Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. März 2013 28583
(A) (C)
(D)(B)
Anlagen zum Stenografischen Bericht
Anlage 1
Liste der entschuldigten Abgeordneten
Abgeordnete(r)
entschuldigt bis
einschließlich
Bleser, Peter CDU/CSU 14.03.2013
Buchholz, Christine DIE LINKE 14.03.2013
Canel, Sylvia FDP 14.03.2013
Dr. Enkelmann, Dagmar DIE LINKE 14.03.2013
Fell, Hans-Josef BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
14.03.2013
Dr. Gerhardt, Wolfgang FDP 14.03.2013
Gohlke, Nicole DIE LINKE 14.03.2013
Groß, Michael SPD 14.03.2013
Dr. Happach-Kasan,
Christel
FDP 14.03.2013
Dr. Hein, Rosemarie DIE LINKE 14.03.2013
Herlitzius, Bettina BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
14.03.2013
Hintze, Peter CDU/CSU 14.03.2013
Hörster, Joachim CDU/CSU 14.03.2013
Hoff, Elke FDP 14.03.2013
Dr. Jochimsen, Lukrezia DIE LINKE 14.03.2013
Korte, Jan DIE LINKE 14.03.2013
Krumwiede, Agnes BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
14.03.2013
Kühn, Stephan BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
14.03.2013
Leidig, Sabine DIE LINKE 14.03.2013
Luksic, Oliver FDP 14.03.2013
Dr. Luther, Michael CDU/CSU 14.03.2013
Mast, Katja SPD 14.03.2013
Mayer (Altötting),
Stephan
CDU/CSU 14.03.2013
Möller, Kornelia DIE LINKE 14.03.2013
Montag, Jerzy BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
14.03.2013
Müller (Köln), Kerstin BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
14.03.2013
Dr. Ott, Hermann E. BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
14.03.2013
Paus, Lisa BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
14.03.2013
Dr. Pfeiffer, Joachim CDU/CSU 14.03.2013
Ploetz, Yvonne DIE LINKE 14.03.2013
Pronold, Florian SPD 14.03.2013
Reinhold, Hagen FDP 14.03.2013
Remmers, Ingrid DIE LINKE 14.03.2013
Dr. Riesenhuber, Heinz CDU/CSU 14.03.2013
Roth (Augsburg),
Claudia
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
14.03.2013
Sager, Krista BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
14.03.2013
Schäffler, Frank FDP 14.03.2013
Schieder (Weiden),
Werner
SPD 14.03.2013
Schlecht, Michael DIE LINKE 14.03.2013
Schmidt (Eisleben),
Silvia
SPD 14.03.2013
Dr. Schmidt, Frithjof BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
14.03.2013
Schreiner, Ottmar SPD 14.03.2013
Strothmann, Lena CDU/CSU 14.03.2013
Wagner (Schleswig),
Arfst
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
14.03.2013
Zimmermann, Sabine DIE LINKE 14.03.2013
Abgeordnete(r)
entschuldigt bis
einschließlich
Anlagen
28584 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. März 2013
(A) (C)
(D)(B)
Anlage 2
Erklärung nach § 31 GO
der Abgeordneten Jens Petermann, Raju Sharma,
Halina Wawzyniak und Jörn Wunderlich (alle
DIE LINKE) zur Abstimmung über den Ent-
wurf eines Gesetzes zur Stärkung der Rechte
von Opfern sexuellen Missbrauchs (StORMG)
(Tagesordnungspunkt 7 a)
Wir haben uns bei dem benannten Gesetzentwurf ent-
halten.
Sexualisierte Gewalt gegenüber Kindern und Schutz-
befohlenen ist ein sehr sensibles Thema. Dabei müssen
der Schutz der Opfer und die Wiedergutmachung im
Zentrum der Debatte stehen. Schutz der Opfer meint in
allererster Linie Prävention. Der beste Opferschutz ist
Prävention.
Aus der Sicht der Opfer von sexualisierter Gewalt
spricht viel dafür, die zivilrechtlichen Verjährungsvor-
schriften zu verlängern. Alle Abgeordneten sprechen sich
für die Verlängerung der zivilrechtlichen Verjährungsfris-
ten aus. Die existierende Frist von drei Jahren zur Gel-
tendmachung von Schadenersatz- und Schmerzensgeld-
ansprüchen ist deutlich zu kurz. Es ist richtig, dass Opfer
sexualisierter Gewalt im Kindesalter oft massiv traumati-
siert sind und erst als Erwachsene und nach Jahrzehnten
in der Lage sind, ihr Schweigen zu brechen. Dass
Schmerzensgeld- und Schadenersatzansprüche dann
nicht mehr geltend gemacht werden können, sehen
wir als erhebliches Problem an. Insoweit begrüßen wir
ausdrücklich, dass in den Drucksachen 17/3646 und
17/5774 die Verlängerung der zivilrechtlichen Verjäh-
rungsfrist auf 30 Jahre gefordert wird, sowie in der
Drucksache 17/5774 die Anhebung der Regelung zur
Hemmung der zivilrechtlichen Verjährung.
Aus rechtsstaatlicher Sicht problematisch ist die Ver-
längerung der strafrechtlichen Verjährungsfristen in
beiden Gesetzentwürfen. Die Einführung der strafrecht-
lichen Verjährungsregelung in Drucksache 17/3646
knüpft nicht mehr an die für die jeweilige Straftat vorge-
sehene Höchststrafe an, sondern schafft eine bislang
nicht bekannte Sonderregelung. Diese Regelung wie
auch die Verschiebung des Beginns des Laufens der
strafrechtlichen Verjährung auf das 25. Lebensjahr
– Drucksache 17/5774 – sind aber aus rechtspolitischer
Sicht im Hinblick auf den Gesichtspunkt der Rechts-
sicherheit aus unserer Sicht nicht sachgerecht. Damit
wird eine Strafverfolgung noch zu einem Zeitpunkt nach
der Tat gestattet, zu der eine strafrechtliche Sachver-
haltsaufklärung nach rechtsstaatlichen Maßstäben kaum
noch möglich sein dürfte. In vielen Fällen wird eine un-
zureichende Sachverhaltsaufklärung wegen des strafpro-
zessualen Grundsatzes „in dubio pro reo“ zum Frei-
spruch des mutmaßlichen Täters führen, was sich aus
Sicht der Opfer als eine nachträgliche „amtliche Legiti-
mierung der Tat“ darstellen und den Zweck des Verfah-
rens aus Opfersicht konterkarieren würde.
Anlage 3
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur
Strukturreform des Gebührenrechts des Bun-
des (Tagesordnungspunkt 13)
Helmut Brandt (CDU/CSU): Eine für Bürgerinnen
und Bürger, Wirtschaft und Verwaltung transparente und
nachvollziehbare Gebührenerhebung ist derzeit aufgrund
der stark zersplitterten und heterogenen Struktur des
Verwaltungsgebührenrechts des Bundes in weit mehr als
200 Gesetzen und Rechtsverordnungen kaum möglich.
Das ist lästig, teuer und bürokratisch. Ob es beispiels-
weise um Informationen geht, die Personen oder Unter-
nehmen benötigen, ob es um die Beantragung eines Per-
sonalausweises oder um eine TÜV-Plakette geht – wir
brauchen eine einheitliche Grundlage, aufgrund derer je-
der die Kosten, die durch behördliches Handeln auf ihn
zukommen, schnell, leicht und verlässlich nachvollzie-
hen kann.
Wie erreichen wir das?
Mit der Allgemeinen Gebührenverordnung des Bundes
sollen insbesondere einheitliche und anwenderfreund-
liche Vorgaben für die Kalkulation kostendeckender Ge-
bühren geschaffen werden. Dabei sollen die Gebühren
grundsätzlich auf Grundlage von allgemein ermittelten
Kostenpauschalen festgestellt werden, sodass die Behör-
den in der Regel allein anhand von Zeitermittlungen die
Gebühren für ihre Leistungen einfach und rechtssicher
berechnen können. Zudem wird durch die grundsätzliche
Bindung der Gebühr an eine nach betriebswirtschaft-
lichen Maßstäben berechenbare Kostengrenze der „Preis“
für die öffentliche Leistung für Bürger sowie Unterneh-
men verständlich und klar nachvollziehbar. Insgesamt
wird nicht nur erheblicher Verwaltungsaufwand abge-
baut, sondern Bürger, Unternehmen und Verwaltung
werden auch von unnötigen Rechtsverfolgungskosten
entlastet.
Tragender Grundsatz der Gebührenbemessung ist
künftig das Kostendeckungsprinzip. Das bedeutet, dass
die Kosten, die auf Bürger und Unternehmen für eine in
Anspruch genommene Verwaltungsleistung zukommen,
nicht höher sein dürfen als die Personal- und Sachkos-
ten, die auf Verwaltungsseite für diese Leistung entste-
hen. Bürger und Unternehmen sollen also künftig vor zu
hohen, die tatsächlichen Kosten übersteigenden Gebüh-
ren geschützt werden. Nach dem bisherigen Recht sind
für die Gebührenhöhe auch die Bedeutung, der wirt-
schaftliche Wert oder der Nutzen der öffentlichen Leis-
tung maßgeblich. Diese Kriterien sind unscharf und ha-
ben in der Vergangenheit teils zu weit über den
tatsächlichen Kosten liegenden Gebührenforderungen
geführt. Die Folge waren zahlreiche gerichtliche Aus-
einandersetzungen. Mit der Deckelung der Gebühren
durch eine klar nachweisbare Kostengrenze erreichen
wir ein dringend gebotenes Mehr an Rechtssicherheit.
Gebührenermäßigungen und sogar Gebührenbefreiun-
gen sind sowohl durch die Gebührenverordnungen als
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. März 2013 28585
(A) (C)
(D)(B)
auch durch die Behörde im Einzelfall möglich. Sie erlau-
ben Ausnahmen vom Kostendeckungsprinzip, um sozia-
len Belangen Rechnung zu tragen und fachspezifische
Regelungsziele angemessen bei der Gebührenbemes-
sung zu berücksichtigen. Damit ist im Sinne einer bür-
gerfreundlichen Verwaltung sichergestellt, dass einkom-
mensschwache Bürgerinnen und Bürger angemessen
entlastet werden.
Im Zeitalter des Computers und des Internets halten
wir außerdem eine Privilegierung digitaler Kopien für
notwendig. Mit Blick auf die Förderung einer elektroni-
schen Verwaltung, die notwendige Entbürokratisierung
und die Beschleunigung von Prozessen in der Verwal-
tung ist es uns ein Anliegen, digitale Kopien zu fördern.
Daher sollten diese günstiger sein als Papierkopien. Für
die Verwaltung bedeutet es gerade bei umfangreichen
Unterlagen weit weniger Aufwand, ein Dokument elek-
tronisch zu versenden als der Kopiervorgang und die
postalische Versendung. Um die Verwaltung zu entlas-
ten, aber auch aus Gründen der Bürgerfreundlichkeit und
der Umweltfreundlichkeit haben wir deshalb im Gesetz
verankert, dass digitale Kopien gebührenmäßig privile-
giert werden.
Mit den Besonderen Gebührenverordnungen der Bun-
desministerien wird das bislang in circa 200 Gesetzen
und Verordnungen geregelte, stark zersplitterte Gebühren-
recht des Bundes in einheitlich aufgebauten Gebühren-
verordnungen gebündelt. Durch die Zusammenführung
sämtlicher Gebührentatbestände im Zuständigkeitsbe-
reich der Bundesministerien jeweils in Gebührenverord-
nungen werden künftig Bürgerinnen und Bürger sowie
Unternehmen in die Lage versetzt, sich schnell und ein-
fach einen Überblick über für sie relevante Gebühren zu
verschaffen.
Die Bundesregierung wird bei der Konzipierung der
Allgemeinen und Besonderen Gebührenverordnungen
auf die ausgewogene Entwicklung der Gebühren achten.
Zentrales Ziel ist es, einen für Bürgerinnen und Bürger
sowie für Unternehmen bezahlbaren Zugang zu Verwal-
tungsleistungen des Bundes sicherzustellen. Obwohl be-
reits der Europäische Gerichtshof entschieden hat, dass
Gebühren angemessen sein müssen, wird nun im Gesetz-
entwurf noch einmal ausdrücklich festgehalten, dass die
Höhe der Gebühren kein Hindernis für die Inanspruch-
nahme einer Leistung sein darf.
Künftig sind die Gebühren für öffentliche Leistungen
der Länder grundsätzlich durch Landesrecht zu regeln.
Dies vermeidet aufwendige Abstimmungsprozesse zwi-
schen Bund und Ländern und vereinfacht die Rechtsan-
wendung. Damit entspricht der Bund den Forderungen
der Länder im Rahmen der Föderalismusreform, diesen
im Gebührenrecht eigenständige Entscheidungs- und
Gestaltungsspielräume zu verschaffen. Eine Ausnahme
gilt für Gesetze, in denen ein Bedürfnis nach bundesein-
heitlichen Gebührenregelungen für Leistungen von Län-
derbehörden besteht. Dies ist beispielsweise im Straßen-
verkehrsrecht der Fall, da in diesem Bereich eine von
Land zu Land unterschiedliche Gebühr zu einem Wett-
bewerb zulasten der Verkehrssicherheit führen könnte,
zum Beispiel bei Gebühren für die Hauptuntersuchung
an Kfz. In diesen Fällen bestimmt weiterhin der Bund
– in Abstimmung mit den Ländern – die Gebühren.
Viele Länder haben bereits einheitliche Gebührenge-
setze, sodass es auch aus diesem Grund sinnvoll ist, dass
der Bund nachzieht. Mit dem vorliegenden Gesetzent-
wurf tragen wir zu mehr Transparenz und Verlässlichkeit
im Rahmen der Gebührenberechnung und der Gebühren-
erhebung bei. Wir bringen sozusagen Licht ins Dunkel.
Das neue Bundesgebührengesetz, mit dem das mehr als
40 Jahre alte Verwaltungskostengesetz abgelöst wird,
modernisiert, bereinigt und vereinheitlicht das Verwal-
tungsgebührenrecht für die gesamte Bundesverwaltung.
Die Umsetzung der Reform erfolgt über einen Zeitraum
von höchstens fünf Jahren durch die Allgemeine Gebüh-
renverordnung der Bundesregierung und die Besonderen
Gebührenverordnungen der Bundesministerien.
Kirsten Lühmann (SPD): „Auch ein blindes Huhn
findet einmal ein Korn“, hat meine Großmutter immer
gesagt. Es ist ein seltener Glücksmoment, dessen Zeuge
wir heute hier werden. Der Innenminister legt einen Ge-
setzentwurf vor, der zum einen nicht in den Mühlen des
schwarz-gelben Koalitionsbetriebes zermahlen wurde
und zum anderen wirklich sinnvoll ist.
Die Strukturreform des Gebührenrechts – nun ja, sie
gehört nicht zu den drängendsten innenpolitischen Fra-
gen unserer Zeit, aber es handelt sich dabei dennoch um
eine sinnvolle Maßnahme. Schaut man sich an, wo das
Verwaltungsgebührenrecht geregelt ist, findet man über
200 Gesetze und Verordnungen des Bundes und der Län-
der, von der Abfallverbringungskostenverordnung über
die De-Mail-Kostenverordnung, die Projekt-Mechanis-
men-Kostenverordnung, die Kostenverordnung für die
Registrierung homöopathischer Arzneimittel bis zur
Elektro- und Elektronikgerätegesetz-Kostenverordnung
usw.
Das vorliegende Gesetz bündelt nun Regelungen aus
diesen zahlreichen Fachgesetzen, und das ist sinnvoll;
denn es ist nicht notwendig, dass jede Fachverordnung
einzeln regelt, wie zum Beispiel Gebühren für eine Aus-
kunft berechnet werden. Das Recht wird durch die Bün-
delung einfacher und unbürokratischer. Bei der Berech-
nung von Gebühren wird zukünftig stärker das Prinzip
der Kostendeckung zugrunde gelegt. Damit sollen die
Behörden in die Lage versetzt werden, kostendeckende
Gebühren festzulegen – in der Regel gemessen am Zeit-
aufwand. Das ist nicht nur notwendig für die Kostende-
ckung, sondern auch transparent für die Bürger und Bür-
gerinnen.
Ein weiteres Anliegen des Gesetzes ist die Entflech-
tung von Bund-Länder-Recht. Dieses Ziel entspricht den
Beschlüssen der Föderalismuskommission II. Die Fest-
setzung von Gebühren durch den Bund ist teilweise sehr
aufwendig: Erst muss in allen Ländern der Aufwand ab-
gefragt werden, dann wird ein Durchschnittswert ermit-
telt, der dann wiederum aber nicht für alle kostende-
ckend ist.
Es gibt zum Beispiel keinen Grund, warum die Ge-
bühr für das Ausstellen eines Parkausweises für Anwoh-
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(D)(B)
ner durch Bundesrecht geregelt werden muss. Besser ist
es, Gebührentatbestände, die sich auf Leistungen bezie-
hen, die durch Landesgesetze geregelt sind, auch durch
die Länder oder Kommunen festlegen zu lassen. Das
spart Abstimmungsaufwand, und dabei können regio-
nale Besonderheiten berücksichtigt werden.
Die Bundesregierung ist allerdings bei der Entflech-
tung etwas übers Ziel hinausgeschossen. Im Verkehr soll-
ten bundesweit einheitliche Regelungen bestehen blei-
ben. Der Luftverkehr zum Beispiel wird ausschließlich
durch Gesetzgebung des Bundes bzw. der EU geregelt.
Hier wäre es nicht sinnvoll, die Gebühren in jedem Bun-
desland einzeln zu regeln. Das wäre einerseits für die
Bürger und Bürgerinnen nicht nachvollziehbar, und ande-
rerseits wollen wir hier keinen Unterbietungswettbewerb.
Insofern ist es gut, dass die Einwände des Bundesrates be-
rücksichtigt wurden und die bundeseinheitlichen Gebüh-
renregelungen im Verkehrsbereich beibehalten werden.
Unter dem Strich sehen wir hier eindeutige Verbesserun-
gen und stimmen daher dem Gesetzentwurf zu.
Es wäre allerdings schön, wenn die Bilanz des Innen-
ministers außer der Strukturreform des Gebührenrechts
noch weitere Erfolge vorzuweisen hätte.
Wenn wir das auch sagen könnten bei der Reform der
Bundespolizei, dem NPD-Verbot, der Informationsfrei-
heit und der Armutsmigration! Leider ist das in allen die-
sen Fragen nicht der Fall. Die Bundespolizei verwaltet
den Mangel, ein Konzept für die Zukunft hat der Innen-
minister über seine gesamte Amtszeit hinweg nicht ent-
wickelt. Beim NPD-Verbot ist er einmal dafür, einmal
dagegen. Wofür er steht, ist niemandem klar. Bei der In-
formations- und Pressefreiheit gibt es keine Fortschritte.
Dabei liegen durch die Evaluierung des Informations-
freiheitsgesetzes und das aktuelle Urteil zum Presseaus-
kunftsgesetz klare Empfehlungen vor. Beim Thema Ar-
mutsmigration schlägt Friedrich schrille Töne an und
schürt Ressentiments, anstatt Lösungen auf den Tisch zu
legen.
Nun kann er sich immerhin die Gebührenstrukturre-
form ans Revers heften. Schön und gut. Aber ich muss
ehrlich sagen, von einem Bundesinnenminister erwarte
ich mehr als das! Im Hahnenkampf kann man übrigens
folgendes Phänomen beobachten: Wenn der Hahn sich
nicht entscheiden kann, ober er angreifen oder fliehen
soll, fängt er an zu picken – eine klassische Über-
sprungshandlung. Einmal hier und einmal da ein Korn
aufzupicken, mag einen kurzen Glücksmoment ver-
schaffen, es bringt aber unser Land nicht weiter. Es wäre
gut, wenn der Minister sich in den verbleibenden Mona-
ten dieser Wahlperiode einen Ruck geben und die drän-
genden innenpolitischen Entscheidungen endlich in An-
griff nehmen würde.
Manuel Höferlin (FDP): Die Erhebung von Verwal-
tungsgebühren ist derzeit für Bürgerinnen und Bürger
noch schwer durchschaubar und sehr unübersichtlich.
Mehr als 200 verschiedene Gesetze und Verordnungen
regeln für zahlreiche Einzelfälle, welche Gebühren in
welcher Höhe erhoben werden. In zahlreichen Fachge-
setzen mussten spezielle Regelungen zur Erhebung von
Verwaltungsgebühren erlassen werden. Das Ergebnis:
ein Wildwuchs unterschiedlicher Regelungen zu Gebüh-
renerhebungen in unterschiedlichen Bereichen. Und die-
ser Zustand ist nicht nur für die Bürgerinnen und Bürger
ein Problem, die sich einer vorgeblichen verwaltungs-
politischen Willkür ausgesetzt sehen; er stellt auch die
Verwaltung vor ein Problem. Die uneinheitlichen Rege-
lungen für die Erhebung von Verwaltungsgebühren
sorgen für Rechtsunsicherheit und schaffen den Verwal-
tungsgerichten unnötig viel Arbeit.
Die christlich-liberale Koalition hat es sich zum Ziel
gemacht, diesen Missstand zu beheben. Die Verwaltung
in Deutschland muss schlank, effizient und bürgernah
sein. Verwaltungsgebühren sollten – wenn sie schon er-
hoben werden müssen – transparent sein. Sie sollten auf
einer gemeinsamen Rechtsgrundlage erhoben werden.
Und sie dürfen nicht dazu dienen, Bürger von der Durch-
führung von Verwaltungsakten abzuschrecken.
Das ist uns mit dem vorliegenden Gesetzentwurf zur
Strukturreform des Verwaltungsgebührenrechts auch
gelungen. Lassen Sie mich kurz die wichtigsten Verbes-
serungen darstellen, die uns mit dem vorliegenden Ge-
setzentwurf gelungen sind.
Wir haben im Änderungsantrag der Koalition klar ge-
regelt, dass zukünftig Gebühren für Verwaltungsakte
nicht mehr so hoch sein dürfen, dass sie Bürgerinnen
und Bürger, aber auch Unternehmen davon abhalten,
die für die Gebühr erbrachte Verwaltungsleistung in
Anspruch zu nehmen. Diesen sogenannten Prohibitiv-
gebühren haben wir einen Riegel vorgeschoben. Eine
Verwaltung sollte eine Leistung anbieten und für diejeni-
gen, die sie in Anspruch nehmen wollen, auch tatsäch-
lich zugänglich machen. Das ist ihre Aufgabe.
Diesen Anspruch untermauern wir, indem wir das
Kostendeckungsprinzip stärken. Es gilt nun pauschal
für alle von Verwaltungen erhobenen Gebühren. Ver-
waltungsgebühren dürfen ab sofort nur noch in der Höhe
erhoben werden, in der sie tatsächlich individuell zu-
rechenbare Kosten verursachen. Das ist gerechte Gebüh-
renerhebung.
Ein weiterer Aspekt, den wir mit dem neuen Verwal-
tungsgebührenrecht auch stärken und fördern wollen, ist
die elektronische Verwaltung. E-Government ist der
Motor der Verwaltungsmodernisierung, und Deutsch-
land muss hier mit anderen modernen Demokratien
Schritt halten.
Wir konnten bereits erste Erfolge im Planungsverein-
heitlichungsgesetz erzielen und bringen hierzu auch das
E-Government-Gesetz auf den Weg, mit dem die elek-
tronische Verwaltung eine grundsätzliche Stärkung er-
fährt. Aber solche strukturellen Reformen dürfen am
Ende nicht an hohen Verwaltungsgebühren für elektroni-
sche Verwaltungsakte scheitern. Wir haben daher durch-
gesetzt, dass die einfache elektronische Kopie zukünftig
für alle Bürgerinnen und Bürger kostenfrei zur Verfü-
gung gestellt wird. Auch haben wir erreicht, dass die ein-
fache elektronische Auskunft bei einer Bundesbehörde
zukünftig kostenfrei ist. Behörden werden hierfür also
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. März 2013 28587
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den Bürgerinnen und Bürgern keine Gebühren in Rech-
nung stellen.
Das ist bürgernahe und moderne Verwaltung. Denn
eine elektronische Kopie lässt sich in der Regel schneller
erstellen als eine Papierkopie. Und sie lässt sich
auch leichter zustellen, zum Beispiel mit einer einfachen
E-Mail. Die besondere Privilegierung der elektronischen
Kopie ist in Sachen Bürokratieabbau, Beschleunigung
der Verwaltungsarbeit und Kosteneffizienz der Verwal-
tung ein Gewinn für die Bürgerinnen und Bürger.
Eine weitere Verbesserung, die mit dem vorliegenden
Entwurf erreicht wird, ist die Vereinheitlichung der
Grundsätze für Verwaltungsgebühren. Das Kosten-
deckungsprinzip habe ich in diesem Zusammenhang be-
reits angesprochen.
