in dem Land. Die Menschen-
rechtslage in Syrien hat sich in den vergangenen Mona-
ten weiter dramatisch verschärft. Schon lange gab es
schwerwiegende Probleme: Meinungs- und Versamm-
lungsfreiheit waren nicht gegeben; die Inlandsopposition
war starken Repressionen ausgesetzt. Dies hat die Bun-
desregierung ebenso wie ihre Vorgängerin deutlich be-
nannt. Es ist wichtig, dass wir über die Lage der syri-
schen Flüchtlinge sprechen. Je länger der Konflikt dort
dauert, desto schwieriger wird die Situation der betroffe-
nen Menschen.
Der Antrag der SPD-Fraktion hat sich aber in Teilen
bereits wieder überholt: So hat der Bundesinnenminister
am 20. März 2013 angekündigt, dass die Bundesrepublik
Deutschland im Vorgriff auf eine europäische Aufnah-
meaktion 5 000 Flüchtlinge aufnehmen werde. Dies er-
folgt selbstverständlich in enger Abstimmung und Über-
einstimmung mit den Ländern.
Die FDP unterstützt die konsequente Haltung des
Bundesinnenministers. Die Bundesregierung hat bereits
in den letzten Monaten immer wieder betont, dass eine
verstärkte Aufnahme von Flüchtlingen aus Syrien nicht
ausgeschlossen wird. Neben dem Bundesinnenminister
haben insbesondere der Bundesaußenminister und die
Bundesjustizministerin auf die deutsche Verantwortung
und Bereitschaft immer wieder hingewiesen.
Zudem ist der Abschiebestopp der Länder soeben um
weitere sechs Monate verlängert worden. Hinweise von
der Opposition, wie angesichts der humanitären Lage sy-
rischer Flüchtlinge verantwortungsvoll agiert werden
soll, hat die Koalition aus Union und FDP nicht nötig.
Die SPD fordert die Aufkündigung des deutsch-syri-
schen Rückübernahmeabkommens. Hat die SPD noch in
Erinnerung, wer für den Abschluss verantwortlich war?
Das war die SPD. Das Abkommen war bereits in Zeiten
der Verhandlung heftiger Kritik ausgesetzt. Es war die
Vorgängerregierung mit Außenminister Steinmeier und
dem jetzigen SPD-Kanzlerkandidaten Steinbrück, die
sich dennoch für ein Abkommen mit Syrien entschieden
hat.
Ein Wort der Selbstkritik angesichts dieser Forderung
wäre durchaus angebracht gewesen. Stattdessen ver-
schweigen Sie lieber die Genese unter Beteiligung der
SPD. Ein Rückübernahmeabkommen regelt die Proze-
duren, wie und wann jemand zurückgeführt werden soll
und kann. Aktuell wird jedoch niemand nach Syrien ab-
geschoben. Das Rückübernahmeabkommen hat insofern
aktuell gar keine Bedeutung. Die SPD versucht krampf-
haft, ein Haar in der Suppe zu finden. Doch die christ-
lich-liberale Koalitionsregierung handelt verantwor-
tungsbewusst, und der SPD fällt nichts mehr ein.
Wir alle hoffen, dass der Bürgerkrieg in Syrien mög-
lichst bald beendet wird. Die Kündigung des Abkom-
mens könnte auch so verstanden werden, dass wir nicht
mehr an einen baldigen Frieden in Syrien glauben. Wir
sollten, meine ich, alles vermeiden, was als Zeichen der
Hoffnungslosigkeit gedeutet werden könnte. An der
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Sachlage, dass wir nicht nach Syrien abschieben, ändert
sich durch die geforderte Kündigung ohnehin nichts.
Deutschland leistet auch vor Ort in der Krisenregion
einen wichtigen Beitrag: Deutschland ist nach den USA
weltweit der zweitgrößte Geldgeber für die Flüchtlings-
hilfe in der Region. Und das ist gut so. Es wäre nur
schön, wenn auch Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen
von der Opposition, einmal anerkennen könnten, dass
das ein wichtiger Beitrag ist.
Der Ansatz der Bundesregierung ist richtig, den Men-
schen nach Möglichkeit vor Ort zu helfen. Denn entge-
gen dem, was auch von den Kolleginnen und Kollegen
suggeriert wird, wünschen sich die meisten Flüchtlinge
nicht eine Aufnahme in Deutschland, sondern eine
Rückkehr in ein friedliches Syrien.
