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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 17/228 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 228. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 14. März 2013 I n h a l t : Glückwünsche zum Geburtstag des Parlamen- tarischen Staatssekretärs Thomas Kossendey sowie der Abgeordneten Wolfgang Wieland und Matthias Lietz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erweiterung und Abwicklung der Tagesord- nung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Absetzung des Tagesordnungspunktes 8 c . . . Nachträgliche Ausschussüberweisung . . . . . . Begrüßung des Präsidenten der Nationalver- sammlung der Sozialistischen Republik Viet- nam, Herrn Nguyen Sinh Hung . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 3: a) Abgabe einer Regierungserklärung durch den Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Eine starke Energieinfra- struktur für Deutschland . . . . . . . . . . . . b) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Zwei- ten Gesetzes über Maßnahmen zur Be- schleunigung des Netzausbaus Elektrizitätsnetze (Drucksache 17/12638) . . . . . . . . . . . . . . . c) Antrag der Abgeordneten Rolf Hempelmann, Hubertus Heil (Peine), Dirk Becker, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Die Strom-Versor- gungssicherheit in Deutschland erhal- ten und stärken (Drucksache 17/12214) . . . . . . . . . . . . . . . d) Antrag der Abgeordneten Oliver Krischer, Bärbel Höhn, Sylvia Kotting-Uhl, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Ausbau der Übertragungsnetze durch Deutsche Netzgesellschaft und finanzielle Bürge- rinnen-/Bürgerbeteiligung voranbrin- gen (Drucksache 17/12518) . . . . . . . . . . . . . . in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 2: Antrag der Abgeordneten Rolf Hempelmann, Hubertus Heil (Peine), Ulrich Kelber, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Den Netzausbau bürgerfreundlich und zu- kunftssicher gestalten (Drucksache 17/12681) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Philipp Rösler, Bundesminister  BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sigmar Gabriel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Michael Fuchs (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Dietmar Bartsch (DIE LINKE) . . . . . . . . Klaus Breil (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Ulrich Kelber (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Rolf Hempelmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Horst Meierhofer (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Ulrich Kelber (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Horst Meierhofer (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Ralph Lenkert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 28377 A 28377 B 28379 B 28379 B 28387 D 28379 C 28379 C 28379 C 28379 D 28379 D 28380 A 28384 A 28388 A 28389 A 28390 C 28391 D 28393 C 28395 A 28397 B 28397 D 28399 A 28401 C 28401 D 28402 B Inhaltsverzeichnis II Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. März 2013 Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Andreas G. Lämmel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Jens Koeppen (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 4: Antrag der Abgeordneten Wolfgang Tiefensee, Hubertus Heil (Peine), Ingrid Arndt-Brauer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Deutschland 2020 – Zu- kunftsinvestitionen für eine starke Wirt- schaft: Infrastruktur modernisieren, Ener- giewende gestalten, Innovationen fördern (Drucksache 17/12682) . . . . . . . . . . . . . . . . . Hubertus Heil (Peine) (SPD) . . . . . . . . . . . . . Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Birgit Homburger (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ernst Hinsken (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Sören Bartol (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Volkmar Vogel (Kleinsaara)  (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Andreas Scheuer (CDU/CSU) . . . . . . . Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Andreas Scheuer (CDU/CSU) . . . . . . . . . Sören Bartol (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klaus Breil (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Andreas G. Lämmel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Martin Dörmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Ralph Lenkert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Wolfgang Tiefensee (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 34: a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Einführung eines Datenbank- grundbuchs (DaBaGG) (Drucksache 17/12635) . . . . . . . . . . . . . . . b) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Staatsvertrag vom 14. Dezember 2012 über die abschlie- ßende Aufteilung des Finanzvermögens gemäß Artikel 22 des Einigungsvertra- ges zwischen dem Bund, den neuen Ländern und Berlin (Finanzvermögen- Staatsvertrag) und zur Änderung der Bundeshaushaltsordnung (Drucksache 17/12639) . . . . . . . . . . . . . . c) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Änderung des Finanz- und Per- sonalstatistikgesetzes (Drucksache 17/12640) . . . . . . . . . . . . . . d) Antrag der Abgeordneten Karl Holmeier, Reinhold Sendker, Steffen Bilger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/ CSU sowie der Abgeordneten Oliver Luksic, Patrick Döring, Petra Müller (Aachen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Öffentlich-Private Part- nerschaften – Potentiale richtig nutzen, mittelstandsfreundlich gestalten und Transparenz erhöhen (Drucksache 17/12696) . . . . . . . . . . . . . . e) Antrag der Abgeordneten Renate Künast, Undine Kurth (Quedlinburg), Bärbel Höhn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Haltung von Delfinen beenden (Drucksache 17/12657) . . . . . . . . . . . . . . f) Antrag der Abgeordneten Harald Ebner, Cornelia Behm, Nicole Maisch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Bienen und andere Insekten vor Neonicotinoiden schützen (Drucksache 17/12695) . . . . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 3: a) Erste Beratung des von den Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen Wett- bewerbsbeschränkungen zur gesetzli- chen Absicherung des Presse-Grossos (Drucksache 17/12679) . . . . . . . . . . . . . . b) Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen zur Än- derung des Pressefusionsrechtes (Drucksache 17/12680) . . . . . . . . . . . . . . c) Antrag der Abgeordneten Swen Schulz (Spandau), Dr. Ernst Dieter Rossmann, Dr. Hans-Peter Bartels, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion der SPD: Hoch- schulpakt aufstocken – Finanzierung von wachsenden Studienkapazitäten an den Hochschulen langfristig sicher- stellen (Drucksache 17/12690) . . . . . . . . . . . . . . 28403 B 28404 B 28406 B 28408 A 28408 B 28410 B 28412 B 28415 A 28417 C 28419 A 28421 B 28422 A 28422 C 28423 B 28424 A 28424 D 28425 B 28426 A 28427 A 28427 D 28429 D 28430 B 28431 C 28431 D 28431 D 28431 D 28432 A 28432 A 28432 B 28432 B 28432 B Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. März 2013 III d) Antrag der Abgeordneten Maria Klein- Schmeink, Birgitt Bender, Kerstin Andreae, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Korruption im Gesundheitswesen straf- bar machen (Drucksache 17/12693) . . . . . . . . . . . . . . . e) Antrag der Abgeordneten Dr. Valerie Wilms, Dr. Gerhard Schick, Bettina Herlitzius, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Europäische Tonnagesteuer statt Steu- ersparmodell (Drucksache 17/12697) . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 35: a) Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrach- ten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 3. Mai 2012 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Re- publik Korea über die Seeschifffahrt (Drucksachen 17/12336, 17/12574) . . . . . b) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung seever- kehrsrechtlicher und sonstiger Vor- schriften mit Bezug zum Seerecht (Drucksachen 17/12348, 17/12594) . . . . . c) Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrach- ten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Internationalen Übereinkommen von Nairobi von 2007 über die Beseitigung von Wracks  (Drucksachen 17/12343, 17/12595) . . . . . d) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Technolo- gie zu der Verordnung der Bundesregie- rung: Fünfundneunzigste Verordnung zur Änderung der Außenwirtschafts- verordnung (Drucksachen 17/12226, 17/12441 Nr. 2.1, 17/12728) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Technolo- gie zu der Verordnung der Bundesregie- rung: Einhundertzehnte Verordnung zur Änderung der Ausfuhrliste – An- lage AL zur Außenwirtschaftsverord- nung –  (Drucksachen 17/12227, 17/12441 Nr. 2.2, 17/12729) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu der Verordnung der Bundesregierung: Verordnung über die Hinweispflichten des Handels beim Ver- trieb bepfandeter Getränkeverpackun- gen (GvpHpV) (Drucksachen 17/12303, 17/12441 Nr. 2.3, 17/12739) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g)–m) Beratung der Beschlussempfehlungen des Petitionsausschusses: Sammelübersich- ten 546, 547, 548, 549, 550, 551 und 552 zu Petitionen (Drucksachen 17/12511, 17/12512, 17/12513, 17/12514, 17/12515, 17/12516, 17/12517) . . . Zusatztagesordnungspunkt 4: a) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zu dem Antrag der Abgeord- neten Renate Künast, Monika Lazar, Ekin Deligöz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Gleichberechtigte Teilhabe von Frauen in Führungspositionen umsetzen (Drucksachen 17/7953, 17/8643) . . . . . . . b) Beschlussempfehlung und Bericht des In- nenausschusses zu dem Antrag der Abge- ordneten Josef Philip Winkler, Volker Beck (Köln), Memet Kilic, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Residenzpflicht abschaf- fen (Drucksachen 17/11356, 17/11725) . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 5: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der SPD: Standpunkt der Bundesregierung zu den beschlossenen Verfassungsänderun- gen in Ungarn im Hinblick auf die Einhal- tung europäischer Grundwerte . . . . . . . . . . Dr. Frank-Walter Steinmeier (SPD) . . . . . . . . Gunther Krichbaum (CDU/CSU) . . . . . . . . . Stefan Liebich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Joachim Spatz (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Karl Holmeier (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Michael Roth (Heringen) (SPD) . . . . . . . . . . Dr. Stefan Ruppert (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Kerstin Griese (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Johann Wadephul (CDU/CSU) . . . . . . . . Christoph Strässer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Thomas Dörflinger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 28432 C 28432 C 28432 D 28433 A 28433 B 28433 C 28433 C 28433 D 28434 A 28434 C 28434 D 28435 A 28435 B 28436 A 28436 D 28438 A 28438 D 28439 D 28441 A 28442 C 28443 C 28445 A 28446 B 28447 C IV Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. März 2013 Tagesordnungspunkt 5: Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP eingebrachten Ent- wurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Conterganstiftungsgesetzes (Drucksache 17/12678) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dorothee Bär (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Marlene Rupprecht (Tuchenbach)  (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nicole Bracht-Bendt (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Kristina Schröder, Bundesministerin  BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Christel Humme (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Patrick Meinhardt (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Markus Grübel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Thomas Strobl (Heilbronn) (CDU/CSU) . . . . Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 6: Antrag der Abgeordneten Katja Kipping, Diana Golze, Matthias W. Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Für soziale Gerechtigkeit statt gesellschaft- licher Spaltung – Bilanz nach 10 Jahren Agenda 2010 (Drucksache 17/12683) . . . . . . . . . . . . . . . . . Katja Kipping (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Dr. Carsten Linnemann (CDU/CSU) . . . . . . . Hubertus Heil (Peine) (SPD) . . . . . . . . . . . . . Dr. Heinrich L. Kolb (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Heinrich L. Kolb (FDP) . . . . . . . . . . . . Hubertus Heil (Peine) (SPD) . . . . . . . . . . . Katja Kipping (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Hubertus Heil (Peine) (SPD) . . . . . . . . . . . . . Paul Lehrieder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Johannes Vogel (Lüdenscheid) (FDP) . . . . . . Tagesordnungspunkt 7: a) – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Stärkung der Rechte von Opfern sexuellen Missbrauchs (StORMG) (Drucksachen 17/6261, 17/12735) . . . – Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Christine Lambrecht, Olaf Scholz, Bärbel Bas, weiteren Abgeordneten und der Frak- tion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verlängerung der straf- und zivilrechtlichen Verjäh- rungsvorschriften bei sexuellem Missbrauch von Kindern und min- derjährigen Schutzbefohlenen (Drucksachen 17/3646, 17/12735) . . . – Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Ingrid Hönlinger, Ekin Deligöz, Volker Beck (Köln), weiteren Abgeordneten und der Frak- tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ein- gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verlängerung der zivilrechtli- chen Verjährungsfristen sowie zur Ausweitung der Hemmungsregelun- gen bei Verletzungen der sexuellen Selbstbestimmung im Zivil- und Strafrecht (Drucksachen 17/5774, 17/12735) . . . b) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Aktionsplan 2011 der Bundesregierung zum Schutz von Kindern und Jugendli- chen vor sexueller Gewalt und Ausbeu- tung (Drucksache 17/7233) . . . . . . . . . . . . . . . c) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Abschlussbericht des Runden Tisches „Sexueller Kindesmissbrauch in Ab- hängigkeits- und Machtverhältnissen in privaten und öffentlichen Einrichtun- gen und im familiären Bereich“ (Drucksache 17/8117) . . . . . . . . . . . . . . . Marco Buschmann (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . Sonja Steffen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ansgar Heveling (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Dr. Rosemarie Hein (DIE LINKE) . . . . . . . . Ingrid Hönlinger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michaela Noll (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 8: a) Erste Beratung des von den Abgeordneten Volker Beck (Köln), Lisa Paus, Ingrid Hönlinger, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur abschließenden Beendigung der 28448 B 28448 C 28449 C 28450 D 28451 D 28453 C 28455 A 28456 A 28457 C 28458 B 28459 C 28460 C 28461 B 28461 B 28462 B 28463 C 28465 D 28466 C 28467 B 28468 A 28468 D 28469 C 28470 A 28471 C 28472 C 28472 C 28472 C 28472 D 28473 A 28473 A 28474 A 28475 D 28476 D 28477 D 28478 C Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. März 2013 V verfassungswidrigen Diskriminierung eingetragener Lebenspartnerschaften (Drucksache 17/12676) . . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Monika Lazar, Ingrid Hönlinger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Gleiches Recht für Lebenspartnerschaft und Ehe beim Adoptionsrecht – Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Februar 2013 jetzt umsetzen (Drucksache 17/12691) . . . . . . . . . . . . . . . in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 6: Bericht des Rechtsausschusses gemäß § 62 Absatz 2 der Geschäftsordnung zu dem von den Abgeordneten Volker Beck (Köln), Monika Lazar, Ekin Deligöz, weiteren Abge- ordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Ge- setzes zur Ergänzung des Lebenspartner- schaftsgesetzes und anderer Gesetze im Be- reich des Adoptionsrechts (Drucksachen 17/1429, 17/12731) . . . . . . . . . in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 7: Erste Beratung des von den Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ein- führung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts (Drucksache 17/12677) . . . . . . . . . . . . . . . . . Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ute Granold (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ute Granold (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . Sonja Steffen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Kauch (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ute Granold (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Erika Steinbach (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Norbert Geis (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Johannes Kahrs (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erika Steinbach (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Zur Geschäftsordnung Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 9: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines ... Strafrechtsänderungsgesetzes – Beschrän- kung der Möglichkeit zur Strafmilderung bei Aufklärungs- und Präventionshilfe (… StrÄndG) (Drucksachen 17/9695, 17/12732) . . . . . . . . . Jörg van Essen (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ingo Egloff (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ansgar Heveling (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Halina Wawzyniak (DIE LINKE) . . . . . . . . . Ingrid Hönlinger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 10: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zu dem Antrag der Abge- ordneten Dr. Bärbel Kofler, Dr. Sascha Raabe, Lothar Binding (Heidelberg), weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der SPD: Für eine bessere Bildungssituation weltweit (Drucksachen 17/6484, 17/11492) . . . . . . . . . Harald Leibrecht (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Bärbel Kofler (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Anette Hübinger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Niema Movassat (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Ute Koczy (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 11: Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Gewährung eines Altersgelds für freiwillig aus dem Bundes- dienst ausscheidende Beamte, Richter und Soldaten (Drucksache 17/12479) . . . . . . . . . . . . . . . . . Armin Schuster (Weil am Rhein)  (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Hartmann (Wackernheim)  (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28480 C 28480 C 28480 D 28480 D 28481 A 28482 A 28484 A 28484 A 28484 C 28485 D 28486 C 28487 A 28488 A 28488 B 28489 C 28490 C 28492 B 28493 B 28494 B 28495 C 28495 D 28496 B 28497 B 28498 D 28499 D 28500 D 28501 A 28502 A 28503 D 28505 D 28506 D 28507 D 28508 A 28510 C VI Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. März 2013 Dr. Stefan Ruppert (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Hartmann (Wackernheim)  (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Frank Tempel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 12: Antrag der Fraktionen SPD und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: 25 Jahre nach Halabja – Unterstützung für die Opfer der Giftgasangriffe (Drucksache 17/12685) . . . . . . . . . . . . . . . . . in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 8: Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP: Unterstützung für die Opfer von Halabja fortsetzen (Drucksache 17/12684) . . . . . . . . . . . . . . . . . in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 9: Antrag der Abgeordneten Ulla Jelpke, Jan van Aken, Wolfgang Gehrcke, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion DIE LINKE: Aner- kennung der irakischen Anfal-Operationen 1988/89 und des Giftgasangriffs auf Halabja vom 16. März 1988 als Völker- mord – Humanitäre Hilfe für die Opfer (Drucksache 17/12692) . . . . . . . . . . . . . . . . . Uta Zapf (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Philipp Mißfelder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Ulla Jelpke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . Hans-Werner Ehrenberg (FDP) . . . . . . . . . . . Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 13: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Strukturreform des Gebüh- renrechts des Bundes (Drucksachen 17/10422, 17/12722) . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 14: Antrag der Abgeordneten Jan Korte, Agnes Alpers, Herbert Behrens, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion DIE LINKE: Privati- sierung der öffentlichen Sicherheit rück- gängig machen (Drucksache 17/10810) . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 15: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Wahlprüfung, Immunität und Ge- schäftsordnung: Änderung der Geschäfts- ordnung des Deutschen Bundestages – hier: Änderung der Verhaltensregeln für Mit- glieder des Deutschen Bundestages (An- lage 1 der Geschäftsordnung) (Drucksache 17/12670) . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 16: Antrag der Abgeordneten Ulrich Schneider, Kai Gehring, Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Queere Jugendliche unterstützen (Drucksache 17/12562) . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 17: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Vierten Geset- zes zur Änderung des Energieeinsparungs- gesetzes (Drucksache 17/12619) . . . . . . . . . . . . . . . . . in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 10: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Verkehr, Bau und Stadtentwick- lung zu dem Antrag der Abgeordneten Daniela Wagner, Bettina Herlitzius, Dr. Anton Hofreiter, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Energiewende im Gebäudebestand sozial gerecht, umweltfreundlich, wirtschaftlich und zukunftsweisend umsetzen (Drucksachen 17/11664, 17/12671) . . . . . . . . Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister  BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sören Bartol (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Petra Müller (Aachen) (FDP) . . . . . . . . . . . . . Heidrun Bluhm (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Volkmar Vogel (Kleinsaara)  (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28512 A 28512 D 28514 A 28514 D 28516 A 28516 A 28516 B 28516 B 28517 C 28519 B 28520 A 28521 A 28522 A 28522 B 28522 C 28523 A 28523 B 28523 B 28523 C 28524 B 28526 A 28527 A 28528 A 28529 A Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. März 2013 VII Tagesordnungspunkt 18: a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten (Drucksache 17/12634) . . . . . . . . . . . . . . . b) Erste Beratung des vom Bundesrat einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung des elektronischen Rechts- verkehrs in der Justiz (Drucksache 17/11691) . . . . . . . . . . . . . . . Elisabeth Winkelmeier-Becker  (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Edgar Franke (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Jens Petermann (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Ingrid Hönlinger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär  BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 19: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- wärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Ab- geordneten Heidemarie Wieczorek-Zeul, Edelgard Bulmahn, Dr. h. c. Gernot Erler, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Negativbilanz nach zwei Jahren im UN-Sicherheitsrat (Drucksachen 17/11576, 17/12242) . . . . . . . . Peter Beyer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Wolfgang Götzer (CDU/CSU) . . . . . . . . Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) . . . . . . . . Bijan Djir-Sarai (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Stefan Liebich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 20: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtli- nie und zur Änderung des Gesetzes zur Re- gelung der Wohnungsvermittlung (Drucksache 17/12637) . . . . . . . . . . . . . . . . . Mechthild Heil (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Marco Wanderwitz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Marianne Schieder (Schwandorf) (SPD) . . . Caren Lay (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin BMJ . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 21: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Verkehr, Bau und Stadtentwick- lung – zu dem Antrag der Abgeordneten Uwe Beckmeyer, Sören Bartol, Martin Burkert, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Stillstand in der Verkehrspoli- tik überwinden – Zukunftskommission zur Reform der Infrastrukturfinanzie- rung einrichten – zu dem Antrag der Abgeordneten Sabine Leidig, Herbert Behrens, Thomas Lutze, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Grundlegende Neuausrich- tung der Verkehrsinvestitionspolitik für Klima- und Umweltschutz, Barriere- freiheit, soziale Gerechtigkeit und neue Arbeitsplätze – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Anton Hofreiter, Winfried Hermann, Bettina Herlitzius, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Durch eine neue Investi- tionspolitik zu mehr Verkehr auf der Schiene (Drucksachen 17/5022, 17/1971, 17/1988, 17/8386) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ulrich Lange (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Reinhold Sendker (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Sören Bartol (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Werner Simmling (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Sabine Leidig (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 22: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung der Verfahrensrechte von Be- schuldigten im Strafverfahren (Drucksache 17/12578) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Patrick Sensburg (CDU/CSU) . . . . . . . . Burkhard Lischka (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Halina Wawzyniak (DIE LINKE) . . . . . . . . . Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär  BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28530 C 28530 C 28530 C 28531 C 28532 D 28533 C 28534 C 28535 C 28535 D 28536 C 28537 B 28538 B 28539 A 28539 D 28540 D 28541 A 28541 C 28542 D 28543 C 28544 B 28545 B 28546 A 28546 B 28547 B 28548 A 28550 A 28551 C 28552 B 28553 B 28553 C 28555 A 28555 C 28556 B 28557 A VIII Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. März 2013 Tagesordnungspunkt 23: a) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Menschenrechte und Hu- manitäre Hilfe zu dem Antrag der Abge- ordneten Tom Koenigs, Volker Beck (Köln), Ingrid Hönlinger, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Nationale Stelle zur Ver- hütung von Folter stärken (Drucksachen 17/11207, 17/12730) . . . . . b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Menschenrechte und Hu- manitäre Hilfe – zu der Unterrichtung durch die Bun- desregierung: Jahresbericht 2009/ 2010 der Bundesstelle zur Verhü- tung von Folter – zu der Unterrichtung durch die Bun- desregierung: Jahresbericht 2010/ 2011 der Nationalen Stelle zur Ver- hütung von Folter (Drucksachen 17/3134, 17/3578 Nr. 1.2, 17/9377, 17/9802 Nr. 5, 17/10085) Frank Heinrich (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Christoph Strässer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Marina Schuster (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Katrin Werner (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 24: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung der Professorenbesoldung und zur Änderung weiterer dienstrechtli- cher Vorschriften (Professorenbesoldungs- neuregelungsgesetz) (Drucksachen 17/12455, 17/12662) . . . . . . . . Tankred Schipanski (CDU/CSU) . . . . . . . . . Wolfgang Gunkel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Stefan Ruppert (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Petra Sitte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär  BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 25: Antrag der Abgeordneten Harald Weinberg, Kathrin Senger-Schäfer, Diana Golze, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Bessere Krankenhauspflege durch Mindestpersonalbemessung (Drucksache 17/12095) . . . . . . . . . . . . . . . . . Lothar Riebsamen (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Mechthild Rawert (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Lars Lindemann (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Harald Weinberg (DIE LINKE) . . . . . . . . . . Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 26: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Umwelt, Naturschutz und Reak- torsicherheit – zu der Verordnung der Bundesregierung: Verordnung zur Änderung der Vor- schriften über elektromagnetische Fel- der und das telekommunikationsrecht- liche Nachweisverfahren – zu der Unterrichtung durch die Bundesre- gierung: Vierter Bericht der Bundesre- gierung über die Forschungsergebnisse in Bezug auf die Emissionsminderungs- möglichkeiten der gesamten Mobilfunk- technologie und in Bezug auf gesund- heitliche Auswirkungen – zu der Unterrichtung durch die Bundesre- gierung: Fünfter Bericht der Bundesre- gierung über die Forschungsergebnisse in Bezug auf die Emissionsminderungs- möglichkeiten der gesamten Mobilfunk- technologie und in Bezug auf gesund- heitliche Auswirkungen (Drucksachen 17/12372, 17/12441 Nr. 2.4, 17/4408, 17/4588 Nr. 3, 17/12027, 17/12238 Nr. 1.4, 17/12738) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 27: Antrag der Abgeordneten Memet Kilic, Josef Philip Winkler, Katja Dörner, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das Kindernachzugsrecht am Kindeswohl ausrichten (Drucksache 17/12395) . . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Frieser (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Rüdiger Veit (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hartfrid Wolff (Rems-Murr) (FDP) . . . . . . . Sevim Dağdelen (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Memet Kilic (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28558 A 28558 A 28558 B 28560 A 28561 D 28562 D 28564 A 28565 C 28565 C 28566 D 28567 B 28568 A 28569 A 28570 B 28571 A 28571 B 28572 B 28573 A 28574 C 28575 B 28576 B 28576 D 28577 A 28578 A 28579 C 28580 C 28581 D 28582 D Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. März 2013 IX Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Jens Petermann, Raju Sharma, Halina Wawzyniak und Jörn Wunderlich (alle DIE LINKE): zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Rechte von Opfern sexuellen Missbrauchs (StORMG) (Tagesordnungspunkt 7a) . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Strukturre- form des Gebührenrechts des Bundes (Tages- ordnungspunkt 13) Helmut Brandt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Kirsten Lühmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Manuel Höferlin (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Steffen Bockhahn (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär  BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Privatisierung der öffentlichen Sicherheit rückgängig machen (Tagesord- nungspunkt 14) Armin Schuster (Weil am Rhein)  (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ingo Wellenreuther (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Wolfgang Gunkel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Gisela Piltz (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jan Korte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts: Änderung der Geschäftsordnung des Deut- schen Bundestages  hier: Änderung der Verhaltensregeln für Mit- glieder des Deutschen Bundestages (Anlage 1 der Geschäftsordnung) (Tagesordnungspunkt 15) Dr. Wolfgang Götzer (CDU/CSU) . . . . . . . . Bernhard Kaster (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Christian Lange (Backnang) (SPD) . . . . . . . Sonja Steffen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jörg van Essen (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Raju Sharma (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Queere Jugendliche unterstüt- zen (Tagesordnungspunkt 16) Dr. Peter Tauber (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Christel Humme (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Kauch (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Barbara Höll (DIE LINKE). . . . . . . . . . . Ulrich Schneider (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts: – Verordnung zur Änderung der Vorschrif- ten über elektromagnetische Felder und das telekommunikationsrechtliche Nach- weisverfahren – Vierter Bericht der Bundesregierung über die Forschungsergebnisse in Bezug auf die Emissionsminderungsmöglichkeiten der gesamten Mobilfunktechnologie und in Bezug auf gesundheitliche Auswirkungen – Fünfter Bericht der Bundesregierung über die Forschungsergebnisse in Bezug auf die Emissionsminderungsmöglichkeiten der gesamten Mobilfunktechnologie und in Bezug auf gesundheitliche Auswirkungen (Tagesordnungspunkt 26) Dr. Michael Paul (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 28583 A 28584 A 28584 C 28585 C 28586 B 28587 B 28588 B 28589 A 28589 D 28590 C 28591 C 28592 C 28593 B 28594 C 28595 B 28596 B 28596 D 28597 D 28598 C 28598 D 28599 C 28599 D 28601 A 28602 C 28603 B 28604 A 28605 A X Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. März 2013 Dirk Becker (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Judith Skudelny (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Sabine Stüber (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28607 A 28608 B 28609 C 28610 B 28611 B Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. März 2013 28377 (A) (C) (D)(B) 228. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 14. März 2013 Beginn: 9.01 Uhr
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    Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. März 2013 28583 (A) (C) (D)(B) Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten  Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Bleser, Peter CDU/CSU 14.03.2013 Buchholz, Christine DIE LINKE 14.03.2013 Canel, Sylvia FDP 14.03.2013 Dr. Enkelmann, Dagmar DIE LINKE 14.03.2013 Fell, Hans-Josef BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 14.03.2013 Dr. Gerhardt, Wolfgang FDP 14.03.2013 Gohlke, Nicole DIE LINKE 14.03.2013 Groß, Michael SPD 14.03.2013 Dr. Happach-Kasan, Christel FDP 14.03.2013 Dr. Hein, Rosemarie DIE LINKE 14.03.2013 Herlitzius, Bettina BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 14.03.2013 Hintze, Peter CDU/CSU 14.03.2013 Hörster, Joachim CDU/CSU 14.03.2013 Hoff, Elke FDP 14.03.2013 Dr. Jochimsen, Lukrezia DIE LINKE 14.03.2013 Korte, Jan DIE LINKE 14.03.2013 Krumwiede, Agnes BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 14.03.2013 Kühn, Stephan BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 14.03.2013 Leidig, Sabine DIE LINKE 14.03.2013 Luksic, Oliver FDP 14.03.2013 Dr. Luther, Michael CDU/CSU 14.03.2013 Mast, Katja SPD 14.03.2013 Mayer (Altötting), Stephan CDU/CSU 14.03.2013 Möller, Kornelia DIE LINKE 14.03.2013 Montag, Jerzy BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 14.03.2013 Müller (Köln), Kerstin BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 14.03.2013 Dr. Ott, Hermann E. BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 14.03.2013 Paus, Lisa BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 14.03.2013 Dr. Pfeiffer, Joachim CDU/CSU 14.03.2013 Ploetz, Yvonne DIE LINKE 14.03.2013 Pronold, Florian SPD 14.03.2013 Reinhold, Hagen FDP 14.03.2013 Remmers, Ingrid DIE LINKE 14.03.2013 Dr. Riesenhuber, Heinz CDU/CSU 14.03.2013 Roth (Augsburg), Claudia BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 14.03.2013 Sager, Krista BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 14.03.2013 Schäffler, Frank FDP 14.03.2013 Schieder (Weiden), Werner SPD 14.03.2013 Schlecht, Michael DIE LINKE 14.03.2013 Schmidt (Eisleben), Silvia SPD 14.03.2013 Dr. Schmidt, Frithjof BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 14.03.2013 Schreiner, Ottmar SPD 14.03.2013 Strothmann, Lena CDU/CSU 14.03.2013 Wagner (Schleswig), Arfst BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 14.03.2013 Zimmermann, Sabine DIE LINKE 14.03.2013  Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Anlagen 28584 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. März 2013 (A) (C) (D)(B) Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Jens Petermann, Raju Sharma, Halina Wawzyniak und Jörn Wunderlich (alle DIE LINKE) zur Abstimmung über den Ent- wurf eines Gesetzes zur Stärkung der Rechte von Opfern sexuellen Missbrauchs (StORMG) (Tagesordnungspunkt 7 a) Wir haben uns bei dem benannten Gesetzentwurf ent- halten. Sexualisierte Gewalt gegenüber Kindern und Schutz- befohlenen ist ein sehr sensibles Thema. Dabei müssen der Schutz der Opfer und die Wiedergutmachung im Zentrum der Debatte stehen. Schutz der Opfer meint in allererster Linie Prävention. Der beste Opferschutz ist Prävention. Aus der Sicht der Opfer von sexualisierter Gewalt spricht viel dafür, die zivilrechtlichen Verjährungsvor- schriften zu verlängern. Alle Abgeordneten sprechen sich für die Verlängerung der zivilrechtlichen Verjährungsfris- ten aus. Die existierende Frist von drei Jahren zur Gel- tendmachung von Schadenersatz- und Schmerzensgeld- ansprüchen ist deutlich zu kurz. Es ist richtig, dass Opfer sexualisierter Gewalt im Kindesalter oft massiv traumati- siert sind und erst als Erwachsene und nach Jahrzehnten in der Lage sind, ihr Schweigen zu brechen. Dass Schmerzensgeld- und Schadenersatzansprüche dann nicht mehr geltend gemacht werden können, sehen wir als erhebliches Problem an. Insoweit begrüßen wir ausdrücklich, dass in den Drucksachen 17/3646 und 17/5774 die Verlängerung der zivilrechtlichen Verjäh- rungsfrist auf 30 Jahre gefordert wird, sowie in der Drucksache 17/5774 die Anhebung der Regelung zur Hemmung der zivilrechtlichen Verjährung. Aus rechtsstaatlicher Sicht problematisch ist die Ver- längerung der strafrechtlichen Verjährungsfristen in beiden Gesetzentwürfen. Die Einführung der strafrecht- lichen Verjährungsregelung in Drucksache 17/3646 knüpft nicht mehr an die für die jeweilige Straftat vorge- sehene Höchststrafe an, sondern schafft eine bislang nicht bekannte Sonderregelung. Diese Regelung wie auch die Verschiebung des Beginns des Laufens der strafrechtlichen Verjährung auf das 25. Lebensjahr – Drucksache 17/5774 – sind aber aus rechtspolitischer Sicht im Hinblick auf den Gesichtspunkt der Rechts- sicherheit aus unserer Sicht nicht sachgerecht. Damit wird eine Strafverfolgung noch zu einem Zeitpunkt nach der Tat gestattet, zu der eine strafrechtliche Sachver- haltsaufklärung nach rechtsstaatlichen Maßstäben kaum noch möglich sein dürfte. In vielen Fällen wird eine un- zureichende Sachverhaltsaufklärung wegen des strafpro- zessualen Grundsatzes „in dubio pro reo“ zum Frei- spruch des mutmaßlichen Täters führen, was sich aus Sicht der Opfer als eine nachträgliche „amtliche Legiti- mierung der Tat“ darstellen und den Zweck des Verfah- rens aus Opfersicht konterkarieren würde. Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Strukturreform des Gebührenrechts des Bun- des (Tagesordnungspunkt 13) Helmut Brandt (CDU/CSU): Eine für Bürgerinnen und Bürger, Wirtschaft und Verwaltung transparente und nachvollziehbare Gebührenerhebung ist derzeit aufgrund der stark zersplitterten und heterogenen Struktur des Verwaltungsgebührenrechts des Bundes in weit mehr als 200 Gesetzen und Rechtsverordnungen kaum möglich. Das ist lästig, teuer und bürokratisch. Ob es beispiels- weise um Informationen geht, die Personen oder Unter- nehmen benötigen, ob es um die Beantragung eines Per- sonalausweises oder um eine TÜV-Plakette geht – wir brauchen eine einheitliche Grundlage, aufgrund derer je- der die Kosten, die durch behördliches Handeln auf ihn zukommen, schnell, leicht und verlässlich nachvollzie- hen kann. Wie erreichen wir das? Mit der Allgemeinen Gebührenverordnung des Bundes sollen insbesondere einheitliche und anwenderfreund- liche Vorgaben für die Kalkulation kostendeckender Ge- bühren geschaffen werden. Dabei sollen die Gebühren grundsätzlich auf Grundlage von allgemein ermittelten Kostenpauschalen festgestellt werden, sodass die Behör- den in der Regel allein anhand von Zeitermittlungen die Gebühren für ihre Leistungen einfach und rechtssicher berechnen können. Zudem wird durch die grundsätzliche Bindung der Gebühr an eine nach betriebswirtschaft- lichen Maßstäben berechenbare Kostengrenze der „Preis“ für die öffentliche Leistung für Bürger sowie Unterneh- men verständlich und klar nachvollziehbar. Insgesamt wird nicht nur erheblicher Verwaltungsaufwand abge- baut, sondern Bürger, Unternehmen und Verwaltung werden auch von unnötigen Rechtsverfolgungskosten entlastet. Tragender Grundsatz der Gebührenbemessung ist künftig das Kostendeckungsprinzip. Das bedeutet, dass die Kosten, die auf Bürger und Unternehmen für eine in Anspruch genommene Verwaltungsleistung zukommen, nicht höher sein dürfen als die Personal- und Sachkos- ten, die auf Verwaltungsseite für diese Leistung entste- hen. Bürger und Unternehmen sollen also künftig vor zu hohen, die tatsächlichen Kosten übersteigenden Gebüh- ren geschützt werden. Nach dem bisherigen Recht sind für die Gebührenhöhe auch die Bedeutung, der wirt- schaftliche Wert oder der Nutzen der öffentlichen Leis- tung maßgeblich. Diese Kriterien sind unscharf und ha- ben in der Vergangenheit teils zu weit über den tatsächlichen Kosten liegenden Gebührenforderungen geführt. Die Folge waren zahlreiche gerichtliche Aus- einandersetzungen. Mit der Deckelung der Gebühren durch eine klar nachweisbare Kostengrenze erreichen wir ein dringend gebotenes Mehr an Rechtssicherheit. Gebührenermäßigungen und sogar Gebührenbefreiun- gen sind sowohl durch die Gebührenverordnungen als Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. März 2013 28585 (A) (C) (D)(B) auch durch die Behörde im Einzelfall möglich. Sie erlau- ben Ausnahmen vom Kostendeckungsprinzip, um sozia- len Belangen Rechnung zu tragen und fachspezifische Regelungsziele angemessen bei der Gebührenbemes- sung zu berücksichtigen. Damit ist im Sinne einer bür- gerfreundlichen Verwaltung sichergestellt, dass einkom- mensschwache Bürgerinnen und Bürger angemessen entlastet werden. Im Zeitalter des Computers und des Internets halten wir außerdem eine Privilegierung digitaler Kopien für notwendig. Mit Blick auf die Förderung einer elektroni- schen Verwaltung, die notwendige Entbürokratisierung und die Beschleunigung von Prozessen in der Verwal- tung ist es uns ein Anliegen, digitale Kopien zu fördern. Daher sollten diese günstiger sein als Papierkopien. Für die Verwaltung bedeutet es gerade bei umfangreichen Unterlagen weit weniger Aufwand, ein Dokument elek- tronisch zu versenden als der Kopiervorgang und die postalische Versendung. Um die Verwaltung zu entlas- ten, aber auch aus Gründen der Bürgerfreundlichkeit und der Umweltfreundlichkeit haben wir deshalb im Gesetz verankert, dass digitale Kopien gebührenmäßig privile- giert werden. Mit den Besonderen Gebührenverordnungen der Bun- desministerien wird das bislang in circa 200 Gesetzen und Verordnungen geregelte, stark zersplitterte Gebühren- recht des Bundes in einheitlich aufgebauten Gebühren- verordnungen gebündelt. Durch die Zusammenführung sämtlicher Gebührentatbestände im Zuständigkeitsbe- reich der Bundesministerien jeweils in Gebührenverord- nungen werden künftig Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen in die Lage versetzt, sich schnell und ein- fach einen Überblick über für sie relevante Gebühren zu verschaffen. Die Bundesregierung wird bei der Konzipierung der Allgemeinen und Besonderen Gebührenverordnungen auf die ausgewogene Entwicklung der Gebühren achten. Zentrales Ziel ist es, einen für Bürgerinnen und Bürger sowie für Unternehmen bezahlbaren Zugang zu Verwal- tungsleistungen des Bundes sicherzustellen. Obwohl be- reits der Europäische Gerichtshof entschieden hat, dass Gebühren angemessen sein müssen, wird nun im Gesetz- entwurf noch einmal ausdrücklich festgehalten, dass die Höhe der Gebühren kein Hindernis für die Inanspruch- nahme einer Leistung sein darf. Künftig sind die Gebühren für öffentliche Leistungen der Länder grundsätzlich durch Landesrecht zu regeln. Dies vermeidet aufwendige Abstimmungsprozesse zwi- schen Bund und Ländern und vereinfacht die Rechtsan- wendung. Damit entspricht der Bund den Forderungen der Länder im Rahmen der Föderalismusreform, diesen im Gebührenrecht eigenständige Entscheidungs- und Gestaltungsspielräume zu verschaffen. Eine Ausnahme gilt für Gesetze, in denen ein Bedürfnis nach bundesein- heitlichen Gebührenregelungen für Leistungen von Län- derbehörden besteht. Dies ist beispielsweise im Straßen- verkehrsrecht der Fall, da in diesem Bereich eine von Land zu Land unterschiedliche Gebühr zu einem Wett- bewerb zulasten der Verkehrssicherheit führen könnte, zum Beispiel bei Gebühren für die Hauptuntersuchung an Kfz. In diesen Fällen bestimmt weiterhin der Bund – in Abstimmung mit den Ländern – die Gebühren. Viele Länder haben bereits einheitliche Gebührenge- setze, sodass es auch aus diesem Grund sinnvoll ist, dass der Bund nachzieht. Mit dem vorliegenden Gesetzent- wurf tragen wir zu mehr Transparenz und Verlässlichkeit im Rahmen der Gebührenberechnung und der Gebühren- erhebung bei. Wir bringen sozusagen Licht ins Dunkel. Das neue Bundesgebührengesetz, mit dem das mehr als 40 Jahre alte Verwaltungskostengesetz abgelöst wird, modernisiert, bereinigt und vereinheitlicht das Verwal- tungsgebührenrecht für die gesamte Bundesverwaltung. Die Umsetzung der Reform erfolgt über einen Zeitraum von höchstens fünf Jahren durch die Allgemeine Gebüh- renverordnung der Bundesregierung und die Besonderen Gebührenverordnungen der Bundesministerien. Kirsten Lühmann (SPD): „Auch ein blindes Huhn findet einmal ein Korn“, hat meine Großmutter immer gesagt. Es ist ein seltener Glücksmoment, dessen Zeuge wir heute hier werden. Der Innenminister legt einen Ge- setzentwurf vor, der zum einen nicht in den Mühlen des schwarz-gelben Koalitionsbetriebes zermahlen wurde und zum anderen wirklich sinnvoll ist. Die Strukturreform des Gebührenrechts – nun ja, sie gehört nicht zu den drängendsten innenpolitischen Fra- gen unserer Zeit, aber es handelt sich dabei dennoch um eine sinnvolle Maßnahme. Schaut man sich an, wo das Verwaltungsgebührenrecht geregelt ist, findet man über 200 Gesetze und Verordnungen des Bundes und der Län- der, von der Abfallverbringungskostenverordnung über die De-Mail-Kostenverordnung, die Projekt-Mechanis- men-Kostenverordnung, die Kostenverordnung für die Registrierung homöopathischer Arzneimittel bis zur Elektro- und Elektronikgerätegesetz-Kostenverordnung usw. Das vorliegende Gesetz bündelt nun Regelungen aus diesen zahlreichen Fachgesetzen, und das ist sinnvoll; denn es ist nicht notwendig, dass jede Fachverordnung einzeln regelt, wie zum Beispiel Gebühren für eine Aus- kunft berechnet werden. Das Recht wird durch die Bün- delung einfacher und unbürokratischer. Bei der Berech- nung von Gebühren wird zukünftig stärker das Prinzip der Kostendeckung zugrunde gelegt. Damit sollen die Behörden in die Lage versetzt werden, kostendeckende Gebühren festzulegen – in der Regel gemessen am Zeit- aufwand. Das ist nicht nur notwendig für die Kostende- ckung, sondern auch transparent für die Bürger und Bür- gerinnen. Ein weiteres Anliegen des Gesetzes ist die Entflech- tung von Bund-Länder-Recht. Dieses Ziel entspricht den Beschlüssen der Föderalismuskommission II. Die Fest- setzung von Gebühren durch den Bund ist teilweise sehr aufwendig: Erst muss in allen Ländern der Aufwand ab- gefragt werden, dann wird ein Durchschnittswert ermit- telt, der dann wiederum aber nicht für alle kostende- ckend ist. Es gibt zum Beispiel keinen Grund, warum die Ge- bühr für das Ausstellen eines Parkausweises für Anwoh- 28586 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. März 2013 (A) (C) (D)(B) ner durch Bundesrecht geregelt werden muss. Besser ist es, Gebührentatbestände, die sich auf Leistungen bezie- hen, die durch Landesgesetze geregelt sind, auch durch die Länder oder Kommunen festlegen zu lassen. Das spart Abstimmungsaufwand, und dabei können regio- nale Besonderheiten berücksichtigt werden. Die Bundesregierung ist allerdings bei der Entflech- tung etwas übers Ziel hinausgeschossen. Im Verkehr soll- ten bundesweit einheitliche Regelungen bestehen blei- ben. Der Luftverkehr zum Beispiel wird ausschließlich durch Gesetzgebung des Bundes bzw. der EU geregelt. Hier wäre es nicht sinnvoll, die Gebühren in jedem Bun- desland einzeln zu regeln. Das wäre einerseits für die Bürger und Bürgerinnen nicht nachvollziehbar, und ande- rerseits wollen wir hier keinen Unterbietungswettbewerb. Insofern ist es gut, dass die Einwände des Bundesrates be- rücksichtigt wurden und die bundeseinheitlichen Gebüh- renregelungen im Verkehrsbereich beibehalten werden. Unter dem Strich sehen wir hier eindeutige Verbesserun- gen und stimmen daher dem Gesetzentwurf zu. Es wäre allerdings schön, wenn die Bilanz des Innen- ministers außer der Strukturreform des Gebührenrechts noch weitere Erfolge vorzuweisen hätte. Wenn wir das auch sagen könnten bei der Reform der Bundespolizei, dem NPD-Verbot, der Informationsfrei- heit und der Armutsmigration! Leider ist das in allen die- sen Fragen nicht der Fall. Die Bundespolizei verwaltet den Mangel, ein Konzept für die Zukunft hat der Innen- minister über seine gesamte Amtszeit hinweg nicht ent- wickelt. Beim NPD-Verbot ist er einmal dafür, einmal dagegen. Wofür er steht, ist niemandem klar. Bei der In- formations- und Pressefreiheit gibt es keine Fortschritte. Dabei liegen durch die Evaluierung des Informations- freiheitsgesetzes und das aktuelle Urteil zum Presseaus- kunftsgesetz klare Empfehlungen vor. Beim Thema Ar- mutsmigration schlägt Friedrich schrille Töne an und schürt Ressentiments, anstatt Lösungen auf den Tisch zu legen. Nun kann er sich immerhin die Gebührenstrukturre- form ans Revers heften. Schön und gut. Aber ich muss ehrlich sagen, von einem Bundesinnenminister erwarte ich mehr als das! Im Hahnenkampf kann man übrigens folgendes Phänomen beobachten: Wenn der Hahn sich nicht entscheiden kann, ober er angreifen oder fliehen soll, fängt er an zu picken – eine klassische Über- sprungshandlung. Einmal hier und einmal da ein Korn aufzupicken, mag einen kurzen Glücksmoment ver- schaffen, es bringt aber unser Land nicht weiter. Es wäre gut, wenn der Minister sich in den verbleibenden Mona- ten dieser Wahlperiode einen Ruck geben und die drän- genden innenpolitischen Entscheidungen endlich in An- griff nehmen würde. Manuel Höferlin (FDP): Die Erhebung von Verwal- tungsgebühren ist derzeit für Bürgerinnen und Bürger noch schwer durchschaubar und sehr unübersichtlich. Mehr als 200 verschiedene Gesetze und Verordnungen regeln für zahlreiche Einzelfälle, welche Gebühren in welcher Höhe erhoben werden. In zahlreichen Fachge- setzen mussten spezielle Regelungen zur Erhebung von Verwaltungsgebühren erlassen werden. Das Ergebnis: ein Wildwuchs unterschiedlicher Regelungen zu Gebüh- renerhebungen in unterschiedlichen Bereichen. Und die- ser Zustand ist nicht nur für die Bürgerinnen und Bürger ein Problem, die sich einer vorgeblichen verwaltungs- politischen Willkür ausgesetzt sehen; er stellt auch die Verwaltung vor ein Problem. Die uneinheitlichen Rege- lungen für die Erhebung von Verwaltungsgebühren sorgen für Rechtsunsicherheit und schaffen den Verwal- tungsgerichten unnötig viel Arbeit. Die christlich-liberale Koalition hat es sich zum Ziel gemacht, diesen Missstand zu beheben. Die Verwaltung in Deutschland muss schlank, effizient und bürgernah sein. Verwaltungsgebühren sollten – wenn sie schon er- hoben werden müssen – transparent sein. Sie sollten auf einer gemeinsamen Rechtsgrundlage erhoben werden. Und sie dürfen nicht dazu dienen, Bürger von der Durch- führung von Verwaltungsakten abzuschrecken. Das ist uns mit dem vorliegenden Gesetzentwurf zur Strukturreform des Verwaltungsgebührenrechts auch gelungen. Lassen Sie mich kurz die wichtigsten Verbes- serungen darstellen, die uns mit dem vorliegenden Ge- setzentwurf gelungen sind. Wir haben im Änderungsantrag der Koalition klar ge- regelt, dass zukünftig Gebühren für Verwaltungsakte nicht mehr so hoch sein dürfen, dass sie Bürgerinnen und Bürger, aber auch Unternehmen davon abhalten, die für die Gebühr erbrachte Verwaltungsleistung in Anspruch zu nehmen. Diesen sogenannten Prohibitiv- gebühren haben wir einen Riegel vorgeschoben. Eine Verwaltung sollte eine Leistung anbieten und für diejeni- gen, die sie in Anspruch nehmen wollen, auch tatsäch- lich zugänglich machen. Das ist ihre Aufgabe. Diesen Anspruch untermauern wir, indem wir das Kostendeckungsprinzip stärken. Es gilt nun pauschal für alle von Verwaltungen erhobenen Gebühren. Ver- waltungsgebühren dürfen ab sofort nur noch in der Höhe erhoben werden, in der sie tatsächlich individuell zu- rechenbare Kosten verursachen. Das ist gerechte Gebüh- renerhebung. Ein weiterer Aspekt, den wir mit dem neuen Verwal- tungsgebührenrecht auch stärken und fördern wollen, ist die elektronische Verwaltung. E-Government ist der Motor der Verwaltungsmodernisierung, und Deutsch- land muss hier mit anderen modernen Demokratien Schritt halten. Wir konnten bereits erste Erfolge im Planungsverein- heitlichungsgesetz erzielen und bringen hierzu auch das E-Government-Gesetz auf den Weg, mit dem die elek- tronische Verwaltung eine grundsätzliche Stärkung er- fährt. Aber solche strukturellen Reformen dürfen am Ende nicht an hohen Verwaltungsgebühren für elektroni- sche Verwaltungsakte scheitern. Wir haben daher durch- gesetzt, dass die einfache elektronische Kopie zukünftig für alle Bürgerinnen und Bürger kostenfrei zur Verfü- gung gestellt wird. Auch haben wir erreicht, dass die ein- fache elektronische Auskunft bei einer Bundesbehörde zukünftig kostenfrei ist. Behörden werden hierfür also Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. März 2013 28587 (A) (C) (D)(B) den Bürgerinnen und Bürgern keine Gebühren in Rech- nung stellen. Das ist bürgernahe und moderne Verwaltung. Denn eine elektronische Kopie lässt sich in der Regel schneller erstellen als eine Papierkopie. Und sie lässt sich auch leichter zustellen, zum Beispiel mit einer einfachen E-Mail. Die besondere Privilegierung der elektronischen Kopie ist in Sachen Bürokratieabbau, Beschleunigung der Verwaltungsarbeit und Kosteneffizienz der Verwal- tung ein Gewinn für die Bürgerinnen und Bürger. Eine weitere Verbesserung, die mit dem vorliegenden Entwurf erreicht wird, ist die Vereinheitlichung der Grundsätze für Verwaltungsgebühren. Das Kosten- deckungsprinzip habe ich in diesem Zusammenhang be- reits angesprochen. Daneben ist mit den zentralen Regelungen im Gesetz zur Strukturreform des Verwaltungsgebührenrechts eine bundesweit einheitliche Regelung für die Berechnung und Erhebung von Gebühren bei Bundesbehörden ge- funden worden. Das schafft nicht nur Klarheit für Bürge- rinnen und Bürger. Es entschlackt auch zahlreiche Fach- gesetze und entlastet so Bürokratie und Justiz. Denn es ist jetzt eben nicht mehr unklar, nach welchem Prinzip Gebühren berechnet werden müssen. Es ist jetzt eben nicht mehr nötig, gegen Gebühren zu klagen. Und es ist auch nicht mehr unklar, woher die Regelung für die Ge- bühren überhaupt stammt. Wie Sie sehen, konnten wir mit dem neuen Gesetz zur Strukturreform des Verwaltungsgebührenrechts eine Reihe von Verbesserungen für die Bürgerinnen und Bür- ger in Deutschland durchsetzen und die Modernisierung der Verwaltung in Deutschland vorantreiben. Mit dem neuen Verwaltungsgebührenrecht haben wir einen weite- ren Baustein für unsere moderne, bürgernahe Verwal- tung geschaffen, die wir mit dem E-Government-Gesetz und dem Planungsvereinheitlichungsgesetz weiter mo- dernisieren wollen. Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie diese Verbesse- rungen ebenfalls anerkennen, und bitte um Ihre Unter- stützung. Steffen Bockhahn (DIE LINKE): Die Neuordnung des Gebührenrechts des Bundes ist überfällig und im Grundsatz auch zu begrüßen. Allein die beabsichtigte Entschlackung von 99 Gesetzen und 110 Rechtsverord- nungen kann nur als Erfolg gewertet werden. Die Ab- sicht, klare Regelungen zu schaffen, die verhindern, dass man eine Gebührenregelung auf der dritten Seite des vierten Anhangs der fünften Ergänzung einer Verord- nung übersieht und damit in eine Falle läuft, ist zu unter- stützen. Mehr Übersichtlichkeit und Transparenz bei der Frage der zu zahlenden Gebühren sind besser für die Bürgerinnen und Bürger, für die Unternehmen und auch für die zuständigen Verwaltungen, die sich dann ja auch auf einer stabileren und verständlicheren Grundlage be- wegen. Wenn es richtig gut läuft, lassen sich eine Reihe von Streitigkeiten bis hin zu zähen Verwaltungsgerichts- verfahren vermeiden, wenn man diese Neuordnung wirklich gut macht. Natürlich ist das Gegenteil bei einer schlechten Reform auch denkbar, wenngleich nicht wün- schenswert. Doch dieses Gesetz wäre keines dieser Bundesregie- rung, wenn es nicht auch eine streng neoliberale Logik selbst bei diesem Thema verfolgen würde. Natürlich kann man es begrüßen, dass der Bund und die Länder Ei- genständigkeit bei der Gestaltung der Gebühren bekom- men und damit der Föderalismus gelebt wird. Auf der anderen Seite – und da kommen wir zum Neoliberalis- mus – ist die Ausgestaltung wieder so gewählt, dass es nicht den Föderalismus, sondern nur den Wettbewerb unter den Ländern stärkt. Wieder wird es so sein, dass die Länder, die eine bes- sere Finanzausstattung haben, sich gegenüber denen mit klammen Kassen einen Vorteil verschaffen können. Wer es sich leisten kann, wird auf Gebühren verzichten, um beispielsweise Unternehmensansiedlungen zu befördern oder Bauanträge für besondere Vorhaben, die finanz- starke Einwohnerinnen und Einwohner anlocken, attrak- tiver zu machen. Und die Länder, die sich den Verzicht auf Einnahmen aus Gebühren leisten können, werden es dabei nicht be- lassen. Von den finanzschwachen Ländern werden sie verlangen, dass Gebühren in voller zulässiger Höhe er- hoben werden. So müsse man sich dann um eigene Ein- nahmen bemühen, und das wäre dann ja auch nur ge- recht. Doch das ist es genau nicht. Den Vorteil aus der eigenen Stärke noch zum zusätzlichen Nachteil der Schwächeren zu machen, ist ungerecht und unsolida- risch. Das Bestehen solcher Absichten muss konkret ver- mutet werden, schaut man sich die Äußerungen des hes- sischen Staatsministers Boddenberg im Bundesrat zum Thema an. Diese Verfahrensweise ist denen, die kommunalpoli- tisch aktiv sind, bestens vertraut. Eine finanzstarke kleine Gemeinde im Umland einer größeren Stadt wirbt gewöhnlich mit niedrigen Steuern und Abgaben. Sie bie- tet einen niedrigeren Gewerbesteuerhebesatz, eine gerin- gere Grundsteuer B als die Großstadt an und zieht so In- vestoren und Besserverdienende aus der Stadt ab. Die meist in Haushaltsnotlage befindliche Großstadt kann aber diesen Wettlauf nach unten nicht mitmachen, weil sie durch die jeweilige Rechtsaufsichtsbehörde gezwun- gen wird, ihre Einnahmen um das maximal Mögliche zu erhöhen. Dabei geht es dann immer wieder um die bei- den genannten Steuerquellen und natürlich immer wie- der auch um Verwaltungsgebühren. Die Großstadt hat also einen erheblichen Nachteil, den sie de facto nie aus- gleichen kann. Wettbewerb unter Gleichen geht anders. Dieses Prinzip ist in den Kommunen schon so oft ge- scheitert, dass man sich fragen muss, warum die Bundes- regierung es nicht erkennt oder erkennen will, dass der Weg der falsche ist. Zudem entfernen wir uns so noch weiter vom Anspruch gleichwertiger Lebensverhältnisse in allen Teilen der Republik. Schließlich werden die rei- chen Länder in der Lage sein, ihren Vorteil gegenüber den schwächeren weiter auszunutzen und deren Ent- wicklung so zu bremsen. 