Daneben ist mit den zentralen Regelungen im Gesetz
zur Strukturreform des Verwaltungsgebührenrechts eine
bundesweit einheitliche Regelung für die Berechnung
und Erhebung von Gebühren bei Bundesbehörden ge-
funden worden. Das schafft nicht nur Klarheit für Bürge-
rinnen und Bürger. Es entschlackt auch zahlreiche Fach-
gesetze und entlastet so Bürokratie und Justiz. Denn es
ist jetzt eben nicht mehr unklar, nach welchem Prinzip
Gebühren berechnet werden müssen. Es ist jetzt eben
nicht mehr nötig, gegen Gebühren zu klagen. Und es ist
auch nicht mehr unklar, woher die Regelung für die Ge-
bühren überhaupt stammt.
Wie Sie sehen, konnten wir mit dem neuen Gesetz
zur Strukturreform des Verwaltungsgebührenrechts eine
Reihe von Verbesserungen für die Bürgerinnen und Bür-
ger in Deutschland durchsetzen und die Modernisierung
der Verwaltung in Deutschland vorantreiben. Mit dem
neuen Verwaltungsgebührenrecht haben wir einen weite-
ren Baustein für unsere moderne, bürgernahe Verwal-
tung geschaffen, die wir mit dem E-Government-Gesetz
und dem Planungsvereinheitlichungsgesetz weiter mo-
dernisieren wollen.
Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie diese Verbesse-
rungen ebenfalls anerkennen, und bitte um Ihre Unter-
stützung.
Steffen Bockhahn (DIE LINKE): Die Neuordnung
des Gebührenrechts des Bundes ist überfällig und im
Grundsatz auch zu begrüßen. Allein die beabsichtigte
Entschlackung von 99 Gesetzen und 110 Rechtsverord-
nungen kann nur als Erfolg gewertet werden. Die Ab-
sicht, klare Regelungen zu schaffen, die verhindern, dass
man eine Gebührenregelung auf der dritten Seite des
vierten Anhangs der fünften Ergänzung einer Verord-
nung übersieht und damit in eine Falle läuft, ist zu unter-
stützen. Mehr Übersichtlichkeit und Transparenz bei der
Frage der zu zahlenden Gebühren sind besser für die
Bürgerinnen und Bürger, für die Unternehmen und auch
für die zuständigen Verwaltungen, die sich dann ja auch
auf einer stabileren und verständlicheren Grundlage be-
wegen. Wenn es richtig gut läuft, lassen sich eine Reihe
von Streitigkeiten bis hin zu zähen Verwaltungsgerichts-
verfahren vermeiden, wenn man diese Neuordnung
wirklich gut macht. Natürlich ist das Gegenteil bei einer
schlechten Reform auch denkbar, wenngleich nicht wün-
schenswert.
Doch dieses Gesetz wäre keines dieser Bundesregie-
rung, wenn es nicht auch eine streng neoliberale Logik
selbst bei diesem Thema verfolgen würde. Natürlich
kann man es begrüßen, dass der Bund und die Länder Ei-
genständigkeit bei der Gestaltung der Gebühren bekom-
men und damit der Föderalismus gelebt wird. Auf der
anderen Seite – und da kommen wir zum Neoliberalis-
mus – ist die Ausgestaltung wieder so gewählt, dass es
nicht den Föderalismus, sondern nur den Wettbewerb
unter den Ländern stärkt.
Wieder wird es so sein, dass die Länder, die eine bes-
sere Finanzausstattung haben, sich gegenüber denen mit
klammen Kassen einen Vorteil verschaffen können. Wer
es sich leisten kann, wird auf Gebühren verzichten, um
beispielsweise Unternehmensansiedlungen zu befördern
oder Bauanträge für besondere Vorhaben, die finanz-
starke Einwohnerinnen und Einwohner anlocken, attrak-
tiver zu machen.
Und die Länder, die sich den Verzicht auf Einnahmen
aus Gebühren leisten können, werden es dabei nicht be-
lassen. Von den finanzschwachen Ländern werden sie
verlangen, dass Gebühren in voller zulässiger Höhe er-
hoben werden. So müsse man sich dann um eigene Ein-
nahmen bemühen, und das wäre dann ja auch nur ge-
recht. Doch das ist es genau nicht. Den Vorteil aus der
eigenen Stärke noch zum zusätzlichen Nachteil der
Schwächeren zu machen, ist ungerecht und unsolida-
risch. Das Bestehen solcher Absichten muss konkret ver-
mutet werden, schaut man sich die Äußerungen des hes-
sischen Staatsministers Boddenberg im Bundesrat zum
Thema an.
Diese Verfahrensweise ist denen, die kommunalpoli-
tisch aktiv sind, bestens vertraut. Eine finanzstarke
kleine Gemeinde im Umland einer größeren Stadt wirbt
gewöhnlich mit niedrigen Steuern und Abgaben. Sie bie-
tet einen niedrigeren Gewerbesteuerhebesatz, eine gerin-
gere Grundsteuer B als die Großstadt an und zieht so In-
vestoren und Besserverdienende aus der Stadt ab. Die
meist in Haushaltsnotlage befindliche Großstadt kann
aber diesen Wettlauf nach unten nicht mitmachen, weil
sie durch die jeweilige Rechtsaufsichtsbehörde gezwun-
gen wird, ihre Einnahmen um das maximal Mögliche zu
erhöhen. Dabei geht es dann immer wieder um die bei-
den genannten Steuerquellen und natürlich immer wie-
der auch um Verwaltungsgebühren. Die Großstadt hat
also einen erheblichen Nachteil, den sie de facto nie aus-
gleichen kann. Wettbewerb unter Gleichen geht anders.
Dieses Prinzip ist in den Kommunen schon so oft ge-
scheitert, dass man sich fragen muss, warum die Bundes-
regierung es nicht erkennt oder erkennen will, dass der
Weg der falsche ist. Zudem entfernen wir uns so noch
weiter vom Anspruch gleichwertiger Lebensverhältnisse
in allen Teilen der Republik. Schließlich werden die rei-
chen Länder in der Lage sein, ihren Vorteil gegenüber
den schwächeren weiter auszunutzen und deren Ent-
wicklung so zu bremsen.
28588 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. März 2013
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Ein weiterer Aspekt ist die gewollte volle Ausnutzung
des Kostendeckungsprinzips. Auch hier ist es möglich,
etwas Gutes zu tun oder alles noch schlimmer zu ma-
chen. Auf den ersten Blick erscheint es sinnvoll, dass
eine Leistung des Staates auch finanziert werden soll.
Und wer eine besondere Leistung der Verwaltung in An-
spruch nimmt, muss diese auch bezahlen. Klingt erst ein-
mal vernünftig, doch Vorsicht! Auch hier kann es wieder
passieren, dass es zu einer schlimmen Sache für die klei-
nen Leute wird; denn wenn der Bund und die Länder
sich darauf einigen, eine Vollkostendeckung bei Gebüh-
ren einzuführen, ist es nur eine Frage der Zeit, bis das
auch von den Kommunen für alle Bereiche verlangt wer-
den wird. Das kann dann teuer werden. Schließlich
müssten im schlimmsten Fall für Bauanträge, Personal-
ausweise oder Reisepässe oder auch für Eheschließun-
gen oder Eintragungen nach Geburten volle kosten-
deckende Gebühren gezahlt werden. Im Ergebnis
müssten nach jeder – zweifelsfrei begrüßenswerten – Ta-
rifsteigerung im öffentlichen Dienst auch die Gebühren
erhöht werden. Die Kosten sind dann gestiegen, also
muss auch die Gebühr steigen. Strompreiserhöhungen
oder andere Kostensteigerungen können das gleiche Er-
gebnis hervorbringen.
Hier gilt es, wirklich wachsam zu sein und eine solche
Entwicklung zu verhindern. Wenn die Bundesregierung
auf solche Dinge Rücksicht nimmt, kann es eine gelun-
gene Sache werden. Die Hinweise dafür sind aber bis
jetzt ausgeblieben. Wir empfehlen eine Anhörung zum
Thema. Schlechter werden kann der Gesetzentwurf da-
durch nicht.
Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN): Der vorliegende Entwurf der Bundesregierung
sieht eine umfangreiche Reform des Gebührenrechts des
Bundes vor. Es handelt sich hierbei um eine überfällige
Fleißarbeit des Bundesinnenministeriums.
Seit 2008 hat der Rechnungshof kontinuierlich
entsprechende Regelungen angemahnt und schließlich
sogar auf einen konkreten Fahrplan bis zur 17. Wahl-
periode gedrängt. Die zentralen Vorschläge des Rech-
nungshofes wurden jetzt übernommen. Das begrüßen
wir.
Inhaltlich geht es um die Bemessung von Gebühren
nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen und eine
grundsätzliche Ausrichtung am Kostendeckungsprinzip.
Dafür wird ein Bundesgebührengesetz geschaffen, das
das bestehende Verwaltungskostengesetz und das darin
festgelegte Äquivalenzprinzip ablöst.
Eine möglichst einfache und rechtssichere Gebühren-
ermittlung soll grundsätzlich durch die Verwendung von
Kostenpauschalen gewährleistet werden. Die Möglich-
keit zu Gebührenermäßigungen und -befreiungen zielt
auf die Vermeidung von Unbilligkeiten. Erreicht werden
die Konzentration der allgemeinen Regelungen in einem
neuen Bundesgebührengesetz und die Bündelung der
bisher in rund 200 Fachgesetzen und -verordnungen ent-
haltenen Gebührenregelungen in Gebührenverordnun-
gen der Bundesministerien. Eine Übergangsfrist von
fünf Jahren ist vorgesehen. Durch die Zusammenfüh-
rung sämtlicher Gebührentatbestände im Zuständig-
keitsbereich der jeweiligen Bundesministerien in ein-
heitlich aufgebauten Gebührenverordnungen sollen das
Recht vereinfacht und mehr Transparenz für Bürgerin-
nen und Bürger sowie die Wirtschaft geschaffen wer-
den. Die Verwaltung soll durch den besseren Zugang zu
den Gebührenvorschriften entlastet werden, wenn sich
der Bearbeitungsaufwand für den Erlass der Gebühren-
bescheide verringert.
Schließlich sollen gebührenrechtliche Regelungen für
öffentliche Leistungen der Behörden in den Ländern
grundsätzlich den Ländern überlassen werden. Dies ent-
spricht der Verantwortung der Länder für die Gebühren-
erhebung von Behörden in den Ländern und Gemeinden.
Die Entkopplung der Gebührenkompetenz zwischen
Bund und Ländern soll die Rechtsetzung vereinfachen
und beschleunigen.
Der Bundesrat hatte umfangreiche Änderungen ange-
mahnt, denen die Bundesregierung unserem Eindruck
nach weitgehend entgegengekommen ist. Dabei wurde
allerdings deutlich, dass es in einzelnen Bereichen
durchaus sachgerechter erscheint, durch Bundesregelun-
gen sicherzustellen, dass es gerade nicht zu einer Ent-
flechtung der Gebührenverantwortung oder gar zu einem
Gebührenwettbewerb kommt.
Im Verkehrsbereich hat man sich dementsprechend
geeinigt. Ich meine, damit wird deutlich, dass bei allem
Harmonisierungs- und Entflechtungswillen stets gefragt
werden muss, ob die zentralen Grundsätze dieses Rege-
lungsansatzes für den jeweiligen Bereich am Ende
durchtragen. Wir sollten deshalb in den kommenden Jah-
ren, auch mithilfe des Bundesrechnungshofes, sorgfältig
die Konsequenzen dieses Gesetzes beobachten.
Das gilt sowohl hinsichtlich der Transparenz als auch
hinsichtlich möglicher ungerechtfertigter Belastungen
Einzelner. In puncto Transparenz bleibt doch nicht von
der Hand zu weisen, dass mit einer Rückverlagerung der
Gebührenhoheit an die Länder zwar in gewissem
Umfange wegen der Regelungen des Bundesgebühren-
gesetzes einerseits mehr Struktur in die Berechnungen
etwa der Gebührensätze kommt. Zugleich aber kommt
es doch automatisch zu 16 verschiedenen Ländertarifen,
die auch erst einmal ermittelt werden müssen. Das ist
ambivalent, und die Wirkungen sind abzuwarten. In
Sachen möglicher Mehrbelastungen der Bürger wird zu
beobachten sein, ob es tatsächlich durch das Kosten-
deckungsprinzip und betriebswirtschaftliche Berech-
nungsmodi zu einer disziplinierenden Bindungswirkung
in der Festsetzungspraxis kommt oder ob in bestimmten
Fällen der über 200 Gesetzeswerke auch Fehlentwick-
lungen zu erwarten sind, so zum Beispiel der Wegfall
bislang eingeübter sozialer Aspekte bei der Gebühren-
festsetzung.
Gerade weil es offenbleiben muss, ob die den Län-
dern verschafften eigenständigen Entscheidungs- und
Gestaltungsspielräume in allen 200 Gesetzen und Ver-
ordnungen sachgerechte Ergebnisse nach sich ziehen
werden, werden wir uns bei diesem komplexen Geset-
zeswerk der Stimme enthalten.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. März 2013 28589
(A) (C)
(D)(B)
Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
minister des Innern: Mit dem heute zur Beratung vorlie-
genden Gesetzentwurf soll eine grundlegende Moderni-
sierung des gesamten Verwaltungsgebührenrechts des
Bundes erreicht werden.
In den mehr als 40 Jahren seit dem Inkrafttreten des
Verwaltungskostengesetzes hat sich ein großer Ände-
rungsbedarf aufgestaut. Derzeit sind die einzelnen
Gebühren in rund 200 Gesetzen und Verordnungen über
das gesamte Bundesrecht verstreut. Dies erschwert das
Auffinden und die Anwendung der Regelungen erheb-
lich. Die Gebührenerhebung ist deshalb für Bürgerinnen
und Bürger sowie für Unternehmen oft nur schwer nach-
vollziehbar.
Darüber hinaus bestehen erhebliche rechtliche Unsi-
cherheiten bei der Kalkulation der Gebühren. Dadurch
kam es in der Vergangenheit zu zahlreichen gerichtli-
chen Auseinandersetzungen. Folge waren beispielsweise
bei der Bundesnetzagentur Rückerstattungsansprüche in
Millionenhöhe.
Vor diesem Hintergrund wird mit dem Gesetzentwurf
mehr Transparenz, Rechtssicherheit und Bürgerfreund-
lichkeit im Gebührenrecht des Bundes herbeigeführt.
Bürokratie wird abgebaut. Dabei haben wir nicht nur die
Kosten der Verwaltung im Blick. Wichtig ist es auch, die
Angemessenheit der Gebühren sicherzustellen.
Die Reform orientiert sich an den in den Gebührenge-
setzen der Länder bewährten Strukturen. Zugleich kön-
nen die Länder künftig für die Leistungen ihrer Behör-
den die Gebühren selbst bestimmen. Damit setzt der
Bund die Forderungen der Länder im Rahmen der Föde-
ralismusreform auch im Gebührenrecht um.
Das Herzstück der Reform ist das neue Bundesgebüh-
rengesetz. Nach diesem Gesetz soll die Gebühr grund-
sätzlich nach dem Kostendeckungsprinzip bestimmt
werden. Berechnet wird die kostendeckende Gebühr
nach betriebswirtschaftlichen Maßstäben. Diese klaren
und verbindlichen Vorgaben stellen in Zukunft die Ge-
bührenkalkulation auf ein solides Fundament. Zudem
wird die Gebührenberechnung verständlich und klar
nachvollziehbar.
Zusätzlich vereinfachen betriebswirtschaftlich be-
rechnete Kostenpauschalen die Gebührenberechnung.
Dies verbessert die Effizienz und Effektivität der Ver-
waltung.
Durch die Reform sollen die Leistungen der Bundes-
behörden nicht teurer werden. Eine Gebührenerhöhung
ist nicht bezweckt. Im Gegenteil: Künftig sollen den
Bürgern und der Wirtschaft keine kostenüberdeckenden
Gebühren mehr auferlegt werden.
Zudem sind durch Gebührenermäßigungen und sogar
Gebührenbefreiungen weitreichende Ausnahmen vom
Kostendeckungsprinzip möglich. Dies erlaubt es, bei-
spielsweise sozialen Belangen durch eine angemessene
Entlastung einkommensschwacher Bürger Rechnung zu
tragen. Die klaren gesetzlichen Vorgaben sorgen für die
notwendige Rechtssicherheit sowie eine transparente
und gleichmäßige Rechtsanwendung.
Zusätzlich wird in das Gesetz ein ausdrückliches
Verbot von Gebühren aufgenommen, die eine wirtschaft-
liche Barriere für die Inanspruchnahme von Verwal-
tungsleistungen bilden. Dies ist eine wesentliche
Weichenstellung im Sinne einer bürgerfreundlichen Ver-
waltung.
Ein weiterer wesentlicher Schwerpunkt der Reform
ist die grundlegende Bereinigung und Vereinfachung des
Verwaltungsgebührenrechts des Bundes. Zu diesem
Zweck werden künftig die bislang zersplittert und unein-
heitlich geregelten Gebühren in den nur wenigen Gebüh-
renverordnungen der Bundesministerien übersichtlich
nach Sachgebieten geordnet zusammengefasst. Damit
kann sich jedermann schnell, einfach und zuverlässig ei-
nen Überblick über die Gebühren des Bundes verschaf-
fen.
Die Umsetzung der Reform erfolgt durch eine Allge-
meine und mehrere Besondere Gebührenverordnungen
über einen Zeitraum von fünf Jahren. Die Bundesregie-
rung wird bei der Konzipierung dieser Verordnungen auf
die ausgewogene Entwicklung der Gebühren achten.
Zentrales Ziel ist es, für jedermann einen bezahlbaren
Zugang zu Verwaltungsleistungen des Bundes sicherzu-
stellen.
Die Zeit drängt. Die Reform ist längst überfällig.
Wenn wir jetzt nichts tun, bleibt es bei der zersplitterten
Struktur des Gebührenrechts des Bundes und den rechtli-
chen Unsicherheiten bei der Gebührenkalkulation. Dies
sollten wir den Bürgerinnen und Bürgern sowie der
Wirtschaft in unserem Land nicht mehr länger zumuten.
Ich bitte Sie, das Vorhaben zu unterstützen.
Anlage 4
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des Antrags: Privatisierung der
öffentlichen Sicherheit rückgängig machen (Ta-
gesordnungspunkt 14)
Armin Schuster (Weil am Rhein) (CDU/CSU): Die
öffentliche Sicherheit und Ordnung ist Sache des Staa-
tes, und das bleibt auch so. Es gilt das Gewaltmonopol
des Staates, und das stellt in der Bundesrepublik auch
niemand ernsthaft infrage.
Nun suggerieren Sie bereits in der Überschrift Ihres
Antrags, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der
Linken, dass der Staat das Gewaltmonopol schon aus der
Hand gegeben hat. Um dann wiederum nachzuschieben,
dies sei zumindest das subjektive Empfinden der Bürge-
rinnen und Bürger. Wie denn jetzt? Sie sind dann doch
so seriös, diese abstruse Behauptung nicht selbst aufstel-
len zu wollen, und deshalb müssen jetzt die armen Bür-
ger herhalten? Die werden sich für diese unfreiwillige
Einvernahme sicher bedanken.
Wir sind meilenweit davon entfernt, Sicherheit nur
dem zu ermöglichen, der sich das auch privat leisten
kann. Wir wollen keine Bürgerwehren oder privat gesi-
cherte Wohnviertel für Wohlhabende. Wir haben auch
28590 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. März 2013
(A) (C)
(D)(B)
keine Polizei light, die Grundrechte nicht respektiert und
das Gewaltmonopol mutwillig oder unwissentlich durch-
bricht. Solche Szenarien gibt es leider auf dieser Welt;
sie haben aber mit der Realität in diesem Land rein gar
nichts zu tun. Und genauso wenig geben wir hoheitliche
polizeiliche Aufgaben auf.
Richtig ist: Zum Beispiel im Bereich der Luftsicher-
heit oder der Bahn greifen Unternehmen und der Staat
auf private bzw. beliehene Sicherheitskräfte zurück. Da-
für gibt es gute Gründe. Die Deutsche Bahn schützt ihre
Objekte mit Unterstützung privater Sicherheitsdienste
und setzt ihr privates Hausrecht durch; hier werden keine
hoheitlichen Aufgaben wahrgenommen. Die hoheitlichen
Aufgaben im Bereich der Bahnanlagen nimmt die Bun-
despolizei gemäß § 3 des Bundespolizeigesetzes wahr,
zum Beispiel im Bereich der betriebsbedingten Gefah-
ren. Dazu gehört aber eben aus gutem Grund nicht die
Durchsetzung von Eigentümerrechten; das bleibt allei-
nige Aufgabe der DB AG.
Anderer Fall: Auf Flughäfen werden durch die Bun-
despolizei private Sicherheitsfachkräfte eingesetzt, und
zwar, um Gepäck und Personen einer Luftsicherheits-
bzw. Fluggastkontrolle zu unterziehen. In Ihrem Antrag
verschweigen Sie allerdings – oder Sie wissen es nicht
besser –, dass die eingesetzten Sicherheitskräfte Belie-
hene der Bundespolizei sind und dass an diesen Kont-
rollstellen für Eingriffsmaßnahmen Bundespolizisten
vor Ort jederzeit zur Verfügung stehen. Dabei üben die
anwesenden Bundespolizisten auch die Fachaufsicht
aus. Verfassungsrechtlich wird die Möglichkeit, Aufga-
ben zur Gewährleistung der Luftsicherheit in privat-
rechtlicher Organisationsform wahrnehmen zu lassen,
durch Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG eingeräumt. Problema-
tisch wäre der Einsatz privater Sicherheitskräfte erst
dort, wo der potenzielle Eingriff in die Grundrechte der
Bürger hoch wäre. An Flughäfen ist das nicht der Fall,
da die Personenkontrolle Teil des Vertrags ist, den der
Fluggast abgeschlossen hat. Sie erfolgt nicht unter
Zwang oder Gewaltanwendung, sondern mit Einwilli-
gung des Reisenden. Weigert sich der Fluggast, sich
kontrollieren zu lassen, so kann er das Flugzeug nicht
besteigen.
In Zeiten knapper Ressourcen ist es auch bei der Polizei
ökonomisch durchaus sinnvoll, einfache Unterstützungs-
leistungen ohne Eingriffscharakter in einem Beleihungs-
verhältnis durch private Unternehmen wahrnehmen zu
lassen.
Gleichwohl: Wo Unterstützungsaufgaben auf Private
übertragen werden, müssen staatlicherseits eindeutig de-
finierte Qualitätsstandards vorausgesetzt werden. Des-
halb unterstütze ich das Vorhaben, private Sicherheits-
dienste künftig zu zertifizieren und regelmäßig zu
auditieren. Führungs- und Personalqualität, Ausbildung
und regelmäßige Fortbildungen, Arbeitsbedingungen
und Prozessstandards gehören für mich zum Anforde-
rungsprofil an diese Unternehmen. Ich begrüße es daher
sehr, dass die Innenministerkonferenz an einer solchen
Zertifizierung arbeitet.
Die Bandbreite der Aufgaben hat sich bei der Bundes-
polizei in den letzten Jahren erheblich erweitert. Neben
neuen Anforderungen an die Sicherheitsarchitektur gibt
es dafür aber auch einen Grund, der hier zur Sprache
kommen muss: Rationalisierungen und Stellenkürzun-
gen bei den Polizeien einzelner Länder. Eine Folge da-
von sind auch verstärkte Unterstützungsanforderungen
an die Bundespolizei durch Länder, die ihre Aufgaben
nicht mehr alleine bewältigen können. Da haben Sie
doch immer gerne mitgemacht, die Damen und Herren
der Linken, als es darum ging, die Landespolizei in
Brandenburg zur Ader zu lassen: Über 20 Prozent der
Stellen wurden mit Ihrer Hilfe bei der Brandenburger
Polizei gestrichen. In Brandenburg, wo Sie regieren, ver-
schwindet die Polizei aus der Fläche. Dort entsteht der
Nährboden für eine private Sicherheitskultur, weil unzu-
friedene Bürger sich nicht mehr sicher fühlen. Dort muss
die Bundespolizei unterstützen und daher sorgfältig
abwägen, wo sie im eigenen Bereich Polizeibeamte
einsetzt oder bei einfachen Sicherheitstätigkeiten auf
Unternehmen zurückgreift. Und jetzt wundern Sie sich
hier wortreich darüber, dass der von Ihnen mitgetragene
Rückzug staatlicher Sicherheitsbehörden dazu führt,
dass Aufgaben an Private übertragen werden.
Meine Damen und Herren von den Linken, Ihr Antrag
ist eine Mischung aus Unkenntnis und populistischer
Propaganda. Im Bereich der inneren Sicherheit geht das
gar nicht.
Ingo Wellenreuther (CDU/CSU): Die Fraktion Die
Linke beantragt: „Privatisierung der öffentlichen Sicher-
heit rückgängig machen“. Schon allein wegen dieses
Titels ist der Antrag abzulehnen; denn er ist falsch, weil
er suggeriert, die öffentliche Sicherheit in Deutschland
sei komplett in private Hände gelegt worden. Das wider-
spricht zum einen der Realität und wäre zum anderen
verfassungsrechtlich auch unzulässig.