Für die FDP steht auch weiterhin die persönliche
Schutzbedürftigkeit eines Flüchtlings im Vordergrund,
nicht kollektive Gruppenmerkmale wie etwa die Reli-
gionszugehörigkeit. Religiöse Verfolgung kann ein
Grund für Schutzbedürftigkeit sein, ist aber sicher nicht
der einzige.
Auch in Bezug auf die syrischen Studenten kann ich
Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von Rot-Rot-Grün,
beruhigen. Keiner von uns will, dass sie ihr Studium in
Deutschland abbrechen müssen, nur weil sie aufgrund
der furchtbaren Situation in ihrem Heimatland keine
finanzielle Unterstützung mehr erhalten können. Daher
wird aktuell bereits eine Anordnung nach § 23 Abs. 1
AufenthG mit den Ländern abgestimmt. So soll die Er-
teilung eines humanitären Aufenthaltstitels ermöglicht
werden, damit der BAföG-Bezug möglich wird.
Wir haben gestern vereinbart, dass die Berichterstatter
des Innenausschusses zu einem Gespräch zusammen-
kommen. Es ist unser aller Anliegen, dass wir als Parla-
mentarier über dieses Thema auf dem Laufenden gehal-
ten werden.
Ich erwarte aber, dass die Opposition die positiven
Punkte, die heute und auch schon öfter zuvor angespro-
chen worden sind und auch im Berichterstattergespräch
Thema sein werden, auch anerkennen wird. Dass immer
mehr und alles schneller gehen könnte, kann von der Op-
position immer gefordert werden.
Aber das Thema ist zu wichtig für parteipolitische
Profilierung. Deshalb, liebe Oppositionskolleginnen und
-kollegen: Seien Sie so fair und gestehen uns auch zu,
was wir schon für die Opfer des syrischen Bürgerkriegs
tun. Und wenn Sie kritisieren und Kursänderungen wol-
len, verschweigen Sie nicht, was Sie selbst einst einge-
führt haben – und heute nicht mehr für richtig halten.
Über das Entsetzen über die humanitäre Lage dort
sind wir uns hier im Haus einig, über die grundsätzlichen
Ziele auch. Über das Vorgehen im Detail, wann welches
politische Instrument die beste Wirkung bringt, nicht im-
mer. Die Frage, wie wir den Flüchtlingen helfen können,
müssen wir uns immer wieder stellen. Syrien darf nicht
aus unserem Blickfeld geraten.
Wir Liberalen setzen uns jedenfalls beständig dafür
ein, die Entwicklung sensibel zu begleiten und alle Mög-
lichkeiten der Unterstützung für die Opfer offenzuhalten.
Ulla Jelpke (DIE LINKE): Die Bundesregierung hat
in den vergangenen Wochen ein wahres Trauerspiel um
die Frage der Aufnahme syrischer Flüchtlinge gegeben.
Forderungen nach einer Aufnahme von Flüchtlingen, er-
leichtertem Familiennachzug nach Deutschland, einer
Öffnung der europäischen Grenzen wurden notorisch
mit dem Verweis auf die humanitäre Hilfe vor Ort zu-
rückgewiesen.
Diese Linie wurde erst in dieser Woche aufgeweicht.
Die Länderinnenminister haben eine Verlängerung des
Abschiebestopps für syrische Staatsangehörige angekün-
digt. Und Bundesinnenminister Friedrich hat die Auf-
nahme von 5 000 besonders schutzbedürftigen Flüchtlin-
gen noch in diesem Jahr angekündigt. Dabei sollte das
einzige Kriterium für die Aufnahme die besondere
Schutzbedürftigkeit sein. Ob es sich bei den Betroffenen
um Christen handelt oder nicht, kann kein sinnvolles
Kriterium sein. Auch der UNHCR hat sich in der Ver-
gangenheit immer wieder dagegen verwahrt, von den
Aufnahmestaaten zusätzliche Aufnahmekriterien diktiert
zu bekommen.
