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    Plenarprotokoll 17/219 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 219. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 31. Januar 2013 I n h a l t : Erweiterung und Abwicklung der Tagesord- nung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Absetzung der Tagesordnungspunkte 8, 22, 33 und 40 g . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 7: – Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung: Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem Einsatz der Inter- nationalen Sicherheitsunterstützungs- truppe in Afghanistan (International Security Assistance Force, ISAF) unter Führung der NATO auf Grundlage der Resolution 1386 (2001) und folgender Resolutionen, zuletzt Resolution 2069 (2012) vom 9. Oktober 2012 des Sicher- heitsrates der Vereinten Nationen (Drucksachen 17/11685, 17/12096) . . . . . – Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung (Drucksache 17/12097) . . . . . . . . . . . . . . . Elke Hoff (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stefan Rebmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Andreas Schockenhoff (CDU/CSU) . . . . . Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE) . . . . . . . . . Dr. Frithjof Schmidt (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bijan Djir-Sarai (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Andreas Schockenhoff (CDU/CSU) . . . . . Lars Klingbeil (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Roderich Kiesewetter (CDU/CSU) . . . . . . . . Dr. Reinhard Brandl (CDU/CSU) . . . . . . . . . Namentliche Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 4: a) Antrag der Abgeordneten Jan van Aken, Wolfgang Gehrcke, Christine Buchholz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Keine Rüstungsexporte als Instrument der Außenpolitik – Export- verbot jetzt durchsetzen (Drucksache 17/10842) . . . . . . . . . . . . . . b) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht der Bundesregierung über ihre Exportpolitik für konventionelle Rüs- tungsgüter im Jahr 2011 (Rüstungs- exportbericht 2011) (Drucksache 17/11785) . . . . . . . . . . . . . . c) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Technolo- gie – zu dem Antrag der Abgeordneten Klaus Barthel, Heidemarie Wieczorek- Zeul, Edelgard Bulmahn, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion der SPD: Frühzeitige Veröffentlichung der Rüstungsexportberichte sicherstel- len – Parlamentsrechte über Rüs- tungsexporte einführen 27069 A 27070 C 27070 C 27070 D 27071 A 27071 C 27072 C 27074 A 27075 A 27076 A 27077 A 27077 C 27077 D 27079 A 27080 A 27080 D 27085 C 27081 B 27081 C Inhaltsverzeichnis II Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 219. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 31. Januar 2013 – zu dem Antrag der Abgeordneten Katja Keul, Volker Beck (Köln), Marieluise Beck (Bremen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Rüs- tungsexporte kontrollieren – Frie- den sichern und Menschenrechte wahren (Drucksachen 17/9188, 17/9412, 17/12098) . Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU) . . . . . . . . . Klaus Barthel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Martin Lindner (Berlin) (FDP) . . . . . . . . . Stefan Liebich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Andreas G. Lämmel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Edelgard Bulmahn (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Rainer Stinner (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Jan van Aken (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Philipp Mißfelder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Erich G. Fritz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 40: a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Strukturreform des Gebühren- rechts des Bundes (Drucksache 17/10422) . . . . . . . . . . . . . . . b) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über konjunkturstatistische Erhebun- gen in bestimmten Dienstleistungsberei- chen (Dienstleistungskonjunkturstatis- tikgesetz – DLKonjStatG) (Drucksache 17/12014) . . . . . . . . . . . . . . . c) Antrag der Abgeordneten Dr. Valerie Wilms, Dr. Anton Hofreiter, Bettina Herlitzius, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Neustart für ein europäisches Zugsiche- rungssystem (Drucksache 17/10844) . . . . . . . . . . . . . . . d) Antrag der Abgeordneten Mechthild Rawert, Bärbel Bas, Elke Ferner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Rezeptfreiheit von Notfallkontrazeptiva – Pille danach – gewährleisten (Drucksache 17/11039) . . . . . . . . . . . . . . . e) Antrag der Abgeordneten Agnes Krumwiede, Birgitt Bender, Tabea Rößner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Zeitnahes Krankengeld für unständig und kurzfristig Beschäftigte sowie Selb- ständige (Drucksache 17/12067) . . . . . . . . . . . . . . f) Antrag der Abgeordneten Yvonne Ploetz, Dr. Martina Bunge, Cornelia Möhring, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Die Pille danach rezeptfrei machen (Drucksache 17/12102) . . . . . . . . . . . . . . h) Antrag der Abgeordneten Sevim Dağdelen, Diana Golze, Jan Korte, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Für gleiche Rechte – Einbürge- rungen erleichtern (Drucksache 17/12185) . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 41: a) Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrach- ten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Pro- tokoll vom 16. Mai 2012 zu den Anlie- gen der irischen Bevölkerung bezüglich des Vertrags von Lissabon (Drucksachen 17/11367, 17/12169) . . . . . b) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Elek- tro- und Elektronikgerätegesetzes (Drucksachen 17/11368, 17/12216) . . . . . c) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu der Verordnung der Bundesregierung: Verordnung zur Be- schränkung der Verwendung gefährli- cher Stoffe in Elektro- und Elektronikge- räten (Elektro- und Elektronikgeräte- Stoff-Verordnung – ElektroStoffV) (Drucksachen 17/11836, 17/11907 Nr. 2, 17/12216) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Viola von Cramon- Taubadel, Volker Beck (Köln), Ute Koczy, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Für eine glaubwürdige Außenpolitik gegenüber Usbekistan (Drucksachen 17/6498, 17/7712) . . . . . . . e)–q) Beratung der Beschlussempfehlungen des Petitionsausschusses: Sammelübersich- ten 513, 514, 515, 516, 517, 518, 519, 520, 521, 522, 523, 524 und 525 zu Peti- tionen (Drucksachen 17/12073, 17/12074, 17/12075, 27081 C 27081 D 27083 B 27088 A 27090 B 27091 C 27092 D 27094 D 27096 B 27098 B 27100 A 27101 B 27102 D 27104 D 27105 A 27105 A 27105 A 27105 A 27105 B 27105 B 27105 C 27105 D 27106 A 27106 B Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 219. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 31. Januar 2013 III 17/12076, 17/12077, 17/12078, 17/12079, 17/12080, 17/12081, 17/12082, 17/12083, 17/12084, 17/12085) . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 2: Zweite und dritte Beratung des von den Frak- tionen CDU/CSU, SPD, FDP, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN einge- brachten Entwurfs eines Einundzwanzigsten Gesetzes zur Änderung des Bundeswahlge- setzes (Drucksachen 17/11820, 17/12174) . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 3: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- wärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Ab- geordneten Johannes Pflug, Dr. Rolf Mützenich, Dr. Hans-Peter Bartels, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD so- wie der Abgeordneten Ute Koczy, Dr. Frithjof Schmidt, Kerstin Müller (Köln), weiterer Ab- geordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Eine kohärente Ge- samtstrategie für Pakistan – Für eine ak- tive Einbindungsdiplomatie, Stärkung der demokratischen Kräfte und eine verlässli- che Entwicklungszusammenarbeit (Drucksachen 17/11033, 17/11451) . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 4: Beratung der Beschlussempfehlung des Aus- schusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuss) zu dem Gesetz zur Durchführung der Internationalen Ge- sundheitsvorschriften (2005) und zur Än- derung weiterer Gesetze (Drucksachen 17/7576, 17/8615, 17/8871, 17/12170) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 5: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion DIE LINKE: Ausrüstung der Bundeswehr mit bewaffneten Drohnen Andrej Hunko (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Dr. Thomas de Maizière, Bundes- minister BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Rolf Mützenich (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Elke Hoff (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Agnes Brugger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bernd Siebert (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Rainer Arnold (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Christoph Schnurr (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Inge Höger (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . Florian Hahn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Hans-Peter Bartels (SPD) . . . . . . . . . . . . Karin Strenz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Philipp Mißfelder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 3: a) – Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der steu- erlichen Förderung der privaten Al- tersvorsorge (Altersvorsorge-Ver- besserungsgesetz – AltvVerbG) (Drucksachen 17/10818, 17/12219) . . – Bericht des Haushaltsausschusses ge- mäß § 96 der Geschäftsordnung (Drucksache 17/12220) . . . . . . . . . . . . b) Beschlussempfehlung und Bericht des Fi- nanzausschusses zu dem Antrag der Abge- ordneten Matthias W. Birkwald, Klaus Ernst, Diana Golze, weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion DIE LINKE: Risiken der Riester-Rente offen legen – Alters- vorsorge von Finanzmärkten entkop- peln (Drucksachen 17/9194, 17/12219) . . . . . . Dr. Mathias Middelberg (CDU/CSU) . . . . . . Petra Hinz (Essen) (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Manfred Grund (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Petra Hinz (Essen) (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Frank Schäffler (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Matthias W. Birkwald (DIE LINKE) . . . . . . . Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klaus-Peter Flosbach (CDU/CSU) . . . . . . . . Annette Sawade (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Björn Sänger (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . Frank Schäffler (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Karl Holmeier (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Ingrid Arndt-Brauer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU) . . . 27106 C 27107 D 27108 A 27108 B 27108 C 27109 C 27111 B 27112 B 27113 B 27114 D 27115 D 27117 C 27118 C 27120 A 27121 A 27122 B 27124 A 27124 D 27125 A 27125 A 27125 B 27127 B 27129 B 27129 C 27130 A 27131 C 27132 D 27134 B 27136 A 27137 C 27138 C 27140 A 27140 D 27141 C 27143 A 27144 B IV Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 219. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 31. Januar 2013 Tagesordnungspunkt 6: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Arbeit und Soziales zu dem An- trag der Abgeordneten Gabriele Hiller-Ohm, Karin Roth (Esslingen), Elvira Drobinski- Weiß, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Transparenz für soziale und öko- logische Unternehmensverantwortung her- stellen – Unternehmerische Pflichten zur Offenlegung von Arbeits- und Umweltbe- dingungen auf europäischer Ebene einfüh- ren (Drucksachen 17/11319, 17/12110) . . . . . . . . in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 6: Erste Beratung des von den Abgeordneten Volker Beck (Köln), Ingrid Hönlinger, Kerstin Andreae, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ände- rung des Aktiengesetzes (Drucksache 17/11686) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Johann Wadephul (CDU/CSU) . . . . . . . . . Gabriele Hiller-Ohm (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Pascal Kober (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jutta Krellmann (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ulrich Lange (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Tiefensee (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Heinz Golombeck (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Karin Roth (Esslingen) (SPD) . . . . . . . . . . . . Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU) . . . Tagesordnungspunkt 5: a) Erste Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts (2. Kostenrechtsmo- dernisierungsgesetz – 2. KostRMoG) (Drucksache 17/11471) . . . . . . . . . . . . . . . b) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Änderung des Prozesskosten- hilfe- und Beratungshilferechts (Drucksache 17/11472) . . . . . . . . . . . . . . . c) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Einführung von Kostenhilfe für Drittbetroffene in Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Men- schenrechte (EGMR-Kostenhilfegesetz – EGMRKHG) (Drucksache 17/11211) . . . . . . . . . . . . . . . d) Erste Beratung des vom Bundesrat einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Be- grenzung der Aufwendungen für die Prozesskostenhilfe (Prozesskostenhilfe- begrenzungsgesetz – PKHBegrenzG) (Drucksache 17/1216) . . . . . . . . . . . . . . . e) Erste Beratung des vom Bundesrat einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Än- derung des Beratungshilferechts (Drucksache 17/2164) . . . . . . . . . . . . . . . in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 7: Erste Beratung des vom Bundesrat einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Stär- kung des Erfolgsbezugs im Gerichtsvollzie- herkostenrecht (Drucksache 17/5313) . . . . . . . . . . . . . . . . . . in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 8: Antrag der Abgeordneten Ingrid Hönlinger, Josef Philip Winkler, Jerzy Montag, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Kostenrechtsmoder- nisierung bei Vertretung in Asylverfahren und Übersetzungsleistungen nachbessern (Drucksache 17/12173) . . . . . . . . . . . . . . . . . Sabine Leutheusser-Schnarrenberger,  Bundesministerin BMJ . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Angela Kolb, Ministerin  (Sachsen-Anhalt) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Detlef Seif (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . Jens Petermann (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Ingrid Hönlinger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ute Granold (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . Sonja Steffen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Thomas Silberhorn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 16: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe zu dem Antrag der Abgeordneten Katja Keul, Tom Koenigs, Thilo Hoppe, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- 27146 A 27146 A 27146 B 27147 C 27148 C 27149 D 27150 D 27152 B 27153 B 27154 B 27155 A 27156 A 27157 D 27157 D 27158 A 27158 A 27158 A 27158 A 27158 B 27158 B 27159 C 27161 A 27162 C 27164 B 27165 C 27167 B 27168 C Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 219. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 31. Januar 2013 V NIS 90/DIE GRÜNEN: Sahel-Region stabi- lisieren – Humanitäre Katastrophe ein- dämmen (Drucksachen 17/10792, 17/11431) . . . . . . . . Marina Schuster (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Christoph Strässer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Frank Heinrich (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Christine Buchholz (DIE LINKE) . . . . . . . . . Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 9: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Weiterentwicklung der Krebsfrüherkennung und zur Qualitätssi- cherung durch klinische Krebsregister (Krebsfrüherkennungs- und -registergesetz – KFRG) (Drucksachen 17/11267, 17/12221) . . . . . . . . Christine Aschenberg-Dugnus (FDP) . . . . . . Dr. Marlies Volkmer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Rudolf Henke (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Martina Bunge (DIE LINKE) . . . . . . . . . . Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rudolf Henke (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Lothar Riebsamen (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 10: Beschlussempfehlung und Bericht des Sport- ausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Martin Gerster, Dagmar Freitag, Sabine Bätzing-Lichtenthäler, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Die Rolle des Sports in der Auswärtigen Kultur- und Bil- dungspolitik  (Drucksachen 17/9731, 17/11580) . . . . . . . . . Mechthild Heil (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Dagmar Freitag (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Joachim Günther (Plauen) (FDP) . . . . . . . . . . Ulla Schmidt (Aachen) (SPD) . . . . . . . . . . Frank Tempel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Viola von Cramon-Taubadel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eberhard Gienger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 11: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Reform der elterli- chen Sorge nicht miteinander verheira- teter Eltern (Drucksachen 17/11048, 17/12198) . . . . . b) Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses – zu dem Antrag der Fraktion der SPD: Neuregelung der elterlichen Sorge bei nicht verheirateten Eltern – zu dem Antrag der Abgeordneten Jörn Wunderlich, Dr. Diether Dehm, Heidrun Dittrich, weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion DIE LINKE: Neu- regelung des Sorgerechts für nicht miteinander verheiratete Eltern – zu dem Antrag der Abgeordneten Katja Dörner, Ingrid Hönlinger, Monika Lazar, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Gemeinsames elterliches Sorgerecht für nicht miteinander verheiratete Eltern (Drucksachen 17/8601, 17/9402, 17/3219, 17/12198) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stephan Thomae (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Burkhard Lischka (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Ute Granold (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . Jörn Wunderlich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Katja Dörner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Norbert Geis (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Sonja Steffen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 12: a) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für wirtschaftliche Zusam- menarbeit und Entwicklung zu dem An- trag der Abgeordneten Karin Roth (Esslin- gen), Dr. Sascha Raabe, Lothar Binding (Heidelberg), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Soziale Sicherung als Motor solidarischer und nachhalti- ger Entwicklungspolitik (Drucksachen 17/7358, 17/11429) . . . . . . b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für wirtschaftliche Zusam- menarbeit und Entwicklung zu dem An- trag der Abgeordneten Uwe Kekeritz, Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Markus Kurth, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: 27169 C 27169 D 27170 D 27172 C 27174 C 27175 B 27176 B 27176 C 27177 D 27179 A 27180 A 27180 D 27181 D 27182 C 27182 D 27184 A 27184 A 27185 B 27187 A 27188 A 27188 C 27189 C 27190 C 27191 D 27191 D 27192 B 27193 B 27194 A 27195 C 27196 C 27197 B 27198 B 27200 A VI Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 219. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 31. Januar 2013 Aktionsplan Soziale Sicherung – Ein Beitrag zur weltweiten sozialen Wende (Drucksachen 17/11665, 17/11960) . . . . . Helga Daub (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Karin Roth (Esslingen) (SPD) . . . . . . . . . . . . Sibylle Pfeiffer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Sabine Weiss (Wesel I) (CDU/CSU) . . . . . . . Niema Movassat (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Helmut Heiderich (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 13: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Modernisierung des Außen- wirtschaftsrechts (Drucksachen 17/11127, 17/12101) . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 14: Antrag der Abgeordneten Kornelia Möller, Dr. Ilja Seifert, Dr. Kirsten Tackmann, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Reisen für alle – Für einen sozialen Tourismus (Drucksache 17/11588) . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 15: – Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur zu- sätzlichen Förderung von Kindern un- ter drei Jahren in Tageseinrichtungen und in Kindertagespflege (Drucksachen 17/12057, 17/12217) . . . . . – Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung (Drucksache 17/12218) . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 25: Erste Beratung des von den Abgeordneten Markus Kurth, Volker Beck (Köln), Wolfgang Wieland, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Um- setzung der UN-Behindertenrechtskonven- tion im Wahlrecht (Drucksache 17/12068) . . . . . . . . . . . . . . . . . Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Reinhard Grindel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Reinhard Grindel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Gabriele Fograscher (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Stefan Ruppert (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Ulla Schmidt (Aachen) (SPD) . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 17: Zweite und dritte Beratung des von den Frak- tionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur innerstaatli- chen Umsetzung des Fiskalvertrags (Drucksachen 17/12058, 17/12222) . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 18: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung personenstands- rechtlicher Vorschriften (Personenstands- rechts-Änderungsgesetz-PStRÄndG) (Drucksachen 17/10489, 17/12192) . . . . . . . . Stefanie Vogelsang (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Gabriele Fograscher (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Manuel Höferlin (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Ulla Jelpke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Peter Tauber (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 19: Antrag der Abgeordneten Rolf Hempelmann, Dr. Sascha Raabe, Wolfgang Tiefensee, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Transparenz in den Zahlungsflüssen im Rohstoffbereich und keine Nutzung von Konfliktmineralien (Drucksache 17/11876) Andreas G. Lämmel (CDU/CSU) . . . . . . . . . Erich G. Fritz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Sascha Raabe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Klaus Breil (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ulla Lötzer (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . Ute Koczy (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 20: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur 27200 A 27200 B 27201 B 27203 A 27203 C 27204 D 27205 D 27206 D 27208 B 27208 C 27208 D 27209 A 27209 B 27209 C 27210 C 27212 D 27213 B 27213 D 27215 A 27215 B 27216 D 27217 A 27217 B 27218 A 27219 B 27220 B 27221 A 27221 D 27223 A 27224 A 27225 C 27227 A 27227 D 27228 C Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 219. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 31. Januar 2013 VII Änderung des Telekommunikationsgeset- zes und zur Neuregelung der Bestands- datenauskunft (Drucksache 17/12034) . . . . . . . . . . . . . . . . . Armin Schuster (Weil am Rhein)  (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Hartmann (Wackernheim)  (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gisela Piltz (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jan Korte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär  BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 21: a) Antrag der Abgeordneten Dr. Wilhelm Priesmeier, Willi Brase, Petra Crone, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Förderung des ökologischen Landbaus – Wachstumspotentiale in Deutschland für deutsche Produzenten erschließen (Drucksache 17/10862) . . . . . . . . . . . . . . . b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirt- schaft und Verbraucherschutz zu dem An- trag der Abgeordneten Heinz Paula, Dr. Wilhelm Priesmeier, Willi Brase, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Ökologische Land- und Lebens- mittelwirtschaft stärken (Drucksachen 17/7186, 17/8954) . . . . . . . Hans-Georg von der Marwitz  (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Heinz Paula (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Christel Happach-Kasan (FDP) . . . . . . . Alexander Süßmair (DIE LINKE) . . . . . . . . . Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 24: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung versicherungs- rechtlicher Vorschriften (Drucksachen 17/11469, 17/12199) . . . . . . . . Marco Wanderwitz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Ingo Egloff (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Judith Skudelny (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Harald Weinberg (DIE LINKE) . . . . . . . . . . Ingrid Hönlinger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 23: Antrag der Abgeordneten Inge Höger, Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Uranmunition ächten (Drucksache 17/11898) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Reinhard Brandl (CDU/CSU) . . . . . . . . Robert Hochbaum (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Uta Zapf (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Christoph Schnurr (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . Inge Höger (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . Agnes Brugger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 26: Zweite und dritte Beratung des vom Bundes- rat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Schutz des Erbrechts und der Verfah- rensbeteiligungsrechte nichtehelicher und einzeladoptierter Kinder im Nachlassver- fahren (Drucksachen 17/9427, 17/12212) . . . . . . . . . Ute Granold (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Sonja Steffen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stephan Thomae (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Jörn Wunderlich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Ingrid Hönlinger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 27: a) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Oliver Krischer, Bärbel Höhn, Hans-Josef Fell, weiteren Abgeord- neten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Vereinheitlichung der bergrechtlichen Förderabgabe (Drucksachen 17/9390, 17/10182) . . . . . . b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Technolo- gie – zu dem Antrag der Abgeordneten Rolf Hempelmann, Doris Barnett, Klaus Barthel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Anpassung des deutschen Bergrechts – zu dem Antrag der Abgeordneten Eva Bulling-Schröter, Dorothée Menzner, Ralph Lenkert, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Novelle des Bundesberggesetzes und ande- 27229 D 27229 D 27230 D 27231 B 27232 B 27233 B 27235 D 27236 D 27237 A 27237 A 27238 B 27239 D 27240 D 27241 C 27242 C 27242 D 27243 C 27244 A 27244 D 27245 D 27246 D 27246 D 27247 C 27248 A 27249 C 27250 A 27251 A 27251 D 27251 D 27253 B 27253 D 27254 D 27255 C 27256 C VIII Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 219. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 31. Januar 2013 rer Vorschriften zur bergbaulichen Vorhabengenehmigung – zu dem Antrag der Abgeordneten Oliver Krischer, Stephan Kühn, Undine Kurth (Quedlinburg), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ein neues Bergrecht für das 21. Jahr- hundert (Drucksachen 17/9560, 17/9034, 17/8133, 17/10182) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Andreas G. Lämmel (CDU/CSU) . . . . . . . . . Rolf Hempelmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Manfred Todtenhausen (FDP) . . . . . . . . . . . Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . . . . Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 28: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung der Rechte des leiblichen, nicht rechtlichen Vaters (Drucksache 17/12163) . . . . . . . . . . . . . . . . . Ute Granold (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Sonja Steffen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jörn Wunderlich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Ingrid Hönlinger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin BMJ . . . . . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 9: Antrag der Abgeordneten Angelika Graf (Ro- senheim), Dr. Edgar Franke, Dr. Carola Reimann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Überlebenshilfe in der Drogenpolitik – Situation der Substitution von Opiatabhängigen verbessern und Sub- stitutionsbehandlung im Strafvollzug ge- währleisten (Drucksache 17/12181) . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 29: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Achten Geset- zes zur Änderung des Urheberrechtsgeset- zes (Drucksache 17/12013) . . . . . . . . . . . . . . . . . Ansgar Heveling (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Burkhard Lischka (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Petra Sitte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär  BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 30: Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung der berufli- chen Aus- und Weiterbildung in der Alten- pflege (Drucksache 17/12179) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dorothee Bär (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Erwin Rüddel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Petra Crone (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nicole Bracht-Bendt (FDP) . . . . . . . . . . . . . Kathrin Senger-Schäfer (DIE LINKE) . . . . . Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 31: Erste Beratung des vom Bundesrat einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ände- rung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (Drucksache 17/12036) . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 32: Antrag der Abgeordneten Maria Michalk, Karl Schiewerling, Paul Lehrieder, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Gabriele Molitor, Dr. Heinrich L. Kolb, Sebastian Blumenthal, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Leistungspotenziale von Menschen mit Behinderung im Arbeitsleben aus- schöpfen (Drucksache 17/12180) . . . . . . . . . . . . . . . . . Maria Michalk (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Paul Lehrieder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Silvia Schmidt (Eisleben) (SPD) . . . . . . . . . . Gabriele Molitor (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27256 C 27256 D 27258 B 27259 A 27259 D 27260 C 27262 A 27262 A 27263 B 27264 A 27264 B 27265 B 27266 C 27266 C 27266 D 27267 B 27268 A 27268 C 27269 D 27270 D 27270 D 27271 D 27272 D 27273 B 27273 D 27274 D 27276 A 27276 B 27276 C 27277 C 27278 C 27279 D 27281 B 27282 B Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 219. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 31. Januar 2013 IX Zusatztagesordnungspunkt 10: a) Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: EU-weite Regelungen zur Durchfüh- rung von klinischen Prüfungen mit Hu- manarzneimitteln – Schutz der Teilneh- merinnen und Teilnehmer sicherstellen – hier: Stellungnahme des Deutschen Bundestages nach Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes i. V. m. § 9 des Ge- setzes über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bun- destag in Angelegenheiten der Europäi- schen Union (Drucksache 17/12183) . . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Kathrin Vogler, Diana Golze, Matthias W. Birkwald, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: EU-weite Regelungen zur Durchführung von klinischen Prüfun- gen mit Humanarzneimitteln – Schutz der Teilnehmerinnen und Teilnehmer sicherstellen – hier: Stellungnahme des Deutschen Bundestages nach Arti- kel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes i. V. m. § 9 des Gesetzes über die Zu- sammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angele- genheiten der Europäischen Union (Drucksache 17/12184 (neu)) . . . . . . . . . . Kathrin Vogler (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Jens Ackermann (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . Anlage 2 Neuabdruck der Antwort des Parl. Staatsse- kretärs Hans-Joachim Otto auf die Frage des Abgeordneten Oliver Krischer (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) (218. Sitzung, Druck- sache 17/12162, Frage 36) . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 3 Erklärungen nach § 31 GO zur namentlichen Abstimmung über die Beschlussempfehlung zu dem Antrag: Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem Einsatz der Internationalen Sicherheitsunter- stützungstruppe in Afghanistan (International Security Assistance Force, ISAF) unter Füh- rung der NATO auf Grundlage der Resolution 1386 (2001) und folgender Resolutionen, zu- letzt Resolution 2069 (2012) vom 9. Oktober 2012 des Sicherheitsrates der Vereinten Na- tionen (Tagesordnungspunkt 7) . . . . . . . . . . . Dr. Thomas Gambke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ute Koczy (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Tobias Lindner, Tabea Rößner und Josef Philip Winkler (alle BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN) zur namentlichen Abstimmung über die Beschlussempfehlung zu dem Antrag: Fort- setzung der Beteiligung bewaffneter deut- scher Streitkräfte an dem Einsatz der Interna- tionalen Sicherheitsunterstützungstruppe in Afghanistan (International Security Assis- tance Force, ISAF) unter Führung der NATO auf Grundlage der Resolution 1386 (2001) und folgender Resolutionen, zuletzt Resolu- tion 2069 (2012) vom 9. Oktober 2012 des Si- cherheitsrates der Vereinten Nationen (Tages- ordnungspunkt 7) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 5 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Agnes Brugger, Katja Dörner, Dr. Anton Hofreiter, Sylvia Kotting-Uhl, Agnes Krumwiede, Monika Lazar, Lisa Paus, Ulrich Schneider, Dr. Gerhard Schick und Dorothea Steiner (alle BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur namentlichen Abstimmung über die Be- schlussempfehlung zu dem Antrag: Fortset- zung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem Einsatz der Internationa- len Sicherheitsunterstützungstruppe in Afgha- nistan (International Security Assistance Force, ISAF) unter Führung der NATO auf Grundlage der Resolution 1386 (2001) und folgender Resolutionen, zuletzt Resolution 2069 (2012) vom 9. Oktober 2012 des Sicher- heitsrates der Vereinten Nationen (Tagesord- nungspunkt 7) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 6 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Omid Nouripour, Marieluise Beck (Bremen), Cornelia Behm, Hans-Josef Fell, Priska Hinz (Herborn), Tom Koenigs, Nicole Maisch, Jerzy Montag, Manuel Sarrazin, Markus Tressel und Daniela Wagner (alle BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) zur namentlichen Ab- stimmung über die Beschlussempfehlung zu 27283 A 27283 A 27283 B 27284 B 27285 D 27287 A 27287 C 27287 C 27287 D 27288 B 27288 D 27289 C 27290 A X Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 219. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 31. Januar 2013 dem Antrag: Fortsetzung der Beteiligung be- waffneter deutscher Streitkräfte an dem Ein- satz der Internationalen Sicherheitsunterstüt- zungstruppe in Afghanistan (International Security Assistance Force, ISAF) unter Füh- rung der NATO auf Grundlage der Resolution 1386 (2001) und folgender Resolutionen, zu- letzt Resolution 2069 (2012) vom 9. Oktober 2012 des Sicherheitsrates der Vereinten Na- tionen (Tagesordnungspunkt 7) . . . . . . . . . . . Anlage 7 Erklärungen nach § 31 GO zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Reform der elterlichen Sorge nicht miteinander ver- heirateter Eltern (Tagesordnungspunkt 11 a) Sylvia Canel (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Thomas Jarzombek (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Modernisie- rung des Außenwirtschaftsrechts (Tagesord- nungspunkt 13) Erich G. Fritz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Andreas G. Lämmel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Rolf Hempelmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Ulla Lötzer (DIE LINKE). . . . . . . . . . . . . . . . Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär  BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 9 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Reisen für alle – Für einen sozia- len Tourismus (Tagesordnungspunkt 14) Marlene Mortler (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Ingbert Liebing (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Gabriele Hiller-Ohm (SPD) . . . . . . . . . . . . . Jens Ackermann (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Kornelia Möller (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Markus Tressel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 10 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur zusätzlichen Förderung von Kindern unter drei Jahren in Tageseinrichtungen und in Kindertagespflege (Tagesordnungspunkt 15) Andreas Mattfeldt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Norbert Geis (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Dagmar Ziegler (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Miriam Gruß (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Diana Golze (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Katja Dörner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 11 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur innerstaatli- chen Umsetzung des Fiskalvertrags (Tages- ordnungspunkt 17) Norbert Barthle (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Bartholomäus Kalb (CDU/CSU). . . . . . . . . . Carsten Schneider (Erfurt) (SPD) . . . . . . . . Dr. Florian Toncar (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) . . . . . . . . . Priska Hinz (Herborn) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 12 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention im Wahl- recht (Tagesordnungspunkt 25) Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Anlage 13 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und an- derer Gesetze (Tagesordnungspunkt 31) Heike Brehmer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Paul Lehrieder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Angelika Krüger-Leißner (SPD) . . . . . . . . . . Pascal Kober (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Diana Golze (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 14 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Überlebenshilfe in der Drogen- politik – Situation der Substitution von Opiat- 27291 B 27292 B 27292 D 27293 B 27295 D 27296 C 27297 C 27298 C 27299 B 27300 A 27301 B 27302 C 27303 C 27304 B 27305 C 27306 D 27306 C 27308 B 27309 C 27310 C 27311 B 27312 A 27312 D 27313 C 27315 B 27316 B 27316 D 27317 B 27318 C 27319 C 27320 C 27321 D 27322 C 27323 B Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 219. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 31. Januar 2013 XI abhängigen verbessern – Substitutionsbe- handlung im Strafvollzug gewährleisten (Zusatztagesordnungspunkt 9) Karin Maag (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Angelika Graf (Rosenheim) (SPD) . . . . . . . . Christine Aschenberg-Dugnus (FDP) . . . . . . Frank Tempel (DIE LINKE). . . . . . . . . . . . . . Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 15 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: EU-weite Regelungen zur Durchführung von klinischen Prüfungen mit Human- arzneimitteln – Schutz der Teilnehmerin- nen und Teilnehmer sicherstellen; hier: Stellungnahme des Deutschen Bundesta- ges nach Artikel 23 Absatz 3 des Grund- gesetzes i. V. m. § 9 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegen- heiten der Europäischen Union – Antrag der Fraktion DIE LINKE: EU- weite Regelungen zur Durchführung von klinischen Prüfungen mit Humanarznei- mitteln – Schutz der Teilnehmerinnen und Teilnehmer sicherstellen; hier: Stellung- nahme des Deutschen Bundestages nach Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes i. V. m. § 9 des Gesetzes über die Zusam- menarbeit von Bundesregierung und Deut- schem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union (Zusatztagesordnungspunkt 10 a und b) Rudolf Henke (CDU/CSU). . . . . . . . . . . . . . . Stephan Stracke (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Dr. Marlies Volkmer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Jens Ackermann (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27324 A 27325 C 27326 D 27327 B 27328 A 27329 B 27331 A 27332 B 27333 B 27334 C Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 219. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 31. Januar 2013 27069 (A) (C) (D)(B) 219. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 31. Januar 2013 Beginn: 9.02 Uhr