Deshalb sage ich für CDU und CSU unmissverständ-
lich vorneweg: Das staatliche Gewaltmonopol gilt unan-
gefochten und steht nicht zur Disposition. Unsere Hal-
tung ist eindeutig, und dazu bedarf es nicht Ihres
Antrags. Um es klar zu sagen: Es ist ureigene Aufgabe
des Staates, die innere Sicherheit für unsere Bürger zu
gewährleisten. Ein Rückzug des Staates aus diesem
Kernbereich hoheitlichen Handelns kommt nicht in Be-
tracht.
Daher dürfen auch zukünftig private Sicherheits-
dienste nur dort ergänzend tätig werden, wo es sinnvoll
und rechtlich zulässig ist, aber niemals die staatliche
Ordnungsmacht ersetzen. Um die Qualität im sensiblen
Sicherheitsbereich zu wahren, ist es deshalb auch richtig,
dass derzeit auf Beschluss der Innenministerkonferenz
eine länderoffene Arbeitsgruppe prüft, wie Unternehmen
im privaten Sicherheitsgewerbe zertifiziert werden kön-
nen. Im Mai sind Ergebnisse der Arbeitsgruppe zu er-
warten.
Neben der Überschrift geht in Ihrem Antrag aber auch
sonst einiges durcheinander, und ich möchte einmal ei-
nige Stellen entflechten bzw. richtigstellen.
Das Grundproblem Ihres Antrags ist, dass Sie alles,
was unter dem Stichwort der Privatisierung – zu Recht
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. März 2013 28591
(A) (C)
(D)(B)
und zu Unrecht – diskutiert wird, über einen Kamm
scheren und einer vollkommen undifferenzierten Kritik
unterziehen.
Sie sprechen beispielsweise Fälle an, in denen private
Sicherheitsdienste Einrichtungen der Bundeswehr über-
wachen oder Personen- und Gepäckkontrollen auf Flug-
häfen durchführen dürfen. Dies kritisieren Sie pauschal
mit dem Hinweis, dass private Sicherheitsdienste nicht
dem Gemeinwohl verpflichtet seien. Damit liegen Sie
falsch, denn Sie verkennen, dass die Privaten in den ge-
nannten Fällen rechtlich als sogenannte Beliehene tätig
werden. Das heißt: Der Beliehene ist eine durch Gesetz
geschaffene Privatperson, die vom Staat ermächtigt
wird, im eigenen Namen öffentlich-rechtliche Aufgaben
wahrzunehmen. Deshalb ist die Thematisierung dieser
Bereiche unter dem Begriff der Privatisierung fehl am
Platz. Den Status des Beliehenen kennzeichnet, dass er
einer von einem Beamten wahrgenommenen Fach- und
Rechtsaufsicht untersteht und Teil der Verwaltungsorga-
nisation ist. In dieser Eigenschaft hat er die Grundrechte
zu beachten, und er unterliegt auch einer Gemeinwohl-
bindung.
Ich bin mir nicht sicher, ob Sie es nicht besser wissen
oder ob Ihr Antrag einfach nur eine Methode ist, um mit
solchen Ungenauigkeiten Unsicherheit bei den Men-
schen zu streuen oder sie in die Irre zu führen.
Ein weiteres Beispiel: Private Sicherheitsdienste neh-
men oftmals lediglich „einfache“ Bewachungsaufgaben
wahr, zum Beispiel im Bereich der auch in Ihrem Antrag
erwähnten Bahnhöfe. Dabei handelt es sich rechtlich zu-
meist um sogenannte Verwaltungshelfer, die unterstüt-
zend einzelne Teilleistungen erbringen. Im Falle des
Bahnhofs unterstützen die privaten Wachdienste die
Bundespolizei. Die Privaten verfügen hier aber nicht
über eine eigene Entscheidungsbefugnis; diese verbleibt
bei der Verwaltungsbehörde, im Falle des Beispiels
Bahnhof also bei der Bundespolizei bzw. bei der Bahn.
Diese Verwaltungshelfer üben daher selbst keine Staats-
gewalt aus. Insofern greift hier weder die verfassungs-
rechtliche Privatisierungsschranke des Art. 33 Abs. 4 des
Grundgesetzes, noch findet hier die von Ihnen kritisierte
Aushöhlung des staatlichen Gewaltmonopols überhaupt
statt.
Stichwort Gewaltmonopol: Sie irren in Ihrem Antrag
über die Bedeutung dieses Begriffs. Das Gewaltmonopol
ist die durch den Staat wahrgenommene ausschließliche
Befugnis, auf seinem Staatsgebiet physische Gewalt ein-
zusetzen oder ihren Einsatz zuzulassen. Das Gewalt-
monopol darf aber weder als Sicherheitsmonopol noch
als Gewaltausübungsmonopol missgedeutet werden.
Seine Bedeutung ist vielmehr, dass dem Gesetzgeber das
Gewaltmonopol zusteht und es bei der Ausgestaltung
rechtsstaatlicher Standards nicht geschmälert werden
darf. So ist sogar eine Gewaltübertragung und Gewalter-
mächtigung dann gestattet, wenn sie eine vom Staat
abgeleitete Befugnis bleibt und dadurch die Funktions-
fähigkeit des Staates nicht beeinträchtigt, sondern opti-
miert wird. Diese Grenzen müssen auch zukünftig strikt
eingehalten werden.
Richtiggestellt werden müssen auch die Hinweise in
Ihrem Antrag zum Mindestlohn im Wach- und Sicher-
heitsgewerbe. Ihr Antrag, datiert vom 24. Oktober 2012,
spricht von einer tarifvertraglichen Vergütung im Jahr
2011 von durchschnittlich 7,03 Euro brutto je Stunde.
Sie erwähnen nicht, dass die Bundesregierung aus CDU/
CSU und FDP im Jahr 2011 den Tarifvertrag für das
Wach- und Sicherheitsgewerbe für allgemeinverbind-
lich erklärt hat und dass danach bereits zum 1. März
2012 regional gestaffelt Mindestlöhne von 7 Euro bis zu
8,75 Euro bestanden, die seit dem 1. Januar 2013 noch-
mals auf mindestens 7,50 Euro und bis zu 8,90 Euro in
Baden-Württemberg gestiegen sind. Es ist einfach
unredlich, dass Sie diese Fakten in Ihrem Antrag unter-
schlagen.
Zusammenfassend: Ihr Antrag ist getragen von Popu-
lismus, gespickt mit Fehlern, Reizworten und Ungenau-
igkeiten und verfasst im Geiste Ihrer Ideologie, wonach
die Staatsquote in allen Bereichen unserer Gesellschaft
wachsen soll.
Deshalb lehnen wir Ihren Antrag ab.
Wolfgang Gunkel (SPD): Es ist ein sehr wichtiges
und sensibles Thema, das wir heute diskutieren. Immer
mehr hoheitliche Aufgaben werden von privaten Sicher-
heitsunternehmen übernommen. Mitunter kann die
Übertragung solcher Aufgaben sinnvoll sein. Der Werk-
schutz für Betriebe ist zum Bespiel eine solche Sache.
Oder wenn anlässlich der vielen Piraterievorfälle im
Golf von Aden und vor der Küste Ostafrikas die Reeder
zum Schutz ihrer Schiffe Wachleute engagieren, halte
ich das für eine vernünftige Lösung; denn ein flächen-
deckender Schutz von deutschflaggigen Handelsschiffen
durch Einsatz der Polizei angesichts der hohen Zahlen
von Schiffspassagen ist weder personell und logistisch
noch finanziell möglich.
Was ich nicht unterstützen kann, ist die auch in dem
Antrag erwähnte steigende Privatisierung in einigen
Ländern, zum Beispiel beim Strafvollzug. Einer der
größten Fehler der ohnehin missglückten Föderalismus-
reform war die Kompetenzverlagerung für den Strafvoll-
zug vom Bund auf die Länder. Dass hier dann Politik
nach Kassenlage betrieben wird, war abzusehen, dass
dies kein positiver Effekt ist, auch. Es gibt einen Kernbe-
reich hoheitlicher Gewalt, der beim Staat bleiben muss.
In meinen Augen gehört der Strafvollzug dazu.
Ein ebenso unsägliches Beispiel sind die sogenannten
Bürgerwehren. Ich kenne solche Zusammenkünfte selbst-
ernannter Beschützer, die auch einmal Polizei spielen
wollen, aus meiner Arbeit als Polizeibeamter, aber auch
aus meinem Wahlkreis in einer Grenzregion. Das sind
Entwicklungen, die dem Rechtsstaat in keiner Weise gut-
tun. Derartiges ist nicht im Geringsten unterstützens-
wert.
Wenn nun private Dienstleister Sicherungsaufgaben,
wie zum Beispiel beim Werkschutz, übernehmen, müs-
sen höhere Standards als bisher für die Aus- und Weiter-
bildung für das Personal gelten. Schwarze Schafe gibt es
28592 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. März 2013
(A) (C)
(D)(B)
schließlich genug, wie ich Ihnen an zwei Beispielen
deutlich machen möchte.
Schon in meiner aktiven Zeit im Polizeidienst in Ber-
lin haben wir ausgesprochen schlechte Erfahrungen mit
dem Wachschutzpersonal im Europacenter gemacht. Die
Mitarbeiter des dort tätigen Sicherheitsdienstes hatten
massiv ihre Kompetenzen überschritten und Menschen
nicht nur festgehalten, wie es auch das „Jedermanns-
recht“ in der Strafprozessordnung erlaubt, sondern auch
mit Schlagstöcken Gewalt eingesetzt. Mit ihrem martia-
lischen Auftreten in komplett schwarzer Kleidung ver-
mittelten sie optisch den Eindruck einer paramilitäri-
schen Einheit. Der Sicherheitsdienst wurde schließlich
aufgelöst; denn die Zustände waren nicht mehr tragbar.
Ein anderes Beispiel zeigt der Fernsehbericht zu
Amazon vor einigen Wochen. Dieser wurde vor allem
unter einem arbeits- und sozialpolitischen Blickwinkel
auch hier im Bundestag diskutiert. Aber es war auch die
Sicherheitsfirma massiv in die Kritik geraten; denn der
Sicherheitsdienst hatte zum einen Verbindungen zur
rechtsextremen Szene. So trugen denn die Mitarbeiter im
Film der ARD auch Kleidung der bei Neonazis so be-
liebten Marke Thor Steinar. Zum anderen hatten auch
die Mitglieder dieser Firma eindeutig ihre Kompetenzen
überschritten, indem sie die Mitarbeiterinnen und Mitar-
beiter von Amazon schikanierten. Amazon hat jetzt die
Verträge mit dem Sicherheitsdienst gekündigt. Aller-
dings hätte es so weit nicht kommen dürfen.
Die beiden Vorfälle zeigen ganz deutlich, dass es in
dieser Branche einige Menschen gibt, die ihre übertra-
gene Macht ausnutzen. Solche Hilfssheriffs darf es na-
türlich nicht geben. Umso wichtiger ist gut geschultes
Personal. Hier muss der Staat tätig werden und angemes-
sene Ausbildungsstandards formulieren und umsetzen.
Für den vorhin bereits erwähnten Schutz von Schiffen
und für nichtstaatliche militärische Sicherheitsunterneh-
men hat die SPD-Bundestagsfraktion dies in zwei Anträ-
gen bereits formuliert. Der Verweis auf die Gewerbeord-
nung, die auch in dem Antrag der Linken erwähnt wird,
ist an dieser Stelle sinnvoll.
Doch nicht nur Wissen und Ausbildung sind ein Pro-
blem, sondern es müssen auch annehmbare Arbeitsbe-
dingungen herrschen. Dazu gehört, dass angemessene
Löhne gezahlt werden. Der flächendeckende gesetzliche
Mindestlohn ist unverzichtbar.
Die in dem Antrag geforderte Erhöhung der Staats-
quote auf Flughäfen und Bahnhöfen halte ich aus ganz
praktischen Gründen nicht für durchsetzbar. Die Bun-
despolizei ist mit den bereits anstehenden Aufgaben
mehr als genug ausgelastet. Dies zeigen auch die Zahlen
zum Burn-out, die in einer von der GdP in Auftrag gege-
benen Studie veröffentlicht wurden. Insofern ist eine sol-
che Übertragung zurück zur Bundespolizei schlicht nicht
möglich. Die Sicherheitsdienste auf Flughäfen und bei
der Deutschen Bahn sind von der Bundespolizei gut aus-
gebildet worden und erledigen die Aufgaben kompetent
und zuverlässig. Die Frage nach einer angemessenen Be-
zahlung wurde bereits angesprochen.
Gisela Piltz (FDP): Es ist schon faszinierend, dass
bei der Linken ersichtlich die Ablehnung privatwirt-
schaftlicher Tätigkeit und im Grunde die Ablehnung der
Marktwirtschaft als solcher noch stärker ausgeprägt ist
als die Ablehnung gegenüber der Polizei. Vor ziemlich
genau zwei Jahren, am 7. April 2011 nämlich, debattier-
ten wir hier im Plenum einen Antrag der Linken, in dem
diese behauptete, Polizistinnen und Polizisten in unse-
rem Lande hätten „das Gefühl …, in voller Einsatzmon-
tur und mit heruntergeklappten Visieren faktisch außer-
halb des Gesetzes zu stehen“.
Liest man hingegen den heute hier zu debattierenden
Antrag, reibt man sich verwundert die Augen, dass die
Linke nun doch anerkennt, dass Polizistinnen und Poli-
zisten an Recht und Gesetz gebunden sind und mithin
bei deren Einsatz sichergestellt ist, dass alles mit rechten
Dingen zugeht. Da könnte man ja spontan sagen: Glück-
wunsch! Endlich haben auch Sie verstanden, dass Poli-
zistinnen und Polizisten wie keine andere Berufsgruppe
für Recht und Gesetz stehen. Endlich anerkennen Sie,
dass Polizistinnen und Polizisten in Deutschland keine
prügelnden Schergen willkürlich angewandter Gewalt
sind.
Allein, ich fürchte, dass diese Glückwünsche an der
Sache vorbeigehen. Der Linken geht es nicht um späte
Erkenntnis, sondern an diesem Antrag zeigt sich die
krude Logik linker Ideologie, die schon in sich nicht
stimmig ist.
Was wollen Sie denn nun? In Ländern, in denen Sie
mitregieren, also zum Beispiel im Land Brandenburg
– oder auch, solange Sie noch nicht aus der Regierung ab-
gewählt waren, in Berlin –, bauen Sie massiv Stellen bei
der Polizei ab. Und nicht nur das. Ich fliege ja gelegent-
lich von und nach Tegel – und da hat sich, völlig unab-
hängig davon, wer im Land Berlin regiert, also auch unter
Beteiligung der Linken etwa, bei den Sicherheitskräften
nichts verändert. Was hat denn die Linke da in der Berli-
ner Landesregierung gemacht? Nach Ihrer Logik hätten
Sie das doch sofort in Ihre staatliche Obhut nehmen und
mit Berliner Staatsangestellten erledigen müssen. Ob
diese dann allerdings a) besser bezahlt und b) zartfühlen-
der beim Abtasten und Durchleuchten der Passagiere ge-
wesen wären, mag dahingestellt bleiben. Und dann
kommt hier so ein Antrag. Statt solche Anträge zu schrei-
ben, sollten Sie einfach einmal mit Ihren Kollegen in den
Ländern reden; denn dort spielt bei der Polizei die Musik.
Das ist wiederum deshalb schade, weil man über die-
ses Thema ja durchaus vernünftig diskutieren könnte,
beispielsweise darüber, dass es selbstverständlich mit
unserem Rechtsstaat nicht vereinbar ist, wenn „schwarze
Sheriffs“ die Menschen in Angst und Schrecken verset-
zen. Oder auch darüber, dass wir Entwicklungen, wie
wir sie in anderen Ländern beobachten können – dass
Bürgerwehren eingesetzt werden, die quasi in Selbstjus-
tiz tätig werden –, in Deutschland nicht hinnehmen
könnten. Darum geht es der Linken aber nicht. Es geht
Ihnen nicht darum, Fehlentwicklungen zu verhindern,
sondern darum, einfach einmal mit Ihrer sozialistischen
Staatsideologie gegen wirtschaftlich handelnde Unter-
nehmen vorzugehen. Dazu passt dann auch Ihre – an die-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. März 2013 28593
(A) (C)
(D)(B)
ser Stelle ohnehin völlig deplatzierte – Forderung nach
dem gesetzlichen Mindestlohn. Da haben Sie dann doch
noch einen Platz gefunden, um Ihren Textbaustein dazu
unterzubringen. Durch stete Wiederholung wird die For-
derung aber nicht besser. Und im Übrigen: An Flughäfen
zum Beispiel, wo gerade gestreikt wird für höhere
Löhne, liegt das Lohnniveau schon jetzt über den von Ih-
nen geforderten 10 Euro pro Stunde, nämlich zum Bei-
spiel in NRW bei 12,36 Euro zuzüglich Zuschläge.
Private Sicherheitsunternehmen tragen schon längst
erheblich zur Sicherheit in Deutschland bei und arbeiten
als verlässlicher Partner für Sicherheitsbehörden und
staatliche Einrichtungen wie auch Körperschaften er-
folgreich. Es ist dabei selbstverständlich, dass überall da,
wo es um sensible Bereiche geht – und das ist im Sicher-
heitsbereich ja regelmäßig der Fall – eine ausreichende
Kontrolle sichergestellt sein muss. Die FDP-Fraktion hat
sich bereits in der vergangenen Wahlperiode für eine
effektive Kontrolle privater Sicherheitsdienste ausge-
sprochen. Dazu gehört etwa, dass bei Abschluss entspre-
chender Verträge zwischen der öffentlichen Hand und
Sicherheitsunternehmen bestimmte Vereinbarungen ge-
troffen werden, was etwa Sicherheitsüberprüfungen an-
geht oder auch den Umgang mit Erkenntnissen, die im
Rahmen der Tätigkeit gewonnen werden. Zudem sind
selbstverständlich die gewerberechtlichen wie auch zum
Beispiel waffenrechtlichen Vorgaben strikt einzuhalten.
Selbstverständlich darf das Gewaltmonopol des Staa-
tes nicht angetastet werden. Aber nicht überall, wo zum
Beispiel Bewachungsaufgaben wahrgenommen werden
müssen, müssen dafür Polizisten eingesetzt werden. Kei-
ner will, dass „schwarze Sheriffs“ Leute verhaften, nach-
dem sie sie mit körperlicher Gewalt bedroht haben. Aber
es ist doch auch nicht so, als sei das irgendwo in
Deutschland Realität, so, wie es die Linke hier glauben
machen will.
Jan Korte (DIE LINKE): Wir behandeln heute einen
Antrag der Fraktion Die Linke, der zum Ziel hat, die Pri-
vatisierung der öffentlichen Sicherheit rückgängig zu
machen. Die Branche der privaten Wach- und Sicher-
heitsdienste stellt mit 3 700 Unternehmen, die rund
171 000 Angestellte beschäftigen und jährlich einen
Umsatz von 4,6 Milliarden Euro verzeichnen, einen
nicht unerheblichen Wirtschaftssektor der Bundesrepu-
blik dar. Sicherheit ist ein profitables Geschäft, und die
Branche boomt seit Jahren.
Das ist ja im Prinzip nichts Falsches, könnte man mei-
nen. Diese Zahlen beschreiben aber vor allem verschie-
dene negative Entwicklungen der letzten Jahre: den
Boom des Niedriglohnsektors zum Beispiel, aber auch
den schleichenden Rückzug des Staates und die Privati-
sierung von eigentlich öffentlichen Ordnungs- und
Sicherheitsaufgaben.
Ich möchte das mit einer letzten Monat erschienenen
Meldung des Bezirks Bundespolizei der Gewerkschaft
der Polizei, GdP, dokumentieren. Nicht zu irgendeinem
allgemeinen sicherheitspolitischen Thema, sondern dies-
mal zu einem Punkt, von dem die Gewerkschaft wirklich
etwas versteht: zu den Arbeitsbedingungen der Bundes-
polizei und der privaten Luftsicherheitsassistenten an
den Flughäfen. Die Gewerkschaft bemängelt, dass – ich
zitiere – „die Bundespolizei seit Jahren jeden frei wer-
denden Arbeitsplatz eines bundeseigenen Luftsicher-
heitskontrolleurs nicht mehr neu besetzt, sondern nur
noch an einen privaten Sicherheitsdienst vergibt und
dessen Mitarbeiter auf Stundenbasis ‚beleiht‘.“ Der Vor-
sitzende der GdP, Bezirk Bundespolizei, Josef Scheu-
ring, wird in dem Artikel auf der Gewerkschaftshome-
page folgendermaßen zitiert: „Sobald der Arbeitsplatz
nicht mehr mit Bundesbeschäftigten besetzt ist, sondern
von ‚Beliehenen‘ privater Sicherheitsfirmen ausgeübt
wird, beginnt das Diktat inakzeptabler Arbeitsbedingun-
gen. Insbesondere durch die Anweisung von nur stun-
denweisen, über den ganzen Tag mit großen Lücken ver-
teilten Einsatzzeiten, ist eine sinnvolle und verträgliche
Organisation des Arbeitstages gar nicht mehr möglich.“
Und weiter: „Durch die Beleihung dieser Aufgabe sind
die Rahmenbedingungen massiv verschlechtert worden.
Das hat gravierende Folgen für die dort eingesetzten Be-
schäftigten und für die Sicherheit.“ Als Lösung für die-
ses Sicherheitsproblem schlägt die GdP vor, „den Fehler
der Privatisierung rückgängig zu machen und sicher-
heitssensible Aufgaben wieder zurück in die öffentliche
Hand zu holen.“
Eine gute Idee. Aber was macht die Bundesregie-
rung? Sie verfolgt lieber die Einführung von Nacktscan-
nern, die dann von den unterbezahlten und prekär be-
schäftigten privaten Luftsicherheitsassistenten bedient
werden sollen. Man muss sich das einmal vor Augen
führen: In den letzten Jahren gab es einen Bürgerrechts-
eingriff nach dem anderen, im Namen der Sicherheit.
Und wenn es nach Innenminister Hans-Peter Friedrich
ginge, würden noch mehr Daten gesammelt und noch
mehr Bürger überwacht. Diese Sicherheitsprojekte
kosten übrigens Millionen, ohne dass ihr Nutzen bislang
erwiesen wurde. Aber am Sicherheitspersonal wird ge-
spart. Das ist eine absurde Sicherheitsstrategie. Liebe
Kolleginnen und Kollegen in den Koalitionsfraktionen:
Wenn Sie schon nicht auf uns hören wollen, dann hören
Sie auf die Polizeigewerkschaften! In diesem Fall ist das
völlig okay.
Ein anderer Punkt: Zunehmend werden private Wach-
und Sicherheitsdienste von Städten und Gemeinden
damit beauftragt, im Rahmen von Public-private-Part-
nership-Modellen für Sicherheit und Ordnung zu sorgen.
Obwohl immer wieder behauptet wird, private Sicher-
heitsfirmen hätten keine Sonderrechte, führen sie
Tätigkeiten aus, die hoheitliche Befugnisse bzw. Amts-
trägerschaften erfordern. Die Erweiterung ihrer Zustän-
digkeiten erfolgt dabei oftmals ohne ausreichende De-
ckung durch das geltende Recht. Denn theoretisch haben
die Angestellten der Unternehmen keinerlei Befugnisse,
die über die Jedermannsrechte – also Notwehr, Nothilfe
und Festnahmerecht – hinausgehen.
In einigen Kommunen existieren sogenannte City-
streifen. Das sind von der Kommune bestellte Privat-
streifen, die gegen sämtliche Ordnungsverstöße im je-
weiligen Stadtgebiet vorgehen sollen. Während ihrer
Streifengänge erteilen die privaten Sicherheitsleute
Platzverweise, stellen Personalien und begangene Ord-
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(A) (C)
(D)(B)
nungswidrigkeiten fest, verhängen Buß- und Warngelder
und führen Alterskontrollen durch. Tätigkeiten, die ei-
gentlich in die Zuständigkeit der Polizei fallen. Den Bür-
gerinnen und Bürgern wird der Eindruck vermittelt, die
privaten „Ordnungskräfte“ hätten hoheitliche Befugnisse
und praktisch die gleichen Rechte wie die Polizei. Haben
sie aber nicht – und zwar zu Recht: Private Sicherheits-
leute sind nicht, wie die Polizei, dem Schutz der Rechte
von Bürgerinnen und Bürgern, sondern ihrem Arbeitge-
ber und ihrem Auftraggeber verpflichtet und werden al-
les Mögliche tun, um ihren Auftrag umzusetzen. Dass
dabei oft, absichtlich oder in Unkenntnis der Rechtslage,
Grenzen überschritten werden, ist genauso bekannt wie
die unterirdischen Arbeitsbedingungen in der privaten
Sicherheitsbranche.