Die genannten Schritte kommen viel zu spät und blei-
ben weit hinter den Erfordernissen zurück. Die Verlän-
gerung des Abschiebestopps für geduldete Syrer reicht
nicht aus. Wegen der Lage im Land können sie ohnehin
nicht abgeschoben werden. Die Betroffenen brauchen
endlich ein sicheres und dauerhaftes Bleiberecht. Die
Pläne von Innenminister Friedrich sind nur ein Tropfen
auf den heißen Stein. 5 000 ist allein die Zahl der Flücht-
linge, die jeden Tag in die Nachbarstaaten Syriens flie-
hen; an manchen Tagen sind es bis zu 10 000.
Bislang ist der Bundesinnenminister auch noch nicht
der Forderung aus allen Fraktionen des Bundestages ge-
folgt, Flüchtlingen die Aufnahme bei ihren Verwandten
in Deutschland zu ermöglichen. Tausende in Deutsch-
land lebende Syrerinnen und Syrer wären bereit, für ihre
Verwandten aufzukommen, wenn diese nur endlich
kommen könnten. Wir alle haben solche Fälle in unseren
Wahlkreisen.
An mich hat sich unter anderem ein Mann gewandt,
der zwei seiner Schwägerinnen nach Deutschland geholt
hat. Er kann ihren Aufenthalt aus eigenen Mitteln finan-
zieren. Sie hatten Glück und haben noch ein Visum be-
kommen, nun auch eine Verlängerung für drei Monate.
Doch dann werden sie Asyl beantragen müssen, um nicht
in die Illegalität zu rutschen. Das eigentlich überflüssige
Asylverfahren wird die beiden Frauen noch einmal aus
der Bahn werfen; denn dann droht die Einweisung in eine
Erstaufnahmestelle, sodann die Weiterverteilung inner-
halb Deutschlands in eine andere Unterkunft.
Dieses für die Betroffenen belastende Verfahren ist
außerdem noch mit Kosten für die Behörden und Sozial-
leistungen verbunden. Dies wäre alles vermeidbar, wenn
die Regelungen für die Erteilung von Visa und Aufent-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 231. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 21. März 2013 29001
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haltserlaubnissen in diesen Konstellationen entspre-
chend gelockert würden. So könnte die Bundesrepublik
vielen Flüchtlingen schnell und unbürokratisch helfen.
Stattdessen sind auch diese Menschen auf die kostspie-
lige Hilfe von Schleusern angewiesen, wenn sie nach
Deutschland kommen wollen.
In den Debatten der letzten Monate hat die Koalition
immer wieder darauf hingewiesen, dass Deutschland oh-
nehin zu den Hauptaufnahmestaaten von Asylsuchenden
aus Syrien innerhalb der EU zähle. Das ist sicherlich
richtig. Aber zugleich erhält die Bundesregierung den
Druck auf Griechenland aufrecht, seine Grenze gegen
sogenannte illegale Einwanderer dichtzumachen. Die
Folgen dieser Politik sind verheerend. In der vergange-
nen Woche ist ein Boot mit zehn syrischen Flüchtlingen
in der Ostägäis gekentert. Leichen von zwei Kindern und
einer Frau sind auf der Insel Lesbos an den Strand ge-
spült worden. Es gab nur einen Überlebenden.
Nach Berichten der Flüchtlingshilfsorganisation Pro
Asyl versuchen immer mehr Flüchtlinge, mit untaugli-
chen Booten die Meerenge bei Lesbos zu überqueren,
weil die Landgrenze zwischen der Türkei und Griechen-
land mittlerweile komplett abgeschottet ist. Die Politik
der Abschottung fordert immer mehr Todesopfer. Sie
muss endlich beendet werden.
Dieser Punkt fehlt im Antrag der SPD-Fraktion leider
völlig. Inzwischen ist er auch von den Ereignissen der
letzten Tage überholt worden. Nur ein Punkt ist noch nicht
erfüllt: die Forderung nach Kündigung des Abschiebeab-
kommens mit Syrien. Dieser Forderung schließt sich
meine Fraktion voll und ganz an.
Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
„Meine Botschaft an die Welt? Stoppt den Krieg in
Syrien, damit wir wieder in unser Land zurückkehren
können.“ – Dieser Appell an die internationale Staaten-
gemeinschaft stammt von dem sechsjährigen Nidal, ab-
gedruckt in dem am 13. März 2013 veröffentlichten Be-
richt „Kinder im Kreuzfeuer“ von Save the Children.