28588 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. März 2013 (A) (C) (D)(B) Ein weiterer Aspekt ist die gewollte volle Ausnutzung des Kostendeckungsprinzips. Auch hier ist es möglich, etwas Gutes zu tun oder alles noch schlimmer zu ma- chen. Auf den ersten Blick erscheint es sinnvoll, dass eine Leistung des Staates auch finanziert werden soll. Und wer eine besondere Leistung der Verwaltung in An- spruch nimmt, muss diese auch bezahlen. Klingt erst ein- mal vernünftig, doch Vorsicht! Auch hier kann es wieder passieren, dass es zu einer schlimmen Sache für die klei- nen Leute wird; denn wenn der Bund und die Länder sich darauf einigen, eine Vollkostendeckung bei Gebüh- ren einzuführen, ist es nur eine Frage der Zeit, bis das auch von den Kommunen für alle Bereiche verlangt wer- den wird. Das kann dann teuer werden. Schließlich müssten im schlimmsten Fall für Bauanträge, Personal- ausweise oder Reisepässe oder auch für Eheschließun- gen oder Eintragungen nach Geburten volle kosten- deckende Gebühren gezahlt werden. Im Ergebnis müssten nach jeder – zweifelsfrei begrüßenswerten – Ta- rifsteigerung im öffentlichen Dienst auch die Gebühren erhöht werden. Die Kosten sind dann gestiegen, also muss auch die Gebühr steigen. Strompreiserhöhungen oder andere Kostensteigerungen können das gleiche Er- gebnis hervorbringen. Hier gilt es, wirklich wachsam zu sein und eine solche Entwicklung zu verhindern. Wenn die Bundesregierung auf solche Dinge Rücksicht nimmt, kann es eine gelun- gene Sache werden. Die Hinweise dafür sind aber bis jetzt ausgeblieben. Wir empfehlen eine Anhörung zum Thema. Schlechter werden kann der Gesetzentwurf da- durch nicht. Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Der vorliegende Entwurf der Bundesregierung sieht eine umfangreiche Reform des Gebührenrechts des Bundes vor. Es handelt sich hierbei um eine überfällige Fleißarbeit des Bundesinnenministeriums. Seit 2008 hat der Rechnungshof kontinuierlich entsprechende Regelungen angemahnt und schließlich sogar auf einen konkreten Fahrplan bis zur 17. Wahl- periode gedrängt. Die zentralen Vorschläge des Rech- nungshofes wurden jetzt übernommen. Das begrüßen wir. Inhaltlich geht es um die Bemessung von Gebühren nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen und eine grundsätzliche Ausrichtung am Kostendeckungsprinzip. Dafür wird ein Bundesgebührengesetz geschaffen, das das bestehende Verwaltungskostengesetz und das darin festgelegte Äquivalenzprinzip ablöst. Eine möglichst einfache und rechtssichere Gebühren- ermittlung soll grundsätzlich durch die Verwendung von Kostenpauschalen gewährleistet werden. Die Möglich- keit zu Gebührenermäßigungen und -befreiungen zielt auf die Vermeidung von Unbilligkeiten. Erreicht werden die Konzentration der allgemeinen Regelungen in einem neuen Bundesgebührengesetz und die Bündelung der bisher in rund 200 Fachgesetzen und -verordnungen ent- haltenen Gebührenregelungen in Gebührenverordnun- gen der Bundesministerien. Eine Übergangsfrist von fünf Jahren ist vorgesehen. Durch die Zusammenfüh- rung sämtlicher Gebührentatbestände im Zuständig- keitsbereich der jeweiligen Bundesministerien in ein- heitlich aufgebauten Gebührenverordnungen sollen das Recht vereinfacht und mehr Transparenz für Bürgerin- nen und Bürger sowie die Wirtschaft geschaffen wer- den. Die Verwaltung soll durch den besseren Zugang zu den Gebührenvorschriften entlastet werden, wenn sich der Bearbeitungsaufwand für den Erlass der Gebühren- bescheide verringert. Schließlich sollen gebührenrechtliche Regelungen für öffentliche Leistungen der Behörden in den Ländern grundsätzlich den Ländern überlassen werden. Dies ent- spricht der Verantwortung der Länder für die Gebühren- erhebung von Behörden in den Ländern und Gemeinden. Die Entkopplung der Gebührenkompetenz zwischen Bund und Ländern soll die Rechtsetzung vereinfachen und beschleunigen. Der Bundesrat hatte umfangreiche Änderungen ange- mahnt, denen die Bundesregierung unserem Eindruck nach weitgehend entgegengekommen ist. Dabei wurde allerdings deutlich, dass es in einzelnen Bereichen durchaus sachgerechter erscheint, durch Bundesregelun- gen sicherzustellen, dass es gerade nicht zu einer Ent- flechtung der Gebührenverantwortung oder gar zu einem Gebührenwettbewerb kommt. Im Verkehrsbereich hat man sich dementsprechend geeinigt. Ich meine, damit wird deutlich, dass bei allem Harmonisierungs- und Entflechtungswillen stets gefragt werden muss, ob die zentralen Grundsätze dieses Rege- lungsansatzes für den jeweiligen Bereich am Ende durchtragen. Wir sollten deshalb in den kommenden Jah- ren, auch mithilfe des Bundesrechnungshofes, sorgfältig die Konsequenzen dieses Gesetzes beobachten. Das gilt sowohl hinsichtlich der Transparenz als auch hinsichtlich möglicher ungerechtfertigter Belastungen Einzelner. In puncto Transparenz bleibt doch nicht von der Hand zu weisen, dass mit einer Rückverlagerung der Gebührenhoheit an die Länder zwar in gewissem Umfange wegen der Regelungen des Bundesgebühren- gesetzes einerseits mehr Struktur in die Berechnungen etwa der Gebührensätze kommt. Zugleich aber kommt es doch automatisch zu 16 verschiedenen Ländertarifen, die auch erst einmal ermittelt werden müssen. Das ist ambivalent, und die Wirkungen sind abzuwarten. In Sachen möglicher Mehrbelastungen der Bürger wird zu beobachten sein, ob es tatsächlich durch das Kosten- deckungsprinzip und betriebswirtschaftliche Berech- nungsmodi zu einer disziplinierenden Bindungswirkung in der Festsetzungspraxis kommt oder ob in bestimmten Fällen der über 200 Gesetzeswerke auch Fehlentwick- lungen zu erwarten sind, so zum Beispiel der Wegfall bislang eingeübter sozialer Aspekte bei der Gebühren- festsetzung. Gerade weil es offenbleiben muss, ob die den Län- dern verschafften eigenständigen Entscheidungs- und Gestaltungsspielräume in allen 200 Gesetzen und Ver- ordnungen sachgerechte Ergebnisse nach sich ziehen werden, werden wir uns bei diesem komplexen Geset- zeswerk der Stimme enthalten. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. März 2013 28589 (A) (C) (D)(B) Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundes- minister des Innern: Mit dem heute zur Beratung vorlie- genden Gesetzentwurf soll eine grundlegende Moderni- sierung des gesamten Verwaltungsgebührenrechts des Bundes erreicht werden. In den mehr als 40 Jahren seit dem Inkrafttreten des Verwaltungskostengesetzes hat sich ein großer Ände- rungsbedarf aufgestaut. Derzeit sind die einzelnen Gebühren in rund 200 Gesetzen und Verordnungen über das gesamte Bundesrecht verstreut. Dies erschwert das Auffinden und die Anwendung der Regelungen erheb- lich. Die Gebührenerhebung ist deshalb für Bürgerinnen und Bürger sowie für Unternehmen oft nur schwer nach- vollziehbar. Darüber hinaus bestehen erhebliche rechtliche Unsi- cherheiten bei der Kalkulation der Gebühren. Dadurch kam es in der Vergangenheit zu zahlreichen gerichtli- chen Auseinandersetzungen. Folge waren beispielsweise bei der Bundesnetzagentur Rückerstattungsansprüche in Millionenhöhe. Vor diesem Hintergrund wird mit dem Gesetzentwurf mehr Transparenz, Rechtssicherheit und Bürgerfreund- lichkeit im Gebührenrecht des Bundes herbeigeführt. Bürokratie wird abgebaut. Dabei haben wir nicht nur die Kosten der Verwaltung im Blick. Wichtig ist es auch, die Angemessenheit der Gebühren sicherzustellen. Die Reform orientiert sich an den in den Gebührenge- setzen der Länder bewährten Strukturen. Zugleich kön- nen die Länder künftig für die Leistungen ihrer Behör- den die Gebühren selbst bestimmen. Damit setzt der Bund die Forderungen der Länder im Rahmen der Föde- ralismusreform auch im Gebührenrecht um. Das Herzstück der Reform ist das neue Bundesgebüh- rengesetz. Nach diesem Gesetz soll die Gebühr grund- sätzlich nach dem Kostendeckungsprinzip bestimmt werden. Berechnet wird die kostendeckende Gebühr nach betriebswirtschaftlichen Maßstäben. Diese klaren und verbindlichen Vorgaben stellen in Zukunft die Ge- bührenkalkulation auf ein solides Fundament. Zudem wird die Gebührenberechnung verständlich und klar nachvollziehbar. Zusätzlich vereinfachen betriebswirtschaftlich be- rechnete Kostenpauschalen die Gebührenberechnung. Dies verbessert die Effizienz und Effektivität der Ver- waltung. Durch die Reform sollen die Leistungen der Bundes- behörden nicht teurer werden. Eine Gebührenerhöhung ist nicht bezweckt. Im Gegenteil: Künftig sollen den Bürgern und der Wirtschaft keine kostenüberdeckenden Gebühren mehr auferlegt werden. Zudem sind durch Gebührenermäßigungen und sogar Gebührenbefreiungen weitreichende Ausnahmen vom Kostendeckungsprinzip möglich. Dies erlaubt es, bei- spielsweise sozialen Belangen durch eine angemessene Entlastung einkommensschwacher Bürger Rechnung zu tragen. Die klaren gesetzlichen Vorgaben sorgen für die notwendige Rechtssicherheit sowie eine transparente und gleichmäßige Rechtsanwendung. Zusätzlich wird in das Gesetz ein ausdrückliches Verbot von Gebühren aufgenommen, die eine wirtschaft- liche Barriere für die Inanspruchnahme von Verwal- tungsleistungen bilden. Dies ist eine wesentliche Weichenstellung im Sinne einer bürgerfreundlichen Ver- waltung. Ein weiterer wesentlicher Schwerpunkt der Reform ist die grundlegende Bereinigung und Vereinfachung des Verwaltungsgebührenrechts des Bundes. Zu diesem Zweck werden künftig die bislang zersplittert und unein- heitlich geregelten Gebühren in den nur wenigen Gebüh- renverordnungen der Bundesministerien übersichtlich nach Sachgebieten geordnet zusammengefasst. Damit kann sich jedermann schnell, einfach und zuverlässig ei- nen Überblick über die Gebühren des Bundes verschaf- fen. Die Umsetzung der Reform erfolgt durch eine Allge- meine und mehrere Besondere Gebührenverordnungen über einen Zeitraum von fünf Jahren. Die Bundesregie- rung wird bei der Konzipierung dieser Verordnungen auf die ausgewogene Entwicklung der Gebühren achten. Zentrales Ziel ist es, für jedermann einen bezahlbaren Zugang zu Verwaltungsleistungen des Bundes sicherzu- stellen. Die Zeit drängt. Die Reform ist längst überfällig. Wenn wir jetzt nichts tun, bleibt es bei der zersplitterten Struktur des Gebührenrechts des Bundes und den rechtli- chen Unsicherheiten bei der Gebührenkalkulation. Dies sollten wir den Bürgerinnen und Bürgern sowie der Wirtschaft in unserem Land nicht mehr länger zumuten. Ich bitte Sie, das Vorhaben zu unterstützen. Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Privatisierung der öffentlichen Sicherheit rückgängig machen (Ta- gesordnungspunkt 14) Armin Schuster (Weil am Rhein) (CDU/CSU): Die öffentliche Sicherheit und Ordnung ist Sache des Staa- tes, und das bleibt auch so. Es gilt das Gewaltmonopol des Staates, und das stellt in der Bundesrepublik auch niemand ernsthaft infrage. Nun suggerieren Sie bereits in der Überschrift Ihres Antrags, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der Linken, dass der Staat das Gewaltmonopol schon aus der Hand gegeben hat. Um dann wiederum nachzuschieben, dies sei zumindest das subjektive Empfinden der Bürge- rinnen und Bürger. Wie denn jetzt? Sie sind dann doch so seriös, diese abstruse Behauptung nicht selbst aufstel- len zu wollen, und deshalb müssen jetzt die armen Bür- ger herhalten? Die werden sich für diese unfreiwillige Einvernahme sicher bedanken. Wir sind meilenweit davon entfernt, Sicherheit nur dem zu ermöglichen, der sich das auch privat leisten kann. Wir wollen keine Bürgerwehren oder privat gesi- cherte Wohnviertel für Wohlhabende. Wir haben auch 28590 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. März 2013 (A) (C) (D)(B) keine Polizei light, die Grundrechte nicht respektiert und das Gewaltmonopol mutwillig oder unwissentlich durch- bricht. Solche Szenarien gibt es leider auf dieser Welt; sie haben aber mit der Realität in diesem Land rein gar nichts zu tun. Und genauso wenig geben wir hoheitliche polizeiliche Aufgaben auf. Richtig ist: Zum Beispiel im Bereich der Luftsicher- heit oder der Bahn greifen Unternehmen und der Staat auf private bzw. beliehene Sicherheitskräfte zurück. Da- für gibt es gute Gründe. Die Deutsche Bahn schützt ihre Objekte mit Unterstützung privater Sicherheitsdienste und setzt ihr privates Hausrecht durch; hier werden keine hoheitlichen Aufgaben wahrgenommen. Die hoheitlichen Aufgaben im Bereich der Bahnanlagen nimmt die Bun- despolizei gemäß § 3 des Bundespolizeigesetzes wahr, zum Beispiel im Bereich der betriebsbedingten Gefah- ren. Dazu gehört aber eben aus gutem Grund nicht die Durchsetzung von Eigentümerrechten; das bleibt allei- nige Aufgabe der DB AG. Anderer Fall: Auf Flughäfen werden durch die Bun- despolizei private Sicherheitsfachkräfte eingesetzt, und zwar, um Gepäck und Personen einer Luftsicherheits- bzw. Fluggastkontrolle zu unterziehen. In Ihrem Antrag verschweigen Sie allerdings – oder Sie wissen es nicht besser –, dass die eingesetzten Sicherheitskräfte Belie- hene der Bundespolizei sind und dass an diesen Kont- rollstellen für Eingriffsmaßnahmen Bundespolizisten vor Ort jederzeit zur Verfügung stehen. Dabei üben die anwesenden Bundespolizisten auch die Fachaufsicht aus. Verfassungsrechtlich wird die Möglichkeit, Aufga- ben zur Gewährleistung der Luftsicherheit in privat- rechtlicher Organisationsform wahrnehmen zu lassen, durch Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG eingeräumt. Problema- tisch wäre der Einsatz privater Sicherheitskräfte erst dort, wo der potenzielle Eingriff in die Grundrechte der Bürger hoch wäre. An Flughäfen ist das nicht der Fall, da die Personenkontrolle Teil des Vertrags ist, den der Fluggast abgeschlossen hat. Sie erfolgt nicht unter Zwang oder Gewaltanwendung, sondern mit Einwilli- gung des Reisenden. Weigert sich der Fluggast, sich kontrollieren zu lassen, so kann er das Flugzeug nicht besteigen. In Zeiten knapper Ressourcen ist es auch bei der Polizei ökonomisch durchaus sinnvoll, einfache Unterstützungs- leistungen ohne Eingriffscharakter in einem Beleihungs- verhältnis durch private Unternehmen wahrnehmen zu lassen. Gleichwohl: Wo Unterstützungsaufgaben auf Private übertragen werden, müssen staatlicherseits eindeutig de- finierte Qualitätsstandards vorausgesetzt werden. Des- halb unterstütze ich das Vorhaben, private Sicherheits- dienste künftig zu zertifizieren und regelmäßig zu auditieren. Führungs- und Personalqualität, Ausbildung und regelmäßige Fortbildungen, Arbeitsbedingungen und Prozessstandards gehören für mich zum Anforde- rungsprofil an diese Unternehmen. Ich begrüße es daher sehr, dass die Innenministerkonferenz an einer solchen Zertifizierung arbeitet. Die Bandbreite der Aufgaben hat sich bei der Bundes- polizei in den letzten Jahren erheblich erweitert. Neben neuen Anforderungen an die Sicherheitsarchitektur gibt es dafür aber auch einen Grund, der hier zur Sprache kommen muss: Rationalisierungen und Stellenkürzun- gen bei den Polizeien einzelner Länder. Eine Folge da- von sind auch verstärkte Unterstützungsanforderungen an die Bundespolizei durch Länder, die ihre Aufgaben nicht mehr alleine bewältigen können. Da haben Sie doch immer gerne mitgemacht, die Damen und Herren der Linken, als es darum ging, die Landespolizei in Brandenburg zur Ader zu lassen: Über 20 Prozent der Stellen wurden mit Ihrer Hilfe bei der Brandenburger Polizei gestrichen. In Brandenburg, wo Sie regieren, ver- schwindet die Polizei aus der Fläche. Dort entsteht der Nährboden für eine private Sicherheitskultur, weil unzu- friedene Bürger sich nicht mehr sicher fühlen. Dort muss die Bundespolizei unterstützen und daher sorgfältig abwägen, wo sie im eigenen Bereich Polizeibeamte einsetzt oder bei einfachen Sicherheitstätigkeiten auf Unternehmen zurückgreift. Und jetzt wundern Sie sich hier wortreich darüber, dass der von Ihnen mitgetragene Rückzug staatlicher Sicherheitsbehörden dazu führt, dass Aufgaben an Private übertragen werden. Meine Damen und Herren von den Linken, Ihr Antrag ist eine Mischung aus Unkenntnis und populistischer Propaganda. Im Bereich der inneren Sicherheit geht das gar nicht. Ingo Wellenreuther (CDU/CSU): Die Fraktion Die Linke beantragt: „Privatisierung der öffentlichen Sicher- heit rückgängig machen“. Schon allein wegen dieses Titels ist der Antrag abzulehnen; denn er ist falsch, weil er suggeriert, die öffentliche Sicherheit in Deutschland sei komplett in private Hände gelegt worden. Das wider- spricht zum einen der Realität und wäre zum anderen verfassungsrechtlich auch unzulässig. Deshalb sage ich für CDU und CSU unmissverständ- lich vorneweg: Das staatliche Gewaltmonopol gilt unan- gefochten und steht nicht zur Disposition. Unsere Hal- tung ist eindeutig, und dazu bedarf es nicht Ihres Antrags. Um es klar zu sagen: Es ist ureigene Aufgabe des Staates, die innere Sicherheit für unsere Bürger zu gewährleisten. Ein Rückzug des Staates aus diesem Kernbereich hoheitlichen Handelns kommt nicht in Be- tracht. Daher dürfen auch zukünftig private Sicherheits- dienste nur dort ergänzend tätig werden, wo es sinnvoll und rechtlich zulässig ist, aber niemals die staatliche Ordnungsmacht ersetzen. Um die Qualität im sensiblen Sicherheitsbereich zu wahren, ist es deshalb auch richtig, dass derzeit auf Beschluss der Innenministerkonferenz eine länderoffene Arbeitsgruppe prüft, wie Unternehmen im privaten Sicherheitsgewerbe zertifiziert werden kön- nen. Im Mai sind Ergebnisse der Arbeitsgruppe zu er- warten. Neben der Überschrift geht in Ihrem Antrag aber auch sonst einiges durcheinander, und ich möchte einmal ei- nige Stellen entflechten bzw. richtigstellen. Das Grundproblem Ihres Antrags ist, dass Sie alles, was unter dem Stichwort der Privatisierung – zu Recht Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. März 2013 28591 (A) (C) (D)(B) und zu Unrecht – diskutiert wird, über einen Kamm scheren und einer vollkommen undifferenzierten Kritik unterziehen. Sie sprechen beispielsweise Fälle an, in denen private Sicherheitsdienste Einrichtungen der Bundeswehr über- wachen oder Personen- und Gepäckkontrollen auf Flug- häfen durchführen dürfen. Dies kritisieren Sie pauschal mit dem Hinweis, dass private Sicherheitsdienste nicht dem Gemeinwohl verpflichtet seien. Damit liegen Sie falsch, denn Sie verkennen, dass die Privaten in den ge- nannten Fällen rechtlich als sogenannte Beliehene tätig werden. Das heißt: Der Beliehene ist eine durch Gesetz geschaffene Privatperson, die vom Staat ermächtigt wird, im eigenen Namen öffentlich-rechtliche Aufgaben wahrzunehmen. Deshalb ist die Thematisierung dieser Bereiche unter dem Begriff der Privatisierung fehl am Platz. Den Status des Beliehenen kennzeichnet, dass er einer von einem Beamten wahrgenommenen Fach- und Rechtsaufsicht untersteht und Teil der Verwaltungsorga- nisation ist. In dieser Eigenschaft hat er die Grundrechte zu beachten, und er unterliegt auch einer Gemeinwohl- bindung. Ich bin mir nicht sicher, ob Sie es nicht besser wissen oder ob Ihr Antrag einfach nur eine Methode ist, um mit solchen Ungenauigkeiten Unsicherheit bei den Men- schen zu streuen oder sie in die Irre zu führen. Ein weiteres Beispiel: Private Sicherheitsdienste neh- men oftmals lediglich „einfache“ Bewachungsaufgaben wahr, zum Beispiel im Bereich der auch in Ihrem Antrag erwähnten Bahnhöfe. Dabei handelt es sich rechtlich zu- meist um sogenannte Verwaltungshelfer, die unterstüt- zend einzelne Teilleistungen erbringen. Im Falle des Bahnhofs unterstützen die privaten Wachdienste die Bundespolizei. Die Privaten verfügen hier aber nicht über eine eigene Entscheidungsbefugnis; diese verbleibt bei der Verwaltungsbehörde, im Falle des Beispiels Bahnhof also bei der Bundespolizei bzw. bei der Bahn. Diese Verwaltungshelfer üben daher selbst keine Staats- gewalt aus. Insofern greift hier weder die verfassungs- rechtliche Privatisierungsschranke des Art. 33 Abs. 4 des Grundgesetzes, noch findet hier die von Ihnen kritisierte Aushöhlung des staatlichen Gewaltmonopols überhaupt statt. Stichwort Gewaltmonopol: Sie irren in Ihrem Antrag über die Bedeutung dieses Begriffs. Das Gewaltmonopol ist die durch den Staat wahrgenommene ausschließliche Befugnis, auf seinem Staatsgebiet physische Gewalt ein- zusetzen oder ihren Einsatz zuzulassen. Das Gewalt- monopol darf aber weder als Sicherheitsmonopol noch als Gewaltausübungsmonopol missgedeutet werden. Seine Bedeutung ist vielmehr, dass dem Gesetzgeber das Gewaltmonopol zusteht und es bei der Ausgestaltung rechtsstaatlicher Standards nicht geschmälert werden darf. So ist sogar eine Gewaltübertragung und Gewalter- mächtigung dann gestattet, wenn sie eine vom Staat abgeleitete Befugnis bleibt und dadurch die Funktions- fähigkeit des Staates nicht beeinträchtigt, sondern opti- miert wird. Diese Grenzen müssen auch zukünftig strikt eingehalten werden. Richtiggestellt werden müssen auch die Hinweise in Ihrem Antrag zum Mindestlohn im Wach- und Sicher- heitsgewerbe. Ihr Antrag, datiert vom 24. Oktober 2012, spricht von einer tarifvertraglichen Vergütung im Jahr 2011 von durchschnittlich 7,03 Euro brutto je Stunde. Sie erwähnen nicht, dass die Bundesregierung aus CDU/ CSU und FDP im Jahr 2011 den Tarifvertrag für das Wach- und Sicherheitsgewerbe für allgemeinverbind- lich erklärt hat und dass danach bereits zum 1. März 2012 regional gestaffelt Mindestlöhne von 7 Euro bis zu 8,75 Euro bestanden, die seit dem 1. Januar 2013 noch- mals auf mindestens 7,50 Euro und bis zu 8,90 Euro in Baden-Württemberg gestiegen sind. Es ist einfach unredlich, dass Sie diese Fakten in Ihrem Antrag unter- schlagen. Zusammenfassend: Ihr Antrag ist getragen von Popu- lismus, gespickt mit Fehlern, Reizworten und Ungenau- igkeiten und verfasst im Geiste Ihrer Ideologie, wonach die Staatsquote in allen Bereichen unserer Gesellschaft wachsen soll. Deshalb lehnen wir Ihren Antrag ab. Wolfgang Gunkel (SPD): Es ist ein sehr wichtiges und sensibles Thema, das wir heute diskutieren. Immer mehr hoheitliche Aufgaben werden von privaten Sicher- heitsunternehmen übernommen. Mitunter kann die Übertragung solcher Aufgaben sinnvoll sein. Der Werk- schutz für Betriebe ist zum Bespiel eine solche Sache. Oder wenn anlässlich der vielen Piraterievorfälle im Golf von Aden und vor der Küste Ostafrikas die Reeder zum Schutz ihrer Schiffe Wachleute engagieren, halte ich das für eine vernünftige Lösung; denn ein flächen- deckender Schutz von deutschflaggigen Handelsschiffen durch Einsatz der Polizei angesichts der hohen Zahlen von Schiffspassagen ist weder personell und logistisch noch finanziell möglich. Was ich nicht unterstützen kann, ist die auch in dem Antrag erwähnte steigende Privatisierung in einigen Ländern, zum Beispiel beim Strafvollzug. Einer der größten Fehler der ohnehin missglückten Föderalismus- reform war die Kompetenzverlagerung für den Strafvoll- zug vom Bund auf die Länder. Dass hier dann Politik nach Kassenlage betrieben wird, war abzusehen, dass dies kein positiver Effekt ist, auch. Es gibt einen Kernbe- reich hoheitlicher Gewalt, der beim Staat bleiben muss. In meinen Augen gehört der Strafvollzug dazu. Ein ebenso unsägliches Beispiel sind die sogenannten Bürgerwehren. Ich kenne solche Zusammenkünfte selbst- ernannter Beschützer, die auch einmal Polizei spielen wollen, aus meiner Arbeit als Polizeibeamter, aber auch aus meinem Wahlkreis in einer Grenzregion. Das sind Entwicklungen, die dem Rechtsstaat in keiner Weise gut- tun. Derartiges ist nicht im Geringsten unterstützens- wert. Wenn nun private Dienstleister Sicherungsaufgaben, wie zum Beispiel beim Werkschutz, übernehmen, müs- sen höhere Standards als bisher für die Aus- und Weiter- bildung für das Personal gelten. Schwarze Schafe gibt es 28592 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. März 2013 (A) (C) (D)(B) schließlich genug, wie ich Ihnen an zwei Beispielen deutlich machen möchte. Schon in meiner aktiven Zeit im Polizeidienst in Ber- lin haben wir ausgesprochen schlechte Erfahrungen mit dem Wachschutzpersonal im Europacenter gemacht. Die Mitarbeiter des dort tätigen Sicherheitsdienstes hatten massiv ihre Kompetenzen überschritten und Menschen nicht nur festgehalten, wie es auch das „Jedermanns- recht“ in der Strafprozessordnung erlaubt, sondern auch mit Schlagstöcken Gewalt eingesetzt. Mit ihrem martia- lischen Auftreten in komplett schwarzer Kleidung ver- mittelten sie optisch den Eindruck einer paramilitäri- schen Einheit. Der Sicherheitsdienst wurde schließlich aufgelöst; denn die Zustände waren nicht mehr tragbar. Ein anderes Beispiel zeigt der Fernsehbericht zu Amazon vor einigen Wochen. Dieser wurde vor allem unter einem arbeits- und sozialpolitischen Blickwinkel auch hier im Bundestag diskutiert. Aber es war auch die Sicherheitsfirma massiv in die Kritik geraten; denn der Sicherheitsdienst hatte zum einen Verbindungen zur rechtsextremen Szene. So trugen denn die Mitarbeiter im Film der ARD auch Kleidung der bei Neonazis so be- liebten Marke Thor Steinar. Zum anderen hatten auch die Mitglieder dieser Firma eindeutig ihre Kompetenzen überschritten, indem sie die Mitarbeiterinnen und Mitar- beiter von Amazon schikanierten. Amazon hat jetzt die Verträge mit dem Sicherheitsdienst gekündigt. Aller- dings hätte es so weit nicht kommen dürfen. Die beiden Vorfälle zeigen ganz deutlich, dass es in dieser Branche einige Menschen gibt, die ihre übertra- gene Macht ausnutzen. Solche Hilfssheriffs darf es na- türlich nicht geben. Umso wichtiger ist gut geschultes Personal. Hier muss der Staat tätig werden und angemes- sene Ausbildungsstandards formulieren und umsetzen. Für den vorhin bereits erwähnten Schutz von Schiffen und für nichtstaatliche militärische Sicherheitsunterneh- men hat die SPD-Bundestagsfraktion dies in zwei Anträ- gen bereits formuliert. Der Verweis auf die Gewerbeord- nung, die auch in dem Antrag der Linken erwähnt wird, ist an dieser Stelle sinnvoll. Doch nicht nur Wissen und Ausbildung sind ein Pro- blem, sondern es müssen auch annehmbare Arbeitsbe- dingungen herrschen. Dazu gehört, dass angemessene Löhne gezahlt werden. Der flächendeckende gesetzliche Mindestlohn ist unverzichtbar. Die in dem Antrag geforderte Erhöhung der Staats- quote auf Flughäfen und Bahnhöfen halte ich aus ganz praktischen Gründen nicht für durchsetzbar. Die Bun- despolizei ist mit den bereits anstehenden Aufgaben mehr als genug ausgelastet. Dies zeigen auch die Zahlen zum Burn-out, die in einer von der GdP in Auftrag gege- benen Studie veröffentlicht wurden. Insofern ist eine sol- che Übertragung zurück zur Bundespolizei schlicht nicht möglich. Die Sicherheitsdienste auf Flughäfen und bei der Deutschen Bahn sind von der Bundespolizei gut aus- gebildet worden und erledigen die Aufgaben kompetent und zuverlässig. Die Frage nach einer angemessenen Be- zahlung wurde bereits angesprochen. Gisela Piltz (FDP): Es ist schon faszinierend, dass bei der Linken ersichtlich die Ablehnung privatwirt- schaftlicher Tätigkeit und im Grunde die Ablehnung der Marktwirtschaft als solcher noch stärker ausgeprägt ist als die Ablehnung gegenüber der Polizei. Vor ziemlich genau zwei Jahren, am 7. April 2011 nämlich, debattier- ten wir hier im Plenum einen Antrag der Linken, in dem diese behauptete, Polizistinnen und Polizisten in unse- rem Lande hätten „das Gefühl …, in voller Einsatzmon- tur und mit