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    Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 219. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 31. Januar 2013 27287 (A) (C) (D)(B) Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlage 2 Neuabdruck der Antwort des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Otto auf die Frage des Abgeordneten Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (218. Sitzung) (Drucksache 17/12162, Frage 36): Wann wird die Bundesregierung dem Deutschen Bundes- tag den nach § 3 des Energieleitungsausbaugesetzes, EnLAG, seit dem 1. Oktober 2012 fälligen Fortschrittsbericht zum Ausbau der Höchstspannungsnetze vorlegen, vor dem Hinter- grund, dass die Bundesnetzagentur die Prüfung des Netzent- wicklungsplans inzwischen abgeschlossen hat, was die Bun- desregierung in ihrer Antwort auf meine mündliche Frage 79, Plenarprotokoll 17/210, als Grund für die Verzögerung ange- geben hat, und was sind die Gründe für die weitere Verspä- tung? Der Bericht wurde mit Schreiben vom 4. Dezember 2012 an den Deutschen Bundestag übersandt. Anlage 3 Erklärungen nach § 31 GO zur namentlichen Abstimmung über die Be- schlussempfehlung zu dem Antrag: Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streit- kräfte an dem Einsatz der Internationalen Si- cherheitsunterstützungstruppe in Afghanistan (International Security Assistance Force, ISAF) unter Führung der NATO auf Grundlage der Resolution 1386 (2001) und folgender Resolutio- nen, zuletzt Resolution 2069 (2012) vom 9. Ok- tober 2012 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen (Tagesordnungspunkt 7) Dr. Thomas Gambke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Die Entscheidung des Parlamentes über den Ein- satz von Soldatinnen und Soldaten in Krisengebieten und bei kriegerischen Auseinandersetzungen übertragen jedem Abgeordneten eine besonders hohe Verantwor- tung. Denn mit dieser Entscheidung ist unmittelbar eine Entscheidung über Menschenleben verbunden. Nach sehr gründlicher Abwägung zu den Zielen, den Risiken und der geplanten Vorgehensweise dieses Einsatzes habe ich mich entschieden, mich bei der Entscheidung zu ei- ner Fortsetzung des ISAF-Mandates zu enthalten. Einerseits stimme ich den genannten Zielen des Ein- satzes zu einer Befriedung Afghanistans ausdrücklich zu. Und ich weiß, dass nach jahrelangen kriegerischen Auseinandersetzungen der Aufbau einer Zivilgesell- schaft viel Einsatz, auch Risikoübernahme und vor allem Zeit erfordert. An dieser Stelle sage ich ausdrücklich Dank den Soldatinnen und Soldaten, die bereit sind, die mit dem Einsatz in Afghanistan verbundenen erhebli- chen Risiken zu tragen. Aber der Einsatz hat sich auch gelohnt. Es gab beim zivilen Aufbau erkennbare Fort- schritte. Schulen wurden errichtet, Brunnen angelegt, Straßen gebaut. Die Zivilgesellschaft und vor allem Frauen genießen heute in vielen Regionen einen ganz  Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Brase, Willi SPD 31.01.2013 Canel, Sylvia FDP 31.01.2013 Dittrich, Heidrun DIE LINKE 31.01.2013 Heil, Hubertus SPD 31.01.2013 Dr. Hendricks, Barbara SPD 31.01.2013 Humme, Christel SPD 31.01.2013 Kindler, Sven-Christian BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 31.01.2013 Klein-Schmeink, Maria BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 31.01.2013 Kudla, Bettina CDU/CSU 31.01.2013 Menzner, Dorothée DIE LINKE 31.01.2013 Ostendorff, Friedrich BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 31.01.2013 Remmers, Ingrid DIE LINKE 31.01.2013 Scharfenberg, Elisabeth BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 31.01.2013 Schlecht, Michael DIE LINKE 31.01.2013 Schmidt (Eisleben), Silvia SPD 31.01.2013 Schreiner, Ottmar SPD 31.01.2013 Sendker, Reinhold CDU/CSU 31.01.2013 Dr. Tackmann, Kirsten DIE LINKE 31.01.2013 Thönnes, Franz SPD 31.01.2013 Wagenknecht, Sahra DIE LINKE 31.01.2013 Widmann-Mauz, Annette CDU/CSU 31.01.2013 Ziegler, Dagmar SPD 31.01.2013 Anlagen 27288 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 219. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 31. Januar 2013 (A) (C) (D)(B) anderen Schutz und haben ganz andere Möglichkeiten, als sie es unter der Herrschaft von Extremisten erfahren haben und erwarten könnten. Unter militärischem Schutz gerade auch der Bundeswehr arbeiten demokratische Nichtregierungsorganisation am Aufbau demokratischer Strukturen in Afghanistan. Ohne diesen Schutz ausländi- scher Streitkräfte hätten diese Projekte nicht umgesetzt werden können. Und wir wissen, ein schneller und unge- ordneter Abzug dieser Truppen würde zivile Helfer im Land gefährden und potenziell das Engagement dieser Menschen vor Ort unmöglich machen. Andererseits haben die ausländischen Truppen und auch die Bundeswehr bzw. die Bundesregierung sich nie wirklich klar und unmissverständlich allein diesen Zie- len des zivilen Aufbaus verpflichtet und alle Maßnah- men und Aktionen strikt an diesen Zielen ausgerichtet. Dabei geht es mir nicht um die bloße Anzahl der nach Afghanistan gesandten Soldatinnen und Soldaten. Es geht mir um die Umsetzung konkreter Ziele. Der vorlie- gende Antrag der Bundesregierung enthält nur wenig Konkretes zur zivilen Zukunft des Landes. Die Bundes- regierung müsste klar benennen, welche Projekte sie im Zuge der Entwicklungszusammenarbeit fördern will, und sie muss ihre Zusagen aus der Geberkonferenz 2012 in Tokio einhalten. Es fehlen ein klares Bekenntnis der Bundesregierung, sich gegenüber den ISAF-Partnern für eine Beendigung von nicht mit dem Völkerrecht verein- baren gezielten Tötungen einzusetzen, und die unmiss- verständliche Aussage, dass sich die Bundeswehr nicht an solchen Aktionen beteiligt. Bei jedem militärischen Einsatz ist die klare Ausrichtung der Maßnahmen auf ei- nen zivilen Aufbau unabdingbar, im Prinzip erfüllt der vorgelegte Antrag der Bundesregierung diese Anforde- rungen nicht. Mit meiner Enthaltung zum vorliegenden Antrag der Bundesregierung will ich meine Zustimmung zu den Zielen, zu vielen Projekten und der Vorgehensweise der Bundeswehr ausdrücken, gleichzeitig aber meiner Kritik an der Nichteinhaltung von unabdingbaren Vorausset- zungen für eine Entsendung von Einsatztruppen Aus- druck verleihen. Ute Koczy (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Mit die- sem Mandat will die Bundesregierung den Abzug der ISAF-Truppen aus Afghanistan bis Ende 2014 vorberei- ten. Damit tritt das deutsche Engagement in eine neue Phase ein. Ich werde mich zu diesem Mandat enthalten, das ich aus vielen Gründen für nicht zustimmungsfähig halte. So kritisiere ich, dass keine konzipierte und glaub- hafte Abzugsplanung vorliegt, dass immer noch keine unabhängige Evaluation des deutschen Engagements in Afghanistan stattfindet und es bis heute keine Agenda bis 2014 und danach gibt. Die schwierigste Situation erleben jedoch jetzt die Menschen in Afghanistan. Niemand kann vorhersehen, wie die verschiedenen Akteure in Afghanistan und der Region auf einen Truppenabzug reagieren werden. Die Sicherheitslage bleibt schwierig, die regierungsfeindli- chen Kräfte bleiben gefährlich und bedrohen die Bevöl- kerung, vielfach tödlich. Mir ist daher mit meinem Votum das politische Signal wichtig, dass es weiterhin eine internationale Verantwortung gibt, den Menschen in Afghanistan nach den langen Jahren des Krieges den Weg zu einer Entwicklung in Frieden zu ermöglichen. Der Einsatz in Afghanistan ist immer noch großen Gefahren ausgesetzt. Ich möchte an dieser Stelle meinen Dank und meine Wertschätzung ausdrücken für all dieje- nigen, die als zivile Helferinnen und Helfer, als Soldatin- nen und Soldaten, in Verbindung mit ihren Familienan- gehörigen, Aufgaben in Afghanistan erfüllen. Dieses Mandat fordert in Afghanistan mitunter den höchsten Einsatz, und das darf nie vergessen werden. In Afghanistan findet eine Zeitenwende statt. Die kommenden zwei Jahre sind eine Phase des Übergangs, in der die Beendigung des ISAF-Engagements vollzogen werden soll. Ziel ist es, dass die afghanische Regierung in der Lage ist, die Sicherheitsverantwortung landesweit und so vollständig wie möglich wahrzunehmen. Daher verändert sich auch das Mandat für Afghanistan, wenn die deutschen Truppen verringert werden. Unglaubwür- dig ist jedoch, dass bis zum 28. Februar 2014 immer noch mindestens 3 300 deutsche Soldatinnen und Solda- ten in Afghanistan stationiert sein werden. Zweifel, dass ein wirklicher Abzug mit dieser großen Zahl bis Ende 2014 damit möglich wird, sind begründet. Die Transition ist für Afghanistan ein extremes Ri- siko, aber hoffentlich auch mit Chancen verbunden. Der damit verbundene Abzug stellt jedoch auch die interna- tionale Gemeinschaft und Deutschland vor komplexe Aufgaben. Auch schwinden mit einer abnehmenden Zahl an Soldatinnen und Soldaten die mediale Aufmerk- samkeit und die politische Bereitschaft, sich den weiter bestehenden Problemen intensiv zu widmen. Wir dürfen die Menschen in Afghanistan aber nicht alleinlassen. In Deutschland muss energisch dafür einge- treten werden, dass die angekündigte langfristige Unter- stützung im zivilen und im entwicklungspolitischen Be- reich tatsächlich verwirklicht wird. Deutschland muss zu seinen Versprechen und seiner Verantwortung für Afgha- nistan stehen. Daher ist es ein fatales Signal, wenn die Bundesregierung die Mittel für den zivilen Aufbau um 10 Millionen Euro für 2013 gekürzt hat. Dabei hatte sie noch auf der Tokio-Konferenz 2012 versprochen, 430 Millionen Euro bis 2015 jährlich bereitzustellen. Hier zeigt sich die Brüchigkeit der geleisteten Verspre- chen auf internationaler Ebene. Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Den Antrag zum Kriegseinsatz der Bundeswehr in Afghanistan lehne ich ab. Seit mehr als elf Jahren führt Deutschland inzwischen Krieg in Afghanistan. Zehntausende Menschen, ganz überwiegend Zivilisten, sind getötet und verletzt wor- den. Zwei Drittel der deutschen Bevölkerung lehnen den Krieg ab. Er ist nicht zu gewinnen. Trotzdem soll er fort- gesetzt werden, zunächst bis März nächsten Jahres mit bis zu 4 400 Soldaten. Dann soll das Mandat erneut ver- längert werden, mindestens bis Ende 2014. Tausende Menschen werden wieder Opfer sein, meist afghanische Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 219. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 31. Januar 2013 27289 (A) (C) (D)(B) Zivilisten, Polizisten und Soldaten, aber auch Nato-Sol- daten. Die Versicherungen der Bundesregierung bezüglich einer fortschreitenden Verbesserung der Sicherheitslage der Bevölkerung sind trügerisch. Aktuelle Auswertun- gen internationaler Organisationen zeichnen ein anderes Bild. Sie gehen davon aus, dass die afghanischen Sicher- heitskräfte überfordert und unvorbereitet auf den Über- gang sind. Dafür spricht auch die hohe Zahl der im letz- ten Jahr getöteten afghanischen Sicherheitskräfte, über 3 000. Und die Zahl der Opfer unter der Zivilbevölke- rung ist im letzten halben Jahr wieder gestiegen. Weiter Krieg führen, ist der falsche Weg. Die offen- sive Aufstandsbekämpfung durch die ISAF-Truppen führt unweigerlich zu weiterer Eskalation. Wertvolle Zeit wird vertan. Anstatt Kommandounternehmen und gezielte Tötungen einzustellen und mit den Aufständi- schen über Waffenstillstand und die Erhaltung des bisher Erreichten zu verhandeln, wird weitergemacht bis zum bitteren Ende in der Hoffnung, es werde noch alles gut und sicher in Afghanistan. Völkerrechtswidrige gezielte Tötungen von „feindlichen Kämpfern“ durch Spezialein- heiten oder bewaffnete Drohnen werden intensiviert. Im deutschen Verantwortungsbereich wurden Kampfdroh- nen mit Tötungsauftrag stationiert. Aufgrund welcher Informationen die Todeslisten erstellt werden, ist un- durchsichtig und nicht überprüfbar. Den gezielten Tö- tungen fallen häufig am Krieg völlig Unbeteiligte oder zu Unrecht Denunzierte zum Opfer. Die Bundesregie- rung behauptet, die Bundeswehr beteilige sich nicht an solchen Tötungen. Sie hat aber eingeräumt, sie könne nicht ausschließen, dass Informationen, die sie für Aktio- nen zur Gefangennahme liefert, nicht doch zum Auffül- len der Tötungslisten für Drohnen oder Special Forces der Alliierten genutzt werden. Die Folge sind immer neuer Hass, Gewalt und Krieg, und Verhandlungen kom- men nicht zustande. Ohne Verhandlungen, Vereinbarun- gen und Waffenstillstandsabkommen mit den Aufständi- schen wird es nichts mit mehr Sicherheit, auch nicht bis Ende 2014. Und viel schlimmer noch: Als Konsequenz für die Zeit danach droht erneut ein fürchterlicher Bürgerkrieg – oder doch die Verlängerung des NATO-Kampfeinsatzes und Krieges. Dann wird es ein neues „Schutzmandat“ mit Kampf- auftrag geben. Auch das ISAF-Mandat war ursprünglich lediglich ein Mandat zum Schutz der Zivilbevölkerung und der Regierung in Kabul – anders als das Mandat Enduring Freedom. Es wurde zum Kriegsmandat von heute umgedeutet. Ein Weiter-so darf es nicht geben. Der Krieg in Af- ghanistan muss unverzüglich beendet werden. Die Alter- nativen sind Verhandlungen mit allen Beteiligten, auch den Aufständischen, und Waffenstillstandsabkommen, vielleicht zunächst regionale wie in dem Verantwor- tungsbereich der Bundeswehr. Deshalb stimme ich mit Nein. Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Tobias Lindner, Tabea Rößner und Josef Philip Winkler (alle BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) zur namentlichen Ab- stimmung über die Beschlussempfehlung zu dem Antrag: Fortsetzung der Beteiligung be- waffneter deutscher Streitkräfte an dem Einsatz der Internationalen Sicherheitsunterstützungs- truppe in Afghanistan (International Security Assistance Force, ISAF) unter Führung der NATO auf Grundlage der Resolution 1386 (2001) und folgender Resolutionen, zuletzt Re- solution 2069 (2012) vom 9. Oktober 2012 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen (Tages- ordnungspunkt 7) Auf der Londoner Afghanistan-Konferenz 2010 ha- ben die an ISAF beteiligten Nationen die Beendigung des Einsatzes bis Ende 2014 beschlossen. Die afghani- schen Sicherheitskräfte sollen dazu befähigt werden, selbst für die Sicherheit in Afghanistan zu sorgen. Wir wollen, dass Deutschland bis dahin weiterhin einen Bei- trag dazu leistet, die afghanischen Sicherheitskräfte aus- zubilden. Die Entscheidung, den ISAF-Militäreinsatz zu been- den, ist richtig. Mit seinem Ende wird dem politischen Prozess endlich Vorrang gegeben. Denn nur politisches und ziviles Engagement kann der afghanischen Bevölke- rung eine wahrhaft nachhaltige Perspektive bieten. Nur zivile Aufbauhilfe kann zum Aufbau von Verwal- tungsstrukturen, eines Justiz-, Bildungs- oder auch Ge- sundheitssystems beitragen. Nur durch die zivilen Anstrengungen kann sich eine nachhaltige Wirtschafts- perspektive entwickeln. Die zivile Aufbaustrategie darf militärischen Zielsetzungen nicht untergeordnet werden. Unsere Erwartung in ein neues ISAF-Mandat ist, dass es einen eindeutigen und entschlossenen Weg in Rich- tung der Beendigung des Einsatzes Ende 2014 darlegt. Der nun vorgelegte Antrag der Bundesregierung wird diesem Anspruch jedoch nicht gerecht. Im Besonderen betrifft dies die Mandatsobergrenze, die auf 4 400 Solda- tinnen und Soldaten festgelegt wurde. In der Begrün- dung wird bis zum Mandatsende eine Reduktion der Truppenzahl auf 3 300 in Aussicht gestellt. Wenn am 1. März 2014 noch mehr als 3 000 Soldatinnen und Sol- daten in Afghanistan stehen, scheint uns ein vollständi- ger Abzug der Bundeswehr bis Ende 2014 nur schwer durchführbar. Zur geplanten Folgemission ab 2015 fehlen konkrete Informationen. In der Begründung des Mandats wird le- diglich darauf hingewiesen, dass eine Folgemission mit deutlich geringerem Personalansatz geplant werde. Was dies genau bedeutet, ist jedoch unklar. Mit der durch die Bundesregierung vorgelegten Entwicklung der Kontin- gentgröße ist zu befürchten, dass auch ab 2015 eine vier- stellige Zahl von Soldatinnen und Soldaten der Bundes- wehr in Afghanistan verbleiben soll. Aus unserer Sicht erzeugt das vorgelegte Mandat eine Pfadabhängigkeit für die Folgemission, die wir nicht mittragen wollen. 27290 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 219. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 31. Januar 2013 (A) (C) (D)(B) Gleichzeitig sehen wir, dass Deutschland durch sei- nen Einsatz in Afghanistan eine Schutzverantwortung für die afghanische Bevölkerung übernommen hat. Die- ser Verantwortung müssen wir sowohl mit unserem zivi- len als auch militärischen Engagement weiter gerecht werden. Unser Ziel ist es, das militärische Engagement rasch und entschlossen zu reduzieren. Ein sofortiger Ab- zug würde aus unserer Sicht nicht nur bereits Erreichtes, sondern auch die Zukunft der afghanischen Kinder, Frauen und Männer in existenzieller Art und Weise ge- fährden. Wir haben uns in der Summe dazu entschieden, uns bei der Abstimmung über die Fortsetzung des ISAF- Mandates der Bundeswehr zu enthalten. Dies ist eine Gewissensentscheidung. Der Entschließungsantrag unserer Fraktion findet un- sere Unterstützung und legt unsere Position im Hinblick auf den Afghanistan-Einsatz näher dar. Anlage 5 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Agnes Brugger, Katja Dörner, Dr. Anton Hofreiter, Sylvia Kotting- Uhl, Agnes Krumwiede, Monika Lazar, Lisa Paus, Ulrich Schneider, Dr. Gerhard Schick und Dorothea Steiner (alle BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN) zur namentlichen Abstimmung über die Beschlussempfehlung zu dem Antrag: Fortset- zung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem Einsatz der Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe in Afghanis- tan (International Security Assistance Force, ISAF) unter Führung der NATO auf Grundlage der Resolution 1386 (2001) und folgender Resolutionen, zuletzt Resolution 2069 (2012) vom 9. Oktober 2012 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen (Tagesordnungspunkt 7) Die Entscheidung über Auslandseinsätze der Bundes- wehr gehört zu den schwierigsten Entscheidungen, die Abgeordnete des Deutschen Bundestages zu treffen ha- ben, und fordert wie kaum eine andere das Gewissen und Herz der Parlamentarierinnen und Parlamentarier. Dem Engagement der in Afghanistan eingesetzten zivilen Helferinnen und Helfer, Soldatinnen und Soldaten sowie ihren Familienangehörigen gilt unser großer Dank und unsere Wertschätzung. Das vorliegende Mandat versagt dabei, den vollstän- digen Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan vorzube- reiten. Die Politik der Bundesregierung und das ISAF- Mandat schreiben das Primat des Militärischen vor dem Zivilen weiter fort. Nach wie vor finden in Afghanistan durch ISAF-Nationen verübte gezielte Tötungen durch Kommandoaktionen und Drohnenangriffe statt, die eine Verhandlungslösung konterkarieren. Wir stimmen gegen einen solchen Militäreinsatz, der zur Gewalteskalation beiträgt und kontraproduktiv für die Schaffung von Frie- den in Afghanistan ist. Strategie der Aufstandsbekämpfung schmälert Chan- cen auf Frieden: Seit über einem Jahrzehnt beteiligt sich die Bundeswehr am ISAF-Einsatz in Afghanistan. Noch immer ist die Sicherheitslage sehr angespannt, unbere- chenbar und besorgniserregend. Die vergangenen Jahre waren geprägt von gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen ISAF-Truppen und afghanischen Sicherheits- kräften auf der einen Seite und Taliban und anderen Aufständischen auf der anderen. Für die meisten zivilen Opfer sind die Anschläge der Aufständischen verant- wortlich. Aber auch die Strategie der offensiven Auf- standsbekämpfung durch die ISAF-Truppen hat zu einer zunehmenden Eskalation beigetragen. Die vor allem von den USA und anderen ISAF-Nationen weiter durch- geführten massiven gezielten Tötungen mit zahlreichen zivilen Opfern in Afghanistan und Pakistan tragen nach wie vor maßgeblich zur Eskalation der Gewalt bei. Der Einsatz von bewaffneten Drohnen fordert zahlreiche zivile Opfer, zerstört den Rückhalt in der afghanischen Bevölkerung und fördert die Radikalisierung und den Zulauf bei den Aufständischen. So werden die Bemü- hungen um eine Verhandlungslösung, die Stabilisierung der Sicherheitslage und der Erfolg des Transitions- prozesses in Afghanistan massiv konterkariert. Die Stra- tegie, mit militärischen Mitteln den Frieden in Afghanis- tan erzwingen zu wollen, ist gescheitert. Keine glaubwürdige Abzugsplanung: Das vorlie- gende Mandat ist weit davon entfernt, die Voraussetzun- gen für einen geordneten und glaubwürdigen Abzug der Bundeswehr bis 2014 aus Afghanistan zu schaffen. Es sieht weiterhin eine Obergrenze von 4 400 Soldatinnen und Soldaten vor und stellt selbst bei positiver Entwick- lung der Sicherheitslage bis März 2014 immer noch 3 300 deutsche Einsatzkräfte zur Verfügung. Mit einem Abzugsmandat hat eine solche Kontingentplanung nichts zu tun. Die Bundesregierung stellt damit den selbst angekündigten und international vereinbarten Abzug in- frage, der unter diesen Bedingungen nur noch schwer durchführbar scheint. In der NATO beteiligt sich die Bundesregierung bereits an der Planung einer ISAF- Nachfolgemission. Weder über den geplanten Umfang einer möglichen deutschen militärischen Beteiligung noch über die Strategie und die völkerrechtliche Grund- lage eines solchen Einsatzes gibt es vonseiten der Bun- desregierung Aufklärung. Wenn wir wollen, dass die Bundeswehr bis 2014 abzieht, brauchen wir hierzu be- reits jetzt ein Mandat, das die Voraussetzungen für einen geordneten Abzugsprozess im nächsten Mandatszeit- raum schafft. Es steht aber im Gegenteil zu befürchten, dass die Pläne der Bundesregierung darauf angelegt sind, Vorfestlegungen in Bezug auf eine Nachfolgemis- sion zu schaffen und eine vierstellige Zahl von Bundes- wehrangehörigen auch nach 2014 in Afghanistan zu sta- tionieren. Dieses Verfahren ist nicht nur intransparent, sondern hat mit Mandatswahrheit und -klarheit gegen- über Parlament und Öffentlichkeit nichts zu tun. Versöhnung und Wiederaufbau verlässlich unterstüt- zen: Für einen nachhaltigen Frieden in Afghanistan muss ein breiter Versöhnungsprozess stattfinden und der wirt- schaftliche und institutionelle Wiederaufbau des Landes vorangetrieben werden. Menschenrechtsverletzungen, Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 219. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 31. Januar 2013 27291 (A) (C) (D)(B) ungeachtet von welcher Seite, müssen aufgedeckt und aufgearbeitet werden. Nur so gibt es eine Chance, dass der Versöhnungsprozess in der nach wie vor traumati- sierten und zerrissenen afghanischen Gesellschaft gelin- gen kann. Ein Waffenstillstand alleine reicht nicht aus, um Frieden zu schaffen. Auch wenn dies im von Krieg und Gewaltherrschaft geprägten Afghanistan schwierig ist und schmerzhafte Kompromisse abverlangt, müssen alle Möglichkeiten genutzt werden, um ein größtmögli- ches Maß an Gerechtigkeit walten zu lassen. Diese mit einem echten Versöhnungsprozess verbundenen Heraus- forderungen werden von dem vorliegenden Mandat und der Afghanistan-Politik der Bundesregierung nicht ange- gangen. Wiederaufbau und Versöhnung gehören ins Zen- trum der Afghanistan-Politik. Doch die Unterstützung bei der Entwicklung grundlegender Staatsstrukturen und einer funktionierenden Verwaltung wird weiterhin ver- nachlässigt. Darüber hinaus fehlt es an einem Gesamt- konzept und einer sinnvollen Schwerpunktlegung für die wirtschaftliche Entwicklung Afghanistans. Diese muss sich an den Bedürfnissen der afghanischen Bevölkerung und den Gegebenheiten vor Ort orientieren. Der für die afghanische Wirtschaft zentrale landwirtschaftliche Sek- tor und die Modernisierung des afghanischen Bildungs- systems müssen dabei im Vordergrund stehen. Ein weite- rer wichtiger Schwerpunkt im Rahmen des zivilen Wiederaufbaus ist die Stärkung der Zivilgesellschaft. Der Weg zu einem nachhaltigen Frieden in Afghanis- tan ist noch lang und steinig und erfordert eine langfris- tige und verlässliche Unterstützung durch die internatio- nale Gemeinschaft. Das vorliegende Mandat bleibt eine Antwort auf die Frage schuldig, wie das deutsche Enga- gement für den Aufbau in Afghanistan in einem ange- messenen Umfang fortgesetzt werden kann und lässt an- ders als das Vorgängermandat die Höhe der Mittel für den zivilen Wiederaufbau offen. Die Bundesregierung hat ihre Versprechen diesbezüglich schon gebrochen: Nur ein halbes Jahr nach ihren Zusagen auf der Geber- konferenz in Tokio wurden die Mittel des Afghanistan- Stabilitätspakts um 10 Millionen gekürzt. Dem zukünfti- gen deutschen Engagement fehlt eine überzeugende und umfassende Gesamtstrategie für den Aufbau Afghanis- tans. Wir lehnen die Strategie der offensiven Aufstandsbe- kämpfung und die weiter fortgesetzten völkerrechtswid- rigen gezielten Tötungen ab. Sie stehen einer friedlichen Lösung des Konfliktes durch Verhandlungen entgegen. Wir fordern Mandatswahrheit und -klarheit in der Frage des Abzugs und sagen Nein zu einem Mandat, das sich einer realistischen und geordneten Abzugsplanung bis Ende 2014 verweigert. Unser Votum richtet sich nicht gegen die in Afghanistan eingesetzten Soldatinnen und Soldaten, sondern gegen die falsche Afghanistan-Politik der Bundesregierung. Anlage 6 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Omid Nouripour, Marieluise Beck (Bremen), Cornelia Behm, Hans-Josef Fell, Priska Hinz (Herborn), Tom Koenigs, Nicole Maisch, Jerzy Montag, Manuel Sarrazin, Markus Tressel und Daniela Wagner (alle BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur namentlichen Abstimmung über die Beschlussempfehlung zu dem Antrag: Fortsetzung der Beteiligung be- waffneter deutscher Streitkräfte an dem Einsatz der Internationalen Sicherheitsunterstützungs- truppe in Afghanistan (International Security Assistance Force, ISAF) unter Führung der NATO auf Grundlage der Resolution 1386 (2001) und folgender Resolutionen, zuletzt Re- solution 2069 (2012) vom 9. Oktober 2012 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen (Tages- ordnungspunkt 7) Nur eine politische Lösung kann verhindern, dass Af- ghanistan nach dem Abzug der internationalen Truppen in einen neuen, blutigen Bürgerkrieg zurückfällt. Die Bundesregierung und die internationale Gemeinschaft müssen daher ihre Anstrengungen erhöhen, um den Ver- handlungs- und Reintegrationsprozess in Afghanistan zu unterstützen und eine Friedenslösung unter Einbezie- hung der beteiligten Nachbarstaaten zu erzielen. Deutschland muss sich dafür einsetzen, dass die erreich- ten Fortschritte insbesondere bei Menschenrechten ins- besondere für Frauen und Mädchen im Rahmen der Ver- handlungen nicht ausgehöhlt werden. Der zivile Aufbau in Afghanistan erfordert ein lang- fristiges Engagement der internationalen Gemeinschaft und verlässliche Zusagen für Hilfen und Unterstützungs- leistungen auch über das Jahr 2014 hinaus. Hierzu ge- hört, die im Juli 2012 auf der Geberkonferenz in Tokio gemachte Zusage einzuhalten, bis einschließlich 2015 jährlich 430 Millionen Euro für den zivilen Aufbau be- reitzustellen. Die Bundesregierung belässt es jedoch bei vagen Zusagen und hat sich im Rahmen der letzten Haushaltsverhandlungen von verbindlichen Mittelzusa- gen für Afghanistan verabschiedet. Dies ist ein herber Rückschlag für die afghanische Zivilbevölkerung. Um der Verantwortung Deutschlands für die Men- schen in Afghanistan endlich gerecht zu werden, muss die Bundesregierung bindende Verpflichtungen ausspre- chen. Darüber hinaus braucht es vor allem eine umfas- sende Agenda für den zivilen Aufbau, die das deutsche Engagement im politischen und entwicklungspolitischen Bereich für die Zeit nach 2014 für Afghanistan verläss- lich festlegt. Dies ist auch erforderlich, da in Afghanis- tan die Befürchtung zunimmt, dass mit dem militäri- schen Abzug auch die meisten Aufbauhelferinnen und -helfer das Land verlassen werden. Im militärischen Engagement setzen Partnernationen weiter auf kontraproduktive „gezielte Tötungen“. Die Bundesregierung muss sich im Rahmen von ISAF und gegenüber den Partnern dafür einsetzen, dass dieses fal- sche Vorgehen beendet wird. Sie muss außerdem sicher- stellen, dass sich die Bundeswehr nicht an solchen Ak- tionen beteiligt. Es ist zu kritisieren, dass die Bundesregierung hin- sichtlich ihrer Abzugsplanung im Ungefähren bleibt. Die enormen logistischen und sicherheitspolitischen Heraus- 27292 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 219. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 31. Januar 2013 (A) (C) (D)(B) forderungen müssen endlich nachvollziehbar ausbuch- stabiert werden, um verlässlich und transparent darzule- gen, wie der zugesagte Abzug sämtlicher Truppen mit einem Kampfauftrag bis Ende 2014 in verantwortbarer Art und Weise realisiert werden soll. Die Bundesregierung muss sich in diesem Zusam- menhang auch dafür einsetzen, dass die afghanischen Ortskräfte, die für die Bundeswehr unter anderem als Dolmetscher, Fahrer und Arbeiter tätig waren und nun Repressalien durch die Taliban befürchten, nicht ihrem Schicksal überlassen werden, und sie muss ihnen ein großzügiges Aufnahmeangebot machen. Trotz unserer Kritik an der unzureichenden und teil- weise fehlgeleiteten Afghanistan-Strategie der Bundes- regierung stimmen wir dem Mandat zur Verlängerung des Afghanistan-Einsatzes der Bundeswehr bis zum 28. Februar 2014 zu. Dies ist eine schwere Gewissens- entscheidung. Mit dem Engagement der internationalen Gemein- schaft haben wir eine Schutzverantwortung für die Menschen in Afghanistan übernommen. Wir fühlen uns weiterhin verpflichtet, sie nicht alleine zu lassen. Zu- stimmung bedeutet auch, dass wir Mitverantwortung übernehmen für den schwierigen, oft lebensgefährlichen Einsatz der Soldatinnen und Soldaten und der zivilen Aufbauhelferinnen und Aufbauhelfer. Ein sofortiger militärischer Abzug würde die Men- schen in Afghanistan in einem neu eskalierenden Bür- gerkrieg alleine zurücklassen und die gesamte Region destabilisieren. Die Polizei und die Armee Afghanistans sind noch nicht in der Lage, verlässlich für die Sicherheit im Land zu sorgen. Expertinnen und Experten sowie Vertreterinnen und Vertreter der Zivilgesellschaft aus Afghanistan machen immer wieder deutlich, dass des- wegen eine – wenn auch befristete – militärische Präsenz internationaler Truppen notwendig ist. Anlage 7 Erklärungen nach § 31 GO zur Abstimmung über den Entwurf eines Geset- zes zur Reform der elterlichen Sorge nicht mit- einander verheirateter Eltern (Tagesordnungs- punkt 11 a) Sylvia Canel (FDP): Eheliche und nichteheliche Kinder haben einen Anspruch darauf, dass ihre Väter und Mütter gleichermaßen Verantwortung über ihr Le- ben übernehmen. Deshalb sollen die bisher geltenden Rechte von ledigen Vätern deutlich verbessert werden. Das ist nicht nur meine persönliche Auffassung, sondern auch die klare politische Haltung der FDP-Bundestags- fraktion. Die Stärkung des Sorgerechts insbesondere bei außer- ehelich geborenen Kindern ist aus meiner Sicht bereits von Geburt an sicherzustellen. Denn beide Elternteile, unabhängig von dem Familienstand, sind dazu verpflich- tet, im Sinne des Kindeswohls zu handeln. Dies kann nur gewährleistet werden, wenn künftig die Väter das Recht bekommen, ihre Fürsorge und Sorgepflicht bereits von Geburt an ausüben zu können. Bereits 2009 hat der Europäische Gerichtshof für Men- schenrechte die Sorgerechtsregelungen, die in Deutsch- land vorherrschen, als menschenrechtswidrig deklariert. Die Begründung beruft sich auf die Unterscheidung zwi- schen ehelichen und nichtehelichen Neugeborenen. Dem- zufolge werden Neugeborene von nicht verheirateten Paaren deutlich benachteiligt, da es keine klare Regelung des gemeinsamen Sorgerechts gibt. Der Europäische Ge- richtshof für Menschenrechte erstellte jedoch einen kla- ren Forderungskatalog bezüglich der Neuregelung des gemeinsamen Sorgerechts bei nicht verheirateten Eltern- paaren. Beispielhaft sei in diesem Zusammenhang auch auf die UN-Kinderrechtskonvention verwiesen. Hier heißt es, dass alle Kinder das Recht besitzen, von beiden El- ternteilen gleichermaßen erzogen zu werden, unabhän- gig von dem Familienstand der Eltern. Die Neuregelung des gemeinsamen Sorgerechts von nichtehelichen Neugeborenen wird durch den vorliegen- den Gesetzentwurf vereinfacht und nimmt Rücksicht auf die moderne Form der Beziehung. Dementsprechend soll ein Vater, der seine Vaterschaft bereits anerkennt, auch das Recht bekommen, sich um sein Kind zu sorgen und zu kümmern. Sollte es zum Streit der Elternteile kommen, wird ein Gericht im Sinne des Kindeswohls entscheiden. Jedoch sollte meiner Ansicht nach der Vater dieses Recht bereits mit der Geburt des Kindes erhalten. Einen anderen Weg erachte ich als eine Diskriminierung des Kindsvaters. Vor diesem Hintergrund soll die Reform der elterli- chen Sorge nicht miteinander verheirateter Eltern weiter vorangebracht werden und um einen Punkt erweitert werden. Väter sollen bereits von Geburt das Recht erhal- ten, sich ihrer Verantwortung zu stellen und sich glei- chermaßen um das Kind zu kümmern. Diese Forderung ist zum Wohle des Kindes. Thomas Jarzombek (CDU/CSU): Bei der heutigen Abstimmung des Bundestages zum Gesetz zur Reform der elterlichen Sorge nicht miteinander verheirateter El- tern – Bundestagsdrucksache 17/11048 – stimme ich heute mit Nein. Es ist richtig, die Rechte der Väter zu stärken; inso- fern ist der heute vorliegende Gesetzentwurf eine Ver- besserung in der Sache. Dennoch halte ich dabei die zwangsweise Einschaltung eines Gerichtes, um auch Vä- tern das Sorgerecht zuzusprechen, für falsch. Art. 3 des Grundgesetzes lautet wie folgt: (1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. (2) Männer und Frauen sind gleichberech- tigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Be- seitigung bestehender Nachteile hin. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 219. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 31. Januar 2013 27293 (A) (C) (D)(B) Dieser zentrale Gleichheitsgrundsatz des Grundgeset- zes muss auch beim Sorgerecht gelten. So halte ich es für geboten, dass Mutter und Vater das gemeinsame Sor- gerecht bei der Geburt eines Kindes erhalten, unabhän- gig davon, ob sie verheiratet sind oder nicht. Ein Verfah- ren, bei dem der Vater seine Rechte erst beantragen und einen Gerichtsbeschluss herbeiführen muss, halte ich für falsch. Dies gilt umso mehr, wenn dies zu einer mögli- cherweise sehr schwierigen familienrechtlichen Aus- einandersetzung und Entscheidung führt. Das häufig vorgetragene Argument von Kollegen, dieses Gesetz würde ohnehin nur in – wenigen – stritti- gen Fällen greifen, halte ich für ein sehr schwaches Ar- gument. Denn gerade für die problematischen und stritti- gen Fälle ist das Gesetz ja da; bei einem Einvernehmen wird es ohnehin nicht zum Tragen kommen. Aus Sicht des Kindes halte ich es für wichtig, dass so- wohl Mutter wie auch Vater Verantwortung übernehmen – das erwarte ich von beiden Elternteilen – und dass diese dazu auch tragfähige gemeinsame Lösungen ent- wickeln. Es gibt darüber hinaus Fälle, in denen eine Ausnahme angezeigt ist, insbesondere wenn Gewalt ausgeübt wird oder wurde oder das Kindeswohl beeinträchtigt werden könnte. Hierfür wäre eine entsprechende Regelung wün- schenswert; ansonsten sollte das Gesetz von einem ge- meinsamen Sorgerecht ausgehen. Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Modernisierung des Außenwirtschaftsrechts (Tagesordnungspunkt 13) Erich G. Fritz (CDU/CSU): In zweiter und dritter Le- sung beraten wir heute eine Novelle des Außenwirt- schaftsgesetzes. Sie führt zu einer erheblichen Vereinfa- chung und Entschlackung des aus dem Jahre 1962 stammenden deutschen Außenwirtschaftsrechts. Mit der vorliegenden Überarbeitung erfüllen wir eine Vereinbarung aus dem Koalitionsvertrag vom 26. Okto- ber 2009. Ich freue mich, dass in den abschließenden Ausschussberatungen eine sehr weitgehende Überein- stimmung zwischen den Fraktionen zu erkennen war und dass die Notwendigkeit und die Art der Überarbeitung viel Zustimmung gefunden hat. Ich habe es bereits in meiner letzten Rede versichert und wiederhole es gerne: Das Außenwirtschaftsgesetz genießt weltweit einen hervorragenden Ruf und wird daher seine bewährten Grundstrukturen, insbesondere den Grundsatz der Außenwirtschaftsfreiheit, beibehal- ten. Doch es wurde Zeit für eine Modernisierung. Das Außenwirtschaftsgesetz ist vor 50 Jahren in Kraft getreten. Seither hat sich, wie wir alle wissen, im Rechtsrahmen der Außenwirtschaft national, europäisch und international einiges geändert, und die Kontroll- und Genehmigungspraxis in Deutschland wurde immer weiter entwickelt. Die Europäische Union hat Zustän- digkeiten im Außenhandel übernommen und in ihrem Zuständigkeitsbereich einen gemeinsamen Exportkon- trollmechanismus aufgebaut. Auch deshalb sind das Au- ßenwirtschaftsgesetz, AWG, und die Außenwirtschafts- verordnung, AWV, häufig geändert worden. AWG und AWV glichen bisher einem Flickenteppich. Sie waren unübersichtlich und wenig nutzerfreundlich. Selbst Juristen und Experten haben teilweise Schwierig- keiten, sich in diesem Dschungel von 50 Paragrafen noch zurechtzufinden. Nach der Novelle sollen es nur noch 28 Bestimmungen sein. Im Interesse der Expor- teure, insbesondere der kleinen und mittelständischen Unternehmen in Deutschland, die oft nicht über eine ei- gene Rechtsabteilung verfügen, müssen die Regelungen gestrafft und verständlicher formuliert werden, auch für Nicht-Juristen. Die Neufassung ist also eine notwendige Anpassung, und ich gratuliere der Bundesregierung zu ihrer Entscheidung, das Außenwirtschaftsrecht zu novel- lieren. Um es noch einmal plastisch zusammenzufassen: Das AWG stammt aus einer Zeit vor dem Binnenmarkt, natürlich auch vor dem Lissabon-Vertrag. Das BAFA hat sich in dieser Zeit ebenso entwickelt wie die Expertise der Unternehmen im Umgang mit den nötigen Verfah- ren. Die Hauptzollämter haben ihre Fähigkeiten enorm entwickelt. Die Compliance-Regeln in den Unternehmen haben den Grad innerbetrieblicher Selbstkontrolle erheb- lich ausgeweitet. Fahndungsmöglichkeiten wurden unter anderem durch Aufbau und Entwicklung des Zollkrimi- nalinstitutes ausgebaut. Die Dual-Use-Verordnung der Europäischen Union ist heute unmittelbar geltendes Recht in Deutschland. Der Gemeinsame Standpunkt der EU wie die fortgeschriebenen Exportrichtlinien der Bun- desregierung binden Regierungshandeln. Wir haben ein sehr hohes Niveau der Ausfuhrkontrolle erreicht, das seine Wirkung entfalten kann. Dual-Use-Güter sind im normalen Handelsverkehr unter Kontrolle. Der Staat kommt seiner Verpflichtung nach, und die Exporteure können damit umgehen. Wir dürfen aber auch den Güterhandel nicht nur unter dem Gesichtspunkt der doppelt verwendbaren Güter be- trachten, sondern müssen auch an die Millionen von Pro- dukten denken, die das Verfahren durchlaufen, ohne je- mals in die Gefahr zu geraten, im weitesten Sinne militärisch verwendet zu werden. Deshalb war ein An- spruch an die Überarbeitung auch, die Regelungen klar, überschaubar und eindeutig zu machen. Solche An- sprüche wurden auch von der Rechtsprechung immer wieder an den Gesetzgeber gestellt. Die dafür notwendigen Veränderungen liefern auch modernere Definitionen für ein besseres sprachliches Verständnis. Das AWG wird an die moderne Terminolo- gie angepasst. Es erhält so eine zeitgemäße Sprache und wird mit den europarechtlich etablierten Begriffen in Einklang gebracht. Da das nationale und das europäische Recht eng verzahnt sind, werden so Widersprüche besei- tigt. Viele Begrifflichkeiten waren schlicht veraltet. Dies ist nicht verwunderlich, wenn man sich vor Augen führt, dass viele der Definitionen aus der Zeit vor der Wieder- vereinigung und vor der Dual-Use-Verordnung – erstma- liges Inkrafttreten 1994, grundlegende Überarbeitung 27294 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 219. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 31. Januar 2013 (A) (C) (D)(B) 2009 – stammen. Es ist also an der Zeit, den Definitions- katalog zu überarbeiten. Einige Begriffe entfallen ganz, und einige werden sprachlich vereinfacht. „Fremde Wirtschaftsgebiete“, um ein Beispiel zu nen- nen, hat der Teilung Deutschlands Rechnung getragen. Künftig sollen die Begriffe „In- und Ausland“ verwendet werden. Auch sollen AWG und AWV besser und übersicht- licher strukturiert werden. Ein Beispiel: Die außenwirt- schaftsrechtlichen Einfuhrverfahrensvorschriften finden sich derzeit sowohl im AWG als auch in der AWV. Im Interesse der Übersichtlichkeit werden sie nunmehr ein- heitlich in der AWV geregelt und damit an die Ausfuhr- verfahrensvorschriften angeglichen. Sie sehen, es geht hier nicht um eine grundlegende Änderung der Inhalte, etwa um laxere Ausfuhrbestim- mungen, wie teils fälschlicherweise in der Presse be- hauptet und skandalisiert, sondern vor allem um eine Anpassung an die moderne Begrifflichkeit und eine schlankere Fassung der Bestimmungen, die gleichzeitig eine Präzisierung ist, weil viele Rechtsvorschriften nicht mehr mühsam aus jeweils anderen Gesetzen abgeleitet werden müssen, sondern sich eindeutig im AWG finden. Vergleicht man Außenwirtschaftsgesetz alt und neu, so wird klar, dass sich in der Sache nur wenig ändert. Ich war sehr enttäuscht, dass Teile der Opposition ab- sichtlich, zumindest aber durch Nachlässigkeit falsche Behauptungen über laxere Rüstungskontrollen durch das neue AWG verbreitet haben, die explizit nicht vorgese- hen sind. Denn das AWG geht weit über Rüstung hinaus, und der Bereich Rüstung innerhalb des AWG bleibt völlig unberührt von der Überarbeitung. Ich sage es noch ein- mal: Die Überarbeitung des Außenwirtschaftsrechts sieht keinerlei Erleichterungen für den Export von Rüs- tungsgütern vor. Insofern ist es gelinde gesagt verwun- derlich, wenn das Magazin Der Spiegel in seiner Aus- gabe vom 16. Juli 2012, Ausgabe 29/2012, Seite 16, mit dem irreführenden Titel „Rüstungsexporte: Deutsche Waffen für die Welt“ behauptet, die Bundesregierung wolle mit der Gesetzesnovellierung „den Export von Waffen und Rüstungsgütern vereinfachen“. Davon kann keine Rede sein. Kriegswaffenkontrollgesetz, Rüstungs- exportrichtlinien der Bundesregierung und der Gemein- same Standpunkt verändern sich nicht. Es bleibt zu hoffen, dass man sich zwischenzeitlich ernsthaft mit dem Inhalt des Entwurfs vertraut gemacht hat. Denn die Inhalte der bestehenden Verbote und Ge- nehmigungsinhalte bleiben dieselben. Die vorliegende Gesetzesmodernisierung führt nicht dazu, dass sich Rüs- tungsgüter aus Deutschland leichter exportieren lassen. Was in der Tat entfällt, sind überholte Ermächtigungs- grundlagen, die seit Inkrafttreten des Gesetzes schlicht nie genutzt wurden. Gerne gebe ich Ihnen ein Beispiel: Nach § 17 AWG können Rechtsgeschäfte über die Ver- breitung ausländischer Filme und anderer audiovisueller Werke beschränkt werden, um die deutsche Filmwirt- schaft zu schützen. Die Beschränkungen hatten keinen außenwirtschaftsrechtlichen, sondern einen industrie- politischen Hintergrund. Von der Ermächtigungsgrund- lage wurde noch nie Gebrauch gemacht. Sie ist auch nicht nötig. Wichtige Grundlagen, wie beispielsweise der soge- nannte Einzeleingriff, §§ 6, 7 AWG-Novelle, bleiben er- halten. Nach wie vor können also Lieferungen, die nach dem geltenden Recht legal wären, durch einen Ein- zeleingriff gemäß § 6, ehemals § 2 Abs. 2 AWG, unter- sagt werden, um bestimmte Gefahren abzuwenden, zum Beispiel für die auswärtigen Beziehungen Deutschlands. Die Voraussetzungen einer solchen Ausfuhrbeschrän- kung in Form eines Verwaltungsakts soll durch die Ge- setzesnovelle auch für den Seeverkehr außerhalb des deutschen Küstenmeers konkretisiert werden, § 7 AWG- Novelle. Zusätzlich zu der Anpassung an die moderne Termi- nologie sind einige inhaltliche Änderungen im Bereich der Straf- und Bußgeldbewehrungen vorgesehen, die ich Ihnen gerne noch einmal erläutere: Bislang fiel es schwer, zwischen dem Tatbestand ei- ner Ordnungswidrigkeit und dem einer Straftat zu unter- scheiden. Die bisherigen Straf- und Bußgeldbewehrun- gen sind schwer verständlich, weil sie an unbestimmte Rechtsbegriffe anknüpfen. Verstöße gegen bestimmte Ge- nehmigungserfordernisse werden zu Straftaten, wenn sie geeignet sind, die „auswärtigen Beziehungen der Bun- desrepublik Deutschland“ erheblich zu gefährden, § 34 Abs. 2 AWG Dies ist eine schwammige Formulierung. Die Rechtsprechung hat die Bestimmungen aus gutem Grund kritisiert: Es sei für den Adressaten schwer er- kennbar, wann er sich strafbar machen könne, weil nicht immer klar sei, in welchen Fällen das Auswärtige Amt diesen Tatbestand bescheinige. Deshalb seien die gelten- den Straf- und Bußgeldbewehrungen „am Rande der Verfassungswidrigkeit“. Ich halte es daher für richtig, dass die Novelle auf un- bestimmte Rechtsbegriffe in der Zukunft verzichten soll. Die Straf- und Bußgeldbewehrungen werden in der No- velle klarer als bisher am Grad der Vorwerfbarkeit aus- gerichtet. Mit anderen Worten, vorsätzliche Verstöße ge- gen bestimmte Verbote und Genehmigungserfordernisse, die bisher als Ordnungswidrigkeiten behandelt werden, sollen zukünftig als Straftaten bewertet werden. Auch hier bietet sich ein kurzes Beispiel zum besse- ren Verständnis an: Die ungenehmigte Ausfuhr von Waf- fen wird als Straftat geahndet. Das ist bisher so, und das wird auch so bleiben. Nach dem vorliegenden Gesetz- entwurf wird aber auch die ungenehmigte Ausfuhr zivi- ler Güter, die für militärische Zwecke missbraucht wer- den können, eine Straftat, wenn der Täter vorsätzlich handelt, § 18 AWG-Novelle. Damit ist die klare Bot- schaft verbunden: Wer sich bewusst über das Außenwirt- schaftsrecht hinwegsetzt, handelt nicht nur ordnungs- widrig, er macht sich vielmehr strafbar. Eine Ahndung von Ordnungswidrigkeiten als Straf- taten soll hingegen nicht mehr möglich sein. Der Ge- setzentwurf – mit Ausnahme von Verstößen gegen Waf- fenembargos – verzichtet auf eine Strafbewehrung fahrlässigen Handelns, das heißt von Verstößen gegen Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 219. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 31. Januar 2013 27295 (A) (C) (D)(B) die erforderliche Sorgfalt. Der Grund hierfür ist ein- leuchtend: Mitarbeiter exportierender Unternehmen sol- len nicht kriminalisiert werden, wenn sie sich rechtstreu verhalten wollen, ihnen aber versehentlich ein Arbeits- fehler unterläuft. Gerade bei Unternehmen, die automati- sierte Kontrollverfahren eingerichtet haben, kann es zu versehentlichen Verstößen im Bereich der Ordnungswid- rigkeiten kommen. In diesen Fällen ist die Verhängung eines Bußgeldes gegen das Unternehmen die angemes- sene Sanktion. Nach dem Struck‘schen Gesetz, dass kein Gesetz den Bundestag so verlässt, wie es ihn erreicht hat, wurde auch diese Vorlage der Bundesregierung im Wirtschafts- ausschuss verändert. Wir haben im § 22 einen Absatz 4 eingefügt, der die Möglichkeit eröffnet, von der Verfol- gung einer Ordnungswidrigkeit abzusehen, wenn ein Verstoß im Wege der Eigenkontrolle aufgedeckt und der zuständigen Behörde angezeigt wurde sowie angemes- sene Maßnahmen zur Verhinderung eines Verstoßes aus gleichem Grund getroffen werden. Für Unternehmen entsteht so der Anreiz, durch firmeninterne Compliance- Maßnahmen und freiwillige Meldungen an die Behörden zur Aufdeckung und Behebung von Verstößen beizutra- gen. Wir waren dabei natürlich der Meinung, dass genau dieser Sachverhalt von den Behörden überprüft werden kann. Gerade für kleinere Unternehmen kann diese Re- gelung aber vereinfachend wirken und dabei das Kon- trollniveau sogar erhöhen. Nicht unerwähnt bleiben sollte auch, dass Verstöße gegen Waffenembargos verschärft werden. Eine Liefe- rung von Rüstungsgütern in ein Embargoland, oder die Vermittlung eines solchen Geschäfts wird als Verbrechen bestraft. Festzuhalten ist: Die Strafbewehrungen für vor- sätzliche Verstöße gegen das Außenwirtschaftsrecht werden deutlich verschärft. Erlauben Sie mir, auch kurz auf den Bereich der Ge- setzesnovelle einzugehen, der die Überarbeitung der AWV betrifft. Ich meine die Genehmigungserfordernisse für Güter mit doppeltem Verwendungszweck, den soge- nannten Dual-Use-Bereich. Gemeint sind damit Export- güter, die für zivile, gegebenenfalls aber auch für militä- rische Zwecke eingesetzt werden können. Meine Damen und Herren, sehr verehrte Kollegen von der Opposition, es handelt sich um deutsche Sonder- vorschriften aus einer Zeit, als es noch keine vergleich- baren Bestimmungen im europäischen Recht gab. Mitt- lerweile sind sie durch korrespondierende europäische Vorschriften überlagert. Das Nebeneinander der europäi- schen und deutschen Genehmigungserfordernisse mit weitgehend identischem Regelungsgehalt führt nicht zu einer verbesserten Exportkontrolle, sondern nur zu einer bürokratischen Belastung der Unternehmen und zu Wett- bewerbsnachteilen gegenüber ihren europäischen Kon- kurrenten. Lassen Sie mich Ihnen ein Beispiel geben: Welche Dual-Use-Güter gelistet sind, ist im deutschen Recht in der Ausfuhrliste geregelt. Diese erfasst neben den europa- weit gelisteten Gütern auch Güter, die nur in Deutsch- land gelistet sind – sogenannte 900er-Listenpositionen –: Häufig sind die nationalen Listungen auf Einzelfallent- scheidungen – durch Einzeleingriff gemäß § 2 Abs. 2 AWG – zurückzuführen. Viele dieser gelisteten Güter sind veraltet bzw. haben ihre Praxisrelevanz verloren. Aus diesem Grund wird die deutsche Güterliste gekürzt. Zudem wird auf die Wiedergabe der Güter der Dual- Use-Verordnung verzichtet; denn diese Güter sind ohne- hin von der vorrangig geltenden EG-Dual-Use-Güter- VO erfasst. Sie sehen also, dass die vorliegende Novelle deutlich in die Klasse der Weiterentwicklung effizienten Regie- rens in Deutschland einzuordnen ist. Dies hat im Übri- gen auch deutlich die überwiegend positive Resonanz von Fachleuten aus Wirtschaft und Wissenschaft wäh- rend der öffentlichen Anhörung des Wirtschaftsaus- schusses am 10. Dezember ergeben. Auch Fachmagazine finden positive Worte für die Novelle: So lobt der DIHK die Erleichterung für deutsche Unternehmen. Die AW-Prax spricht von „übersichtlicheren und für den Nutzer freundlicheren“ Vorschriften, die je- doch „keineswegs dazu führen, dass sich insbesondere Rüstungsexporte einfacher gestalten als bisher“ – ver- gleiche AW-Prax, August 2012, Seite 255. Im Gegenteil, mit der AWG-Novelle sorgt die Bundesregierung für klare Regeln sowie fairen Wettbewerb für die export- orientierte deutsche Wirtschaft, die ich gerne zu unter- stützen bereit bin. Ich bedanke mich bei den Mitberichterstattern, den Mitarbeitern des BMWi sowie bei den Sachverständi- gen, die durch ihre Beiträge und Diskussionen wesent- lich zu einem gemeinsamen Verständnis und einem gu- ten Ergebnis beigetragen haben. Andreas G. Lämmel (CDU/CSU): Die Novelle des Außenwirtschaftsgesetzes, AWG, ist ein wichtiger Schritt zur Stärkung des Exportstandortes Deutschland, insbesondere für unsere kleineren und mittleren Unter- nehmen. Um es gleich vorwegzunehmen: Es geht nicht um die Lockerung der Regeln für Rüstungsexporte. Dies ist eine unseriöse Behauptung. Die Novelle sieht keiner- lei Erleichterungen für den Export von Rüstungsgütern vor. Die unter Rot-Grün beschlossenen „Politischen Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern“ aus dem Jahr 2000 gelten unverändert. Wir aktualisieren heute ein Gesetz aus dem Jahr 1962. Das AWG und die Außenwirtschaftsverordnung, AWV, wurden in den vergangenen Jahrzehnten sehr häufig ge- ändert und gleichen einem Flickenteppich; eine separate Überarbeitung der AWV erfolgt noch. Wir führen das bewährte deutsche Außenwirtschafts- recht fort, es ist aber ein zentrales Anliegen der christ- lich-liberalen Koalition: das Außenwirtschaftsrecht ver- einfachen, Rechtssicherheit für Anwender gewährleisten und deutsche Sondervorschriften aufheben, um deutsche Exporteure gegenüber ihren europäischen Konkurrenten nicht zu benachteiligen, Stichwort „level playing field“. Der Grundsatz der Außenwirtschaftsfreiheit bleibt erhal- ten. In der Anhörung des Wirtschaftsausschusses be- 27296 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 219. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 31. Januar 2013 (A) (C) (D)(B) scheinigten alle Experten dem neuen Gesetz, ein sehr modernes und praktikables zu sein. Es geht also um eine Vereinfachung und eine über- sichtlichere Gestaltung des AWG. Wir nehmen eine Neu- strukturierung und Verschlankung vor, heben überholte Vorschriften auf, neben der Anpassung an europarechtli- che Vorgaben ist die sprachliche Vereinfachung ein we- sentliches Ziel. Die Anzahl der Paragrafen wird fast hal- biert. Insbesondere im EU-Recht ist eine Anpassung an die Entwicklung seit 1962 (!) dringend geboten. In dieser Zeit hat die EU beträchtliche Kompetenzen gewonnen, die Stichworte lauten „Binnenmarkt“, „Kapitalmarkt“, „gemeinsame Handelspolitik“ etc. Wir nehmen eine Ver- einfachung und Abschaffung bestimmter Begriffe vor. So ist beispielsweise der Begriff „fremde Wirtschaftsge- biete“ als Bezeichnung für die ehemalige DDR nicht mehr notwendig. Aus „Datenverarbeitungsprogrammen“ wird der gängige Begriff „Software“. Die Stellungnahme der Nationalen Normenkontrollra- tes, NKR, gibt uns recht: „Gleichwohl leistet das Rege- lungsvorhaben einen wichtigen Beitrag zur Rechts- und Verwaltungsvereinfachung. Im Rahmen seines gesetzli- chen Prüfauftrags begrüßt der Nationale Normenkon- trollrat das Regelungsvorhaben.