Im besten Fall sollen Sicherheitsdienste zu objektiver
Sicherheit beitragen. In der Realität sieht das meist an-
ders aus. Schwarze Sheriffs machen Bürgerinnen und
Bürgern eher Angst, als ihnen Sicherheit zu vermitteln.
Das ist aber auch gar nicht im Interesse der Sicherheits-
unternehmen. Der Politikwissenschaftler Volker Eick
spricht davon, die Branche lebe „von der Dramatisierung
vermeintlicher Kriminalitätsbelastungen“. Diese Aus-
sage ist keineswegs eine Gemeinheit gegenüber den pri-
vaten Sicherheitsdienstleistern: Es gehört schlichtweg
zum Tagesgeschäft eines jeden privaten Unternehmens,
den Bedarf nach dem eigenen Produkt oder der eigenen
Dienstleistung hochzuhalten. Eick führt weiter aus, es
lasse sich beobachten, „wie das kommerzielle Sicher-
heitsgewerbe sozialpolitische Problemlagen zu kriminal-
politischen umdefiniert“ .Tatsächlich wird privates Si-
cherheitspersonal im öffentlichen Raum oft eingesetzt,
um die öffentlich sichtbaren Zeichen einer völlig ver-
fehlten Sozialpolitik der letzten Bundesregierungen zu
beseitigen oder zu kaschieren. Spätestens hier wird dann
klar, dass es am Ende ums Geldmachen geht und nicht
um eine tatsächliche Verbesserung der öffentlichen
Sicherheit.
Wir fordern in unserem Antrag eine Politik, welche
die Staatsquote in den Bereichen der öffentlichen Sicher-
heit erhöht, vordringlich in den sicherheitsrelevanten
Bereichen der Bahn und der Flughäfen. Wir fordern
klare Regelungen, die garantieren, dass keine in Grund-
rechte eingreifenden Aufgaben auf Private übertragen
werden. Und wir fordern erhöhte Standards für die Aus-
und Fortbildung des Personals von Sicherheitsfirmen so-
wie eine Bezahlung nach den Tarifen des öffentlichen
Dienstes. Denn es geht nicht nur darum, unmenschlichen
Arbeitsbedingungen ein Ende zu setzen, sondern auch
darum, dass private Sicherheitskräfte die rechtlichen
Rahmenbedingungen ihres Handelns und die Rechte an-
derer kennen.
Außerdem fordern wir die Abkehr von einer Politik
der inneren Sicherheit, die sich bewusst der rechtlichen
Grauzonen bedient, die der Einsatz privater Sicherheits-
dienstleister eröffnet. Als Teil der Exekutive des Staates
ist die Polizei an Recht und Gesetz gebunden. Aus gu-
tem Grund gibt es Gesetze, welche die Befugnisse der
Polizei regeln. Jede Abweichung und jedes Bestreben,
das staatliche Gewaltmonopol durch Kooperationen mit
privaten Dienstleistern gleichzeitig zu verwässern wie zu
erweitern, stellt eine erhebliche Gefährdung von Bürger-
rechten und Demokratie dar. Dieser Gefahr wollen wir
mit unserem Antrag entgegenwirken.
Auch wenn ich davon ausgehe, dass Sie, verehrte
Kolleginnen und Kollegen von der FDP, dies aus ideolo-
gischen Gründen nicht hinbekommen werden, so hoffe
ich doch, im Sinne einer nachhaltigen Stärkung von De-
mokratie und Bürgerrechten, dass Sie unseren Antrag
unterstützen werden. Selbstverständlich gilt dies auch
für die Union; aber hier ist meine Hoffnung, dass Sie
eine vernünftige Politik zu machen in der Lage sind,
noch geringer. Aber lassen wir uns überraschen.
Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Der Antrag ist – man kennt das von der Linksfraktion –
ein Gemischtwarenladen mit inneren Widersprüchen. Da
wird zum einen der fraktionseigenen Skepsis gegen
gewinnorientierte Unternehmen insgesamt gefrönt, dies-
mal eben bei den Sicherheits- und Bewachungsdienst-
leistern. Dann wird – an sich ja eine sehr richtige Forde-
rung – ein Mindestlohn gefordert, allerdings hier für
Tätigkeiten, die laut der anderen Forderungen des Antra-
ges gar nicht mehr ausgeübt werden sollten. Ähnliches
gilt beim Thema Qualifikation: Es sollen laut Antrag
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter besser für Aufgaben
qualifiziert werden, die sie gar nicht mehr übernehmen
sollen.
Man mag darin Pragmatismus erkennen, nämlich die
Einsicht, dass diese Bundesregierung wohl kaum die
Forderungen des Antrages umsetzen wird und man dann
vielleicht lieber noch eine Rückfallposition hat. Es ist
also ein ganzer Strauß an Themen aufgeschrieben und
angesprochen: Könnte ja sein, dass irgendwas dann doch
hängen bleibt.
Dieses etwas bunte Zusammenwürfeln verdeckt aber
leider auch den Blick auf das Wesentliche, nämlich die
Frage, ob das staatliche Gewaltmonopol auch durchgän-
gig vom Staat ausgeübt werden muss, also von Beamtin-
nen und Beamten, die in einem besonderen Pflicht-
verhältnis stehen und sich darin bewährt haben. Beim
Ansprechen dieser Thematik kann man übrigens ein be-
eindruckend klares Bekenntnis zu eben diesem staatli-
chen Gewaltmonopol lesen, was man so aus den Reihen
der Linkspartei auch nicht gewohnt ist.
Wir haben hier eine klare Position, die sich aus dem
Grundgesetz direkt ableiten lässt: Hoheitliche Befug-
nisse gehören als ständige Aufgaben in die Hände von
Beamten; denn gerade die Ausübung des Gewaltmono-
pols – sprich: die Anwendung von unmittelbarem kör-
perlichem Zwang – muss unter striktester Beachtung der
Verhältnismäßigkeit stattfinden, und ihre parlamentari-
sche Kontrolle und gerichtliche Anfechtung darf nicht
auf Hindernisse stoßen, die sich aus unklaren Verant-
wortlichkeiten, privatrechtlichen Verträgen oder Ähnli-
chem ergeben.
Das Gewaltmonopol hat die Gesellschaft über Jahr-
hunderte entwickelt, es ist eine zivilisatorische Errun-
genschaft, die man nicht aufgeben darf; denn ihr Sinn
und Zweck ist es, das Recht des Stärkeren – und damit
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pure Gewalt – als Mittel der Interessendurchsetzung ab-
zulösen durch eine Gewalt, die von der Stärke des
Rechts gebunden wird. Deswegen dürfen und wollen wir
nichts tun, was diese Errungenschaft infrage stellt. Das
bedeutet kein totales und vollständiges Aus für jegliche
Erledigung durch Private, aber es macht die Leitplanken
deutlich, innerhalb derer eine Übertragung an Private
nur stattfinden kann, und es zeigt, dass es hier nicht um
eine organisatorische Entscheidung geht, sondern um
zentrale Wertentscheidungen.
In einem Umfeld wie der Personenkontrolle am
Flughafen, wo sich die Aufgabe und die möglichen Ge-
fahrenlagen recht gut prognostizieren lassen, verläuft die
Bewertung vielleicht anders als bei einer unübersichtli-
cheren Situation. Aber da es um eine Säule des Rechts-
staates an sich geht, heißt die Devise: im Zweifel für den
Staat. Das gilt auch, weil wir die Entstehung zum Bei-
spiel einer Strafvollzugsindustrie, wie sie in den USA
mit ihren privaten Gefängnissen entstanden ist und die
heftig für Gesetzesverschärfungen und damit mehr
„Kundschaft“ lobbyiert, mit Schrecken sehen.
Ein zu wenig beachtetes Detail möchte ich an dieser
Stelle hervorheben: Das ist die Frage des hoheitlichen
Anscheins privater Sicherheitsleute, die aber keineswegs
Beliehene sind. Wenn ein gesetzlich mit der Ausübung
unmittelbaren Zwangs Betrauter äußerlich nach Staats-
gewalt aussieht, geht das in Ordnung. Aber wenn priva-
tes Sicherheitspersonal, das lediglich die Jedermann-
rechte oder ein Hausrecht ausübt, aussieht wie ein SEK,
dann ist das nicht richtig. Denn Effekte der Einschüchte-
rung und der Selbstbeschränkung des eigenen Verhaltens
beim Anblick solch nur vermeintlicher Autorität gehört
nicht in eine offene Gesellschaft, das Äußere als Droh-
gebärde darf nicht die Regel sein.
Die weiteren Fragen, die der Antrag eröffnet, sollte
man nicht außer Acht lassen. Wir stehen als Partei und
Fraktion schon lange für einen Mindestlohn. Der muss
auch im Sicherheitsgewerbe gelten, auch wenn über die
Höhe noch zu reden ist. Der Forderung nach einer guten
Ausbildung und insbesondere auch einer rechtlichen und
rechtsstaatlichen Schulung können wir uns ebenfalls nur
anschließen.
Anlage 5
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung der Beschlussempfehlung und des
Berichts: – Änderung der Geschäftsordnung
des Deutschen Bundestages – hier: Änderung
der Verhaltensregeln für Mitglieder des Deut-
schen Bundestages (Anlage 1 der Geschäftsord-
nung) (Tagesordnungspunkt 15)
Dr. Wolfgang Götzer (CDU/CSU): Mit dem heute
zur Abstimmung stehenden Gesetzentwurf der Koali-
tionsfraktionen soll das bisherige Drei-Stufen-Modell
zur Veröffentlichung der Nebeneinkünfte um weitere
sieben Stufen auf insgesamt zehn Stufen erweitert wer-
den. Damit soll mehr Transparenz geschaffen werden.
Transparenz ist freilich kein Selbstzweck. Transpa-
renz bei der Frage der Verhaltensregeln, insbesondere
bezüglich der sogenannten Nebeneinkünfte von Bundes-
tagsabgeordneten, soll nicht die Neugier interessierter
Kreise befriedigen oder Neidgefühle bedienen. Worum
es hier geht und gehen muss, ist, mögliche Interessens-
kollisionen aufzuzeigen, eventuelle Abhängigkeiten of-
fenzulegen und auch die Frage, ob die Mandatsausübung
im Mittelpunkt der Tätigkeit eines Abgeordneten steht.
Ich möchte erneut – wie bei jeder Diskussion zu diesem
Thema – klarstellen: Diesen Zielen müssen Verhaltens-
regeln dienen. Verhaltensregeln müssen also danach be-
urteilt werden, ob sie insoweit aussagekräftig und damit
zielführend sind.
In fast jeder Sitzung der Rechtsstellungskommission
in dieser Wahlperiode diskutieren wir nun auf Betreiben
interessanterweise von SPD und Grünen, ob die von ih-
nen selbst im Jahr 2005 eingeführten Regelungen wirk-
lich so gut sind. Wir von der Union haben uns der Dis-
kussion über eine Verbesserung der geltenden Regelung
– freilich unter Maßgabe der von mir gerade vorher ge-
nannten Zielsetzung – zu keiner Zeit verweigert und
deutlich gemacht, dass wir offen sind für eine sinnvolle
Neuregelung.
Mit der heute zur Abstimmung stehenden Zehn-Stu-
fen-Regelung wollen wir mehr Transparenz schaffen;
denn die höchste Stufe beginnt jetzt nicht mehr bei über
7 000 Euro, sondern bei über 250 000 Euro. Dies bringt
in bestimmten Fällen in der Tat einen weiteren Erkennt-
nisgewinn.
Ich bleibe aber dabei: Die von Rot-Grün seinerzeit
beschlossene Regelung der Veröffentlichung von Neben-
einkünften leidet an einem Grundfehler, nämlich dem
Bruttozuflussprinzip. Denn dieses kann den Eindruck er-
wecken, die von einem Kollegen angegebenen Beträge
seien gleichzusetzen mit seinem Einkommen bzw. Ge-
winn. Auch bleiben Zweifel daran, ob aus der Höhe der
sogenannten Nebeneinkünfte allein immer auch Er-
kenntnisse über Abhängigkeiten bzw. Interessenkollisio-
nen gewonnen werden können.
Ich wiederhole auch meine Kritik aus früheren Debat-
ten, dass die Regelung nicht klar differenziert zwischen
Einkünften aus dem erlernten Beruf und Nebenverdiens-
ten aus der – ich nenne es zugespitzt so – Vermarktung
von Amt oder Mandat.
Eine nicht unerhebliche Verbesserung im Hinblick
auf das untaugliche Bruttozuflussprinzip haben wir im-
merhin heute Morgen in der Rechtsstellungskommission
noch beschlossen: Jeder Abgeordnete kann Erläuterun-
gen zu seinen veröffentlichten Beträgen auf seiner
Homepage einstellen, auf die künftig ein deutlich er-
kennbarer Link auf der entsprechenden Bundestags-
homepage direkt verweist.
Wie gesagt, meine Zweifel an einigen grundlegenden
Punkten der Veröffentlichungsregelung bleiben, und ich
will auch nicht verhehlen, dass es in unserer Fraktion bei
vielen diese Bedenken gibt. Gleichwohl wollen wir den
Versuch unternehmen, mit einer neuen Stufenregelung
mehr Transparenz zu erreichen.
28596 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. März 2013
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Für ganz sicher nicht zielführend halten wir aber die
Forderung nach Veröffentlichung in Euro und Cent, wie
sie jetzt von der Opposition gefordert wird. Ich habe bis-
her kein einziges Argument gehört, dass damit ein
Transparenzgewinn erzielt werden kann. Im Gegenteil
würde noch viel mehr der Anschein erweckt, dass der
angegebene Betrag identisch ist mit dem wirtschaftli-
chen Vorteil.
Bis zum Fall Steinbrück wollte übrigens ja auch die
SPD nur eine neue Stufenregelung. Aber angesichts der
Debatte über die Vortragshonorare ihres mit beachtli-
chen Nehmerqualitäten ausgestatteten Kanzlerkandida-
ten hat sie dann die Flucht nach vorn angetreten.
Auch die vorliegenden Anträge lehnen wir ab, wo-
nach Berufsgeheimnisträger die Branche ihrer Auftrag-
geber angeben müssen. Dies ist zum einen nicht prakti-
kabel. Vor allem aber beinhaltet es die Gefahr der
Verletzung von Verschwiegenheitspflichten.
Lassen Sie mich abschließend einmal mehr davor
warnen, die Rechtsstellung und das Berufsbild des Ab-
geordneten in eine Richtung zu verändern, die dem
freien Mandat und dem Parlament insgesamt Schaden
zufügen würde. Wir brauchen ein Parlament, das aus der
Breite der Gesellschaft zusammengesetzt ist. Es darf
nicht dazu kommen, dass bestimmte Berufsgruppen wie
Freiberufler, Handwerker, Gewerbetreibende immer
schwerer für die Übernahme eines politischen Mandates
zu gewinnen sind. Außerdem brauchen wir Abgeord-
nete, die nicht nur einen Beruf erlernt haben, sondern ihn
auch noch ausüben; denn dies stärkt die politische Unab-
hängigkeit und ist damit im Interesse des Parlamentaris-
mus.
Und schließlich möchte ich auch eindringlich davor
warnen, dass durch all die Debatten über Nebentätigkei-
ten, Veröffentlichungspflichten, Abgeordnetenbeste-
chung etc. der Eindruck erweckt wird, Parlamentarier
seien faul, abhängig, raffgierig und korrupt. Dies ent-
spricht in keiner Weise der Wirklichkeit und schadet des-
halb dem Ansehen des Parlamentarismus.
Bernhard Kaster (CDU/CSU): Um was geht es ei-
gentlich im Kern dieser Debatte?
Geht es hier um einen populistischen Überbietungs-
wettbewerb? Geht es um Neiddebatten? Geht es um par-
teistrategische Schachzüge? Oder geht es womöglich um
Schadensbegrenzung für eine verunglückte Kanzlerkan-
didatur, weil, um im aktuellen Sprachgebrauch zu blei-
ben, das Konklave wohl zu kurz und vor allem unterbe-
setzt war?
Es geht hier um ein sehr wichtiges Thema des Parla-
mentes, ein sehr wichtiges Thema im Verhältnis zwi-
schen Parlament und Bürgern und der Transparenz ge-
genüber den Wählern.
Dafür müssen wir aber über die richtigen Sachver-
halte sprechen, die tatsächlich relevanten Fälle. Ja, es
geht um Transparenz, es geht um die Unabhängigkeit
von Abgeordneten. Grundlage ist hier das Abgeordne-
tenrecht. Und da haben wir eine große Verantwortung
gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern wie auch ge-
genüber den Kolleginnen und Kollegen.
Zur Chronologie der jetzigen Verhaltensregeln, den
Problemen in der Praxis und dem Zerrbild, das sich teil-
weise hieraus ergibt, könnte viel gesagt werden. Aber
jetzt geht es darum – das hat die Praxis auch gezeigt –
dass die Verhaltensregeln, die Transparenz, einer Erwei-
terung bedürfen. Dieses erforderliche Mehr an Transpa-
renz schaffen wir mit der jetzigen Einführung von zehn
statt bisher drei Einkunftsstufen.
Die Debatte aber, so wie sie geführt wird, geht an der
Wirklichkeit dieses Parlamentes vorbei, einer Parla-
mentswirklichkeit, auf die wir ruhig ein wenig stolz sein
können. 70 Prozent der Kolleginnen und Kollegen haben
überhaupt keine Nebeneinkünfte. Um wen geht es denn
hier? Im Deutschen Bundestag sind derzeit 15,5 Prozent
Selbstständige aus den Bereichen Handwerk, Gewerbe
und Landwirtschaft. Und das ist außerordentlich erfreu-
lich. Weitere 15,9 Prozent sind freiberuflich Tätige, also
Rechtsanwälte, Notare, Ärzte, Apotheker und Inge-
nieure; auch das ist sehr erfreulich! Wir als Union begrü-
ßen diese Zusammensetzung ausdrücklich. All diese
Kolleginnen und Kollegen, die sich dazu entschieden ha-
ben, ihre eigene Berufs- und Lebensbiografie für viel-
leicht zwei oder drei Legislaturperioden zu unterbrechen
– das ist bei über 50 Prozent der Kollegen der Fall –,
müssen doch verständlicherweise Wege finden, wie sie
ihren Betrieb, ihr Büro, ihre Kanzlei für eine solche Zeit
weiterlaufen lassen können. Deswegen werden wir als
Koalition keiner Regelung zustimmen, die es diesen Be-
rufsgruppen weiter erschwert oder sogar unmöglich
macht, sich um ein Bundestagsmandat zu bewerben.
Die jetzigen Regelungen, insbesondere das Bruttozu-
flussprinzip, führen bereits jetzt in der Darstellung zu ei-
nem vollkommenen Zerrbild bei vielen Kolleginnen und
Kollegen. Mit der heutigen Beschlussempfehlung des
1. Ausschusses wird der Deutsche Bundestag das bishe-
rige Drei-Stufen-Modell auf insgesamt zehn Stufen er-
weitern. Wir sorgen damit für einen weiteren und not-
wendigen Transparenzgewinn im eigentlichen Kern der
Sache, nämlich mögliche Abhängigkeiten von Abgeord-
neten aufzuzeigen. Allein darum geht es; der gläserne
Bürger darf nicht das Ziel sein, der gläserne Abgeord-
nete auch nicht. Wir wollen für die Zukunft kein Funk-
tionärsparlament, wir wollen auch in Zukunft Selbststän-
dige und Freiberufler in einer guten Mischung im Deut-
schen Bundestag.
Die Debatte über Einzelfälle – ja, sogar über einen
Extremfall – darf nicht dazu führen, dass berufliche Ne-
bentätigkeiten von Handwerkern, Unternehmern, aber
auch Rechtsanwälten und Ärzten in Bausch und Bogen
einem Generalverdacht ausgesetzt werden. Das schadet
letztlich dem Parlament und dem Ansehen der Abgeord-
neten – und zwar auch dem Ansehen derer, die über-
haupt keine entgeltlichen Nebentätigkeiten ausüben!
Christian Lange (Backnang) (SPD): Ich begründe
die beiden Änderungsanträge der SPD-Bundestagsfrak-
tion. Wir wollen die Veröffentlichung der Nebenein-
künfte auf Euro und Cent sowie die Nennung der Bran-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. März 2013 28597
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chen. Dies entspricht den Vorschlägen der CDU/CSU
und FDP, von denen Sie heute nichts mehr wissen wol-
len. Ich begrüße das Vorgehen von Peer Steinbrück. Er
ist unser Vorbild. Was für ihn gilt, muss für alle gelten.
Dieser Vorschlag entspricht meiner eigenen ursprüng-
lichen Forderung und ist jetzt gemeinsamer Antrag von
SPD und Grünen. Wie dringend notwendig eine Ver-
schärfung der Transparenzregeln ist, zeigt der Fall von
Michael Fuchs.
Auf Fuchs’ Bundestagsseite war jahrelang zu lesen,
dass er Vorträge für die britische Hakluyt Society gehal-
ten hatte. Nach Recherchen von abgeordnetenwatch.de
und stern, 9. Januar 2013, wurde deutlich, dass es sich in
Wahrheit nicht um die gemeinnützige geografisch-histo-
rische Gesellschaft, sondern einen privaten Nachrichten-
dienst mit ähnlichem Namen, Hakluyt & Company, han-
delte. Fuchs hat nach Recherchen des stern seit August
2008 mehr als 13 bezahlte Vorträge für die Londoner Be-
ratungsfirma Hakluyt & Company gehalten und erhielt
dafür insgesamt mindestens 57 000 Euro.
Hakluyt & Company wurde 1995 von ehemaligen
Mitgliedern des britischen Geheimdienstes gegründet.
Die Firma beschafft für Unternehmen unveröffentlichte
Informationen, zum Beispiel über andere Unternehmen,
über Kampagnen von Nichtregierungsorganisationen,
aber auch über Regierungsvorhaben.
Die Verwechslung der umstrittenen Firma mit der ge-
meinnützigen Hakluyt Society nahm ihren Ausgang in
einer unvollständigen Meldung von Michael Fuchs, der
2008 den ersten Vortrag dort nur mit „Hakluyt London“
bei der Bundestagsverwaltung meldete. Wie daraus
„Hakluyt Society“ wurde, ist bis heute ungeklärt.
Es wundert deshalb nicht, dass Michael Fuchs, der in
den vergangenen drei Jahren mindestens 100 000 Euro
zusätzlich eingenommen hat, sich gegen die Veröffentli-
chung konkreter Zahlen ausspricht und darüber hinaus-
gehend auch zumindest die Nennung der Branche, in der
Einkünfte erzielt werden. Er könne sich höchstens vor-
stellen, „dass wir die gegenwärtige Transparenzregelung
um einige Stufen ergänzen“, sagte Fuchs, 14. Oktober
2012, dapd.
Der Vorgang zeigt, wie wichtig es ist, dass wir weit-
gehende Nachvollziehbarkeit schaffen, wie hoch die
Einnahmen aus Nebentätigkeiten sind, und zwar auf
Euro und Cent, aber auch von wem bzw. aus welcher
Branche die Einnahmen stammen. Dies wurde von
CDU/CSU und FDP bislang kategorisch abgelehnt.
Das Bundesverfassungsgericht hat aber in seinem Ur-
teil vom 4. Juli 2007 mit einer 4:4-Entscheidung die der-
zeit geltende Stufenregelung bekräftigt. Einer Offenle-
gung genauerer Zahlen stünde damit nichts im Wege,
solange die schützenswerten Interessen, zum Beispiel
spezielle Verschwiegenheitspflichten von Ärzten oder
Anwälten, gewahrt bleiben. Mit der Nennung lediglich
der Branche, in der die Nebeneinkünfte erzielt werden,
kommen wir gebotenen Verschwiegenheitspflichten
nach.
Mit den Transparenzregelungen sollen berufliche und
sonstige Verpflichtungen des Abgeordneten neben dem
Mandat und daraus zu erzielende Einkünfte den Wählern
sichtbar gemacht werden. Sie sollen sich mithilfe von In-
formationen über mögliche Interessenverflechtungen
und wirtschaftliche Abhängigkeiten ein besseres Urteil
über die Wahrnehmung des Mandats durch den Abge-
ordneten auch im Hinblick auf dessen Unabhängigkeit
bilden können.
Diesbezügliche Kenntnis ist nicht nur für die Wahl-
entscheidung wichtig. Sie sichert auch die Fähigkeit des
Deutschen Bundestages und seiner Mitglieder, unabhän-
gig von verdeckter Beeinflussung durch zahlende Inte-
ressenten das Volk als Ganzes zu vertreten. Das Volk hat
Anspruch darauf, zu wissen, von wem – und in welcher
Größenordnung – seine Vertreter Geld oder geldwerte
Leistungen entgegennehmen. Das Interesse des Abge-
ordneten, Informationen aus der Sphäre beruflicher Tä-
tigkeiten vertraulich behandelt zu sehen, ist gegenüber
dem öffentlichen Interesse an der Erkennbarkeit mögli-
cher Interessenverknüpfungen der Mitglieder des Deut-
schen Bundestages grundsätzlich nachrangig.