Diesen Appell hätte ich nicht kürzer und zugleich ein-
dringlicher und treffender formulieren können.
Vor genau zwei Jahren, im März 2011, haben die
friedlichen Demonstrationen in Syrien begonnen. Diese
friedliche Revolution ist gekapert worden. Syrien befin-
det sich zwei Jahre nach Beginn des Aufstandes im Bür-
gerkrieg. Das syrische Regime macht sich verant-
wortlich für Verbrechen gegen die Menschlichkeit und
Kriegsverbrechen. Baschar al-Assad befehligt die Tö-
tung von unschuldigen Kindern, Frauen und Männern,
die Bombardierung von Wohngebieten, verhindert den
Zugang zu humanitärer Hilfe und billigt offenbar Folter,
sexuelle Gewalt und Misshandlungen, auch an Kindern.
Auch die bewaffneten Oppositionsgruppen begehen
Kriegsverbrechen.
Syrerinnen und Syrer zahlen einen hohen Preis für ih-
ren Wunsch nach Freiheit, Menschenrechten und Demo-
kratie. Bisher sind nach Angaben der Vereinten Nationen
mehr als 70 000 Menschen während des gewaltsamen
Konflikts in Syrien ums Leben gekommen. 4 Millionen
Menschen sind in Syrien von humanitärer Hilfe abhän-
gig. Über 1 Million Syrerinnen und Syrer – ganz genau
1 145 423 – mussten ihre Heimat verlassen und in Nach-
barstaaten fliehen.
Der Bürgerkrieg in Syrien hat die schlimmsten Be-
fürchtungen übertroffen. Schon jetzt ist die Marke von
1 Million Flüchtlinge, die die Vereinten Nationen für den
Sommer 2013 angenommen hatten, erreicht. Mehr als
die Hälfte von ihnen sind Kinder und Jugendliche.
70 000 Tote, 1,1 Millionen Flüchtlinge, 4 Millionen
Menschen abhängig von humanitärer Hilfe, um zu über-
leben: Das sind schier unvorstellbare Zahlen. Doch hin-
ter jeder Zahl steht ein Schicksal: das Schicksal eines
Opfers und das Schicksal ganzer Familien. Die Berichte
von UNICEF und Save the Children helfen, diese Zahlen
greifbar zu machen, den Zahlen ein Gesicht zu geben
und die Geschichten der Opfer zum Teil auf erschre-
ckende Art und Weise in den Fokus unserer Aufmerk-
samkeit zu rücken. Es sind Berichte, die uns aufrütteln.
Und die internationale Gemeinschaft verdient es, aufge-
rüttelt zu werden. Je länger der bewaffnete Konflikt an-
dauert, desto größer wird das Leid der Kinder. Jeder wei-
tere Monat Bürgerkrieg in Syrien kostet 5 000 Menschen
das Leben.
Obwohl die Ereignisse in Syrien Entsetzen und Ab-
scheu hervorrufen, ist der Sicherheitsrat der Vereinten
Nationen gelähmt. Alle Resolutionen sind bisher am
Veto von Russland und China gescheitert, die damit
nicht nur den Menschen in Syrien in den Rücken fallen –
sie stellen sich gegen die Freiheitsbewegungen in der
arabischen Welt insgesamt. Das ist ein Hohn auf die
Menschenrechte.
Es werden nun immer mehr Stimmen laut, das Waffen-
embargo der Europäischen Union gegen Syrien aufzu-
heben. So dringend ein Handeln der internationalen Ge-
meinschaft angesichts der Ohnmacht und Hilfslosigkeit
gegenüber den schweren Menschenrechtsverbrechen in
Syrien notwendig ist, so falsch wären nun Lieferungen von
Waffen in dieses Bürgerkriegsgebiet: zu unübersichtlich
die Lage, zu unsicher, in welchen Hände diese – unsere –
Waffen letztendlich landen könnten. Wer Kriegsgerät
nach Syrien liefert, rüstet automatisch extremistische Is-
lamistengruppen auf.