“ Weiterhin fassen wir die Straf- und Bußgeldvorschrif- ten neu. Vorsätzliche Verstöße, zum Beispiel gegen Waf- fenembargos sollen künftig härter geahndet werden. An- dere fahrlässige Verstöße sollen dagegen nicht mehr als Straftat, sondern nur noch als Ordnungswidrigkeit ge- ahndet werden. Nationale Sondervorschriften zu den Dual-Use-Gütern schaffen wir ab. Sie sind unnötig, da hier bereits eine Regelung im EU-Recht existiert. Die bisherigen Bestimmungen sehen – in anderen EU-Län- dern nicht geltende – zusätzliche Genehmigungserfor- dernisse für Dual-Use-Güter innerhalb der EU vor. Sie stammen aus einer Zeit, als es noch keine einheitlichen europäischen Regelungen gab. Die inzwischen einge- führte EG-Dual-Use-Verordnung regelt nunmehr die ein- heitliche und umfassende Kontrolle von Dual-Use-Gü- tern durch alle EU-Mitgliedstaaten. Damit haben die deutschen Sondervorschriften ihre Bedeutung verloren, zumal sie einen nicht unerheblichen bürokratischen Auf- wand für die betroffenen Unternehmen verursachen und damit einen Wettbewerbsnachteil gegenüber anderen eu- ropäischen Unternehmen darstellten. Ein wesentliches Ergebnis der parlamentarischen Be- ratung ist die Neuregelung der Selbstanzeige. Es gibt künftig die Möglichkeit einer „Selbstanzeige“ von Un- ternehmen bei einem fahrlässigen Verstoß gegen Melde- pflichten bei Ausfuhren in § 22 Abs. 4 (neu) AWG. In diesem Fall finden keine weiteren Sanktionen im Ord- nungswidrigkeitenrecht statt, die nicht bei Straftatbe- ständen gilt. Voraussetzungen sind einfach. Der Verstoß muss im Wege der Eigenkontrolle innerhalb des Unternehmens aufgedeckt und der Behörde angezeigt werden. Es sind Maßnahmen zur Verhinderung eines weiteren Verstoßes aus dem gleichem Grund zu treffen. Beim Status quo in der Verwaltungspraxis könnten bereits kleine Formfeh- ler, die im Zuge des firmeninternen Compliance-Ma- nagements aufgedeckt und gemeldet werden, Anlass für weitreichende Prüfungen und langwierige, potenziell ko- stenträchtige Verfahren – drohende Ordnungsgelder von bis zu 500 000 Euro pro Verstoß – sein. Dies wider- spricht zunehmenden Compliance-Bestrebungen, die ge- rade einen Anreiz für die Unternehmen schaffen sollen, durch firmeninterne Maßnahmen und freiwillige Mel- dungen an die Behörden zur Aufdeckung und Behebung von Fehlern beizutragen. Dadurch werden auch die staatlichen Stellen entlastet, und wir setzen gezielte An- reize für die Selbstkontrolle innerhalb der Unternehmen. Ich komme also zu dem Fazit, dass wir hier beträchtli- che Erleichterungen gerade für kleinere und mittlere Un- ternehmen beschließen, die über keine eigene Rechtsab- teilung verfügen oder teure Anwaltskanzleien bezahlen können. Dies wurde auch in der Anhörung des Wirt- schaftsausschusses bestätigt. Wir erreichen eine Entschlackung und Modernisierung des Außenwirt- schaftsrechts. Wir schaffen Erleichterungen und Rechts- sicherheit gerade für den Mittelstand. Die Neufassung der Außenwirtschaftsverordnung muss nun zügig erfol- gen, um das Gesetzeswerk zu komplettieren Diesem Gesetz kann man nur zustimmen. Rolf Hempelmann (SPD): Die Bundesregierung hat uns einen Gesetzentwurf zur Modernisierung des Au- ßenwirtschaftsrechts vorgelegt, mit welchem sie das Au- ßenwirtschaftsgesetz vereinfachen und vor allem moder- nisieren will. Unbenommen, die Anzahl der Vorschriften wurde verringert, die Grundstruktur blieb. Wie die Sachverständigenanhörung zum Außenwirt- schaftsrecht Anfang Dezember ergab, ist jedoch die Handhabung des Gesetzes nicht verbessert worden. Das Außenwirtschaftsgesetz bleibt nach Aussage der Wirt- schaft hinreichend kompliziert, und die Erwartungen der Wirtschaft sind daher eher gedämpft. Grundsätzlich eröffnet eine Modernisierung des Au- ßenwirtschaftsgesetzes die Chance, die Vorgaben aus dem EU-Verhaltenskodex und der gemeinsamen Posi- tion in deutsches Recht zu übernehmen und so das Ge- setz an zivilgesellschaftliche und europäische Entwick- lungen anzupassen. Hierbei geht es insbesondere um die Kriterien aus den „Politischen Grundsätzen der Bundes- regierung für den Export von Kriegswaffen und sonsti- gen Rüstungsgütern“ und aus dem Gemeinsamen Stand- punkt des Rates vom 8. Dezember 2008 betreffend gemeinsame Regeln für die Kontrolle der Ausfuhr von Militärtechnologie und Militärgütern. Zwar gelten diese Kriterien schon jetzt verbindlich, sind aber nicht gesetzlich geregelt. Ihr eigener Sachver- ständiger sagte in der Anhörung, „unter dem Gesichts- punkt der Bestimmtheit gesehen …, hätte das dann viel- leicht einen höheren Stellenwert“, und bezog sich auf die Einbeziehung dieser Kriterien. Kriterien wie zum Bei- spiel die Beachtung von Menschenrechten in Empfän- gerländern deutscher Rüstungsgüter sowie die Förde- rung von Frieden und Freiheit in der Welt hätten Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 219. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 31. Januar 2013 27297 (A) (C) (D)(B) Gesetzesrang. Und in anderen europäischen Ländern ist es kein Problem, die Regelungen aus dem Gemeinsamen Standpunkt in innerstaatliche Gesetze aufzunehmen. Bisher lehnten die Bundesregierung und die sie stüt- zenden Koalitionsfraktionen die Aufnahme der Vorga- ben aus den Politischen Grundsätzen und dem Gemein- samen Standpunkt mit der Begründung ab, dies würde das Außenwirtschaftsgesetz überfrachten. Die SPD hat im Ausschuss für Wirtschaft und Technologie einen Vor- schlag gemacht, wie die Kriterien aus den Politischen Grundsätzen und dem Gemeinsamen Standpunkt in das Außenwirtschaftsgesetz integriert werden könnten. Die- sen Änderungsvorschlag haben Sie mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen aus fadenscheinigen Gründen ab- gelehnt: Die Kriterien würden ja schon verbindlich gel- ten, war ein Argument. Außerdem würde ein solcher Verweis – so verstehe ich Ihre Anmerkungen im Wirt- schaftsausschuss – für alle Güter, die unter das Außen- wirtschaftsgesetz fallen, gelten. Sie haben sich nicht ausreichend mit unserer Intention und der Gesetzessyste- matik beschäftigt. Das Außenwirtschaftsrecht gilt für alle Außenwirtschaftsgüter, die keine Kriegswaffen nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz sind, somit auch für an- dere Rüstungsgüter und Dual-Use-Güter. Auf diese Gü- ter kann und sollte ein solcher Verweis beschränkt wer- den. Einen anderen Vorschlag, wie die Kriterien ins Gesetz aufgenommen werden könnten, sind Sie bislang schuldig geblieben. Wir fordern Sie jetzt noch einmal auf – das können Sie auch in unserem Entschließungsan- trag lesen –, diese Kriterien in das Außenwirtschaftsge- setz aufzunehmen. Kommen wir zu einem weiteren Punkt: Einzelne Rüs- tungsexportentscheidungen der Bundesregierung haben in der vergangenen Zeit wiederholt Diskussionen und Kritik ausgelöst. Dabei zeigt sich auch, dass es an einer entsprechenden parlamentarischen Beteiligung und Transparenz fehlt, die gerade der Bedeutung und Brisanz der Entscheidungen angemessen wäre. Darüber hinaus werden Rüstungsexportberichte verspätet vorgelegt, der Bericht für 2010 zum Beispiel lag erst circa zwei Jahre später vor. Dies ist nicht haltbar. Die SPD fordert eine feste Frist zur Vorlage des Rüstungsexportberichts. Diese Forderung ist nicht neu. Anfang 2012 hat die SPD-Bundestagsfraktion diese Forderung mit anderen in einen Antrag gegossen. Bei der Erarbeitung der Novelle zum Außenwirtschaftsgesetz hätte man durchaus darauf stoßen können. Darüber hinaus fordern wir inhaltliche Vorgaben für den Rüstungsexportbericht im Gesetz. Im Gegensatz zu Deutschland ist das woanders in Europa, wie zum Beispiel in Spanien, durchaus üblich. Kommen wir zu den tatsächlichen Ausfuhren: Bei Exporten wird vermerkt, dass und welche Exportgeneh- migung vorliegt. Es besteht derzeit aber keine Übersicht über die Höhe der real getätigten Exporte. Dabei geht es um das Ausschöpfen von Exportgenehmigungen. Die SPD-Bundestagsfraktion fordert daher eine gesetzlich verankerte Informationspflicht der Unternehmen über getätigte Exporte, welche es der Bundesregierung er- möglicht, für alle Rüstungsgüter Zahlen über tatsächli- che Ausfuhren vorzulegen. Eine solche Erhebung vorzu- nehmen, ist auf europäischer Ebene schon angeregt worden und wird zum Beispiel in Schweden seit Jahren praktiziert. Schließlich sind der Entschlackung die deutschen Sondervorschriften zur Ausfuhr von Dual-Use-Gütern zum Opfer gefallen. Begründet wird diese Aufhebung mit der Geltung der europäischen Dual-Use-Verordnung, dem bürokratischen Aufwand für die betroffenen Unter- nehmen und dem Wettbewerbsnachteil gegenüber Wett- bewerbern aus anderen Mitgliedstaaten. Nur, warum bleiben sie aber auf europäischer Ebene untätig? Die SPD-Bundestagsfraktion sieht eine große Aufgabe darin, in Europa auf politischer und operationeller Ebene ver- stärkt und innereuropäisch zusammenzuarbeiten. Sie nutzen Europa nur als Grund zur Aufhebung der Sonder- vorschriften und bleiben ansonsten untätig. Die SPD-Bundestagsfraktion hat einen Entschlie- ßungsantrag eingebracht. Darin fordern wir die Bundes- regierung auf, ihren Gesetzentwurf zum Außenwirt- schaftsrecht noch einmal zu überarbeiten. Die wichtigsten Gründe habe ich schon genannt. Die SPD- Bundestagsfraktion wird dem Gesetzentwurf, so wie er derzeit vorliegt, nicht zustimmen. Ulla Lötzer (DIE LINKE): Würde es im vorliegenden Gesetzentwurf zur Modernisierung des Außenwirt- schaftsrechts allein um die „Entschlackung“ und sprach- liche Verbesserungen sowie die Anpassung an europäi- sche Entwicklungen gehen, könnten wir dem Entwurf möglicherweise zustimmen. Aber wie oft steckt der Teu- fel im Detail. Zwar hat die die Fülle der Änderungen nicht die Grundstruktur des Außenwirtschaftsgesetzes, AWG, geändert. Aber hier liegt das Problem und setzt unsere Kritik an. Denn wie bislang wird der Export von Dual-Use-Gütern und Rüstungs- und Kriegswaffen nicht ausreichend reguliert, begrenzt und damit verhindert. Uns ist klar, dass das AWG einen viel breiteren Gel- tungsbereich als Rüstungsexporte und Dual-Use-Güter umfasst. Fakt ist jedoch auch, dass das AWG und seine zugehörige Verordnung sowie das Kriegswaffenkontroll- gesetz die zentralen Gesetze sind, die deutsche Rüs- tungsexporte im weiteren Sinne maßgeblich ermögli- chen. Der vorgelegte Gesetzentwurf erleichtert in der Summe nun sogar den Export von Rüstungs- und Dual- Use-Gütern. Bisher gültige Restriktionen, die nach deutschem Recht vorgeschrieben waren, aber nach europäischem Recht nicht sind, entfallen. Beispielsweise kann laut al- tem AWG die Ausfuhr von Gütern beschränkt werden, die für die Entwicklung, Erzeugung oder den Einsatz von Waffen, Munitionen oder Kriegsgerät nützlich sind. Künftig soll dies nur noch für Güter gelten, die aus- drücklich für die Entwicklung, Erzeugung oder den Ein- satz von Waffen, Munitionen und Rüstungsgütern vorge- sehen sind. Das heißt, die Güter müssen explizit für diese Zwecke bestimmt sein. Damit wird zum einen eine deutlich größere Bandbreite von Gütern abgedeckt. Zum anderen wird der Exporteur aus der Verantwortung für die spätere Verwendung seiner Güter schlicht entlassen. 27298 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 219. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 31. Januar 2013 (A) (C) (D)(B) Ebenso sollen nach der Novelle des AWG die ohnehin weitreichenden und intransparenten Genehmigungen ohne Befristung erteilt werden. Die Befristung wäre zwar auch nach neuem Recht noch möglich, aber eben nicht länger zwingend notwendig. Entsprechend könnten Lieferungen für transnationale Rüstungskoproduktionen nun ohne zeitliches Limit genehmigt werden. Die Folge wäre ein maßgeblicher Kontrollverlust bei der Ausfuhr der betroffenen Güter. Schließlich sieht der Gesetzentwurf bei den Straf- und Bußgeldvorschriften zwar einige Verschärfungen, aber zugleich auch Erleichterungen vor. So muss etwa einem Exporteur von Rüstungsgütern künftig nachgewiesen werden, dass er vorsätzlich gegen die geltenden Gesetze gehandelt hat. Fahrlässige Verstöße gegen das AWG werden nur noch als Ordnungswidrigkeiten geahndet. Lediglich leichtfertige Verstöße gegen ein Waffen- embargo werden noch strafbewehrt. Im Gegenzug hat es die Koalition völlig versäumt, in die Novelle des AWG dringend notwendige Grenzen für den Export von Rüstungsgütern mit aufzunehmen. Im Entschließungsantrag der SPD wird in diesem Sinne die Aufnahme der „Politischen Grundsätze der Bundesregie- rung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern“ angemahnt. Aber wie schon in der Debatte im Wirtschaftsaus- schuss angemerkt, würde dies nicht zur wirklichen Re- duktion oder zu dem Stopp der Rüstungsexporte in Kriegs- und Krisengebiete führen. Machen wir uns nichts vor: Die politischen Grundsätze sind allesamt un- verbindliche Absichtserklärungen ohne praktische Kon- sequenz. Nach wie vor erhalten deshalb Diktaturen und Regierungen, die schwere Menschenrechtsverletzungen zu verantworten haben, relativ problemlos Rüstungs- güter aus deutscher Produktion, wenn es denn dem au- ßenpolitischen Interesse entspricht. Und so erreicht der Export dieser Güter jedes Jahr ein neues Hoch. Deutsche Waffen und zugehörige Güter finden sich weltweit in steigenden Größenordnungen in allen Kriegs- und Kri- sengebieten. Die Interessen der deutschen Rüstungsindustrie auf dem schwer umkämpften Markt geben den Takt vor, nicht die Menschenrechte, insbesondere der Erhalt von Frieden. Daran werden auch die leider zahmen Forde- rungen der SPD nichts ändern, sollten sie ins AWG auf- genommen werden. Sie sind politische Kosmetik und dem schlechten Gewissen geschuldet – nicht mehr und nicht weniger. Aus diesen Gründen lehnen wir den vorliegenden Ge- setzentwurf der Bundesregierung ab und können den Entschließungsantrag der SPD ebenso wenig mittragen. Von beiden Seiten wurde explizit versäumt, über klare Verbote des Exports von Rüstungsexporten und entspre- chende Dual-Use-Güter die bisher für unzählige Men- schen tödliche deutsche Genehmigungspraxis bei Waffen- ausfuhren nachdrücklich und wirksam zu unterbinden. Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Heute Morgen haben wir noch darüber diskutiert, was man alles bei Rüstungsexporten ändern muss, und schon am gleichen Abend bietet sich eine Gelegenheit, die neu ge- wonnenen Erkenntnisse in Taten umzusetzen. Wir soll- ten den Gesetzentwurf an den Ausschuss zurücküber- weisen und gründlich überarbeiten. Das würde dann auch zu den Verlautbarungen passen, mit denen einige Abgeordnete der Koalition neuerdings öffentlich von sich reden machen. Neben den Kollegen Stinner, Polenz und Kiesewetter hat nun auch der Kollege Djir-Sarai von der FDP Reformbedarf und mehr Transparenz bei der Rüstungs- exportkontrolle gefordert. Er kündigt noch in dieser Legislaturperiode einen Vorstoß für mehr Transparenz an. Hier wäre jetzt die Gelegenheit. Komisch nur, dass davon in diesem Gesetzentwurf nichts zu finden ist. Da- bei wäre das Außenwirtschaftsgesetz die richtige Stelle, um transparente Verfahren gesetzlich zu verankern. Zeitnahe Unterrichtung über Rüstungsexporte? Ein- bindung des Bundestages bei sensiblen Exporten? Oder gar eine gesetzliche Bindung an menschenrechtliche Kriterien? Von alldem keine Spur. Nichts davon findet sich in Ihrem Gesetzentwurf. Einen Änderungsantrag, der darauf abzielte, den „Gemeinsamen Standpunkt der EU zu Rüstungsexporten“ in das Gesetz zu integrieren, haben Sie mit Ihrer Mehrheit im Ausschuss abgeschmet- tert. Wie passt ein solches Verhalten mit Ihren öffentli- chen Äußerungen zusammen? Sie versprechen etwas und tun dann das genaue Gegenteil. Die Österreicher haben es uns gerade vorgemacht und den Gemeinsamen Standpunkt der EU in Sachen Rüstungsexporte in ihr nationales Außenwirtschaftsgesetz übernommen. Die formaljuristischen Bedenken aus dem deutschen Wirtschaftsministerium sind nicht wirklich überzeugend. Warum soll bei uns nicht möglich sein, was in anderen europäischen Ländern längst gemacht wird? Dem Ent- schließungsantrag der SPD stimmen wir daher gerne zu. Wir wollen, dass Parlament und Öffentlichkeit künftig vierteljährlich umfassend unterrichtet werden. Endver- bleibskontrolle soll bei uns auch tatsächliche Kontrolle vor Ort bedeuten und nicht nur ein Ehrenwort des Ver- käufers umfassen. Neben dem Gemeinsamen Standpunkt muss auch die Rüstungsexportrichtlinie gesetzlich verankert werden. Menschenrechtskriterien sollen so künftig verbindlich bei der Entscheidung berücksichtigt werden. Die Bundesregierung macht sich offensichtlich nur Sorgen um die Nöte der Rüstungsindustrie und möchte daher bewusst keine transparenten Verfahren. Deren Strukturprobleme sind virulent: Die Staatsverschuldung steigt, und die Einkaufslisten der westlichen Verteidi- gungsminister werden kürzer. Die Interessenten der Rüstungsindustrie kommen daher zunehmend aus Nicht- NATO- oder Nicht-EU-Staaten. Allein mit den eigenen Mitteln aus den westlichen Verteidigungsbudgets könnte die europäische Rüstungsindustrie niemals ausgelastet werden. Auch 20 Jahre nach dem Ende des Ost-West- Konflikts sind die Überkapazitäten viel zu groß. Um die heimische Rüstungsindustrie trotz knapper Kassen am Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 219. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 31. Januar 2013 27299 (A) (C) (D)(B) Leben erhalten zu können, werden daher Exportwünsche der Firmen immer großzügiger beschieden. Dabei ist auch das wieder einmal eine denkbar kurz- sichtige Politik – nicht nur aus friedenspolitischer Sicht, sondern auch aus der Perspektive der exportierenden Industrie. Es führt kein Weg daran vorbei, die europäische – und mit ihr die deutsche – Rüstungsindustrie umfassend umzubauen. Es muss nicht jeder Staat die ganze Ferti- gungskette von militärischem Equipment vorhalten. Solch ein antiquiertes Souveränitätsverständnis muss endlich überwunden werden. Brauchen wir wirklich schon allein in Deutschland zwei große Hersteller für ge- panzerte Fahrzeuge? Wir brauchen stattdessen eine euro- päische Definition von Kernfähigkeiten, das heißt, wir müssen definieren, was militärisch gebraucht wird und was davon auch tatsächlich selbst entwickelt und her- gestellt werden muss. Wenn das geklärt ist, gilt es, den übrigen Betreibern konsequent Hilfestellung beim Umbau auf eine zivile Produktion zu leisten. Viele der jetzigen Rüstungsbetriebe verfügen bereits über zivile Sparten, die sie ausbauen könnten. Selbst Gewerkschaften wie die IG Metall haben sich hierüber bereits differenzierte Gedanken gemacht. Die 80 000 betroffenen Arbeitnehmer müssen deswegen noch lange nicht auf der Straße stehen. Indem die Bun- desregierung aber stattdessen weiterhin auf großzügige Exportgenehmigungen setzt und sich einer restriktiven Genehmigungspraxis verweigert, gibt sie der Rüstungs- industrie falsche Anreize. Das Problem Ihres Gesetzes ist weniger das, was darin steht, als das, was nicht darin steht. Die Konkretisierung der Straftatbestände ist zwar durchaus begrüßenswert, die eigentliche Chance der Ge- setzesnovellierung ist damit allerdings nicht genutzt worden. Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bun- desminister für Wirtschaft und Technologie: Mit der Novellierung des Außenwirtschaftsrechts wird eine wichtige Zusage aus dem Koalitionsvertrag eingelöst. Unser Außenwirtschaftsrecht wird besser, indem die ausgesprochen komplexen Vorschriften vereinfacht wer- den. Dabei bleibt das hohe Kontrollniveau unangetastet. Deutschland ist eine Exportnation, und deshalb ist das Außenwirtschaftsrecht für uns so bedeutsam. Wir sind weltweit drittgrößter Exporteur von Waren. Deshalb ste- hen wir in einer besonderen Verantwortung: Kritische Güter dürfen nicht in falsche Hände gelangen. Eine ef- fektive Exportkontrolle setzt aber auch voraus, dass die Vorschriften verständlich sind. Wir dürfen unsere Exportunternehmen nicht mit unnötig komplizierten Vorschriften belasten, sondern wir müssen dafür sorgen, dass unsere hohen Standards in einen möglichst ver- ständlichen Rechtsrahmen gefasst werden. Warum brauchen wir diese Novelle? Unser Außen- wirtschaftsrecht ist bereits 1961 in Kraft getreten. Seitdem hat sich Europa kontinuierlich verändert. Die EU-Mitgliedstaaten haben ein gemeinsames EU-Export- kontrollrecht geschaffen. Aufgrund der Kompetenzverteilung zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten müssen unsere exportierenden Unternehmen daher sowohl euro- päisches als auch nationales Recht beachten. Das trägt zur Komplexität der Materie bei. Zu einer effektiven Exportkontrolle gehört auch, dass das Exportkontroll- system bei Bedarf an neue außen- und sicherheitspoliti- sche Gefährdungen angepasst wird. Das war und ist ein besonderes Anliegen des deutschen Gesetzgebers. Des- halb wurde das Außenwirtschaftsgesetz seit 1961 etwa 60-mal geändert. Diese stetigen Überarbeitungen hatten ihren Preis: Unser Außenwirtschaftsrecht ist besonders unübersichtlich und schwer verständlich geworden. Das ändert sich jetzt. Mit der Novelle wird das AWG vereinfacht und übersichtlicher gestaltet. Die Experten haben dies in der Anhörung am 10. Dezember letzten Jahres bestätigt: Dieses Ziel erreichen wir, ohne die hohen Standards anzutasten. Worin besteht also diese Vereinfachung? Nach dem Entwurf wird das AWG massiv gekürzt. Es entfallen ei- nige Beschränkungsmöglichkeiten, die ausschließlich industriepolitisch motiviert waren. Es bleibt bei den klassischen außenwirtschaftsrechtlichen Beschränkun- gen. Diese bleiben unangetastet. Die Novelle führt daher nicht zu einer Vereinfachung beim Export von Rüstungs- gütern. Das spricht auch gegen den Entschließungs- antrag der SPD-Fraktion. Dieser würde das Gesetz nur unangemessen aufblähen und neue bürokratische Anfor- derungen einführen. Mit den Zielen der Novelle, ein ein- faches Außenwirtschaftsrecht zu schaffen, hat das nichts zu tun. Zudem wird die Achtung der Menschenrechte schon nach geltendem Recht bei der Genehmigungs- erteilung zwingend geprüft. Weiter wird das gesamte Außenwirtschaftsrecht sprachlich überarbeitet. Es werden Wertungswidersprüche zwischen dem europäischen Recht und dem deutschen Außenwirtschaftsrecht beseitigt. Schließlich möchte ich noch auf wichtige materiell- rechtliche Änderungen hinweisen. Mit der Novelle werden auch alle Straf- und Bußgeldbewehrungen über- arbeitet. Es bestehen Zweifel, ob die Strafbewehrungen nach dem geltenden AWG hinreichend bestimmt sind. Das hat die Rechtsprechung kritisiert. Zudem ist die Abgrenzung zwischen Straftaten und Ordnungswidrig- keiten sehr schwierig. Der Gesetzentwurf differenziert hier klar nach dem Grad der Vorwerfbarkeit: Vorsätzliche Verstöße gegen wesentliche Genehmigungserfordernisse oder Verbote sind immer Straftaten. Fahrlässig begangene Verstöße sind mit wenigen Ausnahmen Ordnungswidrigkeiten. Mit dieser Anpassung ist eine klare Botschaft verbun- den: Wer sich bewusst über das Außenwirtschaftsrecht hinwegsetzt, wird bestraft. Das führt bei Vorsatztaten zu einer Strafverschärfung im Vergleich zum Status quo. Bei fahrlässigen Verstößen sieht der Entwurf dagegen eine Erleichterung vor: Wenn dem Mitarbeiter eines exportierenden Unternehmens versehentlich ein Fehler unterläuft, wird er nicht kriminalisiert. Solche Mitarbei- ter wollen sich eigentlich rechtstreu verhalten. In diesen Fällen ist ein Bußgeld die angemessene Sanktion. 27300 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 219. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 31. Januar 2013 (A) (C) (D)(B) Lassen Sie mich zusammenfassen. Der Schwerpunkt der Novelle liegt auf der Rechtsbereinigung und Verein- fachung. Zudem gibt es eine deutliche Abgrenzung zwischen strafbarem und ordnungswidrigem Verhalten. Damit tragen wir zur Klarheit und Übersichtlichkeit des Gesetzes bei – im Interesse unserer Exportunternehmen und damit im Interesse Deutschlands. Anlage 9 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Reisen für alle – Für einen sozialen Tourismus (Tagesordnungs- punkt 14) Marlene Mortler (CDU/CSU): Ihr Antrag weist zu Recht darauf hin, dass die Teilhabe aller Bevölkerungs- kreise am Tourismus erklärtes Ziel der Bundesregierung ist. In den Tourismuspolitischen Leitlinien der Bundes- regierung vom Dezember 2008 heißt es: „Auch Men- schen mit gesundheitlichen, sozialen oder finanziellen Einschränkungen sollen reisen können“. Das ist auch un- ser erklärtes Ziel. Es stimmt auch, dass die Bundesrepu- blik sich grundsätzlich für einen nachhaltigen sozialen Tourismus im Sinne der UNWTO-Menschenrechtskon- vention einsetzt, die das Recht auf direkten und persön- lichen Zugang zur Entdeckung und zu dem Genuss der Ressourcen des Planeten für alle Bewohner der Welt ge- währleisten soll. Hier ist aber eher die Reisefreiheit ge- meint. Ich gebe Ihnen recht, dass vielen Menschen das Geld fürs Reisen fehlt. Das beste Mittel dagegen ist eine ver- nünftige Wirtschaftspolitik, damit genügend Geld im Lohnbeutel ist. Wir sind auf gutem Weg: Gestern ging über den Ti- cker: Tarifgehälter 2012 deutlich um 2,7 Prozent gestie- gen. So weit so gut. Ehrlich gesagt fühle ich mich aller- dings ein wenig wie vor 14 Tagen: Damals haben wir an eben dieser Stelle einen Antrag Ihrer Fraktion zum Thema Schulspeisung für alle debattiert. Der Dissens zwischen uns von damals ist der von heute. Sie tischen munter wünschenswerte Wohltaten auf. Der Bund soll zahlen und koordinieren. Wir müssen uns aber nicht nur fragen, was wünschenswert ist, sondern auch: Was ist machbar? Und vor allem: Was leistet un- sere Bundesregierung auf diesem Gebiet bereits? Eini- ges! Und das, obwohl sie nach dem Grundgesetz nur den Rahmen festlegen darf. Denn, wie Sie wissen bzw. wis- sen sollten, fällt der Tourismus in die Zuständigkeiten der Bundesländer. Deshalb richten sich Ihre Forderun- gen an die falsche Adresse. Zunächst zu Ihrer Forderung, die Bundesregierung solle Mitglied in der Internationalen Organisation für Sozialtourismus, IOST, werden und dort aktiv mitarbei- ten: Die Forderung von Ihnen ist nicht neu. Wir haben Sie bereits am 24. Februar 2011 hier an dieser Stelle de- battiert. Damals wie heute lehne ich sie ab. Warum? Erstens. Ein möglicher Nutzen einer Mitgliedschaft Deutschlands in der bisher relativ unbekannten Interna- tionalen Organisation für Sozialtourismus ist nur schwer erkennbar. So sind zum Beispiel Praxisbeispiele anderer Staaten oder Perspektiven des Sozialtourismus auf euro- päischer Ebene schon Gegenstand des Projektes Calypso der Europäischen Kommission, auf das auch ausdrück- lich auf der Internetseite der IOST hingewiesen wird. In dieser Studie konnte nicht belegt werden, wie die darge- stellten Praktiken oder daraus abgeleitete mögliche euro- päische Programme sich wirtschaftlich auswirken. Die geplante Ausgestaltung von Calypso lässt die Entste- hung eines Subventionswettlaufs zwischen den Mit- gliedstaaten befürchten mit der Gefahr, dass sich fi- nanziell selbst tragende Angebotsstrukturen zugunsten subventionsabhängiger Strukturen verdrängt würden. Eine solche mögliche Entwicklung lehnen wir ab. Zweitens. Die Bundesregierung hat zu Recht darauf hingewiesen, dass es sich auch haushaltspolitisch nicht rechtfertigen ließe, mit staatlichen Mitteln den Urlaub bestimmter Bevölkerungsgruppen in anderen Mitglied- staaten zu finanzieren. Drittens. In der Mitgliederliste der IOST finden sich keine Regierungen, lediglich Ministerien einzelner Län- der. Aus Deutschland ist das Bundes Forum Kinder- und Jugendreisen dabei, das mit Mitteln des Kinder- und Ju- gendplans des Bundes gefördert wird. Sie fordern Reisezuschüsse für Hartz-IV-Empfänger. Es ist bekannt, dass Hartz-IV-Empfänger nach der Er- reichbarkeits-Anordnung keinen Anspruch auf Urlaub haben. Diese dürfen nur verreisen, wenn die Arbeits- agentur zustimmt; denn Arbeitslose müssen für kurzfris- tige Jobangebote zur Verfügung stehen. Zuschüsse zum Urlaub stehen Hartz-IV-Empfängern nicht zu. Kinder von Hartz-IV-Empfängern brauchen allerdings auf Klas- senfahrten nicht zu verzichten. Grundsätzlich ist die Unterstützung von Klassenfahrten Sache der Schulträ- ger; aber nach einer Reihe von Vorschriften wie SGB II, SGB III, BKGG, AsylbLG und auch für Familien mit ge- ringem Einkommen gibt es Zuschüsse für mehrtätige Klassenfahrten. Die Bundesregierung fördert zudem in erheblichem Umfang den Bau und die Einrichtung von Familienferi- enstätten, Jugendbildungs- und Begegnungsstätten, Ju- gendherbergen, die internationale Jugendarbeit im Rahmen des Kinder- und Jugendplans des Bundes sowie zum Beispiel den gezielten bilateralen Jugendaustausch über das Deutsch-Französische Jugendwerk und das Deutsch- Polnische Jugendwerk. Es ist sogar vorgesehen, das Budget für das DFJW für dieses Jahr um 1 Million Euro zu erhöhen. Darüber hinaus fördert der Bund Projekte der Natio- nalen Koordinierungsstelle Tourismus für Alle, NatKo, und der Arbeitsgemeinschaft Behinderung und Medien, abm. Hier möchte ich gern auf das Projekt „Zukunfts- projekt Kinder- und Jugendtourismus in Deutschland“ hinweisen. Dieses wurde auf Initiative der christlich- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 219. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 31. Januar 2013 27301 (A) (C) (D)(B) liberalen Bundestagsfraktionen auf Betreiben des Bundes- wirtschaftsministeriums gerade auf den Weg gebracht. Auch die Länder engagieren sich: Sie unterstützen ge- ringverdienende Familien bei der Finanzierung gemein- samer Ferien zum Beispiel in gemeinnützigen Familien- ferienstätten durch Individualzuschüsse. Ich verweise an dieser Stelle auf neue vorbildliche Programme der Länder Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt sowie „Familien- begegnung mit Bildung“, die Ferien für Familien, Sozial- hilfeempfänger anbieten, die nur sehr wenig oder nichts kosten und in die auch Hartz-IV-Empfänger einbezogen werden. Auf lokaler Ebene gibt es weitere Programme zur Kinder- und Jugenderholung zum Beispiel in Ferien- lagern, die über Jugendämter aus öffentlichen Mitteln finanziert werden, Unterstützung gibt es auch von freien Trägern und den Kirchen. Reisen lässt sich nicht von oben nach unten diktieren. Welche Möglichkeiten gibt es, preisgünstiges Reisen weiter zu fördern? Wir müssen uns nicht nur um mehr Zuschüsse küm- mern, sondern sollten dafür sorgen, dass das Angebot für günstige Quartiere und Reisen erweitert wird. Auch das ist aber Landessache bzw. eine kommunale Angelegen- heit: An diese Stelle appelliere ich, den Investoren preis- günstig Grundstücke oder vernünftige Liegenschaften zur Verfügung zu stellen oder eigene Grundstücke fürs Campen, wie zum Beispiel in Frankreich. Kommunen müssen Angebote vorhalten. Ich weiß, dass es zurzeit mehrere private Investoren gibt, die Platz zum Bauen von Hotels suchen. Dazu ge- hört aber ebenso die Bereitschaft des einheimischen Gast- und Hotelgewerbes, neue Hotels zuzulassen. Ich kenne aus der Praxis in Bayern durchaus Beispiele, wo neue Investoren bei den Einheimischen auf Granit gebis- sen haben. Was Ihre Forderung nach der Erhebung von statisti- schen Reisedaten zum Sozialtourismus betrifft, bin ich der Ansicht: Man sollte Daten erheben, die nicht nur den Sozialtourismus, sondern die gesamte demografische Entwicklung mit Blick auf das Reiseverhalten insgesamt im Fokus haben und die von Ihnen genannten Personen- gruppen um die der Migranten erweitern. Aus den oben genannten Gründen ist Ihr Antrag ins- gesamt abzulehnen. Ingbert Liebing (CDU/CSU): Der vorliegende An- trag kritisiert die Bundesregierung für die mangelnde Förderung eines sozialen Tourismus’ in Deutschland. Die Fraktion der Linken fordert, dass sich die Bundesre- gierung in diesem Bereich mehr engagiert und ein Pro- gramm zur Durchsetzung eines sozialen Tourismus’ vor- legt. Für die CDU/CSU-Fraktion ist die Teilhabe aller Be- völkerungsgruppen am Tourismus ein wichtiges Thema. Dies bezieht sich unter anderem auf Menschen aller Al- tersgruppen, Personen mit geringem Einkommen oder Menschen mit körperlichen Einschränkungen. Für all diese Gruppen bietet Tourismus einen wichtigen Zugang zu Erholung, Bildung und dem Kennenlernen anderer Umgebungen. Dies ist uns durchaus bewusst, und so ist die umfassende Teilhabe aller Menschen an touristischen Angeboten erklärtes Ziel der Bundesregierung. Und zu diesem Ziel stehen auch wir als CDU/CSU-Fraktion. Mit ihrem Antrag verliert die Linke dagegen aus den Augen, wie vielfältig „Tourismus für alle“ in Deutschland be- reits durch die Bundesregierung gefördert wird. Zunächst möchte ich auf eine generelle inhaltliche Schwäche des Antrags eingehen. Die Linke fordert die „Stärkung von Verantwortung und Kompetenzen des Bundes für einen sozialen Tourismus“. Gesetzlich ist aber festgelegt, dass Tourismusförderung primär eine Kompetenz der Länder ist. Ebenso wird die Wiederauf- nahme der Landesförderung für Familienreisen gefor- dert. Hier ist die Bundesregierung jedoch klar der fal- sche Adressat. Die Fraktion der Linken sollte sich zunächst einmal über die Kompetenzaufteilung der Bun- desrepublik informieren, bevor sie solche Forderungen stellt. Eine weitere konkrete Forderung bezieht sich auf die Bereitstellung von Mitteln im Rahmen der Regelbedarfs- sätze. Die Regelsätze im SGB II sind jedoch rechtssicher ausgestattet, vom Bundesverfassungsgericht bestätigt. Darüber hinausgehende Wohltaten zu versprechen, mag für die Linken attraktiv sein – verantwortungsvoll ist das nicht angesichts der notwendigen Haushaltskonsolidie- rung, der Schuldenbremse, aber auch angesichts des Ge- bots sozialer Gerechtigkeit. Je mehr wir für SGB-II- Bezieher bieten, umso mehr empfinden dies die Gering- verdiener, die knapp über der Einkommensgrenze lie- gen, also sozial ungerecht. Zudem wird der Kinder- und Jugendtourismus bereits in umfassender Weise durch die Bundesregierung unter- stützt. Das Jahr 2013 steht im Zeichen des von der Deut- schen Zentrale für Tourismus ausgerufenen Themenjah- res „Junges Reiseland Deutschland“. Für 2013 wird allein die DZT mit 28,275 Millionen Euro durch die Bundesregierung gefördert. Denn gerade für Kinder und Jugendliche haben Reisen eine große soziale und päda- gogische Bedeutung. So werden viele Projekte gefördert: Für Jugendbil- dungs- und Jugendbegegnungsstätten stehen auch in die- sem Jahr wieder 3 Millionen Euro zur Verfügung. Im Rahmen des Kinder- und Jugendplans stellt die Bundes- regierung für die Internationale Jugendarbeit 17,9 Mil- lionen Euro bereit. Ebenso erhält das Deutsch-Französi- sche Jugendwerk im Jahr 2013 Fördermittel in der Höhe von 11,226 Millionen Euro. Auch im 2012 begonnenen „Zukunftsprojekt Kinder- und Jugendtourismus in Deutschland“, dessen Trägerschaft das Deutsche Ju- gendherbergswerk innehat, fördert das BMWi die Ange- bote sowohl gemeinnütziger als auch kommerzieller An- bieter. Hier liegt das Gesamtbudget bei 325 000 Euro, Eigenanteil DJH 32 500 Euro. Positives Beispiel für die Förderung gemeinsamer Urlaube mit der gesamten Familie ist auch die Bundes- arbeitsgemeinschaft Familienerholung. Seit den 50er- Jahren werden in rund 120 Familienerholungsstätten in 27302 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 219. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 31. Januar 2013 (A) (C) (D)(B) ganz Deutschland kostengünstige Urlaubsangebote ge- macht. Dabei richtet sich die Förderung unter anderem auch an alleinerziehende Elternteile, kinderreiche Fami- lien oder solche mit behinderten oder pflegebedürftigen Angehörigen. Diese gehören unter anderem zu den Be- völkerungskreisen, deren Förderung die Linke im vorlie- genden Antrag fordert. Doch auch außerhalb des Kinder- und Jugendtouris- mus’ setzt sich die Bundesregierung für eine verbesserte Teilhabe an touristischen Angeboten ein. Besonders durch barrierefreie Angebote können große Teile der Be- völkerung profitieren. Obwohl es hier schon viele posi- tive Beispiele gibt, müssen die Angebote noch ausge- weitet und verbessert werden. Dies geschieht zum Beispiel durch das Projekt „Tourismus für alle: Entwick- lungen und Vermarktung barrierefreier Angebote und Dienstleistungen in Deutschland“, welches die Bundes- regierung mit fast 500 000 Euro unterstützt. Zentrales Anliegen dieses Projektes ist es, den barrierefreien Tou- rismus zu erleichtern und die Teilhabe von Menschen mit Mobilitätseinschränkungen zu verbessern. Dies soll etwa durch einheitliche Qualitätsmerkmale oder die Sen- sibilisierung von Mitarbeitern geschehen. Zuletzt möchte ich auch auf die vielfältigen Urlaubs- formen hinweisen, die außerhalb der direkten Förderung der Bundesregierung günstigen, aber attraktiven Urlaub ermöglichen. Gerade in ländlichen Räumen werden be- sonders Familien, aber auch Senioren, Geringverdienern oder Menschen mit körperlichen Einschränkungen her- vorragende Urlaubsangebote gemacht. Ein letzter Punkt, der gegen diesen Antrag spricht und den ich besonders hervorheben möchte, betrifft die er- neut geforderte Mitgliedschaft in der International Orga- nisation of Social Tourism. Dieses Thema hatten wir erst vor zwei Jahren im Plenum auf der Tagesordnung und haben es sowohl hier als auch in den Ausschüssen inten- siv diskutiert. Schließlich wurde der dazugehörige An- trag aus gutem Grund abgelehnt. Neben allgemeinen for- malen Bedenken, nach denen die Beteiligung der Bundesrepublik in einer vornehmlich von Nichtregie- rungsorganisationen geprägten Organisation eher frag- würdig ist, sprach vor allem die umfassende Förderung, die die Bundesregierung in diesem Bereich schon vor- nimmt, gegen die Mitgliedschaft. Diese wäre nicht ziel- führend gewesen. Warum die Linke diesen bereits inten- siv diskutierten Punkt innerhalb so kurzer Zeit erneut auf die Tagesordnung setzt, ist mir nicht klar. Er spricht klar gegen den vorliegenden Antrag. Es ist offensichtlich, dass der vorliegende Antrag der Fraktion der Linken wenig hilfreich ist. Nicht nur, dass der Antrag die gesetzlich festgelegte Kompetenzauftei- lung von Bund und Ländern ignoriert; auch kommende Generationen werden uns dankbar sein, dass wir lang- fristig die Belastung durch einen ausgeglichenen Haus- halt gering halten, anstatt diesen durch Urlaubsförderung weiter hinauszuschieben. Die vielfältigen Angebote und Projekte, die die Bun- desregierung mit initiiert hat und fördert, zeigen deut- lich, wie sehr sie sich für den umfassenden Zugang aller Bevölkerungskreise zu touristischen Angeboten einsetzt. Dieses Engagement wird zusätzlich von einer großen Zahl an Initiativen der Länder und Kommunen komple- mentiert. Eine letze Anmerkung möchte ich aber gerade an die Adresse der Antragssteller der Fraktion Die Linke anfü- gen: Sie schreiben von einem Recht auf Tourismus. Als direkte Nachfolger der SED ist dies eine unglaubliche Dreistigkeit. Sie stehen in der Tradition derer, die ihr Volk in der damaligen DDR mit Mauer und Stacheldraht eingesperrt haben, in einem Land, in dem es kein Recht auf Tourismus und kein freies Reisen gab. Und Sie reden heute von einem solchen „Recht auf Tourismus“? Mit dieser Vergangenheit ist die Fraktion der Linken die al- lerletzte, die solche Forderungen stellen darf. Gabriele Hiller-Ohm (SPD): Wir haben heute erneut die Gelegenheit, über ein wichtiges Thema zu sprechen. Sind Reisen und Urlaub für alle erschwinglich? Dabei geht es um die zentrale Frage, ob alle Menschen Chan- cen auf Teilhabe in unserer Gesellschaft erhalten. So bit- ter wie es ist: Dass wir in dieser Frage von der Regie- rung und den Koalitionsfraktionen keine Initiative erwarten können, dürfte in diesem Hause niemanden mehr überraschen. Erst gestern hat das Kabinett ent- schieden, den vierten Armuts- und Reichtumsbericht, auf den wir seit etlichen Monaten vergeblich warten, noch weiter hinauszuzögern und – ich nehme an – den Bericht noch stärker zu verwässern. Schwarz-Gelb will offensichtlich keine offene Debatte über die Entwick- lung von Arm und Reich in diesem Land. Beschämend ist das. Die Fraktion die Linke hat uns einen Antrag vorge- legt, der besagt: Alle Menschen sollen am Tourismus teilhaben können. Dafür setzt sich die SPD seit langem ein. Wir haben 2009 in den Tourismuspolitischen Leitli- nien der Bundesregierung festgelegt: „Auch Menschen mit gesundheitlichen, sozialen und finanziellen Ein- schränkungen sollen reisen können.“ Die SPD-Fraktion hat in dieser Wahlperiode mehrere Initiativen für die Teilhabe am Tourismus ins Parlament gebracht. Vor al- lem Menschen mit Behinderungen finden noch viele Barrieren vor, die ihnen das Reisen unmöglich machen. Das müssen wir gemeinsam mit den Ländern und Kommunen ändern. Weg mit den Barrieren – reißen wir sie ein! Wir haben 2011 einen umfangreichen Maßnah- menkatalog für barrierefreien Tourismus in Deutschland vorgelegt. Schwarz-Gelb hat diesen leider abgelehnt. Teilhabe am Tourismus ist aber auch eine Frage von Arm oder Reich. Fest steht: Wir sind weit davon ent- fernt, dass sich jede Familie, Alleinerziehende mit Kin- dern und jeder Rentner eine Urlaubsreise leisten kann. Deshalb ist es richtig, Menschen, die aus eigener Tasche keinen Urlaub stemmen können, zu unterstützen. Wir wissen alle: Besonders Kinder und Heranwachsende profitieren von Reisen in ihrer Persönlichkeitsentwick- lung. Für Familien, die besonders wenig zum Leben haben und auf Arbeitslosengeld I oder Sozialhilfe ange- wiesen sind, springt der Staat für mehrtägige Klassen- fahrten der Kinder und Jugendlichen ein. So ist gesi- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 219. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 31. Januar 2013 27303 (A) (C) (D)(B) chert, dass die Kinder nicht außen vor bleiben, wenn ihre Klasse verreist. Die SPD hat in den Hartz-IV-Verhandlungen Anfang 2011 erreicht, dass auch eintägige Schulausflüge finan- ziert werden. Ebenso haben wir uns im Vermittlungsaus- schuss erfolgreich dafür eingesetzt, dass vom Bildungs- und Teilhabepaket auch Kinder aus Familien profitieren, die Kinderzuschlag und Wohngeld beziehen. Dadurch haben rund 500 000 Kinder und Jugendliche zusätzlich Anspruch auf die monatlichen 10 Euro, die auch für Fe- rienfreizeiten angespart werden können. CDU/CSU und FDP wollten das verhindern. Gut, dass Schwarz-Gelb im Bundesrat nicht mehr an der SPD vorbeikommt, schon gar nicht mehr nach dem tollen Wahlsieg von Stephan Weil in Niedersachsen. Wir haben auch die Berechnung der Regelsätze von Arbeitslosengeld II, Sozialhilfe und Grundsicherung im Alter kritisiert. Frau von der Leyen rechnet zum Beispiel bei der dem Regelsatz zugrunde liegenden Auswertung der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe die Ausga- ben für Beherbergungskosten einfach heraus. Auch durch andere „Tricks“ vermindert die Sozialministerin den Regelsatz künstlich. Verstecken, Tricksen, Aussit- zen – so sieht das Programm der Regierung Merkel aus. Die Linke spricht in ihrem Antrag die Finanzierung von Familienerholung und damit eine traurige Bilanz an: Mittlerweile haben sechs der sechzehn Bundesländer die Zuschüsse eingestellt. Dies sind vor allem Länder, wo Schwarz-Gelb noch regiert oder bis vor kurzem in Ver- antwortung war. 2011 haben CDU und FDP die Landes- zuschüsse auch in meinem Bundesland, Schleswig-Hol- stein, gestrichen. Nun führt die SPD die Regierung im schönen Norden. Ich hoffe, dass sich der Wind damit zwischen Nord- und Ostsee dreht und Reisen für Fami- lien mit geringem Einkommen wieder vom Land unter- stützt werden. Die Debatte zeigt aber auch: Es muss genügend preis- werte Urlaubsangebote geben. Diese stellen zum Beispiel das Jugendherbergswerk, die Bundesarbeitsgemeinschaft Familienerholung, Gewerkschaften, Sozialverbände, Kir- chen, Naturfreunde und viele andere Einrichtungen be- reit. Die Linke fordert hier zu Recht mehr Investitionen. Denn viele Unterkünfte leiden unter einem Renovie- rungsstau. Dieser verstärkt sich noch, wenn die staatliche Förderung, so wie jetzt, zurückgefahren wird. Sehr geehrte Mitglieder der Regierungskoalition, ge- nau das haben Sie zu verantworten. Sie haben im Haus- halt 2013 die Mittel für Jugendherbergen, Jugendbil- dungs- und Begegnungsstätten um 1,5 Millionen Euro auf nur noch 3 Millionen Euro gekürzt. Damit brechen in vielen Häusern weitere Mittel weg. Sanierungen, Erwei- terungen, Neubauten müssen damit verschoben werden oder bleiben ganz auf der Strecke. Die SPD hat sich im Haushaltsausschuss mit einem Antrag gegen die Kür- zungen gestellt. Den haben CDU/CSU und FDP abgebü- gelt – zulasten der Jugendherbergen und anderer Ein- richtungen. Das ist der falsche Weg. Der Antrag der Fraktion Die Linke geht dagegen in die richtige Richtung. Einige der Forderungen sind aller- dings fragwürdig. Sie fordern, das Thema Sozialtouris- mus in alle touristischen Aus- und Weiterbildungen auf- zunehmen. Ich glaube nicht, dass dies unbedingt in den Lehrplan angehender Köche oder Restaurantfachfrauen gehören muss. Auch Ihre erneute Forderung, dass deut- sche Behörden in der Internationalen Organisation für Sozialtourismus, kurz ISTO, mitarbeiten sollen, halten wir nicht für stichhaltig, da kaum andere staatliche Stel- len Mitglied der ISTO sind. Zudem ist Deutschland mit dem BundesForum Kinder- und Jugendreisen bereits gut vertreten. Alle Menschen müssen sich einen Urlaub leis- ten können. Das muss unser Anspruch sein. Das Kernproblem, das diese Regierung nicht löst, ist doch, dass die Einkommen der Menschen zu niedrig sind. Wir brauchen endlich einen flächendeckenden ge- setzlichen Mindestlohn und eine höhere Tarifbindung, indem die Tarifverträge leichter allgemeinverbindlich werden können. Das sichert gute Löhne. Davon will Schwarz-Gelb aber nichts wissen. CDU/CSU und FDP haben kein Interesse, allen Bürgerinnen und Bürgern Teilhabechancen zu gewähren. Das müssen die Men- schen wissen, wenn Sie am 22. September 2013 zur Wahl gehen. Jens Ackermann (FDP): Reisen für alle; für einen sozialen Tourismus. – Wer da nicht sofort an 40 Jahre FDGB-Heime und Ernteeinsätze unter dem Deckmantel der netten Feriengestaltung denkt, der hat die DDR nicht erlebt oder verdrängt. In ihrem Antrag fordern die Linken dann auch, wie man es von ihnen gewohnt ist, eine ganze Reihe von Maßnahmen auf nationaler, europäischer und gar internationaler Ebene – egal ob es realistisch ist oder einfach nur schön klingt. Natürlich sei es jedem Bürger unseres Landes vergönnt, zu reisen oder in den Urlaub zu fahren. Doch jeder, vor allem jede junge Familie weiß, dass Urlaub nun mal nicht alltäglich, sondern etwas Be- sonderes ist. Auch Familien aus der sogenannten Mittel- schicht können nicht jederzeit in den Urlaub reisen; denn auch sie haben zuerst andere, wichtigere – grundlegen- dere – finanzielle Verpflichtungen. Dann stellt sich mir auch noch die Frage, wo für die Linken Urlaub oder Reisen anfängt. Reicht es nicht manchmal, mit der S-Bahn raus an den Müggelsee zu fahren? Muss man denn immer die Ferne als das einzige Reiseerlebnis anpreisen? Ich glaube jedes Kind erinnert sich mehr an die lustigen und schönen Momente mit lie- ben Menschen – egal wo diese stattfanden. Für mich und meine Fraktion steht es aber natürlich außer Frage, dass den Menschen die Möglichkeit gege- ben werden sollte, frei zu entscheiden, was sie mit ihrer Freizeit anfangen wollen. Dazu haben wir auch bis heute einen sehr wichtigen Beitrag geleistet. 2012 waren so viele Menschen in Deutschland erwerbstätig wie noch nie zuvor. Mit durchschnittlich 416 000 mehr Erwerbstä- tigen als 2011 konnte der Rekord aus dem vorangegan- genen Jahr nochmals gebrochen werden. Zudem gab es im vergangenen Jahr mit durchschnittlich 2,897 Millio- nen so wenige Arbeitslose wie seit über 20 Jahren nicht mehr. Die teilweise verheerende Arbeitsmarktsituation in vergleichbaren europäischen Ländern zeigt, wie ro- 27304 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 219. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 31. Januar 2013 (A) (C) (D)(B) bust der deutsche Arbeitsmarkt mittlerweile ist. Nur so kann Teilhabe für alle geschaffen werden. So werden die Rentenkassen aufgefüllt und am Ende haben alle etwas davon. Wir wollen keine Fördermittel oder Geldgeschenke mit der Gießkanne verteilen. Wir möchten, dass alle Menschen in unserem Land in Lohn und Brot stehen und sich damit ihre Freizeit selbst so gestalten, wie sie es gerne möchten und für richtig halten. Es soll auch tat- sächlich Bürgerinnen und Bürger geben, die nicht gerne reisen. Dass noch in diesem Jahr alle mehr im Geldbeutel ha- ben werden und sich dafür vielleicht auch so etwas wie einen Ausflug oder eine kleine Reise leisten können, da- rauf sind wir stolz. So haben wir als christlich-liberale Koalition beschlossen, den steuerlichen Grundfreibetrag in zwei Stufen 2013 und 2014 um insgesamt 350 Euro anzuheben. Parallel dazu soll die kalte Progression abge- mildert werden, indem der Tarifverlauf so angepasst wird, dass die Steuersätze erst bei einem höheren Einkommen greifen. Damit hat unsere Koalition Entlas- tungen von 6,1 Milliarden Euro auf den Weg gebracht. Dieses Projekt wird leider zulasten der kleineren und mittleren Einkommen von Rot-Grün im Bundesrat blockiert. Die Praxisgebühr wurde abgeschafft. Die Pa- tienten und damit genau jene Familien werden im Jahr um bis zu 160 Euro entlastet. Das Arbeitslosengeld II steigt. Der Regelbedarf steigt auf 382 Euro. Das alles sind Schritte, um soziale Annäherung zu schaffen – nicht die Forderung nach einem sozialen Tourismus. Den brauchen wir dann nämlich nicht. Wir blicken trotz der Krisenmeldungen aus Europa und der Welt auf eine po- sitive Entwicklung in Deutschland und so soll es unserer Meinung nach auch weitergehen. Ich möchte jetzt noch auf eine der Forderungen aus ihrem Forderungskatalog eingehen, liebe Linksfraktion. Es gibt seit 2011 das Bildungs- und Teilhabepaket, das schon jetzt ein- oder mehrtägige Klassenreisen von Kin- dern unterstützt, sodass es zukünftig nahezu jedem Kind möglich sein sollte, an einer Klassenfahrt teilzunehmen. Im Übrigen hatte die Linke zehn Legislaturperioden Zeit, all diese Maßnahmen vorzubereiten. Leider hat sie diese Zeit, wie so oft, nicht genutzt, um Wohlstand und Freiheit zu mehren – ganz im Gegenteil. Kornelia Möller (DIE LINKE): Unser Antrag ist ein Plädoyer für mehr Solidarität im Tourismus, und zwar national wie auch international. Der aktuelle EU-Sozial- bericht gibt erneut Anlass, das Thema Solidarität ganz oben auf die Agenda der Politik zu setzen. In Europa driften arme und reiche Länder immer weiter auseinan- der, und die Krisenbewältigungspolitik der Bundesregie- rung reißt diese Kluft noch weiter auf. Und auch im ei- genen Land besteht ein großes Solidaritätsdefizit. Deswegen musste der Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung auch weichgespült werden. Im Tourismus vertieft und verfestigt sich eine Zwei- klassengesellschaft als Folge des Auseinanderdriftens der Einkommen. Diese Entwicklung wollen wir nicht hinnehmen. Die Tourismuspolitik der Koalition ist gekennzeich- net durch einseitige ökonomische und Gewinnausrich- tung, durch Marktgläubigkeit, durch Entsolidarisierung, durch schlechte Arbeits- und Einkommensbedingungen für viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Branche und eine tiefe soziale Spaltung des inländischen touristischen Kundenpotenzials. Die vorliegenden Fak- ten sprechen eine klare Sprache: In Deutschland ist ein großer Teil der Bevölkerung vom Tourismus ausge- schlossen. Die Tourismuspolitik der Bundesregierung ist euro- pafeindlich, vor allem, wenn es um sozialen Tourismus geht. Das zeigte bereits die Debatte zum Antrag der Linksfraktion zur Mitarbeit im Rahmen der Internationa- len Sozialtouristik-Organisation, ISTO. Bei Merkel und Co. dominierten nationaler Egoismus, wenn sie die Mit- arbeit im Rahmen der EU-Initiative Calypso strikt ableh- nen, wenn sie das zweifellos erhebliche touristische Potenzial der Bundesrepublik und die Erfahrungen auf diesem Gebiet nicht in den Dienst der Verbesserung des europäischen Sozialtourismus stellen wollen. Die Argu- mente sind teilweise haarsträubend: Frau Mortler, Vor- sitzende der CDU/CSU-Fraktionsarbeitsgruppe Touris- mus, wollte zum Beispiel verhindern, „dass deutsche Steuerzahler den Urlaub beispielsweise dänischer Rent- ner in Spanien finanzieren“. Das ist völlig aus der Luft gegriffener Unsinn. Da werden Gespenster an die Wand gemalt, um Solidarität zu verhindern. Noch abenteuerli- cher ist das Argument, dass es sich bei einem öffentlich geförderten Urlauberaustausch über Ländergrenzen hin- weg „um Ausgrenzung“ handelt und sich die „betroffe- nen Menschen als Reisende zweiter Klasse fühlen müss- ten“. Liebe Frau Mortler, was glauben Sie, wie sich jene Menschen in unserem Land fühlen, denen jegliches Rei- sen, Urlaub überhaupt, aufgrund ihrer sozialen Situation verwehrt sind? Bei solcher Geisteshaltung ist es nicht verwunderlich, dass dem Vorschlag des EU-Industrie- kommissars Tajani von 2012, zwecks besserer Auslas- tung von Urlaubsunterkünften in der Nebensaison Rei- sen für Seniorinnen und Senioren mit öffentlichen Mitteln zu subventionieren, von deutscher Seite sofort eine Abfuhr erteilt wurde, und dies, obwohl Tajanis Vor- stoß in erster Linie auf höhere Steuereinnahmen zielte. Wir meinen: Bei allen großen und wichtigen europäi- schen Sozialtourismusinitiativen sollte Deutschland mit seinem Potenzial nicht länger abseits stehen. Und ist es nicht ein Armutszeugnis, wenn die deut- sche Reisebranche zwölf Jahre brauchte, um den Globa- len Ethik-Kodex der Welttourismusorganisation zu un- terschreiben, der die Förderung des Sozialtourismus ausdrücklich fordert? Solidarität darf kein Lippenbekenntnis sein. Notwen- dig sind konkrete politische Weichenstellungen. Genau darauf zielt unser Antrag. Er beinhaltet einen ganzen Komplex von Maßnahmen für einen sozialen und solida- rischen Tourismus und bildet deshalb ein scharfes Kontrastprogramm zur gegenwärtigen schwarz-gelben Tourismuspolitik. Wir erinnern Sie von den Regierungs- parteien damit an ihre eigenen tourismuspolitischen Leitlinien, an den Vorsatz, dass auch Menschen mit ge- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 219. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 31. Januar 2013 27305 (A) (C) (D)(B) sundheitlichen, sozialen und finanziellen Einschränkun- gen reisen können sollen – ein Versprechen, das Sie bis- her nicht eingelöst haben. Die Linksfraktion fordert ein ausreichendes Budget für Erholungsurlaub für Bedarfsgemeinschaften und Fa- milien mit Kindern im Rahmen der Regelbedarfssätze des SGB II sowie des SGB XII und die Aufstockung von öffentlichen Mitteln für die Finanzierung von Projekten des sozialen Tourismus. Das ist überfällig. Einen Schwerpunkt sehen wir in der verstärkten öf- fentlichen Förderung des Familienurlaubs sowie von Reisen Alleinerziehender mit Kindern. Das Niveau ver- gangener Jahre muss wieder erreicht werden. Denn die Reiseintensität von Familien ist innerhalb von 20 Jahren um 11 Prozent zurückgegangen. 2010 verreiste nur noch gut jede zweite Familie für mindestens fünf Tage. Wir halten die Wiederaufnahme und Erweiterung der Landesförderung für Familienreisen in verschiedenen Bundesländern für dringend notwendig und plädieren auch dafür, den Zugang zu diesen Reisen zu vereinfa- chen, zu entbürokratisieren und weitgehend zu verein- heitlichen. Vielfach scheitert gefördertes Reisen an büro- kratischen Barrieren. Mit der stärkeren Förderung von Familienreisen wird unsere Gesellschaft nicht nur kinderfreundlicher. Auch der Umsatz der Branche mit der touristischen Kernziel- gruppe Familien kann wieder erhöht werden. In vielen Fällen bringt mehr Solidarität im Tourismus der Branche und auch den Kommunen einen Zuwachs an Einnahmen und sichert vor allem Arbeitsplätze. Das belegen auch Fakten aus dem internationalen Sozialtourismus. Vielfältige Erfahrungen besitzt unser Land im geför- derten Kinder- und Jugendtourismus. Aber die Möglich- keiten sind bei weitem nicht ausgeschöpft. Deshalb begrüßen wir das von der Regierung geförderte „Zu- kunftsprojekt Kinder- und Jugendtourismus in Deutsch- land“. Aber noch ist nicht erkennbar, ob gerade jenen Gruppen damit eine besondere Förderung zuteil wird, die bisher außen vor geblieben sind. Dabei muss ins Bewusstsein gerufen werden, dass noch vor drei Jahren Urlaubsreisen für mehr als ein Fünftel der Haushalte mit Kindern unter 14 Jahren finanziell unerschwinglich wa- ren. Aktuellere Zahlen kann ich Ihnen hierzu leider nicht präsentieren, weil der Aufbau einer soliden Statistik zur sozialen Struktur des Tourismus leider bisher versäumt wurde – vielleicht sogar bewusst? Wir setzen uns mit unserem Antrag dafür ein, auch dieses Versäumnis aus der Welt zu schaffen. Tourismus hat eine wichtige soziale Dimension, und für staatliche Entscheidungen auf diesem Gebiet, die das Leben von Millionen bestimmen, braucht man seriöse Fakten. Öko- logische und soziale Nachhaltigkeit im Tourismus – ein- geschlossen auch weitere Fortschritte bei der Barriere- freiheit – kann, wie wir wissen, nicht dem Markt überlassen bleiben, sondern braucht politische Gestal- tung. Und als Teil einer solchen politischen Gestaltung betrachten wir das von der Linksfraktion vorgeschlagene Fünfjahresprogramm für sozialen Tourismus, das die Bundesregierung dem Bundestag vorlegen soll. Wohl- bemerkt: Die Bundesregierung soll dieses Programm vorlegen. Damit dürfte wohl ausgeschlossen sein, dass es sich um die Rückkehr zu FDGB-Reisen handelt, wie es in einigen gehässigen Kommentaren bereits hieß – ob- gleich Frau Merkel die positiven Auswirkungen der FDGB-Reisen kennen sollte. Für alle anderen möchte ich hier auf einen großen Unterschied im Vergleich zwischen FDGB-Feriendienst und den heutigen kümmerlichen Ansätzen eines Sozial- tourismus in der Bundesrepublik hinweisen: Weil soziale Gerechtigkeit, Erholung, Bildung, Reproduktion des Arbeitsvermögens als oberste Prinzipien der Ferienpoli- tik des FDGB galten und die Reisen erschwinglich und preislich stabil waren – und deshalb so begehrt und von Millionen Menschen genutzt –, hat ihre Bereitstellung die damaligen ökonomischen Möglichkeiten überschrit- ten. Die heutige Bundesrepublik als ein reiches Land besitzt diese ökonomischen Möglichkeiten; trotzdem sind Millionen Menschen, darunter ein Drittel Kinder, von Urlaubsreisen ausgeschlossen. Diesen fundamenta- len Unterschied kann man auch mit Diffamierungen nicht überdecken. Ich hätte mir als Kind eine FDGB-Reise gewünscht. Dazu kam es aber nicht, weil ich im Westen geboren und aufgewachsen bin. Markus Tressel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir haben heute wieder ein außerordentlich wichtiges Thema auf der Tagesordnung, den Sozialtourismus. Tou- rismus an sich hat ja viele, auch soziale, Aufgaben, die man ihm auf den ersten Blick nicht immer direkt zu- schreibt. Deswegen ist es gut und richtig, dass wir dieses Thema heute noch einmal intensiv beleuchten. Für uns Deutsche hat das Reisen bekanntermaßen ei- nen hohen Stellenwert, und gerade in Zeiten steigenden Stresses – wir haben ja zuletzt in dieser Woche zur Kenntnis nehmen müssen, dass Stress und Burnout sich immer weiter verbreiten – ist es wichtig, dass Erholung, Abstand vom Alltag und auch Naturerlebnis nicht zu weit in den Hintergrund geraten. Dennoch geht auch in diesem Bereich die Schere zwi- schen denjenigen, die sich das leisten können, und denje- nigen, die keine Chance darauf haben, immer weiter auf. Für viele Menschen ist Tourismus, das heißt das Verrei- sen und das Abschalten in einer anderen als der gewohn- ten Atmosphäre nur ein unerreichbarer Wunschtraum. Meines Erachtens brauchen wir deshalb nicht nur aus sozialen, sondern auch aus ökonomischen und gesund- heitspolitischen Gründen in diesem Land eine Debatte über einen Bereich des Tourismus, der bisher in Deutschland ein Schattendasein führte, ganz im Gegen- teil zu anderen europäischen Nachbarstaaten. Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss hat am 13./14. September 2006 eine Stellungnahme zum „Sozialtourismus in Europa“ beschlossen. Darin finden sich einige äußerst interessante Ansätze; zwei davon möchte ich in diesem Zusammenhang noch einmal her- vorheben und zitieren. Ich habe die gleichen Punkte schon einmal angesprochen, als wir über den Beitritt der 27306 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 219. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 31. Januar 2013 (A) (C) (D)(B) Bundesrepublik zur OITS, der Sozialtourismusorganisa- tion, debattiert haben. Erstens. Unter Punkt 4.2.2.1 wird die Agence Natio- nale pour les Chèques-Vacances, ANCV, mit einem Ge- schäftsvolumen von circa 1 Milliarde Euro beschrieben. Dieses Beispiel sollte uns ein Vorbild sein. Weiter heißt es – daraus möchte ich direkt zitieren –: „Sozial und wirtschaftlich ist das Programm eindeutig rentabel, denn einerseits konnten dadurch viele ältere Menschen erst- mals in Urlaub fahren, andere Städte und Gegebenheiten kennenlernen, gleichberechtigte soziale Kontakte knüp- fen und ihren körperlichen Zustand verbessern, wobei eine vernünftige Qualität und die Akzeptanz durch die Nutzer gewährleistet ist; und andererseits werden für je- den in das Programm investierten Euro 1,70 Euro wieder eingenommen.“ Zweitens. Es heißt in den Empfehlungen unter Punkt 9.3: „Den Touristikunternehmen sei empfohlen, sich ent- schlossen an den Sozialtourismusaktivitäten zu beteili- gen. Der Sozialtourismus vertritt Werte, die mit einer korrekten Unternehmensführung, mit Wettbewerbsfähig- keit und Rentabilität vereinbar sind …“. Ich glaube, dass diese Stellungnahme deutlich macht, dass wir hier eben nicht über ein Randthema sprechen. Und ein Bereich, der uns dabei ganz besonders am Her- zen liegen muss, ist der Kinder- und Jugendtourismus. Reisen bildet, und Reisen trägt zu einer positiven Per- sönlichkeitsentwicklung bei. Für Kinder und Jugend- liche gilt das besonders. Hier eine Teilhabe aller Kinder und Jugendlichen zu gewährleisten, muss unser Ziel sein. Wir können es uns nicht mehr erlauben, ganze ge- sellschaftliche Gruppen bzw. deren Kinder davon auszu- schließen. Für circa 2,2 Millionen Kinder und Jugendliche be- steht die Gefahr, aus sozialen Gründen nicht an Reisen, Klassenfahrten, Freizeiten und anderen Angeboten teil- nehmen zu können. Es gibt in Deutschland zwar mit 82,2 Prozent eine auch im internationalen Vergleich hohe Urlaubsreiseintensität bei Jugendlichen zwischen 14 und 17 Jahren. Jugendliche aus einkommensschwa- chen Familien nehmen mit 70,4 Prozent allerdings deut- lich weniger am Tourismus teil. Das größte Problem dabei: Öffentlich geförderte Kin- der- und Jugendreisen sind dabei sowohl im Kontext von Kinder- und Jugenderholung als auch bezogen auf die internationale Jugendarbeit seit den 90er-Jahren rückläu- fig. Der Staat zieht sich dabei sukzessive aus der Verant- wortung: Staatliche Förderungen im Kinder- und Ju- gendreisebereich sind um bis zu 30 Prozent gesunken. Die Zahl der Kinder- und Jugenderholungen hat sich in den Jahren 2000 bis 2004 um 23 Prozent reduziert. So besteht nicht nur die Gefahr, dass Kinder- und Ju- gendreisen teurer werden. Nein, es besteht auch die Ge- fahr, dass sich die soziale Schere weiter öffnet. Deshalb muss sich die öffentliche Hand wieder stärker engagie- ren, gerade bei den geförderten Kinder- und Jugenderho- lungen. Ein schöner Nebeneffekt davon könnte sein, dass man auch die innerdeutsche Reiseaktivität von Jugendlichen steigern könnte. Nicht nur unter sozialen Aspekten wäre es deshalb sinnvoll, durchaus auch einmal die eigene Re- gion oder das europäische Umfeld in den Blick zu neh- men. Ich weiß, dass nicht alles, was wünschenswert wäre, auch immer ad hoc durchsetzbar ist. Dennoch müssen wir den Weg beschreiten, hier endlich Bewegung auch in Richtung des Sozialtourismus zu bekommen. Wir müs- sen endlich aus sozialen, gesundheitspolitischen und am Ende auch ökonomischen Gründen den Menschen ein Angebot zur Erholung machen, die das normalerweise nicht so einfach finanziell bewerkstelligen können. Da- für brauchen wir einen gesellschaftlichen Wandel und auch die Bereitschaft, das Notwendige zu erkennen. Die Debatte hat jetzt erst begonnen. Ich hoffe, wir können sie unaufgeregt und vor allem zielorientiert führen. Anlage 10 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur zusätzlichen Förderung von Kindern unter drei Jahren in Tageseinrichtungen und in Kinderta- gespflege (Tagesordnungspunkt 15) Andreas Mattfeldt (CDU/CSU): Die Tatsache, dass wir in Windeseile das heute zu debattierende Gesetz ein- bringen und behandeln müssen, verdanken wir Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen von Rot-Grün, und das, obwohl eben nicht der Bund für den Kitaausbau zustän- dig ist, sondern Länder und Kommunen. Ihre Blockade im Bundesrat erstaunt mich zutiefst, da es bereits, das wissen sie genau, eine Einigung darüber gab, dass der Bund erneut weiteres Geld für den Kitaausbau und die Bewirtschaftungskosten bereitgestellt hat. Denn bei un- serer christlich-liberalen Koalition hat gerade die Schaf- fung von Kitaplätzen und die damit verbundene Unter- stützung der Kommunen besondere Priorität. Als Kaufmann habe ich einmal gelernt: Verträge müssen ein- gehalten werden. Doch für Sie von Rot-Grün scheint Vertragstreue an- scheinend nicht zu gelten, und ich frage mich: Wo ist die Verlässlichkeit Ihrer großen Volkspartei geblieben? Sie sagen mit Ihrer Blockade des Fiskalvertragsgesetzes im Bundesrat Nein zum Kinderbetreuungsausbau, Sie sagen Nein zur Entlastung der Kommunen und Nein zur Unter- stützung für Eltern mit kleinen Kindern! Respekt, meine Damen und Herren! Eine derartige Haltung erfordert durchaus Charakter. Sie haben für mich mit dieser Blocka- dehaltung einmal mehr Ihr wahres Gesicht gezeigt. Sie haben damit einmal mehr gezeigt, worum es Ihnen wirk- lich geht – nämlich darum, Politik auf dem Rücken der Familien und damit gegen Familien zu machen. Es geht Ihnen nicht darum, den gemeinsam vereinbar- ten Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz für Kinder unter drei Jahren umzusetzen. Es geht Ihnen nicht darum, die Kommunen zu entlasten. Es geht Ihnen nicht darum, die Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 219. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 31. Januar 2013 27307 (A) (C) (D)(B) Eltern mit kleinen Kindern zu unterstützen. Nein, es geht Ihnen einzig und allein darum, zu blockieren. Dafür habe ich kein Verständnis, und dafür haben auch die Men- schen in unserem Land kein Verständnis. Die heutige Debatte zeigt, dass ihre Blockadehaltung im Bundesrat ja nun nichts Neues ist, und wir haben diese schon vor der Landtagswahl in Niedersachsen erle- ben dürfen. Wenn es das ist, was wir und die Menschen in Deutschland in den kommenden Monaten von Rot- Grün erwarten dürfen, dann kann ich nur sagen: So macht man keine seriöse Politik. Wir, die christlich-liberale Koalition, machen konstruk- tive Politik für die Menschen, für die Kommunen und für die Eltern mit kleinen Kindern, die eben einen Be- treuungsplatz dringend brauchen. Deshalb hat das Fami- lienministerium von Kristina Schröder unter Hochdruck einen Gesetzentwurf erarbeitet, damit wir den verein- barten Ausbau der Kindertagesbetreuung trotz Ihrer Blockade umsetzen können. Wir lassen uns durch Ihre taktischen Spielchen nicht vom richtigen Weg abbrin- gen. Wir sind überzeugt davon, dass wir die Kommunen in diesem Bereich entlasten müssen, und deshalb stellt der Bund zusätzlich zu den schon 2007 zugesagten 4 Mil- liarden Euro für Kitabau und Betriebskosten weitere 580,5 Millionen Euro für Investitionskosten sowie wei- tere 75 Millionen Euro jährlich für Betriebskosten zur Verfügung. Sie sehen, wir reden nicht nur – so wie Sie, verehrte Kollegen von den Dagegen-Parteien –, sondern wir handeln und geben das Geld. Man kann schon fast den Eindruck haben, wir tragen den Ländern das Geld geradezu noch hinterher, damit diejenigen Eltern, die ihr Kind in einer Einrichtung betreuen lassen wollen, ab Au- gust dieses Jahres auch die Möglichkeit dazu haben. Rot-Grün blockiert ja nicht nur den Kitaausbau, nein, Sie blockieren auch das Steuerabkommen mit der Schweiz und die Entlastung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer durch Anpassungen der Steuerprogres- sion. Sie stellen sich so offen gegen die Arbeitnehmer- schaft in diesem Land. Offensichtlich ist Ihnen Ihre Blockadehaltung so viel wert, dass Sie im Fall des Steuer- abkommens mit der Schweiz freiwillig auf Milliarden- einnahmen verzichten wollen. Aberwitzig ist allerdings, dass Sie sich sogleich auf die Fahnen schreiben, dass der Haushalt konsolidiert werden muss. Lustiger und un- glaubwürdiger geht’s nimmer. Mit Ihrer Blockade dieses Gesetzes demonstrieren Sie einmal mehr, dass Sie nicht mit Geld umgehen können. Die Menschen erwarten keine taktischen Spielchen, sondern sie erwarten von uns zu Recht Problemlösun- gen, und die bieten wir von der christlich-liberalen Koali- tion den Menschen in unserem Land. Wir sind diejeni- gen, die die Kommunen entlasten und ihnen dadurch Spielräume für Investitionen, wie zum Beispiel in Frei- bäder, Bibliotheken oder Schulen, geben. Wir sind die- jenigen, die den Eltern eine Wahlfreiheit in der Kinder- betreuung ermöglichen. Wir sind diejenigen, die Eltern einen Betreuungsplatz für ihre kleinen Kinder bieten. Damit sind wir diejenigen, bei denen es zuerst um die Menschen in unserem Land – nicht wie bei Ihnen aus- schließlich um die Partei – geht. Norbert Geis (CDU/CSU): Bund, Länder und Kom- munen hatten sich auf dem Krippengipfel 2007 auf 750 000 Kitaplätze geeinigt. Dies entspricht einem durchschnittlichen Versorgungsgrad von 35 Prozent. Durchschnittlich heißt, dass es in den Städten einen hö- heren Bedarf geben kann als auf dem Land. Einigkeit be- stand aber damals darin, dass im Durchschnitt dieser Versorgungsgrad von 35 Prozent zur Erfüllung des Be- darfs ausreichen wird. Damals wurde weiter vereinbart, dass dieses Ziel von 750 000 Kitaplätzen bis zum 1. August 2013 erreicht sein soll. Einig war man sich auch darüber, dass Bund, Länder und Gemeinden zu je einem Drittel die Kosten für den bedarfsgerechten Ausbau zu übernehmen haben. Diese Kosten für den Ausbau wurden damals mit 12 Milliarden Euro kalkuliert. Also entfielen auf den Bund 4 Milliarden Euro, die er auch unverzüglich zur Verfügung gestellt hat. Bereits 2007 hat der Bund das Sondervermögen „Kinderbetreuungsausbau“ aufgelegt. In einer Verwaltungsvereinbarung wurde geregelt, dass das Geld des Bundes an das einzelne Land in Höhe der jeweiligen Quote weitergeleitet wird. Die Länder sollten dann das Geld des Bundes zusammen mit dem von ihnen zu erbringenden Anteil an die Kommunen aufteilen. Es besteht kein Zweifel, dass der Bund keine verfas- sungsmäßige Verpflichtung hat, sich an dem bedarfsge- rechten Ausbau der Kita zu beteiligen. Der Bund sah sich jedoch aufgrund des gesamten politischen Interesses am Ausbau der Kita verpflichtet, seinen Eindrittelanteil für den Ausbau der Tageseinrichtungen und Kinderta- gespflege zu erbringen. Gerade in der jetzt ansetzenden Diskussion, in der man versucht, dem Bund für Säumnisse der Länder die Schuld in die Schuhe zu schieben, ist es gut, festzuhal- ten, dass alle drei Partner aufgrund von damaligen Erhe- bungen auf dem Kindergipfel der Auffassung waren, der Ausbau von Kindertagesplätzen für 35 Prozent der Kin- der vom 1. bis zum 3. Lebensjahr sei ausreichend. Auch der Stichtag 1. August 2013 wurde einvernehmlich fest- gelegt. Wahr ist schließlich auch, dass die Länder trotz dieses Stichtages nur sehr zögerlich ans Werk gegangen sind. Die Ausnahme bildet Bayern. Bayern hat die Be- treuungsquote in den letzten fünf Jahren verdreifacht. Dies war möglich, weil Bayern sofort aus Landesmitteln 680 Millionen Euro bereitgestellt hat. Kein Bundesland hat bisher in einem derart hohen Umfang eigene Landes- mittel investiert. Das Gesamtvolumen bis 2013 wird auf 1,2 Milliarden Euro geschätzt, zwei Drittel vom Land, ein Drittel vom Bund. Die Vervielfachung der Quote war natürlich auch deshalb möglich, weil die bayerischen Kommunen eine hervorragende Arbeit geleistet haben. Der Vorwurf also, der Bund habe nicht alles getan, um den Bedarf zu sichern, entbehrt jeder Grundlage. Es sind die Länder und teilweise wohl auch die Kommunen, die bisher ihren Verpflichtungen nicht nachgekommen sind. Jede Stadt, jede Gemeinde muss selbst ermitteln, wie hoch der Bedarf an U-3-Plätzen ist. Die Kommunen 27308 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 219. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 31. Januar 2013 (A) (C) (D)(B) müssen die Plätze zur Verfügung stellen, doch nicht der Bund. Der Bund ist am Ende nur Zahlmeister. Er kann doch den Kommunen nicht vorschreiben, wie viele Plätze bereitzustellen sind. Dazu ist der Bund aus verfas- sungsrechtlichen, aber auch aus praktischen Gründen nicht in der Lage, weil die Gemeinden viel eher die Er- hebungen dafür machen können als der Bund. Dieses Versäumnis von einem großen Teil der Kom- munen ist auch der Grund dafür, dass bislang keine Transparenz herrscht, wie viele Plätze wirklich ge- braucht werden. Die Erhebungen hätten längst gemacht und der Bedarf hätte längst festgestellt werden müssen. Auf einmal regt sich nun die Besorgnis, dass 750 000 Plätze nicht ausreichen könnten. Auch den Durchschnittsbedarf von 35 Prozent, von dem 2007 noch ausgegangen werden konnte, hat man auf 39 Prozent nach oben korrigiert. Deshalb haben die Länder und der Bund ja auch vereinbart, für weitere 30 000 Plätze Geld bereitzustellen. Wiederum hat der Bund sofort reagiert. Er hat sofort 580 Millionen Euro in den Haushalt einge- stellt. Jetzt hätte man eigentlich erwarten dürfen, dass die Länder nicht lange fackeln, sondern zugreifen. Weit gefehlt. Die Länder haben mit der Ablehnung des Fiskal- vertragsumsetzungsgesetzes im Bundesrat die Auszah- lung der 580 Millionen Euro gestoppt. Statt sich an die eigene Brust zu klopfen, wird nun dem Bund wieder die Schuld in die Schuhe geschoben. Der Bund aber hat wiederum sehr schnell gehandelt. Durch den besonderen Einsatz der Ministerin ist es ge- lungen, in kürzester Frist diesen Gesetzentwurf zur zu- sätzlichen Förderung von Kindern unter drei Jahren in Tageseinrichtungen und in Kindertagespflege vorzule- gen und damit die 50 Millionen Euro bereitzustellen. Wertvolle Zeit durch das Verhalten der Länder wurde zwar vergeudet, aber es ist immer noch Zeit genug. Diese christliche-liberale Koalition hat alles getan, um den Rechtsanspruch zum 1. August 2013 zu erfüllen. Gelingt dies da und dort nicht, liegt es nicht am Bund, sondern an den Ländern und Kommunen. Wo es Aus- bauhemmnisse gibt, hilft der Bund. Er kann sich aber nicht über die Länderhoheit und die kommunale Pla- nungshoheit und die örtliche Zuständigkeit der Kommu- nen hinwegsetzen. Am Geld wird jedenfalls der rechtzeitige Ausbau nicht scheitern. Zu den 580 Millionen Euro kommt für die Kommunen und die Träger der Kitas ein Programm der KfW für verbilligte Kredite für den Kitaausbau. Hinzu kommen das Programm Kindertagespflege und das neue Programm zur Förderung betrieblicher Kindes- betreuung. Dazu kommt die Erhöhung des Betriebskos- tenzuschusses von 75 Millionen jährlich für die zusätzli- chen 30 000 Kitaplätze. Wer angesichts dieser Anstrengungen der Koalition und der Familienministerin dem Bund Versäumnisse vorwirft, der muss sich selbst den Vorwurf der Polemik gefallen lassen. Dagmar Ziegler (SPD): Heute beraten wir einen Ge- setzentwurf, der Ländern und Kommunen beim Kitaaus- bau zusätzlich unter die Arme greift. Das ist höchste Zeit. Die Bundesregierung hat den Kitaausbau in den letzten Jahren blockiert. Der Gesetzentwurf kommt nicht wegen, sondern trotz unserer Bundesregierung. Über Jahre haben Länder und Kommunen laut und vernehmlich um Hilfe gerufen. Denn ihnen stand und steht immer noch das Wasser bis zum Hals. Die Annah- men, die den Beschlüssen des Krippengipfels von 2007 zugrunde lagen, sind von der Wirklichkeit überholt wor- den. Noch mehr Eltern als damals angenommen, wollen für ihr Kind einen Kitaplatz bekommen. Das hat der 14. Kinder- und Jugendbericht gestern nochmal deutlich belegt. Deshalb brauchen Länder und Kommunen zusätzliche Unterstützung durch den Bund. Sie können die gewal- tige Kraftanstrengung des Kitaausbaus und der Erfüllung des Rechtanspruchs ab August dieses Jahres allein nicht bewältigen. Doch all diese Hilferufe haben sowohl die zuständige Ministerin Schröder als auch Bundeskanzlerin Merkel geflissentlich überhört. Die Bundesregierung hat ihre Zeit lieber damit vertan, eine wirkungsvolle Quote für Frauen zu verhindern und das bildungsfeindliche und rückwärtsgewandte Betreuungsgeld einzuführen. Ohne das Engagement der Länder würde der Bund immer noch blockieren. Es ist nur den SPD-Ministerprä- sidenten Kurt Beck und Olaf Scholz zu verdanken, dass wir heute zusätzliche Kitamittel beschließen können. Sie haben einen zusätzlichen Bundeszuschuss bei den Fis- kalpaktverhandlungen im letzten Jahr zum Thema ge- macht, und sie haben ihre Zustimmung zum Fiskalpakt davon abhängig gemacht, dass der Bund beim Ausbau der Betreuungsinfrastruktur noch mal eine Schippe oben draufpackt. Der Gesetzentwurf, den wir heute beschlie- ßen wollen, setzt nun diese Vereinbarung zwischen Län- dern und Bund um. Und selbst die haben Sie noch zu hintertreiben versucht. Die Bundesregierung hat den Ländern bei den Fiskal- paktverhandlungen eine unbürokratische und schnelle Umsetzung versprochen und sich nicht daran gehalten. Mit kleinlichen Nachforderungen haben Sie, Ministerin Schröder, die Umsetzung um weitere Monate verzögert. Jetzt müssen Sie endlich dafür sorgen, dass das Geld dort ankommt, wo es am dringendsten gebraucht wird, nämlich vor Ort. Wir erwarten von der Bundesregierung jetzt endlich zügiges und professionelles Handeln. Kein Verschleppen und Verzögern mehr! Werden Sie Ihrer Verantwortung für den Kitaausbau endlich mal gerecht! Aber Geld ist bekanntlich nicht alles im Leben. Es gibt noch viele andere Maßnahmen, die Sie auch an- packen müssten – es aber nicht tun: Überall in Deutschland werden die Klagen über feh- lende pädagogische Fachkräfte immer lauter. Die SPD- Bundestagsfraktion fordert schon seit Jahren, dass sich die Bundesregierung mit Ländern und Kommunen in ei- nem Krippengipfel an einen Tisch setzt und konkrete Schritte zur Forcierung des Krippenausbaus vereinbart. Und wir fordern – ebenfalls seit Jahren – eine Fachkräfte- offensive, um zusätzliche Menschen für den Beruf der Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 219. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 31. Januar 2013 27309 (A) (C) (D)(B) Erzieherin oder des Erziehers zu gewinnen und zu be- geistern. Die Zeit drängt. Die Bundesregierung muss jetzt in enger Zusammenarbeit mit Ländern, Kommunen und Trägern eine bundesweite Fachkräfteinitiative starten, um den steigenden Bedarf an Erzieherinnen und Erzie- hern zu decken. Außerdem wird der wachsende Fach- kräftebedarf nur zu decken sein, wenn die Arbeitsbedin- gungen im Erzieherberuf verbessert werden. SPD-geführte Länder machen vor, wie es geht: Ham- burg ist es gelungen, den Rechtsanspruch für Kinder un- ter drei Jahren bereits um ein Jahr vorzuziehen. Er wirkt dort schon seit dem 1. August 2012. Nordrhein-Westfalen hat nach der Regierungsüber- nahme durch Hannelore Kraft schnell einen Krippengip- fel einberufen, nachdem die CDU-geführte Vorgängerre- gierung den Krippenausbau verschlafen hatte. Das rot- grün geführte Land unterstützt gezielt notleidende Kom- munen, damit auch sie den Ausbau schaffen. In Niedersachsen hingegen sieht es hier im wahrsten Sinne des Wortes schwarz aus. Selbst CDU-Bürgermeis- ter beklagen die mangelnde finanzielle Beteiligung des Landes beim Krippenausbau. Das wird sich unter dem neuen Ministerpräsidenten Stefan Weil jetzt endlich und zügig ändern. In der letzten Legislaturperiode hat die SPD durch- gesetzt, dass Finanzhilfen in Milliardenhöhe für den Krippenausbau bereitgestellt werden. Denn wir haben gesehen, dass der Ausbau von Bildung und Betreuung eine entscheidende gesamtgesellschaftliche Aufgabe dar- stellt. Ob für unsere Kinder und Jugendlichen gute Kita- und Ganztagsschulplätze vorhanden sind, entscheidet über ihre Zukunft. Denn gute Kitas und Ganztagsschulen eröffnen bessere Bildungschancen, sind Orte der Integra- tion und ermöglichen Eltern, Beruf und Familie zu ver- einbaren und deshalb selbst für sich zu sorgen. Sie sind die beste Armutsprävention und außerdem die Bildungs- institutionen, in denen die Fachkräfte entwickelt werden, die auch die deutsche Wirtschaft doch so dringend braucht. Ohne den damaligen Bundesfinanzminister Steinbrück wäre der Krippenausbau nicht möglich gewesen. Es war Peer Steinbrück, der 2007 4 Milliarden Euro in ein Son- dervermögen für den Krippenausbau überführt und für einen jährlichen Bundeszuschuss zu den laufenden Kos- ten des Kitabetriebs vor Ort gesorgt hat. Diesen Weg werden wir in Regierungsverantwortung konsequent fortsetzen. Wir werden Ihr bildungsfeind- liches Betreuungsgeld sofort abschaffen und die dadurch frei werdenden Mittel vollständig in den Kitausbau ste- cken. Damit sollen die Kommunen noch mehr Plätze schaffen können, die Öffnungszeiten der Einrichtungen verlängern und für eine bessere Betreuungsqualität sor- gen können. Denn nur gute Kitas sind in der Lage, un- sere Kinder optimal zu fördern und ihre Talente zu ent- decken und zu fördern. Die 16. Legislaturperiode war die Zeit des quantitativen Kitaausbaus unter Finanz- minister Peer Steinbrück. Die 17. Legislaturperiode ist die Zeit des Nichtstuns unter Bundeskanzlerin Merkel. Die 18. Legislaturperiode wird die Zeit der Qualitäts- offensive unter Bundeskanzler Peer Steinbrück werden. Eine SPD-regierte Bundesregierung wird das Thema Ausbau von Kitas und Ganztagsschulen aus der Abstell- kammer holen, wohin Schwarz-Gelb es verdammt hat. Bei uns wird der Ausbau der Bildungsinfrastruktur ganz oben auf der Tagesordnung stehen. Denn wir haben uns ein ambitioniertes Ziel gesetzt. Wir wollen, dass jedes Kind und jeder Jugendliche ab 2020 einen Rechtsan- spruch auf Ganztagskitas und Ganztagsschulen hat, da- mit alle Kinder und Jugendlichen in Deutschland gleiche Bildungschancen haben und auch die Benachteiligten wieder berechtigte Hoffnung auf sozialen Aufstieg be- kommen. Dafür lohnt es sich zu kämpfen. Und genau das wer- den wir in den nächsten Monaten tun. Ich freue mich auf die Auseinandersetzung um die beste Zukunft für unser Land. Miriam Gruß (FDP): Für den benötigten Ausbau der Infrastruktur der Kinderbetreuung wurde bisher von kei- ner anderen Bundesregierung so viel investiert. Bund, Länder und Kommunen haben sich geeinigt: Es werden 12 Milliarden Euro für dieses wichtige, gesamtgesell- schaftliche Ziel ausgegeben. 4 Milliarden Euro davon werden vom Bund getragen. Mit dem heutigen Gesetz- entwurf werden nun nochmals 580,5 Millionen Euro vom Bund nachgelegt. Zu unserem Teil der Verantwor- tung stehen wir, wie auch zu dem Rechtsanspruch auf Betreuung für unter dreijährige Kinder, der am 1. August 2013 in Kraft treten wird. Dazu stehen wir; denn wir wissen: Eine gute und verlässliche Familienpolitik ermu- tigt Paare dazu, Kinder zu bekommen. Dafür bedarf es dreier Komponenten: Die erste Komponente besteht aus den Rahmenbedin- gungen. Das sind sowohl die rechtlichen, wie beispiels- weise der Rechtsanspruch, als auch die Infrastruktur- bedingungen, zum Beispiel Kitas, Horte, Tagesmütter und Tagesväter. Die zweite Komponente besteht aus den finanziellen Unterstützungen. Deutschland liegt hier laut internatio- nalen Vergleichen in der weltweiten Spitzengruppe. Schließlich die dritte Komponente: Das ist das, was die Ministerin „Zeit für Familie“ genannt hat. Hier sind die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, ein verlässli- ches Umfeld und ein sicherer Arbeitsplatz besonders wichtig. Denn uns allen ist bewusst, dass Unsicherheit über den Arbeitsplatz oft zur Folge hat, dass viele Menschen mit dem Kinderwunsch warten. Einige davon warten dann zu lange. Meiner Meinung nach kann nie- mand bestreiten, dass die gute Konjunkturlage der letz- ten drei Jahre unter Schwarz-Gelb zu mehr Verlässlich- keit und Sicherheit am Arbeitsmarkt und dadurch zu mehr Sicherheit für Familienplanungen geführt hat. 27310 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 219. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 31. Januar 2013 (A) (C) (D)(B) Heute geht es um die zusätzlichen 580,5 Millionen Euro, die der Bund bereitstellt, und um die Frage, warum wir dieses schon beschlossene Finanzpaket heute noch einmal in den Bundestag einbringen müssen. Die Antwort darauf lautet: Wir müssen das tun, weil die Bundesländer nur langsam und schleppend ihren Teil der Verantwortung wahrgenommen haben. Es hat sich herausgestellt, dass einige Länder die 4 Milliarden Euro nur äußerst zögerlich abgerufen haben. Auch hat sich gezeigt, dass diese mit der Umsetzung des Kitabaupro- gramms und den dafür vorgegebenen zeitlichen Vorga- ben nicht Schritt halten. In diesem Zusammenhang darf man schon einmal da- rauf hinweisen, dass das grün-rote Baden-Württemberg mit 61,7 Prozent, Stand 6. Dezember 2012, das Schluss- licht beim Mittelabruf bildet. Der Bund steht zu seinem Teil der Verantwortung. Wir fordern hier die rot-grünen Regierungen dieser Länder ausdrücklich dazu auf, auch ihren Teil beizutragen. Der Fiskalpakt wurde von den Ländern abgelehnt. Dieser beinhaltete auch die zusätzlichen 580,5 Millionen Euro für den Kitaausbau. Deswegen müssen wir heute den Ländern das Geld quasi hinterhertragen. Diese feh- lende Wahrnehmung der beim Krippengipfel 2007 ein- stimmig beschlossenen Strategie ärgert mich umso mehr, als die Länder äußerst genau darauf achten, dass der Bund sich nicht in ihre Kompetenzen einmischt. Wenn etwa ein Vorschlag für schärfere Berichtspflichten ge- macht wird, gibt es einen lauten Aufschrei. Aber die Eltern der Kinder erwarten von den Landesfürsten keine taktischen Spielchen, sondern die Umsetzung dessen, was sie selbst mit beschlossen haben. Dass wir das vereinbarte Ziel von 750 000 Plätzen für Kinder unter drei Jahren noch nicht erreicht haben, ist uns bewusst. Wir haben aufgrund des ermittelten Be- darfs trotzdem 30 000 Plätze zusätzlich vorgesehen und wissen doch auch, dass in einigen Regionen auch das nicht ausreichen wird. Es bedarf deshalb auch noch in den nächsten Jahren erheblicher Anstrengungen, um hier eine Wahlfreiheit zwischen den verschiedenen Möglich- keiten zu erreichen. Es ärgert mich, dass von einigen Ländervertretern und der Opposition Zahlen von 100 000 oder 150 000 noch fehlenden Plätzen in den Raum geworfen werden. Es ist wahr: Wir haben alle zusammen die Bedarfsquote noch nicht erfüllt; aber jeder – Bund, Länder und Kommunen – muss sich selbst die Frage stellen: Was tue ich, um den Ausbau zu beschleunigen? Hier vermisse ich beispielsweise von der Landesre- gierung Initiativen zur Entrümpelung der Landesbauord- nungen, damit der Ausbau nicht durch überzogene Standards bei der Höhe von Kleiderhaken und Toiletten- becken verzögert wird. Auch fehlen mir hier Initiativen der Landesregierungen, die es ermöglichen, die EU- Hygieneverordnungen in der Tagespflege großzügig aus- zulegen. Die Länder besitzen hier einen großen Spiel- raum, welchen sie auch nutzen sollten. Mit unserem Antrag zur Stärkung der Tagespflege haben wir unseren Beitrag geleistet, aber auch hier liegt vieles in der Zu- ständigkeit der Länder. Es ist die Aufgabe der Länder, hier aktiv zu werden. Eines kann ich Ihnen aus eigener Erfahrung versi- chern: Die Eltern wollen nicht hören, wessen Schuld es ist, wenn der Ausbau der Betreuungskapazität in ihrer Kommune noch nicht ausreichend ist, sondern sie möch- ten wissen, was von Bund, Ländern und Kommunen getan wird, um eine Lösung dafür zu finden. Die rechtli- chen Rahmenbedingungen werden vom Bund gesetzt; er gibt auch das Geld, sie auszufüllen. Die Länder und Kommunen sind in der Pflicht, die Umsetzung vor Ort zu organisieren. Diana Golze (DIE LINKE): Seit Jahren geistert das Wort „Wahlfreiheit“ umher, wenn das Thema Kinderta- gesbetreuung auf der Tagesordnung steht. Für einen Teil dieser „Wahlfreiheit“ hat sich die Bundesregierung über Monate hinweg eine Schlammschlacht geliefert und vor- bei an der mehrheitlichen Meinung in der Bevölkerung, der Fachwelt und entgegen des derzeitigen Standes der frühkindlichen Forschung eine „Kitafernhalteprämie“ beschlossen. Milliarden wurden in die Hand genommen und Lieblingsprojekte einzelner Kabinettsmitglieder zur Verhandlungsmasse gemacht, nur um zu erhalten, was kaum noch jemand möchte: ein Familienbild, dass Kin- dererziehung zur Privatsache macht und die öffentliche Verantwortung hierfür auf die Zahlung eines Taschen- geldes reduziert. Die Rede ist natürlich von der hitzigen Debatte um die Einführung des Betreuungsgeldes – der Leistung, die für die größte Mogelpackung in Sachen moderner Familienpolitik steht. Seit Jahren umstritten und trotzdem mit einer Verbis- senheit umgesetzt, die man sich auch bei der anderen Seite dieser „Wahlfreiheit“ – der Kinderbetreuung in öf- fentlicher Verantwortung – immer noch nur wünschen kann. Hier treibt das Engagement der Bundesregierung indes andere Blüten. Neue Unwörter wie „Kitaplatz- Sharing“ und „Erzieheraustausch“ machen klar, in wel- chem Dilemma wir in Sachen Kindertagesbetreuung bis heute stecken. Alte Vorurteile halten sich beharrlich, und wo sie nicht mehr zu halten sind, werden sie mit Kampfreden einer ansonsten schweigenden Ministerin Schröder kleingeredet. Statt endlich das zu tun, was ihr eigentlicher Job ist, wird immer und immer wieder der gleiche Sprechzettel hervorgeholt, nämlich dass der Bund seinen Beitrag in Form des einmal zur Verfügung gestellten Sondervermögens für den Kitaausbau bereits geleistet hat, dass nun alle anderen dran seien in der Wahrnehmung ihrer Verantwortung. Ich sage Ihnen, Frau Ministerin: Das Maß an Ignoranz der Verantwortung des Bundes ist voll. Seit Jahren wird das viel zu schleppend verlaufende Ausbautempo schön- geredet, das Fehlen einer Bedarfsplanung ist an der Ta- gesordnung und an den daraus resultierenden falschen Ausbauzielen wird festgehalten. Hilferufe der kommu- nalen Spitzenverbände werden so lange in die Schublade gelegt, bis man die Diskussion endlich da hat, wo man sie schon immer haben wollte: fernab von einer Debatte um die Qualität von Kindertagesbetreuung, von dem be- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 219. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 31. Januar 2013 27311 (A) (C) (D)(B) stehenden Fachkräftemangel und von den schwierigen Arbeitsbedingungen in der Kindertagespflege. Das, was uns nun erneut in Form eines Gesetzentwurfes vorgelegt wurde, überbietet jede bisher da gewesene Augenwi- scherei. Die durch Ihren Vorschlag zu schaffenden 30 000 Plätze reichen nicht im Ansatz aus, um in die Nähe der 220 000 fehlenden Plätze zu kommen – von der Erfül- lung eines Rechtsanspruches ganz zu schweigen. Sie lie- fern auch diesmal keine Lösung dafür, dass trotz dieser Aufstockung und langfristigen Beteiligung des Bundes an den Gesamtkosten der überwiegende Teil der dauer- haften Kosten an den Kommunen hängen bleibt. Es kann nicht sein, dass die Erfüllung eines vom Bund geschaffe- nen Rechtsanspruches und damit der qualitative und quantitative Ausbau der Kinderbetreuung davon abhän- gen soll, wie voll oder wie leer die Kasse der jeweiligen Kommune ist. Die Linke bleibt darum bei ihrer Forderung nach ei- nem Spitzentreffen zwischen den verantwortlichen Ak- teuren aus Bund, Ländern und Kommunen unter Beteili- gung der wissenschaftlichen Fachwelt. Ein solcher Krippengipfel ist dringend nötig, um den tatsächlichen Stand des Betreuungsausbaus und des Ausbaubedarfes zu ermitteln und endlich ehrlich sofortige Maßnahmen zwischen Bund, Ländern und Kommunen zu verabreden. Wenn Sie, Frau Ministerin, daraus auch noch ein regel- mäßig tagendes Gremium mit dem Auftrag, die Umset- zung des Ausbaus zu begleiten und im Bedarfsfall umge- hend notwendige Lösungsvorschläge zu erarbeiten, schaffen würden, dann können Sie auch wieder davon reden, dass der Bund seine Verantwortung wahrnimmt. So aber ist auch dieser Gesetzentwurf ein Tropfen auf den heißen Stein, der mit unnötig repressiven Fristen den Ländern und Kommunen einmal mehr die Pistole auf die Brust setzt und damit für uns nicht zustimmungsfähig ist. Katja Dörner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Heute stimmen wir über einen Gesetzentwurf ab, der Finanz- mittel in Höhe von 580 Millionen Euro für 30 000 zu- sätzliche U-3-Plätze bringen wird. Die Beratungen in den Ausschüssen haben es uns schon verraten: Dieser Gesetzentwurf wird eine breite Mehrheit finden. Und auch im Bundesrat – der morgen über den Gesetzentwurf beschließt – ist nicht mit Widerstand zu rechnen. Denn jetzt darf es nur noch ein Ziel geben: Die zusätzlichen Mittel müssen so schnell wie möglich dahin, wo sie be- nötigt werden: in die Kommunen, in die Kitas. Dass dieses Geld erst jetzt auf den Weg gebracht wird, dass wertvolle Zeit mit Blick auf den Rechtsan- spruch auf einen U-3-Platz, der ab dem 1. August be- steht, verplempert wurde, ist keinem parteitaktischen Kalkül der Bundesländer im Bundesrat zu verdanken. Das wollen uns zwar die Koalitionsfraktionen weisma- chen, aber Fakt ist, dass die Verantwortung einzig und allein bei der Bundesregierung liegt. Bis Dezember letz- ten Jahres waren die Regelungen über die zusätzlichen Kitamittel Bestandteil des Gesetzentwurfs zur inner- staatlichen Umsetzung des Fiskalvertrags. Der Bundes- rat hat dem Gesetzentwurf zur Umsetzung des Fiskalver- trags nicht zugestimmt, weil die Bundesregierung sich nicht an die Zusage gehalten hat, die sie den Ländern zur Neufestlegung der Entflechtungsmittel gegeben hat. Mit dem Kitaausbau hat die Kritik der Bundesländer über- haupt nichts zu tun. Dasselbe Schwarze-Peter-Spiel hat Ministerin Schröder übrigens auch bei den zusätzlichen Kitamillio- nen versucht. Einigungen, die im August zwischen dem Familienministerium und den Ländern erzielt wurden, fanden keinen Niederschlag in dem Gesetzentwurf, den die Bundesregierung im Oktober vorgelegt hat. Erst hat Ministerin Schröder versucht, die Länder mit monatli- chen Berichtspflichten über die Verwendung der Mittel zu drangsalieren. Dann hat sie viel zu lange eine Eini- gung über die Auszahlung der zugesagten Betriebsmittel in Höhe von 75 Millionen Euro jährlich blockiert, und das, nachdem sie selbst seit Jahren keinen müden Cent zusätzlich für den Kitaausbau beim Finanzminister aus- verhandeln konnte. Daher, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Koalitionsfraktionen, hören Sie endlich auf, den Bundes- ländern oder gar der Opposition die Schuld für die ver- zögerte Auszahlung der Mittel in die Schuhe zu schie- ben. Das ist der Sache nicht dienlich und interessiert die Eltern, die einen Kitaplatz für ihr Kind brauchen, so- wieso nicht. Die zusätzlichen Mittel sind ein wichtiger Schritt und für viele Kommunen sicherlich der letzte Rettungsanker. Aber auch mit diesen zusätzlichen 580 Millionen Euro kann die Erfüllung des Rechtsanspruchs nicht überall si- chergestellt werden. In vielen Kommunen, die in den letzten Jahren in den U-3-Ausbau investiert, aber einen deutlich höheren Bedarf als die ursprünglich avisierten 35 bzw. jetzt 39 Prozent haben, werden Eltern mit ihrem Wunsch nach Vereinbarkeit von Familie und Beruf trotz- dem keinen Kitaplatz finden. Deshalb halten wir Grünen ein Sonderprogramm, das sich gerade an Kommunen mit besonders hohen Bedarfen richtet, für dringend geboten. Die Kommunen fordern nicht nur die Beteiligung des Bundes und der Länder an eventuellen Schadenersatzan- sprüchen, die Eltern wohl aufgrund fehlender Kitaplätze einklagen könnten. Ich halte diese Forderung für nicht zielführend, weil wir jetzt in den Ausbau und nicht spä- ter in den Schadenersatz für nicht erfolgten Ausbau in- vestieren müssen. Die Kommunen rechnen aber auch da- mit, dass die Anzahl der Kinder in den Gruppen erhöht und damit zentrale Qualitätsstandards gesenkt werden. Das darf auf keinen Fall passieren. Es reicht nicht, wie wir es von der Ministerin kennen, auf die Bedeutung hoher Qualitätsstandards hinzuwei- sen. Der Bund muss auch handeln. Er ist auch bei der Frage der Qualität in der Pflicht und sollte sich seiner Verantwortung endlich stellen. 