Wichtig ist außerdem, dass Verstöße entsprechend
empfindlich geahndet werden können. Wenn Abgeord-
nete Nebeneinkünfte verschweigen und dies bekannt
wird, soll ein Betrag in gleicher Höhe von ihrer Diät ab-
gezogen werden.
Ich fordere Sie deshalb auf: Stimmen Sie den Anträ-
gen von SPD und Grünen zu!
Sonja Steffen (SPD): Das Volk hat Anspruch darauf,
zu erfahren, von wem – und in welcher Größenordnung
– seine Volksvertreter Geld oder geldwerte Leistungen
entgegennehmen.
Bisher müssen die Abgeordneten ihre Nebeneinkünfte
in drei Stufen offenlegen. Diese Offenlegungspraxis hat
zu viel Kritik geführt, beispielsweise von Transparency
International Deutschland, nach deren Einschätzung sich
die Veröffentlichung in drei Stufen als kontraproduktiv
und eher verwirrend erwiesen hat. Dies sei besonders bei
Angaben zur dritten Stufe der Fall, mit der alle Ein-
künfte ab 7 000 Euro erfasst werden. Hinter dieser Stufe
können sich vier-, fünf- oder sechsstellige Eurobeträge
verbergen.
Die Koalition möchte hier nun mit einem Vorschlag
Abhilfe schaffen, der die Stufen von drei auf zehn Stufen
ausbaut und so genauere Einsicht bis zu einer Höhe von
250 000 Euro ermöglicht.
Auch wenn dies eine Verbesserung gegenüber der bis-
herigen Praxis darstellt, lehnen wir diesen Vorschlag ab.
Das bedeutet nicht, dass wir die Ausübung von Nebentä-
tigkeiten durch Abgeordnete grundsätzlich ablehnen.
Für ehrliche Arbeit braucht man sich nicht zu schämen,
und diese soll auch weiterhin neben dem Mandat ausge-
übt werden dürfen. Gerade Selbstständige müssen si-
cherstellen können, dass mit der Annahme des Mandats
die eigene, oft mühsam aufgebaute Existenz nicht aufge-
geben werden muss. Anders wäre eine Rückkehr in den
eigenen Beruf und damit eine Absicherung für die Zeit
28598 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. März 2013
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nach dem Mandat für diese Gruppe oft nicht möglich.
Insbesondere gilt es, die eigene Familie, den Lebenspart-
ner und die Kinder über die vier Jahre des Mandats hi-
naus abzusichern. Und es kann auch um Verpflichtungen
Dritten gegenüber gehen, wie beispielsweise den eige-
nen langjährigen Mitarbeitern im Betrieb oder der Kanz-
lei.
Aber wir sind es den Bürgerinnen und Bürgern, die
mit ihren Steuergeldern auch unsere Diäten, Büroaus-
stattungen und Mitarbeiter finanzieren, schuldig, unsere
Einkünfte auf Euro und Cent offenzulegen. Ohne Trans-
parenz gibt es kein Vertrauen, und ohne Vertrauen gibt es
auch langfristig keine parlamentarische Demokratie mit
einer breiten Akzeptanz.
Die von der Koalition vorgeschlagene neue Regelung
ist leider genauso verwirrend wie die alte, nur dass sie
die höheren Einkünfte stärker einbezieht. Die tatsächli-
chen Bruttoeinkünfte eines Abgeordneten, der jährlich
einmal Stufe zwei, einmal Stufe drei und einmal Stufe
vier verdient, liegen mindestens bei 25 503 Euro. Sie
können aber auch bis zu 52 000 Euro betragen – das nen-
nen Sie transparent?
Wenn ich achtmal Stufe vier verdiene, liegt mein Ein-
kommen zwischen 120 000 und 240 000 Euro. Ich weiß
ja nicht, wie es den Kollegen der Koalitionsfraktionen
geht, aber für mich macht das schon einen ganz schönen
Unterschied.
Zudem fällt auf, dass Ihre Sprünge zwischen den Stu-
fen von eins bis zehn immer größer werden. Liegt der
Unterschied zwischen Stufe zwei und drei noch bei
8 000 Euro, sind es zwischen Stufe fünf und sechs schon
25 000 Euro und schließlich zwischen Stufe acht und
neun 100 000 Euro. Heißt das, je mehr ich verdiene,
desto unwichtiger ist eine möglichst exakte Offenle-
gung?
Ich bin mir außerdem sicher, dass der Großteil der
Menschen automatisch immer von den oberen Grenz-
werten ausgeht. Nach dem Motto: Der verdient dreimal
Stufe eins? Na, dann hat der doch mindestens
10 000 Euro zusätzlich! – Dabei könnten es, wie wir
wissen, auch nur 3 000 Euro sein. Ganz abgesehen da-
von, dass wir hier immer noch von Bruttoeinkommen
sprechen, das noch versteuert werden muss.
Ich meine daher, dass es auch in unserem eigenen In-
teresse ist, hier für mehr Transparenz zu sorgen. Diese
bekommen wir aber nur mit einer Offenlegung der tat-
sächlichen Höhe der Einkünfte. Ich bitte Sie daher, unse-
rem Antrag für eine Offenlegung auf Euro und Cent zu-
zustimmen.
Das Bundesverfassungsgericht hat außerdem festge-
stellt, dass das Interesse des Abgeordneten, Informatio-
nen aus der Sphäre beruflicher Tätigkeiten vertraulich
behandelt zu sehen, gegenüber dem öffentlichen Inte-
resse an der Erkennbarkeit möglicher Interessenver-
knüpfungen grundsätzlich nachrangig ist. Wir fordern
daher, dass bei der Veröffentlichung der Nebentätigkei-
ten von Abgeordneten, die als Berufsgeheimnisträger
wie Rechtsanwälte und Steuerberater tätig sind, zumin-
dest die Branche des Vertragspartners, Auftraggebers
oder Mandanten offengelegt werden muss.
Das Argument der Kolleginnen und Kollegen von der
Koalition, die Kennzeichnung der Branche sei abzuleh-
nen, da das Risiko vor allem im ländlichen Raum zu
groß sei, über die Branchenangabe den Vertragspartner
des Abgeordneten identifizieren zu können, ist schein-
heilig. Es ist sogar eher ein Argument für die Branchen-
angabe. Denn gerade in einer solchen von Ihnen geschil-
derten Situation kann es zu großen Interessenkonflikten
kommen.
Mit den Transparenzregelungen sollen den Wählerin-
nen und Wählern mögliche Interessenverflechtungen
und wirtschaftliche Abhängigkeiten aufgezeigt werden,
damit sie sich über die Unabhängigkeit ihres Abgeordne-
ten ein Bild machen können. Denken Sie daran: Ohne
Transparenz gibt es kein Vertrauen, und ohne Vertrauen
gibt es keine funktionierende parlamentarische Demo-
kratie.
Jörg van Essen (FDP): Anknüpfend an die große
öffentliche Debatte über die Vortragstätigkeit des Kolle-
gen Peer Steinbrück hat sich auch in meiner Fraktion
eine Diskussion darüber entwickelt, ob die bisher in den
Verhaltensregeln genannten drei Stufen für Nebenein-
künfte geeignet sind, der Öffentlichkeit die notwendige
Transparenz zu ermöglichen.
Für meine Fraktion lege ich Wert darauf, dass wir Ne-
bentätigkeiten von Abgeordneten grundsätzlich ermögli-
chen wollen. Im Gegensatz zu Beamten sind Freiberufler
nicht abgesichert, wenn sie durch den Willen des Wäh-
lers oder der Partei nicht wieder für eine weitere Tätig-
keit im Deutschen Bundestag nominiert werden. Es
macht deshalb Sinn, dass diese Kollegen einen Fuß in
der Tür zu ihrem bisherigen Beruf haben und deshalb
dann auch die Chance, in diesen nach einem Ausschei-
den aus dem Bundestag zurückzukehren.
Meine Fraktion lehnt die betragsgenaue Darlegung
der Nebeneinkünfte ab. Durch die zehn nunmehr zur
Verfügung stehenden Stufen kann sich der Bürger ein
zutreffendes Bild von der Wertigkeit einer Nebentätig-
keit machen. Das Bundesverfassungsgericht – darauf
weise ich ausdrücklich hin – hat so eine betragsgenaue
Darlegung auch nicht gefordert. Von daher halten wir die
nun zu verabschiedende Veränderung der Verhaltensre-
geln für einen guten Fortschritt, der zu zusätzlicher not-
wendiger Transparenz führen wird.
Raju Sharma (DIE LINKE): Wir befassen uns heute
erneut mit der Frage, wie Politik transparent gestaltet
werden kann. Speziell geht es um Transparenz in eigener
Sache, nämlich um die Offenlegung von Nebentätigkei-
ten, von Auftraggebern und von Nebeneinkommen. So
begrüßenswert es ist, dass das Thema Transparenz im
Bundestag endlich Konjunktur hat, so frustrierend ist es
zugleich, weil sich einfach nichts bewegt. Die Bundesre-
gierung mauert, wo sie kann: beim Lobbyistenregister,
bei der Korruptionsbekämpfung, bei der Parteienfinan-
zierung.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. März 2013 28599
(A) (C)
(D)(B)
Nun gab es eine öffentliche Debatte über Nebenein-
künfte. Der Begriff ist schon nicht ganz richtig, weil bei
manchem Kollegen das „Nebeneinkommen“ die Jahres-
diät schnell einmal um ein Mehrfaches übersteigt. Mit
dieser Debatte wurde die Bundesregierung jetzt sozu-
sagen zum Jagen getragen. Jetzt lautet der Vorschlag, die
Verhaltensregeln für die Abgeordneten so zu ändern,
dass Nebeneinkünfte nicht mehr in drei, sondern in zehn
Stufen veröffentlicht werden müssen.
Das ist nun das Gegenteil von Transparenz. Das ist
vielmehr eine Verschleierungstaktik. Ob 3, 10 oder 15
Stufen: Die Bürgerinnen und Bürger wollen zu Recht
wissen, für wen ihre Abgeordneten sonst noch tätig sind
und wie viel Geld fließt. Das ist ein berechtigtes Inte-
resse; denn nur so kann man sich ein Bild davon ma-
chen, in welche Abhängigkeiten oder Interessenkon-
flikte sich ein Abgeordneter möglicherweise begibt.
Diese Klarheit schafft eine Veröffentlichungspflicht mit
zehn Stufen nicht. Im Gegenteil: Genauso gut könnten
CDU und FDP vorschlagen, Nebeneinkommen in islän-
dischen Kronen, in römischen Ziffern und mit kyrilli-
schen Buchstaben zu veröffentlichen. Dann ist zwar alles
gesagt, das aber praktisch trotzdem nicht zu gebrauchen.
Die Linke sagt: Schluss mit dieser Verschleierungs-
taktik! Wir haben zwei übersichtliche Änderungsanträge
vorgelegt, denen jeder Abgeordnete ohne größere Pro-
bleme zustimmen könnte. Wir wollen die Veröffentli-
chung aller Nebeneinkünfte – und zwar auf Heller und
Pfennig. Natürlich sollen auch die Auftraggeber genannt
werden. Es ist doch relevant, zu wissen, ob ein Gesund-
heitspolitiker beispielsweise auf den Gehalts- und Hono-
rarlisten von Pharmakonzernen oder Lobbyorganisatio-
nen steht und, wenn ja, wie viel Geld genau fließt. Das
muss nicht zwangsläufig anrüchig sein. Damit sich aber
genau dazu jeder ein Bild machen kann, ist Transparenz
– echte Transparenz – notwendig.
Keine Fraktion, kein Abgeordneter sollte sich hier
zieren. Das Mandat ist unser Hauptberuf. Wir haben von
den Wählerinnen und Wählern einen Auftrag erhalten.
Wer glaubt, der Diener mehrerer Herren sein zu müssen,
soll sich wenigstens nicht in Schweigen hüllen, sondern
ehrlich und aufrecht Klarheit schaffen.
Ein beliebter Einwand ist das Problem mit Berufsge-
heimnisträgern wie Rechtsanwälten oder Ärzten. Hier ist
tatsächlich Fingerspitzengefühl und eine besondere Re-
gelung notwendig. Das Prinzip dabei sollte sein: So viel
Transparenz wie möglich, so viel Vertraulichkeit wie nö-
tig. Natürlich achtet die Linke beispielsweise die ärztliche
oder anwaltliche Schweigepflicht. Weder soll ein Straf-
verteidiger seine Mandanten preisgeben noch soll ein
Abgeordneter, der im Nebenberuf als Schönheitschirurg
tätig ist, seine Kundschaft in einer Drucksache des Bun-
destages outen müssen. Die Linke schlägt daher eine Re-
gelung vor, nach der in diesen und ähnlichen, klar ab-
grenzbaren Fällen statt des Auftraggebers die Branche
zu nennen ist. Wir halten das für einen praktikablen
Weg.
Die Abgeordneten der Linken leisten diese eigentlich
selbstverständliche Transparenz schon heute. Die Kolle-
ginnen und Kollegen meiner Fraktion veröffentlichen
freiwillig ihre Nebeneinkünfte centgenau. Nehmen Sie
sich daran ein Beispiel.
Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Meine Fraktion hat die anderen Fraktionen im Bundes-
tag zu einer umfassenden Transparenzinitiative aufge-
fordert. Transparenz schafft Vertrauen in politische Ent-
scheidungen, schützt sie vor Manipulationen mit dem
Scheckbuch und stützt die Legitimität unserer Demokra-
tie.
Dazu zählt auch echte Transparenz bei Nebeneinkünf-
ten von Abgeordneten. Bürgerinnen und Bürger haben
ein Recht, zu erfahren, welchen Nebentätigkeiten Abge-
ordnete neben ihrem Mandat nachgehen. Sie haben ein
Recht, zu erfahren, wie hoch die Einkünfte aus diesen
Nebentätigkeiten sind und welche Interessen die Abge-
ordneten in diesem Rahmen vertreten. Nur so ist für Bür-
gerinnen und Bürger nachvollziehbar, ob Abgeordnete
den Schwerpunkt ihrer Tätigkeit tatsächlich auf ihr Man-
dat legen. Und nur so ist für Bürgerinnen und Bürger er-
kennbar, ob eine Beeinflussung der Abgeordnetentätig-
keit droht.
Wir haben zu den heute zur Abstimmung stehenden
Änderungen der Verhaltensregeln für Abgeordnete er-
neut zwei Änderungsanträge eingebracht, die zu einem
echten Mehr an Transparenz führen sollen.
Wir fordern darin nicht zum ersten Mal die betragsge-
naue Offenlegung der Nebeneinkünfte in Euro und Cent.
Erst auf unsere beständigen Forderungen und auf das
Drängen der Öffentlichkeit nach mehr Transparenz hin
hat die Koalition sich veranlasst gesehen, Nebenein-
künfte nun nicht mehr in drei, sondern in zehn Stufen
veröffentlichen zu wollen. Ob Abgeordnete nun 8 000
oder 15 000 Euro aus einer Nebentätigkeit verdienen, ob
eine Tätigkeit 160 000 oder 250 000 Euro einbringt, das
spielt dabei weiterhin keine Rolle. Von den lauten Forde-
rungen aus der Koalition nach detailgenauer Offenle-
gung der Nebeneinkünfte des Kanzlerkandidaten der SPD
im letzten Jahr blieb erwartungsgemäß wenig übrig, als
es um die Offenlegung der eigenen Einkünfte ging.
Wir meinen, Bürgerinnen und Bürger sollen ganz ge-
nau erfahren, wie viel Geld Abgeordnete aus Nebentä-
tigkeiten beziehen, und fordern die Koalition erneut auf,
bei allen Abgeordneten des Bundestages das gleiche
Maß anzulegen, auch bei sich selbst.
Deutlich werden soll aber auch, wer bei Nebenein-
künften hinter den Aufträgen steckt. Deswegen verlan-
gen wir, dass Berufsgeheimnisträger, die den Namen ih-
rer Mandanten verschweigen dürfen, dann wenigstens
die Branche angeben müssen, aus der diese stammen.
Anlage 6
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des Antrags: Queere Jugendliche
unterstützen (Tagesordnungspunkt 16)
Dr. Peter Tauber (CDU/CSU): Wir hatten in den zu-
rückliegenden Jahren mehrfach die Gelegenheit, uns
28600 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. März 2013
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(D)(B)
über die Situation insbesondere von schwulen und lesbi-
schen Jugendlichen auszutauschen. Stets hat dabei die
Sachlichkeit und der Respekt vor diesem Personenkreis
im Vordergrund gestanden. Ich bin mir insofern sicher,
dass wir auch dieses Mal eine von gegenseitigem Re-
spekt geprägte Debatte führen werden.
Junge Menschen, die ein Coming-out als Lesbe, als
Schwuler, als Transsexueller haben, sind vor eine ganze
Reihe von Problemlagen gestellt, mit der sie umgehen
müssen. Neben der Frage der Reaktion ihres engsten
Umfelds wie Familie und Freunde ändern sich auch Per-
spektiven am Arbeitsplatz oder in der Schule. Nach wie
vor ist es in Deutschland so, dass ein Verständnis oder
eine Akzeptanz nicht selbstverständlich ist. Reaktionen
können noch immer sehr unterschiedlich ausfallen.
Junge Menschen in Deutschland müssen noch immer
eine Menge an Mut aufbringen, um zu ihrem Lebensent-
wurf offen zu stehen. Nicht selten ist davon zu hören,
dass Freunde oder sogar Eltern sich abwenden, wenn sie
mit einem Coming-out konfrontiert werden.
Andererseits sind wir uns alle einig, dass sich das Ver-
halten der Gesellschaft in vielfacher Art und Weise
grundlegend geändert hat. Schritt für Schritt geht unsere
Gesellschaft einen Weg hin zu einem respektvollen und
diskriminierungsfreien Umgang mit der Verschiedenheit
sexueller Orientierung. Dies ist jedoch noch längst nicht
selbstverständlich. Wie das individuelle Umfeld reagiert
und Formen einer gefühlten Andersartigkeit aufnimmt,
ist noch immer begleitet von Unberechenbarkeit. Für
Betroffene ist dies besonders quälend und belastend. Un-
ser Anspruch kann nicht sein, die Aufnahme dieses Per-
sonenkreises in unsere Mitte von Zufälligkeiten abhän-
gig zu machen. Dies wird unserem selbst gesetzten
Anspruch an eine diskriminierungsfreie Gesellschaft, die
auf gegenseitigem Verständnis füreinander und der Ak-
zeptanz verschiedener Lebensformen beruht, noch nicht
gerecht. Vieles wird nicht mehr offen ausgesprochen,
aber auch subtiles oder implizites Verhalten kann sehr
schmerzhaft und belastend sein.
Es muss eine Kultur der Vielfalt entstehen, allerdings
ohne den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu verlieren.
Aus diesem Grund ist es wichtig, besonders den Jugend-
lichen und jungen Erwachsenen ein Umfeld zu ermögli-
chen, in dem sie selbstbestimmt ihre sexuelle Orientie-
rung leben können.
Wahr ist aber auch: Die deutsche Gesellschaft ist be-
reits einen weiten Weg gegangen, wenn man betrachtet,
wo wir herkommen, und vor allen Dingen wenn wir uns
vergegenwärtigen, wie anderswo mit diesen Fragen der
Andersartigkeit umgegangen wird. Da brauchen wir
nicht bis in den muslimischen Kulturkreis zu gehen, da
reicht der Blick in das östliche Europa, wo Menschen
noch immer körperlicher Gewalt und anderen Formen
von Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt sind. Und
ich brauche an dieser Stelle nicht zu erwähnen, dass die
Weltgesundheitsorganisation WHO Homosexualität erst
1990 von der Liste psychischer Krankheiten strich.
Ich bin der Bundesregierung dankbar, dass sie bereits
eine ganze Reihe von Maßnahmen unterstützt, die auf ei-
nen Abbau noch bestehender Vorurteile und auf die
Schaffung eines besseren Klimas hinwirken. Ich möchte
an dieser Stelle betonen, dass die christlich-liberale Ko-
alition bei ihren jugendpolitischen Bemühungen die Un-
terschiedlichkeit von Jugendlichen berücksichtigt. Über
das Förderinstrument des Kinder- und Jugendplans des
Bundes unterstützt sie unterschiedliche Angebote zum
Beispiel für lesbische und schwule Jugendliche. Eine de-
taillierte Aufstellung des Engagements hat das BMFSFJ
bereits vor einiger Zeit vorgelegt.
Beispiel für das BMFSFJ ist das bundesweit agie-
rende Jugendnetzwerk Lambda e. V. Es vertritt die Inte-
ressen junger Lesben, Schwuler, Bisexueller und Trans-
gender in der Öffentlichkeit und wird seit 1990
regelmäßig aus Mitteln des Kinder- und Jugendplans ge-
fördert. Lambda bietet für Jugendliche eine Jugendbera-
tung an, in der die Jugendlichen in einer Peer-to-Peer-
Beratung Unterstützung bei Themen wie „Coming-out“,
„Partnerschaft“ und „Diskriminierung“ erhalten.
Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung
zum Beispiel adressiert lesbische, schwule und bisexu-
elle Jugendliche zum Themenbereich „Sexualaufklä-
rung“ und „Aidsprävention“. Die Broschüre „Hetero-
sexuell? Homosexuell? Sexuelle Orientierung und
Coming-out“ informiert spezifisch zum Coming-out und
spricht damit sowohl Jugendliche als auch ihre Eltern an.
Dies, um nur einige zentrale Beispiele zu benennen.
Eine ganze Reihe von Forderungen, die die Grünen in
ihrem Antrag stellen, fallen jedoch nicht in die Zustän-
digkeit des Bundes. Darauf wurde bereits mehrfach im
Rahmen der Debatten zu diesem Thema hingewiesen.
Bei allem Engagement in der Sache bleibt es dabei, dass
die verfassungsmäßigen Kompetenzen beachtet werden
müssen.
Besonders erfreulich ist, dass wir in den zurücklie-
genden Monaten beim Thema Intersexualität ein gutes
Stück weitergekommen sind. Durch die Änderung des
Personenstandrechts ist es in der Zukunft möglich, dass
intersexuelle Menschen sich nicht mehr entscheiden
müssen, ob sie in ihren offiziellen Dokumenten die binä-
ren Kategorien „männlich“ oder „weiblich“ angeben
müssen. Es steht den intersexuellen Menschen frei, sich
für eines der beiden Geschlechter zu entscheiden oder
die Eintragung offen zu lassen. Mit diesem Schritt gehö-
ren wir weltweit zu den Vorreitern. Ich hoffe, dass sich
viele weitere Staaten anschließen werden, und ich bin
guten Mutes, dass unser Beispiel in Europa Schule ma-
chen wird.
Ich freue mich, dass das BMFSFJ meinem Vorschlag
gefolgt ist und noch in diesem Jahr einen großen Kon-
gress zum Thema Intersexualität plant, in dem auf brei-
ter Basis ein Erfahrungsaustausch, eine Standortbestim-
mung und eine Koordination weiterer Maßnahmen
erfolgen wird. Ich denke, dies ist sehr wichtig. Insbeson-
dere ist es mir ein wichtiges Anliegen, das Thema „Ver-
bot von geschlechtsfestlegenden Operationen bei Min-
derjährigen“ anzugehen. Ich habe den Eindruck, dass wir
hier parteiübergreifend am gleichen Strang ziehen. Und
ich bin auch hier zuversichtlich, zu einer gemeinsamen
Lösung zu kommen, die im Sinne der intersexuellen
Menschen in Deutschland ist.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. März 2013 28601
(A) (C)
(D)(B)
Christel Humme (SPD): Heute debattieren wir über
einen Antrag der Grünen mit einem sperrigen Titel und
doch einem sehr berechtigten Anliegen.
Worum geht es?
Es geht darum, alle Jugendliche bei der Entwicklung
ihrer Persönlichkeit so zu stärken, dass sie ihre sexuelle
Orientierung und ihre Geschlechtsidentität selbstbe-
stimmt und angstfrei entdecken, akzeptieren und leben
können.
Bereits 2005 hat die damalige rot-grüne Koalition mit
dem Antrag „Schwule und lesbische Jugendliche – Mit-
tendrin statt außen vor“ die richtige Richtung vorgege-
ben: „Lesben und Schwule dürfen nicht länger als
‚Randgruppen‘ angesehen werden, sondern haben ganz
selbstverständlich ihren Platz in der Mitte der Gesell-
schaft.“
Diese Selbstverständlichkeit bezieht sich nicht nur
auf lesbische oder schwule Jugendliche, sondern auf alle
jungen Menschen, die für sich eine andere Form der
Sexualität und Geschlechtsidentität entdecken. Gay,
lesbian, bisexual, transsexual, transgender, intersexual:
Diese Varianten sexueller Orientierungen und Identitäten
verstecken sich hinter der vermutlich für viele Bürgerin-
nen und Bürger nicht unbedingt geläufigen englischen
Abkürzung GLBTTI. Alle diese Menschen eint die Er-
fahrung, anders zu sein als ihre Umgebung, anders als
die meisten ihrer Freunde, Bekannten, anders als das,
was sie bisher als vermeintlich normal und üblich ken-
nengelernt haben.