heruntergeklappten Visieren faktisch außer- halb des Gesetzes zu stehen“. Liest man hingegen den heute hier zu debattierenden Antrag, reibt man sich verwundert die Augen, dass die Linke nun doch anerkennt, dass Polizistinnen und Poli- zisten an Recht und Gesetz gebunden sind und mithin bei deren Einsatz sichergestellt ist, dass alles mit rechten Dingen zugeht. Da könnte man ja spontan sagen: Glück- wunsch! Endlich haben auch Sie verstanden, dass Poli- zistinnen und Polizisten wie keine andere Berufsgruppe für Recht und Gesetz stehen. Endlich anerkennen Sie, dass Polizistinnen und Polizisten in Deutschland keine prügelnden Schergen willkürlich angewandter Gewalt sind. Allein, ich fürchte, dass diese Glückwünsche an der Sache vorbeigehen. Der Linken geht es nicht um späte Erkenntnis, sondern an diesem Antrag zeigt sich die krude Logik linker Ideologie, die schon in sich nicht stimmig ist. Was wollen Sie denn nun? In Ländern, in denen Sie mitregieren, also zum Beispiel im Land Brandenburg – oder auch, solange Sie noch nicht aus der Regierung ab- gewählt waren, in Berlin –, bauen Sie massiv Stellen bei der Polizei ab. Und nicht nur das. Ich fliege ja gelegent- lich von und nach Tegel – und da hat sich, völlig unab- hängig davon, wer im Land Berlin regiert, also auch unter Beteiligung der Linken etwa, bei den Sicherheitskräften nichts verändert. Was hat denn die Linke da in der Berli- ner Landesregierung gemacht? Nach Ihrer Logik hätten Sie das doch sofort in Ihre staatliche Obhut nehmen und mit Berliner Staatsangestellten erledigen müssen. Ob diese dann allerdings a) besser bezahlt und b) zartfühlen- der beim Abtasten und Durchleuchten der Passagiere ge- wesen wären, mag dahingestellt bleiben. Und dann kommt hier so ein Antrag. Statt solche Anträge zu schrei- ben, sollten Sie einfach einmal mit Ihren Kollegen in den Ländern reden; denn dort spielt bei der Polizei die Musik. Das ist wiederum deshalb schade, weil man über die- ses Thema ja durchaus vernünftig diskutieren könnte, beispielsweise darüber, dass es selbstverständlich mit unserem Rechtsstaat nicht vereinbar ist, wenn „schwarze Sheriffs“ die Menschen in Angst und Schrecken verset- zen. Oder auch darüber, dass wir Entwicklungen, wie wir sie in anderen Ländern beobachten können – dass Bürgerwehren eingesetzt werden, die quasi in Selbstjus- tiz tätig werden –, in Deutschland nicht hinnehmen könnten. Darum geht es der Linken aber nicht. Es geht Ihnen nicht darum, Fehlentwicklungen zu verhindern, sondern darum, einfach einmal mit Ihrer sozialistischen Staatsideologie gegen wirtschaftlich handelnde Unter- nehmen vorzugehen. Dazu passt dann auch Ihre – an die- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. März 2013 28593 (A) (C) (D)(B) ser Stelle ohnehin völlig deplatzierte – Forderung nach dem gesetzlichen Mindestlohn. Da haben Sie dann doch noch einen Platz gefunden, um Ihren Textbaustein dazu unterzubringen. Durch stete Wiederholung wird die For- derung aber nicht besser. Und im Übrigen: An Flughäfen zum Beispiel, wo gerade gestreikt wird für höhere Löhne, liegt das Lohnniveau schon jetzt über den von Ih- nen geforderten 10 Euro pro Stunde, nämlich zum Bei- spiel in NRW bei 12,36 Euro zuzüglich Zuschläge. Private Sicherheitsunternehmen tragen schon längst erheblich zur Sicherheit in Deutschland bei und arbeiten als verlässlicher Partner für Sicherheitsbehörden und staatliche Einrichtungen wie auch Körperschaften er- folgreich. Es ist dabei selbstverständlich, dass überall da, wo es um sensible Bereiche geht – und das ist im Sicher- heitsbereich ja regelmäßig der Fall – eine ausreichende Kontrolle sichergestellt sein muss. Die FDP-Fraktion hat sich bereits in der vergangenen Wahlperiode für eine effektive Kontrolle privater Sicherheitsdienste ausge- sprochen. Dazu gehört etwa, dass bei Abschluss entspre- chender Verträge zwischen der öffentlichen Hand und Sicherheitsunternehmen bestimmte Vereinbarungen ge- troffen werden, was etwa Sicherheitsüberprüfungen an- geht oder auch den Umgang mit Erkenntnissen, die im Rahmen der Tätigkeit gewonnen werden. Zudem sind selbstverständlich die gewerberechtlichen wie auch zum Beispiel waffenrechtlichen Vorgaben strikt einzuhalten. Selbstverständlich darf das Gewaltmonopol des Staa- tes nicht angetastet werden. Aber nicht überall, wo zum Beispiel Bewachungsaufgaben wahrgenommen werden müssen, müssen dafür Polizisten eingesetzt werden. Kei- ner will, dass „schwarze Sheriffs“ Leute verhaften, nach- dem sie sie mit körperlicher Gewalt bedroht haben. Aber es ist doch auch nicht so, als sei das irgendwo in Deutschland Realität, so, wie es die Linke hier glauben machen will. Jan Korte (DIE LINKE): Wir behandeln heute einen Antrag der Fraktion Die Linke, der zum Ziel hat, die Pri- vatisierung der öffentlichen Sicherheit rückgängig zu machen. Die Branche der privaten Wach- und Sicher- heitsdienste stellt mit 3 700 Unternehmen, die rund 171 000 Angestellte beschäftigen und jährlich einen Umsatz von 4,6 Milliarden Euro verzeichnen, einen nicht unerheblichen Wirtschaftssektor der Bundesrepu- blik dar. Sicherheit ist ein profitables Geschäft, und die Branche boomt seit Jahren. Das ist ja im Prinzip nichts Falsches, könnte man mei- nen. Diese Zahlen beschreiben aber vor allem verschie- dene negative Entwicklungen der letzten Jahre: den Boom des Niedriglohnsektors zum Beispiel, aber auch den schleichenden Rückzug des Staates und die Privati- sierung von eigentlich öffentlichen Ordnungs- und Sicherheitsaufgaben. Ich möchte das mit einer letzten Monat erschienenen Meldung des Bezirks Bundespolizei der Gewerkschaft der Polizei, GdP, dokumentieren. Nicht zu irgendeinem allgemeinen sicherheitspolitischen Thema, sondern dies- mal zu einem Punkt, von dem die Gewerkschaft wirklich etwas versteht: zu den Arbeitsbedingungen der Bundes- polizei und der privaten Luftsicherheitsassistenten an den Flughäfen. Die Gewerkschaft bemängelt, dass – ich zitiere – „die Bundespolizei seit Jahren jeden frei wer- denden Arbeitsplatz eines bundeseigenen Luftsicher- heitskontrolleurs nicht mehr neu besetzt, sondern nur noch an einen privaten Sicherheitsdienst vergibt und dessen Mitarbeiter auf Stundenbasis ‚beleiht‘.“ Der Vor- sitzende der GdP, Bezirk Bundespolizei, Josef Scheu- ring, wird in dem Artikel auf der Gewerkschaftshome- page folgendermaßen zitiert: „Sobald der Arbeitsplatz nicht mehr mit Bundesbeschäftigten besetzt ist, sondern von ‚Beliehenen‘ privater Sicherheitsfirmen ausgeübt wird, beginnt das Diktat inakzeptabler Arbeitsbedingun- gen. Insbesondere durch die Anweisung von nur stun- denweisen, über den ganzen Tag mit großen Lücken ver- teilten Einsatzzeiten, ist eine sinnvolle und verträgliche Organisation des Arbeitstages gar nicht mehr möglich.“ Und weiter: „Durch die Beleihung dieser Aufgabe sind die Rahmenbedingungen massiv verschlechtert worden. Das hat gravierende Folgen für die dort eingesetzten Be- schäftigten und für die Sicherheit.“ Als Lösung für die- ses Sicherheitsproblem schlägt die GdP vor, „den Fehler der Privatisierung rückgängig zu machen und sicher- heitssensible Aufgaben wieder zurück in die öffentliche Hand zu holen.“ Eine gute Idee. Aber was macht die Bundesregie- rung? Sie verfolgt lieber die Einführung von Nacktscan- nern, die dann von den unterbezahlten und prekär be- schäftigten privaten Luftsicherheitsassistenten bedient werden sollen. Man muss sich das einmal vor Augen führen: In den letzten Jahren gab es einen Bürgerrechts- eingriff nach dem anderen, im Namen der Sicherheit. Und wenn es nach Innenminister Hans-Peter Friedrich ginge, würden noch mehr Daten gesammelt und noch mehr Bürger überwacht. Diese Sicherheitsprojekte kosten übrigens Millionen, ohne dass ihr Nutzen bislang erwiesen wurde. Aber am Sicherheitspersonal wird ge- spart. Das ist eine absurde Sicherheitsstrategie. Liebe Kolleginnen und Kollegen in den Koalitionsfraktionen: Wenn Sie schon nicht auf uns hören wollen, dann hören Sie auf die Polizeigewerkschaften! In diesem Fall ist das völlig okay. Ein anderer Punkt: Zunehmend werden private Wach- und Sicherheitsdienste von Städten und Gemeinden damit beauftragt, im Rahmen von Public-private-Part- nership-Modellen für Sicherheit und Ordnung zu sorgen. Obwohl immer wieder behauptet wird, private Sicher- heitsfirmen hätten keine Sonderrechte, führen sie Tätigkeiten aus, die hoheitliche Befugnisse bzw. Amts- trägerschaften erfordern. Die Erweiterung ihrer Zustän- digkeiten erfolgt dabei oftmals ohne ausreichende De- ckung durch das geltende Recht. Denn theoretisch haben die Angestellten der Unternehmen keinerlei Befugnisse, die über die Jedermannsrechte – also Notwehr, Nothilfe und Festnahmerecht – hinausgehen. In einigen Kommunen existieren sogenannte City- streifen. Das sind von der Kommune bestellte Privat- streifen, die gegen sämtliche Ordnungsverstöße im je- weiligen Stadtgebiet vorgehen sollen. Während ihrer Streifengänge erteilen die privaten Sicherheitsleute Platzverweise, stellen Personalien und begangene Ord- 28594 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. März 2013 (A) (C) (D)(B) nungswidrigkeiten fest, verhängen Buß- und Warngelder und führen Alterskontrollen durch. Tätigkeiten, die ei- gentlich in die Zuständigkeit der Polizei fallen. Den Bür- gerinnen und Bürgern wird der Eindruck vermittelt, die privaten „Ordnungskräfte“ hätten hoheitliche Befugnisse und praktisch die gleichen Rechte wie die Polizei. Haben sie aber nicht – und zwar zu Recht: Private Sicherheits- leute sind nicht, wie die Polizei, dem Schutz der Rechte von Bürgerinnen und Bürgern, sondern ihrem Arbeitge- ber und ihrem Auftraggeber verpflichtet und werden al- les Mögliche tun, um ihren Auftrag umzusetzen. Dass dabei oft, absichtlich oder in Unkenntnis der Rechtslage, Grenzen überschritten werden, ist genauso bekannt wie die unterirdischen Arbeitsbedingungen in der privaten Sicherheitsbranche. Im besten Fall sollen Sicherheitsdienste zu objektiver Sicherheit beitragen. In der Realität sieht das meist an- ders aus. Schwarze Sheriffs machen Bürgerinnen und Bürgern eher Angst, als ihnen Sicherheit zu vermitteln. Das ist aber auch gar nicht im Interesse der Sicherheits- unternehmen. Der Politikwissenschaftler Volker Eick spricht davon, die Branche lebe „von der Dramatisierung vermeintlicher Kriminalitätsbelastungen“. Diese Aus- sage ist keineswegs eine Gemeinheit gegenüber den pri- vaten Sicherheitsdienstleistern: Es gehört schlichtweg zum Tagesgeschäft eines jeden privaten Unternehmens, den Bedarf nach dem eigenen Produkt oder der eigenen Dienstleistung hochzuhalten. Eick führt weiter aus, es lasse sich beobachten, „wie das kommerzielle Sicher- heitsgewerbe sozialpolitische Problemlagen zu kriminal- politischen umdefiniert“ .Tatsächlich wird privates Si- cherheitspersonal im öffentlichen Raum oft eingesetzt, um die öffentlich sichtbaren Zeichen einer völlig ver- fehlten Sozialpolitik der letzten Bundesregierungen zu beseitigen oder zu kaschieren. Spätestens hier wird dann klar, dass es am Ende ums Geldmachen geht und nicht um eine tatsächliche Verbesserung der öffentlichen Sicherheit. Wir fordern in unserem Antrag eine Politik, welche die Staatsquote in den Bereichen der öffentlichen Sicher- heit erhöht, vordringlich in den sicherheitsrelevanten Bereichen der Bahn und der Flughäfen. Wir fordern klare Regelungen, die garantieren, dass keine in Grund- rechte eingreifenden Aufgaben auf Private übertragen werden. Und wir fordern erhöhte Standards für die Aus- und Fortbildung des Personals von Sicherheitsfirmen so- wie eine Bezahlung nach den Tarifen des öffentlichen Dienstes. Denn es geht nicht nur darum, unmenschlichen Arbeitsbedingungen ein Ende zu setzen, sondern auch darum, dass private Sicherheitskräfte die rechtlichen Rahmenbedingungen ihres Handelns und die Rechte an- derer kennen. Außerdem fordern wir die Abkehr von einer Politik der inneren Sicherheit, die sich bewusst der rechtlichen Grauzonen bedient, die der Einsatz privater Sicherheits- dienstleister eröffnet. Als Teil der Exekutive des Staates ist die Polizei an Recht und Gesetz gebunden. Aus gu- tem Grund gibt es Gesetze, welche die Befugnisse der Polizei regeln. Jede Abweichung und jedes Bestreben, das staatliche Gewaltmonopol durch Kooperationen mit privaten Dienstleistern gleichzeitig zu verwässern wie zu erweitern, stellt eine erhebliche Gefährdung von Bürger- rechten und Demokratie dar. Dieser Gefahr wollen wir mit unserem Antrag entgegenwirken. Auch wenn ich davon ausgehe, dass Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der FDP, dies aus ideolo- gischen Gründen nicht hinbekommen werden, so hoffe ich doch, im Sinne einer nachhaltigen Stärkung von De- mokratie und Bürgerrechten, dass Sie unseren Antrag unterstützen werden. Selbstverständlich gilt dies auch für die Union; aber hier ist meine Hoffnung, dass Sie eine vernünftige Politik zu machen in der Lage sind, noch geringer. Aber lassen wir uns überraschen. Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der Antrag ist – man kennt das von der Linksfraktion – ein Gemischtwarenladen mit inneren Widersprüchen. Da wird zum einen der fraktionseigenen Skepsis gegen gewinnorientierte Unternehmen insgesamt gefrönt, dies- mal eben bei den Sicherheits- und Bewachungsdienst- leistern. Dann wird – an sich ja eine sehr richtige Forde- rung – ein Mindestlohn gefordert, allerdings hier für Tätigkeiten, die laut der anderen Forderungen des Antra- ges gar nicht mehr ausgeübt werden sollten. Ähnliches gilt beim Thema Qualifikation: Es sollen laut Antrag Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter besser für Aufgaben qualifiziert werden, die sie gar nicht mehr übernehmen sollen. Man mag darin Pragmatismus erkennen, nämlich die Einsicht, dass diese Bundesregierung wohl kaum die Forderungen des Antrages umsetzen wird und man dann vielleicht lieber noch eine Rückfallposition hat. Es ist also ein ganzer Strauß an Themen aufgeschrieben und angesprochen: Könnte ja sein, dass irgendwas dann doch hängen bleibt. Dieses etwas bunte Zusammenwürfeln verdeckt aber leider auch den Blick auf das Wesentliche, nämlich die Frage, ob das staatliche Gewaltmonopol auch durchgän- gig vom Staat ausgeübt werden muss, also von Beamtin- nen und Beamten, die in einem besonderen Pflicht- verhältnis stehen und sich darin bewährt haben. Beim Ansprechen dieser Thematik kann man übrigens ein be- eindruckend klares Bekenntnis zu eben diesem staatli- chen Gewaltmonopol lesen, was man so aus den Reihen der Linkspartei auch nicht gewohnt ist. Wir haben hier eine klare Position, die sich aus dem Grundgesetz direkt ableiten lässt: Hoheitliche Befug- nisse gehören als ständige Aufgaben in die Hände von Beamten; denn gerade die Ausübung des Gewaltmono- pols – sprich: die Anwendung von unmittelbarem kör- perlichem Zwang – muss unter striktester Beachtung der Verhältnismäßigkeit stattfinden, und ihre parlamentari- sche Kontrolle und gerichtliche Anfechtung darf nicht auf Hindernisse stoßen, die sich aus unklaren Verant- wortlichkeiten, privatrechtlichen Verträgen oder Ähnli- chem ergeben. Das Gewaltmonopol hat die Gesellschaft über Jahr- hunderte entwickelt, es ist eine zivilisatorische Errun- genschaft, die man nicht aufgeben darf; denn ihr Sinn und Zweck ist es, das Recht des Stärkeren – und damit Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. März 2013 28595 (A) (C) (D)(B) pure Gewalt – als Mittel der Interessendurchsetzung ab- zulösen durch eine Gewalt, die von der Stärke des Rechts gebunden wird. Deswegen dürfen und wollen wir nichts tun, was diese Errungenschaft infrage stellt. Das bedeutet kein totales und vollständiges Aus für jegliche Erledigung durch Private, aber es macht die Leitplanken deutlich, innerhalb derer eine Übertragung an Private nur stattfinden kann, und es zeigt, dass es hier nicht um eine organisatorische Entscheidung geht, sondern um zentrale Wertentscheidungen. In einem Umfeld wie der Personenkontrolle am Flughafen, wo sich die Aufgabe und die möglichen Ge- fahrenlagen recht gut prognostizieren lassen, verläuft die Bewertung vielleicht anders als bei einer unübersichtli- cheren Situation. Aber da es um eine Säule des Rechts- staates an sich geht, heißt die Devise: im Zweifel für den Staat. Das gilt auch, weil wir die Entstehung zum Bei- spiel einer Strafvollzugsindustrie, wie sie in den USA mit ihren privaten Gefängnissen entstanden ist und die heftig für Gesetzesverschärfungen und damit mehr „Kundschaft“ lobbyiert, mit Schrecken sehen. Ein zu wenig beachtetes Detail möchte ich an dieser Stelle hervorheben: Das ist die Frage des hoheitlichen Anscheins privater Sicherheitsleute, die aber keineswegs Beliehene sind. Wenn ein gesetzlich mit der Ausübung unmittelbaren Zwangs Betrauter äußerlich nach Staats- gewalt aussieht, geht das in Ordnung. Aber wenn priva- tes Sicherheitspersonal, das lediglich die Jedermann- rechte oder ein Hausrecht ausübt, aussieht wie ein SEK, dann ist das nicht richtig. Denn Effekte der Einschüchte- rung und der Selbstbeschränkung des eigenen Verhaltens beim Anblick solch nur vermeintlicher Autorität gehört nicht in eine offene Gesellschaft, das Äußere als Droh- gebärde darf nicht die Regel sein. Die weiteren Fragen, die der Antrag eröffnet, sollte man nicht außer Acht lassen. Wir stehen als Partei und Fraktion schon lange für einen Mindestlohn. Der muss auch im Sicherheitsgewerbe gelten, auch wenn über die Höhe noch zu reden ist. Der Forderung nach einer guten Ausbildung und insbesondere auch einer rechtlichen und rechtsstaatlichen Schulung können wir uns ebenfalls nur anschließen. Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts: – Änderung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages – hier: Änderung der Verhaltensregeln für Mitglieder des Deut- schen Bundestages (Anlage 1 der Geschäftsord- nung) (Tagesordnungspunkt 15) Dr. Wolfgang Götzer (CDU/CSU): Mit dem heute zur Abstimmung stehenden Gesetzentwurf der Koali- tionsfraktionen soll das bisherige Drei-Stufen-Modell zur Veröffentlichung der Nebeneinkünfte um weitere sieben Stufen auf insgesamt zehn Stufen erweitert wer- den. Damit soll mehr Transparenz geschaffen werden. Transparenz ist freilich kein Selbstzweck. Transpa- renz bei der Frage der Verhaltensregeln, insbesondere bezüglich der sogenannten Nebeneinkünfte von Bundes- tagsabgeordneten, soll nicht die Neugier interessierter Kreise befriedigen oder Neidgefühle bedienen. Worum es hier geht und gehen muss, ist, mögliche Interessens- kollisionen aufzuzeigen, eventuelle Abhängigkeiten of- fenzulegen und auch die Frage, ob die Mandatsausübung im Mittelpunkt der Tätigkeit eines Abgeordneten steht. Ich möchte erneut – wie bei jeder Diskussion zu diesem Thema – klarstellen: Diesen Zielen müssen Verhaltens- regeln dienen. Verhaltensregeln müssen also danach be- urteilt werden, ob sie insoweit aussagekräftig und damit zielführend sind. In fast jeder Sitzung der Rechtsstellungskommission in dieser Wahlperiode diskutieren wir nun auf Betreiben interessanterweise von SPD und Grünen, ob die von ih- nen selbst im Jahr 2005 eingeführten Regelungen wirk- lich so gut sind. Wir von der Union haben uns der Dis- kussion über eine Verbesserung der geltenden Regelung – freilich unter Maßgabe der von mir gerade vorher ge- nannten Zielsetzung – zu keiner Zeit verweigert und deutlich gemacht, dass wir offen sind für eine sinnvolle Neuregelung. Mit der heute zur Abstimmung stehenden Zehn-Stu- fen-Regelung wollen wir mehr Transparenz schaffen; denn die höchste Stufe beginnt jetzt nicht mehr bei über 7 000 Euro, sondern bei über 250 000 Euro. Dies bringt in bestimmten Fällen in der Tat einen weiteren Erkennt- nisgewinn. Ich bleibe aber dabei: Die von Rot-Grün seinerzeit beschlossene Regelung der Veröffentlichung von Neben- einkünften leidet an einem Grundfehler, nämlich dem Bruttozuflussprinzip. Denn dieses kann den Eindruck er- wecken, die von einem Kollegen angegebenen Beträge seien gleichzusetzen mit seinem Einkommen bzw. Ge- winn. Auch bleiben Zweifel daran, ob aus der Höhe der sogenannten Nebeneinkünfte allein immer auch Er- kenntnisse über Abhängigkeiten bzw. Interessenkollisio- nen gewonnen werden können. Ich wiederhole auch meine Kritik aus früheren Debat- ten, dass die Regelung nicht klar differenziert zwischen Einkünften aus dem erlernten Beruf und Nebenverdiens- ten aus der – ich nenne es zugespitzt so – Vermarktung von Amt oder Mandat. Eine nicht unerhebliche Verbesserung im Hinblick auf das untaugliche Bruttozuflussprinzip haben wir im- merhin heute Morgen in der Rechtsstellungskommission noch beschlossen: Jeder Abgeordnete kann Erläuterun- gen zu seinen veröffentlichten Beträgen auf seiner Homepage einstellen, auf die künftig ein deutlich er- kennbarer Link auf der entsprechenden Bundestags- homepage direkt verweist. Wie gesagt, meine Zweifel an einigen grundlegenden Punkten der Veröffentlichungsregelung bleiben, und ich will auch nicht verhehlen, dass es in unserer Fraktion bei vielen diese Bedenken gibt. Gleichwohl wollen wir den Versuch unternehmen, mit einer neuen Stufenregelung mehr Transparenz zu erreichen. 28596 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. März 2013 (A) (C) (D)(B) Für ganz sicher nicht zielführend halten wir aber die Forderung nach Veröffentlichung in Euro und Cent, wie sie jetzt von der Opposition gefordert wird. Ich habe bis- her kein einziges Argument gehört, dass damit ein Transparenzgewinn erzielt werden kann. Im Gegenteil würde noch viel mehr der Anschein erweckt, dass der angegebene Betrag identisch ist mit dem wirtschaftli- chen Vorteil. Bis zum Fall Steinbrück wollte übrigens ja auch die SPD nur eine neue Stufenregelung. Aber angesichts der Debatte über die Vortragshonorare ihres mit beachtli- chen Nehmerqualitäten ausgestatteten Kanzlerkandida- ten hat sie dann die Flucht nach vorn angetreten. Auch die vorliegenden Anträge lehnen wir ab, wo- nach Berufsgeheimnisträger die Branche ihrer Auftrag- geber angeben müssen. Dies ist zum einen nicht prakti- kabel. Vor allem aber beinhaltet es die Gefahr der Verletzung von Verschwiegenheitspflichten. Lassen Sie mich abschließend einmal mehr davor warnen, die Rechtsstellung und das Berufsbild des Ab- geordneten in eine Richtung zu verändern, die dem freien Mandat und dem Parlament insgesamt Schaden zufügen würde. Wir brauchen ein Parlament, das aus der Breite der Gesellschaft zusammengesetzt ist. Es darf nicht dazu kommen, dass bestimmte Berufsgruppen wie Freiberufler, Handwerker, Gewerbetreibende immer schwerer für die Übernahme eines politischen Mandates zu gewinnen sind. Außerdem brauchen wir Abgeord- nete, die nicht nur einen Beruf erlernt haben, sondern ihn auch noch ausüben; denn dies stärkt die politische Unab- hängigkeit und ist damit im Interesse des Parlamentaris- mus. Und schließlich möchte ich auch eindringlich davor warnen, dass durch all die Debatten über Nebentätigkei- ten, Veröffentlichungspflichten, Abgeordnetenbeste- chung etc. der Eindruck erweckt wird, Parlamentarier seien faul, abhängig, raffgierig und korrupt. Dies ent- spricht in keiner Weise der Wirklichkeit und schadet des- halb dem Ansehen des Parlamentarismus. Bernhard Kaster (CDU/CSU): Um was geht es ei- gentlich im Kern dieser Debatte? Geht es hier um einen populistischen Überbietungs- wettbewerb? Geht es um Neiddebatten? Geht es um par- teistrategische Schachzüge? Oder geht es womöglich um Schadensbegrenzung für eine verunglückte Kanzlerkan- didatur, weil, um im aktuellen Sprachgebrauch zu blei- ben, das Konklave wohl zu kurz und vor allem unterbe- setzt war? Es geht hier um ein sehr wichtiges Thema des Parla- mentes, ein sehr wichtiges Thema im Verhältnis zwi- schen Parlament und Bürgern und der Transparenz ge- genüber den Wählern. Dafür müssen wir aber über die richtigen Sachver- halte sprechen, die tatsächlich relevanten Fälle. Ja, es geht um Transparenz, es geht um die Unabhängigkeit von Abgeordneten. Grundlage ist hier das Abgeordne- tenrecht. Und da haben wir eine große Verantwortung gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern wie auch ge- genüber den Kolleginnen und Kollegen. Zur Chronologie der jetzigen Verhaltensregeln, den Problemen in der Praxis und dem Zerrbild, das sich teil- weise hieraus ergibt, könnte viel gesagt werden. Aber jetzt geht es darum – das hat die Praxis auch gezeigt – dass die Verhaltensregeln, die Transparenz, einer Erwei- terung bedürfen. Dieses erforderliche Mehr an Transpa- renz schaffen wir mit der jetzigen Einführung von zehn statt bisher drei Einkunftsstufen. Die Debatte aber, so wie sie geführt wird, geht an der Wirklichkeit dieses Parlamentes vorbei, einer Parla- mentswirklichkeit, auf die wir ruhig ein wenig stolz sein können. 70 Prozent der Kolleginnen und Kollegen haben überhaupt keine Nebeneinkünfte. Um wen geht es denn hier? Im Deutschen Bundestag sind derzeit 15,5 Prozent Selbstständige aus den Bereichen Handwerk, Gewerbe und Landwirtschaft. Und das ist außerordentlich erfreu- lich. Weitere 15,9 Prozent sind freiberuflich Tätige, also Rechtsanwälte, Notare, Ärzte, Apotheker und Inge- nieure; auch das ist sehr erfreulich! Wir als Union begrü- ßen diese Zusammensetzung ausdrücklich. All diese Kolleginnen und Kollegen, die sich dazu entschieden ha- ben, ihre eigene Berufs- und Lebensbiografie für viel- leicht zwei oder drei Legislaturperioden zu unterbrechen – das ist bei über 50 Prozent der Kollegen der Fall –, müssen doch verständlicherweise Wege finden, wie sie ihren Betrieb, ihr Büro, ihre Kanzlei für eine solche Zeit weiterlaufen lassen können. Deswegen werden wir als Koalition keiner Regelung zustimmen, die es diesen Be- rufsgruppen weiter erschwert oder sogar unmöglich macht, sich um ein Bundestagsmandat zu bewerben. Die jetzigen Regelungen, insbesondere das Bruttozu- flussprinzip, führen bereits jetzt in der Darstellung zu ei- nem vollkommenen Zerrbild bei vielen Kolleginnen und Kollegen. Mit der heutigen Beschlussempfehlung des 1. Ausschusses wird der Deutsche Bundestag das bishe- rige Drei-Stufen-Modell auf insgesamt zehn Stufen er- weitern. Wir sorgen damit für einen weiteren und not- wendigen Transparenzgewinn im eigentlichen Kern der Sache, nämlich mögliche Abhängigkeiten von Abgeord- neten aufzuzeigen. Allein darum geht es; der gläserne Bürger darf nicht das Ziel sein, der gläserne Abgeord- nete auch nicht. Wir wollen für die Zukunft kein Funk- tionärsparlament, wir wollen auch in Zukunft Selbststän- dige und Freiberufler in einer guten Mischung im Deut- schen Bundestag. Die Debatte über Einzelfälle – ja, sogar über einen Extremfall – darf nicht dazu führen, dass berufliche Ne- bentätigkeiten von Handwerkern, Unternehmern, aber auch Rechtsanwälten und Ärzten in Bausch und Bogen einem Generalverdacht ausgesetzt werden. Das schadet letztlich dem Parlament und dem Ansehen der Abgeord- neten – und zwar auch dem Ansehen derer, die über- haupt keine entgeltlichen Nebentätigkeiten ausüben! Christian Lange (Backnang) (SPD): Ich begründe die beiden Änderungsanträge der SPD-Bundestagsfrak- tion. Wir wollen die Veröffentlichung der Nebenein- künfte auf Euro und Cent sowie die Nennung der Bran- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. März 2013 28597 (A) (C) (D)(B) chen. Dies entspricht den Vorschlägen der CDU/CSU und FDP, von denen Sie heute nichts mehr wissen wol- len. Ich begrüße das Vorgehen von Peer Steinbrück. Er ist unser Vorbild. Was für ihn gilt, muss für alle gelten. Dieser Vorschlag entspricht meiner eigenen ursprüng- lichen Forderung und ist jetzt gemeinsamer Antrag von SPD und Grünen. Wie dringend notwendig eine Ver- schärfung der Transparenzregeln ist, zeigt der Fall von Michael Fuchs. Auf Fuchs’ Bundestagsseite war jahrelang zu lesen, dass er Vorträge für die britische Hakluyt Society gehal- ten hatte. Nach Recherchen von abgeordnetenwatch.de und stern, 9. Januar 2013, wurde deutlich, dass es sich in Wahrheit nicht um die gemeinnützige geografisch-histo- rische Gesellschaft, sondern einen privaten Nachrichten- dienst mit ähnlichem Namen, Hakluyt & Company, han- delte. Fuchs hat nach Recherchen des stern seit August 2008 mehr als 13 bezahlte Vorträge für die Londoner Be- ratungsfirma Hakluyt & Company gehalten und erhielt dafür insgesamt mindestens 57 000 Euro. Hakluyt & Company wurde 1995 von ehemaligen Mitgliedern des britischen Geheimdienstes gegründet. Die Firma beschafft für Unternehmen unveröffentlichte Informationen, zum Beispiel über andere Unternehmen, über Kampagnen von Nichtregierungsorganisationen, aber auch über Regierungsvorhaben. Die Verwechslung der umstrittenen Firma mit der ge- meinnützigen Hakluyt Society nahm ihren Ausgang in einer unvollständigen Meldung von Michael Fuchs, der 2008 den ersten Vortrag dort nur mit „Hakluyt London“ bei der Bundestagsverwaltung meldete. Wie daraus „Hakluyt Society“ wurde, ist bis heute ungeklärt. Es wundert deshalb nicht, dass Michael Fuchs, der in den vergangenen drei Jahren mindestens 100 000 Euro zusätzlich eingenommen hat, sich gegen die Veröffentli- chung konkreter Zahlen ausspricht und darüber hinaus- gehend auch zumindest die Nennung der Branche, in der Einkünfte erzielt werden. Er könne sich höchstens vor- stellen, „dass wir die gegenwärtige Transparenzregelung um einige Stufen ergänzen“, sagte Fuchs, 