27312 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 219. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 31. Januar 2013 (A) (C) (D)(B) Anlage 11 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur innerstaatlichen Umsetzung des Fiskalvertrags (Tagesordnungspunkt 17) Norbert Barthle (CDU/CSU): Wir verabschieden heute im Bundestag zum zweiten Mal das Fiskalver- tragsumsetzungsgesetz. Es ist äußerst ärgerlich, dass der Bundesrat dem Gesetz im ersten Anlauf nicht zuge- stimmt hat. Ich möchte daran erinnern: Auch die Länder haben im vergangenen Sommer den Fiskalvertrag ratifi- ziert. Auch die Länder haben daher die gesamtstaatliche Verantwortung, die durch die Ratifizierung notwendig gewordenen Folgerechtsänderungen mitzutragen. Es ist manchmal schon schwer erträglich, wie die Ländermehrheit derzeit immer wieder Rosinenpickerei betreibt. Ich gehe davon aus, dass das Gesetz für die zu- sätzlichen Mittel für den Kitaausbau ohne Probleme den Bundesrat passieren wird. Dann aber das Gesetz zur in- nerstaatlichen Umsetzung des Fiskalvertrags als Faust- pfand für taktische Spielchen im Bundesrat zu nutzen, wäre mehr als unangemessen. Das werden auch die Bürgerinnen und Bürger im Land so sehen. Ich bin daher sehr gespannt auf die erneute Entscheidung des Bundes- rates zu diesem Gesetz. Der Fiskalvertrag ist das zentrale Instrument, um dem Prinzip der Solidität europaweit zu besserer Geltung zu verhelfen. Die Bedeutung der Verpflichtung für die Un- terzeichnerstaaten, Schuldenbremsen nach deutschem Vorbild umzusetzen und ihre Einhaltung zu kontrollie- ren, kann gar nicht stark genug gewürdigt werden. Deutschland hat mit der im Zuge der Föderalismusre- form II eingeführten deutschen Schuldenbremse und der parallelen Einrichtung des Stabilitätsrats zentrale Vorga- ben des Fiskalvertrags bereits jetzt erfüllt. Mit dem Fiskalvertragsumsetzungsgesetz regeln wir die zusätz- lich notwendigen rechtlichen Ergänzungen zur inner- staatlichen Umsetzung des Fiskalvertrags und des refor- mierten Stabilitäts- und Wachstumspakts. So wird die zulässige Obergrenze für das strukturelle gesamtstaatli- che Finanzierungsdefizit von maximal 0,5 Prozent des BIP im Haushaltsgrundsätzegesetz festgeschrieben. Mit der Änderung des Sanktionszahlungs-Aufteilungsgeset- zes wird die innerstaatliche Aufteilung der mit der Reform des Stabilitäts- und Wachstumspakts neu einge- führten Sanktionen zur Sicherung der Haushaltsdisziplin geregelt. Der Stabilitätsrat wird zudem damit beauftragt, die Einhaltung der strukturellen gesamtstaatlichen Defizit- obergrenze zu überwachen. Zur Unterstützung des Stabi- litätsrates bei dieser Aufgabe wird ein unabhängiger Beirat eingerichtet. Mit der Überwachung der gesamt- staatlichen Regeln durch den Stabilitätsrat und seinen unabhängigen Beirat trägt Deutschland den Anforderun- gen des Fiskalvertrags und der von der Europäischen Kommission vorgelegten gemeinsamen Grundsätze – auch hinsichtlich der darin geforderten starken Rolle unabhängiger Institutionen – vollständig Rechnung. Durch die Kombination von Stabilitätsrat und unabhän- gigem Beirat wird ein optimales Institutionengefüge zur Überwachung der Einhaltung der Vorgaben des Fiskal- vertrags geschaffen. Im Rahmen des heute zu verabschiedenden Gesetzes schreiben wir auch fest, dass das Guthaben auf dem so- genannten Kontrollkonto der Schuldenregel am Ende des Jahres 2015 auf null gesetzt wird. Die Koalition hat immer gesagt, dass die Überschüsse im Kontrollkonto nicht über die Dauer des Übergangszeitraumes hinaus Wirkung entfalten sollen. Sobald die Schuldenbremse ab 2016 in den Regelbetrieb übergeht, starten wir daher nun mit einem sauberen Kontrollkonto. Dies ist ein sehr wichtiges Signal insbesondere ge- genüber den europäischen Partnern, die ähnliche Schul- denbremsen national verankern müssen. Und auch den Bundesländern sollte diese Regelung ein Ansporn sein, selbst rechtzeitig für eine wasserdichte Umsetzung der grundgesetzlichen Verpflichtungen zu sorgen. Da liegt in manchen Ländern noch einiges im Argen. Das Fiskalvertragsumsetzungsgesetz ist ein wichti- ges Gesetz. Wir erleben derzeit in Europa, dass Ver- trauen langsam, aber sicher zurückkehrt. Gerade jetzt dürfen wir mit unseren Anstrengungen zu Strukturrefor- men, Haushaltskonsolidierung und einer Stärkung des institutionellen Rahmens der Währungsunion nicht nachlassen. Wir sind in einer kritischen Phase der Krisenbewältigung, nämlich in der Phase, zu beweisen, dass wir es nicht nur kurzfristig, sondern auch dauerhaft ernst meinen mit allen Reformzusagen. Deutschland muss dabei mit gutem Beispiel vorange- hen, um den Umsetzungsdruck auch in allen anderen Ländern aufrechtzuerhalten. Der Fiskalvertrag ist seit 1. Januar 2013 in Kraft. Wir müssen nun schleunigst alle notwendigen gesetzlichen Anpassungen verabschieden. Wir riskieren sonst nicht nur eine große Blamage gegen- über unseren Partnern. Wir riskieren auch den Verlust von Glaubwürdigkeit, die in dieser Phase der Stabilisie- rung und Konsolidierung im Euro-Raum so dringend notwendig ist. Ich appelliere an alle, sich dieser gesamt- staatlichen und europäischen Verantwortung bewusst zu sein. Das Fiskalvertragsumsetzungsgesetz ist kein Ge- setz für politische Spielchen. Ich bitte daher um eine breite Zustimmung des Deutschen Bundestages. Bartholomäus Kalb (CDU/CSU): Nach der verfas- sungsrechtlichen Verankerung der Schuldenbremse und der Schaffung des Stabilitätsrats gehen wir mit dem Fis- kalpakt den nächsten Schritt hin zu einer nachhaltigen Haushaltspolitik und zu tragfähigen Staatsfinanzen. Mit dem Fiskalvertragsumsetzungsgesetz werden die da- rüber hinaus notwendigen rechtlichen Ergänzungen zur innerstaatlichen Umsetzung des Fiskalvertrags und des reformierten Stabilitäts- und Wachstumspakts geregelt. Bereits in diesem Jahr wird der Bund trotz Fälligwer- dens zweier weiterer ESM-Raten die erst ab 2016 durch die Schuldenbremse vorgegebene Grenze für die struktu- relle Neuverschuldung von 0,35 Prozent des Brutto- inlandsprodukts unterschreiten. Das ist drei Jahre früher Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 219. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 31. Januar 2013 27313 (A) (C) (D)(B) als verfassungsrechtlich vorgeschrieben. Wir sind damit für die europäische Schuldenregel gut aufgestellt. Um Deutschland zukunftsfest zu machen, müssen wir den Weg der wachstumsorientierten Haushaltskonsoli- dierung konsequent fortsetzen. Nur nachhaltiges Wachs- tum schafft Vertrauen und Verlässlichkeit. Wachstum ist dann stabil und zukunftsgerichtet, wenn es auf solide Finanzen aufbaut. Denn diese geben uns und den nach- kommenden Generationen die notwendigen Handlungs- spielräume für eine gute Zukunft Deutschlands. Die Herausforderungen liegen auf der Hand: Haushaltskon- solidierung, Stärkung der Infrastrukturinvestitionen und Verbesserung der Finanzkraft der Kommunen. Trotz steigender Einnahmen haben wir im Bundes- haushalt 2013 die Ausgabenseite begrenzt. Gegenüber dem Beginn der Legislaturperiode konnten wir die Aus- gaben nominal absenken. Damit kommt auch der für 2014 angestrebte strukturelle Haushaltsausgleich in greifbare Nähe. Diese konsequente Konsolidierung wird auch wieder mehr Spielräume schaffen zur Gestaltung freier Zukunft. Konsolidierung heißt Zukunftssicherung. Deutschland braucht eine leistungsfähige Verkehrsin- frastruktur. Ausreichende und qualitativ hochwertige Verkehrswege sind die Lebensadern unserer Volkswirt- schaft und sichern ein Höchstmaß an gesellschaftlicher Mobilität. Um die Leistungsfähigkeit unserer Verkehrswege zu sichern und das weiter ansteigende Verkehrsaufkommen bewältigen zu können, sind erhebliche Investitionen not- wendig. Zwar konnten im aktuellen Bundeshaushalt Ge- samtinvestitionen für die Verkehrswege von jährlich über 10 Milliarden Euro und damit über dem Niveau der Vorjahre verankert werden. Diese Mittel reichen aber immer noch nicht, um alle Projekte in unserem Land zu finanzieren, die dringend realisiert werden müssten. Auch die Zusatzmilliarde aus dem „Infrastrukturbe- schleunigungsprogramm“ von Anfang 2012 sowie die zusätzliche Dreiviertelmilliarde Euro für den Bundes- haushalt 2013 versetzt den Bund allenfalls in die Lage, einen Teil des gewaltigen Finanzierungsbedarfs zu de- cken. Wir müssen mehr Finanzmittel für den Erhalt und die Modernisierung der Verkehrsinfrastruktur bereitstel- len. Zu einer überzeugenden Haushaltskonsolidierung ge- hört auch, die Kommunen zu unterstützen, damit sie ihre Aufgaben erfüllen und ihre Haushalte ebenfalls konsoli- dieren können. Die christlich-liberale Koalition hat Anfang Novem- ber den Weg für die größte finanzielle Entlastung der Kommunen in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland freigemacht. Durch die Übernahme der Nettoausgaben der Grundsicherung im Alter und bei Er- werbsminderung entlastet der Bund die Kommunen al- lein im Zeitraum 2012 bis 2016 um rund 18,5 Milliarden Euro. Wir müssen die Kommunen aber noch weiter entlas- ten. Eine alternde Gesellschaft mit einem stetig wach- senden Anteil an Menschen mit Behinderung überfordert die kommunal finanzierten Daseinsvorsorgeleistungen. Die bevorstehenden Herausforderungen haben sich zu einer gesamtgesellschaftlichen Aufgabe entwickelt. Be- hinderung ist ein Lebensrisiko, das jeden Menschen je- derzeit treffen kann. Wir müssen die Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung zu einer zeitgemäßen und zukunftsorientierten Hilfe weiterentwickeln, die den behinderten Menschen und seine Bedürfnisse in den Mittelpunkt stellt und ihn in die Gesellschaft gut inte- griert. Die Umsetzung der Eingliederungshilfereform sollte in einem eigenen Bundesleistungsgesetz erfolgen, um Menschen mit Behinderung aus dem „Fürsorgesystem“ herauszuführen. Ich begrüße die im Rahmen der inner- staatlichen Umsetzung der neuen Vorgaben des Fiskal- vertrages erzielte Einigung zwischen Bund und Ländern, die Vorschriften zur Eingliederungshilfe durch ein Bun- desleistungsgesetz abzulösen. Als gesamtgesellschaftli- che Aufgabe muss sich der Bund künftig an den Kosten für die Eingliederungshilfe angemessen beteiligen. Die dafür notwendigen finanziellen Spielräume müssen wir im Rahmen der Haushaltskonsolidierung erarbeiten. Carsten Schneider (Erfurt) (SPD): Erst vor zwei Monaten haben wir über den gleichen Entwurf dieses Gesetzes zur innerstaatlichen Umsetzung des Fiskalver- trags gesprochen. Das Gesetz hat kurz vor Weihnachten – weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit – keine Zustimmung im Bundesrat gefunden, und auch die SPD- Bundestagsfraktion hat das Gesetz damals abgelehnt. Mit dem Gesetz sollen in Deutschland die Vorausset- zungen für die nationale Anwendung des Fiskalvertrages geschaffen werden. Man muss daran erinnern, dass Fi- nanzminister Schäuble und auch die Bundeskanzlerin noch vor einem Jahr, nach der Aushandlung des Vertra- ges, erzählt haben, Deutschland sei quasi das Vorbild für diesen Vertrag und erfülle mit seiner Schuldenbremse bereits alle Vorgaben. Dass das nicht zutreffend ist, se- hen wir an diesem Umsetzungsgesetz. Es gibt aber auch noch ein anderes Problem. Der Ver- trag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion wurde als völkerrecht- licher Vertrag geschlossen. Wenn schon eine Einigung im Wege der Primärrechtsänderung nicht möglich gewe- sen ist, wäre doch wenigstens eine Regelung im Rahmen des europäischen Sekundärrechts deutlich besser gewe- sen. Einerseits ist der Vertrag in seiner jetzigen Kon- struktion weniger wirkungsvoll, da lediglich die Einfüh- rung von nationalen Schuldenregeln vorgeschrieben wird, die Einhaltung dieser selbstgewählten nationalen Regeln durch den Vertrag ist aber nicht sichergestellt. Auch das Zustandekommen des Vertrages aus natio- naler Perspektive ist ein Problem. Wie beim ESM hat auch bei dieser Vereinbarung die Bundesregierung es versäumt, die nationalen Gesetzgeber rechtzeitig und umfassend einzubeziehen. Schließlich konterkariert die Vorgabe des Vertrages unsere verfassungsrechtliche Schuldenregel. Während durch das Ergebnis der Födera- lismuskommission II eine Schuldenregel in Höhe von 0,35 Prozent/BIP für den Bund ab 2016 und eine Null- verschuldungsregel für die Länder ab 2020 eingeführt 27314 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 219. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 31. Januar 2013 (A) (C) (D)(B) wurde, entsteht nun durch den neuen Vertrag eine ge- samtstaatliche Begrenzung des strukturellen Defizits in Höhe von 0,5 Prozent des BIP bereits ab 2013. Wenn die Bundesregierung solche weitreichenden Vertragsver- handlungen auf zwischenstaatlicher Ebene führt, muss sie die nationalen Haushaltsgesetzgeber nicht nur infor- mieren, sondern in die Verhandlungen mit einbeziehen. Das hat die Bundesregierung unterlassen und damit in eklatanter Weise gegen das Grundgesetz verstoßen, wie ihr das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 19. Juni 2012 bescheinigt hat. Warum brauchen wir nun also ein Umsetzungsgesetz, bzw. welche Defizite weist die deutsche Schuldenregel gegenüber den Vorgaben des Fiskalvertrages auf? Die EU-Kommission hat für eine möglichst einheitliche Ein- führung der Schuldenregeln in den Teilnehmerstaaten des Fiskalvertrages am 20. Juni 2012 gemeinsame Grundsätze veröffentlicht. Dabei gilt ein wesentlicher Grundsatz der Rolle und Unabhängigkeit der für die Überwachung zuständigen Institutionen. Die Kommis- sion hält darin fest, dass für die Glaubwürdigkeit und Transparenz der Schuldenregeln – „Korrekturmechanis- men“, wie sie technisch genannt werden – wesentlich ist, dass die Überwachung durch unabhängige oder funktio- nal autonome Stellen erfolgt. Für diese Stellen müssen nationale Rechtsvorschriften erlassen werden, die ihnen ein hohes Maß an funktionaler Autonomie gewähren, einschließlich eines gesetzlich verankerten Status’, der die Freiheit von Einflussnahme sichert, die Benennungs- verfahren festlegt und angemessene Ressourcen und ei- nen zur Erfüllung ihres Auftrags angemessenen Zugang zu Informationen garantiert. Die Kommission verfolgt hiermit ein Modell, das in den vergangenen Jahren in vielen Ländern innerhalb und außerhalb Europas in der einen oder anderen Form um- gesetzt worden ist – oft als „Fiscal Council“ bezeichnet – und das in der ökonomischen Literatur und in internatio- nalen Organisationen wie der OECD viele Befürworter hat. Deutschland als entschiedener Befürworter der Ein- führung und Überwachung einer Fiskal- bzw. Schulden- regel sollte sich dieser Entwicklung nicht verschließen. Die Bundesregierung will mit ihrem Gesetzentwurf zur innerstaatlichen Umsetzung des Fiskalpaktes keine neue Institution schaffen, sondern die Rolle des Stabili- tätsrates stärken und ihm einen sogenannten Unabhängi- gen Beirat beistellen. Dieser Vorschlag genügt den An- forderungen nicht, und auch andere Länder sind in diesem Bereich viel weiter. Dies hat auch die Anhörung gezeigt, die der Haushaltausschuss anlässlich der Bera- tungen zum ersten Gesetzentwurf am 19. November letzten Jahres unter Beteiligung internationaler Experten durchgeführt hat. So haben Schweden und die Nieder- lande inzwischen renommierte Institutionen etabliert, die eine unabhängige Beratung und objektive Betrach- tung der Fiskalpolitik sicherstellen. Die USA haben das Congressional Budget Office sogar schon 1975 geschaf- fen. In Großbritannien hat die aktuelle Regierungskoali- tion aus Konservativen und Liberalen ein solches Fiscal Council eingerichtet, nur in Deutschland verweigert sich die Regierungskoalition diesen Fortschritten. Auch in einem aktuellen Bericht des Internationalen Währungsfonds vom November 2012 über die Ausge- staltungen nationaler Fiskalregeln wird deutlich, dass Deutschland nicht über unabhängige Einrichtungen zur Überwachung der Einhaltung der eigenen Schulden- bremse verfügt. Von „funktioneller Eigenständigkeit ge- genüber den Haushaltsbehörden des Mitgliedstaates“ kann beim Stabilitätsrat nicht ernsthaft die Rede sein. Denn dem Stabilitätsrat gehören die Länderfinanzminis- ter und der Bundesfinanzminister an. Eine Institution, die aus den für die Haushaltsbehörden verantwortlichen Ministern besteht, kann nicht glaubwürdig für sich eine funktionale Eigenständigkeit gegenüber eben diesen Haushaltsbehörden behaupten. Die von der Bundesregierung als Argument angeführ- ten gesetzlichen Regelungen über die Beschlussfassung können diesen Konstruktionsmangel ebenso wenig hei- len wie die Beigabe eines unabhängigen Beirats. Ein un- abhängiges Beratergremium macht aus einer abhängigen keine unabhängige Institution. Auch ist der Vorschlag der Koalitionsfraktion nicht in Einklang zu bringen mit dem bereits auf europäischer Ebene bestehenden Gesetzespaket „Sixpack“ und dem gerade in der Verhandlung steckendem „Twopack“. Beide setzen voraus – ich zitiere –, dass die europäi- schen Mitgliedstaaten über „einen unabhängigen Rat für Finanzpolitik“ verfügen, „dessen funktionelle Eigen- ständigkeit gegenüber den Haushaltsbehörden des Mit- gliedstaats gegeben und dessen Aufgabe es ist, die Um- setzung der nationalen Haushaltsregeln zu überwachen“. Es gibt keinerlei Regelung zu Amtszeit, Ernennung und Entlassung oder Amtsausstattung. In dem Beirat sind lediglich die drei Mitglieder, die von Bundesbank, Sachverständigenrat und Forschungsinstitutsverbund der Gemeinschaftsdiagnose benannt werden, als unabhängig zu bezeichnen; die anderen sechs Mitglieder werden von den Vertretern der staatlichen Ebenen und Sozialver- sicherungen benannt, deren Haushaltsgebaren kontrol- liert werden soll. Bei diesem Verhältnis von 3 : 6 von ei- nem unabhängigen Beirat zu sprechen, ist ein Witz. Eine solche Regelung würde Deutschland einem anderen Land in Europa nicht durchgehen lassen. Mit diesen wesentlichen Abweichungen von den ver- bindlichen Grundsätzen der EU-Kommission zur Ausge- staltung der nationalen Schuldenregeln tragen deshalb auch die Bundesregierung und die sie tragenden Koali- tionsfraktionen das Klagerisiko vor dem EuGH. Die SPD ist der festen Überzeugung, dass weder der Stabili- tätsrat noch ein sogenannter unabhängiger Beirat als Gremium dienen kann, um die Finanzpolitik der Regie- rung auszuwerten. Dazu braucht es eine andere Rege- lung, und deshalb schlagen wir die Einrichtung eines Nationalen Rates für Haushalts- und Finanzpolitik vor. Wir haben dafür einen ausführlichen Änderungsantrag in die Beratungen eingebracht. Gleichzeitig entstünde durch die Einrichtung dieses nationalen Rates mit einem entsprechenden Sekretariat, organisiert als Arbeitsstab beim Deutschen Bundestag, auch die notwendige Verbesserung der Ausstattung des Parlamentes um den gestiegenen Anforderungen, nicht Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 219. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 31. Januar 2013 27315 (A) (C) (D)(B) zuletzt durch die seit 2008 anhaltende Finanzkrise, sowie den neuen gesetzlichen Beteiligungsrechten und -pflichten, die teilweise nach höchstrichterlicher Recht- sprechung verankert wurden, gerecht werden zu können. Die öffentliche Anhörung des Haushaltsausschusses hat zu dieser Frage den Nachholbedarf des Bundestages gegenüber den Parlamenten anderer westlicher Demo- kratien deutlich belegt. Wir begrüßen dagegen, dass die Koalitionsfraktionen mit einer Ergänzung in dem heute vorliegenden Gesetz- entwurf inzwischen den durch einen willkürlich gewähl- ten Ausgangspunkt für den Abbaupfad des strukturellen Defizits im Bundeshaushalt entstandenen Positivsaldo auf dem Kontrollkonto der Schuldenbremse löschen wol- len. Schließlich würde durch eine mögliche Inanspruch- nahme dieses Saldos in Form von zusätzlichen Verschul- dungsmöglichkeiten, die sich nach Berechnungen der Bundesbank bis zum Jahr 2015 auf 50 Milliarden Euro summieren werden, die Glaubwürdigkeit der noch jungen verfassungsrechtlichen Schuldenregel gefährdet. Mit die- ser Änderung der Koalitionsfraktionen wird nun endlich auf die anhaltende Kritik der SPD-Bundestagsfraktion seit mehr als zwei Jahren, die aber auch von Sachverstän- digenrat, der Bundesbank, und dem Bundesrechnungshof unterstützt wurde, eingegangen. Gleichwohl wird durch diese Änderung nicht die Ur- sache, nämlich der willkürlich gewählte Abbaupfad, kor- rigiert. Damit hält sich die Koalition eine Hintertür für die unterjährige Nutzung dieser Verschuldungsspiel- räume im Haushaltsvollzug oder auch bei Nachtrags- haushalten offen, wie auch die Bundesbank in ihrer Stel- lungnahme zur schon genannten Anhörung kritisiert. Politisches Wunschdenken darf keinen Einfluss mehr auf unsere Finanz- und Haushaltsplanung haben. In Richtung der Regierungskoalition sage ich dazu: Das muss man aber auch wollen. Leider bekomme ich immer mehr den Eindruck, dass Sie sich nicht trauen, ihre Poli- tik unabhängiger und ehrlicher Analysen auszusetzen. Weil Sie sich unserem Vorschlag für eine Verbesse- rung der Arbeitsfähigkeit des Bundestages gerade im Haushaltsausschuss offenbar aus Angst vor der Unbill der Exekutive verweigern – obwohl Sie dem Anliegen nach eigenem Bekunden bei den Beratungen grundsätz- lich zustimmen –, lehnen wir diesen Gesetzentwurf ab. Dr. Florian Toncar (FDP): Wenn wir heute das Ge- setz zur innerstaatlichen Umsetzung des Fiskalvertrags verabschieden, lohnt sich ein Rückblick auf das Jahr 2009, in dem eine der wichtigsten Reformen in Deutsch- land, das Einfügen der Schuldenbremse in das Grundge- setz, im Deutschen Bundestag beschlossen wurde. Das war mitten in der Finanzkrise mutig. Ich glaube, das ist nicht nur Anlass, stolz auf unser Land zu sein, sondern durchaus auch Anlass, stolz auf das politische System in Deutschland zu sein, das früher als viele andere erkannt hat, dass zu viele Schulden eine Gefahr für Staaten und für Gesellschaften darstellen können. Wir können stolz darauf sein, dass Deutschland sich früher als andere Län- der dafür entschieden hat, etwas dagegen zu tun. Die christlich-liberale Koalition hat seit dem Jahr 2010 gewaltige Anstrengungen unternommen, um den Haushalt zu konsolidieren. In der Krise stand eher das Geldausgeben im Vordergrund. Damals sind immerhin 80 Milliarden Euro für Konjunkturprogramme ausgege- ben worden. Es hat sich gezeigt, dass viele dieser Ausga- ben durchaus richtig waren; dennoch mussten die da- durch entstandenen Schulden in den Folgejahren wieder ausgeglichen werden, um die Haushalte zu konsolidie- ren. Eine der politischen Leistungen der christlich-libe- ralen Koalition ist es, intelligent gespart zu haben; denn Einsparen ist immer schwerer als Ausgeben. Einsparen und gleichzeitig in die Zukunft zu investie- ren, ist dabei die eigentliche politische Leistung. Die ha- ben wir als Koalition erbracht. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Bereits im abgelaufenen Jahr 2012 wurde die Zielmarke der Schuldenbremse in Deutschland ein- gehalten: 0,32 Prozent Neuverschuldung beim Bund. Dieses Ziel haben wir vier Jahre früher erreicht, als das Grundgesetz es von uns verlangt. Darauf sind wir stolz. Ich glaube, vor drei, vier Jahren hätte es niemand für möglich gehalten, dass wir das bereits im Jahr 2012 er- reichen würden. Das ist eine gute Nachricht, insbeson- dere für die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland. Das haben wir geschafft, obwohl wir neue Schwer- punkte gesetzt und investiert haben – im Bereich Bil- dung und Forschung beispielsweise haben wir 12 Mil- liarden Euro mehr ausgegeben –, obwohl wir die Kommunen um annähernd 20 Milliarden Euro entlastet haben und obwohl wir mit dem ESM infolge der Staats- schuldenkrise eine Verpflichtung übernommen haben, die uns bisher 17 Milliarden Euro gekostet hat. Trotz all dieser Sonderbelastungen haben wir es geschafft, den Haushalt weitgehend zu konsolidieren. Jedenfalls sind wir auf einem sehr guten Weg. Das Volumen, um das wir die Neuverschuldung schneller gesenkt haben, als es das Grundgesetz von uns verlangt, wurde auf einem sogenannten Kontrollkonto gebucht: Wenn der Bund in einem Jahr weniger Schul- den macht als erlaubt, darf er in den folgenden Jahren et- was mehr Schulden machen. Ein Vorwurf der Opposi- tion lautete immer, die Koalition würde sich so eine „Kriegskasse“ für das Wahljahr 2013 anlegen, um dann noch einmal richtig Geld auszugeben, um Wahlpro- gramme finanzieren zu können. Angekommen im Jahr 2013, muss die Opposition nun einräumen, dass die Aus- gaben konstant geblieben sind und die Schulden weiter abgebaut werden. Wenn dieser Gesetzentwurf heute nun beschlossen wird, dann wird das Kontrollkonto, das die Opposition für eine Wahlkampfkasse gehalten hat, voll- ständig gelöscht. Unsere Sparerfolge dürfen also in den kommenden Jahren nicht durch neue Ausgaben zu- nichtegemacht werden. Das ist eine sinnvolle Regelung und zeigt auch, dass Verschwörungstheorien oft einfach nur Verschwörungstheorien sind. Mit dem Fiskalpakt hat die christlich-liberale Bundes- regierung es geschafft, diese Politik der Konsolidierung und der finanziellen Stabilität auf Europa zu übertragen. Lange galt eine Neuverschuldungsgrenze von 3 Prozent in Europa, die mit dem Maastricht-Vertrag festgelegt wurde. Es war eine rot-grüne Bundesregierung, die diese 27316 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 219. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 31. Januar 2013 (A) (C) (D)(B) europaweite Verschuldungsgrenze maßgeblich mit ein- gerissen hat, indem sie sich selber nicht daran gehalten hat. Das musste repariert werden. Die christlich-liberale Koalition ist das angegangen. Das Wort „Fiskalpakt“ ist letzten Endes nur ein Begriff dafür, dass es uns, dieser Regierung, zusammen mit unseren europäischen Part- nern gelungen ist, die Fehlentscheidungen von damals zu korrigieren und in Europa wieder strenge Regeln ge- gen Verschuldung einzuführen, damit Staaten nicht wie- der in die Situation kommen, in der sich einige Länder Europas zurzeit befinden. Dieser Fiskalpakt ist ein gro- ßer europapolitischer Erfolg der Bundesregierung. Er enthält strenge Regeln, klare Sanktionen und auch ein Bekenntnis zum Abbau der bestehenden Staatsverschul- dung. Das wird jetzt mit diesem Gesetz ins deutsche Recht umgesetzt, sofern das erforderlich ist. Im Haushalts- grundsätzegesetz wird noch einmal klargestellt, dass ne- ben der Schuldenobergrenze von 0,35 Prozent die etwas anders berechnete Grenze nach dem Fiskalpakt gilt, nämlich 0,5 Prozent. Der sogenannte Stabilitätsrat über- wacht die Einhaltung des Fiskalpakts, damit das transpa- rent und unabhängig geschieht. Ein besonders wichtiger Punkt sind die Strafzahlun- gen der Länder. Der Bund hat sich im Rahmen eines Kompromisses – um einen für Deutschland und Europa elementar wichtigen Beitrag zur Krisenbewältigung, nämlich den Fiskalpakt, zu retten – auch den Ländern gegenüber verpflichtet, deren Strafzahlungen mit zu übernehmen, wenn sie dazu beitragen, dass Deutschland gegen den Fiskalpakt verstößt. Das war meines Erach- tens eine sehr großzügige Geste des Bundes, mit der er noch einmal gezeigt hat, dass ihm außenpolitische und europapolitische Interessen sowie finanzielle Stabilität wichtiger sind als das Klein-Klein um Zuständigkeiten in unserem Föderalismus und die parteitaktischen Schar- mützel von Rot-Grün. Dafür muss man denen, die das verhandelt haben, ein großes Kompliment machen. Wenn der Fiskalpakt daran gescheitert wäre, wäre das für Deutschland und Europa unverantwortlich gewesen. Ich fasse zusammen: Europa denkt um – solide Finan- zen statt Strohfeuer, ausgeglichene Haushalte als binden- des Ziel für alle. Das ist ein Beitrag zur Lösung dieser Krise und auch ein Beitrag für eine stabile Währungs- union in der Zukunft. Mit der heutigen Verabschiedung des Gesetzes sorgt Deutschland für noch mehr finan- zielle Solidität. Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE): Die Koalitions- fraktionen CDU/CSU und FDP haben erneut einen Gesetzentwurf zur innerstaatlichen Umsetzung des Fiskalvertrags vorgelegt. Dieser entspricht im Kern dem Gesetzentwurf der Bundesregierung Drucksache 17/10976. Die Linke, die SPD und der Bundesrat haben im De- zember 2012 ihre Zustimmung verweigert. Wir sind der Auffassung, dass der Fiskalvertrag nicht zur Stabilisie- rung des Euro führt. Der Vertrag soll vielmehr genutzt werden, um die Kosten der Finanzkrise auf die Bürgerin- nen und Bürger abzuwälzen. Das lehnen wir ab. Im März 2012 haben 25 EU-Regierungen den Fiskal- vertrag unterzeichnet. In diesem Vertrag ist eine Ober- grenze für das jährliche strukturelle Defizit von höchs- tens 0,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts festgelegt. Das ist auch der wichtigste Punkt des neuen Entwurfes zur Umsetzung des Fiskalvertrages. Diese Regelung lehnen wir ab. Sie ist ökonomischer Unsinn. Sie schränkt die Handlungsfähigkeit der EU-Staaten dramatisch ein. Griechenland ist ein trauriges Beispiel dafür, dass Kürzungspolitik nicht der Ausweg aus der Krise ist. Ferner ist vorgesehen, dass der Stabilitätsrat damit beauftragt wird, die Einhaltung dieser Defizitgrenze zu überwachen. Zur Unterstützung des Stabilitätsrates soll ein unabhängiger Beirat eingerichtet werden. Meine Erfahrung mit unabhängigen Beiräten ist, dass sie in der Regel nicht unabhängig sind. Zudem soll mit der Änderung des Sanktionszah- lungs-Aufteilungsgesetzes die innerstaatliche Aufteilung der Sanktionen zur „Sicherung der Haushaltsdisziplin“ geregelt werden. Jeder, der es wissen will, weiß, dass das Problem nicht die fehlende Haushaltsdisziplin der Regierungen ist. Der Fiskalvertrag soll die EU angeblich in eine Stabi- litätsunion umwandeln und auf diese Weise dazu beitra- gen, die Euro-Krise zu überwinden. Dies wird jedoch nicht gelingen: Die Euro-Krise wurde nicht dadurch aus- gelöst, dass die Staaten über ihre Verhältnisse gelebt bzw. eine zu laxe Ausgabenpolitik betrieben hätten. Die hohe Verschuldung einiger Mitgliedstaaten ist vielmehr auf die Finanzkrise zurückzuführen, in der die Staaten Banken, die sich verspekuliert hatten, mit Milliarden- summen gerettet haben. Zur Abwehr der darauffolgen- den Wirtschaftskrise mussten weitere Milliarden aufge- bracht werden. Allein in Deutschland wurden über 335 Milliarden Euro aufgewandt, um die Krisenauswir- kungen zu bekämpfen. Anstatt nun endlich die Finanzmärkte wirksam zu regulieren, werden mit dem Fiskalvertrag die Vertrags- staaten „diszipliniert“, das heißt zu einer strikten Kürzungspolitik gezwungen. Dies löst die Euro-Krise nicht, sondern verschärft sie. Der Finanzsektor hat bis heute noch keinen substanziellen Beitrag dazu geleistet, seinen Anteil an der Verschuldung zu finanzieren. Selbst die geplante Finanztransaktionsteuer wird in keiner Weise die Schäden, die die Banken verursacht haben, decken können. Wir brauchen eine Zwangsanleihe auf große Vermögen, wie es das Deutsche Institut für Wirt- schaftsforschung vorgeschlagen hat. Die Einnahmen aus dieser Anleihe würden den Fiskalvertrag sofort überflüs- sig machen. Priska Hinz (Herborn) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Ein weiteres Mal diskutieren wir heute über ein Gesetz zur Umsetzung des Fiskalvertrags. Dabei könnte längst alles klar sein: Der Bundestag hatte ein entspre- chendes Gesetz ja bereits Ende 2012 beschlossen. Die Länder haben das Gesetz im Bundesrat allerdings blo- ckiert. Das war leider folgerichtig, weil die Bundesregie- rung ihre eigenen Zusagen nicht eingehalten hat. Bis Jahresende wurde keine Neuregelung der sogenannten Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 219. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 31. Januar 2013 27317 (A) (C) (D)(B) Entflechtungsmittel auf den Weg gebracht, wie es die Bundesregierung den Ländern versprochen hatte. Die Bundesregierung hat hoch gepokert und verloren, weil sich die Länder das zu Recht nicht haben bieten lassen. Gesetzesverabschiedung im Schnelldurchlauf: Es ist schon verwunderlich, wie eilig es die Bundesregierung letztes Jahr hatte, das vorliegende Gesetz zu verabschie- den. Für die abschließende Beratung gab es nicht einmal eine eigene Debatte, das Gesetz wurde hier im Bundes- tag zusammen mit dem Haushalt für 2013 behandelt. Es konnte gar nicht schnell genug gehen, weil die Fiskal- vertragsumsetzung noch im selben Jahr festgezurrt wer- den sollte, im Bundestag wie im Bundesrat. Budget Of- fice wurde wegen Zeitdruck nicht diskutiert. Etwas mehr Zeit hätte den Beratungen allerdings gut- getan. Im Raum stand beispielsweise der Vorschlag, das unabhängige Kontrollgremium, das laut Fiskalvertrag die Einhaltung der Fiskalregeln überwachen soll, zur Einführung einer Institution wie dem Budget Office in den USA zu nutzen. So eine Institution wäre nicht nur unabhängiger als ein Beirat für den bestehenden Stabili- tätsrat; sie könnte durch wissenschaftliche Expertise und unabhängige Beratung auch die Rolle des Parlaments stärken. Für diese Idee sollte es auch in den Reihen der Koalition Sympathien geben. Umso ärgerlicher, dass wir durch das damalige hastige Verfahren nicht wirklich da- rüber beraten konnten. Ich würde mir im Interesse des gesamten Hauses wünschen, dass wir an diesem Punkt vielleicht doch noch zusammenfinden. Forderungen der Länder ernst nehmen: Das Fiskal- vertragsumsetzungsgesetz werden wir heute ein zweites Mal beschließen, und ich hoffe, dass die Koalition aus der letzten Panne gelernt hat. Noch ist das Gesetz für die Entflechtungsmittel nicht in den Bundestag eingebracht worden. Wünschenswert wäre jetzt ein paralleles Verfah- ren gewesen, um weitere Konflikte zwischen Bundesre- gierung und Ländern zu vermeiden. Wir werden sehen, ob diese Beschlussfassung von Erfolg gekrönt ist oder ob eine dritte Runde notwendig wird. Ich hoffe, diese Peinlichkeit bleibt uns erspart. Anlage 12 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonven- tion im Wahlrecht (Tagesordnungspunkt 25) Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE): Der vorliegende Ge- setzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ist eine gute Grundlage für erfolgversprechende Beratungen in den Ausschüssen und ein Ergebnis, das pauschalen Wahlrechtsausschluss beendet. Momentan haben wir ei- nen Diskriminierungstatbestand, der eines der grundle- gendsten Bürgerrechte – das Wahlrecht – betrifft. Ich meine: Er muss noch vor der diesjährigen Bundestags- wahl beseitigt werden. Die Behindertenbewegung fordert das seit Monaten. Initiiert von der Monitoringstelle des Deutschen Institu- tes für Menschenrechte sprachen sich 22 Verbände über den Deutschen Behindertenrat für die sofortige Strei- chung von Abs. 2 und 3 in § 13 Wahlgesetz aus. Die Koalition aus CDU, CSU und FDP hat eine große Chance vertan, bei der Änderung des Bundeswahlgeset- zes diese Verbändeposition aufzugreifen. Damit vergab sie auch eine Chance, die Interessenvertretungen von Menschen mit Behinderungen als Partner und politische Mitgestalter auf Augenhöhe öffentlich zu würdigen. Das widerspricht ihrer Selbstverpflichtung aus der Ratifizie- rung der UN-Konvention, Art. 4, Abs. a: „Die Vertrags- staaten verpflichten sich … alle geeigneten Gesetzge- bungs-, Verwaltungs- und sonstigen Maßnahmen zur Umsetzung der in diesem Übereinkommen anerkannten Rechte zu treffen.“ Zu diesen anerkannten Rechten ge- hört nach Art. 29 ausdrücklich die Teilhabe am politi- schen und öffentlichen Leben. Bis heute fehlen verlässliche Zahlen, wie viele Men- schen nicht wählen dürfen, weil eine Betreuung „in allen Angelegenheiten“ bestellt wurde. Von 1,2 Millionen Menschen in Betreuung sollen es, geschätzt, zwischen 15 000 und 20 000 sein. Doch geht es weniger um die Zahl der Betroffenen. Schon ein Einziger genügte, um das Grundsatzproblem aufzuwerfen: Dürfen Gesetze oder Richter, Menschen mit Behinderungen zu Nicht- staatsbürgern erklären – ihnen das Wahlrecht entziehen –, obgleich im Betreuungsrecht ihre Staatsbürgerlichkeit ausdrücklich vorausgesetzt ist? Bleibt das Wahlrecht all- gemein, wenn es pauschal eingeschränkt werden darf, ohne dass eine individuelle Straftat vorliegt, die zum Entzug aller staatsbürgerlichen Rechte führt? Wir haben die absurde Situation, dass Straftäter ohne Behinderung in Deutschland wählen dürfen, soweit ihnen das Wahl- recht nicht per Richterspruch aberkannt wurde, während Straftätern mit Behinderung, untergebracht in der foren- sischen Psychiatrie, das Wahlrecht entzogen ist. Das ist ein Diskriminierungstatbestand, der sofort aufzuheben ist. Ich erinnere noch einmal an die Forderung der Frak- tion Die Linke, endlich die Antidiskriminierungsricht- linie der Europäischen Union zu ratifizieren. Fast ein Viertel der Anfragen in der Antidiskriminierungsstelle des Bundes kommen von Menschen, die sich wegen ei- ner Behinderung benachteiligt fühlen. Jeder fünfte Deut- sche verbindet nach einer Forsa-Umfrage mit dem Wort „Behinderung“ auch die Tatbestände „Benachteiligung“ und „Diskriminierung“. Das muss alarmieren. Gestern gedachten wir der Opfer der „Euthanasie“- Morde. Die Vorstufe zu diesen menschenverachtenden Morden war die gewohnheitsmäßige und gesetzliche Diskriminierung. Wer „Euthanasie“ unumkehrbar un- möglich machen will, muss sorgsam jede noch so kleine Diskriminierung infolge einer Behinderung ahnden und gesellschaftlich ächten. Deshalb plädiere ich auch ener- gisch für eine Aufhebung des Wahlrechtsausschlusses innerhalb des Wahlrechtes und nicht im Betreuungs- recht, wie es von einigen Kollegen ins Gespräch ge- bracht wurde. Das deutsche Betreuungsrecht berührt zu Recht das Wahlrecht bisher nicht. Das Wahlrecht als Staatsbürgerrecht schlechthin gehört nicht in einen 27318 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 219. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 31. Januar 2013 (A) (C) (D)(B) Rechtskreis, der ausdrücklich vom Defizit eines Men- schen ausgeht. Das Hohe Haus wird sich sehr bald mit dem Betreuungsrecht im Lichte der UN-Konvention be- fassen müssen. Dann geht es aber um die volle Hand- lungs- und Geschäftsfähigkeit jedes Menschen. Davon ist unser dem Vormundschaftsgedanken nach wie vor verpflichtetes Betreuungsrecht noch weit entfernt. Es entspricht nicht dem Behinderungsbegriff der UN-Be- hindertenrechtskonvention. Dieser Konvention entspräche ein umfassendes As- sistenzrecht, das den Anspruch jedes Menschen mit Be- hinderung auf bedarfsgerechte Assistenz einkommens- und vermögensunabhängig regelt und zugleich den Be- ruf des Assistenten gesetzlich bestimmt. Das Vorsorge- recht geht da in die richtige Richtung. Auch die Bundes- wahlordnung schreibt den Anspruch der Unterstützung bei der Wahl schon heute fest. Wir sind auch deshalb gegen eine Regelung des Wahlrechtsausschlusses innerhalb des Betreuungsrech- tes, weil dieses im Sinne des BGB auf die „natürliche Einsichtsfähigkeit“ abstellt. Praktisch wird jedoch schon jetzt nicht von dieser natürlichen Einsichtsfähigkeit aus- gegangen. Menschen mit Vorsorgevollmacht dürfen sich bei der Wahl vertreten lassen, selbst wenn sie dement sind. Aber Demente ohne Vorsorgevollmacht dürfen nicht wählen. Jede Wählerin und jeder Wähler müsste eigentlich überprüft werden, ob er natürlich einsichts- fähig ist oder nicht. Es geht beim Wahlrecht eben nicht um ein natürlich-physiologisches Vermögen. Es geht um politische Meinung, selbst als Ahnung oder als Gefühl oder aus früherer Gewohnheit. Diese kann jeder Mensch entwickeln, auch wenn er viele Lebensangelegenheiten nicht selbst regeln kann. Energisch spricht sich die Linke gegen den Vorschlag aus Koalitionskreisen aus, dass ein Richter, eine Richte- rin über die Aberkennung des Wahlrechts entscheiden soll. Herr Minister Friedrich stellt dabei auf die „richter- liche Überzeugungsbildung“ ab. Ob ein Mensch jedoch seine staatsbürgerlichen Rechte wahrnehmen kann, ist eine praktische Frage. Erst wenn der Wahlakt ausgeübt wurde, wird sich erwiesen haben, welche Politik ein Wähler, eine Wählerin für sich einsichtig fand. Wer den Wahlakt nicht mehr bewältigt, wählt eben nicht. Wer den Wahlakt nicht versteht, gibt eben eine ungültige Stimme ab. Nichtwahl und ungültige Wahl lässt das Wahlrecht ausdrücklich zu, egal ob ich mit oder ohne Behinderung nicht oder ungültig wähle. Es geht um die Allgemeinheit der Wahl. Der Staats- bürger will das Recht nicht als Privileg, meinte einst He- gel. Nach unserem Verständnis des Staatsbürgerrechts könnte der § 13 des Bundeswahlgesetzes sogar komplett entfallen. Wird nicht von der Einsichtsfähigkeit ausge- gangen, wäre es juristisch sogar konsequent, das Wahl- recht an keine Altersgrenze zu koppeln, also jegliche Al- tersbegrenzung aufzuheben. Doch diese Debatte würde die dringliche – jetzt mög- liche – Gesetzesänderung nur verzögern. Deshalb werde ich meiner Fraktion empfehlen, dem Gesetzentwurf zu- zustimmen. Auch im Interesse einer breiten öffentlichen Debatte über notwendige Anforderungen für die politi- sche Teilhabe von Menschen mit Behinderung im Bun- destagswahljahr. Menschen mit Behinderungen brau- chen barrierefreie Wahllokale, Wahlunterlagen in leichter Sprache, Wahlschablonen und andere Leitsys- teme – und eine Wahlwerbung, die für jeden Menschen mit Beeinträchtigung zugänglich und verständlich ist. Anlage 13 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (Tagesordnungspunkt 31) Heike Brehmer (CDU/CSU): Zwei Jahre Bildungs- und Teilhabepaket bedeuten zwei Jahre „Mitmachen möglich machen“. Das Bildungs- und Teilhabepaket bie- tet Kindern und Jugendlichen aus Geringverdienerfami- lien seit zwei Jahren eine Chance, an Bildungsangeboten und Aktivitäten mit Gleichaltrigen teilzunehmen. Dazu gehören Angebote aus den Bereichen Sport, Musik und Kultur ebenso wie das warme Mittagessen in der Schule, der Kita oder im Hort. Mit dem Bildungs- und Teilhabepaket haben wir erst- mals seit der Einführung der Hartz-IV-Gesetze im Jahr 2005 bedürftigen Kindern und Jugendlichen eine Chance gegeben, an Bildungs- und Freizeitangeboten teilzuneh- men. Verehrte Kolleginnen und Kollegen von der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, dies haben Sie versäumt, als Sie seinerzeit in der Regierungsverantwor- tung waren und die Hartz-IV-Gesetze auf den Weg ge- bracht haben. Der CDU/CSU liegt das Thema Bildung besonders am Herzen; denn Bildung ist der Schlüssel zum Eintritt ins spätere Erwerbsleben, zu beruflichem Erfolg und Wohlstand. Vor rund einem Jahr, im März 2012, habe ich in diesem Hohen Hause ebenfalls zum Thema Bildungs- und Teilhabepaket gesprochen. Damals habe ich aus den Erfahrungen in meinem Wahlkreis Harz berichtet. In meinem Wahlkreis wird das Bildungs- und Teilhabepaket sehr gut von den betroffenen Familien angenommen. Inzwischen ist ein weiteres Jahr in der Umsetzung des Teilhabepakets vergangen. Die Praxis der vergangenen zwei Jahre hat gezeigt: Das Bildungspaket wird gut an- genommen, die derzeitigen Regelungen führten aber an einigen Stellen zu einem erhöhten Verwaltungsaufwand. Das liegt zum Teil daran, dass wir es beim Bildungs- und Teilhabepaket mit Sachleistungen zu tun haben. Sach- leistungen erfordern oftmals einen höheren Verwaltungs- aufwand als Geldleistungen. Als wir 2011 das Bildungs- und Teilhabepaket einge- führt haben, haben wir uns ganz bewusst für das Sach- leistungsprinzip entschieden. Die Leistungen sollen dort ankommen, wo sie hingehören: zu den Kindern und Ju- gendlichen aus den bedürftigen Familien. Nach zwei Jahren Praxiserfahrung wollen wir für die betroffenen Familien auf der einen Seite und für Träger und Leistungserbringer auf der anderen Seite die Umset- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 219. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 31. Januar 2013 27319 (A) (C) (D)(B) zung des Teilhabepakets erleichtern. Wir wollen Büro- kratie abbauen und die Inanspruchnahme erleichtern. Darauf haben sich die Vertreter von Bund, Ländern und kommunalen Spitzenverbänden im Vorfeld des vier- ten Runden Tisches zum Bildungs- und Teilhabepaket im Herbst 2012 verständigt. Im Anschluss daran hat die Bund-Länder-AG „Bildung und Teilhabe“ einen Vor- schlag erarbeitet, den die Arbeits- und Sozialminister auf ihrer gemeinsamen Konferenz im November 2012 auf- gegriffen haben. Die Länder haben sich einstimmig auf die folgenden Punkte zur Verwaltungsvereinfachung geeinigt: Veraus- lagte Geldmittel sollen im Nachhinein erstattet werden können, wenn Leistungen nicht rechtzeitig erbracht wer- den konnten, wie zum Beispiel vor einem Klassenaus- flug. Bei der Teilhabe soll es die Möglichkeit geben, Mittel für Teilhabeangebote im Bewilligungszeitraum anzusparen, auch rückwirkend. Bei der Schülerbeförde- rung soll der Eigenanteil künftig in der Regel bei 5 Euro angesetzt werden. Die Möglichkeit einer Geldleistung für anstehende Klassenfahrten bedeutet keine grundle- gende Abkehr vom Sachleistungsprinzip. Unter be- stimmten Voraussetzungen soll es möglich sein, die Teil- habeleistung von 10 Euro pro Monat nicht nur für die Bereiche Sport, Musik, Kultur usw., sondern in Ausnah- mefällen auch für Ausrüstungsgegenstände in diesen Be- reichen verwenden zu können. Es soll in Zukunft mög- lich sein, dass die Träger mit den Leistungserbringern auch im SGB XII pauschal abrechnen können. Nach den anfänglichen Anlaufschwierigkeiten des Bildungs- und Teilhabepakets hat unsere Ministerin Frau Dr. von der Leyen reagiert und die Runden Tische ins Leben gerufen, welche seitdem regelmäßig stattfinden. Sie bieten den politischen und gesellschaftlichen Akteu- ren die Möglichkeit, ihre Erfahrungen rund ums Bil- dungspaket auszutauschen. Dieser Austausch ist wichtig; denn die kommunalen Träger vor Ort sind es, die das Bildungs- und Teilhabe- paket vor Ort umsetzen. Jobcenter und Arbeitsagenturen leisten ebenso wie Landkreise und kreisfreie Städte eine hervorragende Arbeit, so auch in meinem Wahlkreis Harz. Hier ist das örtliche Jobcenter – die Kommunale Beschäftigungsagentur KoBa – zuständig. Die Mitarbei- terinnen und Mitarbeiter der KoBa zeigen sich bei der Umsetzung des Bildungs- und Teilhabepakets sehr enga- giert und leisten eine hervorragende Arbeit. Das Jobcenter leistet einen großen Beitrag im Bereich Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation im Landkreis Harz und ist ein zuverlässiger Ansprechpartner für die Betroffenen. Auch die Vereine aus den Bereichen Sport, Kultur und weiteren Freizeitangeboten profitieren vom Bildungs- und Teilhabepaket. In dieser Woche verlieh der Deutsche Olympische Sportbund gemeinsam mit dem Bundespräsidenten die Auszeichnung „Sterne des Sports“ an engagierte Sport- vereine in ganz Deutschland. Der Präsident des Kreissportbundes Harz, Herr Rühe, berichtete mir, dass das Bildungs- und Teilhabepaket nach wie vor sehr gut angenommen wird. Viele Sport- vereine im Harz profitieren von den Möglichkeiten der Vereinsmitgliedschaft für Kinder aus sozial schwächeren Familien. Das bereichert die Gemeinschaft unter den Kindern, aber auch die Vereinslandschaft. Wir in der christlich-liberalen Koalition wollen allen Kindern und Jugendlichen aus bedürftigen Familien auch in Zukunft eine Chance auf Bildung und Teilhabe ermöglichen. Aus diesem Grund begrüßen wir die Vor- schläge von Bund, Ländern und kommunalen Spitzen- verbänden, den Verwaltungsaufwand beim Bildungspa- ket zu vereinfachen. Wir wollen die Inanspruchnahme des Bildungspakets für Eltern und Kinder erleichtern. Wir wollen die kom- munalen Träger und Leistungserbringer von unnötigem bürokratischem Aufwand entlasten. Verehrte Kolleginnen und Kollegen von der Opposi- tion, ich appelliere an Sie, dem Gesetzentwurf zuzustim- men, welchen die Bund-Länder-AG im konstruktiven Miteinander vorbereitet haben. Paul Lehrieder (CDU/CSU): Ich denke, wir sind uns alle einig, dass Kinder unsere Zukunft sind, der Grund- pfeiler unserer Gesellschaft. Sie kennzeichnen den Weg, den unsere Gesellschaft künftig gehen wird. Wohin die- ser Weg führt, hängt entscheidend davon ab, welche Chancen wir jungen Menschen eröffnen und welche Möglichkeiten wir ihnen bieten. Was gibt es Schlimme- res für Kinder, als nicht mit ihren Klassenkameraden am Schulausflug teilnehmen zu können, weil den Eltern hierzu schlichtweg die finanziellen Mittel fehlen? Die unionsgeführte Bundesregierung hat dafür ge- sorgt, dass Kinder die schmerzliche Erfahrung, nicht da- bei sein zu können, künftig nicht mehr machen müssen. Das Bildungs- und Teilhabepaket wurde durch das Ge- setz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Ände- rung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetz- buch eingeführt. Die Änderungen sind am 1. April 2011 rückwirkend zum 1. Januar 2011 in Kraft getreten. Neben der infolge des Bundesverfassungsgerichtsur- teils vom 9. Februar 2010 notwendig gewordenen Neu- bemessung der Regelleistungen für Kinder und Jugendli- che verfolgt das Gesetz das Ziel, ein gleichberechtigtes Maß an Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft und den gleichberechtigten Zugang zu Bildung im schulischen und außerschulischen Bereich für Kinder aus besonders förderungsbedürftigen Haushalten sicherzustellen. Das Bildungspaket gibt 2,5 Millionen bedürftigen Kindern aus Geringverdienerfamilien bessere Zukunftschancen. Das Bildungspaket leistet einen wichtigen Beitrag, damit Kinder aus ärmeren Familien am gesellschaftlichen Le- ben teilhaben können und bessere Bildungschancen ha- ben. Eltern, die auf Hartz IV oder Wohngeld angewiesen sind, können für ihre Kinder ein staatlich subventionier- tes Mittagessen in der Schule, einen monatlichen Zu- schuss für den Sportverein oder Nachhilfe beantragen. Ganze 1,6 Milliarden Euro wurden hierfür vom Bund bereitgestellt. Neben dem Mittagessen, dem Zuschuss zum Sportverein sowie der Lernförderung gehören auch 27320 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 219. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 31. Januar 2013 (A) (C) (D)(B) die Teilnahme an Ausflügen, Schulbedarf sowie Schü- lerbeförderung zum breiten Leistungsspektrum des Bil- dungspakets. Nach anfänglichen Anlaufschwierigkeiten ist das Bildungs- und Teilhabepaket – entgegen der weit- läufigen Meinung – nunmehr auch sehr gut angenom- men worden. Zwar ist die Antragsquote von 62 Prozent aus dem März des vergangenen Jahres noch nicht ausrei- chend und durchaus noch ausbaufähig – jedoch schon ein beachtlicher Schritt. Die aktuellen Zahlen müssen jetzt abgewartet und entsprechend bewertet werden. In meinem Wahlkreis Würzburg beispielsweise sind die Ausgaben im SGB-II-Bereich 2012 gegenüber dem Vorjahr um etwa 50 Prozent gestiegen. Insbesondere bei den Leistungen für eine notwendige Lernförderung und der Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft waren sogar Steigerungen von über 100 Prozent zu verzeichnen. Man kann also mit Recht behaupten, dass sich das Bildungs- und Teilhabepaket in Würzburg etabliert hat, was aber auch an der guten In- formationsweitergabe der Schulen und Kindertagesein- richtungen hin zu den Eltern liegt. Wir machen auch keinen Hehl daraus, dass die Ver- gabe der Mittel aus dem Bildungspaket noch nicht rei- bungslos verläuft. So wird beispielsweise der enorme Verwaltungsaufwand vielfach als eine der Haupthürden für die Inanspruchnahme angeführt. Daher begrüßen wir die vom Bundesrat durch den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze eingebrachten Änderungen. Diese sind auch das Ergebnis der sogenannten Runden Tische mit den Ländern und kommunalen Spitzenverbänden, die in regelmäßigen Abständen tagen, das Programm bewerten und begleiten und damit schnell auf Beschwerden und Schwierigkeiten eingehen können. In Anbetracht der Erfahrungen bei der Anwendung des Bildungs- und Teilhabepaketes sollen einige Maß- nahmen auf den Weg gebracht werden, die zu Vereinfa- chungen auf Verwaltungsebene führen, um die Inan- spruchnahme des Paketes zu erleichtern. Einigkeit konnte demnach auf folgende Verwaltungsvereinfachun- gen erzielt werden: So wird beispielsweise der Eigenanteil im Rahmen der Schülerbeförderung künftig in der Regel auf 5 Euro festgesetzt; eine abweichende Festsetzung bleibt jedoch möglich. Zudem wird unter bestimmten Voraussetzungen die Teilhabeleistung von bis zu 10 Euro im Monat nicht nur für Verwendungszwecke im Bereich Sport, Spiel, Kultur und Freizeit, sondern in Ausnahmefällen auch für benö- tigte Ausrüstungsgegenstände verwendet werden kön- nen. Den kommunalen Trägern soll die Möglichkeit einge- räumt werden, Mittel für Klassenfahrten auch als für den unmittelbaren Zweck nachgewiesene Geldleistungen zu erbringen. Ungeachtet des Sach- und Dienstleistungsprinzips sollen verauslagte Geldmittel auch nachträglich erstattet werden können, wenn Leistungen zum Beispiel vor ei- nem Klassenausflug nicht rechtzeitig erbracht werden konnten. Im Bereich der Teilhabe soll es ermöglicht werden, Mittel für Freizeiten und andere Teilhabeangebote im Bewilligungszeitraum auch rückwirkend anzusparen. Schließlich sollen die Träger mit den Leistungsanbie- tern auch im SGB XII pauschal abrechnen können. Ich bin überzeugt, dass der vorliegende Gesetzent- wurf einen wesentlichen Beitrag zur Vereinfachung und gezielten Optimierung des Verwaltungsaufwands beim Bildungs- und Teilhabepaket leisten wird und die Inan- spruchnahme sowie Akzeptanz noch weiter steigern wird. Angelika Krüger-Leißner (SPD): Wir sind uns ei- nig, dass alle Kinder und Jugendliche in unserem Land das Recht auf Bildung und soziokulturelle Teilhabe ha- ben. Dieses Recht ist uns Verpflichtung und Ansporn zu- gleich. Die finanziellen Möglichkeiten der Eltern dürfen nicht ausschlaggebend dafür sein, in welchem Umfang die Kinder und Jugendlichen dieses Recht wahrnehmen können. Mit dem Urteil vom 9. Februar 2010 hat das Bundes- verfassungsgericht den Gesetzgeber verpflichtet, die Re- gelbedarfe neu zu bemessen. Dabei hat uns das Bundes- verfassungsgericht ins Stammbuch geschrieben, die Sicherung des soziokulturellen Existenzminimums und die Teilhabe an Bildung für alle Kinder in unserem Land ins Augenmerk zu nehmen. Im Zusammenhang mit dem Gesetz zur Ermittlung der Regelbedarfe vom 24. März 2011 und den langen so- wie umfangreichen Verhandlungen wurde rückwirkend zum 1. Januar 2011 das Bildungs- und Teilhabepaket eingeführt. Die gesetzlichen Regelungen sehen vor, dass die Leistungen zur Deckung der genannten Bedarfe fast ausschließlich durch Sach- und Dienstleistungen er- bracht werden. Die Bundesregierung hat sich seinerzeit dagegen entschieden, die Bedarfe unbürokratisch über eine Anpassung der Regelsätze zu decken. Dies wurde und wird zu Recht durch Expertinnen und Experten so- wie Verbände kritisiert. Schon zu Beginn war klar, dass das Bildungs- und Teilhabepaket zwar gut gemeint war, aber zu einem er- heblichen sowie unberechtigten Verwaltungsaufwand führen wird. Darauf hatten auch Vertreter der Praxis und der Länder verwiesen. Die Umsetzung hat die örtlichen Akteure und Träger enorm belastet und unnötig Ressour- cen gebunden. Die geringe Inanspruchnahme der Mittel aus dem Bil- dungs- und Teilhabepaket untermauert diese Einschät- zung. Wenngleich sich in 2012 der Mittelabfluss gegen- über 2011 verbessert hat, kann uns das Ergebnis bei weitem nicht zufriedenstellen; es bleibt hinter den Er- wartungen zurück. Die hohen bürokratischen Hürden stellen eine erheb- liche Hemmschwelle dar, schrecken viele Anspruchsbe- rechtigte ab und haben die Teilhabechancen der Kinder Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 219. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 31. Januar 2013 27321 (A) (C) (D)(B) und Jugendlichen in unserem Land nicht wesentlich ver- bessert. Dass der Bund eine erhebliche Summe Geld für die Teilhabe von Kindern und Jugendlichen an Bildung und am gesellschaftlichen Leben, im sportlichen wie kreati- ven Bereich, zur Verfügung stellt, aber viel zu wenig bei den Kindern ankommt, darf uns nicht ruhen lassen, nach besseren Lösungen zu suchen. Die Probleme wurden von vielen Seiten angespro- chen und erkannt. Es freut mich, dass sich der Bund und die Länder mit den kommunalen Spitzenverbänden auf einen Verbesserungskatalog einigten und den nun vorlie- genden Gesetzentwurf entwickelt haben. Die vorliegenden Verbesserungen sind unstrittig so- wie kostenneutral und betreffen einige zentrale Leistun- gen im Bildungs- und Teilhabepaket. Lassen Sie mich drei der Verbesserungen besonders betonen: Erstens die Schülerbeförderung. Die Praxis hat ge- zeigt, dass die Ermittlung des durch die Schülerinnen und Schüler zu tragenden zumutbaren Eigenanteils an der Schülerbeförderung äußerst kompliziert war. Daher ist es ein Gebot der verwaltungspraktischen Handhab- barkeit, für den Regelfall einen Wert ansetzen zu kön- nen, der eine gleichmäßige und rechtssichere Handha- bung ermöglicht. Aus der Erfahrung der Verwaltungspraxis der kom- munalen Träger ergibt sich dabei ein Durchschnittswert von 5 Euro monatlich. Dennoch bleibt für Fälle, die auf- grund persönlicher oder örtlicher Verhältnisse von der Regel abweichen, die Möglichkeit gegeben, den Eigen- anteil individuell zu ermitteln. Zweitens Unterstützung für Sport und Kultur. Die Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Ge- meinschaft wird derzeit in der Gestalt gefördert, dass für Angebote im Bereich Sport, Spiel, Kultur und Gesellig- keit die Zahlung eines Mitgliedsbeitrags übernommen wird. Gleiches gilt für Angebote im kreativen und künst- lerischen Bereich, bei dem derzeit nur die Vergütung für die pädagogische Leistung zu übernehmen ist. Oftmals scheitert die Teilnahme an diesen Angeboten aber nicht an den Honorarkosten für den Unterricht oder an den Mitgliedsbeiträgen, da diese Angebote häufig eh- renamtlich organisiert sind und zum Teil kostenlos zur Verfügung stehen. Oftmals führt das Fehlen benötigter Ausrüstung, wie zum Beispiel Musikinstrumente oder sportbezogene Schutzkleidung, dazu, dass Kindern und Jugendlichen die Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben verwehrt ist. Mit der vorgeschlagenen Verbesserung, auch die eben angesprochene Ausrüstung nun zu fördern, wird die Un- terstützung für Kinder und Jugendliche im kulturellen und sportlichen Bereich praxisnaher gestaltet und die Teilhabe somit deutlich erleichtert. Das dritte Beispiel betrifft die Unterstützung für Schul- und Kitafahrten: Für Schul- und Kitafahrten so- wie für Ausflüge ist alternativ neben der Sach- und Dienstleistung nun auch die Geldleistung möglich, wie es nach früherer Praxis in der Sozialhilfe möglich war. Ich bin mir sicher, dass für die Unterstützung bei Schul- und Kitafahrten die kommunalen Träger von der Mög- lichkeit der Geldleistung zukünftig regen Gebrauch ma- chen werden, weil diese verwaltungstechnisch viel weni- ger umständlich ist. Diese drei Beispiele zeigen sehr deutlich, wie man bisher mit komplizierten bürokratischen Regelungen Anspruchsberechtigte abgeschreckt und von der Inan- spruchnahme der Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket abgehalten hat. Mit den angesprochenen Änderungen wird sich das nun merklich verbessern. Der vorliegende Gesetzentwurf bringt viele Verbesse- rungen. Dennoch kann er nicht darüber hinwegtäuschen, dass weiterer Verbesserungsbedarf besteht, um ein gleich- berechtigtes Maß an Teilhabe am gesellschaftlichen Le- ben und einen gleichberechtigten Zugang zu Bildung zu ermöglichen. Viele Vertreter aus der Praxis und einige Länderver- treter haben weitere Schritte aufgezeigt. Dieses Bil- dungs- und Teilhabepaket und die damit unnötigerweise einhergehende Bürokratie wären überhaupt nicht nötig, wenn die Gewährleistung der soziokulturellen Teilhabe für Kinder und Jugendliche über die Anpassung der Re- gelsätze erfolgt wäre. Wir können die Chancengleichheit der Kinder und Ju- gendlichen in unserem Land mit dieser gesetzlichen Re- gelung lediglich ein Stück verbessern. Das unterschrei- ben wir dann auch. Wir würden aber gerne mehr tun. Unsere Vorschläge zum Ausbau der Bildungs- und Betreuungsinfrastruktur liegen auf dem Tisch. Sie sollen den Kindern und Jugendlichen echte Zukunftschancen und mehr Bildungsgerechtigkeit geben. Wir werden sie umsetzen, wenn nicht jetzt, dann im Herbst dieses Jah- res. Pascal Kober (FDP): Dem vorausgegangen war das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das die rot-grüne Gesetzgebung als verfassungswidrig beurteilt hatte und den Gesetzgeber aufgefordert hatte, die Regelsätze für Kinder und Jugendliche erstmals eigenständig zu be- rechnen. Diese christlich-liberale Bundesregierung hatte sich dann dazu entschlossen, die Leistungen für Bildung und Teilhabe von Kindern zentral durch die Jobcenter administrieren zu lassen. Dem hat sich die Opposition im Bundesrat verwei- gert, und so wurde im Vermittlungsverfahren auf Druck von SPD und Grünen festgelegt, dass die Leistungen von den Kommunen erbracht werden sollen. Dies hatten auch die Kommunen begrüßt. Es hätte der Opposition schon damals klar sein müs- sen, dass dies zu einer sehr unterschiedlichen Umset- zung des Bildungspakets vor Ort führt. Die Kommunen waren unterschiedlich gut auf diese neue Aufgabe vorbe- reitet. Die Grünen haben sich dann am Ende dem Kompro- miss verweigert und nicht zugestimmt. Das hatte aber nichts mit dem Bildungs- und Teilhabepaket zu tun. Denn am 21. Februar 2011 haben sie einen einstimmigen 27322 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 219. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 31. Januar 2013 (A) (C) (D)(B) Beschluss in ihrem Parteirat getroffen. Darin heißt es: „Gleichwohl haben wir in den langen Verhandlungen bis zum gestrigen Abend wichtige Änderungen erreicht: Das Bildungs- und Teilhabepaket wird von den Kommunen organisiert und nicht von den Jobcentern, wie sich dies die Arbeitsministerin vorstellte. Hier haben wir überbor- dende Bürokratie verhindert. … Und die Kommunen ha- ben eine hohe Gestaltungsmöglichkeit bei der konkreten Umsetzung der Leistungen vor Ort.“ Das, was sie in den vergangenen Monaten immer wie- der am Bildungspaket kritisieren, die Bürokratie und den hohen Verwaltungsaufwand, das haben sie selbst mit ver- ursacht. Dies halte ich bei der derzeitigen Betrachtung des Bildungspakets für wichtig zu erwähnen. Diese christlich-liberale Bundesregierung hat sich beim Thema Bildungspaket nicht auf die Position zu- rückgezogen, dass die Kommunen sich jetzt um alles Weitere kümmern müssten. Ministerin von der Leyen hat schon sehr bald nach In- krafttreten des Gesetzes begonnen, durch runde Tische, an denen Bund, Länder und Kommunen beteiligt waren, Startschwierigkeiten zu beheben und insgesamt Verbes- serungen vorzunehmen. Ergebnis dieser Gespräche, bei denen es nicht um ideologische Fragen, sondern ganz konkret um Verbesserungen am Bildungs- und Teilhabe- paket ging, damit die Kinder und Jugendlichen noch mehr davon profitieren können, ist der heute zu bera- tende Gesetzentwurf. Es ist eine große Leistung dieser Ministerin und der Regierungskoalition, die sehr unterschiedlichen Interes- sen der Länder im Rahmen der Gespräche zu diesem von allen getragenen Gesetzentwurf vereint zu haben. So wird nun klargestellt, dass mit den 10 Euro monatlich, die für Mitgliedsbeiträge verwendet werden können, auch Ausrüstungsgegenstände bezahlt werden können. Zudem wird es nach dem Gesetzentwurf möglich sein, in begründeten Fällen bereits vom Berechtigten verauslagte Mittel nachträglich zu erstatten. Dies macht das Verfahren deutlich einfacher. Um die Teilnahme an Klassenfahrten weiter zu erleichtern, wird zudem die Möglichkeit geschaffen, hierfür auch Geldleistungen zur Verfügung zu stellen. Bei Schülerfahrkarten, die auch privat genutzt wer- den, haben wir uns darauf verständigt, dass ein Eigenan- teil von mindestens 5 Euro erbracht werden muss. Dieser begründet sich aus der Auswertung von empirischen Da- ten zum Mobilitätsverhalten von Schülerinnen und Schülern. Wir haben mit dem Bildungs- und Teilhabepaket ei- nen neuen Weg bei der Unterstützung von Kindern und Jugendlichen, deren Eltern Arbeitslosengeld II beziehen, beschritten. Auf diesem Weg sind Probleme entstanden, die wir alle so nicht erwartet hatten; manche hatten ja, wie vorhin beschrieben, auch keine erwartet. Dennoch halte ich das Bildungs- und Teilhabepaket für eine gute Leistung dieser christlich-liberalen Regierungskoalition und bin mir sicher, dass alle im Rückblick von einigen Jahren zu diesem Schluss kommen werden. Auch wenn wir uns manches in der Ausgestaltung an- ders gewünscht hätten, gehen wir jetzt die bestehenden Probleme an. Die neuen Zahlen zur Inanspruchnahme und der Akzeptanz des Bildungspakets werden voraus- sichtlich im April erscheinen. Ich bin mir sicher, dass wir dabei weiterhin eine deutliche Zunahme der Inan- spruchnahme verzeichnen werden und die Akzeptanz der Leistungen weiter zunimmt. Mit dem Gesetzentwurf werden wir dies unterstützen. Diana Golze (DIE LINKE): Im Februar 2010 er- zwang das Bundesverfassungsgericht eine Neuermitt- lung der Regelbedarfe für die Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums. In dem hierzu erlassenen Urteil stellte das Gericht fest, dass die bis dahin geltende Ausgestaltung nicht mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Insbesondere der Bedarf von in Bedarfsgemeinschaften lebenden Minderjährigen stand auf dem Prüfstand. Be- mängelt wurde hier vor allem, dass der Gesetzgeber es versäumt hat, die besonderen Bedürfnisse von Kindern im Regelsatz abzubilden. „Kinder sind keine kleinen Erwachsenen“ ist eine der zentralen Aussagen in dem Urteil. Entscheidend ist, dass die Richter feststellten: Es geht nicht nur um die Sicherung des physischen Exis- tenzminimums, sondern auch um das soziokulturelle Existenzminimum. Die Neuermittlung dieses Existenz- minimums wurde dem Gesetzgeber aufgetragen. Die Antwort der Bundesregierung war insbesondere für Kinder ernüchternd. Es ist kein Geheimnis, dass die Fraktion Die Linke die von Frau von der Leyen vorge- legte Neuberechnung der Grundsicherung für unzurei- chend erachtet und in ihr einen neuerlichen Verfassungs- bruch sieht. Es ist auch nicht neu, dass wir die Einführung des Bildungs- und Teilhabepaketes für einen Etikettenschwindel halten. Dieses Paket ist im Grundan- satz falsch, und dies aus verschiedenen, für die Fraktion Die Linke aber grundlegenden Gründen. Wir können und werden keinem Gesetzentwurf zu- stimmen können, der Eltern unter den Generalverdacht stellt, zusätzliche Geldleistungen nicht zum Wohl ihrer Kinder zu verwenden, sondern für andere Zwecke. Die unerträglichen Vorwürfe, dass davon Flachbildschirme gekauft würden oder das Geld ohnehin in diverse Genussmittel umgesetzt wird, sind mir nur zu gut im Gedächtnis. Unter dieser vorurteilsvollen und herablas- senden Herangehensweise traf die Regierung fast folge- richtig die Grundsatzentscheidung, die Bedarfe nicht au- tomatisch als Teil der regelmäßigen Geldleistungen abzudecken, sondern sie erstens beantragungspflichtig zu machen und zweitens in erster Linie als Sach- oder Dienstleistung zu gewähren. Die Folgen sind bekannt. Das Antragserfordernis und die hohen bürokratischen Hürden erschwerten die Inan- spruchnahme der Leistungen und verhinderten somit, dass Kindern das zugutekommt, was ihnen per Gesetz zusteht. Unterschiedliche Bedürfnisse von Kindern in ländlichen Räumen und Kindern, die in Ballungszentren aufwachsen, sind nicht berücksichtigt. Das hat nicht nur Auswirkungen auf die Unterstützungsleistungen, die Kinder für den schulischen Alltag benötigen, sondern Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 219. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 31. Januar 2013 27323 (A) (C) (D)(B) insbesondere für den Freizeitbereich. Darüber hinaus werden nur bestimmte Bildungs- und Teilhabeangebote finanziert. Ich stelle mir manchmal die Gesichter der Abgeordneten vor, die selbst minderjährige Kinder ha- ben. Was würden diese Kolleginnen und Kollegen wohl sagen, wenn ihnen der Bundestagspräsident etwa erklärt, welche Freizeitaktivitäten ihrer Kinder förderungswür- dig sind – etwa: Mitgliedschaft im Kampfsportverein – und welche nicht, etwa: eigenständige Lektüre. Die Linke – und nicht nur wir – hält dies für einen problema- tischen Eingriff in die Entscheidungsfreiheit der Eltern und Kinder. Die nun vorgeschlagene Neuregelung ändert genau daran nichts. Sie ändert auch nichts daran, dass Verwaltungsauf- wand und veranschlagte Leistungen in keinem Verhält- nis zueinander stehen. Noch immer betragen die durch das beibehaltene Antragsverfahren entstehenden Verwal- tungskosten ein Sechstel des Leistungsvolumens. Die Linke bleibt dabei: Verfügbare Mittel müssen den Leis- tungsberechtigten zugutekommen, statt sie dafür zu ver- wenden, Verwaltungen an den Tropf zu legen. Das Problem dieses Entwurfes ist, dass Sie die grund- sätzlichen Entscheidungen nicht infrage stellen. Statt- dessen versuchen Sie, ein im Grundsatz falsches System zu optimieren und den bürokratischen Irrsinn auf ein ge- ringeres Ausmaß zu reduzieren. Dies ist innerhalb der bestehenden Konzeption nicht einmal zu kritisieren, lenkt aber von der eigentlichen Aufgabe ab, der wir uns gemeinsam stellen sollten: Die Förderung der Bildung und Teilhabe von jungen Menschen ist grundlegend an- ders zu organisieren: durch höhere Regelbedarfe, durch einschlägige Mehrbedarfe – Schulbedarfe, Klassenfahr- ten und Ausflüge – und ein hochwertiges und unentgelt- liches Angebot an Dienstleistungen für möglichst alle Kinder und Jugendlichen wie Schulverpflegung, Schüle- rinnen- und Schülerbeförderung und Lernförderung. Wir werden auch in diese Debatte unsere Vorschläge zur Neugestaltung eines Regelsatzes, der die Leistungen des Bildungs- und Teilhabepaketes so weit wie möglich beinhaltet, einbringen. Und selbstverständlich werden unserer Kritik auch Vorschläge für die Neugestaltung der Dienst- und Sachleistungen, die dieses Paket enthält, folgen. Auch wenn sich mein Optimismus darüber in Grenzen hält, dass die Regierung diesen folgt, kann ich Ihnen versprechen, dass wir in unserem Fordern nicht nachlassen werden. Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wohl keine andere Sozialleistung in der Geschichte der Bun- desrepublik Deutschland ist so bürokratisch wie das Bil- dungs- und Teilhabepaket. Ein aufwendiges Antragsver- fahren mit einer Fülle von Arbeitshilfen, Anträgen, Zusatzfragebögen, Nachweisen, Verträgen und Beschei- den führt zu einem enormen Missverhältnis zwischen Aufwand und Ertrag. Aufgrund unbestimmter Rechtsbe- griffe belasten etliche Widersprüche und Verfahren au- ßerdem die Sozialgerichte und frustrieren Antragstelle- rinnen und Antragsteller sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Schulen, Vereinen sowie Behörden glei- chermaßen. Auch der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge stellt in seinen Zweiten Empfehlungen zur Um- setzung der Leistungen für Bildung und Teilhabe vom 25. September 2012 fest, dass Leistungsträger und -er- bringer trotz eines Jahres Umsetzungserfahrung den ho- hen Verwaltungsaufwand beklagen. So würden insbe- sondere die Erbringung von Sachleistungen sowie die gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen die Umsetzung administrativ aufwendig machen. Das Präsidium des Deutschen Landkreistages hat am 1./2. Oktober 2012 gesetzliche Änderungsvorschläge zur Reduzierung des Verwaltungsaufwands für das Bil- dungs- und Teilhabepaket verabschiedet. Darin werden insbesondere die komplexen Gesetzesformulierungen als Ursache für den unverhältnismäßig hohen bürokrati- schen Aufwand angesehen. Der nun vorliegende Gesetzentwurf des Bundesrates bezieht sich in Teilen auf die genannten Änderungsvor- schläge zur Vereinfachung des Antrags- und Verwal- tungsverfahrens. Auch wenn uns die Vorschläge nicht weit genug gehen – siehe auch Antrag der Grünenbun- destagsfraktion „Das Bildungs- und Teilhabepaket – Leistungen für Kinder und Jugendliche unbürokratisch, zielgenau und bedarfsgerecht erbringen“, Drucksache 17/8149 –, können wir den hier vorgeschlagenen Ände- rungen nur zustimmen. Einzig bei der Eigenbeteiligung bei der Schülerbeförderung vertreten wir eine andere Position. Insgesamt offenbaren die immer wieder genannten Änderungsvorschläge, mit welchen Schwierigkeiten die Umsetzung des Bildungs- und Teilhabepakets durch Sachleistungen behaftet ist. Nicht umsonst kommen nun die Forderungen von verschiedensten Seiten, Teile der Leistungen auch als Geldleistung gewähren zu können. Zu den einzelnen Aspekten. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass der Eigenbetrag bei der Schülerbeförderung, der aus dem Regelbedarf gezahlt werden muss, auf re- gelmäßig 5 Euro festgeschrieben werden soll, und zwar für alle Altersklassen. Der Deutsche Landkreistag hinge- gen stellt fest, dass die anzurechnenden Anteile aus dem Kinderregelbedarf bei der Schülerbeförderung Bagatell- beträge sind, die bei der Leistungserbringung und -ab- rechnung zusätzlichen Aufwand auslösen, der in keinem angemessenen Verhältnis zum Ertrag steht. Daher sollte die Anrechnung des Regelsatzanteils für Verkehr bei der Schülerbeförderung in allen Rechtskreisen – SGB II, SGB XII und BKGG – entfallen. Diese Position des Deutschen Landkreistages teilen wir. Forderungen zur Umwidmung der Teilhabepauschale auch für andere Verwendungszwecke werden von uns ebenso begrüßt wie Forderungen, Ausflüge und Klassen- fahrten auch als Geldleistung zu ermöglichen. Es ist sinnvoll, das Gesamtteilhabebudget rückwirkend zu er- bringen sowie bei Rückerstattungen Geldleistungen zu ermöglichen. Es wäre schön, wenn sich Union und FDP anders als in der Antwort auf unsere Kleine Anfrage ernsthaft mit diesen Vorschlägen auseinandersetzen wür- den. 27324 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 219. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 31. Januar 2013 (A) (C) (D)(B) Anlage 14 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Überlebenshilfe in der Drogenpolitik – Situation der Substitution von Opiatabhängigen verbessern – Substitu- tionsbehandlung im Strafvollzug gewährleisten (Zusatztagesordnungspunkt 9) Karin Maag (CDU/CSU): 2009 hat der Deutsche Bundestag rechtliche Voraussetzungen für die diamor- phingestützte Behandlung Opiatabhängiger geschaffen und diese Therapieoption in die Regelversorgung über- führt. Seitdem ist viel geschehen: Es gibt zum Beispiel ein erstes diamorphinhaltiges Fertigarzneimittel, die Bun- desärztekammer hat ihre Substitutionsrichtlinien ebenso überarbeitet wie der GBA die Richtlinie Methoden ver- tragsärztlicher Versorgung, und es gibt GKV-relevante Abrechnungspositionen für die diamorphingestützte Be- handlung Schwerstopiatabhängiger. Das Ergebnis dieser vielfältigen Bemühungen ist, dass sich diese Therapie- option für Opiatabhängige mittlerweile fest im Angebot der Regelversorgung etabliert hat. Weil Behandlungsqualität wichtig ist, hat das BMG in Absprache mit den Bundesländern 2008 mit der PRE- MOS-Studie die langfristige Situation evaluiert. Die Stu- die stellt fest, dass die Substitutionstherapie in Deutsch- land effektiv ist und die allgemeinen primären Ziele überwiegend erreicht. Auch die IMPROVE-Studie be- legt, dass Suchtmediziner, Patienten und Opiatkonsu- menten die opiatgestützte Substitution als wertvoll und wirksam ansehen. Der Antrag der SPD weist nun zu Recht darauf hin, dass für die Ausgestaltung der Substitutionsbehandlung Opiatabhängiger insbesondere mit Bezug auf die betäu- bungsmittelrechtlichen Rahmenbedingungen ein grund- sätzlicher Zielkonflikt bedeutsam ist. Einerseits soll die substitutionsmedizinische Versorgung der Opiatabhängi- gen so unbürokratisch wie möglich und auf hohem Qua- litätsniveau angeboten und aufrechterhalten werden. An- dererseits soll den berechtigten Sicherheitsinteressen, insbesondere hinsichtlich der Verhinderung von Abzwei- gung und Missbrauch der Betäubungsmittel, Rechnung getragen werden. Vor diesem Hintergrund fordern Sie, vor allem vom Ziel der Abstinenz Abstand zu nehmen und generell die Strafbarkeit in diesem Zusammenhang zu überprüfen. Wie überhaupt der Komplex Konsiliar-, Mitgabe- und Take-Home-Regelungen einer Prüfung un- terzogen, die Anzahl der substituierenden Ärzte erhöht und die wissenschaftliche Forschung intensiviert werden soll. Hinsichtlich der Substitutionsbehandlung in Freiheit haben wir bereits im Koalitionsvertrag festgehalten, dass eine verantwortungsvolle Drogenpolitik Prävention, Therapie, Hilfe zum Ausstieg und damit auch den An- satz der Schadensminderung und die Bekämpfung der Drogenkriminalität in den Mittelpunkt stellt. Das heißt aber nicht, dass § 5 Abs. 1 Nr. 1 Betäubungsmittelver- schreibungsverordnung und § 29 Abs. 1 Nr. 1 Betäu- bungsmittelgesetz jetzt revidiert werden müssten. Das Ziel der Substitution ist in § 5 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 Betäu- bungsmittelverschreibungsverordnung, BtMVV, fest- gelegt. Danach ist Substitution die Behandlung der Opiatabhängigkeit mit dem Ziel der schrittweisen Wie- derherstellung der Betäubungsmittelabstinenz, einschließ- lich der Besserung und Stabilisierung des Gesundheits- zustandes. Daneben kann auch Ziel die Unterstützung der Behandlung einer neben der Opiatabhängigkeit be- stehenden schweren Erkrankung oder die Verringerung der Risiken einer Opiatabhängigkeit während einer Schwangerschaft und nach der Geburt sein. Die Autoren der PREMOS-Studie weisen zum Bei- spiel auch darauf hin, dass eine hohe Abstinenzorientie- rung in den Substitutionspraxen einen zweigeteilten Ein- fluss auf den Substitutionsverlauf hat. Neben den in der Frage genannten Effekten sind in Einrichtungen mit ho- her Abstinenzorientierung mehr Patienten mit hohem Schweregrad abstinent, der konkomitante Drogenge- brauch ist geringer und der Wert der mit dem Drogen- konsum einhergehenden Probleme – Addiction Severity Index, ASI – ist besser als in Einrichtungen mit einer niedrigen Abstinenzorientierung. Der Behandlungsplan sollte deshalb in erster Linie auf die schrittweise Herstel- lung der Betäubungsmittelabstinenz ausgerichtet sein, auch wenn in der Praxis eine dauerhafte Abstinenz nur bei einer geringen Zahl von Patienten, derzeit circa 8 Prozent, erreicht werden kann. Daneben gibt es zahl- reiche Zwischen- und Nebenziele, die ebenfalls mit der Substitution angestrebt werden können. Vor diesem Hin- tergrund sehe ich aktuell noch keinen weiteren Reform- bedarf. Konsiliar-, Mitgabe und Take-Home-Regelungen sind vor allem, worauf der Antrag zu Recht hinweist, im Kontext der Sicherheit der Allgemeinheit zu bewerten. Substitutionsmedikamente haben einen eigenen Markt und sind gefährlich für Dritte. Die aktuellen gesetzlichen Vorgaben sind geeignet, den oben genannten Ausgleich herbeizuführen. Mit der 23. Betäubungsmittelrechts-Änderungsver- ordnung wurde im § 5 Abs. 8 Satz 1 bis 3 BtMVV die sogenannte Zwei-Tages-Verschreibung verankert. Der behandelnde Arzt darf Patienten, denen ansonsten ein Substitutionsmittel zur unmittelbaren Verabreichung über- lassen wird, in Fällen, in denen die Kontinuität der Subs- titutionsbehandlung nicht anderweitig gewährleistet werden kann, ein Substitutionsmittel in der bis zu zwei Tagen benötigten Menge verschreiben und ihnen dessen eigenverantwortliche Einnahme erlauben, sobald der Verlauf der Behandlung dies zulässt, Risiken der Selbst- und Fremdgefährdung soweit wie möglich ausgeschlos- sen sind sowie die Sicherheit und Kontrolle des Betäu- bungsmittelverkehrs nicht beeinträchtigt werden. Mit dieser Regelung wurde bereits dem besonderen ärztli- chen Anliegen, Versorgungsmöglichkeit insbesondere an Wochenenden zu schaffen, entsprochen. Diese neue Verschreibungsmöglichkeit wurde in das Take-Home eingebettet, das die Voraussetzungen für die bis zu sieben Tage mögliche Take-Home-Verschreibung sowie für die sogenannte Auslandsverschreibung, das heißt für den Substitutionsmittelbedarf von bis zu 30 Ta- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 219. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 31. Januar 2013 27325 (A) (C) (D)(B) gen, beschreibt. Nach den Bestimmungen der BtMVV ist darüber hinaus die ärztliche Mitgabe eines Substituti- onsmedikamentes bisher bis auf eine Ausnahmeregelung nicht gestattet. Diese Ausnahmebestimmung ist den pharmakologischen Besonderheiten der Stoffe Codein und Dihydrocodein geschuldet. Eine Abgabe über diese Ausnahmeregelung hinaus würde einen Verstoß gegen § 43 des Arzneimittelgesetzes darstellen, wonach die Abgabe von Arzneimitteln – in diesem Fall: den Substi- tutionsmitteln – der Apotheke vorbehalten ist. Ich selbst habe mich um einen Ausgleich der Interessen von Apo- theken und behandelnden Ärzten bemüht. Generell das Dispensierverbot zu lockern, halte ich für nicht ange- zeigt. Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass sich nach der IMPROVE-Befragung tatsächlich 47 Prozent der befrag- ten, aktiv substituierenden Ärzte ein weniger restriktives Vorgehen sowie juristische Unterstützung statt Sanktio- nen wünschen. Die Studie belegt aber auch, dass die Ärzte erhebliche Bedenken in Bezug auf Missbrauch und unerlaubte Weitergabe der Substitutionsmedika- mente durch die Patienten haben; 49 Prozent der Ärzte bezeichnen dies als erhebliches Problem, weitere 17 Pro- zent als besonders schwerwiegendes Problem. Ähnliches gilt für den Missbrauch der Substitutions- mittel durch die Patienten. Die IMPROVE-Studie weist explizit darauf hin, dass die Aussagen der Patienten, von denen 23 Prozent angaben, das Substitut schon einmal verkauft oder weitergegeben zu haben, diese Befürch- tungen der Ärzte begründet erscheinen lassen. Diese Fakten machen deutlich, dass die für die Substitutions- therapie relevanten betäubungsmittelrechtlichen Vor- schriften einzuhalten sind: So sind zum Beispiel Doku- mentationsvorschriften notwendig, um die Kontrolle und Sicherheit des BtM-Verkehrs wahren zu können und dies für die Aufsichtsbehörden auch nachvollziehbar zu ma- chen. Meine Gespräche mit den Staatsanwaltschaften haben auch ergeben, dass diese in der Regel ein praxis- orientiertes Miteinander mit den ihnen bekannten substi- tuierenden Ärzten pflegen, sodass Fehlverhalten mit Fin- gerspitzengefühl angegangen wird. Hinsichtlich der Behandlungsmöglichkeiten in länd- lichen Räumen gilt, dass die Arbeitsgemeinschaft der obersten Landesgesundheitsbehörden im November 2011 die AG Suchthilfe der AOLG gebeten hat, die Er- gebnisse der PREMOS-Studie auszuwerten, gegebenen- falls fachspezifischen Handlungs- und Forschungsbedarf für die Weiterentwicklung der Rahmenbedingungen der Substitutionsbehandlung in den Ländern zu benennen und hierüber im November 2012 zu berichten. Welche Schlüsse nun gezogen werden, entzieht sich meiner Kenntnis. Darüber hinaus gibt es ja auch Positives zu berichten. Ich kann aber berichten: In meiner Heimatstadt Stuttgart wird nach langer Standortsuche Mitte 2014 ein suchtme- dizinisches Schwerpunktzentrum eröffnen, das unter an- derem die Substitution mit Diarmorphin anbietet. Am Standort wird auch die Drogenberatungsstelle „release“ ihr Angebot offerieren – übrigens nach langer Suche für einen geeigneten Standort und gegen die Stimmen der Grünen im Gemeinderat. Soweit der Antrag auf Mängel im Strafvollzug ein- geht, gilt, dass seit der Föderalismusreform 2006 die Zuständigkeit bei den Ländern liegt. Schon aus verfas- sungsrechtlichen Gründen ist uns damit jede Einfluss- nahme versagt. Ich schlage vor, dass Sie als Vertreter der Opposition Ihre Änderungswünsche im Bundesrat an die Länder herantragen. Angelika Graf (Rosenheim) (SPD): Sucht ist eine Krankheit, und es gibt leider viele Menschen, die unter dieser Krankheit leiden. Sie sind aus eigenem Willen oft nicht in der Lage, diese Krankheit zu überwinden. Man- cher leidet unter ihr ein Leben lang und kann sie nicht besiegen. Ein Junkie hatte früher kein langes Leben. Seit den 1990er-Jahren wird in Deutschland im Um- gang mit Opiatabhängigen vermehrt der Ansatz der Schadensreduzierung und Überlebenshilfe durch Substi- tution verfolgt. Dies hat sich erfreulicherweise – auch dank rot-grüner Regierungspolitik – zu einer eigenstän- digen Säule der Drogenpolitik entwickelt. Dabei folgt die Politik der Erkenntnis, dass Strafverfolgung und Strafe nicht zur Heilung der Sucht oder zu einer Stabili- sierung der Süchtigen führen. Opiatabhängigen, die schon mehrere Entzugsversu- che gemacht haben und trotz intensiver eigener Bemü- hungen nicht von der Droge weggekommen sind, wird durch die Substitution ein Weg gezeigt, um aus der Sucht herauszukommen oder notfalls mit der Sucht zu leben. Die Effektivität der Maßnahme im Hinblick auf die Reduktion von Kriminalität und Sterberaten sowie Belastungen für die Allgemeinheit und eine bessere the- rapeutische Haltequote ist in der Wissenschaft unstreitig – das wurde erst vor einiger Zeit bekräftigt durch die Er- gebnisse der von der Bundesregierung in Auftrag gege- benen PREMOS-Studie. Wir haben diese Studie auch im Gesundheitsausschuss diskutiert. Gerade weil wir mit der Substitutionsbehandlung ei- nen guten Beitrag für die Überlebenshilfe, aber auch für den Abbau der Beschaffungskriminalität leisten, sehe ich mit großer Sorge die Entwicklung der letzten Jahre. So beobachten wir – auch das belegt die PREMOS-Studie – verstärkt starke regionale Unterschiede bei der Praxis der Überlebenshilfe und auch erhebliche Schnittstellen- problematiken zwischen den zahlreichen Akteuren im Bereich der Substitutionsbehandlung. Suchtmediziner schildern die Mauern, an die sie immer wieder stoßen: Manche davon sind ideologisch begründet, wobei die Argumente nicht neu sind. Wir haben sie schon ganz frü- her bei der Einführung der Methadonsubstitution gehört. In den letzten Monaten wurde deutlich, dass im Bereich der Diamorphinversorgung die Regelungen häufig so ausgelegt werden, dass lediglich die Modellprojekte ver- stetigt und kaum eine Verbesserung der Versorgung er- reicht werden konnten. Ich hoffe sehr, dass die neuen Regelungen des G-BA zu unbürokratischeren Lösungen führen werden. Vielleicht können dann auch die Teile der Union, für die Substitution Teufelszeug ist, ihren ideologischen Widerstand beenden. 27326 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 219. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 31. Januar 2013 (A) (C) (D)(B) Denn man muss feststellen: Die Bundesregierung tut nichts, um die Situation zu verbessern. Dies macht mir vor allem auch wegen der abnehmenden Zahl von Subs- titutionsärzten große Sorgen. Sie ist neben der man- gelnden Attraktivität der Fachrichtung innerhalb der Ärzteschaft durch die besondere Altersstruktur der subs- tituierenden Fach- und Hausärzte zu erklären. Ich fürchte, der anstehende Generationswechsel wird hier große Versorgungsprobleme mit sich bringen. Dies ist ein generelles Problem in Deutschland, dem wir uns stel- len müssen. Daneben beunruhigen mich noch einige weitere Pro- bleme. So haben wir bezüglich der Quantität von Substi- tutionsbehandlungsangeboten in Deutschland ein Nord- Süd- und ein West-Ost-Gefälle. Gerade in ländlichen Regionen bestehen erhebliche Versorgungsdefizite. Oft sind die Entfernungen groß, Arzt und Patient trennen zig Kilometer. Die nächste Substitutionspraxis ist oft 50 Ki- lometer weit entfernt. Wir müssen feststellen, dass Ärz- tinnen und Ärzte mit weiten Wegen insbesondere in ländlichen Regionen, zum Beispiel in Schwaben oder Niederbayern, wegen der Mitgabe- und Take-home-Re- gelungen gerichtlichen Verfahren ausgesetzt sind, die nicht selten in einer Verurteilung und dem Entzug der Approbation enden. Vermeidbare juristische Unklarhei- ten erschweren die Versorgung von opiatabhängigen Pa- tienten, die Ärzte bewegen sich in einer Grauzone. Die Folge: Immer mehr Substitutionsärzte schmeißen hin. Damit verschärft sich jedoch das Problem für den Süch- tigen einerseits und die substituierenden Kollegen im weiten Umfeld andererseits. Denn zu denen sind die Wege dann noch weiter, und die Erhöhung der Anzahl der Patienten führt zu einer Überlastung der Praxis. Die sozialtherapeutische Begleitung, die so notwendig wäre, kann nicht mehr in der gewünschten Qualität geleistet werden. Ein Teufelskreis! Dazu soll nun auch noch eine neue EBM-Struktur kommen, die substituierenden Hausärzten Pauschalen streichen oder kürzen will. Ich erwarte auch von der Bundesregierung, dass sie hier die besondere Situation der substituierenden Allgemeinmediziner erkennt und ihren Einfluss entsprechend geltend macht. Aus den genannten Gründen wollen wir mit unserem Antrag anregen, die rechtlichen Rahmenbedingungen der Substitutionsbehandlung von Opiatabhängigen zu re- formieren. Denn sie stehen seit 2010 in Konflikt mit dem Stand medizinischer Wissenschaft und der Richtlinie zur Substitutionsbehandlung der Bundesärztekammer aus 2010 und verursachen immer häufiger eine unnötige Kri- minalisierung von substituierenden Ärztinnen und Ärz- ten. Sowohl das sogenannte Abstinenzparadigma in der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung als auch die stets im Hintergrund schwebenden Strafandrohungen in § 29 Abs. 1 Nr. 1 Betäubungsmittelgesetz müssen dringend überprüft werden. Sie sorgen immer wieder für unklare rechtliche Situationen und eine uneinheitliche Rechtsprechung in Deutschland. Dadurch schrecken sie junge Ärztinnen und Ärzte ab, eine entsprechende sucht- medizinische Fortbildung zu machen oder als Suchtme- diziner Substitutionsbehandlungen durchzuführen. Wir brauchen diese Suchtmediziner aber, wenn wir ange- sichts der wachsenden Anzahl von Süchtigen die Bera- tungsstrukturen insgesamt verbessern wollen. Ein weiteres Problem, das die PREMOS-Studie aus- gemacht hat, möchte ich hier auch noch anführen: Die Situation in Haftanstalten. Ich habe selbst verschiedene Justizvollzugsanstalten besucht, sowohl in Berlin als auch in Bayern. Obwohl die Richtlinien der Bundesärzte- kammer zur Durchführung der substitutionsgestützten Behandlung Opiatabhängiger die Sicherstellung der Be- handlung ausdrücklich auch bei einer Inhaftierung ver- langen, ist insbesondere im Maßregel- und Strafvollzug die Möglichkeit zur Substitutionsbehandlung oftmals nicht gewährleistet. „Lediglich etwa 500 bis 700 der ge- schätzten 10 000 bis 15 000 infrage kommenden Gefan- genen befinden sich in einer dauerhaften Substitutions- behandlung“, so der Drogenbericht der Bundesregierung aus dem Jahr 2009. Die Anzahl der Infizierten mit HIV und Hepatitis bei Strafgefangenen ist fast um den Faktor 100 höher als außerhalb von Gefängnissen. Und es gibt kein Gefängnis, in dem nicht auch Drogen gehandelt werden. Die Gefahr einer Infektion für Opiatabhängige ist deshalb groß. Auch in diesem Bereich gibt es bei den Bundesländern höchst unterschiedliche Vorschriften und Bedingungen. Dadurch kann die Substitutionsbehand- lung von Opiatabhängigen in Haft nicht überall gewähr- leistet sein. Deshalb ist es aus meiner Sicht wichtig, dass die Bundesregierung im Sinne der Forderungen der Ärzte- kammer auf die Länder zugeht und sie auffordert, die Versorgung von opiatabhängigen Inhaftierten zu verbes- sern. Die amtierende Bundesregierung hat diese Studie in Auftrag gegeben, die uns auf diese Missstände hinweist. Daher wäre es nur konsequent, wenn Sie als die diese Bundesregierung tragenden Parteien den Antrag ernst- haft prüfen und ihn im weiteren parlamentarischen Ver- fahren unterstützen würden. Christine Aschenberg-Dugnus (FDP): Der von der SPD-Fraktion vorgelegte Antrag thematisiert ein wichtiges Anliegen. Grundsätzlich halte ich das Konzept des Ineinandergreifens von Prävention, Beratung und Therapie, Überlebenshilfen und Repression für den rich- tigen Ansatz moderner Drogenpolitik. Dieses Säulenmo- dell spiegelt die Vielfalt der Anforderungen an Staat und Gesellschaft im Umgang mit Drogen wider. Im Kontext der Überlebenshilfe spielt die Substitu- tion von Opiatabhängigen eine zentrale Rolle. Die Subs- titutionstherapie hat sich bewährt als wirksames Instru- ment, den Abhängigen in überschaubarer Zeit in einen Zustand dauerhafter Abstinenz zu bringen oder im Rah- men einer Dauersubstitution zumindest eine spürbare Schadensminimierung einzuleiten. Mit einer Substitu- tionstherapie kann man den Gesundheitszustand und die soziale Situation der Patienten deutlich verbessern. Die PREMOS-Studie gibt einen sehr guten Überblick darüber, wie die Situation von Substitutionspatienten insgesamt ist. Und liefert wichtige Erkenntnisse hin- sichtlich Mortalität, Morbidität, Lebensqualität, Delin- quenz, stabiler Substitution und Beikonsum. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 219. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 31. Januar 2013 27327 (A) (C) (D)(B) Insgesamt muss man festhalten, dass die Substitution von Opiatabhängigen in Deutschland im internationalen Vergleich recht gut funktioniert: Insbesondere was Mor- talität angeht, steht Deutschland nicht schlecht da. Die PREMOS-Studie spricht von einem „überaus niedrigen durchschnittlichen jährlichen standardisierten Mortali- tätsrisiko von 1,15 Prozent“. Der Anteil der Patienten, die im Rahmen einer regelhaft beendeten Therapie als abstinent galten oder sich in abstinenzorientierter Thera- pie befanden, ist positiv zu bewerten, auch wenn natür- lich weitere Verbesserungen erstrebenswert sind. Erreicht werden muss ein möglichst stabiler Substitu- tionsverlauf ohne Unterbrechungen und ohne Abbrüche. Das ist die Grundlage dafür, einem suchtkranken Men- schen die Möglichkeit zu eröffnen, wieder gesund zu werden und in ein geregeltes, nicht von Sucht und Dro- genbeschaffung bestimmtes Leben zurückzukehren. Der vorliegende Antrag thematisiert einen Bereich, in dem es ohne Zweifel Optimierungsbedarf gibt: Grund- sätzlich teile ich das Anliegen, Substitutionsbehandlun- gen auch für opiatabhängige Strafgefangene und für Opiatabhängige im Maßregelvollzug sicherzustellen. Denn auch Strafgefangenen muss man die Möglichkeit eröffnen, gesund zu werden und in ein geregeltes, nicht von Sucht und Drogenbeschaffung bestimmtes Leben zurückzukehren. Während bei Opiatabhängigen in Frei- heit zwar der Umgang mit Mitgabe- und Take-home-Re- gelungen ein Dauerthema ist, die Substitution an sich aber vollzogen wird, scheitert eine Substitution opiat- abhängiger Strafgefangener und Opiatabhängiger im Maßregelvollzug jedoch oft einfach daran, dass es vor Ort keine geeigneten Ärztinnen und Ärzte gibt. Insgesamt, das skizziert der Antrag, gibt es einen fa- cettenreichen Handlungsbedarf, um die Substitution im Allgemeinen wie im Besonderen zu verbessern. Doch ob der SPD-Antrag zu einer Verbesserung der Situation füh- ren würde, bleibt fraglich, zumal wesentlicher Hand- lungsbedarf im Bereich der Länder liegt und nicht beim Bund. Die christlich-liberale Koalition hat das Thema Substitution auf der Tagesordnung, wird sich intensiv damit befassen und die notwendigen Optimierungen ein- leiten. Frank Tempel (DIE LINKE): Die gegenwärtige Sub- stitutionslage in Deutschland ist nicht zufriedenstellend. Dabei ist die Substitutionstherapie, also die Versorgung von Opiatabhängigen mit einem Ersatzstoff, nachweis- lich die wirksamste Methode, den Betroffenen eine Rückkehr ins gesellschaftliche Leben zu ermöglichen und sie, wenn möglich, von ihrer Suchterkrankung zu heilen. Sie wirkt der drogenassoziierten Kriminalität entgegen, und eine gesundheitsökonomische Studie hat ergeben, dass die volkswirtschaftlichen Einsparungen pro Patient im Jahr bei 7 800 Euro liegen. Die Infrastruktur zur Substitutionstherapie muss wei- ter ausgebaut werden. Wie im Antrag der SPD richtig benannt wurde, ist besonders die Versorgung von Substi- tuierenden im ländlichen Raum äußerst prekär. Die Anzahl der Substituierenden liegt in Deutschland bei 76 200 Personen – Stand 2011. Dem gegenüber standen im selben Jahr 2 703 substituierende Ärztinnen und Ärzte sowie 8 122 Ärztinnen und Ärzte mit suchtthera- peutischer Qualifikation. So wird es den Patientinnen und Patienten und den Ärztinnen und Ärzten sehr schwer gemacht, die Substi- tutionsbehandlung erfolgreich durchzuführen. Zudem werden immer wieder Fälle bekannt, bei denen sich Sub- stitutionsärzte vor Gericht für die mehrtätige Mitgabe des Substitutionsmittels, beispielsweise Methadon, an ihre Patientinnen und Patienten verantworten müssen. Beim Landgericht Lüneburg wurden bereits zwei Ärzte zu Haftstrafen verurteilt. Und auch in Niedersachsen gab es 2008 mehrere Verfahren gegen Substitutionsärzte. Grund dafür ist der strenge Rechtsrahmen der Substituti- onsbehandlung, dessen Grundzüge aus den 80er- und 90er-Jahren stammen. Die Take-home-Regelung von sieben Tagen sollte daher ausgeweitet werden. Ein weiteres Problem ist die sogenannte Einnahme unter Sicht. Sie sorgt dafür, dass Patientinnen und Patienten gezwungen werden, teilweise in der Öffent- lichkeit, beispielsweise in der Apotheke, das Substitu- tionsmittel einzunehmen. Diese Praxis hat für Patientin- nen und Patienten oftmals einen demütigenden Charakter. Die Einnahme des Substitutionsmittels „unter Sicht“ sollte daher nicht die Regel, sondern die Aus- nahme darstellen. Auch die sachlichen und personellen Mindestvoraus- setzungen für Substitutionseinrichtungen sind zu hoch angesetzt. Die Richtlinien der Bundesärztekammer, BÄK, von 2010 müssen daher ihren Niederschlag in der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung, BtMVV, finden. Des Weiteren muss endlich Rechtssicherheit für Substitutionsärzte bei der Auslegung der Rechtsvor- schriften zur Substitution hergestellt werden. Erfreulich ist, dass am 17. Januar dieses Jahres der Gemeinsame Bundesausschuss verschiedene Änderungen bei den Diamorphin-Richtlinien beschlossen hat. „Einrichtungen können über die Anzahl der notwendigen Arztstellen bedarfsorientierter entscheiden und Räumlichkeiten rea- litätsnah gestalten“, schrieb der Gemeinsame Bundes- ausschuss in der Presseerklärung vom selben Tag. Ebenso sollten die Vorschläge des 115. Deutschen Ärztetages zur Substitutionsbehandlung einbezogen werden. Diese fordern unter anderem, dass der Gesetz- geber die betäubungsmittelrechtlichen Vorgaben an den Stand der medizinischen Wissenschaft anpasst. In den EU-Ländern, in denen ebenso die Substitutionsbehand- lung ermöglicht wurde, ist diese pragmatischer geregelt worden und hatte nicht zu einer unkontrollierten Behandlungsszenerie geführt. Außerdem muss der rechtliche Rahmen dafür geschaffen werden, dass es nicht den Bundesländern ob- liegt, eine bestehende Substitution bei einem Haftantritt zu beenden. In einem offenen Brief der Deutschen AIDS-Hilfe, DAH, an die bayrische Justizministerin vom April 2012 wurde sehr deutlich formuliert, dass Bayern gegen die Richtlinien der Bundesärztekammer sowie gegen das Bayerische Strafvollzugsgesetz, nach dem Gefangene die gleiche Gesundheitsversorgung er- halten müssen wie in Freiheit, verstößt. Hintergrund des 27328 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 219. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 31. Januar 2013 (A) (C) (D)(B) offenen Briefes waren zwei aktuelle Beschlüsse des Landgerichts Augsburg, mit denen zwei Anträge auf Substitutionsbehandlung in der JVA Kaisheim abgelehnt wurden. Wie die DAH betonte, wiesen die Beschlüsse zahlreiche fachliche Fehler auf. Die Deutsche Gesell- schaft für Suchtmedizin, DGS, erklärt zu den beiden Ur- teilen: „Die Urteilsbegründung entspricht nicht dem Stand des medizinischen Wissens und verletzt das Recht des Patienten auf eine angemessene Behandlung.“ Der erzwungene Abbruch einer Substitution bei Haftantritt erhöht die „Gesundheits- und Lebensgefahren des Patienten erheblich“, so die DGS. Erforderlich sind rechtliche Rahmenbedingungen, die Substitutionsärzte nicht abschrecken, Opiatabhängigen eine flächendeckende Versorgung mit freier Arztwahl er- möglichen, einer normalen Lebensführung nicht von vorneherein im Wege stehen sowie den fließenden Über- gang der Substitution auch in der Haft ermöglichen. Wir unterstützen daher das Anliegen der SPD-Frak- tion, die Versorgungsqualität bei der Substitutions- behandlung zu verbessern, und hoffen, dass es spätestens zu Beginn der neuen Legislaturperiode zu grundlegen- den Änderungen der rechtlichen Rahmenbedingungen zur Substitutionspraxis kommt. Nur dadurch können wir die Anzahl der praktizierenden Substitutionsärzte erhö- hen und den Abhängigen ausreichend helfen. Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vor genau zwei Wochen haben wir hier an dieser Stelle schon einmal über die Drogenpolitik gestritten. Ich habe seinerzeit darauf hingewiesen, dass das realitätsblinde „Weiter so“ angesichts der erheblichen negativen Aus- wirkungen der jetzigen Drogenpolitik ein Ende haben muss. Das in dem Antrag der SPD thematisierte Problem in der Substitutionsbehandlung ist ein Beleg dafür, dass die herrschende Drogenpolitik erhebliches menschliches Leiden in Kauf nimmt. Denn was ist die Ursache dafür, dass die Versorgung von Opiatabhängigen nicht überall im notwendigen Umfang und ausreichender Qualität ge- währleistet ist? Was ist die Ursache dafür, dass Ärzte, die eine Substi- tutionsbehandlung anbieten, zumindest gefühlt mit ei- nem Bein im Gefängnis stehen? Und was ist die Ursache dafür, dass in vielen deutschen Haftanstalten keine Sub- stitutionsbehandlung angeboten wird? Es sind die geltenden rechtlichen Regelungen in der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung und die ideologisch begründete repressive Haltung mancher vor allem süddeutscher Haftanstalten und Landesregierun- gen. Ein kurzer Blick in die Betäubungsmittel-Verschrei- bungsverordnung zeigt doch, welcher Geist da domi- niert. Da geht es nicht vorrangig darum, eine gute Versorgungsqualität für die betroffenen Patientinnen und Patienten sicherzustellen, sondern da manifestiert sich ganz klar eine repressiv ausgerichtete Drogenideologie. In dieser Verordnung wird den Ärztinnen und Ärzten die Indikation und Kontraindikation der Behandlung vorgegeben. Es werden ihnen die Art der Medikation, die Dosierung sowie die Applikation des Arzneimittels vorgeschrieben. Es werden die Behandlungs- und Verschreibungsfre- quenz, die Art der Begleitbehandlung, der Behandlungs- abbruch bei Non-Compliance detailliert vom Staat be- stimmt. Und sogar das Behandlungsziel, die Abstinenz, schreibt die Betäubungsmittel-Verschreibungsverord- nung den Ärztinnen und Ärzten vor. Kennen Sie irgendeine andere chronische Erkran- kung, bei der der Staat derart massiv in die ärztliche Therapiefreiheit eingreift und Patienten die Heilung quasi staatlich vorschreibt? Dass es die herrschende Drogenpolitik zu ihrer Legi- timation nicht eben so genau mit den Fakten nimmt, sieht man auch beim Thema Substitutionsbehandlung. So steht beispielsweise wörtlich in einem nur wenige Monate alten Bürgerschaftsantrag der Hamburger CDU: „Mit dem Ziel der Ausstiegsorientierung ist eine zeitlich unbegrenzte Behandlungsdauer nicht vereinbar. Es kann weder im Sinne der Substituierten noch im Interesse der sozialen Sicherungssysteme sein, die Behandlung man- cher Opiatabhängiger jahrzehntelang vorzunehmen.“ Abgesehen davon, dass diese Formulierung ein gehö- riges Ausmaß an Unmenschlichkeit offenbart, ist die Formulierung auch schlicht falsch. Die PREMOS-Studie zur Substitutionsbehandlung hat deutlich gezeigt, dass auf längere Sicht nur ein ganz kleiner Teil der Patientin- nen und Patienten jemals die Abstinenz erreicht. Um es genau zu sagen: Nach sechs Jahren Behandlung waren gerade einmal 8 Prozent der Patientinnen und Patienten abstinent oder zumindest in einer abstinenzorientierten Therapie ohne Substitution. Die übrigen befanden sich noch in einer Substitutionsbehandlung, hatten die Be- handlung abgebrochen oder waren verstorben. Die Autoren der Studie schreiben ferner: „Die Risiken einer sehr langfristigen bzw. lebenslangen Substitution sind geringer als ständige Rückfälle mit dem Risiko ei- ner weiteren Progression des Krankheitsbildes.“ Diese Fakten sprechen übrigens nicht gegen die Sub- stitutionsbehandlung. Aber sie sprechen dafür, an die Stelle ideologischer Vorgaben zur Abstinenz, zur Mitgabe des Substitutionsmittels oder der Verschreibung sowie al- ler anderen detaillierten staatlichen Vorgaben zur Be- handlung dieser schweren chronischen Erkrankung end- lich den aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft treten zu lassen. Dafür sind die Behandlungsleitlinien und Richtlinien der Bundesärztekammer völlig ausreichend. Der § 5 der Betäubungsmittel-Verschreibungsverord- nung ist daher aus unserer Sicht verzichtbar. Noch schlimmere Auswirkungen als in der Freiheit hat die herrschende Politik übrigens im Strafvollzug. Etwa 20 bis 30 Prozent der in Deutschland inhaftierten Menschen sind intravenöse Drogenkonsumenten. Den- noch – auf diesen Umstand weist auch der SPD-Antrag hin – bekommen nur 500 bis 700 der bis zu 15 000 in- frage kommenden Inhaftierten eine entsprechende Be- handlung. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 219. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 31. Januar 2013 27329 (A) (C) (D)(B) Im von CSU und FDP regierten Bayern ist die Situa- tion besonders dramatisch. Hier ist die Behandlung nur in einer einzigen Haftanstalt möglich und in der Regel auch nur für Inhaftierte, die eine Freiheitsstrafe von we- niger als drei Monaten verbüßen. Dort herrscht mit Billi- gung des Justizministeriums in vielen Haftanstalten die mittelalterliche Vorstellung, Opiatabhängigkeit sei keine Krankheit und Substitution nur eine überflüssige Beloh- nung für Drogenkonsum. Vor diesem Hintergrund begrüßen wir den vorliegen- den Antrag der SPD. Wir müssen endlich wegkommen von der repressiv orientierten Drogenpolitik. Ziel muss es sein, den opiatabhängigen Patientinnen und Patienten eine optimale gesundheitliche Versorgung zukommen zu lassen und ihnen so die Chance auf Linderung ihrer Ab- hängigkeitserkrankung zu eröffnen. Dabei helfen uns keine weltfremden Abstinenzideologien, sondern nur kooperative und patientenorientierte Versorgungsstruk- turen. Anlage 15 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen: EU-weite Regelungen zur Durchführung von klini- schen Prüfungen mit Humanarzneimitteln – Schutz der Teilnehmerinnen und Teilnehmer sicherstellen; hier: Stellungnahme des Deut- schen Bundestages nach Art. 23 Absatz 3 des Grundgesetzes i. V. m. § 9 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenhei- ten der Europäischen Union – Antrag der Fraktion Die Linke: EU-weite Regelungen zur Durchführung von klini- schen Prüfungen mit Humanarzneimitteln – Schutz der Teilnehmerinnen und Teilnehmer sicherstellen; hier: Stellungnahme des Deut- schen Bundestages nach Art. 23 Absatz 3 des Grundgesetzes i. V. m. § 9 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenhei- ten der Europäischen Union (Zusatztagesordnungspunkte 10 a und b) Rudolf Henke (CDU/CSU): Die klinische Prüfung von Arzneimitteln am Menschen ist eine notwendige Voraussetzung für die Erforschung, Entwicklung und Zulassung neuer Medikamente. Erkenntnisse, die in kli- nischen Studien gewonnen werden, sind für die Weiter- entwicklung moderner Arzneimitteltherapie von überra- gender Bedeutung. Im Vordergrund muss bei Arzneimittelstudien jedoch die Patientensicherheit stehen. Ein hohes Schutzniveau an Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit ist für die Probanden und Patienten unverzichtbar. Unsere strengen rechtlichen Regelungen für die For- schung am Menschen leiten sich aus der grundgesetzlich geschützten Würde des Menschen ab. So muss eine kli- nische Studie freiwillig sein. Nicht notwendige oder willkürliche Maßnahmen sind strengstens zu unterlas- sen; im Vorfeld hat eine gründliche Aufklärung stattzu- finden. Erstmals festgelegt im Nürnberger Kodex von 1947, sind diese Anforderungen für eine ethisch verantwort- bare Forschung am Menschen Teil der Deklaration von Helsinki des Weltärztebundes. Diese ethischen Grund- sätze für die medizinische Forschung haben nach ihrer Veröffentlichung Eingang in die deutsche Gesetzgebung und das Berufsrecht gefunden. Sie stellen die Konse- quenz aus dem Unrecht medizinischer Experimente dar, welche zur Zeit des Nationalsozialismus an den Opfern von Konzentrationslagern durchgeführt wurden. Der deutsche Gesetzgeber hat die stete Pflicht, Ände- rungen in den rechtlichen Grundlagen zu humanmedizi- nischer Forschung kritisch zu hinterfragen – gerade vor dem Hintergrund der historischen Erfahrung in unserem Land. Deshalb müssen wir bei jeder gesetzlichen Ände- rung darauf achten, dass das hohe Schutzniveau für Teil- nehmer an klinischen Studien erhalten bleibt. Wir beraten heute einen fraktionsübergreifenden An- trag über EU-weite Regelungen zur Durchführung von klinischen Prüfungen mit Humanarzneimitteln. Grund- lage des Antrages ist der Vorschlag einer Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über klinische Prüfungen mit Humanarzneimitteln und zur Aufhebung der Richtlinie 2001/20/EG, Ratsdokument 1275/12, wel- chen die EU-Kommission am 17. Juli 2012 vorgelegt hat. Die bislang geltende Richtlinie 2001/20/EG ist in Deutschland im Jahre 2004 mit der 12. AMG-Novelle sowie der Verordnung über die Anwendung der Guten Klinischen Praxis bei der Durchführung von klinischen Prüfungen mit Arzneimitteln zur Anwendung am Men- schen, GCP-Verordnung, in deutsches Recht umgesetzt worden. Unsere gesetzlichen Vorgaben haben sich in der Pra- xis bewährt. Dies gilt für das eingangs erwähnte hohe Schutzniveau von Probanden und Patienten, die Beteili- gung der Ethikkommissionen am Genehmigungsverfah- ren, aber auch für die Möglichkeiten der Initiatoren und Sponsoren klinischer Arzneimittelforschung. Diese gute Praxis ist uns vonseiten der Ärzteschaft, vom Arbeits- kreis Medizinischer Ethik-Kommissionen, aber auch vom Verband Forschender Arzneimittelhersteller viel- fach bestätigt worden. Mit der Vorlage des EU-Verordnungsvorschlages soll die bislang geltende Richtlinie modernisiert werden. Ziel ist ein in allen EU-Mitgliedstaaten einheitlich geltender Rechtsrahmen für die Anforderungen an klinische Prü- fungen mit Humanarzneimitteln. Dieses Ziel einer weiteren Vereinheitlichung der kli- nischen Prüfungen in der EU erkennt der Antrag in seinem Wortlaut durchaus an. Damit darf aber keine Minderung der Rolle und des Stellenwerts der Ethik- 27330 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 219. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 31. Januar 2013 (A) (C) (D)(B) kommissionen verbunden sein. Ich komme darauf zu- rück. Tatsächlich betrachten wir wichtige Punkte des Ver- ordnungsvorschlags mit großer Sorge. Lassen Sie mich dies an drei ausgewählten Punkten unseres Antrages deutlich machen: Erstens die Regelungen zum Schutz von Prüfungsteil- nehmern. Die Deklaration von Helsinki fordert in Art. 6, dass „in der medizinischen Forschung am Menschen … das Wohlergehen der einzelnen Versuchsperson Vorrang vor allen anderen Interessen haben“ muss. Und weiter: „Einige Forschungspopulationen sind be- sonders vulnerabel und benötigen besonderen Schutz. Dazu gehören Personen, die nicht in der Lage sind, selbst ihre Zustimmung zu erteilen oder zu verweigern oder für die Ausübung von Zwang oder eine unzulässige Beeinflussung anfällig sein können.“ Im Widerspruch dazu wird im Verordnungsentwurf – Art. 31, Art. 32 – der Schutz vor fremdnütziger For- schung insbesondere bei Minderjährigen und Notfallpa- tienten gegenüber den bisherigen Regelungen der EU- Richtlinie und des Arzneimittelgesetzes jedoch verrin- gert. So muss der Widerspruch von widerspruchsfähigen Minderjährigen und erwachsenen Nichteinwilligungsfä- higen gegen die Teilnahme oder Fortsetzung einer Arz- neimittelprüfung nicht beachtet werden. Eine Öffnungs- klausel, um die Schutzvorkehrungen für besonders vulnerable Personengruppen an die unterschiedlichen mitgliedstaatlichen Anforderungen anzupassen, ist eben- falls nicht vorgesehen. Unser heute zu beschließender Antrag stellt darüber hinaus klar, dass eine Instrumentalisierung von Patien- tinnen und Patienten nicht mit den Grundrechten der Eu- ropäischen Menschenrechtskonvention sowie der Charta der Grundrechte der EU vereinbar wäre. Zweitens die fehlende Berücksichtigung von Ethik- kommissionen bei der Bewertung von Anträgen auf Ge- nehmigung klinischer Prüfungen und wesentlicher Än- derungen. Bei der Forschung am Menschen sind Ethikkommissionen international anerkannter Schutz- standard. Die Deklaration von Helsinki sieht dazu in Art. 15 vor, dass „das Studienprotokoll … vor Studien- beginn zur Beratung, Stellungnahme, Orientierung und Zustimmung einer Forschungsethik-Kommission vorzu- legen“ ist. Und weiter heißt es: „Diese Ethik-Kommis- sion muss von dem Forscher und dem Sponsor unabhän- gig und von jeder anderen unzulässigen Beeinflussung unabhängig sein. Sie muss den Gesetzen und Rechtsvor- schriften des Landes oder der Länder, in dem oder denen die Forschung durchgeführt werden soll, sowie den maßgeblichen internationalen Normen und Standards Rechnung tragen, die jedoch den in dieser Deklaration niedergelegten Schutz von Versuchspersonen nicht ab- schwächen oder aufheben dürfen. Die Ethik-Kommis- sion muss das Recht haben, laufende Studien zu beauf- sichtigen. Der Forscher muss der Ethik-Kommission begleitende Informationen vorlegen, insbesondere Infor- mationen über jede Art schwerer unerwünschter Ereig- nisse.“ Zitat Ende. Vor dem Hintergrund dieser wichtigen Funktionen so- wie einer Bewertung der Studie unter einem individuel- len Nutzen-Risiko-Verhältnis ist es mithin nicht nach- vollziehbar, weshalb der Verordnungsvorschlag nicht länger das zustimmende Votum einer unabhängigen, in- terdisziplinär besetzten Ethikkommission verpflichtend vorsieht. Eine Ablehnung durch die beauftragte Ethik- Kommission muss auch in Zukunft zu einer Versagung der Genehmigung einer Studie führen. Während noch in der aktuell gültigen EU-Richtlinie klar vorgegeben ist, dass „der Sponsor … mit der klini- schen Prüfung erst beginnen [kann], wenn die Ethik- Kommission eine befürwortende Stellungnahme abgege- ben hat“, Art. 9 Abs. 1 UAbs. 2 Satz 1 der Richtlinie 2001/20/EG, taucht diese Formulierung im Verordnungs- entwurf nicht mehr auf. Hier muss im laufenden Gesetz- gebungsverfahren dringend eine Änderung erreicht wer- den. Drittens. Ebenfalls stark kritikwürdig ist das vorgese- hene Verfahren zur Auswahl des berichterstattenden Mitgliedstaates und zur Zusammenarbeit der betroffenen Mitgliedstaaten. So obliegt es zukünftig allein dem Sponsor, den berichterstattenden Mitgliedstaat zu benen- nen. Die betroffenen Mitgliedstaaten können zukünftig bei der Bewertung von Anträgen nur noch Anmerkungen übermitteln. Hier wollen wir erreichen, dass der berichterstattende Mitgliedstaat nach objektiven Kriterien festgelegt und effektiv an der Nutzen-Risiko-Bewertung beteiligt wird. Dazu gehört eine ausreichende Konsultationsfrist, vor deren Ablauf der berichterstattende Mitgliedstaat nicht entscheiden darf, ebenso wie eine Pflicht des berichter- stattenden Mitgliedstaates, eingegangene Anmerkungen zu dokumentieren und gegebenenfalls zu begründen, warum er von den Hinweisen eines betroffenen Mit- gliedstaates abweicht. Des Weiteren sollte die künftige Verordnung Opt-out-Klauseln zugunsten eines in der na- tionalen Umsetzung höheren als im europäischen Rechtsrahmen vorgesehenen Schutzniveaus enthalten. Trotz unserer strengen Regelungen mit einem hohen Schutzniveau für Studienteilnehmer ist Deutschland bei der Anzahl klinischer Studienprojekte führend in Eu- ropa. Die in Deutschland seit 2004 geltende Rechtslage bewerten die Arzneimittelhersteller positiv, wie der Ver- band Forschender Arzneimittelhersteller in einer Stel- lungnahme hervorhebt. Keineswegs haben unsere bewährten deutschen Rege- lungen zu einem Rückgang klinischer Arzneimittelprü- fungen in Deutschland geführt; diese sind vielmehr seit 2009 in der Summe stabil. Das in Deutschland bestehende und grundrechtlich gebotene Niveau zum Schutz der Prüfungsteilnehmer ist kein Hindernis für erfolgreiche Forschungsvorhaben; es ist eine Grundvoraussetzung. Die international aner- kannten ethischen Grundsätze für die Forschung am Menschen dürfen deshalb auch in Zukunft nicht infrage gestellt werden. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 219. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 31. Januar 2013 27331 (A) (C) (D)(B) Stephan Stracke (CDU/CSU): Aus Sicht der Patien- ten in Deutschland sind zwei Dinge wichtig: Erstens. Sie wollen, dass ihnen ein bezahlbares Ge- sundheitssystem auf hohem Niveau zur Verfügung steht. In diesem Punkt hat die christlich-liberale Koalition in dieser Legislaturperiode große Fortschritte erzielt. So re- den wir in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht mehr über Defizite, sondern von Überschüssen, die auch in den nächsten Jahren noch tragen. Zweitens. Die Patienten wollen an Innovationen teil- haben. Dazu gehört auch, dass neue wirksame und si- chere Arzneimittel möglichst frühzeitig bei uns zugelas- sen werden. Als Mittel dazu bedarf es auch klinischer Prüfungen. Klinische Prüfungen erfolgen in nicht unerheblicher Zahl als multinationale Prüfungen in mehreren Staaten. Damit diese Prüfungen sicher durchgeführt werden können, braucht es einen verlässlichen Rahmen für die pharmazeutischen Unternehmen, aber auch einen ver- lässlichen Rahmen für die Prüfungsteilnehmer. Diesen Rahmen stellt in Deutschland das Arzneimittelgesetz dar. Dieses beruht auf einer europäischen Richtlinie zur Durchführung klinischer Prüfungen, die aber den Mit- gliedstaaten Spielraum bei der Umsetzung lässt. Eine weitere Vereinheitlichung der gesetzlichen Regelungen zur Schaffung eines noch verlässlicheren Rahmens ist deshalb anerkannt. Diese Vereinheitlichung darf aber nicht zulasten der Prüfungsteilnehmer gehen. Für Prüfungsteilnehmer be- stehen bei klinischen Prüfungen immer zwei Interessen. Das Schutzinteresse und das Chanceninteresse. Diese müssen sorgfältig gegeneinander abgewogen werden. Das Schutzinteresse besteht, weil bei Neu- oder Wei- terentwicklungen von Arzneimitteln immer auch ein Stück weit Neuland betreten wird. Dementsprechend sind sie trotz aller Anstrengungen zur Verminderung von Risiken mit gewissen Unsicherheiten für die Prüfungs- teilnehmer verbunden. Dem gegenüber steht aber die Chance, erstmals Zugang zu einem neuen, womöglich wirksamen Medikament zu erhalten. Außerdem leisten die Prüfungsteilnehmer auch einen ganz wichtigen Bei- trag für die Gesellschaft. Denn mit ihrer Teilnahme tra- gen sie dazu bei, dass mit höherer Wahrscheinlichkeit vorhergesagt werden kann, für welche Patienten ein neues Arzneimittel geeignet ist und welchen Nutzen es hat. Die Entscheidung über eine Teilnahme ist also nicht einfach, und wir können sie keinem Menschen abneh- men. Aber wir können die Menschen in ihrer Entschei- dung bestmöglich unterstützen. Deshalb bestehen in Deutschland weitreichende gesetzliche Bestimmungen, die dem Schutzinteresse Rechnung tragen. Denn nur mit dem Wissen um diese Regelungen kann eine wirklich freie Entscheidung über die Teilnahme an einer klini- schen Prüfung getroffen werden. So bestimmt das Arzneimittelgesetz unter anderem, dass klinische Prüfungen grundsätzlich nur an volljähri- gen, einwilligungsfähigen Prüfungsteilnehmern zulässig sind. Für Minderjährige und nichteinwilligungsfähige Erwachsene gelten dagegen enge Grenzen. So dürfen zum Beispiel bei Minderjährigen nur minimale Risiken und Belastungen mit der Forschung verbunden sein. In Deutschland ist Einhaltung dieser Regelungen unabding- bare Voraussetzung; denn die Fürsorge für die Prüfungs- teilnehmer hat für uns oberste Priorität. Aus diesem Grund regelt das Arzneimittelgesetz auch, dass eine klinische Prüfung nur begonnen werden darf, wenn die zuständige Ethikkommission diese zu- stimmend bewertet hat. Den Ethikkommissionen kom- men somit ganz wichtige und entscheidende Aufgaben zu: Sie prüfen die wissenschaftliche Qualität, die recht- liche Zulässigkeit und die Vertretbarkeit des Vorhabens. Auf diese Weise wahren sie die Rechte, das Wohlerge- hen und die Sicherheit der Prüfungsteilnehmer. Im Juli letzten Jahres hat die Europäische Kommis- sion den Vorschlag für eine Verordnung über klinische Prüfungen mit Humanarzneimitteln vorgelegt, die die bestehende Richtlinie ablösen soll. Mit dem Vorschlag verfolgt die Kommission zwei grundsätzliche Anliegen: Erstens, die Voraussetzungen klinischer Prüfungen mit Arzneimitteln am Menschen weiterzuentwickeln, und zweitens, das Verfahren der Genehmigung einer klini- schen Prüfung in den Mitgliedstaaten zu harmonisieren. Beides seien wichtige Faktoren für die Attraktivität der Europäischen Union als Standort für klinische For- schung. Gerade für Deutschland als größtem Forschungs- standort in Europa mit circa 30 Prozent Anteil an den durchgeführten klinischen Prüfungen ist dies immens wichtig. Daher begrüßen wir diese Anliegen ausdrück- lich. Allerdings weicht der Verordnungsvorschlag in we- sentlichen Punkten von dem Schutzniveau des Arznei- mittelgesetzes für die Prüfungsteilnehmer ab. Dies kann aus deutscher Sicht keinesfalls akzeptiert werden. Es ist wichtig, dass das bestehende Schutzniveau insbesondere hinsichtlich der Minderjährigen und nicht Einwilli- gungsfähigen weiter Bestand hat. Probleme bereitet der Verordnungsvorschlag auch hinsichtlich der Einbeziehung von Ethikkommissionen bei der Bewertung von Anträgen auf Durchführung von klinischen Prüfungen. Die bestehende EU-Richtlinie enthält die ausdrückliche Regelung, dass der Sponsor mit der klinischen Prüfung erst beginnen kann, wenn die Ethikkommission eine befürwortende Stellungnahme abgegeben hat. Diese Regelung sieht der Verordnungs- vorschlag nun jedoch nicht mehr vor. Ethikkommissio- nen leisten tagtäglich mit ihrer Arbeit einen Beitrag zur Qualitätssicherung und zur Rechtssicherheit bei klini- schen Prüfungen. Es ist daher befremdlich und realitäts- fern, dass die Ethikkommissionen im Verordnungsvor- schlag mit keinem Wort mehr erwähnt werden. Durch die Nichtaufnahme der Ethikkommissionen schadet der Verordnungsvorschlag dem Ansehen der medizinischen Forschung. Denn das Vertrauen der Öffentlichkeit in kli- nische Prüfungen gründet sich in höchstem Maße auf die durch die unabhängigen Ethikkommissionen abgesi- cherte ethische und rechtliche Vertretbarkeit. Mit unserer parteiübergreifenden Stellungnahme wei- sen wir als Deutscher Bundestag auf diese Unzulänglich- 27332 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 219. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 31. Januar 2013 (A) (C) (D)(B) keiten hin. Schon im Titel des Antrages machen wir un- missverständlich deutlich, worum es uns geht: den Schutz der Teilnehmerinnen und Teilnehmer bei der Durchführung von klinischen Prüfungen sicherzustellen. So fordern wir, dass das in Deutschland bestehende grundrechtlich gebotene Schutzniveau für Prüfungsteil- nehmer in den Verordnungsvorschlag aufgenommen werden muss. Das Schutzniveau muss in allen Mitglied- staaten gleich gestaltet sein. Ein mögliches Opt-out, nach dem der betroffene Staat entscheiden könnte, nicht an der klinischen Prüfung teilzunehmen, ist nicht ausrei- chend. Wir wollen unser hohes Schutzniveau verankert sehen und uns nicht auf ein Absenken auf ein niedrigeres Niveau einlassen. Das zustimmende Votum einer Ethik- kommission muss weiterhin Voraussetzung für den Be- ginn einer klinischen Prüfung sein. Aus unserer Sicht ist nur so der Schutz der Prüfungsteilnehmer, insbesondere auch der besonders vulnerablen Personengruppen, um- fassend zu gewährleisten. Zum Schluss möchte ich noch deutlich machen, dass die besten Regelungen nichts nützen, wenn das dahinter- stehende Verfahren untauglich ist. So brauchen wir auch praktikable Regelungen für die Genehmigung der Prüfung. Hierzu gehört, dass die betroffenen Mitglied- staaten ausreichend in das Genehmigungsverfahren ein- bezogen werden. Das derzeit geltende freiwillige Har- monisierungsverfahren bietet dafür eine gute Grundlage. Zudem sind die derzeit im Verordnungsentwurf vorgese- henen Fristen zur Entscheidung über die Genehmigung zu kurz. Sie lassen eine angemessene Bewertung kom- plexer klinischer Prüfungen und der mit ihnen verbunde- nen Risiken nicht mehr zu. Daher fordern wir, prakti- kable Fristen in der Verordnung zu verankern. Ich wünsche der Bundesregierung bei ihren Verhand- lungen auf EU-Ebene die nötige Durchsetzungskraft, um diese und die weiteren Forderungen unserer Stellung- nahme durchsetzen zu können. Dr. Marlies Volkmer (SPD): Es freut mich außeror- dentlich, dass wir heute einen fraktionsübergreifenden Entschließungsantrag beraten, der sich deutlich für den Schutz der Teilnehmerinnen und Teilnehmer an klini- schen Prüfungen mit Humanarzneimitteln einsetzt. Als die EU-Kommission im Juli letzten Jahres ihren Vorschlag einer Verordnung des Europäischen Parla- ments und des Rates über klinische Prüfungen mit Humanarzneimitteln und zur Aufhebung der Richtlinie 2001/20/EG vorlegte, erklang ein lauter Protest vonsei- ten der Medizin, der Wissenschaft und von den Patien- tenschützern – zu Recht, wie ich meine. Das erklärte Ziel der neuen Verordnung war es, einen in allen EU-Mitgliedstaaten einheitlich geltenden Rechtsrahmen für die Genehmigung klinischer Prüfun- gen zu schaffen. Die Mitgliedstaaten hatten die bislang geltende Richtlinie 2001/20/EG sehr unterschiedlich umgesetzt, was die Durchführung einer klinischen Prü- fung in mehr als einem Mitgliedstaat erschwert. Das neue Verfahren soll das Genehmigungsverfahren schnel- ler, einfacher und kostengünstiger machen und so die Attraktivität der Europäischen Union als Standort für klinische Forschung steigern. Diese Absicht ist durchaus zu begrüßen. Klinische Forschung zur Entwicklung neuer Arzneimittel und zur weiteren Verbesserung der Behandlungsmöglichkeiten von Krankheiten ist richtig und notwendig. Jedoch drohen die geplanten Änderungen das in Deutschland bestehende Schutzniveau für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer an klinischen Prüfungen herabzusetzen und verletzen grundlegende ethische Prinzipien. Bei der Umsetzung der heute geltenden Richtlinie mit der zwölften Arzneimittelgesetznovelle im Jahr 2004 und der GCP-Verordnung hat die SPD-geführte Bundes- regierung von ihrem Umsetzungsspielraum Gebrauch gemacht. Wir haben zum Schutz von besonders vulnera- blen Patientengruppen wie Minderjährigen oder einwilli- gungsunfähigen Erwachsenen deutliche Grenzen einge- zogen. Diese strengen deutschen Regelungen haben dabei keineswegs zu einem Rückgang klinischer Arznei- mittelprüfungen bei uns geführt. Im Gegenteil, Deutsch- land ist einer derjenigen Mitgliedstaaten mit den meisten Anträgen auf Genehmigung einer klinischen Prüfung. Der vorgelegte Verordnungsentwurf senkt jedoch das Schutzniveau für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer an klinischen Prüfungen. So sieht er vor, dass nicht ein- willigungsfähige Erwachsene ohne vorherige Informa- tion und ohne potenziellen Eigen- oder Gruppennutzen in eine klinische Prüfung einbezogen werden können. Auch der Widerspruch von Minderjährigen zur Teil- nahme oder Fortsetzung einer Arzneimittelprüfung muss nicht mehr beachtet werden. Eine Öffnungsklausel, damit Staaten Schutzvorkehrungen für besonders vulne- rable Personengruppen einfügen können, ist in der Verordnung nicht vorgesehen. Diese Änderungen bedeu- ten eine Instrumentalisierung von Patientinnen und Patienten, die nicht mit den Grundrechten gemäß der Eu- ropäischen Menschenrechtskonvention sowie der Charta der Grundrechte der Europäischen Union vereinbar ist. Weiterhin sieht der Verordnungsentwurf nicht länger das Votum einer unabhängigen, interdisziplinär besetz- ten Ethikkommission vor. Heute müssen geplante For- schungsvorhaben vor Studienbeginn einer mit Experten und Laien besetzten Ethikkommission zur Beratung, Stellungnahme, Orientierung und Zustimmung vorgelegt werden. Dieses Verfahren ist für den Schutz der Teilneh- merinnen und Teilnehmer an Studien unabdingbar. Auch die Bewertungs- und Genehmigungsfristen sol- len deutlich verkürzt werden, sodass eine angemessene Bewertung der Risiken und Belastungen für die Studien- teilnehmer sowie des wissenschaftlichen Nutzens der klinischen Prüfung fast unmöglich werden. Hinzu kommt, dass erlaubt werden soll, bestimmte schwerwie- gende unerwartete Ereignisse aus der Meldepflicht herauszunehmen. Dadurch verzerrt sich jedoch das Risi- koprofil der klinischen Prüfung, und es kann zu gefährli- chen Fehleinschätzungen über Risiken kommen. Zuletzt ist vorgesehen, dass allein der Sponsor einer klinischen Prüfung den Mitgliedstaat bestimmen darf, in welchem die Bewertung von Anträgen zur Genehmi- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 219. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 31. Januar 2013 27333 (A) (C) (D)(B) gung stattfindet. Auch falls größere Teile der Untersu- chung in anderen EU-Staaten stattfinden, haben diese fast keine Einflussmöglichkeiten und Mitspracherechte. Daher ist es richtig, dass sich Ärzte, Forscher und Pati- entenverbände vehement gegen diese Änderungen aus- gesprochen haben. Die Fraktionen des Deutschen Bundestages setzen sich mit diesem Antrag dafür ein, dass das in Deutsch- land bestehende und grundrechtlich gebotene Schutzni- veau für Prüfungsteilnehmerinnen und -teilnehmer in den Verordnungsvorschlag aufgenommen wird. Dabei sind insbesondere Minderjährige sowie nicht einwilli- gungsfähige Erwachsene besonders zu berücksichtigen. Es darf keine Verschiebung bei der Nutzen-Risiko-Ab- wägung zwischen individuellem Nutzen und dem Nut- zen für die öffentliche Gesundheit zulasten der Prü- fungsteilnehmerinnen und Prüfungsteilnehmer geben. Wir fordern, dass die unabhängigen, interdisziplinär besetzten Ethikkommissionen weiterhin in das Geneh- migungsverfahren einbezogen werden. Es bleibt dabei, dass eine Genehmigung für eine klinische Prüfung nur dann erteilt wird, wenn die Ethikkommission die Anfor- derungen zum Schutz der Prüfungsteilnehmerinnen und Prüfungsteilnehmer und die ärztliche Vertretbarkeit zustimmend bewertet hat. Dazu wird ihr auch weiterhin eine praktikable Frist eingeräumt. Schwerwiegende unerwünschte Ereignisse, die während der klinischen Prüfung auftreten, müssen zudem auch zukünftig aus- nahmslos gemeldet werden. Wir wollen, dass der berichterstattende Mitgliedstaat nicht der Wahl des Sponsors überlassen wird; stattdessen wird der Berichterstatter nach einem festgelegten, nach- vollziehbaren und transparenten Verfahren bestimmt, das bei klinischen Prüfungen in mehreren Ländern auch die übrigen betroffenen Mitgliedstaaten ausreichend ein- bezieht. Mit unserem einheitlichen Votum für diesen Ent- schließungsantrag setzen wir ein deutliches Zeichen. Die Bundesregierung kann mit einem klaren Auftrag in die weiteren Verhandlungen gehen. Der Deutsche Bundestag spricht sich mit einer Stimme für den Schutz der Teilnehmerinnen und Teil- nehmer an klinischen Prüfungen aus. Dadurch honorie- ren wir den wichtigen Beitrag, den diese Menschen zur Entwicklung neuer Arzneimittel und zur Verbesserung bestehender Therapien leisten. Jens Ackermann (FDP): Für die Bürgerinnen und Bürger ist die Qualität der klinischen Prüfungen von ho- her Wichtigkeit, da sie von einer optimalen medizini- schen Versorgung profitieren sollen. Die Rahmenbedin- gungen hierfür muss die Politik vorgeben. Am 17. Juli 2012 veröffentlichte die Kommission ei- nen Verordnungsvorschlag über klinische Prüfungen mit Humanarzneimitteln. Ziel der Verordnung ist die Schaf- fung eines einheitlichen Rechtsrahmens, um damit eine durchgängige Harmonisierung der Anforderungen an kli- nische Prüfungen mit Humanarzneimitteln zu erzielen. Nach der Evaluierung der Richtlinie von 2001 stellte die Kommission fest, dass die Umsetzung in den einzelnen Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich ist; insbesondere bei der Durchführung multinationaler klinischer Prüfun- gen gibt es Probleme. Klinische Prüfungen mit Patien- tinnen und Patienten und Probandinnen und Probanden sind notwendig, um die Wirksamkeit und Sicherheit von Medikamenten und medizinischen Interventionen zu überprüfen. Die von der Kommission benannten Probleme im Verordnungsentwurf treffen auf Deutschland nicht zu; darin sind sich alle Beteiligten einig. Der Gesetzgeber hat die Richtlinie 2004 mit dem Zwölften Gesetz zur Än- derung des Arzneimittelgesetzes und der Verordnung über die Anwendung der Guten Klinischen Praxis bei der Durchführung von klinischen Prüfungen mit Arznei- mitteln zur Anwendung am Menschen, der sogenannten GCP-Verordnung, umgesetzt. Dabei hat die damalige Regierung von der Möglichkeit des Umsetzungspiel- raums Gebrauch gemacht, um die Probandinnen und Probanden stärker als auf europäischer Ebene vorgesehen zu schützen. Dies ist besonders bei vulnerablen Personen- gruppen wie Minderjährigen oder nicht einwilligungs- fähigen Erwachsenen erkennbar. Hier hat der Gesetzge- ber richtigerweise damals Grenzen gezogen. Der Gesetzgeber hat festgelegt, dass sowohl die Auf- klärung als auch die Behandlung nur ein Arzt durchfüh- ren darf. Die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger muss oberste Priorität haben. In Deutschland besteht also seit der Umsetzung der Richtlinie im Jahr 2004 ein bewährter Rechtsrahmen so- wohl für die Probanden als auch für die Sponsoren, die man in dieser Debatte auch nicht außer Acht lassen darf. Der Sponsor, der auch für den organisatorischen Ablauf zuständig ist, trägt die volle Verantwortung sowie das unternehmerische Risiko. Es ist also bei den hohen An- forderungen geboten, hier passende Bürokratiehürden anzubieten. Der von der Kommission ausgeführte Reformbedarf der Richtlinie ist auf Deutschland nicht übertragbar. Wir haben keinen Rückgang an klinischen Prüfungen nach der Umsetzung der Richtlinie verzeichnen können. Im Gegenteil: In Deutschland wurden seit der Umsetzung 2004 vergleichsweise sehr viele Anträge auf Genehmi- gung einer klinischen Prüfung gestellt. Wir haben fraktionsübergreifend innerhalb des Gre- miums große Bedenken zum Verordnungsentwurf der Kommission geäußert. Diese spiegeln sich im heute zu beratenden Antrag wieder. Die Wünsche aus Europa sind ja schön und gut. Je- doch haben wir an dieser Stelle weitergehende Regelun- gen, die wir nicht aufgeben dürfen. Vielmehr muss es in unserem Interesse sein, die vorliegende Verordnung zu verbessern. Ich freue mich sehr, dass wir als Regierungsfraktio- nen zusammen mit der Opposition und in guter Zusam- menarbeit mit dem Bundesministerium für Gesundheit Vorschläge zur Verbesserung der Richtlinie vorlegen konnten, die unsere Bedenken zum Verordnungsentwurf aufzeigten. Es kommt schließlich auf das Ergebnis an: 27334 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 219. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 31. Januar 2013 (A) (C) (D)(B) Der Schutz der Probandinnen und Probanden ist und bleibt oberstes Gebot. Die Regelungen in Deutschland haben sich bewährt, einerseits für die Probandinnen und Probanden mit ho- hen Sicherheitsforderungen, andererseits auch für die Sponsoren, die in Deutschland sehr gute Bedingungen für klinische Prüfungen mit Humanarzneimitteln vorfin- den. Hier benötigen wir auch praktikable Fristen für die Genehmigungen. Der Vorschlag der Kommission hat aus unserer Sicht entscheidende Mängel: Die Regelungen bieten den Pro- bandinnen und Probanden keinen ausreichenden Schutz; besonders gilt dies für Minderjährige. Hier fordern wir Nachbesserungen insbesondere für Minderjährige und nicht einwillungsfähige Erwachsene. Diese sollen, wenn sie dazu in der Lage sind, mit angehört werden. Das heißt: Man benötigt dann neben der Entscheidung des gesetzli- chen Vertreters auch die Zustimmung des Probanden. Gegenüber klinischen Prüfungen an Kindern brauchen wir gesonderte Regelungen. Prüfungen mit kranken Kin- dern müssen an besondere Bedingungen geknüpft sein. Das heißt: minimale Risiken, minimale Belastungen. Generell müssen die Aufklärung sowie die Behand- lung von einem Arzt durchgeführt werden. Die klini- schen Prüfungen dürfen auch nur beginnen, wenn die vorhersehbaren Risiken und Belastungen von Ärzten als vertretbar eingeschätzt werden. Genauso muss die Ethik- kommission unabhängig und interdisziplinär besetzt werden, da dieses Gremium über die Genehmigung kli- nischer Prüfungen entscheidet. Stark zu kritisieren ist auch die Tatsache, dass nun al- lein der Sponsor das Berichtsland des Mitgliedstaates bestimmen sollte. Hier fordern wir, dass der berichtende Mitgliedstaat in einem transparenten Verfahren bestimmt wird. Zudem muss der Sponsor einen gesetzlichen Ver- treter in einem Mitgliedsland der EU haben: ein sehr wichtiger Schritt, um Rechtssicherheit gewährleisten zu können. Deshalb sollte für eine lückenlose Dokumenta- tion der Antrag auch möglichst in englischer Sprache eingereicht werden. Die Mitgliedstaaten sind im Kommissionsvorschlag zur Einrichtung eines Entschädigungsmechnismus ver- pflichtet. Hier fordern wir, dass den Mitgliedstaaten ein gewisser Spielraum für die Absicherung der Probandin- nen und Probanden eingeräumt wird. Es ist also, wie Sie sehen, noch viel Änderungsbedarf vorhanden. Diesem Bedarf wird der vorliegende Antrag gerecht. Ich fasse für Sie noch einmal die Kernforderungen des interfraktionellen Antrages zusammen. Wir fordern: verbesserte Schutzregeln besonders für Minderjährige und nicht einwillungsfähige Erwachsene und eine unab- hängig und interdisziplinär besetzte Ethikkommission, die über die Genehmigungen klinischer Prüfungen ent- scheidet. Die Wahl für das berichterstattende Land muss in einem festgelegten, nachvollziehbaren und transpa- renten Verfahren erfolgen und nicht durch den Sponsor. Wir fordern weiter, dass der Prüfplan und die Prüf- informationen für eine EU-weit einheitliche Fassung möglichst in englischer Sprache einzureichen sind und praktikable Fristen über die Genehmigung klinischer Prüfungen. Der wichtigste Punkt: Es darf keine Risiko- verschiebung zulasten der Probanden geben. Ich hoffe im Interesse der Patientinnen und Patienten sowie der Probandinnen und Probanden sehr, dass die Bundesregierung sich mit unseren Forderungen in den weiteren Verhandlungen zur Verordnung durchsetzen wird. Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der Verordnungsvorschlag der EU-Kommission, die Rege- lungen für klinische Arzneimittelprüfungen zu verein- heitlichen, hat erhebliche Mängel. Diese müssen in den Verhandlungen der Mitgliedstaaten und vom Europäi- schen Parlament im Gesetzgebungsverfahren behoben werden. Ohne Änderungen könnte es beispielsweise sein, dass nicht einwilligungsfähige Patientinnen und Patienten nicht nur minimale, sondern größere Risiken zu tragen hätten, ohne dass ein Nutzen für sie zu erwar- ten ist. Das ist aus meiner Sicht nicht mit der Europäi- schen Menschenrechtskonvention sowie der Charta der Grundrechte der EU vereinbar. Wir sind uns in Bundestag und Bundesrat einig, dass wir uns am geltenden deutschen Arzneimittelrecht orien- tieren sollten. Dieses legt deutlich höhere Schutzstan- dards, insbesondere für Kinder und nicht einwilligungs- fähige Erwachsene, fest, als von der EU-Kommission geplant. Ebenso unverzichtbar ist, dass eine Zustimmung einer unabhängigen interdisziplinären Ethikkommission Voraussetzung für die Durchführung solcher Studien ist. Die bestehende Richtlinie 2001/20/EG wurde in Deutschland 2004 unter Rot-Grün in nationales Recht umgesetzt. Dabei haben wir bestehende Umsetzungs- spielräume genutzt. Für eine der Regelungen wurden wir damals deutlich kritisiert: dass wir unter der Vorausset- zung, dass nur minimale Risiken und minimale Belas- tungen zu erwarten sind, bei Minderjährigen klinische Prüfungen auch dann erlaubt haben, wenn kein eigener Nutzen, sondern nur ein Gruppennutzen zu erwarten ist. Heute wären manche – die damals ein absolutes Verbot forderten – froh, wenn eine solche Regelung in allen Forschungsbereichen gelten würde. Union und FDP haben die 12. AMG-Novelle damals abgelehnt. So falsch konnte das, was damals beschlossen wurde, aber doch nicht sein, wenn wir alle heute so posi- tiv auf die dortigen Regelungen Bezug nehmen. Es ist uns damals gelungen, Regelungen zu verabschieden, die sich sowohl hinsichtlich des Schutzes von Teilnehmerin- nen und Teilnehmern an klinischen Prüfungen als auch aus der Sicht der Sponsoren klinischer Arzneimittel- forschung bewährt haben. Dies lässt sich auch daran ab- lesen, dass es in Deutschland – im Gegensatz zur EU- weiten Entwicklung – nicht zu einem Rückgang von Arzneimittelstudien gekommen ist. Wie bereits gesagt, es gibt keine inhaltlichen Diffe- renzen; alle im Bundestag vertretenen Fraktionen sind sich einig. Dennoch liegen uns nun zwei wortidentische Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 219. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 31. Januar 2013 27335 (A) (C) (D)(B) Anträge vor. Dass die Union keine Anträge gemeinsam mit der Linken stellt, ist ihre Entscheidung. Schwer nachvollziehen kann ich jedoch, dass dies auch für bio- ethische Fragestellungen gilt. Bei strittigen Bioethik- themen kooperieren wir quer durch alle Fraktionen. Aber wenn wir uns einig sind, darf dies nicht sein. Da fehlt mir das Verständnis. Der Bundesrat fordert in seiner Stellungnahme, dass auch die damals von uns Grünen eingebrachte Vorgabe der angemessenen Einbeziehung von Frauen in klinische Arzneimittelstudien in die EU-Verordnung aufgenom- men werden solle. Das kann ich nur unterstützen. Aber dies reicht nicht aus. Bereits unter Rot-Grün wollten wir mehr. Wir Grünen setzen uns dafür ein, dass in die EU- Verordnung Regelungen aufgenommen werden, die ge- schlechtsspezifische Auswertungen nicht nur möglich machen, sondern auch sicherstellen, dass diese tatsäch- lich durchgeführt werden. Erst dann kann in Zukunft ge- währleistet werden, dass Frauen die richtige Arzneimit- teltherapie erhalten. Wir halten aus gutem Grund die Einbeziehung der Ethikkommissionen hoch; aber wir hören auch, dass es vor Ort große Unterschiede bei der Professionalität gibt. Hier wünsche ich mir, dass die Bundesländer, bei denen die Regelungskompetenzen größtenteils liegen, gemein- sam an einer Optimierung arbeiten. 219. Sitzung Inhaltsverzeichnis TOP 7 Bundeswehreinsatz in Afghanistan (ISAF) TOP 4 Rüstungsexportpolitik TOP 40 Überweisungen im vereinfachten Verfahren TOP 41, ZP 2, 3 Abschließende Beratungen ohne Aussprache ZP 4 Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses ZP 5 Aktuelle Stunde zur Ausrüstung der Bundeswehr mit bewaffneten Drohnen TOP 3 Private Altersvorsorge TOP 6, ZP 6 Soziale und ökologische Unternehmensverantwortung TOP 5, ZP 7, 8 Justizkostenrecht TOP 16 Sahel-Region TOP 9 Krebsregister TOP 10 Sport in der Auswärtigen Kulturpolitik TOP 11 Sorgerecht nicht miteinander verheirateter Eltern TOP 12 Soziale Sicherung in der Entwicklungspolitik TOP 13 Außenwirtschaftsrecht TOP 14 Sozialer Tourismus TOP 15 Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen TOP 25 Behindertenrecht im Wahlrecht TOP 17 Innerstaatliche Umsetzung des Fiskalvertrags TOP 18 Änderung personenstandsrechtlicher Vorschriften TOP 19 Nutzung von Konfliktmineralien TOP 20 Telekommunikationsrecht TOP 21 Ökologischer Landbau TOP 24 Versicherungsrechtliche Vorschriften TOP 23 Uranmunition TOP 26 Schutz des Erbrechts nichtehelicher Kinder TOP 27 Bergrecht TOP 28 Rechte des leiblichen, nicht rechtlichen Vaters ZP 9 Drogenpolitik TOP 29 Urheberrecht TOP 30 Aus- und Weiterbildung in der Altenpflege TOP 31 SGB II (Bildungs- und Teilhabepaket) TOP 32 Menschen mit Behinderung im Arbeitsleben ZP 10 Klinische Prüfungen mit Humanarzneimitteln Anlagen
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Sabine Weiss