Vor diesem Hintergrund schrecken viele Jugendliche
vor dem sogenannten Coming-out, also dem offensiven
Umgang mit der eigenen Andersartigkeit, zurück. Und
das nicht ohne Grund. Spott, verletzende Kommentare
oder gar körperliche Gewalt gegenüber Lesben, Schwu-
len, bi-, trans- oder intersexuellen Menschen sind noch
immer weit verbreitet. Die Angst vor den Reaktionen der
eigenen Familie, der besten Freunde oder Freundinnen
führt viele dieser jungen Menschen in die Isolation und
Verzweiflung. Ihr Selbstmordrisiko ist Studien zufolge
signifikant höher als bei heterosexuellen Jugendlichen.
Was ist zu tun?
Wir müssen dafür sorgen, dass es endlich als normal
wahrgenommen wird, verschieden zu sein. Wir müssen
überall in unserer Gesellschaft eine Kultur der Anti-
diskriminierung und der Wertschätzung von Vielfalt
verankern. Dazu sind wir Politikerinnen und Politiker
gefordert. Wir müssen den Rahmen für eine diskriminie-
rungsfreie Gesellschaft setzen und mit nachhaltigen Prä-
ventionsstrategien gegensteuern.
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, AGG, hat
in diesem Zusammenhang eine wichtige Signalwirkung.
Denn es hat ausdrücklich auch zum Ziel, Benachteili-
gungen aufgrund der sexuellen Identität zu verhindern
oder zu beseitigen.
Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ha-
ben uns darüber hinaus stark dafür gemacht, das Gleich-
behandlungsgebot in Art. 3 unseres Grundgesetzes um
den entscheidenden Satz „Niemand darf wegen seiner
sexuellen Identität benachteiligt oder bevorzugt werden“
zu erweitern.
Leider, meine Damen und Herren von der Regie-
rungskoalition, haben Sie 2011 die Gesetzentwürfe von
SPD, Grünen und Linken ebenso abgelehnt wie vorher-
gehende Initiativen aus den Ländern. Damit wurde fahr-
lässig eine Gelegenheit für eine wichtige Botschaft ver-
worfen. Über alle Parteigrenzen hinweg hätten wir
dokumentieren können, dass Diskriminierungen unserer
Bürgerinnen und Bürger aufgrund ihrer sexuellen Identi-
tät alles andere als ein Kavaliersdelikt sind.
Auch die aktuellen Diskussionen und die heutige
Plenardebatte über die volle Gleichstellung von
Lebenspartnerschaften mit der Ehe und vor allem um das
Adoptionsrecht für lesbische und schwule Paare senden
die mehr oder weniger subtile Botschaft: Einige Bürge-
rinnen und einige Bürger sind durch ihre Art zu leben
und zu lieben weniger schützenswert als andere. Diese
Botschaft, die die Regierung Merkel damit aussendet, ist
beschämend und ein schleichendes Gift für eine bunte
und solidarische Gesellschaft.
Woher noch kommen eigentlich die Vorbehalte, die
Verachtung und der Hass, die vielen schwulen und lesbi-
schen Jugendlichen im Alltag noch immer entgegen-
schlagen?
Das Magazin der Süddeutschen Zeitung befragte
kürzlich Kinder aus sogenannten Regenbogenfamilien,
welche Erfahrungen sie machen, wenn sie anderen von
ihrer Familienkonstellation mit zwei Vätern oder zwei
Müttern erzählen. „Kinder nehmen das alles total normal
auf. Wenn, dann waren es immer die Eltern, die damit
ein Problem hatten.“ So bringt es ein Mädchen auf den
Punkt.
Ich finde diese Einschätzung ganz zentral. Sie zeigt:
Wir müssen gerade Erwachsene sensibilisieren, dass zu
dem traditionellen Familienbild, das sie als „normal“ an-
sehen, längst weitere Beziehungsformen getreten sind, in
denen Menschen füreinander langfristig Verantwortung
übernehmen. Keine ist der anderen überlegen, und alle
verdienen Unterstützung und Respekt.
Gleichzeitig – das macht auch der vorliegende Antrag
deutlich – brauchen vor allem die Jugendlichen selbst
passende Beratungs- und Unterstützungsangebote. Ne-
ben entsprechenden Angeboten vor Ort gehört für ratsu-
chende junge Menschen auf jeden Fall der Austausch
mit Gleichaltrigen dazu. Oft ist hier das Internet der erste
Schritt zur Vernetzung. Hier können häufig wichtige Im-
pulse gegeben werden, um das Selbstbewusstsein der
verunsicherten Jugendlichen zu stärken.
Stellvertretend für eine gelungene Ansprache möchte
ich die Internetplattform dbna erwähnen, die sich unter
dem Mut machenden Namen „du bist nicht allein“ seit
1997 ausschließlich an schwule und bisexuelle Jugendli-
che wendet.
Schule und vielfach auch der Sport sind die beiden
wichtigsten Bereiche im Alltag von Kindern und Ju-
gendlichen, in denen es zu diskriminierenden Situatio-
nen kommt und Aufklärung und Hilfe geleistet werden
28602 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. März 2013
(A) (C)
(D)(B)
muss. Die Lösungen sind bekannt, aber noch immer
nicht flächendeckend umgesetzt. Sexuelle Vielfalt muss
positiv vermittelt werden und selbstverständlich auch
Bestandteil in Schulbüchern sein. Denn Schwule, Les-
ben, Trans- und Intersexuelle gehören längst zur Lebens-
wirklichkeit unserer Gesellschaft, schaffen es aber noch
immer zu selten in die Lehrpläne der Schulen.
Lehrerinnen und Lehrer müssen schon während ihres
Studiums stärker für die Thematik sensibilisiert und
ebenso wie Beschäftigte in Jugend- und Sporteinrichtun-
gen entsprechend weitergebildet werden.
Für dies alles brauchen wir die Bereitschaft der Län-
der. Vielfach ist sie schon vorhanden. Mein Bundesland
NRW beispielsweise hat im Oktober 2012 einen „Ak-
tionsplan für Gleichstellung und Akzeptanz sexueller
und geschlechtlicher Vielfalt“ verabschiedet. Damit hat
die rot-grüne Landesregierung unter Hannelore Kraft
Antidiskriminierungspolitik erstmals zu einer Quer-
schnittsaufgabe aller Ressorts gemacht. Insgesamt über
100 Maßnahmen sollen dazu beitragen, wichtige gesell-
schaftliche Veränderungen anzustoßen und die Rechte
sexueller Minderheiten nicht nur auf dem Papier, son-
dern auch im Alltag zu stärken.
Ich bin stolz auf diesen Aktionsplan, an dem im Vor-
feld in einem breiten Beteiligungsprozess maßgeblich
auch Nichtregierungsorganisationen mitgewirkt haben.
Ich hoffe, dass das Beispiel von NRW, ebenso wie
gute Initiativen etwa aus Berlin und Rheinland-Pfalz,
auch in anderen Bundesländern Schule machen werden –
und so auch die Bundesregierung endlich dazu bringen
werden, einen nationalen Aktionsplan gegen Homo- und
Transphobie vorzulegen.
Ebenso wichtig ist eine fundierte Bestandsaufnahme
der Lebenssituation homosexueller Jugendlicher in
Deutschland, die wir bereits 2005 gefordert haben.
Lassen Sie mich nun noch auf eine Gruppe Jugendli-
cher zu sprechen kommen, über deren spezielle Nöte
und Bedürfnisse wir alle vermutlich erst durch die Anhö-
rung im Familienausschuss im Juni vergangenen Jahres
mehr erfahren haben. Ich rede von intersexuellen
Jugendlichen, die von den geschilderten Problemen bei
ihrer Identitätsfindung in besonderem Maße betroffen
sind. Sie – und ihre Angehörigen – benötigen daher spe-
zifische Beratungs- und Unterstützungsangebote.
Intersexuelle müssen in ihrem Menschenrecht auf
körperliche Unversehrtheit und Selbstbestimmung ge-
stärkt werden. Wir fordern – außer in Fällen akuter
Lebensgefahr – ein Verbot sämtlicher Geschlechtsopera-
tionen an minderjährigen intersexuellen Menschen. Nur
mit ihrer Einwilligung und auf ihren ausdrücklichen
Wunsch hin sollen diese Operationen mit ihren weitrei-
chenden Folgen künftig möglich sein.
Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ste-
hen für eine demokratische und tolerante Gesellschaft, in
der jede und jeder seine Persönlichkeit frei und ohne
Angst entfalten kann. Gerade Jugendliche, deren sexu-
elle Orientierung und geschlechtliche Identität nicht mit
den heterosexuell geprägten Strukturen übereinstimmen,
benötigen Hilfe und Unterstützung bei dem schwierigen
Prozess ihrer Selbstfindung.
Daher unterstützen wir den vorliegenden Antrag von
Bündnis 90/Die Grünen.
Michael Kauch (FDP): Für die FDP gilt: Diskrimi-
nierung ist nicht zu akzeptieren – egal wo und in welcher
Form sie in unserer Gesellschaft stattfindet. Deshalb ist
es für uns auch ein wichtiges Anliegen, dass schwule,
lesbische, bisexuelle, transsexuelle und intersexuelle Ju-
gendliche gleichberechtigte Chancen haben, ohne Dis-
kriminierung aufzuwachsen.
Auch die Studie im Auftrag des Bundesministeriums
für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zur Lebens-
situation und Diskriminierungserfahrungen von homo-
sexuellen Jugendlichen macht den gesellschaftlichen
Handlungsbedarf deutlich.
Es ist daher richtig, dass wir uns im Deutschen Bun-
destag mit diesem Themenkomplex befassen. Dennoch
muss uns allen klar sein, dass der Großteil der Vor-
schläge im vorliegenden Antrag, insbesondere zur Schul-
politik und Jugendhilfe vor Ort, in die Kompetenz der
Bundesländer fällt. Die Länder und Kommunen sind hier
in der Verantwortung und müssen dafür auch entspre-
chende Mittel bereitstellen. Auch ein möglicher Ak-
tionsplan muss diese föderale Aufgabenverteilung be-
achten.
Weiterhin ist es mir ein persönliches Anliegen, dass
die im Antrag erwähnten Zielgruppen nicht alle über ei-
nen Kamm geschoren werden. Ein schwuler Jugendli-
cher im Coming-out hat andere Bedürfnisse als ein trans-
sexueller Jugendlicher – und dieser oder diese wiederum
andere als ein intersexueller. Gleichzeitig ist gerade die
Gruppenidentität unterschiedlich: Kaum ein schwuler
Junge, kaum ein lesbisches Mädchen definiert sich als
„queer“. Sie sind zunächst froh, wenn sie ihre Identität
als schwul oder lesbisch gefunden haben.
Der Begriff LGBTTI mag politisch korrekt sein – An-
gebote, die auf LGBTTI als Gesamtgruppe zielen, dürf-
ten aber an der Lebenswirklichkeit der Jugendlichen vor-
beigehen. Unterstützen kann man diese Jugendlichen als
Gesamtgruppe allerdings sehr wohl, und zwar in der ge-
sellschaftlichen Unterstützung einer vielfältigen und to-
leranten Gesellschaft, in der das Individuum in seiner
Einzigartigkeit im Mittelpunkt steht.
Es besteht kein Zweifel, dass auch heute noch das Co-
ming-out eine Herausforderung ist. Lesbische und
schwule Jugendliche müssen ebenso wie trans- und in-
tersexuelle junge Menschen ihre Identität finden. Sie
müssen in Teilen der Gesellschaft stärker um ihre Ak-
zeptanz kämpfen und brauchen dafür Anerkennung und
Unterstützung. Unterstützung für Jugendliche im Co-
ming-out muss dabei auf eins achten: Sie darf die Ju-
gendlichen nicht durch eine falsche Antidiskriminie-
rungsrhetorik in eine Opferecke stellen. Stattdessen
müssen wir sie stolz und stark machen, dass sie ihre
Identität finden; denn selbstbewusste Jugendliche sind
seltener Opfer von Diskriminierung.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. März 2013 28603
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Gute Beispiele wie das schwul-lesbische Schulaufklä-
rungsprojekt SchLAu NRW, das Nachahmer in anderen
Bundesländern gefunden hat, müssen bundesweit ver-
breitet werden. Dazu leistet die Bundesstiftung „Magnus
Hirschfeld“ einen wichtigen Beitrag. Sie finanzierte als
ihr erstes Projekt die Bundesvernetzung der Schulaufklä-
rungsprojekte. Das ist ein gelungener Beitrag des Bun-
des.
Es waren die Liberalen, die in dieser Wahlperiode da-
für gesorgt haben, dass die Bundesstiftung Realität
wurde. Die Stiftung wurde bereits im Jahr 2000 vom
Bundestag versprochen. Dieses Versprechen wurde we-
der von Rot-Grün noch von Schwarz-Rot in die Realität
umgesetzt. Wir haben es gemacht und haben damit eine
Struktur geschaffen, die durch Bildung und Forschung
der Diskriminierung Homosexueller entgegenwirkt.
10 Millionen Euro Stiftungskapital haben wir dafür be-
reitgestellt. Wir Liberale arbeiten daran, dass die Finanz-
ausstattung der Stiftung in der nächsten Wahlperiode
noch weiter ausgebaut wird. Und als Kuratoriumsmit-
glied der Stiftung war und ist es mir ein vorrangiges An-
liegen, dass die Aufklärung in Schule und Jugendarbeit
dabei vorangebracht wird.
Abschließend danke ich den Sozialarbeiterinnen und
Sozialarbeitern in den schwul-lesbischen Jugendzentren,
aber vor allem den vielen ehrenamtlichen Helfern in den
Schulaufklärungsprojekten. Sie leisten die wertvolle Ar-
beit vor Ort, die wir von politischer Seite nur begleiten,
aber nicht ersetzen können.
Unser Ziel ist klar: Wir wollen, dass schwule, lesbi-
sche, bi-, trans- und intersexuelle Jugendliche so fühlen,
so lieben und so leben können, wie sie es wollen – frei
von Diskriminierung und stolz darauf, wie sie sind.
Dr. Barbara Höll (DIE LINKE): „Manchmal ist es
erschreckend, wenn ich den Anruf von Eltern erhalte, die
mir erklären, dass dies eine der letztgewählten Nummern
mit dem Handy gewesen sei, welches ihr transsexuelles
Kind gewählt habe, bevor es sich das Leben nahm, und
ich ihnen antworte: Ja, ihr Kind hatte einen Termin bei
uns, jetzt weiß ich, warum es nicht gekommen ist.“ So
Mari Günther, Leiterin des Zentrums „Queer leben“,
einem Beratungs- und Hilfeprojekt für Transsexuelle,
Transgender und Intersexuelle. Diese bedrückenden
Sätze sagte Mari Günther gestern in einem Gespräch zu
mir.
Mit dem Projekt „Queer leben“ wird Kindern, Ju-
gendlichen, jungen Erwachsenen und ihren Eltern gehol-
fen, wenn sie Probleme aufgrund ihrer sexuellen und ge-
schlechtlichen Identität und/oder der Diskriminierung
erfahren haben. Mehr als 20 Fachkräfte arbeiten dort.
Seit zwei Jahren existiert das Zentrum, an das sich Men-
schen aus dem gesamten Bundesgebiet wenden. Der Be-
darf ist riesig, deshalb werden fast im Wochentakt neue
Mitarbeiter eingestellt. Finanziert wird dies über die
Sozialhilfeträger der Kommunen, aus denen die Jugend-
lichen ursprünglich stammen.
Junge Menschen brauchen Hilfe und Unterstützung,
wenn sie im schwierigen Prozess der Findung ihrer sexu-
ellen und geschlechtlichen Identität sind, insbesondere
wenn sie nicht mit einer heterosexuellen „Normalität“
übereinstimmen. Hier können Konflikte entstehen.
Selbst wenn das familiäre Umfeld das Coming-out un-
terstützt, können die jungen Menschen mit Vorurteilen in
der Schule oder der Ausbildung konfrontiert werden.
Die Kinder und Jugendlichen wissen in den Konflikt-
situationen oftmals nicht, wo sie Hilfe und Unterstüt-
zung bekommen können. Manche Eltern, Betreuer und
Erzieher sind mit dieser Thematik überfordert. Dann lei-
den diese jungen Menschen massiv unter der fehlenden
Unterstützung.
Berliner Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter, die
obdachlose Jugendliche auf dem Berliner Alexander-
platz betreuen, berichten davon, dass etwa ein Viertel der
Jugendlichen wegen Diskriminierungserfahrungen auf-
grund ihrer sexuellen Identität von zu Hause weglaufen
und auf der Straße landen. Internationale Studien bele-
gen, dass Obdachlosigkeit überproportional lesbische,
schwule und Trans*Jugendliche betrifft. Auch das Sui-
zidrisiko ist enorm hoch.
Leider gibt es zu Deutschland keine systematischen
Untersuchungen und nur eine schlechte Datenlage zur
Problemlage dieser Jugendlichen. Umso unverständ-
licher ist es, dass die bereits 2005 angekündigte Studie
zur Situation von lesbischen und schwulen Jugendlichen
dem Deutschen Bundestag noch immer nicht vorgelegt
wurde.
Wir müssen handeln, deswegen unterstützen wir den
Antrag von Bündnis 90/Die Grünen als Zusammenfas-
sung notwendiger Maßnahmen.
Der rot-rote Berliner Senat verabschiedete im Jahr
2009 ein umfangreiches Maßnahmenpaket unter dem Ti-
tel „Berlin tritt ein für Selbstbestimmung und die Akzep-
tanz sexueller Vielfalt“ auf Anregung der Fraktion Die
Linke im Berliner Abgeordnetenhaus. Mit dem mit etwa
2,1 Millionen Euro ausgestatteten Paket wurde die Ak-
zeptanzförderung in Verwaltungen, Institutionen, der
Privatwirtschaft und bei Schulen sowie Kitas in Angriff
genommen. Der Schwerpunkt lag auf dem Bildungs-
bereich, also der Unterstützung queerer Jugendlicher.
Obwohl die Evaluation der Maßnahmen weiteren Hand-
lungsbedarf anmahnte, kürzte die nachfolgende Koa-
lition aus SPD und CDU die Mittel für diese Projekte.
Aber Berlin setzte ein Zeichen, das von den Bundes-
ländern Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Ham-
burg und jüngst Sachsen-Anhalt aufgegriffen wurde, die
ähnliche Maßnahmenpakete in Angriff nahmen und um-
setzten.
Doch Kinder und Jugendliche können sich nicht aus-
suchen, wo sie geboren werden und wie sie aufwachsen.
In einigen Bundesländern und Regionen werden queere
Jugendliche unterstützt und bekommen Hilfe, in anderen
nicht. Doch der Bund steht in der Pflicht. Er muss dafür
Sorge tragen, dass junge Menschen in allen Bundeslän-
dern und Regionen ähnlich gefördert werden, wenn sie
existenzielle Probleme bekommen. Es besteht Hand-
lungsbedarf.
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Ich wünsche mir, dass die jungen Menschen bald aus-
reichend gefördert werden, damit Mari Günther nie wie-
der derartige Anrufe von Angehörigen erhält.
Ulrich Schneider (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): In
diesen Tagen wird viel über lesbische und schwule Paare
diskutiert – in den Medien, vor dem Verfassungsgericht
und auch hier im Bundestag. Diese Debatten sind richtig
und wichtig. Aber wir dürfen über diese Debatten nicht
vergessen: Lesben und Schwule werden nicht in dem
Alter geboren, in dem man eine Partnerschaft eingeht,
eine Familie gründet oder gar für diese Familie vor Ge-
richten streitet. Nein, Lesben und Schwule sind anfangs
Kinder und später Jugendliche, die die gleichen Nöte
und Sorgen haben wie andere Jugendliche in der Puber-
tät auch. Sie fragen sich, ob ihre Klassenkameraden sie
hübsch finden. Sie fragen sich, ob sie jemandem ihre
Liebe gestehen sollen. Sie regen sich über ihre Eltern
und die Ungerechtigkeiten in der Welt auf.
Aber bei allen diesen Gemeinsamkeiten gibt es eben
auch wichtige Unterschiede:
Erstens. Lesbischen und schwulen Jugendlichen
fehlen die Role Models, die Bezugspersonen. Sie haben
oftmals keine Vorbilder in ihrer Familie, an ihrer Schule
oder im Freundeskreis.
Zweitens. Lesbische und schwule Jugendliche haben
sehr häufig das Gefühl, allein zu sein. Das einzige
Mädchen zu sein, das Herzklopfen beim Anblick ihrer
besten Freundin bekommt. Der einzige Junge zu sein,
der seinen Klassenkameraden hinterherguckt.
Drittens. Junge Lesben und Schwule wachsen immer
noch häufig in einem Umfeld auf, das strukturell homo-
phob ist. Hinzu kommt: Lesbische und schwule Jugend-
liche finden in Deutschland medial nicht statt. Lesben
und Schwule sind heute sichtbarer in den Medien als
noch vor 20 Jahren, aber es sind Menschen, die dem Ju-
gendalter längst entwachsen sind.
So bleibt „schwul“ eines der häufigsten Schimpfwör-
ter auf deutschen Schulhöfen. Lehrerinnen und Lehrer
gehen bei ihren Klassen unausgesprochen von deren
Heterosexualität aus. Mädchen, die Fußball spielen, wer-
den als Lesben denunziert, „Schwuchtel“ ist gleichbe-
deutend mit Versager. Und auch die Familie bietet oft
keinen Schutzraum. Die Frage „Wie sag ich’s meinen
Eltern?“ stellt sich fast allen lesbischen und schwulen
Jugendlichen.
Viele Jugendliche scheitern an ihrem Coming-out;
lesbische und schwule Jugendliche sind überdurch-
schnittlich häufig obdachlos. Ihr Suizidrisiko ist um ein
Mehrfaches höher. Dennoch gibt es kaum spezialisierte
Beratungsstellen in Deutschland.
Und gibt es ein Bewusstsein für diese Lücke bei der
Bundesregierung?
Es ist erschreckend, wie unsensibel die Bundesregie-
rung mit diesem Thema umgeht. Auf eine Kleine
Anfrage meiner Fraktion hat die Bundesregierung im
letzten Jahr geantwortet, dass in Deutschland „ein um-
fangreiches Netzwerk an Schwangerschaftsberatungs-
stellen“ zur Verfügung stünde. Kann das wirklich ernst
gemeint sein? Schwangerschaftskonfliktberatung ist
doch keine Beratung für Lesben und Schwule; es ist Be-
ratung für Heterosexuelle. Das ist kein Programm zur
Beratung von lesbischen und schwulen Jugendlichen.
Das ist nicht geschlechtersensibel. Das ist einfach nur ig-
norante Politik.
Des Weiteren stehen Notunterkünfte für queere Ju-
gendliche nur in wenigen Städten zur Verfügung. Und
auch Eltern, die Beratung suchen, finden häufig kein
passendes Angebot, insbesondere wenn sie schlecht
Deutsch sprechen.
Die Gruppen der transsexuellen Jugendlichen und der
intersexuellen Jugendlichen mögen zahlenmäßig klein
sein. Aber: Eine inklusive, diverse Gesellschaft verlangt
nicht nur die Gleichbehandlung aller, sondern auch das
Eingehen auf die speziellen Probleme von allen. Bei
transsexuellen Kindern und Jugendlichen scheint der
Fall klar zu sein: Die Altersbeschränkung im Transsexu-
ellengesetz gilt schon seit den frühen 80ern nicht mehr;
Kinder und Jugendliche können ihr gelebtes und gefühl-
tes Geschlecht in ihre Ausweispapiere eintragen lassen.
Aber wie der Fall Alex im letzten Jahr sehr deutlich ge-
macht hat: Nur weil etwas auf dem Papier steht, heißt
das noch lange nicht, dass es umgesetzt wird. Das Ju-
gendamt war wenig sensibel gegenüber diesem Mäd-
chen, das auf dem Papier noch ein Junge war.
Intersexuelle Jugendliche wiederum wissen oftmals
gar nichts von ihrer geschlechtlichen Besonderheit. Sie
müssen in ihren Rechten gestärkt und umfassend infor-
miert werden. Und mehr als das: Wie vom Deutschen
Ethikrat gefordert, müssen sie in die Entscheidungen
über medizinische Eingriffe einbezogen werden. Im
Dezember schrieb die Bundesregierung in der Antwort
auf die Kleine Anfrage meiner Fraktion zum Thema In-
tersexualität, dass ihre Meinungsbildung an diesem
Punkt noch nicht abgeschlossen sei. Für Bündnis 90/Die
Grünen ist klar: Jugendliche sind selbstständige Men-
schen und haben eigene Rechte. Sie dürfen Auto fahren,
sie dürfen eine Ausbildung beginnen, sie dürfen arbei-
ten. Aber sie dürfen nicht über medizinische Eingriffe
bestimmen, die ihnen im Extremfall die Chance nehmen,
Kinder zu bekommen und ein erfülltes Sexualleben zu
haben?