14. Oktober 2012, dapd. Der Vorgang zeigt, wie wichtig es ist, dass wir weit- gehende Nachvollziehbarkeit schaffen, wie hoch die Einnahmen aus Nebentätigkeiten sind, und zwar auf Euro und Cent, aber auch von wem bzw. aus welcher Branche die Einnahmen stammen. Dies wurde von CDU/CSU und FDP bislang kategorisch abgelehnt. Das Bundesverfassungsgericht hat aber in seinem Ur- teil vom 4. Juli 2007 mit einer 4:4-Entscheidung die der- zeit geltende Stufenregelung bekräftigt. Einer Offenle- gung genauerer Zahlen stünde damit nichts im Wege, solange die schützenswerten Interessen, zum Beispiel spezielle Verschwiegenheitspflichten von Ärzten oder Anwälten, gewahrt bleiben. Mit der Nennung lediglich der Branche, in der die Nebeneinkünfte erzielt werden, kommen wir gebotenen Verschwiegenheitspflichten nach. Mit den Transparenzregelungen sollen berufliche und sonstige Verpflichtungen des Abgeordneten neben dem Mandat und daraus zu erzielende Einkünfte den Wählern sichtbar gemacht werden. Sie sollen sich mithilfe von In- formationen über mögliche Interessenverflechtungen und wirtschaftliche Abhängigkeiten ein besseres Urteil über die Wahrnehmung des Mandats durch den Abge- ordneten auch im Hinblick auf dessen Unabhängigkeit bilden können. Diesbezügliche Kenntnis ist nicht nur für die Wahl- entscheidung wichtig. Sie sichert auch die Fähigkeit des Deutschen Bundestages und seiner Mitglieder, unabhän- gig von verdeckter Beeinflussung durch zahlende Inte- ressenten das Volk als Ganzes zu vertreten. Das Volk hat Anspruch darauf, zu wissen, von wem – und in welcher Größenordnung – seine Vertreter Geld oder geldwerte Leistungen entgegennehmen. Das Interesse des Abge- ordneten, Informationen aus der Sphäre beruflicher Tä- tigkeiten vertraulich behandelt zu sehen, ist gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Erkennbarkeit mögli- cher Interessenverknüpfungen der Mitglieder des Deut- schen Bundestages grundsätzlich nachrangig. Wichtig ist außerdem, dass Verstöße entsprechend empfindlich geahndet werden können. Wenn Abgeord- nete Nebeneinkünfte verschweigen und dies bekannt wird, soll ein Betrag in gleicher Höhe von ihrer Diät ab- gezogen werden. Ich fordere Sie deshalb auf: Stimmen Sie den Anträ- gen von SPD und Grünen zu! Sonja Steffen (SPD): Das Volk hat Anspruch darauf, zu erfahren, von wem – und in welcher Größenordnung – seine Volksvertreter Geld oder geldwerte Leistungen entgegennehmen. Bisher müssen die Abgeordneten ihre Nebeneinkünfte in drei Stufen offenlegen. Diese Offenlegungspraxis hat zu viel Kritik geführt, beispielsweise von Transparency International Deutschland, nach deren Einschätzung sich die Veröffentlichung in drei Stufen als kontraproduktiv und eher verwirrend erwiesen hat. Dies sei besonders bei Angaben zur dritten Stufe der Fall, mit der alle Ein- künfte ab 7 000 Euro erfasst werden. Hinter dieser Stufe können sich vier-, fünf- oder sechsstellige Eurobeträge verbergen. Die Koalition möchte hier nun mit einem Vorschlag Abhilfe schaffen, der die Stufen von drei auf zehn Stufen ausbaut und so genauere Einsicht bis zu einer Höhe von 250 000 Euro ermöglicht. Auch wenn dies eine Verbesserung gegenüber der bis- herigen Praxis darstellt, lehnen wir diesen Vorschlag ab. Das bedeutet nicht, dass wir die Ausübung von Nebentä- tigkeiten durch Abgeordnete grundsätzlich ablehnen. Für ehrliche Arbeit braucht man sich nicht zu schämen, und diese soll auch weiterhin neben dem Mandat ausge- übt werden dürfen. Gerade Selbstständige müssen si- cherstellen können, dass mit der Annahme des Mandats die eigene, oft mühsam aufgebaute Existenz nicht aufge- geben werden muss. Anders wäre eine Rückkehr in den eigenen Beruf und damit eine Absicherung für die Zeit 28598 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. März 2013 (A) (C) (D)(B) nach dem Mandat für diese Gruppe oft nicht möglich. Insbesondere gilt es, die eigene Familie, den Lebenspart- ner und die Kinder über die vier Jahre des Mandats hi- naus abzusichern. Und es kann auch um Verpflichtungen Dritten gegenüber gehen, wie beispielsweise den eige- nen langjährigen Mitarbeitern im Betrieb oder der Kanz- lei. Aber wir sind es den Bürgerinnen und Bürgern, die mit ihren Steuergeldern auch unsere Diäten, Büroaus- stattungen und Mitarbeiter finanzieren, schuldig, unsere Einkünfte auf Euro und Cent offenzulegen. Ohne Trans- parenz gibt es kein Vertrauen, und ohne Vertrauen gibt es auch langfristig keine parlamentarische Demokratie mit einer breiten Akzeptanz. Die von der Koalition vorgeschlagene neue Regelung ist leider genauso verwirrend wie die alte, nur dass sie die höheren Einkünfte stärker einbezieht. Die tatsächli- chen Bruttoeinkünfte eines Abgeordneten, der jährlich einmal Stufe zwei, einmal Stufe drei und einmal Stufe vier verdient, liegen mindestens bei 25 503 Euro. Sie können aber auch bis zu 52 000 Euro betragen – das nen- nen Sie transparent? Wenn ich achtmal Stufe vier verdiene, liegt mein Ein- kommen zwischen 120 000 und 240 000 Euro. Ich weiß ja nicht, wie es den Kollegen der Koalitionsfraktionen geht, aber für mich macht das schon einen ganz schönen Unterschied. Zudem fällt auf, dass Ihre Sprünge zwischen den Stu- fen von eins bis zehn immer größer werden. Liegt der Unterschied zwischen Stufe zwei und drei noch bei 8 000 Euro, sind es zwischen Stufe fünf und sechs schon 25 000 Euro und schließlich zwischen Stufe acht und neun 100 000 Euro. Heißt das, je mehr ich verdiene, desto unwichtiger ist eine möglichst exakte Offenle- gung? Ich bin mir außerdem sicher, dass der Großteil der Menschen automatisch immer von den oberen Grenz- werten ausgeht. Nach dem Motto: Der verdient dreimal Stufe eins? Na, dann hat der doch mindestens 10 000 Euro zusätzlich! – Dabei könnten es, wie wir wissen, auch nur 3 000 Euro sein. Ganz abgesehen da- von, dass wir hier immer noch von Bruttoeinkommen sprechen, das noch versteuert werden muss. Ich meine daher, dass es auch in unserem eigenen In- teresse ist, hier für mehr Transparenz zu sorgen. Diese bekommen wir aber nur mit einer Offenlegung der tat- sächlichen Höhe der Einkünfte. Ich bitte Sie daher, unse- rem Antrag für eine Offenlegung auf Euro und Cent zu- zustimmen. Das Bundesverfassungsgericht hat außerdem festge- stellt, dass das Interesse des Abgeordneten, Informatio- nen aus der Sphäre beruflicher Tätigkeiten vertraulich behandelt zu sehen, gegenüber dem öffentlichen Inte- resse an der Erkennbarkeit möglicher Interessenver- knüpfungen grundsätzlich nachrangig ist. Wir fordern daher, dass bei der Veröffentlichung der Nebentätigkei- ten von Abgeordneten, die als Berufsgeheimnisträger wie Rechtsanwälte und Steuerberater tätig sind, zumin- dest die Branche des Vertragspartners, Auftraggebers oder Mandanten offengelegt werden muss. Das Argument der Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, die Kennzeichnung der Branche sei abzuleh- nen, da das Risiko vor allem im ländlichen Raum zu groß sei, über die Branchenangabe den Vertragspartner des Abgeordneten identifizieren zu können, ist schein- heilig. Es ist sogar eher ein Argument für die Branchen- angabe. Denn gerade in einer solchen von Ihnen geschil- derten Situation kann es zu großen Interessenkonflikten kommen. Mit den Transparenzregelungen sollen den Wählerin- nen und Wählern mögliche Interessenverflechtungen und wirtschaftliche Abhängigkeiten aufgezeigt werden, damit sie sich über die Unabhängigkeit ihres Abgeordne- ten ein Bild machen können. Denken Sie daran: Ohne Transparenz gibt es kein Vertrauen, und ohne Vertrauen gibt es keine funktionierende parlamentarische Demo- kratie. Jörg van Essen (FDP): Anknüpfend an die große öffentliche Debatte über die Vortragstätigkeit des Kolle- gen Peer Steinbrück hat sich auch in meiner Fraktion eine Diskussion darüber entwickelt, ob die bisher in den Verhaltensregeln genannten drei Stufen für Nebenein- künfte geeignet sind, der Öffentlichkeit die notwendige Transparenz zu ermöglichen. Für meine Fraktion lege ich Wert darauf, dass wir Ne- bentätigkeiten von Abgeordneten grundsätzlich ermögli- chen wollen. Im Gegensatz zu Beamten sind Freiberufler nicht abgesichert, wenn sie durch den Willen des Wäh- lers oder der Partei nicht wieder für eine weitere Tätig- keit im Deutschen Bundestag nominiert werden. Es macht deshalb Sinn, dass diese Kollegen einen Fuß in der Tür zu ihrem bisherigen Beruf haben und deshalb dann auch die Chance, in diesen nach einem Ausschei- den aus dem Bundestag zurückzukehren. Meine Fraktion lehnt die betragsgenaue Darlegung der Nebeneinkünfte ab. Durch die zehn nunmehr zur Verfügung stehenden Stufen kann sich der Bürger ein zutreffendes Bild von der Wertigkeit einer Nebentätig- keit machen. Das Bundesverfassungsgericht – darauf weise ich ausdrücklich hin – hat so eine betragsgenaue Darlegung auch nicht gefordert. Von daher halten wir die nun zu verabschiedende Veränderung der Verhaltensre- geln für einen guten Fortschritt, der zu zusätzlicher not- wendiger Transparenz führen wird. Raju Sharma (DIE LINKE): Wir befassen uns heute erneut mit der Frage, wie Politik transparent gestaltet werden kann. Speziell geht es um Transparenz in eigener Sache, nämlich um die Offenlegung von Nebentätigkei- ten, von Auftraggebern und von Nebeneinkommen. So begrüßenswert es ist, dass das Thema Transparenz im Bundestag endlich Konjunktur hat, so frustrierend ist es zugleich, weil sich einfach nichts bewegt. Die Bundesre- gierung mauert, wo sie kann: beim Lobbyistenregister, bei der Korruptionsbekämpfung, bei der Parteienfinan- zierung. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. März 2013 28599 (A) (C) (D)(B) Nun gab es eine öffentliche Debatte über Nebenein- künfte. Der Begriff ist schon nicht ganz richtig, weil bei manchem Kollegen das „Nebeneinkommen“ die Jahres- diät schnell einmal um ein Mehrfaches übersteigt. Mit dieser Debatte wurde die Bundesregierung jetzt sozu- sagen zum Jagen getragen. Jetzt lautet der Vorschlag, die Verhaltensregeln für die Abgeordneten so zu ändern, dass Nebeneinkünfte nicht mehr in drei, sondern in zehn Stufen veröffentlicht werden müssen. Das ist nun das Gegenteil von Transparenz. Das ist vielmehr eine Verschleierungstaktik. Ob 3, 10 oder 15 Stufen: Die Bürgerinnen und Bürger wollen zu Recht wissen, für wen ihre Abgeordneten sonst noch tätig sind und wie viel Geld fließt. Das ist ein berechtigtes Inte- resse; denn nur so kann man sich ein Bild davon ma- chen, in welche Abhängigkeiten oder Interessenkon- flikte sich ein Abgeordneter möglicherweise begibt. Diese Klarheit schafft eine Veröffentlichungspflicht mit zehn Stufen nicht. Im Gegenteil: Genauso gut könnten CDU und FDP vorschlagen, Nebeneinkommen in islän- dischen Kronen, in römischen Ziffern und mit kyrilli- schen Buchstaben zu veröffentlichen. Dann ist zwar alles gesagt, das aber praktisch trotzdem nicht zu gebrauchen. Die Linke sagt: Schluss mit dieser Verschleierungs- taktik! Wir haben zwei übersichtliche Änderungsanträge vorgelegt, denen jeder Abgeordnete ohne größere Pro- bleme zustimmen könnte. Wir wollen die Veröffentli- chung aller Nebeneinkünfte – und zwar auf Heller und Pfennig. Natürlich sollen auch die Auftraggeber genannt werden. Es ist doch relevant, zu wissen, ob ein Gesund- heitspolitiker beispielsweise auf den Gehalts- und Hono- rarlisten von Pharmakonzernen oder Lobbyorganisatio- nen steht und, wenn ja, wie viel Geld genau fließt. Das muss nicht zwangsläufig anrüchig sein. Damit sich aber genau dazu jeder ein Bild machen kann, ist Transparenz – echte Transparenz – notwendig. Keine Fraktion, kein Abgeordneter sollte sich hier zieren. Das Mandat ist unser Hauptberuf. Wir haben von den Wählerinnen und Wählern einen Auftrag erhalten. Wer glaubt, der Diener mehrerer Herren sein zu müssen, soll sich wenigstens nicht in Schweigen hüllen, sondern ehrlich und aufrecht Klarheit schaffen. Ein beliebter Einwand ist das Problem mit Berufsge- heimnisträgern wie Rechtsanwälten oder Ärzten. Hier ist tatsächlich Fingerspitzengefühl und eine besondere Re- gelung notwendig. Das Prinzip dabei sollte sein: So viel Transparenz wie möglich, so viel Vertraulichkeit wie nö- tig. Natürlich achtet die Linke beispielsweise die ärztliche oder anwaltliche Schweigepflicht. Weder soll ein Straf- verteidiger seine Mandanten preisgeben noch soll ein Abgeordneter, der im Nebenberuf als Schönheitschirurg tätig ist, seine Kundschaft in einer Drucksache des Bun- destages outen müssen. Die Linke schlägt daher eine Re- gelung vor, nach der in diesen und ähnlichen, klar ab- grenzbaren Fällen statt des Auftraggebers die Branche zu nennen ist. Wir halten das für einen praktikablen Weg. Die Abgeordneten der Linken leisten diese eigentlich selbstverständliche Transparenz schon heute. Die Kolle- ginnen und Kollegen meiner Fraktion veröffentlichen freiwillig ihre Nebeneinkünfte centgenau. Nehmen Sie sich daran ein Beispiel. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Meine Fraktion hat die anderen Fraktionen im Bundes- tag zu einer umfassenden Transparenzinitiative aufge- fordert. Transparenz schafft Vertrauen in politische Ent- scheidungen, schützt sie vor Manipulationen mit dem Scheckbuch und stützt die Legitimität unserer Demokra- tie. Dazu zählt auch echte Transparenz bei Nebeneinkünf- ten von Abgeordneten. Bürgerinnen und Bürger haben ein Recht, zu erfahren, welchen Nebentätigkeiten Abge- ordnete neben ihrem Mandat nachgehen. Sie haben ein Recht, zu erfahren, wie hoch die Einkünfte aus diesen Nebentätigkeiten sind und welche Interessen die Abge- ordneten in diesem Rahmen vertreten. Nur so ist für Bür- gerinnen und Bürger nachvollziehbar, ob Abgeordnete den Schwerpunkt ihrer Tätigkeit tatsächlich auf ihr Man- dat legen. Und nur so ist für Bürgerinnen und Bürger er- kennbar, ob eine Beeinflussung der Abgeordnetentätig- keit droht. Wir haben zu den heute zur Abstimmung stehenden Änderungen der Verhaltensregeln für Abgeordnete er- neut zwei Änderungsanträge eingebracht, die zu einem echten Mehr an Transparenz führen sollen. Wir fordern darin nicht zum ersten Mal die betragsge- naue Offenlegung der Nebeneinkünfte in Euro und Cent. Erst auf unsere beständigen Forderungen und auf das Drängen der Öffentlichkeit nach mehr Transparenz hin hat die Koalition sich veranlasst gesehen, Nebenein- künfte nun nicht mehr in drei, sondern in zehn Stufen veröffentlichen zu wollen. Ob Abgeordnete nun 8 000 oder 15 000 Euro aus einer Nebentätigkeit verdienen, ob eine Tätigkeit 160 000 oder 250 000 Euro einbringt, das spielt dabei weiterhin keine Rolle. Von den lauten Forde- rungen aus der Koalition nach detailgenauer Offenle- gung der Nebeneinkünfte des Kanzlerkandidaten der SPD im letzten Jahr blieb erwartungsgemäß wenig übrig, als es um die Offenlegung der eigenen Einkünfte ging. Wir meinen, Bürgerinnen und Bürger sollen ganz ge- nau erfahren, wie viel Geld Abgeordnete aus Nebentä- tigkeiten beziehen, und fordern die Koalition erneut auf, bei allen Abgeordneten des Bundestages das gleiche Maß anzulegen, auch bei sich selbst. Deutlich werden soll aber auch, wer bei Nebenein- künften hinter den Aufträgen steckt. Deswegen verlan- gen wir, dass Berufsgeheimnisträger, die den Namen ih- rer Mandanten verschweigen dürfen, dann wenigstens die Branche angeben müssen, aus der diese stammen. Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Queere Jugendliche unterstützen (Tagesordnungspunkt 16) Dr. Peter Tauber (CDU/CSU): Wir hatten in den zu- rückliegenden Jahren mehrfach die Gelegenheit, uns 28600 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. März 2013 (A) (C) (D)(B) über die Situation insbesondere von schwulen und lesbi- schen Jugendlichen auszutauschen. Stets hat dabei die Sachlichkeit und der Respekt vor diesem Personenkreis im Vordergrund gestanden. Ich bin mir insofern sicher, dass wir auch dieses Mal eine von gegenseitigem Re- spekt geprägte Debatte führen werden. Junge Menschen, die ein Coming-out als Lesbe, als Schwuler, als Transsexueller haben, sind vor eine ganze Reihe von Problemlagen gestellt, mit der sie umgehen müssen. Neben der Frage der Reaktion ihres engsten Umfelds wie Familie und Freunde ändern sich auch Per- spektiven am Arbeitsplatz oder in der Schule. Nach wie vor ist es in Deutschland so, dass ein Verständnis oder eine Akzeptanz nicht selbstverständlich ist. Reaktionen können noch immer sehr unterschiedlich ausfallen. Junge Menschen in Deutschland müssen noch immer eine Menge an Mut aufbringen, um zu ihrem Lebensent- wurf offen zu stehen. Nicht selten ist davon zu hören, dass Freunde oder sogar Eltern sich abwenden, wenn sie mit einem Coming-out konfrontiert werden. Andererseits sind wir uns alle einig, dass sich das Ver- halten der Gesellschaft in vielfacher Art und Weise grundlegend geändert hat. Schritt für Schritt geht unsere Gesellschaft einen Weg hin zu einem respektvollen und diskriminierungsfreien Umgang mit der Verschiedenheit sexueller Orientierung. Dies ist jedoch noch längst nicht selbstverständlich. Wie das individuelle Umfeld reagiert und Formen einer gefühlten Andersartigkeit aufnimmt, ist noch immer begleitet von Unberechenbarkeit. Für Betroffene ist dies besonders quälend und belastend. Un- ser Anspruch kann nicht sein, die Aufnahme dieses Per- sonenkreises in unsere Mitte von Zufälligkeiten abhän- gig zu machen. Dies wird unserem selbst gesetzten Anspruch an eine diskriminierungsfreie Gesellschaft, die auf gegenseitigem Verständnis füreinander und der Ak- zeptanz verschiedener Lebensformen beruht, noch nicht gerecht. Vieles wird nicht mehr offen ausgesprochen, aber auch subtiles oder implizites Verhalten kann sehr schmerzhaft und belastend sein. Es muss eine Kultur der Vielfalt entstehen, allerdings ohne den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu verlieren. Aus diesem Grund ist es wichtig, besonders den Jugend- lichen und jungen Erwachsenen ein Umfeld zu ermögli- chen, in dem sie selbstbestimmt ihre sexuelle Orientie- rung leben können. Wahr ist aber auch: Die deutsche Gesellschaft ist be- reits einen weiten Weg gegangen, wenn man betrachtet, wo wir herkommen, und vor allen Dingen wenn wir uns vergegenwärtigen, wie anderswo mit diesen Fragen der Andersartigkeit umgegangen wird. Da brauchen wir nicht bis in den muslimischen Kulturkreis zu gehen, da reicht der Blick in das östliche Europa, wo Menschen noch immer körperlicher Gewalt und anderen Formen von Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt sind. Und ich brauche an dieser Stelle nicht zu erwähnen, dass die Weltgesundheitsorganisation WHO Homosexualität erst 1990 von der Liste psychischer Krankheiten strich. Ich bin der Bundesregierung dankbar, dass sie bereits eine ganze Reihe von Maßnahmen unterstützt, die auf ei- nen Abbau noch bestehender Vorurteile und auf die Schaffung eines besseren Klimas hinwirken. Ich möchte an dieser Stelle betonen, dass die christlich-liberale Ko- alition bei ihren jugendpolitischen Bemühungen die Un- terschiedlichkeit von Jugendlichen berücksichtigt. Über das Förderinstrument des Kinder- und Jugendplans des Bundes unterstützt sie unterschiedliche Angebote zum Beispiel für lesbische und schwule Jugendliche. Eine de- taillierte Aufstellung des Engagements hat das BMFSFJ bereits vor einiger Zeit vorgelegt. Beispiel für das BMFSFJ ist das bundesweit agie- rende Jugendnetzwerk Lambda e. V. Es vertritt die Inte- ressen junger Lesben, Schwuler, Bisexueller und Trans- gender in der Öffentlichkeit und wird seit 1990 regelmäßig aus Mitteln des Kinder- und Jugendplans ge- fördert. Lambda bietet für Jugendliche eine Jugendbera- tung an, in der die Jugendlichen in einer Peer-to-Peer- Beratung Unterstützung bei Themen wie „Coming-out“, „Partnerschaft“ und „Diskriminierung“ erhalten. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zum Beispiel adressiert lesbische, schwule und bisexu- elle Jugendliche zum Themenbereich „Sexualaufklä- rung“ und „Aidsprävention“. Die Broschüre „Hetero- sexuell? Homosexuell? Sexuelle Orientierung und Coming-out“ informiert spezifisch zum Coming-out und spricht damit sowohl Jugendliche als auch ihre Eltern an. Dies, um nur einige zentrale Beispiele zu benennen. Eine ganze Reihe von Forderungen, die die Grünen in ihrem Antrag stellen, fallen jedoch nicht in die Zustän- digkeit des Bundes. Darauf wurde bereits mehrfach im Rahmen der Debatten zu diesem Thema hingewiesen. Bei allem Engagement in der Sache bleibt es dabei, dass die verfassungsmäßigen Kompetenzen beachtet werden müssen. Besonders erfreulich ist, dass wir in den zurücklie- genden Monaten beim Thema Intersexualität ein gutes Stück weitergekommen sind. Durch die Änderung des Personenstandrechts ist es in der Zukunft möglich, dass intersexuelle Menschen sich nicht mehr entscheiden müssen, ob sie in ihren offiziellen Dokumenten die binä- ren Kategorien „männlich“ oder „weiblich“ angeben müssen. Es steht den intersexuellen Menschen frei, sich für eines der beiden Geschlechter zu entscheiden oder die Eintragung offen zu lassen. Mit diesem Schritt gehö- ren wir weltweit zu den Vorreitern. Ich hoffe, dass sich viele weitere Staaten anschließen werden, und ich bin guten Mutes, dass unser Beispiel in Europa Schule ma- chen wird. Ich freue mich, dass das BMFSFJ meinem Vorschlag gefolgt ist und noch in diesem Jahr einen großen Kon- gress zum Thema Intersexualität plant, in dem auf brei- ter Basis ein Erfahrungsaustausch, eine Standortbestim- mung und eine Koordination weiterer Maßnahmen erfolgen wird. Ich denke, dies ist sehr wichtig. Insbeson- dere ist es mir ein wichtiges Anliegen, das Thema „Ver- bot von geschlechtsfestlegenden Operationen bei Min- derjährigen“ anzugehen. Ich habe den Eindruck, dass wir hier parteiübergreifend am gleichen Strang ziehen. Und ich bin auch hier zuversichtlich, zu einer gemeinsamen Lösung zu kommen, die im Sinne der intersexuellen Menschen in Deutschland ist. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. März 2013 28601 (A) (C) (D)(B) Christel Humme (SPD): Heute debattieren wir über einen Antrag der Grünen mit einem sperrigen Titel und doch einem sehr berechtigten Anliegen. Worum geht es? Es geht darum, alle Jugendliche bei der Entwicklung ihrer Persönlichkeit so zu stärken, dass sie ihre sexuelle Orientierung und ihre Geschlechtsidentität selbstbe- stimmt und angstfrei entdecken, akzeptieren und leben können. Bereits 2005 hat die damalige rot-grüne Koalition mit dem Antrag „Schwule und lesbische Jugendliche – Mit- tendrin statt außen vor“ die richtige Richtung vorgege- ben: „Lesben und Schwule dürfen nicht länger als ‚Randgruppen‘ angesehen werden, sondern haben ganz selbstverständlich ihren Platz in der Mitte der Gesell- schaft.“ Diese Selbstverständlichkeit bezieht sich nicht nur auf lesbische oder schwule Jugendliche, sondern auf alle jungen Menschen, die für sich eine andere Form der Sexualität und Geschlechtsidentität entdecken. Gay, lesbian, bisexual, transsexual, transgender, intersexual: Diese Varianten sexueller Orientierungen und Identitäten verstecken sich hinter der vermutlich für viele Bürgerin- nen und Bürger nicht unbedingt geläufigen englischen Abkürzung GLBTTI. Alle diese Menschen eint die Er- fahrung, anders zu sein als ihre Umgebung, anders als die meisten ihrer Freunde, Bekannten, anders als das, was sie bisher als vermeintlich normal und üblich ken- nengelernt haben. Vor diesem Hintergrund schrecken viele Jugendliche vor dem sogenannten Coming-out, also dem offensiven Umgang mit der eigenen Andersartigkeit, zurück. Und das nicht ohne Grund. Spott, verletzende Kommentare oder gar körperliche Gewalt gegenüber Lesben, Schwu- len, bi-, trans- oder intersexuellen Menschen sind noch immer weit verbreitet. Die Angst vor den Reaktionen der eigenen Familie, der besten Freunde oder Freundinnen führt viele dieser jungen Menschen in die Isolation und Verzweiflung. Ihr Selbstmordrisiko ist Studien zufolge signifikant höher als bei heterosexuellen Jugendlichen. Was ist zu tun? Wir müssen dafür sorgen, dass es endlich als normal wahrgenommen wird, verschieden zu sein. Wir müssen überall in unserer Gesellschaft eine Kultur der Anti- diskriminierung und der Wertschätzung von Vielfalt verankern. Dazu sind wir Politikerinnen und Politiker gefordert. Wir müssen den Rahmen für eine diskriminie- rungsfreie Gesellschaft setzen und mit nachhaltigen Prä- ventionsstrategien gegensteuern. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, AGG, hat in diesem Zusammenhang eine wichtige Signalwirkung. Denn es hat ausdrücklich auch zum Ziel, Benachteili- gungen aufgrund der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ha- ben uns darüber hinaus stark dafür gemacht, das Gleich- behandlungsgebot in Art. 3 unseres Grundgesetzes um den entscheidenden Satz „Niemand darf wegen seiner sexuellen Identität benachteiligt oder bevorzugt werden“ zu erweitern. Leider, meine Damen und Herren von der Regie- rungskoalition, haben Sie 2011 die Gesetzentwürfe von SPD, Grünen und Linken ebenso abgelehnt wie vorher- gehende Initiativen aus den Ländern. Damit wurde fahr- lässig eine Gelegenheit für eine wichtige Botschaft ver- worfen. Über alle Parteigrenzen hinweg hätten wir dokumentieren können, dass Diskriminierungen unserer Bürgerinnen und Bürger aufgrund ihrer sexuellen Identi- tät alles andere als ein Kavaliersdelikt sind. Auch die aktuellen Diskussionen und die heutige Plenardebatte über die volle Gleichstellung von Lebenspartnerschaften mit der Ehe und vor allem um das Adoptionsrecht für lesbische und schwule Paare senden die mehr oder weniger subtile Botschaft: Einige Bürge- rinnen und einige Bürger sind durch ihre Art zu leben und zu lieben weniger schützenswert als andere. Diese Botschaft, die die Regierung Merkel damit aussendet, ist beschämend und ein schleichendes Gift für eine bunte und solidarische Gesellschaft. Woher noch kommen eigentlich die Vorbehalte, die Verachtung und der Hass, die vielen schwulen und lesbi- schen Jugendlichen im Alltag noch immer entgegen- schlagen? Das Magazin der Süddeutschen Zeitung befragte kürzlich Kinder aus sogenannten Regenbogenfamilien, welche Erfahrungen sie machen, wenn sie anderen von ihrer Familienkonstellation mit zwei Vätern oder zwei Müttern erzählen. „Kinder nehmen das alles total normal auf. Wenn, dann waren es immer die Eltern, die damit ein Problem hatten.“ So bringt es ein Mädchen auf den Punkt. Ich finde diese Einschätzung ganz zentral. Sie zeigt: Wir müssen gerade Erwachsene sensibilisieren, dass zu dem traditionellen Familienbild, das sie als „normal“ an- sehen, längst weitere Beziehungsformen getreten sind, in denen Menschen füreinander langfristig Verantwortung übernehmen. Keine ist der anderen überlegen, und alle verdienen Unterstützung und Respekt. Gleichzeitig – das macht auch der vorliegende Antrag deutlich – brauchen vor allem die Jugendlichen selbst passende Beratungs- und Unterstützungsangebote. Ne- ben entsprechenden Angeboten vor Ort gehört für ratsu- chende junge Menschen auf jeden Fall der Austausch mit Gleichaltrigen dazu. Oft ist hier das Internet der erste Schritt zur Vernetzung. Hier können häufig wichtige Im- pulse gegeben werden, um das Selbstbewusstsein der verunsicherten Jugendlichen zu stärken. Stellvertretend für eine gelungene Ansprache möchte ich die Internetplattform dbna erwähnen, die sich unter dem Mut machenden Namen „du bist nicht allein“ seit 1997 ausschließlich an schwule und bisexuelle Jugendli- che wendet. Schule und vielfach auch der Sport sind die beiden wichtigsten Bereiche im Alltag von Kindern und Ju- gendlichen, in denen es zu diskriminierenden Situatio- nen kommt und Aufklärung und Hilfe geleistet werden 28602 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. März 2013 (A) (C) (D)(B) muss. Die Lösungen sind bekannt, aber noch immer nicht flächendeckend umgesetzt. Sexuelle Vielfalt muss positiv vermittelt werden und selbstverständlich auch Bestandteil in Schulbüchern sein. Denn Schwule, Les- ben, Trans- und Intersexuelle gehören längst zur Lebens- wirklichkeit unserer Gesellschaft, schaffen es aber noch immer zu selten in die Lehrpläne der Schulen. Lehrerinnen und Lehrer müssen schon während ihres Studiums stärker für die Thematik sensibilisiert und ebenso wie Beschäftigte in Jugend- und Sporteinrichtun- gen entsprechend weitergebildet werden. Für dies alles brauchen wir die Bereitschaft der Län- der. Vielfach ist sie schon vorhanden. Mein Bundesland NRW beispielsweise hat im Oktober 2012 einen „Ak- tionsplan für Gleichstellung und Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt“ verabschiedet. Damit hat die rot-grüne Landesregierung unter Hannelore Kraft Antidiskriminierungspolitik erstmals zu einer Quer- schnittsaufgabe aller Ressorts gemacht. Insgesamt über 100 Maßnahmen sollen dazu beitragen, wichtige gesell- schaftliche Veränderungen anzustoßen und die Rechte sexueller Minderheiten nicht nur auf dem Papier, son- dern auch im Alltag zu stärken. Ich bin stolz auf diesen Aktionsplan, an dem im Vor- feld in einem breiten Beteiligungsprozess maßgeblich auch Nichtregierungsorganisationen mitgewirkt haben. Ich hoffe, dass das Beispiel von NRW, ebenso wie gute Initiativen etwa aus Berlin und Rheinland-Pfalz, auch in anderen Bundesländern Schule machen werden – und so auch die Bundesregierung endlich dazu bringen werden, einen nationalen Aktionsplan gegen Homo- und Transphobie vorzulegen. Ebenso wichtig ist eine fundierte Bestandsaufnahme der Lebenssituation homosexueller Jugendlicher in Deutschland, die wir bereits 2005 gefordert haben. Lassen Sie mich nun noch auf eine Gruppe Jugendli- cher zu sprechen kommen, über deren spezielle Nöte und Bedürfnisse wir alle vermutlich erst durch die Anhö- rung im Familienausschuss im Juni vergangenen Jahres mehr erfahren haben. Ich rede von intersexuellen Jugendlichen, die von den geschilderten Problemen bei ihrer Identitätsfindung in besonderem Maße betroffen sind. Sie – und ihre Angehörigen – benötigen daher spe- zifische Beratungs- und Unterstützungsangebote. Intersexuelle müssen in ihrem Menschenrecht auf körperliche Unversehrtheit und Selbstbestimmung ge- stärkt werden. Wir fordern – außer in Fällen akuter Lebensgefahr – ein Verbot sämtlicher Geschlechtsopera- tionen an minderjährigen intersexuellen Menschen. Nur mit ihrer Einwilligung und auf ihren ausdrücklichen Wunsch hin sollen diese Operationen mit ihren weitrei- chenden Folgen künftig möglich sein. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ste- hen für eine demokratische und tolerante Gesellschaft, in der jede und jeder seine Persönlichkeit frei und ohne Angst entfalten kann. Gerade Jugendliche, deren sexu- elle Orientierung und geschlechtliche Identität nicht mit den heterosexuell geprägten Strukturen übereinstimmen, benötigen Hilfe und Unterstützung bei dem schwierigen Prozess ihrer Selbstfindung. Daher unterstützen wir den vorliegenden Antrag von Bündnis 90/Die Grünen. Michael Kauch (FDP): Für die FDP gilt: Diskrimi- nierung ist nicht zu akzeptieren – egal wo und in welcher Form sie in unserer Gesellschaft stattfindet. Deshalb ist es für uns auch ein wichtiges Anliegen, dass schwule, lesbische, bisexuelle, transsexuelle und intersexuelle Ju- gendliche gleichberechtigte Chancen haben, ohne Dis- kriminierung aufzuwachsen. Auch die Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zur Lebens- situation und Diskriminierungserfahrungen von homo- sexuellen Jugendlichen macht den gesellschaftlichen Handlungsbedarf deutlich. Es ist daher richtig, dass wir uns im Deutschen Bun- destag mit diesem Themenkomplex befassen. Dennoch muss uns allen klar sein, dass der Großteil der Vor- schläge im vorliegenden Antrag, insbesondere zur Schul- politik und Jugendhilfe vor Ort, in die Kompetenz der Bundesländer fällt. Die Länder und Kommunen sind hier in der Verantwortung und müssen dafür auch entspre- chende Mittel bereitstellen. Auch ein möglicher Ak- tionsplan muss diese föderale Aufgabenverteilung be- achten. Weiterhin ist es mir ein persönliches Anliegen, dass die im Antrag erwähnten Zielgruppen nicht alle über ei- nen Kamm geschoren werden. Ein schwuler Jugendli- cher im Coming-out hat andere Bedürfnisse als ein trans- sexueller Jugendlicher – und dieser oder diese wiederum andere als ein intersexueller. Gleichzeitig ist gerade die Gruppenidentität unterschiedlich: Kaum ein schwuler Junge, kaum ein lesbisches Mädchen definiert sich als „queer“. Sie sind zunächst froh, wenn sie ihre Identität als schwul oder lesbisch gefunden haben. Der Begriff LGBTTI mag politisch korrekt sein – An- gebote, die auf LGBTTI als Gesamtgruppe zielen, dürf- ten aber an der Lebenswirklichkeit der Jugendlichen vor- beigehen. Unterstützen kann man diese Jugendlichen als Gesamtgruppe allerdings sehr wohl, und zwar in der ge- sellschaftlichen Unterstützung einer vielfältigen und to- leranten Gesellschaft, in der das Individuum in seiner Einzigartigkeit im Mittelpunkt steht. Es besteht kein Zweifel, dass auch heute noch das Co- ming-out eine Herausforderung ist. Lesbische und schwule Jugendliche müssen ebenso wie trans- und in- tersexuelle junge Menschen ihre Identität finden. Sie müssen in Teilen der Gesellschaft stärker um ihre Ak- zeptanz kämpfen und brauchen dafür Anerkennung und Unterstützung. Unterstützung für Jugendliche im Co- ming-out muss dabei auf eins achten: Sie darf die Ju- gendlichen nicht durch eine falsche Antidiskriminie- rungsrhetorik in eine Opferecke stellen. Stattdessen müssen wir sie stolz und stark machen, dass sie ihre Identität finden; denn selbstbewusste Jugendliche sind seltener Opfer von Diskriminierung. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. März 2013 28603 (A) (C) (D)(B) Gute Beispiele wie das schwul-lesbische Schulaufklä- rungsprojekt SchLAu NRW, das Nachahmer in anderen Bundesländern gefunden hat, müssen bundesweit ver- breitet werden. Dazu leistet die Bundesstiftung „Magnus Hirschfeld“ einen wichtigen Beitrag. Sie finanzierte als ihr erstes Projekt die Bundesvernetzung der Schulaufklä- rungsprojekte. Das ist ein gelungener Beitrag des Bun- des. Es waren die Liberalen, die in dieser Wahlperiode da- für gesorgt haben, dass die Bundesstiftung Realität wurde. Die Stiftung wurde bereits im Jahr 2000 vom Bundestag versprochen. Dieses Versprechen wurde we- der von Rot-Grün noch von Schwarz-Rot in die Realität umgesetzt. Wir haben es gemacht und haben damit eine Struktur geschaffen, die durch Bildung und Forschung der Diskriminierung Homosexueller entgegenwirkt. 10 Millionen Euro Stiftungskapital haben wir dafür be- reitgestellt. Wir Liberale arbeiten daran, dass die Finanz- ausstattung der Stiftung in der nächsten Wahlperiode noch weiter ausgebaut wird. Und als Kuratoriumsmit- glied der Stiftung war und ist es mir ein vorrangiges An- liegen, dass die Aufklärung in Schule und Jugendarbeit dabei vorangebracht wird. Abschließend danke ich den Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern in den schwul-lesbischen Jugendzentren, aber vor allem den vielen ehrenamtlichen Helfern in den Schulaufklärungsprojekten. Sie leisten die wertvolle Ar- beit vor Ort, die wir von politischer Seite nur begleiten, aber nicht ersetzen können. Unser Ziel ist klar: Wir wollen, dass schwule, lesbi- sche, bi-, trans- und intersexuelle Jugendliche so fühlen, so lieben und so leben können, wie sie es wollen – frei von Diskriminierung und stolz darauf, wie sie sind. Dr. Barbara Höll (DIE LINKE): „Manchmal ist es erschreckend, wenn ich den Anruf von Eltern erhalte, die mir erklären, dass dies eine der letztgewählten Nummern mit dem Handy gewesen sei, welches ihr transsexuelles Kind gewählt habe, bevor es sich das Leben nahm, und ich ihnen antworte: Ja, ihr Kind hatte einen Termin bei uns, jetzt weiß ich, warum es nicht gekommen ist.“ So Mari Günther, Leiterin des Zentrums „Queer leben“, einem Beratungs- und Hilfeprojekt für Transsexuelle, Transgender und Intersexuelle. Diese bedrückenden Sätze sagte Mari Günther gestern in einem Gespräch zu mir. Mit dem Projekt „Queer leben“ wird Kindern, Ju- gendlichen, jungen Erwachsenen und ihren Eltern gehol- fen, wenn sie Probleme aufgrund ihrer sexuellen und ge- schlechtlichen Identität und/oder der Diskriminierung erfahren haben. Mehr als 20 Fachkräfte arbeiten dort. Seit zwei Jahren existiert das Zentrum, an das sich Men- schen aus dem gesamten Bundesgebiet wenden. Der Be- darf ist riesig, deshalb werden fast im Wochentakt neue Mitarbeiter eingestellt. Finanziert wird dies über die Sozialhilfeträger der Kommunen, aus denen die Jugend- lichen ursprünglich stammen. Junge Menschen brauchen Hilfe und Unterstützung, wenn sie im schwierigen Prozess der Findung ihrer sexu- ellen und geschlechtlichen Identität sind, insbesondere wenn sie nicht mit einer heterosexuellen „Normalität“ übereinstimmen. Hier können Konflikte entstehen. Selbst wenn das familiäre Umfeld das Coming-out un- terstützt, können die jungen Menschen mit Vorurteilen in der Schule oder der Ausbildung konfrontiert werden. Die Kinder und Jugendlichen wissen in den Konflikt- situationen oftmals nicht, wo sie Hilfe und Unterstüt- zung bekommen können. Manche Eltern, Betreuer und Erzieher sind mit dieser Thematik überfordert. Dann lei- den diese jungen Menschen massiv unter der fehlenden Unterstützung. Berliner Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter, die obdachlose Jugendliche auf dem Berliner Alexander- platz betreuen, berichten davon, dass etwa ein Viertel der Jugendlichen wegen Diskriminierungserfahrungen auf- grund ihrer sexuellen Identität von zu Hause weglaufen und auf der Straße landen. Internationale Studien bele- gen, dass Obdachlosigkeit überproportional lesbische, schwule und Trans*Jugendliche betrifft. Auch das Sui- zidrisiko ist enorm hoch. Leider gibt es zu Deutschland keine systematischen Untersuchungen und nur eine schlechte Datenlage zur Problemlage dieser Jugendlichen. Umso unverständ- licher ist es, dass die bereits 2005 angekündigte Studie zur Situation von lesbischen und schwulen Jugendlichen dem Deutschen Bundestag noch immer nicht vorgelegt wurde. Wir müssen handeln, deswegen unterstützen wir den Antrag von Bündnis 90/Die Grünen als Zusammenfas- sung notwendiger Maßnahmen. Der rot-rote Berliner Senat verabschiedete im Jahr 2009 ein umfangreiches Maßnahmenpaket unter dem Ti- tel „Berlin tritt ein für Selbstbestimmung und die Akzep- tanz sexueller Vielfalt“ auf Anregung der Fraktion Die Linke im Berliner Abgeordnetenhaus. Mit dem mit etwa 2,1 Millionen Euro ausgestatteten Paket wurde die Ak- zeptanzförderung in Verwaltungen, Institutionen, der Privatwirtschaft und bei Schulen sowie Kitas in Angriff genommen. Der Schwerpunkt lag auf dem Bildungs- bereich, also der Unterstützung queerer Jugendlicher. Obwohl die Evaluation der Maßnahmen weiteren Hand- lungsbedarf anmahnte, kürzte die nachfolgende Koa- lition aus SPD und CDU die Mittel für diese Projekte. Aber Berlin setzte ein Zeichen, das von den Bundes- ländern Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Ham- burg und jüngst Sachsen-Anhalt aufgegriffen wurde, die ähnliche Maßnahmenpakete in Angriff nahmen und um- setzten. Doch Kinder und Jugendliche können sich nicht aus- suchen, wo sie geboren werden und wie sie aufwachsen. In einigen Bundesländern und Regionen werden queere Jugendliche unterstützt und bekommen Hilfe, in anderen nicht. Doch der Bund steht in der Pflicht. Er muss dafür Sorge tragen, dass junge Menschen in allen Bundeslän- dern und Regionen ähnlich gefördert werden, wenn sie existenzielle Probleme bekommen. Es besteht Hand- lungsbedarf. 28604 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. März 2013 (A) (C) (D)(B) Ich wünsche mir, dass die jungen Menschen bald aus- reichend gefördert werden, damit Mari Günther nie wie- der derartige Anrufe von Angehörigen erhält. Ulrich Schneider (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): In diesen Tagen wird viel über lesbische und schwule Paare diskutiert – in den Medien, vor dem Verfassungsgericht und auch hier im Bundestag. Diese Debatten sind richtig und wichtig. Aber wir dürfen über diese Debatten nicht vergessen: Lesben und Schwule werden nicht in dem Alter geboren, in dem man eine Partnerschaft eingeht, eine Familie gründet oder gar für diese Familie vor Ge- richten streitet. Nein, Lesben und Schwule sind anfangs Kinder und später Jugendliche, die die gleichen Nöte und Sorgen haben wie andere Jugendliche in der Puber- tät auch. Sie fragen sich, ob ihre Klassenkameraden sie hübsch finden. Sie fragen sich, ob sie jemandem ihre Liebe gestehen sollen. Sie regen sich über ihre Eltern und die Ungerechtigkeiten in der Welt auf. Aber bei allen diesen Gemeinsamkeiten gibt es eben auch wichtige Unterschiede: Erstens. Lesbischen und schwulen Jugendlichen fehlen die Role Models, die Bezugspersonen. Sie haben oftmals keine Vorbilder in ihrer Familie, an ihrer Schule oder im Freundeskreis. Zweitens. Lesbische und schwule Jugendliche haben sehr häufig das Gefühl, allein zu sein. Das einzige Mädchen zu sein, das Herzklopfen beim Anblick ihrer besten Freundin bekommt. Der einzige Junge zu sein, der seinen Klassenkameraden hinterherguckt. Drittens. Junge Lesben und Schwule wachsen immer noch häufig in einem Umfeld auf, das strukturell homo- phob ist. Hinzu kommt: Lesbische und schwule Jugend- liche finden in Deutschland medial nicht statt. Lesben und Schwule sind heute sichtbarer in den Medien als noch vor 20 Jahren, aber es sind Menschen, die dem Ju- gendalter längst entwachsen sind. So bleibt „schwul“ eines der häufigsten Schimpfwör- ter auf deutschen Schulhöfen. Lehrerinnen und Lehrer gehen bei ihren Klassen unausgesprochen von deren Heterosexualität aus. Mädchen, die Fußball spielen, wer- den als Lesben denunziert, „Schwuchtel“ ist gleichbe- deutend mit Versager. Und auch die Familie bietet oft keinen Schutzraum. Die Frage „Wie sag ich’s meinen Eltern?“ stellt sich fast allen lesbischen und schwulen Jugendlichen. Viele Jugendliche scheitern an ihrem Coming-out; lesbische und schwule Jugendliche sind überdurch- schnittlich häufig obdachlos. Ihr Suizidrisiko ist um ein Mehrfaches höher. Dennoch gibt es kaum spezialisierte Beratungsstellen in Deutschland. Und gibt es ein Bewusstsein für diese Lücke bei der Bundesregierung? Es ist erschreckend, wie unsensibel die Bundesregie- rung mit diesem Thema umgeht. Auf eine Kleine Anfrage meiner Fraktion hat die Bundesregierung im letzten Jahr geantwortet, dass in Deutschland „ein um- fangreiches Netzwerk an Schwangerschaftsberatungs- stellen“ zur Verfügung stünde. Kann das wirklich ernst gemeint sein? Schwangerschaftskonfliktberatung ist doch keine Beratung für Lesben und Schwule; es ist Be- ratung für Heterosexuelle. Das ist kein Programm zur Beratung von lesbischen und schwulen Jugendlichen. Das ist nicht geschlechtersensibel. Das ist einfach nur ig- norante Politik. Des Weiteren stehen Notunterkünfte für queere Ju- gendliche nur in wenigen Städten zur Verfügung. Und auch Eltern, die Beratung suchen, finden häufig kein passendes Angebot, insbesondere wenn sie schlecht Deutsch sprechen. Die Gruppen der transsexuellen Jugendlichen und der intersexuellen Jugendlichen mögen zahlenmäßig klein sein. Aber: Eine inklusive, diverse Gesellschaft verlangt nicht nur die Gleichbehandlung aller, sondern auch das Eingehen auf die speziellen Probleme von allen. Bei transsexuellen Kindern und Jugendlichen scheint der Fall klar zu sein: Die Altersbeschränkung im Transsexu- ellengesetz gilt schon seit den frühen 80ern nicht mehr; Kinder und Jugendliche können ihr gelebtes und gefühl- tes Geschlecht in ihre Ausweispapiere eintragen lassen. Aber wie der Fall Alex im letzten Jahr sehr deutlich ge- macht hat: Nur weil etwas auf dem Papier steht, heißt das noch lange nicht, dass es umgesetzt wird. Das Ju- gendamt war wenig sensibel gegenüber diesem Mäd- chen, das auf dem Papier noch ein Junge war. Intersexuelle Jugendliche wiederum wissen oftmals gar nichts von ihrer geschlechtlichen Besonderheit. Sie müssen in ihren Rechten gestärkt und umfassend infor- miert werden. Und mehr als das: Wie vom Deutschen Ethikrat gefordert, müssen sie in die Entscheidungen über medizinische Eingriffe einbezogen werden. Im Dezember schrieb die Bundesregierung in der Antwort auf die Kleine Anfrage meiner Fraktion zum Thema In- tersexualität, dass ihre Meinungsbildung an diesem Punkt noch nicht abgeschlossen sei. Für Bündnis 90/Die Grünen ist klar: Jugendliche sind selbstständige Men- schen und haben eigene Rechte. Sie dürfen Auto fahren, sie dürfen eine Ausbildung beginnen, sie dürfen arbei- ten. Aber sie dürfen nicht über medizinische Eingriffe bestimmen, die ihnen im Extremfall die Chance nehmen, Kinder zu bekommen und ein erfülltes Sexualleben zu haben? Wir sagen: Deshalb brauchen wir eine konzertierte Aktion. Wir brauchen einen bundesweiten Aktionsplan gegen Homophobie und Transphobie. Wir brauchen ei- nen Aktionsplan für Toleranz und Vielfalt. Viele Bun- desländer setzen ähnliche Pläne bereits um; Nordrhein- Westfalen, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz seien als Beispiele angeführt. Der bundesweite Aktionsplan muss die für Jugendli- che besonders wichtigen Bereiche Elternhaus, Schule, Jugendhilfe und Sport umfassen und gezielte Beratungs- angebote und Antidiskriminierungsmaßnahmen enthal- ten. Denn darum sollte es uns allen gehen – allen jungen Menschen das Gefühl zu geben: So, wie ihr seid, seid ihr in unserer Gesellschaft willkommen! Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. März 2013 28605 (A) (C) (D)(B) Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts: – Verordnung zur Änderung der Vorschriften über elektromagnetische Felder und das te- lekommunikationsrechtliche Nachweisverfah- ren – Vierter Bericht der Bundesregierung über die Forschungsergebnisse in Bezug auf die Emissionsminderungsmöglichkeiten der ge- samten Mobilfunktechnologie und in Bezug auf gesundheitliche Auswirkungen – Fünfter Bericht der Bundesregierung über die Forschungsergebnisse in Bezug auf die Emissionsminderungsmöglichkeiten der ge- samten Mobilfunktechnologie und in Bezug auf gesundheitliche Auswirkungen (Tagesordnungspunkt 26) Dr. Michael Paul (CDU/CSU): Technische Entwick- lungen machen uns an vielen Stellen das Leben leichter. Beinahe jeder hier im Saal benutzt täglich elektronische Geräte – ob zur Kommunikation, zur Datenübertragung oder im modernen Auto. Aber die zunehmende Nutzung dieser Technologien bedeutet gleichzeitig auch eine ansteigende Zahl von elektrischen, magnetischen und elektromagnetischen Feldern. Dabei unterscheidet man zwischen niederfre- quenten Feldern, etwa im Bereich der Stromnetze mit den bekannten 50 Hertz, und den hochfrequenten Fel- dern, etwa im Handy, bei bis zu 1 800 Hertz. Was vor 80 Jahren mit dem flächendeckenden Ausbau der Stromnetze und der Erfindung von Rundfunk und Fernsehen begann, setzt sich heute in der alltäglichen Nutzung von Handys oder Smartphones, WLAN und LTE-Netzen, Navigationssystemen oder Bluetooth-Ge- räten fort. Die meisten von uns können sich diese An- wendungen gar nicht mehr aus dem täglichen Leben wegdenken. Sosehr sie aber dem Menschen nutzen, muss bei jeder bewährten und neuen Technologie sichergestellt sein, dass von ihrer Nutzung keinerlei Schaden für Mensch und Umwelt ausgeht. Genau diesem Ziel, dem Schutz der Menschen und der Umwelt vor elektrischen, magne- tischen und elektromagnetischen Feldern, dient die heute debattierte Regelung: die Verordnung zur Änderung der Vorschriften über elektromagnetische Felder und das te- lekommunikationsrechtliche Nachweisverfahren. Dass mit dieser Regelung das Ziel, Mensch und Um- welt zu schützen, erreicht wird, bestätigen zahlreiche re- nommierte Wissenschaftler, die jahrelange Erfahrung auf dem Gebiet der Wirkung solcher elektromagneti- scher Felder auf den menschlichen Körper gesammelt haben. International führend ist auf diesem Gebiet die Inter- nationale Kommission für den Schutz vor nichtionisie- render Strahlung, ICNIRP: International Commission on NonIonizing Radiation Protection, in der Wissenschaft- ler aus Schweden, Australien, Finnland, den USA, Ita- lien, den Philippinen, Großbritannien, den Niederlanden, Japan, Österreich und Deutschland zusammenarbeiten. Der Vorsitzende dieser hochrangigen Kommission, Herr Rüdiger Matthes, der gleichzeitig im Bundesamt für Strahlenschutz für den Schutz vor nichtionisierender Strahlung zuständig ist, war Sachverständiger in der An- hörung des Bundestags-Umweltausschusses am 27. Fe- bruar 2013. Dort teilte er mit – ich zitiere –: „Die in der Novelle“ – 26. BImSchV – „vorgeschlagenen Grenz- werte sind nach aktuellem wissenschaftlichem Kenntnis- stand geeignet, vor allen nachgewiesenen Gesundheits- wirkungen und den damit verbundenen Gefahren zu schützen.“ Meine Fraktion und ich persönlich halten es für sehr wichtig, die berechtigten Befürchtungen der Menschen vor negativen Auswirkungen elektromagnetischer Felder auf die Gesundheit ernst zu nehmen. Wir alle in diesem Haus sollten – bei aller auch notwendigen Auseinander- setzung in der Sache – uns nicht gegenseitig den Willen absprechen, die menschliche Gesundheit und unsere Umwelt vor negativen Einwirkungen schützen zu wol- len. Aber, meine Damen und Herren von der Opposition: Angst machen ist kein Beitrag zur Lösung! Es ist richtig, dass wir transparent mit den möglichen Einwirkungen elektromagnetischer Felder auf den mensch- lichen Körper umgehen und diese offen aussprechen. Denn dass hoch- und niederfrequente elektrische und magnetische Felder hier negative Folgen haben können, steht fest. Ebenso steht aber fest, dass Art, Größenord- nung und Verteilung der Felder durch die technische Ausgestaltung erheblichen Einfluss auf die Folgen haben und diese zum Positiven verändern können. Ebenso gilt der Grundsatz, dass elektromagnetische Felder mit wachsendem Abstand zur Quelle abnehmen. Zentrale Bestandteile der hier vorliegenden Neurege- lung sind deshalb die festgelegten Abstände und Feld- grenzwerte. Für beide Punkte setzen die Regelungen die Empfehlungen des Rates der Europäischen Union, der ICNIRP und der deutschen Strahlenschutzkommission ohne jede Einschränkung um. Die Opposition macht es sich leicht, indem sie nach jeder neuen Grenzwertfestlegung noch strengere Grenz- werte fordert und nach noch geringeren Abständen ruft. Das führt aber in der Sache nicht weiter. Mehr noch: Der Vorwurf der Opposition, die Grenzwerte seien im Aus- land viel strenger als bei uns, ist nicht nur in der Sache haltlos, sondern zeigt auch noch, dass die Systematik ei- nes Grenzwerts nicht verstanden wurde. Zum einen haben im internationalen Vergleich von 52 Ländern mit bekannten Grenzwerten genau drei Län- der scheinbar strengere „Grenzwerte“ festgelegt als wir in Deutschland. Das hieße, dass Deutschland die viert- strengsten Grenzwerte hätte, was für sich genommen ja schon nicht schlecht wäre. Tatsächlich aber muss man wissen, dass in diesen drei Ländern die Werte entweder 28606 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. März 2013 (A) (C) (D)(B) nur Empfehlung sind und daher keinen zwingenden rechtlichen Charakter haben oder sie für eine durch- schnittliche Anlagenauslastung festgelegt wurden – also bei halber Leistung der Anlage gemessen –, während sich unsere Grenzwerte auf die volle Anlagenauslastung beziehen. Hier werden also Äpfel mit Birnen verglichen. Bei einem objektiven Vergleich haben wir bei uns die anspruchsvollsten Grenzwerte! Andererseits ist die Funktion der Grenzwerte sicherzu- stellen, dass bei ihrer Unterschreitung nach ständig ak- tualisiertem Stand von Wissenschaft und Technik keine Gesundheitsbeeinträchtigungen beim Menschen entste- hen können. Genau das hat die Internationale Strahlen- schutzkommission für die hier festgelegten Grenzwerte nachgewiesen. Das bedeutet: Strengere Grenz- und vor allem Ab- standswerte würden zwar die Kosten zum Beispiel des Netzausbaus – zulasten der Verbraucher – verteuern, auf der anderen Seite aber den Schutz von Mensch und Na- tur kein Stück voranbringen. Mehr noch: Der durch die Energiewende nötige Ausbau der Stromnetze würde we- sentlich erschwert. Damit in Zukunft in Ballungsräumen wie dem Ruhrgebiet die Menschen und die Industrie mit dem Windstrom von der Nord- und Ostsee versorgt wer- den können, sind nun einmal Tausende Kilometer neuer Hochspannungsleitungen nötig. Das gilt erst recht, wenn ich Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, ernst nehmen würde in Ihrer Forderung, nach dem Aus- stieg aus der Kernenergie auch aus der Kohle aussteigen zu wollen. Das zeigt: Ihre Forderungen passen nicht zu- sammen! Eine wichtige Frage, die viele Menschen bewegt, ist, ob bei Einführung der hier vorgesehenen Grenzwerte für elektromagnetische Felder die Gefahr besteht, dass diese Felder beim Menschen Krebserkrankungen hervorrufen. Die Opposition verkürzt daraus die Aussage: Elektro- magnetische Felder sind krebserregend – obwohl sie es besser weiß. Denn in der Sachverständigenanhörung des Umweltausschusses hat Herr Professor Leitgeb, Vorsit- zender der deutschen Strahlenschutzkommission, SSK, die Hintergründe dieses angstschürenden, plakativen Satzes erklärt: Basis der Behauptung ist eine Untersu- chung der International Agency for Research on Cancer, IARC, eines Untergremiums der Weltgesundheitsorgani- sation, WHO. Diese Kommission untersucht Stoffe und Geräte daraufhin, ob durch sie, bei entsprechender An- wendung oder Verwendung, die Gefahr einer möglichen Krebserkrankung besteht. Die IARC hat 2002 bezie- hungsweise 2011 festgestellt, was auch schon zuvor be- kannt war: Durch elektromagnetische Felder kann mög- licherweise dann Krebs entstehen, wenn diese in entsprechender Dauer und Intensität auf den Menschen einwirken. Aber eben auch nur unter dieser Bedingung. Oder, um es mit Paracelsus’ Worten zu sagen: Die Dosis macht das Gift! Genau aus diesem Grund ist zum Beispiel auch der Stoff „Kaffee“ in die gleiche Kategorie der Krebsgefahr eingestuft worden wie die elektromagnetischen Felder, weil bei entsprechend intensivem Konsum die Besorgnis von Darmkrebs festgestellt wurde. Diesen Zusammenhang, dass es auf die Dauer und die Intensität der Einwirkung entscheidend ankommt, muss man kennen und benennen, wenn man die Menschen in unserem Land nicht verängstigen will. Das wird aber in der Diskussion von Ihnen, den Damen und Herren der Opposition, schlicht außen vor gelassen. Damit schüren Sie Angst! Das hat nichts damit zu tun, die berechtigten Sorgen und Befürchtungen der Menschen ernst zu neh- men. Lassen Sie mich die wesentlichen Änderungen dieser Regelung zusammenfassen: Zwar bestehen im Moment bereits hinreichende Ab- stands- und Grenzwertfestlegungen für Strom- und Bahntrassen, Transformatoren und Schaltanlagen, je- doch nur im Bereich des Wechselstroms und auch nur im gewerblichen Bereich. Diese Regelungslücken schließen wir. Es werden erstmals Regeln für Gleichstromanlagen getroffen. Das ist deshalb wichtig, weil die Windkraft vom Norden über weite Strecken nach Westen und Sü- den transportiert werden muss. Das erfordert erstmalig den Bau neuer, verlustfreier Hochspannungsgleich- stromübertragungsleitungen, die bisher in Deutschland nicht verwendet wurden. Die digitale Funktechnologie macht Polizei, Feuer- wehr und Katastrophenschutz einsatzfähiger, aber auch diese Technik erzeugt elektromagnetische Felder. Die öffentlichen und privaten Anlagen werden nun wie die gewerblichen erfasst. Die Regelungen werden nun an die technischen Neuerungen der vergangenen 15 Jahre angepasst. Denn die Elektromobilität spart zwar CO2-Emissionen, aber die Ladestationen für die Fahrzeuge schaffen durch ihre Induktionsladetechnik neue elektrische Felder. Für diese neuen Techniken werden jetzt erstmalig Grenzwerte ein- geführt, die die Gesundheit der Menschen und den Schutz der Umwelt sicherstellen. Damit dieser Schutz aber dauerhaft und auch trotz al- ler zukünftigen technischen Entwicklungen stets ge- währleistet ist, werden durch diese Neuregelung darüber hinaus erstens eine regelmäßige Überprüfung der beste- henden Grenz- und Abstandswerte und gegebenenfalls die Anpassung an den Stand von Wissenschaft und Tech- nik festgelegt, zweitens eine neue Minderungspflicht für Betreiber von Niederfrequenz- und Gleichstromanlagen eingeführt, die gewährleistet, dass der Betrieb dieser An- lagen den maximalen Schutz von Bevölkerung und Umwelt sicherstellt, und drittens im Bereich der Mobil- funknetze die Selbstverpflichtung der Betreiber weiter- entwickelt. Dadurch soll die dauerhafte Finanzierung bestehender Forschungsprogramme gesichert werden, damit auch zu- künftig noch unbekannte Gefahren von hochfrequenten elektromagnetischen Feldern für die Gesundheit des Menschen erforscht werden. Darüber hinaus wünsche ich mir, dass eine entsprechende Selbstverpflichtung auch von den Übertragungsnetzbetreibern abgegeben wird, in der sie sich an den Kosten der Forschung im Be- reich der niederfrequenten Netze beteiligen. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. März 2013 28607 (A) (C) (D)(B) Dirk Becker (SPD): Die Bundesregierung legt einen Entwurf für eine Verordnung vor, die die Guidelines der Internationalen Kommission zum Schutz vor nichtioni- sierender Strahlung, ICNIRP, von 2010 sowie die ent- sprechend angepasste EU-Ratsempfehlung umsetzt. Es wird damit versucht, neue und neuartige Technolo- gien mit der 26. Bundes-Immissionsschutzverordnung, 26. BImSchV, zu erfassen und zu regeln. Die SPD-Fraktion begrüßt ausdrücklich, dass unter die Regelung auch Hochspannungsgleichstromanlagen, HGÜ, fallen sollen sowie der Anwendungsbereich auf gewerbliche, hoheitliche und private ortsfeste Anlagen ausgeweitet werden soll. Auch die Erfassung des Be- reichs der Niederfrequenzen von 1 Hertz bis 100 Kilo- hertz und das neu eingeführte Minimierungsgebot begrü- ßen wir. Ich muss jedoch sagen, dass die Bundesregierung mit ihrem Verordnungsentwurf weit hinter dem Möglichen und Nötigen geblieben ist. Nach langen Diskussionen wurden 2001 noch unter der rot-grünen Bundesregierung Regelungen getroffen und Grenzwerte festgelegt, die ausdrücklich nicht in Stein gemeißelt sein sollten. Die Strahlenschutzkommis- sion, SSK, stellte bereits damals fest, dass es großen Forschungsbedarf gebe, der gegebenenfalls eine Neube- wertung der Thematik und eine Neufestsetzung von ver- schärften Grenzwerten nötig machen könnte. Bereits seit nunmehr über zehn Jahren wird intensiv geforscht, und weltweit erzielte Studienergebnisse wer- den aufgearbeitet. Das Deutsche Mobilfunk-Forschungs- programm, DMF, mit seinen über 50 Projekten sei hier nur stellvertretend erwähnt. Weltweit liegen mittlerweile über 20 000 Studien vor. Auch wenn es bisher keine wissenschaftlich anerkannten Beweise für gesundheits- relevante Wirkungen elektrischer, magnetischer und elektromagnetischer Felder über die bisher bekannten – insbesondere thermischen – Wirkzusammenhänge gibt, so verdichten sich doch die Hinweise auf potenzielle athermische Gefährdungen. Das mag daran liegen, dass die Beweisführung in diesem Bereich äußerst schwer ist, weil es noch an Erfahrungen mit Langzeitwirkungen mangelt. Auch ist es schwierig, mit experimentellen Un- tersuchungen die erhöhten Expositionen und chronische Erkrankungen in Zusammenhang zu setzen, der Beweis- kraft erlangen könnte. Die Internationale Krebsforschungsagentur, IARC, der Weltgesundheitsorganisation hat aber bereits auf die Datenbasis reagiert und nieder- und auch hochfrequente elektromagnetische Felder als möglicherweise krebser- regend eingestuft. Leider muss ich feststellen, dass die Bundesregierung aus all dem keine Konsequenzen zieht. Wir werfen der Bundesregierung daher vor, dass sie mit der Verordnung den aktuellen wissenschaftlichen Forschungs- und Er- kenntnisstand nicht aufnimmt. Wider besseres Wissen hält sie an den überkommenen Grenzwerten fest. Es wird immer deutlicher, dass die Grenzwerte zu nah an den real nachweisbaren Wirkzusammenhängen liegen, also den nötigen Vorsorgeabstand vermissen lassen. Eine verantwortungsbewusste Politik schaut anders aus. Wir kritisieren die Bundesregierung außerdem, weil die Verordnung handwerklich schlecht gemacht ist. Für was lässt sich die Bundesregierung von der Strahlen- schutzkommission beraten und finanziert diese, wenn die SSK offensichtlich bei der Erarbeitung der Verord- nung nicht mitwirken durfte? Daraus folgt die weitere Frage, auf welche Daten und Beratung die Bundesregie- rung überhaupt zurückgegriffen hat. Nachvollziehbare und transparente Rechtssetzung schaut ebenfalls anders aus. In Zeiten wie diesen, in denen die Menschen zuneh- mend den verschiedenartigsten Belastungen und gesund- heitlichen Risiken ausgesetzt sind, muss der Staat seine Aufgaben und Pflichten zum Schutz der Bevölkerung und zur Minimierung von gesundheitsrelevanten Risiken konsequent erfüllen. Wie in vielen Bereichen des Verbraucher- und Ge- sundheitsschutzes kommt diese Bundesregierung auch mit dieser Verordnung ihrer Schutz- und Vorsorgepflicht nicht nach. Auch kritisieren wir, dass sich die Bundesregierung offensichtlich um keine internationale und europäische Harmonisierung der Grenzwerte und rechtlichen Rege- lungen bemüht. Die EU regelt viele Lebensbereiche bis ins kleinste Detail gemeinschaftlich. Im Bereich der Grenzwerte für elektromagnetische Felder ist Europa aber noch immer ein bunter Flickenteppich. Und be- trachtet man die einzelnen Regelungen, kann man davon ableiten, dass der Bundesregierung der Vorsorgeschutz weitgehend egal ist. Andere Länder sind wesentlich kon- sequenter und weiter. Klar ist hier an erster Stelle die Schweiz zu nennen. Aber auch Polen, Großbritannien und die Niederlande nehmen das Schutzbedürfnis ihrer Bürger ernster. Die SPD-Fraktion fordert die Bundesregierung daher auf – so wie sie es bereits mit ihrem Entschließungsan- trag in den Ausschüssen getan hat –, diesen Verord- nungsentwurf zurückzuziehen und grundlegend zu über- arbeiten. Dem aktuellen Erkenntnisstand der bisher erfolgten Forschungsanstrengungen muss Rechnung getragen werden, und die Grenzwerte für elektromagnetische Fel- der müssen mit einem sinnvollen Vorsorgefaktor ver- schärft werden. Hier gibt es in anderen Ländern teils sehr gute Beispiele, wie das geschehen könnte. Wir brauchen also vorsorgeorientierte und insbeson- dere auch kindgerechte Grenzwerte für sensible Orte wie Kitas, Schulen und Krankenhäuser, aber auch für Privat- räume wie Schlaf-, Kinder- und Wohnzimmer – und das sowohl für den Niederfrequenzbereich als auch für den Hochfrequenzbereich. In unserem Entschließungsantrag haben wir dazu konkrete Vorschläge unterbreitet. Künftige auftretende starke Feldquellen müssen von der Verordnung ebenfalls erfasst werden, damit von An- fang an eine Regelung für diese neuen Technologien be- steht. Das geplante Minimierungsgebot soll unter An- 28608 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. März 2013 (A) (C) (D)(B) wendung des Standes der Technik auf alle Bereiche der nichtionisierenden Strahlung ausgeweitet und regelmä- ßig evaluiert werden. Überhaupt müssen alle von einer Anlage erzeugten Frequenzen wie Oberwellen und Sei- tenbänder für die Grenzwertermittlung herangezogen werden. Alle neuen Stromübertragungsanlagen wie Höchst- und Hochspannungsleitungen – und nach Übergangsfris- ten auch bestehende Altanlagen – müssen in das Über- spannungsverbot einbezogen werden. Mit Blick auf die Energiewende und den damit ver- bundenen Bedarf nach Ausbau und Neubau von Strom- netzen ist ein Pilotprojekt zur Demonstration der Vorteile von modernen Kompaktbauweisen bei Strommasten mehr als sinnvoll. Damit könnte der Stand der Technik beim Leitungsbau überprüft und die Akzeptanz neuer Stromtrassen erhöht werden. Weiter soll sich die Bundesregierung um zumindest eine europäische Harmonisierung bemühen. Es kann nicht angehen, dass in diesem hochsensiblen Bereich noch immer mit vielen unterschiedlichen Maßstäben ge- arbeitet wird. In der Begründung zum Verordnungsentwurf schreibt die Bundesregierung selbst, dass „die Exposition durch elektrische, magnetische und elektromagnetische Felder in der heutigen Umwelt infolge der Nutzung moderner Technologien, dem Ausbau des Hochspannungsnetzes und der technischen Weiterentwicklung seit Jahren zu- nehmen“. Es ist auch mit einer weiteren Zunahme – Stichworte: smart grids, smart homes, Fernablesung etc. – zu rechnen. Die Bundesregierung muss sich also endlich ihrer Verantwortung bewusst werden und ihre Pflichten zum vorsorgenden Schutz der Bevölkerung wahrnehmen. Die SPD-Fraktion ist dann auch zur Zu- sammenarbeit bereit. Judith Skudelny (FDP): Deutschland ist ein High- techland. Darauf sind wir stolz und wollen unseren Stan- dard stetig verbessern. Dazu gehört auch der Umgang mit elektrischen, magnetischen und elektromagnetischen Feldern, die von den meisten der Geräte – Handy, Lap- top etc. – ausgehen. Die vorliegende Verordnung wird der schwierigen Balance zwischen dem Erfordernis des Schutzes und der Vorsorge vor schädlichen Umwelteinwirkungen und dem offensichtlichen Bedarf an der Nutzung moderner Technologien gerecht. Beispielsweise dem dringend not- wendigen Leitungsausbau zur Umsetzung der Energie- wende und der Nutzung von Mobilfunkgeräten. Die Novellierung dient der Anpassung an den neues- ten technischen und wissenschaftlichen Stand. Dabei bleiben die Grenzwerte im Wesentlichen bestehen. Diese Beibehaltung der Grenzwerte ist richtig, da auch nach Erkenntnissen der Strahlenschutzkommission, SSK, keine wissenschaftlichen Erkenntnisse vorliegen, die eine Änderung des bisherigen Schutz- und Grenzwert- konzepts rechtfertigen. Dies bestätigen auch der vorlie- gende vierte und fünfte Bericht der Bundesregierung über die Forschungsergebnisse in Bezug auf die Emissi- onsminderungsmöglichkeiten der gesamten Mobilfunk- technologie und in Bezug auf gesundheitliche Auswir- kungen. So kommt die Strahlenschutzkommission zu dem Schluss, dass auch nach Bewertung der neueren Litera- tur keine wissenschaftlichen Erkenntnisse im Hinblick auf mögliche Beeinträchtigungen der Gesundheit durch niederfrequente elektrische und magnetische Felder vor- liegen, die ausreichend belastungsfähig wären, um eine Veränderung der bestehenden Grenzwertregelung der 26. BImSchV zu rechtfertigen. Aus der Analyse der vor- liegenden wissenschaftlichen Literatur ergeben sich auch keine ausreichenden Belege, um zusätzliche verrin- gerte Vorsorgewerte zu empfehlen, von denen ein quan- tifizierbarer gesundheitlicher Nutzen zu erwarten wäre. Zu den wesentlichen Neuerungen der vorliegenden Verordnung zählt die Erweiterung des Anwendungsbe- reichs auf alle Frequenzbereiche. Erfasst wird damit auch die Hochspannungs-Gleichstromübertragung, HGÜ. Diese spielt im Rahmen der Energiewende beim Leitungsausbau eine wesentliche Rolle und war bisher nicht geregelt. Auch die Beschränkung der Regelung auf gewerblich betriebene Anlagen entfällt. Damit wird künftig auch der Digitalfunk der Behörden und Organi- sationen mit Sicherheitsaufgaben, BOS-Anlagen, von der Verordnung erfasst. Außerdem soll beim Bau neuer Stromtrassen künftig die Überspannung von Wohngebäuden untersagt wer- den. Eine weitere wesentliche Neuerung stellt das soge- nannte Minderungsgebot dar, wonach in der Verordnung festgelegt ist, dass auch beim Ausbau der Stromnetze elektrische und magnetische Felder zu mindern sind. Bei der Debatte werden immer die Gefahren der Strahlung angeprangert. Welchen Nutzen uns beispiels- weise die moderne Telekommunikation und die Strom- leitungen bringen, wird immer nur am Rande themati- siert. Doch wenn man ehrlich ist, besitzt nahezu jeder ein oder sogar mehrere Handys und Laptops. Wir alle, auch die Kolleginnen und Kollegen der Opposition, möchten überall und rund um die Uhr erreichbar sein. So sind technische Anwendungen, die elektromagnetische Fel- der nutzen, wie drahtlose Informationsübertragungs- und Kommunikationsverfahren, ein nicht mehr wegzuden- kender Bestandteil unseres Lebens geworden. Dies zeigt, dass wir uns bewusst für diese Technik entschieden ha- ben und diese befürworten. Beispielsweise haben wir es den Handys zu verdan- ken, dass Hilfe wesentlich schneller am Unfallort ein- trifft. Viele Eltern geben ihren Kindern Handys, damit sie sich im Notfall immer melden können und so auch selbstständiger sein können. Bei der Verfolgung von Straftaten wird die Möglichkeit der Ortung durch das Handy erfolgreich eingesetzt, um nur einige Beispiele zu nennen. Der Ausbau der Stromleitungen, insbesondere der HGÜ-Leitungen, ist enorm wichtig für die von allen Bürgern zu Recht geforderte Versorgungssicherheit. Es ist scheinheilig von der Opposition, auf der einen Seite Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. März 2013 28609 (A) (C) (D)(B) die Energiewende zu fordern, aber auf der anderen Seite den Bürgern gegenüber nicht offen und ehrlich zu sagen, dass wir hierfür neue Leitungen brauchen, von denen entsprechende Felder ausgehen. Wir müssen also eine angemessene Balance finden, um mit den positiven Errungenschaften der Nutzung mo- derner Technologien einerseits und den elektrischen, magnetischen und elektromagnetischen Feldern anderer- seits umzugehen. Dieser Anforderung wird die vorliegende Novelle ge- recht. So wird mit ihr eine ausgewogene Regelung zum Schutz und zur Vorsorge vor gesundheitlichen Auswir- kungen nichtionisierender Strahlung geschaffen. Außer- dem flankiert die Novellierung der Verordnung den zügi- gen Ausbau der Übertragungsnetze im Hoch- und Höchstspannungsbereich. Vorsorgender Gesundheitsschutz mit Augenmaß führt insgesamt zu einer Verbesserung des Strahlenschutzes und dadurch zu einer höheren Akzeptanz des Netzaus- baus durch die Bevölkerung vor Ort, ohne die Kosten des Netzausbaus und damit die Stromkosten weiter in die Höhe zu treiben. Wenn die Opposition erwähnt, dass die Schweiz und Italien niedrigere Grenzwerte als Deutschland haben und als sie zum Beispiel von der Internationalen Kom- mission zum Schutz vor nichtionisierender Strahlung, ICNIRP, empfohlen werden, ist es wichtig zu wissen, dass diese Werte nicht auf dem Nachweis neuer Gesund- heitsbeeinträchtigungen oder auf einem konkreten Ver- dacht, wissenschaftlich mit allgemeinen wissenschaftli- chen Unsicherheiten begründet, beruhen. Auch werden die Grenzwerte der 26. BImSchV in den meisten Fällen nicht ausgeschöpft. Interessant ist, dass die Opposition in ihren beiden Entschließungsanträgen einige der Anregungen unseres Sachverständigen Professor Norbert Leitgeb der Anhö- rung am 27. Februar 2013 aufgenommen hat, beispiels- weise die Forderung nach der Erfassung neuer Technolo- gien durch die vorliegende Novellierung. Dies ist auch für uns ein sehr wichtiges Anliegen, da wir eine techno- logieoffene Entwicklung fördern. Wir sind diesen Anre- gungen nachgegangen. Der Anwendungsbereich der Verordnung sowie die Begriffsbestimmungen für Hoch- frequenz- und Niederfrequenzanlagen sind so gefasst, dass grundsätzlich auch künftig häufig auftretende Feld- quellen neuer Technologien erfasst werden. So werden beispielsweise Anlagen zur induktiven Energieübertra- gung, wie zum Beispiel Ladestationen für Elektroautos, erfasst. Richtig ist, dass es in Bezug auf die Langzeitwirkung von Handystrahlung und auf die Reaktion von Kindern auf hochfrequente elektromagnetische Felder noch keine ausreichenden Erkenntnisse gibt. Hier besteht weiterer Forschungsbedarf. Entsprechende Studien wurden auch bereits begonnen. Das Wissen über die biologischen Wirkungen von Feldern insgesamt ist aber bereits so um- fangreich, dass durchaus eine verantwortliche Entschei- dung über die Festsetzung von Grenzwerten zum Schutz der Bevölkerung erfolgen kann. Bei der Novellierung der 26. BImSchV kann es nicht darum gehen, die weitere Nutzung der Mobilfunktech- nologie nur dann zuzulassen, wenn ihre Unschädlichkeit bewiesen ist. Ein solcher Nachweis kann für keine Tech- nologie gelingen, da nur das Vorhandensein von Gefah- ren und Risiken bewiesen werden kann, nicht aber ihre Abwesenheit. Dies gilt für alle Lebensbereiche. Es muss vielmehr darum gehen, die mit einer Techno- logie verbundenen Risiken so umfassend wie möglich zu erkennen, um dann eine informierte und bewusste Ent- scheidung über die Akzeptanz oder Inakzeptanz be- stimmter (Rest-)Risiken zu treffen. Diesen Anforderun- gen wird die vorliegende Verordnung gerecht. Sabine Stüber (DIE LINKE): In Deutschland sind die Vorschriften zum Schutz der Menschen vor gesund- heitlichen Schäden durch elektromagnetische Felder über 15 Jahre alt. Das ist eine lange Zeit. Und die Tech- nik, auch die Mobilfunktechnik, hat seither, wie wir alle wissen, eine rasante Entwicklung durchlaufen. Änderungen dieser Vorschriften werden von der EU- Kommission seit Jahren angemahnt. Denn wissenschaft- liche Untersuchungen belegen, dass elektromagnetische Felder Menschen krankmachen können. Ich sage be- wusst „krankmachen können“, nicht zwangsläufig müs- sen; denn ein wissenschaftlicher Nachweis, vor allem für Langzeitwirkungen, steht noch aus. Wir alle sind elektromagnetischen Feldern durch Sendefunkanlagen und Stromübertragungsnetze ausge- setzt, ohne dies beeinflussen zu können. Deshalb steht der Staat in der Pflicht, für den Schutz der Bevölkerung vor gesundheitlichen Risiken zu sorgen. Elektromagne- tische Felder haben mit Handys, Smartphones oder Tab- lets unseren Alltag erobert – ob am Arbeitsplatz oder unterwegs. Nur zu Hause legen wir selber fest, ob es noch ein elektrisches Gerät sein soll, noch eine Telefon- ladestation oder eine Funkuhr – ich könnte die Liste endlos fortführen. Die Bundesregierung will nun mit der vorgelegten Verordnung Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkun- gen und entsprechende Vorsorge gewährleisten. So sol- len außer für gewerbliche Funkanlagen auch für den Betrieb privater und hoheitlicher Sendeanlagen und Stromleitungsnetze Vorschriften gelten. Das sind durchaus Verbesserungen. Im Ganzen gese- hen bleibt die Verordnung jedoch weit hinter den Erwar- tungen und vor allem hinter den technischen Möglich- keiten zurück. Das haben Experten in einer öffentlichen Anhörung vorige Woche im Bundestag mit deutlicher Mehrheit bestätigt. Selbst der Vertreter aus dem Bundesamt für Strahlen- schutz, auf den sich die Regierungskoalition – so vehe- ment – beruft, rudert bei der Frage nach den gesundheit- lichen Risiken zurück. Er ist der Meinung, dass selbst wissenschaftliche Ergebnisse, die nicht hundertprozentig gesundheitliche Risiken belegen, allemal ausreichen, um „eine Besorgnis zu begründen“. Nach seiner Empfeh- lung sollten Wohngebiete beim Neubau von Stromtras- sen generell gemieden werden. Da ist viel Auslegungs- 28610 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. März 2013 (A) (C) (D)(B) spielraum, und das heißt für mich: jwd, also janz weit draußen! Andere Gutachter waren da mit ihren Empfeh- lungen von 400 bis 600 Metern Abstand zu Wohnhäu- sern konkreter. Für Kinder besteht bei einer dauerhaften Belastung durch elektromagnetische Felder ab 0,3 Mikrotesla durch Stromleitungen ein erhöhtes Leukämierisiko. Das ist wissenschaftlich exakt belegt. Und dann schauen Sie sich draußen um, und rechnen Sie die Funksendemasten dazu. Die Mobilfunkstrahlung steht immer wieder unter dem Verdacht, Krebs und Alzheimer auszulösen. Das Hauptproblem sind und bleiben die viel zu hohen Grenzwerte, denen Menschen dauerhaft ausgesetzt sein dürfen, und daran ändert die Verordnung nicht viel. Die Linke fordert deshalb Vorsorgegrenzwerte von 0,2 Mi- krotesla für Orte, an denen sich Menschen lange aufhal- ten. Technisch machbar sind unsere Grenzwerte und sollten zumindest für Wohnungen als geschützte Orte verbindlich sein. Dabei darf nicht vergessen werden: Es geht hier um Grenzwerte für elektromagnetische Felder von draußen, denen die Bürgerinnen und Bürger ausge- setzt sind, ohne sie beeinflussen zu können. Wir wissen: Alle Grenzwerte sind politische Werte. Sie orientieren sich an wissenschaftlichen Erkenntnis- sen, nur leider viel zu selten an den neuesten. Auch in diesem Verordnungsentwurf folgt die Politik nicht den neuesten wissenschaftlichen Empfehlungen. Aber was heißt hier die Politik? Wir, die Abgeordne- ten sind es, die heute darüber entscheiden, wie hoch das Gesundheitsrisiko sein darf, dem die Menschen in die- sem Land unfreiwillig durch elektromagnetische Felder weiterhin ausgesetzt sein werden. Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Auseinandersetzung über die Frage, ob langfristig wirkende elektrische, magnetische und elektromagneti- sche Felder zu Gesundheitsgefährdungen führen können, wird seit Jahren zum Teil erbittert geführt. Die Hinweise auf Risiken sind inzwischen so konkret, dass sowohl die WHO als auch der Europarat Handlungsbedarf sehen. Die Internationale Krebsforschungsagentur, IARC, der Weltgesundheitsorganisation, WHO, hat inzwischen sowohl niederfrequente als auch hochfrequente elektro- magnetische Felder neu bewertet. 2002 stufte die IARC bereits niederfrequente und statische Felder in die Gruppe 2 B ihrer Skala ein, 2011 dann auch die hochfre- quenten Felder. Das heißt, elektromagnetische Felder werden nun als „möglicherweise krebserregend“ bewer- tet. Sie stehen damit auf einer Stufe mit Methylquecksil- ber, Blei, Kobalt, Schiffsdiesel, Chloroform und DDT. Das ist eine Aufforderung, vorsorglich tätig zu werden. Ganz aktuell legt die Europäische Umweltagentur in Kopenhagen in ihrem im Januar veröffentlichten Bericht „Späte Lehren aus frühen Warnungen, Band II“ dar, wa- rum sie, um Gefahren zu reduzieren, auch bei den elek- tromagnetischen Feldern die breitere Anwendung des „Vorsorgeprinzips“ empfiehlt. Der Bericht legt dar, dass wissenschaftliche Unsicherheit keine Rechtfertigung für Untätigkeit ist, wenn plausible Hinweise auf potenziell schwerwiegende Gefährdungen vorliegen. Die Bundesregierung legt uns nun einen Entwurf für die Novellierung der 26. Bundes-Immissionsschutz- verordnung, BImSchV, vor, der die Chance, endlich vor- sorgeorientierte Grenzwerte in Deutschland einzuführen, vergibt. Er setzt gerade einmal die längst von neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen überholten EU- Ratsempfehlungen von 1999 um. Für die nieder- frequente elektromagnetische Strahlung wird immerhin ein Minimierungsgebot eingeführt, für die hochfre- quente Strahlung aber nicht. Das Gebäudeüberspan- nungsverbot für neue Anlagen soll es erst ab 2015 ge- ben, für Altanlagen soll es das überhaupt nicht geben und für alle 110-kV-Leitungen unverständlicherweise auch nicht. Auch die Expertenanhörung des Deutschen Bundes- tags zur vorgelegten Novelle am 27. Februar 2013 hat leider bei der Bundesregierung nicht dazu geführt, ihren Entwurf stärker auf neuere Erkenntnisse abzustimmen. Mehrheitlich machten die Experten deutlich, dass die bisherigen Regelungen nur auf die bestätigten, mit ei- nem Kausalzusammenhang zu beschreibenden akuten Wirkungen elektrischer, magnetischer und elektromag- netischer Felder beruhen und der Sicherheitsfaktor nicht ausreichend ist. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse, die bei der IARC zur Höherstufung in der Bewertungs- skala führten, wurden für die vorgelegten Regelungen nicht berücksichtigt. Das ist vor allem vor dem Hinter- grund völlig inakzeptabel, dass konsistente Befunde aus epidemiologischen Untersuchungen zur niederfrequen- ten Strahlung vorliegen, wonach magnetische Felder der Energieversorgung schon in deutlich geringeren Intensi- täten als von der Verordnung zugelassen mit dem Auftre- ten von kindlicher Leukämie korrespondieren. Ähnli- ches gilt im Bereich der hochfrequenten Strahlung zu erhobenen Daten bezüglich bestimmter Hirntumore. Es ist nach den Erfahrungen mit anderen chronisch wirksa- men Noxen, zum Beispiel Tabakrauch, nicht zu erwar- ten, dass es in absehbarer Zeit gelingen wird, die in epidemiologischen Studien festgestellten Zusammen- hänge zwischen erhöhten Expositionen und chronischen Erkrankungen durch experimentelle Untersuchungen in allen Details zu stützen oder gar vom biophysikalischen Primärmechanismus bis zum Eintritt des nachweisbaren physiologischen Schadens zu erklären. Es gibt aber eben aus experimentellen Untersuchungen genug Hinweise auf gesundheitsrelevante Wirkungen technogener elek- trischer, magnetischer und elektromagnetischer Felder. Für genau solche Zusammenhänge wurde das Vorsorge- prinzip entwickelt. Die bei der Beratung der Novelle im Umweltaus- schuss am 13. März von der Union vorgetragene Be- hauptung, es gebe in Europa nur drei Länder, die ambi- tioniertere Grenzwerte als Deutschland festgelegt hätten, ist angesichts der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage von mir (Drucksache 16/6133) nicht nachvollziehbar. Aus der Antwort ergibt sich, dass Italien, die Schweiz, Luxemburg, Großbritannien, die Niederlande, Schweden, Dänemark und Irland in min- destens einem der Bereiche Niederfrequenz oder Hoch- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. März 2013 28611 (A) (C) (D)(B) frequenz niedrigere Grenzwerte als Deutschland haben. All diese Länder orientieren sich nicht an der Empfeh- lung des Rates der Europäischen Union von 1999, son- dern am Vorsorgeprinzip. Die Grünen lehnen die vorgelegte Novelle der 26. BImSchV aus den dargelegten Gründen als unzurei- chend ab. Der Entschließungsantrag der Linken enthält die glei- che Kritik, die auch wir an der Novelle haben, fordert dann aber Grenzwerte, die nicht hergeleitet und begrün- det sind. Deshalb enthalten wir uns zu diesem Antrag. Gemeinsam mit der SPD haben wir dagegen im Aus- schuss einen Antrag eingebracht, der vorsorgeorientierte und kindgerechte Grenzwerte fordert. Außerdem müssen alle Stromübertragungsleitungen im Hoch- und Höchst- spannungsbereich in das Überspannungsverbot einbezo- gen werden, also auch die 110-kV-Leitungen und – mit angemessener Übergangszeit – die Altanlagen. Zukünf- tig häufig auftretende starke Feldquellen müssen in die Verordnung aufgenommen werden. Alle von einer An- lage erzeugten Frequenzen, also auch Oberwellen oder Seitenbänder, müssen für die Grenzwertermittlung mit herangezogen werden. Auf EU-Ebene muss eine Überarbeitung der Empfeh- lung des Rates der Europäischen Union 1999/519/EG erfolgen, die den aktuellen Wissensstand aufgreift und unter konsequenter Anwendung des Vorsorgeprinzips in allen Mitgliedstaaten ein hohes, harmonisiertes Schutz- niveau festlegt. Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktor- sicherheit: Die zur Novellierung anstehende Verordnung über elektromagnetische Felder regelt unter anderem Grenzwerte für so unterschiedliche Anlagenarten wie Hochspannungsleitungen und Mobilfunkanlagen. Die Verordnung ist seit ihrem Inkrafttreten Anfang 1997 nicht geändert worden. Sie bedarf dringend der Anpassung an den heutigen technischen und wissen- schaftlichen Stand. Bisherige Regelungslücken sollen nun geschlossen werden. Dazu wird der Anwendungsbereich der Verord- nung zum Beispiel auf Anlagen, die privat oder hoheit- lich betrieben werden, erweitert. Damit gelten die Grenz- werte künftig auch für die ortsfesten Anlagen des Digitalfunks der Behörden und Organisationen mit Sicher- heitsaufgaben. Aktuell bedeutsam ist auch die Einbezie- hung der Anlagen der Hochspannungsgleichstromüber- tragung, der sogenannten HGÜ-Leitungen. Einen Beitrag zum Bürokratieabbau leistet die Novelle durch die geplante Reduzierung von Anzeigepflichten, die entfallen können, soweit die bislang anzuzeigenden Daten bereits elektronisch bei der Bundesnetzagentur vorhanden sind. Diese Änderungen sind bislang auf eine breite Zu- stimmung gestoßen. Von manchen wird die Frage aufge- worfen, ob die in der Verordnung vorgesehenen Grenz- werte die Bevölkerung ausreichend schützen. Festzuhalten ist, dass die Grenzwerte der Regierungs- vorlage auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse festgelegt worden sind. Dabei sind alle nach wissen- schaftlichen Standards und Grundsätzen erhaltenen For- schungsergebnisse einbezogen worden. Es gibt auch heute keine belastbaren wissenschaft- lichen Hinweise, diese Grenzwerte infrage zu stellen. Dies belegen die Ergebnisse umfangreicher Forschungen der letzten Jahre. Im Dezember 2001 hat die damalige rot-grüne Bun- desregierung von einer Verschärfung der Grenzwerte für den Mobilfunk Abstand genommen und stattdessen ihre sonstigen Vorsorgeanstrengungen im Bereich Mobilfunk verstärkt. Ich weise hier zum Beispiel auf die Einrich- tung einer Standortdatenbank bei der Bundesnetzagentur und das „Deutsche Mobilfunk-Forschungsprogramm“ hin. Außerdem hat die damalige Bundesregierung die freiwillige Selbstverpflichtung der Mobilfunknetzbetrei- ber entgegengenommen, die Anfang 2012 ergänzt wor- den ist. Die Bundesregierung achtet in den jährlich durchzuführenden Überprüfungsgesprächen darauf, dass die Betreiber ihre freiwilligen Zusagen einhalten. Für Niederfrequenz- und Gleichstromanlagen, also Anlagen der Stromübertragung, enthält die Novelle übri- gens auch Vorsorgeregelungen. Diese umfassen folgende Punkte: Der Grenzwert für den Bahnstrom wurde der Empfehlung der Internationa- len Strahlenschutzkommission, ICNIRP, aus dem Jahr 2010 entsprechend halbiert. Der bisherige Grenzwert von 100 Mikrotesla für das magnetische Feld bleibt un- verändert. Entgegen der Empfehlung der ICNIRP, den Grenzwert auf 200 Mikrotesla zu erhöhen, soll das bis- herige Schutzniveau beibehalten werden. Neu ist ein all- gemeines Minderungsgebot: Betreiber von Niederfre- quenzanlagen werden verpflichtet, die Möglichkeiten auszuschöpfen, die Exposition durch nichtionisierende Strahlung nach dem Stand der Technik zu vermindern. Diese allgemeine Minderungspflicht ist noch durch eine allgemeine Verwaltungsvorschrift zu konkretisieren. Und schließlich ein Überspannungsverbot: Werden neue Stromtrassen errichtet, dürfen die Hochspannungsstrom- leitungen Wohngebäude nicht mehr überspannen. Diese Vorsorgeregelungen haben eine unmittelbare Bedeutung für den Stromnetzausbau. Entsprechend in- tensiv sind sie mit allen Verfahrensbeteiligten auf ihre Angemessenheit und Ausgewogenheit hin geprüft worden. Ziel war es, den Schutz der Bevölkerung sicher- zustellen, ohne dabei den Ausbau der Stromnetze unan- gemessen zu erschweren. Dies wird mit der Novelle erreicht. Letztlich erkennen alle, die am Rechtsetzungs- verfahren beteiligt waren, an, dass die Novelle insgesamt eine deutliche Verbesserung für den Strahlenschutz bringt. 228. Sitzung Inhaltsverzeichnis TOP 3, ZP 2 Regierungserklärung zur Energieinfrastruktur TOP 4 Zukunftsinvestitionen in die Wirtschaft TOP 34, ZP 3 Überweisungen im vereinfachten Verfahren TOP 35, ZP 4 Abschließende Beratungen ohne Aussprache ZP 5 Aktuelle Stunde zu Verfassungsänderungen in Ungarn TOP 5 Conterganstiftungsgesetz TOP 6 Bilanz nach 10 Jahren Agenda 2010 TOP 7 Sexueller Missbrauch TOP 8, ZP 6, 7 Gleichstellung von Lebenspartnerschaft und Ehe TOP 9 Kronzeugenregelung im Strafrecht TOP 10 Weltweite Bildungssituation TOP 11 Altersgeld für freiwillig ausscheidende Beamte TOP 12, ZP 8, 9 Hilfe für Opfer des Giftgasangriffs auf Halabja TOP 13 Strukturreform des Gebührenrechts des Bundes TOP 14 Privatisierung der öffentlichen Sicherheit TOP 15 Änderung der Geschäftsordnung - Verhaltensregeln TOP 16 Unterstützung queerer Jugendlicher TOP 17, ZP 10 Energieeinsparungsgesetz TOP 18 Elektronischer Rechtsverkehr mit Gerichten TOP 19 Deutschland im UN-Sicherheitsrat TOP 20 Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie TOP 21 Verkehrsinfrastruktur TOP 22 Verfahrensrechte Beschuldigter im Strafverfahren TOP 23 Verhütung von Folter TOP 24 Professorenbesoldung TOP 25 Mindestpersonalbemessung in der Krankenhauspflege TOP 26 Vorschriften über elektromagnetische Felder TOP 27 Kindernachzugsrecht Anlagen
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Hubertus Heil