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)


    Schönen Dank, Herr Präsident. – Meine Damen und

    Herren! Ich glaube – das zur Einleitung –, zwischen uns
    allen hier, unter allen Entwicklungspolitikern herrscht
    Einigkeit, dass der Aufbau sozialer Sicherungssysteme
    ein zentraler Punkt der Armutsbekämpfung ist. Daher
    werde ich jetzt nicht noch einmal ausführen, welche Be-
    deutung eine funktionierende soziale Sicherung für das
    Leben der einzelnen Menschen, aber auch für ganze
    Volkswirtschaften hat.

    Ich bin froh, liebe Kollegin Roth, dass soziale Sicher-
    heit eben doch als entscheidendes Instrument und Quer-
    schnittsthema im BMZ fest verankert ist. Derzeit fördert
    das BMZ soziale Sicherungssysteme in rund 20 Ländern
    und zusätzlich noch in regionalen und globalen Vorha-
    ben. Mit geförderten Projekten in Höhe von 150 Millio-
    nen Euro ist das Engagement unseres Ministeriums
    damit so hoch wie nie zuvor. Ziel unserer Politik ist es,
    die Absicherung aller Bevölkerungsschichten, insbeson-
    dere der armen und benachteiligten Gruppen, sicherzu-
    stellen. Daher lassen wir uns nicht vorwerfen, dass wir
    das Thema „Soziale Sicherung“ vernachlässigen; denn
    das ist schlicht und einfach falsch.

    Es ist seit langer Zeit bekannt, wie wichtig der Auf-
    bau sozialer Sicherungssysteme für die Armutsbekämp-
    fung und die nachhaltige Entwicklung ist. Allein mit den
    vorhandenen Studien von unterschiedlichster Seite zur
    Bedeutung der sozialen Sicherung kann man mittler-
    weile ganze Bibliotheken füllen. Es ist also ein altes
    Thema und ein wichtiges Thema. Sie, verehrte Damen
    und Herren von der Opposition, haben die Bedeutung
    von sozialen Sicherungssystemen durch Ihre Anträge
    also nicht erfunden – das haben Sie ja zugegeben, Frau
    Kollegin Roth –, auch wenn man beim Lesen Ihrer An-
    träge manchmal zu einem anderen Schluss kommen
    könnte.


    (Beifall des Abg. Helmut Heiderich [CDU/ CSU])


    Es gibt unterschiedliche Herangehensweisen und In-
    strumente, wie soziale Sicherung in Entwicklungslän-
    dern erfolgreich sein kann. Ich finde – da spreche ich
    auch im Namen meiner Fraktion –, dass die Maßnahmen
    und Projekte des BMZ in den Bereichen Absicherung im
    Krankheitsfall, Grundsicherung, Alterssicherung, Mikro-
    versicherung und auch systemische Beratung ein guter
    und erfolgversprechender Weg sind.

    Was die Forderungen in Ihrem Antrag angeht, ver-
    ehrte Frau Kollegin Roth, so gibt es sicherlich eine
    Menge Punkte, denen ich inhaltlich zustimme, aber eben
    auch, weil sie bereits Regierungshandeln sind. So sind
    Frauen, Kinder, alte Menschen und Menschen mit
    Behinderungen bereits Hauptzielgruppe des deutschen
    Engagements, um nur ein Beispiel zu nennen.

    Bei der Budgethilfe, deren Ausweitung Sie fordern,
    sind wir nun einmal anderer Meinung. Aber das muss
    ich jetzt nicht zum wiederholten Male ausführen.


    (Ute Koczy [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt!)






    Sabine Weiss (Wesel I)



    (A) (C)



    (D)(B)


    Mein grundsätzliches Problem mit dem Antrag ist,
    dass, wie ich finde, hier einfach an vielen Stellen das
    Pferd von hinten aufgezäumt wird. Da wird in zig Forde-
    rungen mehr oder weniger postuliert, dass die Bundes-
    regierung für die Einführung sozialer Sicherungssysteme
    in allen Entwicklungsländern sorgen soll.


    (Dr. Sascha Raabe [SPD]: Ja, richtig! Das soll passieren!)


    Deutschland allein soll also die Welt retten. So einfach,
    wie sich das in Ihren Anträgen liest, fragt man sich
    manchmal ernsthaft, warum vorher noch keiner auf die
    Idee gekommen ist. Dabei handelt es sich doch tatsäch-
    lich um Jahrhundert- und Mammutprojekte, die wir als
    Deutschland gar nicht alleine stemmen können.


    (Karin Roth [Esslingen] [SPD]: Das sagt auch keiner!)


    Die Machbarkeit dieser Jahrhundert- und Mammut-
    projekte wird anhand von ILO-Studien belegt. Diese
    Studien besagen, sozialer Basisschutz für alle Bevölke-
    rungsgruppen sei finanzierbar.


    (Karin Roth [Esslingen] [SPD]: Ja, eben!)

    Dazu braucht man aber ein transparentes Steuersystem,
    Beitragsaufkommen, nationale Steuermittel und interna-
    tionale Geberunterstützung.


    (Karin Roth [Esslingen] [SPD]: Das steht auch alles in dem Antrag!)


    Ich füge jetzt noch hinzu: Dafür bedarf es allerdings
    auch: Geburtenregister, funktionierendes Ausweissys-
    tem, Korruptionsbekämpfung, leistungsfähige Büro-
    kratie, und zwar bis in das entlegenste Dorf hinein.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


    Sehr geehrte Damen und Herren von der Opposition,
    ich weiß nicht, in welchen Entwicklungsländern Sie sich
    vor Ort einen Blick verschafft haben. Ich gestehe – ich
    denke, auch da spreche ich für die Kolleginnen und
    Kollegen –, dass ich bisher kaum oder vielleicht sogar
    gar kein Entwicklungsland kennengelernt habe, das
    diese Grundkriterien, Grundvoraussetzungen alle erfüllt.
    Wir dürfen also nicht den zweiten Schritt


    (Karin Roth [Esslingen] [SPD]: Ich habe gerade sechs genannt!)


    – ich habe von Entwicklungsländern gesprochen – vor
    dem ersten machen.


    (Karin Roth [Esslingen] [SPD]: Vietnam? Mosambik?)


    Ohne funktionierende Bürokratie, Geburtenregister und
    ein transparentes, faires Steuersystem wird die Einfüh-
    rung von, wie Sie fordern, flächendeckenden sozialen
    Sicherungssystem keinen Erfolg haben. Soziale Siche-
    rungssysteme haben nur dann eine Chance, wenn die Be-
    völkerung auch Vertrauen in das Versicherungsprinzip
    hat. Sonst wird sie nämlich gar nicht bereit sein, Zahlun-
    gen in eine unsichere Zukunft hinein zu leisten.


    (Beifall der Abg. Helga Daub [FDP])

    Bevor wir den flächendeckenden, teilweise beitragsfi-

    nanzierten Aufbau von sozialen Sicherungssystemen für

    alle Bevölkerungsgruppen mit Solidarausgleich in An-
    griff nehmen, müssen wir also zuerst die Rahmenbedin-
    gungen dafür schaffen, und das tun wir in vielen Dingen.
    Schon das ist in vielen Ländern, wie wir alle wissen,
    eine Herkulesaufgabe, die nur mit gewaltiger Kraft-
    anstrengung der Regierungen vor Ort zu lösen ist. Ein
    transparentes Steuersystem, ein funktionierendes Gebur-
    tenregister, eine Verwaltung – so etwas stampft man in
    den meisten Entwicklungsländern nicht mal so eben aus
    dem Boden.

    Auch sollten Sie ehrlich sein: All das, was Sie da for-
    dern, wird zig Milliarden kosten und Jahrzehnte dauern.
    Sie fordern hier mal eben 100 Millionen Euro pro Jahr,
    um all das Wirklichkeit werden zu lassen. Herunterge-
    rechnet ist das 1 Euro für jeden – Sie haben es gerade er-
    wähnt, Frau Roth –, der aufgrund von medizinischen Be-
    handlungskosten jedes Jahr neu in Armut fällt. Ich frage
    Sie: Wem wollen Sie das denn allen Ernstes verkaufen?

    Der Aufbau sozialer Sicherungssysteme ist zentraler
    Bestandteil unserer Politik, den wir auch konsequent
    weiterverfolgen werden. Wir machen aber – im Gegen-
    satz zu Ihnen – nicht den zweiten Schritt vor dem ersten,


    (Dr. Sascha Raabe [SPD]: Sie streichen Mittel!)


    und wir tun auch nicht so, als wäre diese Mammutauf-
    gabe einfach mal so zu bewältigen.


    (Beifall bei der CDU/CSU)


    Ihre Anträge lehnen wir daher ab.

    Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)




Rede von Eduard Oswald
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Nächster Redner für

die Fraktion Die Linke unser Kollege Niema Movassat.
Bitte schön, Kollege Niema Movassat.


(Beifall bei der LINKEN)



  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Niema Movassat


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE LINKE.)


    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir disku-

    tieren heute das Thema der sozialen Sicherung in Ent-
    wicklungsländern. Um es klar zu sagen: Soziale Siche-
    rung, soziale Gerechtigkeit wird es ohne eine gerechte
    Verteilung des weltweiten Wohlstandes nicht geben.


    (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


    10 Prozent der Weltbevölkerung besitzen 85 Prozent
    des weltweiten Vermögens. 50 Prozent der Menschheit
    besitzen zusammengenommen gerade mal 1 Prozent des
    Weltvermögens. Übertragen wir die Struktur der welt-
    weiten Vermögensverteilung auf eine Gruppe von zehn
    Menschen, die sich einen Kuchen teilen, dann müssen
    wir uns einen Herrn vorstellen, der nahezu den gesamten
    Kuchen alleine aufisst, während sich die übrigen neun
    Menschen die Krümel teilen dürfen, und das ist asozial.


    (Beifall bei der LINKEN)


    Etwa 1,4 Milliarden Menschen leben weltweit in Ar-
    mut. Sie können sich keinen Arzt leisten, ihre Kinder





    Niema Movassat


    (A) (C)



    (D)(B)


    nicht zur Schule schicken und müssen oftmals hungern.
    Statt wie die Bundesregierung auf die Wohltätigkeit von
    Bill Gates zu setzen, würde ich lieber 75 Prozent Steuern
    auf sein Vermögen erheben. Danach wäre er immer noch
    stinkreich, aber viele Menschen könnten dauerhaft aus
    der Armut befreit werden. Das wäre der bessere Weg,
    besser, als sich auf das Wohlwollen eines einzelnen
    Menschen zu verlassen.


    (Beifall bei der LINKEN)


    Die Entwicklungsorganisation Oxfam hat errechnet,
    dass sich mit 60 Milliarden Dollar die Armut in der Welt
    besiegen ließe. Die 100 reichsten Menschen haben im
    letzten Jahr insgesamt etwa 240 Milliarden Dollar
    verdient. Würden wir ihre Einkünfte nur mit 25 Prozent
    besteuern, könnten wir zumindest aus rein finanzieller
    Sicht die weltweite Armut jetzt beenden.


    (Beifall bei der LINKEN)


    Wir brauchen also eine deutliche Umverteilung von
    oben nach unten.

    Dennoch: Soziale Sicherungssysteme wie Sozialhilfe,
    Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung sind
    ein notwendiger und wichtiger Schritt zur Verbesserung
    der Lebensumstände von Milliarden von Menschen.
    Heute haben etwa 80 Prozent der Menschen auf der Erde
    diesen Schutz nicht. Und in Europa und Deutschland
    werden die sozialen Sicherungssysteme immer weiter
    eingeschränkt. Rot-Grün hat seinerzeit mit der Agenda
    2010 den Startschuss gegeben.


    (Dr. Sascha Raabe [SPD]: Sagen Sie doch einmal etwas zum Antrag!)


    Heute sind alle – von der FDP über die Union, die
    Grünen bis hin zur SPD – mitverantwortlich für die Zer-
    störung der Sozialsysteme im Süden Europas.

    Auch in Deutschland nimmt die soziale Sicherheit
    immer weiter ab. Seit 1997 ist die Mittelschicht um
    5,5 Millionen Menschen geschrumpft. Immer mehr
    Menschen leben hierzulande in Armut. Das macht die
    Anträge von SPD und Grünen wenig authentisch.


    (Beifall bei der LINKEN)


    Die Grünen stellen immerhin richtig fest, dass die
    soziale Kluft zwischen Arm und Reich in fast allen
    Ländern der Erde zusehends größer wird. Eine weltweite
    soziale Wende fordern die Grünen. Das klingt fast nach
    unserem Parteiprogramm, und das unterstützen wir
    selbstverständlich.


    (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Und auch der Ansatz, den Aufbau sozialer Sicherungs-
    systeme zum Schwerpunkt der Entwicklungszusammen-
    arbeit zu machen, ist richtig. Genauso richtig ist es, die
    Zusammenarbeit der Länder des Südens zu fördern, wie
    es die Linke seit Jahren fordert und was sich im Antrag
    der Grünen wiederfindet.

    Doch bevor jetzt zu viel Harmonie aufkommt:


    (Heiterkeit bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ja auch unglaubwürdig!)


    In der entscheidenden Frage, warum wir soziale Siche-
    rungssysteme fördern wollen, unterscheiden wir uns
    gravierend von den Antragstellern.


    (Karin Roth [Esslingen] [SPD]: Oh toll!)


    Denn der Linken geht es nicht darum, durch ein bisschen
    soziale Sicherung Verteilungskonflikte abzumildern, wie
    die Grünen schreiben. Wir sind der Ansicht, dass soziale
    Kämpfe um eine gerechte Vermögensverteilung berech-
    tigt sind.


    (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


    Wer immer weiter von unten nach oben umverteilt, darf
    sich nicht wundern, wenn die immer größer werdende
    Masse von verarmten Menschen sich dagegen wehrt. In
    der Menschheitsgeschichte mussten soziale Rechte stets
    in harten Auseinandersetzungen erkämpft werden. Das
    wird auch dann so bleiben, wenn sich die Entwicklungs-
    zusammenarbeit in Zukunft verstärkt auf den Aufbau so-
    zialer Sicherungssysteme konzentriert. Trotzdem wäre
    eine solche Konzentration natürlich wünschenswert.

    Danke für die Aufmerksamkeit.


    (Beifall bei der LINKEN)