Wir sagen: Deshalb brauchen wir eine konzertierte
Aktion. Wir brauchen einen bundesweiten Aktionsplan
gegen Homophobie und Transphobie. Wir brauchen ei-
nen Aktionsplan für Toleranz und Vielfalt. Viele Bun-
desländer setzen ähnliche Pläne bereits um; Nordrhein-
Westfalen, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz
seien als Beispiele angeführt.
Der bundesweite Aktionsplan muss die für Jugendli-
che besonders wichtigen Bereiche Elternhaus, Schule,
Jugendhilfe und Sport umfassen und gezielte Beratungs-
angebote und Antidiskriminierungsmaßnahmen enthal-
ten. Denn darum sollte es uns allen gehen – allen jungen
Menschen das Gefühl zu geben: So, wie ihr seid, seid ihr
in unserer Gesellschaft willkommen!
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. März 2013 28605
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Anlage 7
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung der Beschlussempfehlung und des
Berichts:
– Verordnung zur Änderung der Vorschriften
über elektromagnetische Felder und das te-
lekommunikationsrechtliche Nachweisverfah-
ren
– Vierter Bericht der Bundesregierung über
die Forschungsergebnisse in Bezug auf die
Emissionsminderungsmöglichkeiten der ge-
samten Mobilfunktechnologie und in Bezug
auf gesundheitliche Auswirkungen
– Fünfter Bericht der Bundesregierung über
die Forschungsergebnisse in Bezug auf die
Emissionsminderungsmöglichkeiten der ge-
samten Mobilfunktechnologie und in Bezug
auf gesundheitliche Auswirkungen
(Tagesordnungspunkt 26)
Dr. Michael Paul (CDU/CSU): Technische Entwick-
lungen machen uns an vielen Stellen das Leben leichter.
Beinahe jeder hier im Saal benutzt täglich elektronische
Geräte – ob zur Kommunikation, zur Datenübertragung
oder im modernen Auto.
Aber die zunehmende Nutzung dieser Technologien
bedeutet gleichzeitig auch eine ansteigende Zahl von
elektrischen, magnetischen und elektromagnetischen
Feldern. Dabei unterscheidet man zwischen niederfre-
quenten Feldern, etwa im Bereich der Stromnetze mit
den bekannten 50 Hertz, und den hochfrequenten Fel-
dern, etwa im Handy, bei bis zu 1 800 Hertz.
Was vor 80 Jahren mit dem flächendeckenden Ausbau
der Stromnetze und der Erfindung von Rundfunk und
Fernsehen begann, setzt sich heute in der alltäglichen
Nutzung von Handys oder Smartphones, WLAN und
LTE-Netzen, Navigationssystemen oder Bluetooth-Ge-
räten fort. Die meisten von uns können sich diese An-
wendungen gar nicht mehr aus dem täglichen Leben
wegdenken.
Sosehr sie aber dem Menschen nutzen, muss bei jeder
bewährten und neuen Technologie sichergestellt sein,
dass von ihrer Nutzung keinerlei Schaden für Mensch
und Umwelt ausgeht. Genau diesem Ziel, dem Schutz
der Menschen und der Umwelt vor elektrischen, magne-
tischen und elektromagnetischen Feldern, dient die heute
debattierte Regelung: die Verordnung zur Änderung der
Vorschriften über elektromagnetische Felder und das te-
lekommunikationsrechtliche Nachweisverfahren.
Dass mit dieser Regelung das Ziel, Mensch und Um-
welt zu schützen, erreicht wird, bestätigen zahlreiche re-
nommierte Wissenschaftler, die jahrelange Erfahrung
auf dem Gebiet der Wirkung solcher elektromagneti-
scher Felder auf den menschlichen Körper gesammelt
haben.
International führend ist auf diesem Gebiet die Inter-
nationale Kommission für den Schutz vor nichtionisie-
render Strahlung, ICNIRP: International Commission on
NonIonizing Radiation Protection, in der Wissenschaft-
ler aus Schweden, Australien, Finnland, den USA, Ita-
lien, den Philippinen, Großbritannien, den Niederlanden,
Japan, Österreich und Deutschland zusammenarbeiten.
Der Vorsitzende dieser hochrangigen Kommission, Herr
Rüdiger Matthes, der gleichzeitig im Bundesamt für
Strahlenschutz für den Schutz vor nichtionisierender
Strahlung zuständig ist, war Sachverständiger in der An-
hörung des Bundestags-Umweltausschusses am 27. Fe-
bruar 2013. Dort teilte er mit – ich zitiere –: „Die in der
Novelle“ – 26. BImSchV – „vorgeschlagenen Grenz-
werte sind nach aktuellem wissenschaftlichem Kenntnis-
stand geeignet, vor allen nachgewiesenen Gesundheits-
wirkungen und den damit verbundenen Gefahren zu
schützen.“
Meine Fraktion und ich persönlich halten es für sehr
wichtig, die berechtigten Befürchtungen der Menschen
vor negativen Auswirkungen elektromagnetischer Felder
auf die Gesundheit ernst zu nehmen. Wir alle in diesem
Haus sollten – bei aller auch notwendigen Auseinander-
setzung in der Sache – uns nicht gegenseitig den Willen
absprechen, die menschliche Gesundheit und unsere
Umwelt vor negativen Einwirkungen schützen zu wol-
len. Aber, meine Damen und Herren von der Opposition:
Angst machen ist kein Beitrag zur Lösung!
Es ist richtig, dass wir transparent mit den möglichen
Einwirkungen elektromagnetischer Felder auf den mensch-
lichen Körper umgehen und diese offen aussprechen.
Denn dass hoch- und niederfrequente elektrische und
magnetische Felder hier negative Folgen haben können,
steht fest. Ebenso steht aber fest, dass Art, Größenord-
nung und Verteilung der Felder durch die technische
Ausgestaltung erheblichen Einfluss auf die Folgen haben
und diese zum Positiven verändern können. Ebenso gilt
der Grundsatz, dass elektromagnetische Felder mit
wachsendem Abstand zur Quelle abnehmen.
Zentrale Bestandteile der hier vorliegenden Neurege-
lung sind deshalb die festgelegten Abstände und Feld-
grenzwerte. Für beide Punkte setzen die Regelungen die
Empfehlungen des Rates der Europäischen Union, der
ICNIRP und der deutschen Strahlenschutzkommission
ohne jede Einschränkung um.
Die Opposition macht es sich leicht, indem sie nach
jeder neuen Grenzwertfestlegung noch strengere Grenz-
werte fordert und nach noch geringeren Abständen ruft.
Das führt aber in der Sache nicht weiter. Mehr noch: Der
Vorwurf der Opposition, die Grenzwerte seien im Aus-
land viel strenger als bei uns, ist nicht nur in der Sache
haltlos, sondern zeigt auch noch, dass die Systematik ei-
nes Grenzwerts nicht verstanden wurde.
Zum einen haben im internationalen Vergleich von
52 Ländern mit bekannten Grenzwerten genau drei Län-
der scheinbar strengere „Grenzwerte“ festgelegt als wir
in Deutschland. Das hieße, dass Deutschland die viert-
strengsten Grenzwerte hätte, was für sich genommen ja
schon nicht schlecht wäre. Tatsächlich aber muss man
wissen, dass in diesen drei Ländern die Werte entweder
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nur Empfehlung sind und daher keinen zwingenden
rechtlichen Charakter haben oder sie für eine durch-
schnittliche Anlagenauslastung festgelegt wurden – also
bei halber Leistung der Anlage gemessen –, während
sich unsere Grenzwerte auf die volle Anlagenauslastung
beziehen. Hier werden also Äpfel mit Birnen verglichen.
Bei einem objektiven Vergleich haben wir bei uns die
anspruchsvollsten Grenzwerte!
Andererseits ist die Funktion der Grenzwerte sicherzu-
stellen, dass bei ihrer Unterschreitung nach ständig ak-
tualisiertem Stand von Wissenschaft und Technik keine
Gesundheitsbeeinträchtigungen beim Menschen entste-
hen können. Genau das hat die Internationale Strahlen-
schutzkommission für die hier festgelegten Grenzwerte
nachgewiesen.
Das bedeutet: Strengere Grenz- und vor allem Ab-
standswerte würden zwar die Kosten zum Beispiel des
Netzausbaus – zulasten der Verbraucher – verteuern, auf
der anderen Seite aber den Schutz von Mensch und Na-
tur kein Stück voranbringen. Mehr noch: Der durch die
Energiewende nötige Ausbau der Stromnetze würde we-
sentlich erschwert. Damit in Zukunft in Ballungsräumen
wie dem Ruhrgebiet die Menschen und die Industrie mit
dem Windstrom von der Nord- und Ostsee versorgt wer-
den können, sind nun einmal Tausende Kilometer neuer
Hochspannungsleitungen nötig. Das gilt erst recht, wenn
ich Sie, meine Damen und Herren von der Opposition,
ernst nehmen würde in Ihrer Forderung, nach dem Aus-
stieg aus der Kernenergie auch aus der Kohle aussteigen
zu wollen. Das zeigt: Ihre Forderungen passen nicht zu-
sammen!
Eine wichtige Frage, die viele Menschen bewegt, ist,
ob bei Einführung der hier vorgesehenen Grenzwerte für
elektromagnetische Felder die Gefahr besteht, dass diese
Felder beim Menschen Krebserkrankungen hervorrufen.
Die Opposition verkürzt daraus die Aussage: Elektro-
magnetische Felder sind krebserregend – obwohl sie es
besser weiß. Denn in der Sachverständigenanhörung des
Umweltausschusses hat Herr Professor Leitgeb, Vorsit-
zender der deutschen Strahlenschutzkommission, SSK,
die Hintergründe dieses angstschürenden, plakativen
Satzes erklärt: Basis der Behauptung ist eine Untersu-
chung der International Agency for Research on Cancer,
IARC, eines Untergremiums der Weltgesundheitsorgani-
sation, WHO. Diese Kommission untersucht Stoffe und
Geräte daraufhin, ob durch sie, bei entsprechender An-
wendung oder Verwendung, die Gefahr einer möglichen
Krebserkrankung besteht. Die IARC hat 2002 bezie-
hungsweise 2011 festgestellt, was auch schon zuvor be-
kannt war: Durch elektromagnetische Felder kann mög-
licherweise dann Krebs entstehen, wenn diese in
entsprechender Dauer und Intensität auf den Menschen
einwirken. Aber eben auch nur unter dieser Bedingung.
Oder, um es mit Paracelsus’ Worten zu sagen: Die Dosis
macht das Gift!
Genau aus diesem Grund ist zum Beispiel auch der
Stoff „Kaffee“ in die gleiche Kategorie der Krebsgefahr
eingestuft worden wie die elektromagnetischen Felder,
weil bei entsprechend intensivem Konsum die Besorgnis
von Darmkrebs festgestellt wurde.
Diesen Zusammenhang, dass es auf die Dauer und die
Intensität der Einwirkung entscheidend ankommt, muss
man kennen und benennen, wenn man die Menschen in
unserem Land nicht verängstigen will. Das wird aber in
der Diskussion von Ihnen, den Damen und Herren der
Opposition, schlicht außen vor gelassen. Damit schüren
Sie Angst! Das hat nichts damit zu tun, die berechtigten
Sorgen und Befürchtungen der Menschen ernst zu neh-
men.
Lassen Sie mich die wesentlichen Änderungen dieser
Regelung zusammenfassen:
Zwar bestehen im Moment bereits hinreichende Ab-
stands- und Grenzwertfestlegungen für Strom- und
Bahntrassen, Transformatoren und Schaltanlagen, je-
doch nur im Bereich des Wechselstroms und auch nur im
gewerblichen Bereich. Diese Regelungslücken schließen
wir. Es werden erstmals Regeln für Gleichstromanlagen
getroffen. Das ist deshalb wichtig, weil die Windkraft
vom Norden über weite Strecken nach Westen und Sü-
den transportiert werden muss. Das erfordert erstmalig
den Bau neuer, verlustfreier Hochspannungsgleich-
stromübertragungsleitungen, die bisher in Deutschland
nicht verwendet wurden.
Die digitale Funktechnologie macht Polizei, Feuer-
wehr und Katastrophenschutz einsatzfähiger, aber auch
diese Technik erzeugt elektromagnetische Felder. Die
öffentlichen und privaten Anlagen werden nun wie die
gewerblichen erfasst.
Die Regelungen werden nun an die technischen
Neuerungen der vergangenen 15 Jahre angepasst. Denn
die Elektromobilität spart zwar CO2-Emissionen, aber
die Ladestationen für die Fahrzeuge schaffen durch ihre
Induktionsladetechnik neue elektrische Felder. Für diese
neuen Techniken werden jetzt erstmalig Grenzwerte ein-
geführt, die die Gesundheit der Menschen und den
Schutz der Umwelt sicherstellen.
Damit dieser Schutz aber dauerhaft und auch trotz al-
ler zukünftigen technischen Entwicklungen stets ge-
währleistet ist, werden durch diese Neuregelung darüber
hinaus erstens eine regelmäßige Überprüfung der beste-
henden Grenz- und Abstandswerte und gegebenenfalls
die Anpassung an den Stand von Wissenschaft und Tech-
nik festgelegt, zweitens eine neue Minderungspflicht für
Betreiber von Niederfrequenz- und Gleichstromanlagen
eingeführt, die gewährleistet, dass der Betrieb dieser An-
lagen den maximalen Schutz von Bevölkerung und
Umwelt sicherstellt, und drittens im Bereich der Mobil-
funknetze die Selbstverpflichtung der Betreiber weiter-
entwickelt.
Dadurch soll die dauerhafte Finanzierung bestehender
Forschungsprogramme gesichert werden, damit auch zu-
künftig noch unbekannte Gefahren von hochfrequenten
elektromagnetischen Feldern für die Gesundheit des
Menschen erforscht werden. Darüber hinaus wünsche
ich mir, dass eine entsprechende Selbstverpflichtung
auch von den Übertragungsnetzbetreibern abgegeben
wird, in der sie sich an den Kosten der Forschung im Be-
reich der niederfrequenten Netze beteiligen.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. März 2013 28607
(A) (C)
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Dirk Becker (SPD): Die Bundesregierung legt einen
Entwurf für eine Verordnung vor, die die Guidelines der
Internationalen Kommission zum Schutz vor nichtioni-
sierender Strahlung, ICNIRP, von 2010 sowie die ent-
sprechend angepasste EU-Ratsempfehlung umsetzt.
Es wird damit versucht, neue und neuartige Technolo-
gien mit der 26. Bundes-Immissionsschutzverordnung,
26. BImSchV, zu erfassen und zu regeln.
Die SPD-Fraktion begrüßt ausdrücklich, dass unter
die Regelung auch Hochspannungsgleichstromanlagen,
HGÜ, fallen sollen sowie der Anwendungsbereich auf
gewerbliche, hoheitliche und private ortsfeste Anlagen
ausgeweitet werden soll. Auch die Erfassung des Be-
reichs der Niederfrequenzen von 1 Hertz bis 100 Kilo-
hertz und das neu eingeführte Minimierungsgebot begrü-
ßen wir.
Ich muss jedoch sagen, dass die Bundesregierung mit
ihrem Verordnungsentwurf weit hinter dem Möglichen
und Nötigen geblieben ist.
Nach langen Diskussionen wurden 2001 noch unter
der rot-grünen Bundesregierung Regelungen getroffen
und Grenzwerte festgelegt, die ausdrücklich nicht in
Stein gemeißelt sein sollten. Die Strahlenschutzkommis-
sion, SSK, stellte bereits damals fest, dass es großen
Forschungsbedarf gebe, der gegebenenfalls eine Neube-
wertung der Thematik und eine Neufestsetzung von ver-
schärften Grenzwerten nötig machen könnte.
Bereits seit nunmehr über zehn Jahren wird intensiv
geforscht, und weltweit erzielte Studienergebnisse wer-
den aufgearbeitet. Das Deutsche Mobilfunk-Forschungs-
programm, DMF, mit seinen über 50 Projekten sei hier
nur stellvertretend erwähnt. Weltweit liegen mittlerweile
über 20 000 Studien vor. Auch wenn es bisher keine
wissenschaftlich anerkannten Beweise für gesundheits-
relevante Wirkungen elektrischer, magnetischer und
elektromagnetischer Felder über die bisher bekannten
– insbesondere thermischen – Wirkzusammenhänge gibt,
so verdichten sich doch die Hinweise auf potenzielle
athermische Gefährdungen. Das mag daran liegen, dass
die Beweisführung in diesem Bereich äußerst schwer ist,
weil es noch an Erfahrungen mit Langzeitwirkungen
mangelt. Auch ist es schwierig, mit experimentellen Un-
tersuchungen die erhöhten Expositionen und chronische
Erkrankungen in Zusammenhang zu setzen, der Beweis-
kraft erlangen könnte.
Die Internationale Krebsforschungsagentur, IARC,
der Weltgesundheitsorganisation hat aber bereits auf die
Datenbasis reagiert und nieder- und auch hochfrequente
elektromagnetische Felder als möglicherweise krebser-
regend eingestuft.
Leider muss ich feststellen, dass die Bundesregierung
aus all dem keine Konsequenzen zieht. Wir werfen der
Bundesregierung daher vor, dass sie mit der Verordnung
den aktuellen wissenschaftlichen Forschungs- und Er-
kenntnisstand nicht aufnimmt. Wider besseres Wissen
hält sie an den überkommenen Grenzwerten fest. Es
wird immer deutlicher, dass die Grenzwerte zu nah an
den real nachweisbaren Wirkzusammenhängen liegen,
also den nötigen Vorsorgeabstand vermissen lassen. Eine
verantwortungsbewusste Politik schaut anders aus.
Wir kritisieren die Bundesregierung außerdem, weil
die Verordnung handwerklich schlecht gemacht ist. Für
was lässt sich die Bundesregierung von der Strahlen-
schutzkommission beraten und finanziert diese, wenn
die SSK offensichtlich bei der Erarbeitung der Verord-
nung nicht mitwirken durfte? Daraus folgt die weitere
Frage, auf welche Daten und Beratung die Bundesregie-
rung überhaupt zurückgegriffen hat. Nachvollziehbare
und transparente Rechtssetzung schaut ebenfalls anders
aus.
In Zeiten wie diesen, in denen die Menschen zuneh-
mend den verschiedenartigsten Belastungen und gesund-
heitlichen Risiken ausgesetzt sind, muss der Staat seine
Aufgaben und Pflichten zum Schutz der Bevölkerung
und zur Minimierung von gesundheitsrelevanten Risiken
konsequent erfüllen.
Wie in vielen Bereichen des Verbraucher- und Ge-
sundheitsschutzes kommt diese Bundesregierung auch
mit dieser Verordnung ihrer Schutz- und Vorsorgepflicht
nicht nach.
Auch kritisieren wir, dass sich die Bundesregierung
offensichtlich um keine internationale und europäische
Harmonisierung der Grenzwerte und rechtlichen Rege-
lungen bemüht. Die EU regelt viele Lebensbereiche bis
ins kleinste Detail gemeinschaftlich. Im Bereich der
Grenzwerte für elektromagnetische Felder ist Europa
aber noch immer ein bunter Flickenteppich. Und be-
trachtet man die einzelnen Regelungen, kann man davon
ableiten, dass der Bundesregierung der Vorsorgeschutz
weitgehend egal ist. Andere Länder sind wesentlich kon-
sequenter und weiter. Klar ist hier an erster Stelle die
Schweiz zu nennen. Aber auch Polen, Großbritannien
und die Niederlande nehmen das Schutzbedürfnis ihrer
Bürger ernster.
Die SPD-Fraktion fordert die Bundesregierung daher
auf – so wie sie es bereits mit ihrem Entschließungsan-
trag in den Ausschüssen getan hat –, diesen Verord-
nungsentwurf zurückzuziehen und grundlegend zu über-
arbeiten.
Dem aktuellen Erkenntnisstand der bisher erfolgten
Forschungsanstrengungen muss Rechnung getragen
werden, und die Grenzwerte für elektromagnetische Fel-
der müssen mit einem sinnvollen Vorsorgefaktor ver-
schärft werden. Hier gibt es in anderen Ländern teils
sehr gute Beispiele, wie das geschehen könnte.
Wir brauchen also vorsorgeorientierte und insbeson-
dere auch kindgerechte Grenzwerte für sensible Orte wie
Kitas, Schulen und Krankenhäuser, aber auch für Privat-
räume wie Schlaf-, Kinder- und Wohnzimmer – und das
sowohl für den Niederfrequenzbereich als auch für den
Hochfrequenzbereich. In unserem Entschließungsantrag
haben wir dazu konkrete Vorschläge unterbreitet.
Künftige auftretende starke Feldquellen müssen von
der Verordnung ebenfalls erfasst werden, damit von An-
fang an eine Regelung für diese neuen Technologien be-
steht. Das geplante Minimierungsgebot soll unter An-
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wendung des Standes der Technik auf alle Bereiche der
nichtionisierenden Strahlung ausgeweitet und regelmä-
ßig evaluiert werden. Überhaupt müssen alle von einer
Anlage erzeugten Frequenzen wie Oberwellen und Sei-
tenbänder für die Grenzwertermittlung herangezogen
werden.
Alle neuen Stromübertragungsanlagen wie Höchst-
und Hochspannungsleitungen – und nach Übergangsfris-
ten auch bestehende Altanlagen – müssen in das Über-
spannungsverbot einbezogen werden.
Mit Blick auf die Energiewende und den damit ver-
bundenen Bedarf nach Ausbau und Neubau von Strom-
netzen ist ein Pilotprojekt zur Demonstration der Vorteile
von modernen Kompaktbauweisen bei Strommasten
mehr als sinnvoll. Damit könnte der Stand der Technik
beim Leitungsbau überprüft und die Akzeptanz neuer
Stromtrassen erhöht werden.
Weiter soll sich die Bundesregierung um zumindest
eine europäische Harmonisierung bemühen. Es kann
nicht angehen, dass in diesem hochsensiblen Bereich
noch immer mit vielen unterschiedlichen Maßstäben ge-
arbeitet wird.
In der Begründung zum Verordnungsentwurf schreibt
die Bundesregierung selbst, dass „die Exposition durch
elektrische, magnetische und elektromagnetische Felder
in der heutigen Umwelt infolge der Nutzung moderner
Technologien, dem Ausbau des Hochspannungsnetzes
und der technischen Weiterentwicklung seit Jahren zu-
nehmen“. Es ist auch mit einer weiteren Zunahme
– Stichworte: smart grids, smart homes, Fernablesung
etc. – zu rechnen. Die Bundesregierung muss sich also
endlich ihrer Verantwortung bewusst werden und ihre
Pflichten zum vorsorgenden Schutz der Bevölkerung
wahrnehmen. Die SPD-Fraktion ist dann auch zur Zu-
sammenarbeit bereit.
Judith Skudelny (FDP): Deutschland ist ein High-
techland. Darauf sind wir stolz und wollen unseren Stan-
dard stetig verbessern. Dazu gehört auch der Umgang
mit elektrischen, magnetischen und elektromagnetischen
Feldern, die von den meisten der Geräte – Handy, Lap-
top etc. – ausgehen.
Die vorliegende Verordnung wird der schwierigen
Balance zwischen dem Erfordernis des Schutzes und der
Vorsorge vor schädlichen Umwelteinwirkungen und
dem offensichtlichen Bedarf an der Nutzung moderner
Technologien gerecht. Beispielsweise dem dringend not-
wendigen Leitungsausbau zur Umsetzung der Energie-
wende und der Nutzung von Mobilfunkgeräten.
Die Novellierung dient der Anpassung an den neues-
ten technischen und wissenschaftlichen Stand. Dabei
bleiben die Grenzwerte im Wesentlichen bestehen. Diese
Beibehaltung der Grenzwerte ist richtig, da auch nach
Erkenntnissen der Strahlenschutzkommission, SSK,
keine wissenschaftlichen Erkenntnisse vorliegen, die
eine Änderung des bisherigen Schutz- und Grenzwert-
konzepts rechtfertigen. Dies bestätigen auch der vorlie-
gende vierte und fünfte Bericht der Bundesregierung
über die Forschungsergebnisse in Bezug auf die Emissi-
onsminderungsmöglichkeiten der gesamten Mobilfunk-
technologie und in Bezug auf gesundheitliche Auswir-
kungen.
So kommt die Strahlenschutzkommission zu dem
Schluss, dass auch nach Bewertung der neueren Litera-
tur keine wissenschaftlichen Erkenntnisse im Hinblick
auf mögliche Beeinträchtigungen der Gesundheit durch
niederfrequente elektrische und magnetische Felder vor-
liegen, die ausreichend belastungsfähig wären, um eine
Veränderung der bestehenden Grenzwertregelung der
26. BImSchV zu rechtfertigen. Aus der Analyse der vor-
liegenden wissenschaftlichen Literatur ergeben sich
auch keine ausreichenden Belege, um zusätzliche verrin-
gerte Vorsorgewerte zu empfehlen, von denen ein quan-
tifizierbarer gesundheitlicher Nutzen zu erwarten wäre.