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)


    Herr Kollege Kurth, ich fühle mich von dem, was Sie

    gesagt haben, angesprochen. Ich weiß, dass Sie jemand
    waren und sind, der mit seinen Überzeugungen für so-
    ziale Gerechtigkeit kämpft. Das kann man unterschied-
    lich machen; aber das Bemühen darum sollte man sich
    nicht absprechen lassen. Ich will auch der Linkspartei
    nicht absprechen, dass Idealismus dahintersteckt, Dinge
    zu verbessern. Die spannende Frage ist, ob das mit den
    geeigneten Instrumenten geschieht.

    Ich kann aber nicht akzeptieren, Herr Kollege Kurth,
    dass Sie mit Zitaten konfrontiert werden, die aus dem
    Zusammenhang gerissen sind, und die Fragestellerin, die
    nicht einmal stehen geblieben ist, damit Sie auf ihre Be-
    merkung antworten können, eines nicht weiß – das kann
    Sie vielleicht auch gar nicht wissen, weil ein gewisser
    Herr Lafontaine 1998 noch Mitglied einer anderen Partei
    war –: Es geht hier nicht nur um Idealismus, sondern ein
    Stück weit um Heuchelei.

    Ich habe es in der Rede eines gewissen Oskar
    Lafontaine auf dem Parteitag 1998 – damals war er Mit-
    glied meiner Partei – nach der Regierungsübernahme
    durch Rot-Grün nachgelesen. Damals hat dieser Mann
    nicht nur die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und
    Sozialhilfe gefordert, sondern ausweislich des Protokolls
    dafür plädiert, die Arbeitslosenversicherung, also das
    Arbeitslosgengeld I, auf Bedarfsorientierung und Steuer-
    finanzierung umzustellen.


    (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Hört! Hört!)


    Frau Kollegin Kipping, Sie haben sich da einen ins Nest
    geholt, der nicht Hartz IV wollte, sondern Hartz VIII.
    Davon will er heute nichts mehr wissen. Aber auch das
    gehört zur historischen Wahrheit.

    Herzlichen Dank.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der FDP)




Rede von Katrin Dagmar Göring-Eckardt
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kurth verzichtet auf eine Reaktion. – Deshalb

gebe ich jetzt dem Kollegen Paul Lehrieder für die CDU/
CSU-Fraktion das Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU)







(A) (C)



(D)(B)



  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Paul Lehrieder


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)


    Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen!

    Liebe Kollegen! Geburtstag und Jubiläum sind Anlass
    zum Feiern und zum Zurückschauen, aber auch Anlass,
    nach vorne zu schauen. Ich danke meinem Kollegen
    Kurth ausdrücklich, dass er gesagt hat: Rückblick – zehn
    Jahre SGB II, zehn Jahre Hartz IV, zehn Jahre Sozial-
    reform 2010 – ist das eine. Das andere ist: Wie geht es
    weiter? – Lieber Kollege Kurth, im Ausschuss arbeiten
    wir dauernd daran, zu korrigieren und nachzusteuern.


    (Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie verschlimmern leider alles nur!)


    – Das verschlimmert nichts. Nur wenn Sie sich ein-
    mischen, verschlimmert es sich.

    Ich muss aber einiges richtigstellen, Herr Kollege
    Heil. – Wenn der rot-rote Dialog beendet ist, kann ich
    fortfahren.