Anstatt also den Blick auf Waffenlieferungen nach Sy-
rien zu richten, sollte die internationale Gemeinschaft, da-
runter Deutschland, ihre humanitäre Hilfe für Syrien erhö-
hen. Die Vereinten Nationen – insbesondere UNOCHA
und der UNHCR –, das Internationale Komitee vom Ro-
ten Kreuz und der Rote Halbmond benötigen dringend
Unterstützung. Bisher sind die von den Vereinten Natio-
nen benötigten Mittel für Syrien nur zu 21 Prozent ge-
deckt.
Die Türkei, Jordanien, der Libanon und Irak stoßen
mit der Aufnahme und Versorgung der syrischen Flücht-
linge an ihre Grenzen. Diese vier Staaten allein haben
bisher 1 092 403 syrische Flüchtlinge aufgenommen –
29002 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 231. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 21. März 2013
(A) (C)
(D)(B)
also mehr als 1 Million Menschen. Bei solchen Zahlen
frage ich mich, wo wir in Deutschland mit unseren Maß-
stäben bei der Aufnahme von Flüchtlingen bleiben.
Uns erreichen tagtäglich verzweifelte Anrufe und
Briefe von in Deutschland lebenden Syrern, die ihre Fa-
milien aus Syrien bei sich aufnehmen möchten. Diese
private und individuelle Unterstützung scheitert an der
deutschen Visumspolitik.
Es stimmt, dass die meisten der syrischen Flüchtlinge
so schnell wie möglich in ihre Heimat zurückkehren
möchten. Es stimmt aber auch, dass eine Lösung des
Bürgerkrieges in absehbarer Zeit leider nicht in Sicht ist.
Und es stimmt, dass syrische Flüchtlinge nicht auf Dauer
in Lagern leben können. Besonders für Kinder ist die Si-
tuation dort schwierig.
Der Vorschlag von Bundesinnenminister Friedrich,
eine größere Anzahl von syrischen Flüchtlingen in
Deutschland aufzunehmen, ist zu begrüßen und der rich-
tige Schritt in die richtige Richtung. Wir hoffen, dass
diesem Schritt weitere folgen und alle Religionsgemein-
schaften, Ethnien und sonstigen Gruppen in ein solches
Aufnahmeprogramm einbezogen werden. Entscheidend
für die Aufnahme von Flüchtlingen ist ihr Fluchtgrund.
Leider gibt es in Syrien viele davon.
231. Sitzung
Inhaltsverzeichnis
TOP 3, ZP 2 Förderung von Forschung und Innovation
TOP 4, ZP 3 Soziale Gestaltung der Energiewende
TOP 36, ZP 4 Überweisungen im vereinfachten Verfahren
TOP 37, ZP 5 Abschließende Beratungen ohne Aussprache
ZP 6 Aktuelle Stunde zur Sicherheit der Sparguthaben in Europa
TOP 5 Markttransparenzstelle für Kraftstoffe
TOP 6 Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik
TOP 7 Regelung der vertraulichen Geburt
TOP 8 Legehennenhaltung und Kennzeichnungspflicht
TOP 11, ZP 7 Besteuerung multinationaler Unternehmen
TOP 10 Psychische Belastungen in der Arbeitswelt
TOP 13 Schlichtung im Luftverkehr und Fluggastrechte
TOP 12 Rentenzahlungen nach dem Ghetto-Rentengesetz
TOP 15 Telekommunikationsrecht
TOP 14 Verbandsklagerecht im Gleichbehandlungsgesetz
TOP 17 Regulierung im Eisenbahnbereich
ZP 8 Rückkehrrecht auf Vollzeit
TOP 18 Gesetz über die Kreditanstalt für Wiederaufbau
TOP 20 Intelligente Verkehrssysteme im Straßenverkehr
TOP 21 Nationaler Aktionsplan gegen Rassismus
TOP 22 Handelsübereinkommen mit Kolumbien und Peru
ZP 9 Schutz syrischer Flüchtlinge
TOP 23 Rüstungsforschung an öffentlichen Hochschulen
TOP 24 Streichung des Doktorgrades in Ausweisdokumenten
TOP 25 Armuts- und Reichtumsberichterstattung
TOP 26 Staateninsolvenzverfahren
TOP 27 Luft-Boden-Schießplatz Siegenburg
TOP 28 Zusammenarbeit mit fragilen Staaten
TOP 29 Anrechnung steuerfreier Übungsleiterpauschalen
Anlagen