Zu den wesentlichen Neuerungen der vorliegenden
Verordnung zählt die Erweiterung des Anwendungsbe-
reichs auf alle Frequenzbereiche. Erfasst wird damit
auch die Hochspannungs-Gleichstromübertragung,
HGÜ. Diese spielt im Rahmen der Energiewende beim
Leitungsausbau eine wesentliche Rolle und war bisher
nicht geregelt. Auch die Beschränkung der Regelung auf
gewerblich betriebene Anlagen entfällt. Damit wird
künftig auch der Digitalfunk der Behörden und Organi-
sationen mit Sicherheitsaufgaben, BOS-Anlagen, von
der Verordnung erfasst.
Außerdem soll beim Bau neuer Stromtrassen künftig
die Überspannung von Wohngebäuden untersagt wer-
den. Eine weitere wesentliche Neuerung stellt das soge-
nannte Minderungsgebot dar, wonach in der Verordnung
festgelegt ist, dass auch beim Ausbau der Stromnetze
elektrische und magnetische Felder zu mindern sind.
Bei der Debatte werden immer die Gefahren der
Strahlung angeprangert. Welchen Nutzen uns beispiels-
weise die moderne Telekommunikation und die Strom-
leitungen bringen, wird immer nur am Rande themati-
siert.
Doch wenn man ehrlich ist, besitzt nahezu jeder ein
oder sogar mehrere Handys und Laptops. Wir alle, auch
die Kolleginnen und Kollegen der Opposition, möchten
überall und rund um die Uhr erreichbar sein. So sind
technische Anwendungen, die elektromagnetische Fel-
der nutzen, wie drahtlose Informationsübertragungs- und
Kommunikationsverfahren, ein nicht mehr wegzuden-
kender Bestandteil unseres Lebens geworden. Dies zeigt,
dass wir uns bewusst für diese Technik entschieden ha-
ben und diese befürworten.
Beispielsweise haben wir es den Handys zu verdan-
ken, dass Hilfe wesentlich schneller am Unfallort ein-
trifft. Viele Eltern geben ihren Kindern Handys, damit
sie sich im Notfall immer melden können und so auch
selbstständiger sein können. Bei der Verfolgung von
Straftaten wird die Möglichkeit der Ortung durch das
Handy erfolgreich eingesetzt, um nur einige Beispiele zu
nennen.
Der Ausbau der Stromleitungen, insbesondere der
HGÜ-Leitungen, ist enorm wichtig für die von allen
Bürgern zu Recht geforderte Versorgungssicherheit. Es
ist scheinheilig von der Opposition, auf der einen Seite
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. März 2013 28609
(A) (C)
(D)(B)
die Energiewende zu fordern, aber auf der anderen Seite
den Bürgern gegenüber nicht offen und ehrlich zu sagen,
dass wir hierfür neue Leitungen brauchen, von denen
entsprechende Felder ausgehen.
Wir müssen also eine angemessene Balance finden,
um mit den positiven Errungenschaften der Nutzung mo-
derner Technologien einerseits und den elektrischen,
magnetischen und elektromagnetischen Feldern anderer-
seits umzugehen.
Dieser Anforderung wird die vorliegende Novelle ge-
recht. So wird mit ihr eine ausgewogene Regelung zum
Schutz und zur Vorsorge vor gesundheitlichen Auswir-
kungen nichtionisierender Strahlung geschaffen. Außer-
dem flankiert die Novellierung der Verordnung den zügi-
gen Ausbau der Übertragungsnetze im Hoch- und
Höchstspannungsbereich.
Vorsorgender Gesundheitsschutz mit Augenmaß führt
insgesamt zu einer Verbesserung des Strahlenschutzes
und dadurch zu einer höheren Akzeptanz des Netzaus-
baus durch die Bevölkerung vor Ort, ohne die Kosten
des Netzausbaus und damit die Stromkosten weiter in
die Höhe zu treiben.
Wenn die Opposition erwähnt, dass die Schweiz und
Italien niedrigere Grenzwerte als Deutschland haben
und als sie zum Beispiel von der Internationalen Kom-
mission zum Schutz vor nichtionisierender Strahlung,
ICNIRP, empfohlen werden, ist es wichtig zu wissen,
dass diese Werte nicht auf dem Nachweis neuer Gesund-
heitsbeeinträchtigungen oder auf einem konkreten Ver-
dacht, wissenschaftlich mit allgemeinen wissenschaftli-
chen Unsicherheiten begründet, beruhen.
Auch werden die Grenzwerte der 26. BImSchV in den
meisten Fällen nicht ausgeschöpft.
Interessant ist, dass die Opposition in ihren beiden
Entschließungsanträgen einige der Anregungen unseres
Sachverständigen Professor Norbert Leitgeb der Anhö-
rung am 27. Februar 2013 aufgenommen hat, beispiels-
weise die Forderung nach der Erfassung neuer Technolo-
gien durch die vorliegende Novellierung. Dies ist auch
für uns ein sehr wichtiges Anliegen, da wir eine techno-
logieoffene Entwicklung fördern. Wir sind diesen Anre-
gungen nachgegangen. Der Anwendungsbereich der
Verordnung sowie die Begriffsbestimmungen für Hoch-
frequenz- und Niederfrequenzanlagen sind so gefasst,
dass grundsätzlich auch künftig häufig auftretende Feld-
quellen neuer Technologien erfasst werden. So werden
beispielsweise Anlagen zur induktiven Energieübertra-
gung, wie zum Beispiel Ladestationen für Elektroautos,
erfasst.
Richtig ist, dass es in Bezug auf die Langzeitwirkung
von Handystrahlung und auf die Reaktion von Kindern
auf hochfrequente elektromagnetische Felder noch keine
ausreichenden Erkenntnisse gibt. Hier besteht weiterer
Forschungsbedarf. Entsprechende Studien wurden auch
bereits begonnen. Das Wissen über die biologischen
Wirkungen von Feldern insgesamt ist aber bereits so um-
fangreich, dass durchaus eine verantwortliche Entschei-
dung über die Festsetzung von Grenzwerten zum Schutz
der Bevölkerung erfolgen kann.
Bei der Novellierung der 26. BImSchV kann es nicht
darum gehen, die weitere Nutzung der Mobilfunktech-
nologie nur dann zuzulassen, wenn ihre Unschädlichkeit
bewiesen ist. Ein solcher Nachweis kann für keine Tech-
nologie gelingen, da nur das Vorhandensein von Gefah-
ren und Risiken bewiesen werden kann, nicht aber ihre
Abwesenheit. Dies gilt für alle Lebensbereiche.
Es muss vielmehr darum gehen, die mit einer Techno-
logie verbundenen Risiken so umfassend wie möglich zu
erkennen, um dann eine informierte und bewusste Ent-
scheidung über die Akzeptanz oder Inakzeptanz be-
stimmter (Rest-)Risiken zu treffen. Diesen Anforderun-
gen wird die vorliegende Verordnung gerecht.
Sabine Stüber (DIE LINKE): In Deutschland sind
die Vorschriften zum Schutz der Menschen vor gesund-
heitlichen Schäden durch elektromagnetische Felder
über 15 Jahre alt. Das ist eine lange Zeit. Und die Tech-
nik, auch die Mobilfunktechnik, hat seither, wie wir alle
wissen, eine rasante Entwicklung durchlaufen.
Änderungen dieser Vorschriften werden von der EU-
Kommission seit Jahren angemahnt. Denn wissenschaft-
liche Untersuchungen belegen, dass elektromagnetische
Felder Menschen krankmachen können. Ich sage be-
wusst „krankmachen können“, nicht zwangsläufig müs-
sen; denn ein wissenschaftlicher Nachweis, vor allem für
Langzeitwirkungen, steht noch aus.
Wir alle sind elektromagnetischen Feldern durch
Sendefunkanlagen und Stromübertragungsnetze ausge-
setzt, ohne dies beeinflussen zu können. Deshalb steht
der Staat in der Pflicht, für den Schutz der Bevölkerung
vor gesundheitlichen Risiken zu sorgen. Elektromagne-
tische Felder haben mit Handys, Smartphones oder Tab-
lets unseren Alltag erobert – ob am Arbeitsplatz oder
unterwegs. Nur zu Hause legen wir selber fest, ob es
noch ein elektrisches Gerät sein soll, noch eine Telefon-
ladestation oder eine Funkuhr – ich könnte die Liste
endlos fortführen.
Die Bundesregierung will nun mit der vorgelegten
Verordnung Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkun-
gen und entsprechende Vorsorge gewährleisten. So sol-
len außer für gewerbliche Funkanlagen auch für den
Betrieb privater und hoheitlicher Sendeanlagen und
Stromleitungsnetze Vorschriften gelten.
Das sind durchaus Verbesserungen. Im Ganzen gese-
hen bleibt die Verordnung jedoch weit hinter den Erwar-
tungen und vor allem hinter den technischen Möglich-
keiten zurück. Das haben Experten in einer öffentlichen
Anhörung vorige Woche im Bundestag mit deutlicher
Mehrheit bestätigt.
Selbst der Vertreter aus dem Bundesamt für Strahlen-
schutz, auf den sich die Regierungskoalition – so vehe-
ment – beruft, rudert bei der Frage nach den gesundheit-
lichen Risiken zurück. Er ist der Meinung, dass selbst
wissenschaftliche Ergebnisse, die nicht hundertprozentig
gesundheitliche Risiken belegen, allemal ausreichen, um
„eine Besorgnis zu begründen“. Nach seiner Empfeh-
lung sollten Wohngebiete beim Neubau von Stromtras-
sen generell gemieden werden. Da ist viel Auslegungs-
28610 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. März 2013
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spielraum, und das heißt für mich: jwd, also janz weit
draußen! Andere Gutachter waren da mit ihren Empfeh-
lungen von 400 bis 600 Metern Abstand zu Wohnhäu-
sern konkreter.
Für Kinder besteht bei einer dauerhaften Belastung
durch elektromagnetische Felder ab 0,3 Mikrotesla
durch Stromleitungen ein erhöhtes Leukämierisiko. Das
ist wissenschaftlich exakt belegt. Und dann schauen Sie
sich draußen um, und rechnen Sie die Funksendemasten
dazu. Die Mobilfunkstrahlung steht immer wieder unter
dem Verdacht, Krebs und Alzheimer auszulösen.
Das Hauptproblem sind und bleiben die viel zu hohen
Grenzwerte, denen Menschen dauerhaft ausgesetzt sein
dürfen, und daran ändert die Verordnung nicht viel. Die
Linke fordert deshalb Vorsorgegrenzwerte von 0,2 Mi-
krotesla für Orte, an denen sich Menschen lange aufhal-
ten. Technisch machbar sind unsere Grenzwerte und
sollten zumindest für Wohnungen als geschützte Orte
verbindlich sein. Dabei darf nicht vergessen werden: Es
geht hier um Grenzwerte für elektromagnetische Felder
von draußen, denen die Bürgerinnen und Bürger ausge-
setzt sind, ohne sie beeinflussen zu können.
Wir wissen: Alle Grenzwerte sind politische Werte.
Sie orientieren sich an wissenschaftlichen Erkenntnis-
sen, nur leider viel zu selten an den neuesten. Auch in
diesem Verordnungsentwurf folgt die Politik nicht den
neuesten wissenschaftlichen Empfehlungen.
Aber was heißt hier die Politik? Wir, die Abgeordne-
ten sind es, die heute darüber entscheiden, wie hoch das
Gesundheitsrisiko sein darf, dem die Menschen in die-
sem Land unfreiwillig durch elektromagnetische Felder
weiterhin ausgesetzt sein werden.
Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Die Auseinandersetzung über die Frage, ob langfristig
wirkende elektrische, magnetische und elektromagneti-
sche Felder zu Gesundheitsgefährdungen führen können,
wird seit Jahren zum Teil erbittert geführt. Die Hinweise
auf Risiken sind inzwischen so konkret, dass sowohl die
WHO als auch der Europarat Handlungsbedarf sehen.
Die Internationale Krebsforschungsagentur, IARC,
der Weltgesundheitsorganisation, WHO, hat inzwischen
sowohl niederfrequente als auch hochfrequente elektro-
magnetische Felder neu bewertet. 2002 stufte die IARC
bereits niederfrequente und statische Felder in die
Gruppe 2 B ihrer Skala ein, 2011 dann auch die hochfre-
quenten Felder. Das heißt, elektromagnetische Felder
werden nun als „möglicherweise krebserregend“ bewer-
tet. Sie stehen damit auf einer Stufe mit Methylquecksil-
ber, Blei, Kobalt, Schiffsdiesel, Chloroform und DDT.
Das ist eine Aufforderung, vorsorglich tätig zu werden.
Ganz aktuell legt die Europäische Umweltagentur in
Kopenhagen in ihrem im Januar veröffentlichten Bericht
„Späte Lehren aus frühen Warnungen, Band II“ dar, wa-
rum sie, um Gefahren zu reduzieren, auch bei den elek-
tromagnetischen Feldern die breitere Anwendung des
„Vorsorgeprinzips“ empfiehlt. Der Bericht legt dar, dass
wissenschaftliche Unsicherheit keine Rechtfertigung für
Untätigkeit ist, wenn plausible Hinweise auf potenziell
schwerwiegende Gefährdungen vorliegen.
Die Bundesregierung legt uns nun einen Entwurf für
die Novellierung der 26. Bundes-Immissionsschutz-
verordnung, BImSchV, vor, der die Chance, endlich vor-
sorgeorientierte Grenzwerte in Deutschland einzuführen,
vergibt. Er setzt gerade einmal die längst von neuen
wissenschaftlichen Erkenntnissen überholten EU-
Ratsempfehlungen von 1999 um. Für die nieder-
frequente elektromagnetische Strahlung wird immerhin
ein Minimierungsgebot eingeführt, für die hochfre-
quente Strahlung aber nicht. Das Gebäudeüberspan-
nungsverbot für neue Anlagen soll es erst ab 2015 ge-
ben, für Altanlagen soll es das überhaupt nicht geben
und für alle 110-kV-Leitungen unverständlicherweise
auch nicht.
Auch die Expertenanhörung des Deutschen Bundes-
tags zur vorgelegten Novelle am 27. Februar 2013 hat
leider bei der Bundesregierung nicht dazu geführt, ihren
Entwurf stärker auf neuere Erkenntnisse abzustimmen.
Mehrheitlich machten die Experten deutlich, dass die
bisherigen Regelungen nur auf die bestätigten, mit ei-
nem Kausalzusammenhang zu beschreibenden akuten
Wirkungen elektrischer, magnetischer und elektromag-
netischer Felder beruhen und der Sicherheitsfaktor nicht
ausreichend ist. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse,
die bei der IARC zur Höherstufung in der Bewertungs-
skala führten, wurden für die vorgelegten Regelungen
nicht berücksichtigt. Das ist vor allem vor dem Hinter-
grund völlig inakzeptabel, dass konsistente Befunde aus
epidemiologischen Untersuchungen zur niederfrequen-
ten Strahlung vorliegen, wonach magnetische Felder der
Energieversorgung schon in deutlich geringeren Intensi-
täten als von der Verordnung zugelassen mit dem Auftre-
ten von kindlicher Leukämie korrespondieren. Ähnli-
ches gilt im Bereich der hochfrequenten Strahlung zu
erhobenen Daten bezüglich bestimmter Hirntumore. Es
ist nach den Erfahrungen mit anderen chronisch wirksa-
men Noxen, zum Beispiel Tabakrauch, nicht zu erwar-
ten, dass es in absehbarer Zeit gelingen wird, die in
epidemiologischen Studien festgestellten Zusammen-
hänge zwischen erhöhten Expositionen und chronischen
Erkrankungen durch experimentelle Untersuchungen in
allen Details zu stützen oder gar vom biophysikalischen
Primärmechanismus bis zum Eintritt des nachweisbaren
physiologischen Schadens zu erklären. Es gibt aber eben
aus experimentellen Untersuchungen genug Hinweise
auf gesundheitsrelevante Wirkungen technogener elek-
trischer, magnetischer und elektromagnetischer Felder.
Für genau solche Zusammenhänge wurde das Vorsorge-
prinzip entwickelt.
Die bei der Beratung der Novelle im Umweltaus-
schuss am 13. März von der Union vorgetragene Be-
hauptung, es gebe in Europa nur drei Länder, die ambi-
tioniertere Grenzwerte als Deutschland festgelegt hätten,
ist angesichts der Antwort der Bundesregierung auf eine
Kleine Anfrage von mir (Drucksache 16/6133) nicht
nachvollziehbar. Aus der Antwort ergibt sich, dass
Italien, die Schweiz, Luxemburg, Großbritannien, die
Niederlande, Schweden, Dänemark und Irland in min-
destens einem der Bereiche Niederfrequenz oder Hoch-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. März 2013 28611
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frequenz niedrigere Grenzwerte als Deutschland haben.
All diese Länder orientieren sich nicht an der Empfeh-
lung des Rates der Europäischen Union von 1999, son-
dern am Vorsorgeprinzip.
Die Grünen lehnen die vorgelegte Novelle der
26. BImSchV aus den dargelegten Gründen als unzurei-
chend ab.
Der Entschließungsantrag der Linken enthält die glei-
che Kritik, die auch wir an der Novelle haben, fordert
dann aber Grenzwerte, die nicht hergeleitet und begrün-
det sind. Deshalb enthalten wir uns zu diesem Antrag.
Gemeinsam mit der SPD haben wir dagegen im Aus-
schuss einen Antrag eingebracht, der vorsorgeorientierte
und kindgerechte Grenzwerte fordert. Außerdem müssen
alle Stromübertragungsleitungen im Hoch- und Höchst-
spannungsbereich in das Überspannungsverbot einbezo-
gen werden, also auch die 110-kV-Leitungen und – mit
angemessener Übergangszeit – die Altanlagen. Zukünf-
tig häufig auftretende starke Feldquellen müssen in die
Verordnung aufgenommen werden. Alle von einer An-
lage erzeugten Frequenzen, also auch Oberwellen oder
Seitenbänder, müssen für die Grenzwertermittlung mit
herangezogen werden.
Auf EU-Ebene muss eine Überarbeitung der Empfeh-
lung des Rates der Europäischen Union 1999/519/EG
erfolgen, die den aktuellen Wissensstand aufgreift und
unter konsequenter Anwendung des Vorsorgeprinzips in
allen Mitgliedstaaten ein hohes, harmonisiertes Schutz-
niveau festlegt.
Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin beim
Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktor-
sicherheit: Die zur Novellierung anstehende Verordnung
über elektromagnetische Felder regelt unter anderem
Grenzwerte für so unterschiedliche Anlagenarten wie
Hochspannungsleitungen und Mobilfunkanlagen.
Die Verordnung ist seit ihrem Inkrafttreten Anfang
1997 nicht geändert worden. Sie bedarf dringend der
Anpassung an den heutigen technischen und wissen-
schaftlichen Stand.
Bisherige Regelungslücken sollen nun geschlossen
werden. Dazu wird der Anwendungsbereich der Verord-
nung zum Beispiel auf Anlagen, die privat oder hoheit-
lich betrieben werden, erweitert. Damit gelten die Grenz-
werte künftig auch für die ortsfesten Anlagen des
Digitalfunks der Behörden und Organisationen mit Sicher-
heitsaufgaben. Aktuell bedeutsam ist auch die Einbezie-
hung der Anlagen der Hochspannungsgleichstromüber-
tragung, der sogenannten HGÜ-Leitungen.
Einen Beitrag zum Bürokratieabbau leistet die Novelle
durch die geplante Reduzierung von Anzeigepflichten,
die entfallen können, soweit die bislang anzuzeigenden
Daten bereits elektronisch bei der Bundesnetzagentur
vorhanden sind.
Diese Änderungen sind bislang auf eine breite Zu-
stimmung gestoßen. Von manchen wird die Frage aufge-
worfen, ob die in der Verordnung vorgesehenen Grenz-
werte die Bevölkerung ausreichend schützen.
Festzuhalten ist, dass die Grenzwerte der Regierungs-
vorlage auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse
festgelegt worden sind. Dabei sind alle nach wissen-
schaftlichen Standards und Grundsätzen erhaltenen For-
schungsergebnisse einbezogen worden.
Es gibt auch heute keine belastbaren wissenschaft-
lichen Hinweise, diese Grenzwerte infrage zu stellen.
Dies belegen die Ergebnisse umfangreicher Forschungen
der letzten Jahre.
Im Dezember 2001 hat die damalige rot-grüne Bun-
desregierung von einer Verschärfung der Grenzwerte für
den Mobilfunk Abstand genommen und stattdessen ihre
sonstigen Vorsorgeanstrengungen im Bereich Mobilfunk
verstärkt. Ich weise hier zum Beispiel auf die Einrich-
tung einer Standortdatenbank bei der Bundesnetzagentur
und das „Deutsche Mobilfunk-Forschungsprogramm“
hin. Außerdem hat die damalige Bundesregierung die
freiwillige Selbstverpflichtung der Mobilfunknetzbetrei-
ber entgegengenommen, die Anfang 2012 ergänzt wor-
den ist. Die Bundesregierung achtet in den jährlich
durchzuführenden Überprüfungsgesprächen darauf, dass
die Betreiber ihre freiwilligen Zusagen einhalten.
Für Niederfrequenz- und Gleichstromanlagen, also
Anlagen der Stromübertragung, enthält die Novelle übri-
gens auch Vorsorgeregelungen.
Diese umfassen folgende Punkte: Der Grenzwert für
den Bahnstrom wurde der Empfehlung der Internationa-
len Strahlenschutzkommission, ICNIRP, aus dem Jahr
2010 entsprechend halbiert. Der bisherige Grenzwert
von 100 Mikrotesla für das magnetische Feld bleibt un-
verändert. Entgegen der Empfehlung der ICNIRP, den
Grenzwert auf 200 Mikrotesla zu erhöhen, soll das bis-
herige Schutzniveau beibehalten werden. Neu ist ein all-
gemeines Minderungsgebot: Betreiber von Niederfre-
quenzanlagen werden verpflichtet, die Möglichkeiten
auszuschöpfen, die Exposition durch nichtionisierende
Strahlung nach dem Stand der Technik zu vermindern.
Diese allgemeine Minderungspflicht ist noch durch eine
allgemeine Verwaltungsvorschrift zu konkretisieren. Und
schließlich ein Überspannungsverbot: Werden neue
Stromtrassen errichtet, dürfen die Hochspannungsstrom-
leitungen Wohngebäude nicht mehr überspannen.
Diese Vorsorgeregelungen haben eine unmittelbare
Bedeutung für den Stromnetzausbau. Entsprechend in-
tensiv sind sie mit allen Verfahrensbeteiligten auf ihre
Angemessenheit und Ausgewogenheit hin geprüft
worden. Ziel war es, den Schutz der Bevölkerung sicher-
zustellen, ohne dabei den Ausbau der Stromnetze unan-
gemessen zu erschweren. Dies wird mit der Novelle
erreicht. Letztlich erkennen alle, die am Rechtsetzungs-
verfahren beteiligt waren, an, dass die Novelle insgesamt
eine deutliche Verbesserung für den Strahlenschutz
bringt.
228. Sitzung
Inhaltsverzeichnis
TOP 3, ZP 2 Regierungserklärung zur Energieinfrastruktur
TOP 4 Zukunftsinvestitionen in die Wirtschaft
TOP 34, ZP 3 Überweisungen im vereinfachten Verfahren
TOP 35, ZP 4 Abschließende Beratungen ohne Aussprache
ZP 5 Aktuelle Stunde zu Verfassungsänderungen in Ungarn
TOP 5 Conterganstiftungsgesetz
TOP 6 Bilanz nach 10 Jahren Agenda 2010
TOP 7 Sexueller Missbrauch
TOP 8, ZP 6, 7 Gleichstellung von Lebenspartnerschaft und Ehe
TOP 9 Kronzeugenregelung im Strafrecht
TOP 10 Weltweite Bildungssituation
TOP 11 Altersgeld für freiwillig ausscheidende Beamte
TOP 12, ZP 8, 9 Hilfe für Opfer des Giftgasangriffs auf Halabja
TOP 13 Strukturreform des Gebührenrechts des Bundes
TOP 14 Privatisierung der öffentlichen Sicherheit
TOP 15 Änderung der Geschäftsordnung - Verhaltensregeln
TOP 16 Unterstützung queerer Jugendlicher
TOP 17, ZP 10 Energieeinsparungsgesetz
TOP 18 Elektronischer Rechtsverkehr mit Gerichten
TOP 19 Deutschland im UN-Sicherheitsrat
TOP 20 Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie
TOP 21 Verkehrsinfrastruktur
TOP 22 Verfahrensrechte Beschuldigter im Strafverfahren
TOP 23 Verhütung von Folter
TOP 24 Professorenbesoldung
TOP 25 Mindestpersonalbemessung in der Krankenhauspflege
TOP 26 Vorschriften über elektromagnetische Felder
TOP 27 Kindernachzugsrecht
Anlagen